Manuskript downloaden

Werbung
__________________________________________________________________________
2
SWR2 Musikstunde, Mittwoch, 2. Oktober 2013, 09.05 – 10.00 Uhr
„Der vollkommene Capellmeister“. Johann Georg Pisendel und die Dresdner
Hofkapelle
Teil 3: Versailles, Venedig, Vivaldi: Reisejahre
Die ersten Jahre als Premier Violon der Dresdner Hofkapelle sind für den jungen
Johann Georg Pisendel Reise- und Studienjahre. Gleich im Mai 1714 schickt ihn sein
Dienstherr August der Starke in Begleitung des Kapellmeisters Schmidt, des
Konzertmeisters Woulmyer, des Oboisten Richter und des Kammer-Organisten
Pezold „auf etliche Monat“ – wie es heißt – nach Frankreich an den Hof des
Sonnenkönigs. Ihre Mission: mit ihrer Musik sollen sie dem Kurprinzen einen
standesgemäßen Einzug am Hof Ludwigs des Vierzehnten bereiten, also Glanz und
Macht Augusts des Starken, des Kurfürsten von Sachsen und Königs von Polen, im
fernen Versailles repräsentieren. Die Reise verläuft nicht ohne Zwischenfälle. Auf der
Rückreise per Postkutsche gehen diverse Koffer verloren; und schon auf der Hinreise
wird Pisendel seine „Goldbörse“ gestohlen, in der sich sein Quartalsgehalt und die
komplette königliche Reise-Zulage befinden. Aber der lässt sich durch diesen
Diebstahl nicht aus der Ruhe bringen. Ganz im Gegenteil: er bleibt so unaufgeregt,
heute würde man sagen: so cool, dass sein alter Freund Telemann noch Jahre
später von dieser „ungemeinen Probe seiner Gelassenheit“ erzählt und sie, neben
seiner „Gastfreiheit“ und seiner „Freigebigkeit“, als einen wichtigen Charakterzug
Pisendels anführt. Und damit: Willkommen zur Musikstunde.
Johann Georg Pisendel
1.Satz „Allegro di molto“
aus: Sinfonia B-Dur für 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Hörner, Streicher
und Basso continuo
Batzdorfer Hofkapelle
Die Batzdorfer Hofkapelle war das, mit dem ersten Satz aus der Sinfonia B-Dur von
Johann Georg Pisendel. Natürlich erwartete August der Starke von seinen nach
Versailles gesandten Hofmusikern, dass sie dort nicht nur dem Empfang seines
Sohnes beim großen Sonnenkönig musikalischen Glanz verliehen, sondern auch,
dass sie sich mit den neueren Entwicklungen des damals überaus angesagten
französischen Stils vertraut machten. Da liegt es auf der Hand, dass sich Pisendel
als Premier Violon mit Jean-Féry Rebel bekannt machte, dem berühmten „Violinisten
3
des Sonnenkönigs“. Vermutlich war auch eine spektakuläre Ballett-Suite von Rebel
unter der Musik, die während der Festlichkeiten zum Empfang des sächsischen
Kurfürsten Friedrich August aufgeführt wurde: eine neuartige Suite, die aus einer
mitreißenden Abfolge moderner höfischer, aber auch stilisierter bäurischer Tänze
bestand, und allgemein so großen Beifall fand, dass sie anschließend ins Repertoire
der Königlichen Musikakademie aufgenommen und alljährlich aufgeführt wurde. Und
zwar choreographiert vom Tanzmeister Ludwigs des Vierzehnten. Ihr Titel: „Les
Caractères de la danse“. Pisendel muss begeistert gewesen sein. Jedenfalls hat er
Rebels Tanzsätze kopiert und in seinem Reisegepäck mit nach Dresden gebracht.
Auch August der Starke war ein großer Liebhaber des Tanzes – und natürlich der
Tänzerinnen! - und unterhielt eine französische Danse-Truppe, mit der eine
choreographierte Aufführung dieser Suite in Dresden nach dem Vorbild von
Versailles durchaus möglich gewesen wäre. Pisendel jedenfalls hat nach seiner
Rückkehr auch eine eigene Version geschrieben. Ob sie auch mit Tänzern aufgeführt
wurde? Hier ist Pisendels „Imitation des Caractères de la Danse“.
Johann Georg Pisendel
Imitation des caractères de la danse
Freiburger Barockorchester
Leitung: Gottfried von der Goltz
Das Freiburger Barockorchester war das, mit der „Imitation des Caractères de la
Danse“, die Pisendel nach seiner Rückkehr aus Versailles nach der Ballett-Suite „Les
Caractères des la Danse“ von Jean-Féry Rebel geschrieben hat. Kaum aus Paris
zurück, wird eine Gruppe der Dresdner Musiker zu einem Gastspiel an den Berliner
Hof geschickt. Und diesmal ist es der Premier Violon Pisendel, dem man erstmals die
Gelegenheit gibt, die diplomatische Tafelmusik beim Preußenkönig zu leiten. Dann
geht es nach Italien. Auf königliche Kosten. Mit den Kollegen Pezold und Richter, die
auch in Versailles dabei gewesen waren. Zum Karneval in Venedig. Der Kurfürst ist
schon mit einem Gefolge von dreißig Personen vorausgereist. Über Mailand. Er
amüsiert sich schon in Brescia und Verona, tanzt auf den Bällen des städtischen
Adels oder besucht die Opernhäuser und Theater und gibt sich auch in Padua den
karnevalesken Vergnügungen hin. Derweil bereitet man sich in der Serenissima
Repubblica auf den feierlichen Empfang des Kurfürsten Friedrich August von
Sachsen vor, scheut keine Kosten und richtet eigens für ihn den direkt am Canale
Grande gelegenen Palazzo Michieli her. Venedig wartet. Erst trifft sein Gepäck in der
4
Lagunenstadt ein. Dann kommt die Dienerschaft. Dann, am Sonntag, dem 9. Februar
1716, abends, kommt seine Königliche Hoheit der Kurprinz. Inkognito. Versteht sich.
Pietro Giramo
Festa, riso, gioco e gioia. Tanzlied
Balthasar-Neumann-Chor
Balthasar-Neumann-Ensemble
Leitung: Thomas Hengelbrock
Als seine Königliche Hoheit der Kurprinz Friedrich August in Venedig eintrifft, ist der
Karneval im vollen Gang und dominiert das Leben der Lagunenstadt. Ein Fest der
Sinne aus Farben, Düften und Klängen. Gleich am nächsten Tag beginnen dazu
auch noch die offiziellen Festlichkeiten und Huldigungen zu seinen Ehren. Und zwar
mit Lustbarkeiten, die selbst für venezianische Verhältnisse überbordend waren:
Rauschende Empfänge mit der Überreichung kostbarer Gast-Geschenken, darunter
auserlesenste venezianische Spezialitäten wie edles Murano-Kristall; man
veranstaltete kulinarisch auf das Feinste ausgerichtete Festessen, ausschweifende
Masken-Bälle, opulente Feuerwerke und Wasserspiele, Regatten der Gondolieri auf
dem Canale Grande, die feierliche Namensgebung eines Kriegsschiffes… und
natürlich besuchte der Kurprinzauch auch im Beisein aller ausländischen Gesandten
und Diplomaten, des Dogen und der Ratsmitglieder die traditionellen Feste des
venezianischen Karnevals: etwa den Taglio della testa a due tori, die Enthauptung
der zwei Stiere, die Forze d`Ercole, die akrobatische Errichtung einer
Menschenpyramide oder den Volo dell´Angelo, den Engelsflug, bei dem sich ein
Akrobat an einem Seil von der Glockenstube des Turmes von San Marco hinab bis
zur Loggia des Dogenpalasts stürzt: alles Feste des Giovedi grasso, des Fetten
Donnerstags. Alles begleitet von Musik und Gesang.
Pietro Giramo
Festa, riso, gioco e gioia. Tanzlied
Balthasar-Neumann-Chor
Balthasar-Neumann-Ensemble
Leitung: Thomas Hengelbrock
Als Johann Georg Pisendel und seine Kollegen mit einer sächsischen Delegation
Ende April 1716 endlich in Venedig eintreffen, ist die Karnevals-Saison mit ihren
ausschweifenden Festlichkeiten vorüber. Allein, es bleibt ihm noch eine Vielzahl
alljährlich in Venedig festlich begangener Feiertage. Zum Beispiel: Himmelfahrt, mit
der vierzehntägigen Festa della Sensa oder das San Marco-Fest oder die Festa della
5
Salute mit ihren Prozessionen… Dazu kommen fast täglich Kammer- und
Tafelmusiken, die Opern und Theater, die Konzerte in den Kirchen und in den
berühmten Mädchenkonservatorien der Stadt, den Ospedali, vor allem im Ospedale
della Pietà, wo der Rote Priester Antonio Vivaldi ein vorzügliches Mädchenorchester
leitet… Wer dann mit wem Kontakt aufgenommen hat, der Violin-Virtuose aus
Dresden mit Vivaldi oder Maestro Vivaldi mit Pisendel, das lässt sich nicht mit
Gewissheit sagen. Für Vivaldi war es jedenfalls ein einträgliches Geschäft, reisenden
Violin-Virtuosen seine Musik zu verkaufen und ihnen dann auch noch die für ihre
Ausführungen notwendigen Lektionen zu erteilen. So nimmt Pisendel also
Geigenunterricht bei Vivaldi und lernt zum Beispiel, jene Stücke zu spielen, die ihm
Vivaldi später ausdrücklich widmet: die zehn Suonate a Solo, fatto per il Maestro
Pisendel del Vivaldi. Hier ist der letzte Satz aus der Suonata à solo A-Dur RyomVerzeichnis 29.
Antonio Vivaldi
4. Satz „Presto“
aus: Suonata A-Dur a Solo fatto per il Maestro Pisendel del Vivaldi RV 29
Maria Krestinskaya (Violine)
Baltic Baroque
Der letzte Satz aus der Suonata a Solo fatto per il Maestro Pisendel del Vivaldi, mit
Maria Krestinskaya und dem Ensemble Baltic Baroque. Mit der Zeit freunden sich die
beiden Musiker an. Dann geschehen seltsame Dinge: Als sie einmal über den
Markusplatz promenieren, zieht Vivaldi Pisendel zur Seite und bittet ihn, unverzüglich
mit ihm nach Hause zu gehen. Dort angekommen, warnt er seinen Freund: er hätte
auf dem Markusplatz hinter ihnen zwei Geheimpolizisten bemerkt. Ob er denn etwas
ausgefressen habe? Als Pisendel verneint, empfiehlt ihm Vivaldi trotzdem, das Haus
nicht mehr zu verlassen, er wolle unterdessen Erkundigungen einziehen. Dann lässt
Vivaldi seine Beziehungen spielen und erfährt: die Häscher hätten Pisendel mit
einem Schurken verwechselt, hinter dem sie her waren. Vivaldi kann das
merkwürdige Missverständnis aufklären, und versichert hernach Pisendel, er dürfe
sich nun wieder ohne Besorgnis in den Gassen Venedigs zeigen. Und bald wird sich
Pisendel auch als Violinvirtuose zusammen mit seinem Freund Vivaldi in aller
Öffentlichkeit zeigen. Und zwar am 23. Januar 1717. Vivaldi leitet die Uraufführung
seiner Oper Incoronazione di Dario im Teatro San Angelo. Auf Veranlassung des
königlichen Kurfürsten aus Sachsen soll nun Pisendel zwischen zwei Akten ein
Violinkonzert zum Besten geben. Keine Frage: Friedrich August will die im Teatro
6
San Angelo versammelten venezianischen Musikliebhaber und die ausländischen
Diplomaten mit seinem Virtuosen aus Dresden beeindrucken. Und Pisendel spielt.
Ein festlich-virtuoses Konzert für Violine, zwei Oboen, zwei Hörner, Fagott, Streicher
und Basso continuo. Es stammt aus der Feder seines Freundes Vivaldi. Das
venezianische Publikum ist beeindruckt. Die italienischen Musiker im Orchester sind
es auch. Mehr noch. Sie sind neidisch. Also versuchen sie im letzten Satz, immer
schneller und schneller zu spielen, um Pisendel aus dem Takt zu bringen. Aber der
ließ sich – wie es heißt – „ihr Eilen nicht im geringsten anfechten, sondern erhielt
jene, die ihm eine Grube graben wollten, durch Stampfen mit den Füßen so feste im
Takt, dass sie alle beschämt wurde.“ Worüber sich wiederum der Kurfürst köstlich
amüsierte. Hier ist dieser Satz aus dem Concerto F-Dur Ryom-Verzeichnis 571 von
Antonio Vivaldi.
Antonio Vivaldi
3.Satz„Allegro“
aus: Concerto F-Dur für Solovioline, 2 Oboen, 2 Hörner, Fagott, Streicher
und Basso continuo RV 571
Zefira Valova (Violine)
Les Ambassadeurs
Leitung: Alexis Kossenko
Zefira Valova war die Solistin in dem Concerto F-Dur Ryom-Verzeichnis 571 von
Antonio Vivaldi. Begleitet wurde sie vom Ensemble Les Ambassadeurs unter der
Leitung von Alexis Kossenko. Als Johann Georg Pisendel, der mit diesem Concerto
seines Freundes Vivaldi in Venedig brillierte, kurz darauf aufbricht, um auch noch das
Musikleben in Neapel, in Rom und in Florenz kennen zu lernen, hat er dreizehn
Werke von Vivaldis Hand im Reisegepäck. Und insgesamt achtundzwanzig weitere,
die er selbst in den 9 Monaten seines Aufenthalts in Venedig abgeschrieben hat. In
Dresden wird er sie seiner Notenbibliothek einverleiben, die bis heute – neben
Vivaldis eigenem Nachlass in Turin – die größte Sammlung mit Werken des Roten
Priesters darstellt. Aber Vivaldi war damals nicht der einzige große Musiker, mit dem
Pisendel in Venedig zusammentraf. Auch Tomaso Albinoni, mit dessen Konzertmusik
Pisendel einmal bei seinem musikalischen Einstand im Leipziger Collegium Musicum
geglänzt hatte, widmete ihm ebenfalls eine Sonate. Hier ist das „Allegro“ aus dieser
Sonata a Violino solo di me Tomaso Albinoni composta per il Signor Pisendel:
7
Tomaso Albinoni
4.Satz „Allegro“
aus: Sonata für Violine und Basso continuo B-Dur
Guillaume Rebinguet-Sudre (Violine)
Claire Graton (Cello)
Jean-Luc Ho (Cembalo)
Der vierte Satz aus der Sonata a Violino solo B-Dur, die Tomaso Albinoni in Venedig
Johann Georg Pisendel gewidmet hat. Während Pisendel Neapel, Rom und Florenz
bereist, um seine musikalischen Studien fortzuführen, verhandelt der königliche
Kurfürst, der mit seinem Gefolge noch in Venedig weilt, in seiner Abwesenheit über
das Engagement italienischer Musiker für Dresden. Den Mitgliedern der Dresdner
Hofkapelle, denen dies zu Ohren kommt, gefällt das ganz und gar nicht. Sie fürchten
um Stellung und Rang in der Hofkapelle durch das Engagement zusätzlicher
Virtuosen aus Italien. Auch August der Starke erinnert seinen Sohn von Dresden aus
daran, dass er nur den Auftrag habe, italienische Sänger für die Hofoper
einzukaufen. Zum nächsten Karneval soll nämlich in Dresden eine Oper im
venezianischen Stil gegeben werden. Von einer regelrechten Anstellung italienischer
Musik sei nie die Rede gewesen. Genau das aber hat der Kurfürst vor: zusätzlich zu
den Sängern möchte er einen Opernkapellmeister einstellen: Antonio Lotti. Einen
Komponisten im italienischen Stil: den Deutschen Johann David Heinichen, den er in
Venedig getroffen hat. Und einen Geigenvirtuosen und Kammerkomponisten:
Francesco Maria Veracini. August der Starke, der ohnehin eher dem französischen
Geschmack zugeneigt ist und wenig Verständnis für die italienischen Eskapaden
seines Sohnes aufbringt, ist eigentlich dagegen, den Geiger Veracini einzustellen. Er
hat doch schon seinen Konzertmeister Jean-Baptiste Woulmyer und den Premier
Violon Pisendel. Aber der Kurfürst bleibt hartnäckig und besteht auf Veracini. Also
wird er eingestellt. Aber nur unter der Bedingung, dass er strikt außerhalb der
Rangordnung der Hofkapelle bleibt. In Dresden ist es ohnehin schon schwierig
genug, den Unmut und die Befürchtungen in der Hofkapelle zu „kalmieren“. Die
Einstellung von Heinichen als „italienischen Komponisten“ lehnt er zunächst ab. Hier
ist das „Allegro“ aus der Ouvertüre Nr. 5 B-Dur von Francesco Maria Veracini.
8
Francesco Maria Veracini
2.Satz „Allegro“
aus: Ouvertüre Nr. 5 B-Dur für Streicher, 2 Oboen und Basso continuo
Musica Antiqua Köln
Leitung: Reinhard Göbel
Da kann man schon verstehen, warum der Kurfürst diesen Veracini unbedingt in
Dresden haben wollte: Das Ensemble Concerto Köln war das, mit dem zweiten Satz
„Allegro“ aus der Ouvertüre Nr. 5 B-Dur für Streicher, zwei Oboen und Basso
continuo von Francesco Maria Veracini. Im September 1717 kommt Pisendel von
seiner Italienreise nach Dresden zurück. Mit ihm die Reisegruppe der neu für
Dresden verpflichteten Künstler. Die Anstellung des vom Kurprinzen protegierten
Veracini empfinden die Dresdner Musiker als Affront. Besonders natürlich der
Konzertmeister Woulmyer und sein Premier Violon. Umso mehr, als Veracini in
Dresden bleiben darf, während die übrigen italienischen Künstler nach Ende der
Opernspielzeit und mit dem Auslaufen ihrer Verträge wieder nach Hause geschickt
werden. Immer häufiger kommt es nun zu Auseinandersetzungen zwischen Veracini
und den Musikern der Hofkapelle. Der Italiener ist so arrogant und anmaßend, dass
er bei jeder Gelegenheit auszurufen pflegt: „Ein Gott und ein Veracini!“ Pisendel
beschließt, da etwas zu unternehmen Und so kam auch jener denkwürdige Tag, an
dem August der Starke Veracini bat, ein Violinkonzert zu spielen. Und zwar ein
Konzert von Johann Georg Pisendel. Als das Konzert in Gegenwart des Königs
beendet war, entschuldigte sich Veracini bei August dem Starken mit dem Hinweis,
wo Deutsche mitspielten, könne ein Concerto eben nicht besser ausgeführt werden.
Man kann sich leicht vorstellen, was da im Orchester los war. Pisendel bat den
König, sein Konzert noch einmal spielen zu lassen. Und zwar von einem der
„untersten Ripienisten“, von einem – wie es heißt – „unansehnlichen Schüler
Pisendels“, einem Geiger aus der zweiten Reihe. Der stellt sich hin und begann:
Johann Georg Pisendel
3.Satz „Allegro“
aus: Concerto D-Dur für Violine solo, 2 Hörner, 2 Oboen, 2 Fagotte,
2 Violinen, Viola und Basso continuo
Freiburger Barockorchester
Der „unterste Ripienist“, der „unansehnliche Schüler Pisendels“ und Geiger aus der
zweiten Reihe spielte das Konzert in Anwesenheit des Königs und Veracinis so gut
und so viel besser als der italienische Maestro und Virtuose, dass Veracini, blass vor
Wut, zu toben begann und dabei in so wütende Raserei verfiel, dass er zornig aus
9
dem Saal lief, sich für Tage in seinem Zimmer einschloss und sich schließlich in
einem verwirrt-närrischen Anfall von Verzweiflung vom zweiten Stock aus dem
Fenster stürzte. Mit einigen Blessuren am Kopf und gebrochenen Beinen ließ er sich
hernach in seine Vaterstadt Florenz bringen. Von Dresden hatte er genug. Und die
Hofkapelle atmete auf. Ein klassischer Fall von Mobbing. Denn nicht nur Woulmyer
wusste genau, dass Pisendel dieses Konzert mit seinem Schüler zuvor für diesen
Auftritt bis zum Geht-nicht-mehr geprobt hatte.
Johann Georg Pisendel
1.Satz „Largo e staccato“ und 2. Satz „Allegro“
aus: Concerto à 5 da chiesa in g für Violine solo, 2 Oboen, 2 Violinen,
Viola und Basso continuo
Petra Müllejans (Violine)
Freiburger Barockorchester
Herunterladen