AVID XIV / 2005 Virus der Bovinen Virusdiarrhoe / Mucosal Disease (BVDV) : Nachweis mit real-time RT-PCR Seite 1 Klassifizierung: Familie: Genus: Spezies* : Flaviviridae Pestivirus BVDV 1 und BVDV 2 * Die früheren Genotypen I und II des BVDV werden nunmehr wie das Virus der Klassischen Schweinepest (KSPV, engl. CSFV) und das Virus der Border-Disease (BDV) als taxonomisch selbständige Spezies in das Genus Pestivirus eingeordnet. 1. Allgemeines Die Bovinen Virusdiarrhoe/Mucosal Disease gehört zu den verlustreichsten Infektionen in der intensiven Rinderhaltung. In der Epidemiologie spielen die ncp-Biotypen** des BVDV die entscheidende Rolle. Klinisch manifeste Erkrankungen nach postnatalen, immer transienten Infektionen zeigen ein vielgestaltiges Bild und können mit Fieber, Leukopenie, Stomatitis, Diarrhoe, respiratorischen Symptomen, Milchrückgang sowie einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber Sekundärinfektionen verbunden sein. Bei serologisch negativen weiblichen Rindern kommt es zu einer diaplazentaren Infektion der Feten. Die Konsequenzen sind abhängig vom Trächtigkeitsstadium. In der Frühträchtigkeit führt das häufige Absterben der Embryonen zur Fruchtresorption verbunden mit verlängerten Zykluszeiten. Bei Infektionen zwischen etwa dem 80. und 125. Trächtigkeitstag kommt es durch die in dieser Phase erfolgende Prägung des fetalen Immunsystems zur Ausbildung einer Immuntoleranz gegen das BVDV. Diese Immuntoleranz gegen das quasi „körpereigene“ BVDV bewirkt, dass diese als Virämiker oder PI (persistent infiziert) bezeichneten Tiere keine Antikörper bilden und lebenslang sehr hohe Virusmengen ausscheiden. Außerdem können in diesem Stadium durch virusbedingte Störungen in der Organogenese angeborene Defekte (Retinadysplasie, Kleinhirnhypoplasie u.a.) induziert werden. Ein Teil der PI entwickelt sich ohne Störungen und kann nach der Geburt symptomfrei aufwachsen. Erst nach dem ca. 125. Trächtigkeitstag erlangt der Fetus seine Immunkompetenz und die Antikörperbildung setzt ein. Das Auftreten von Missbildungen geht dadurch bis zum Ende der Trächtigkeit zurück. Mit einer Prävalenz in der Rinderpopulation zwischen ca. 0,1 und 2,0 stellen PI-Tiere infolge der ununterbrochnen Ausscheidung hoher Viruskonzentrationen eine permanente Quelle für Neu- und Reinfektionen in Rinderbeständen dar. Demzufolge ist die Erkennung und Eliminierung von PI-Tieren der diagnostische Schlüssel für die Unterbrechung der Infektketten und die Sanierung der Rinderbestände. In der Routinediagnostik werden zum Auffinden von PI derzeit vor allem kommerzielle Antigen-ELISAs eingesetzt, die trotz der zumeist hohen Virus- und Antigenlast bei PITieren nur maximale Sensitivitäten von 95% - 98% erreichen. Screeningverfahren zum Nachweis BVDV müssen die hohe Heterogenität der beiden in weitere Subtypen unterteilbaren BVDV-Spezies berücksichtigen. PCR-basierte Nachweisverfahren müssen daher durch die Ausrichtung auf konservierte Regionen des Virusgenoms eine große diagnostische Breite sichern. Die real-time RT-PCR ist prinzipiell auch zum Virusnachweis in klinischem Material sowie in pathologischen Substraten geeignet. Positive Ergebnisse werden dabei auch erzielt, wenn nicht vermehrungsfähiges Virus vorliegt bzw. wenn das Virus durch Antikörper maskiert ist. ** Jedes BVDV kann in zwei verschiedenen Biotypen auftreten. Labordiagnostisch werden diese Biotypen anhand ihres Wachstums mit oder ohne zytopathischem Effekt auf Zellkulturen in cytopathogenes BVDV (cp-Virus) und nicht-cytopathogenes BVDV (ncp-Virus) unterteilt. Die Verbreitung des ncp-Virus durch PI-Tiere ist die Hauptquelle AVID XIV / 2005 Virus der Bovinen Virusdiarrhoe / Mucosal Disease (BVDV) : Nachweis mit real-time RT-PCR Seite 2 für transiente Infektionen wie auch für die Entstehung neuer PI. Durch Mutation und Superinfektion wandelt sich der in einem PI vorliegende ncp-Typ nach einer nicht vorhersehbaren Zeit zu einem cp-Typen. Diese Umwandlung führt zum klinischen Bild der letal endenden Mucosal Disease (MD), das vor allem durch schwere, teils generalisierte Schleimhauterosionen charakterisiert ist. 2. Untersuchungsmaterial: 2.1. PI-Diagnostik: Blutplasma (Vorzugsweise EDTA als Gerinnungshemmer verwenden. Heparin kann bei der Nukleinsäure-Isolierung co-extrahiert werden und die PCR inhibieren.) Blutserum Milch Hautbiopsien 2.2. Nachweis von BVDV als Ursache klinischer Erkrankungen: Organe Tupfer 2.3. Zellkulturen 3. Untersuchungsgang 3.1. Prinzip Nach der Nukleinsäure-Isolierung erfolgen mit Hilfe eines one-tube RT-PCR Kits die reverse Transkription viraler RNA in cDNA und die anschließende Amplifikation im als real-time RT-PCR im geschlossenen System. Für den Virusnachweis ohne Speziesdifferenzierung werden Primer und eine Sonde mit pan-Pesti-Spezifität eingesetzt. Damit wird die sichere Detektion aller bisher bekannten BVDV-Stämme gewährleistet. Positive Resultate werden mit diesem System auch für KSPV und BDV erzielt. Der spezifische Nachweis einer Infektion mit BVDV 2 ist mit Hilfe speziesspezifische Sonde in Kombination mit einem weiteren pan-Pesti-Primerpaar möglich. Ein analoges spezifisches System für BVDV 1 existiert nicht. Die Sonde PPV reagiert zwar negativ auf BVDV 2, detektiert aber neben BVDV 1 auch BDV und KSPV. Indirekt ist die spezifische Bestätigung des Vorliegens von BVDV 1 nur durch den Ausschluss von BVDV 2, BDV und ggf. KSPV mit für diese Virusspezies spezifischen Sonden möglich. Alternativ wird auf die Möglichkeit der Differenzierung durch die Analyse der viralen Gensequenzen bzw. durch spezifische Anfärbung von Virusisolaten mit Hilfe monoklonaler Antikörper verwiesen. 3.2. RNA-Isolierung Die RNA-Isolierung erfolgt üblicher Weise durch chromatographische Trennung an Silica-Oberflächen. Dafür sind in Abhängigkeit von der Probenart verschiedene kommerziell erhältliche Kits verwendbar. In automatisierten Systemen kann die aktive Silica-Oberfläche zur Separation an Magnetpartikel gekoppelt sein. Die hier dargestellte Auflistung umfasst lediglich einige erprobte und geeignete Beispiele. AVID XIV / 2005 Virus der Bovinen Virusdiarrhoe / Mucosal Disease (BVDV) : Nachweis mit real-time RT-PCR Seite 3 3.2.1. Blutserum und EDTA-Plasma (auch gepoolt) Die RNA-Isolierung aus Blutproben erfolgt nach den Herstellerangaben der jeweiligen Kithersteller. - RNeasy Mini Kit, (Qiagen, Hilden, Deutschland) - High Pure Viral RNA Isolation Kit (Roche Diagnostics, Mannheim, Deutschland) - High Pure Viral Nucleic Acid Isolation Kit*** (Roche Diagnostics, Mannheim, Deutschland) - Agowa Mini Kit, manuelle und automatisierte Nukleinsäureextraktion (Agowa, Berlin, Deutschland) *** bevorzugt bei unsauberen Plasmen mit Anteil an Zellen bzw. Hämoglobin, auch bei Vollblut einsetzbar 3.2.2. Milch (auch gepoolt) Der BVDV-Nachweis in Milchproben erfolgt im Zellsediment. Dazu werden die Zellen von ca. 10 bis 50ml (bei Poolproben) zur Sedimentation für 10min bei 3000g zentrifugiert, mit PBS gewaschen und nochmals zentrifugiert. Die weitere Bearbeitung erfolgt wiederum nach den Herstellerangaben der jeweiligen Kithersteller. - RNeasy Mini Kit, (Qiagen, Hilden, Deutschland) - High Pure Viral Nucleic Acid Isolation Kit (Roche Diagnostics, Mannheim, Deutschland) - High Pure PCR Template Preparation Kit (Roche Diagnostics, Mannheim, Deutschland) 3.2.3. Gewebe und Tupfer Die RNA-Isolierung aus Geweben erfolgt nach den Herstellerangaben der jeweiligen Kithersteller. - RNeasy Mini Kit, (Qiagen, Hilden, Deutschland) - High Pure PCR Template Preparation Kit (Roche Diagnostics, Mannheim, Deutschland) 3.2.4. Zellkulturen Zellen von Zellkulturen mit BVDV-verdächtigem CPE werden durch Abzentrifugieren gewonnen und danach entsprechend den Herstellerangaben des verwendeten Kits zur RNA-Isolation aufbereitet. - RNeasy Mini Kit, (Qiagen, Hilden, Deutschland) - High Pure Viral Nucleic Acid Isolation Kit (Roche Diagnostics, Mannheim, Deutschland) 3.3 Ansatz der RT-PCR Die hier beschriebenen Parameter gelten für die Verwendung des Quantitect Probe RT-PCR Kits (Qiagen, Hilden, Deutschland) auf dem Mx3000 (Stratagene Europe, Amsterdam, Niederlande) und iCycler (Biorad, Hercules, USA). Bei Verwendung anderer Geräte-Systeme für die real-time PCR kann eine Anpassung erforderlich werden, insbesondere wenn diese Geräte nicht im üblichen 96er Blockformat arbeiten. Die Eignung anderer Enzymkits ist im Bedarfsfall zu prüfen. AVID XIV / 2005 Virus der Bovinen Virusdiarrhoe / Mucosal Disease (BVDV) : Nachweis mit real-time RT-PCR Seite 4 Reaktionsgemisch (20 µl): enthaltend 10 µl QuantiTect Probe RT-Mastermix, 0,2 µl QuantiTect Probe RT-Mix, 1,0 µl forward-primer (Gebrauchslösung: 10 pmol/µl), 1,0 µl reversed-primer (Gebrauchslösung: 10 pmol/µl), 1,0 µl Sonde (Gebrauchslösung: 4 pmol/µl**** ) und 2 µl RNA-Template **** Die optimale Konzentration der Sonde kann variieren und muss ggf. überprüft werden. Thermocycler-Programm für one-step RT-PCR: - reverse Transkription: 50°C, 30 min, - Denaturierung und Aktivierung der Taq-Polymerase: 95°C, 15 min, - 45 Zyklen: Denaturierung bei 94°C für 30sek und Annealing/Primer-Extension bei 60°C für 1 min. - Messung der Fluoreszenz zum Ende der Annealingphase (FAM-Filter) 4. Auswertung und Validierung: Die Spezifität und die diagnostische Sensitivität der real-time RT-PCR zum Nachweis und zur Differenzierung von BVDV 1 und BVDV 2 wurden in umfangreichen Untersuchungen an Virusisolaten der verschiedenen pestivirus-Spezies geprüft. Die real-time RT-PCR dient in erster Linie zum qualitativen Nachweis von BVDV. Durch Erstellung von Eichkurven nach Paralleltitration von Virusstämmen für die PCR wie auch für die Virusisolierung auf der Zellkultur kann ein quantitativer Nachweis erfolgen. Eine absolute Quantifizierung bzw. die Ermittlung der laborspezifischen Nachweisgrenze sind ebenfalls durch die Verwendung eines synthetischen Standards (Bezugsquelle: FLI Insel Riems) möglich. Die typische Nachweisgrenze liegt bei ca. 50-100 Viruskopien. Bei BVDV-PI werden üblicherweise ct-Werte von 25-30 (positive Signale zwischen dem 25. und 30. Zyklus) gemessen. Bei der Untersuchung von Poolproben, die Blut oder Milch von PI enthalten, muss ein ct-Wert von ca. 30-35 erwartet werden. Eine Laborvergleichsuntersuchung hat ergeben, dass bei Zykluszahlen >35 die Gefahr falsch-positiver Reaktionen proportional zunimmt. Wiederholte Gefrier-Tau-Zyklen können dagegen durch die Freisetzung zellulärer RNasen zu falsch-negativen Ergebnissen führen. Literatur Beer, M. und B. Hoffmann: BVDV real-time RT-PCR: Diagnostische Möglichkeiten und Standardisierung. Proceedings der 23. AVID-Tagung vom 15.-17. 9. 2004 in Kloster Banz Drew, T. W., F. Yapp und D. Paton (1999): The detection of bovine viral diarrhoea virus in bulk milk samples by the use of a single tube RT-PCR. Vet. Microbiol. 64, 145-154 Gaede, W., B. Gehrmann und R. Körber (2003): BVD-Virämikereliminierung: Effektives Herdenscreening durch Kombination von RT-PCR und Antigen-ELISA in Blutund Milchproben. Berl. Münch. Tierärztl. Wschr. 116, 234-239 Gaede, W., R. Reiting, H. Schirrmeier, K. R. Depner und M. Beer (2005): Nachweis und Spezies-spezifische Differenzierung von Pestiviren mit der real-time RT-PCR. Berl. Münch. Tierärztl. Wschr. 118, 113-120 AVID XIV / 2005 Virus der Bovinen Virusdiarrhoe / Mucosal Disease (BVDV) : Nachweis mit real-time RT-PCR Seite 5 Hyndman, L., S. Vilcek, J. Conner und P. F. Nettleton (1998): A novel nested reverse transcription PCR detects bovine viral diarrhoea virus in fluids from aborted bovine fetuses. J. Virol. Methods 71, 69-76 McGoldrick, A., E. Bensaude, G. Ibata, G. Sharp, D.J. Paton (1999): Closed one-tube reserve transcription nested polymerase chain reaction for the detection of pestiviral RNA with fluorescent probes. J. Virol. Methods 79, 85-95 Sachbearbeiter: Dr. Wolfgang Gaede Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt Fachbereich Veterinärmedizin, Haferbreiter Weg 132, D-39576 Stendal Anhang Tabelle 1: Primer für die BVDV real-time RT-PCR (pan-pesti) Pestivirus-spezific Quelle Fragment Anwendung Primers (5´-UTR) Primer: Pesti 3 one-step RT-PCR zum CCT GAG TAC AGG RTA GTC GTC A Hyndman Primer: Pesti 4 et al. (1998) ~171 bp simultanen Nachweis von BVDV 1 und GGC CTC TGC AGC ACC CTA TCA BVDV 2 in Kombination mit der Sonde TQPesti Primer: A 11 McGoldrick Differenzierung von AGT ACA GGG TAG TCG TCA GTG GTT CG et al. (1998) BVDV 1 und BVDV 2 ~220bp in Kombination mit Primer: A 14 Drew et al. den Sonden PPV CAA CTC CAT GTG CCA TGT ACA GCA G et al. (1999) oder BVD-2 Tabelle 2: TaqMan-Sonden für den simultanen Nachweis von BVDV 1 und BVDV 2 sowie zur Differenzierung von BVDV 1 und BVDV 2 TaqMan DNA-probes Quelle Spezifität Sonde: TQ-Pesti (“Reiting-Sonde”) Gaede et al. Genus Pestivirus TGC YAY GTG GAC GAG GGC ATG C (2005) Sonde: BVD-2 McGoldrick CTG ATA GGG TGT AGC AGA GAC CCT et al. (1999) (5‘-FAM und 3‘-TAMRA) BVDV 2 AVID XIV / 2005 Virus der Bovinen Virusdiarrhoe / Mucosal Disease (BVDV) : Nachweis mit real-time RT-PCR Seite 6 Sonde: PPV McGoldrick BVDV 1, außerdem CTG ATA GGG TGC TGC AGA GGC CCA CT et al. (1999) CSFV und BDV