I erae - Forum Radikaldemokratische Politik

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erae
Politik.
-1-
INHALT
Inhaltsübersicht
---------------3
Vorwort
Teil I.: Manifest fijr eine liberale Politik (Leverkusener Manifest).
5
A. Zielsetzung für eine liberale Politik
6
9
9
B. Analyse • • • • • • • • • • • • • •
B.1. Historische und Gegenwartsanalyse des Liberalismus
B.2. Wirtschaftliche Analyse der BRD •
10
B.3. Emanzipation und Produktivkräfte
13
B.4. Ideologiebildung
14
B.5. Beschwichtigungsrolle von Parteien, Parlamenten und Gewerkschaften
info
5'75
15
C. Strategie der Deutschen Jungdemokraten
16
C.i. Präambel
16
Manifest für eine liberale Politik
(Grundsatzbeschlüsse der DJD)
C.2. Grundsätze der Zwei-Wege-5trategie
18
C.3. Zur Funktion und Praxis der Basisarbeit
25
Teil II.: Duisburger Manifestentwurf (Auszüge)
29
4.
1. Historische und
30
neubearbeitete und erweiterte Auflage,
August 1975
Herausgeber:
DaD
Deutsche Jungdemokraten
Gegenw~rtsanalyse
des Liberalismus
2. Wettbewerbsideologie·und Wirklichkeit
34
3. Zur Geschichte der BRD
36
4. Zur Strategie der zwei Wege
38
5. Notwendigkeit der Basisarbeit
41
6. Notwendigkeit der Arbeit in den Institutionen
42
Teil III.: Erläuterungen und Begründungen zum Manifest
45
i. Allgemeines
. .
46
Landesverband Nordrhei n-Westfalen
3. Erläuterungen zum Teil B. (Analyse)
48
48
4000Düsseldorf 1
Worringer Straße 82-84
Tel.: (0211) 36 08 45 - 46
4. Literaturliste
57
2. Erläuterungen zum Teil A. (Zielsetzung)
..
-3-
VORWORT
Y~~!_~!:_!!~!!!!!ß!:
Wiederum ist unser "Manifest für eine liberale Politik" seit längerer
Zeit vergriffen gewesen. Das in starkem Maße - besonders auch bei neuen
Mitgliedern - wieder aufkommende Interesse an der Grundsatzbeschlußlage
machten eine Neuauflage notwendig. Dabei _wurden""w,eitestgehend ,die Erfah- '
rungen berücksichtigt, die wir bei der Vermittlung des "Manifests" immer
wieder gemacht haben.
Das als Teil I. in diesem Info vorliegende "Manifest für eine liberale
Politik" (Leverkusener Manifest) stellt die aktuelle Grundsatzbeschlusslage des Bundesverbandes der Deutschen Jungdemokraten dar.
Es besteht im Teil A. aus der auf der Bundesdelegiertenkonferenz 1973 in
Duisburg beschlossenen "Zielsetzung für eine, liberale Politik", die aus
unseren Beschlüssen auf der Landesde1egiertenkonferenz 1972 hervorgegangen ist (Neubearbeitung durch Scherer, Maier und Gerigk).
Die Teile B. und C. wurden auf der Bundesdeleg~ertenkonferenz 1971 in _
Leverkusen (Leverkusener BeschlUsse) verabschiedet und sind hier unverändert übernommen.
Viele Teile der Grundsatzbeschlüsse der Jungdemokraten sind in ihrer Kürze
jedoch schwer verständlich, auch bestehen einige Lücken, z.B. bei der
Darstellung des Begriffs der "systemüberwindenden Reformen", des Konzentrationsprozeßes in der kapitalistischen Wirtschaft, der Geschichte des
Liberalismus und den sich daraus ergebenden primären Zielgruppen für die
jungdemokratische Arbeit. Die genannten Teile sind größtenteils schon
im Jahre 1971 vom damaligen Arbeitskreis'Grundsatzfragen nach der Verabschiedung des "Leverkusener Manifests" in weit ausführlicherer Form ausgearbeitet worden, was dann zur Vorlage des "Duisburger Manifestentwurf"
auf der LDK '72 führte, der damals teilweise aus politischen GrUnden,
teilweise wegen der zur Diskussion nicht ausreichend zur Verfügung stehenden Zeit von der Tagesordnung abgesetzt wurde.
Trotzdem hat dieser "Manifestentwurf" wegen der schon genannten Ausführlichkeit in einigen Teilen und der sich daraus ergebenden besse~en Vermittlungsmöglichkeit bei der Diskussion der Grundsatzbeschlußlage eine
große Rolle gespielt.
Ein grosses Manko dabei war aber immer, daß die angesprochenen Teile
immer nur den "alten Cracks" zur Verfügung standen, für die neuen Verbandsmitglieder aber nicht mehr greifbar waren.
Deshalb hat sich der Landesvorstadd entschlossen, die wichtigsten Teile
des "Duisburger Milnifestentwurfs" in dieser Neuauflage (als Teil 11.)
neu zu veröffentlichen. Vor jeden dieser Abschnitte habe ich eine kurze
Erläuterung gestellt, die angibt, zu welchem Teil des Manifests er gehört und was die wesentlichen Erweiterungen zur Beschlußlage sind.
Zusätzlich wurde der Erläuterungsteil (hier Teil III)gegenüber den
bisherigen Auflagen überarbeitet und erweitert. Neu hinzugekommen i,st
eine kurze Darstellung des "kritischen Rationalismus", einer wesentlichen erkenntnistheoretischen Grundlage unseres Verbandes; für die
Manfred Petrol 1 (Bonn) verantwortlich zeichnek:i: Wegen der knappen zur
Verfügung stehenden Zeit ist dieser Teil etwas kurz geraten, ich glaube
aber, daß er für die Diskussion im Verband wichtige Ansatzpunkte bietet.
-4Zusätzlich wurde der Teil "Liberale Forderungen und ihre materiellen
Grundlagen" neu aufgenommen, da hier wichtige Information zur Entstehung des Liberalismus gegeben werden.
Auch die Frage der Zielgruppen jungdemokratischer Politik wurde ausführlicher als bisher behandelt.
Ich glaube, daß der Landesvorstand mit dieser überarbeiteten und erweiterten Auflage den Untergliederungen noch bessere Möglichkeiten
zur Grundsatzdiskussion bietet.
Ich kann nur hoffen, daß ihr diese Möglichkeiten nutzt - für Hilfen
stehen wir Euch natürlich auch 1<ei terhin immer zur. yc!,_fiigllIlg •....._
Zusätzlich hat der Landesvorstand beschlossen, als Ergänzung dieses
"Infos" eine Broschüre herauszubringen, die das Verhältnis der Grundsatzbeschlußlage der Jungdemokraten zu entsprechenden Diskussionen und
Beschlüssen der FDP aufzeigen soll. Dieses sogenannte "(links-) Liberalismusinfo" soll im Herbst dieses Jahres erscheinen. Es soll Euch besonder bei Diskussionen innerhalb der FDP über Grundsätze liberaler Politik
und den Folgerungen daraus Material bieten, das es leichter macht, die
FDP an ihrem "liberalen Anspruch" zu packen.
Noch ein letztes:
Die Not1<endigkeit der Er1<eiterung dieses Infos zeigt deutlich, daß
unsere Beschlußlage in Form des "Leverkusener M<lnifest!~ ni<:llt,per::,
fekt ist.
Einige Mängel sind durch die Arbeit des J ahresI971 iiiIt'der' Ers'tel=
lung des "Duisburger Manifestent1<urfs" ausgemei'-zt'.lerden-;-'wie"wahrscheinlich alle Leser dieser Auflage schnell feststellen 1<erden.
Auch schnell feststellen 1<erden sie, daß der "Duisburger Manifestentwurf" nichts grundlegend Neues wollte, also keine Abkehr vom
"Leverkusener" darstellt, sondern nur eine Verbesserung.··~···_
Durch die notwendigen Arbei tspriori täten der vergangenen".'(ahre
auf diesem Wege nicht 1<ei tergeschri tten worden •. Die.Zu)<Ollnft _.. '{ird
zeigen, inwieweit notwendige weitere Verbesserungen .rni:lgl.i.ch .. ,?i,nd.•".
So wird von vielen im Verband - oft zu Recht - die oft apodiktische
Form bestimmter Formulierungen, die teilweise 'zu wenig differenziert
sind, kritisiert. Auch dieses Problem müßte irgendwanneinmal angefaßt werden.
Dazu kommen einige Lücken - besonders im Bereich "Staat und Wirtschaft" - die gefüllt werden müßten. Auch einige Überlegungen zur
Strategie, besonders was den Bereich der Basisarbeit angeht, müßten
der geänderten historischen Situation angeglichen 1<erden. Wenn all
dies geleistet wird, haben wir vielleicht eine perfekte Grundsatzbeschlußlage. Nur eins muß klar sein - der Grundgehalt, der im Leverkusener Manifest klargelegt wird, der die Grundlage unserer Arbeit
jetzt und in Zukunft darstellt, darf nicht angetastet werden. Wer
notwendige Verbesserungen zum Vehikel für inhaltliche Änderungen der
Beschlußlage benutzen will, darf in diesem Verband keine Chancen
haben. Dieser Verband muß weiterhin die liberale Politik betreiben,
die sich besonders aus der Zielsetzu;;:g-des Leverkusener I,lanifests
ergibt: Politik zur Sicherung und Erweiterung der Freiheit aller
Mitglieder unserer Gesellschaft.
Peter Gerigk
(stellv. Landesvorsitzen~er)
I.
Manifest
für eine
libero e Politik
(Leverkusener Manifest)
-7-
-6gese~lsc~a~tlichen
Situation danach zu fragen, was in Abhän i keit
?tand de:: Froduktivkräfte an Freiheit möglich?lS t,
l~ der Verdrkllchung dleser Freiheit liep-t deshalb die"A f b ,
Ilberaler Politik.
u ga e
,Aus di';lser Bestimme,ng der Ziele liberaler Politik ergeben sich einige unml tte I ba.l e Konsequenzen:
lür~~I:~ ~e:: ~::inziPi~llen K~appheit der materiellen Hittel zur 1eund di ~ r~e I tl~ung mussen ~le I'rodukti vkräfte so wei terentwiclrel t
'
e ro U{ lon so gestelgert werden daß sich d
weiterung der Hög;richk';iten der Bedürfnisbefriedigu~~a~~g!~~~ Er2. Notw';lndige materielle Voraussetzungen für die Befriedi
'
menschllcher Bedürfnisse können nur in koo erativer und gu~g
scher Form geschaffen werden L' b l ' " " P ',' '" ,,' ",' ' "sol~da:r'ider Solidar.tii,t ein grUndsätziic~e:r~e~~ma,ults s~eht, daI;er im Prillzip
schaft.
ungsprlnzlp der Gesell';Tom
'A. Zielsetzung für eine liberale Politik
Ausgangspu:p.kt und Antrieb menschlichen HandeIns ist der v{unsch
nach Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Dementsprechend bestimmt die Art und Weise, in der eine Gesellschaft die materiellen
Voraussetzungen zur Befriedigung individueller und sozialer Bedürfnisse regelt, entscheidend die Struktur einer Gesellschaft .D~es
bedeutet, daß Gesellschaftsformen durch den ,Stand der Produkt lV- es
kräfte und die Struktur des Produktions,., ündDistributionsprozess
entscheidend geprägt werden. Die gesellschaf.:UichePofütion ein"
zelner und sozialer Gruppen ist vor allem durch deren Rolle im
Produktionsprozess und Distributionsprozess bestimmt. Politik nat
en
dementsprechend die Aufgabe, die gesellschaftlichen Anstrengunr
zur Schaffung der Voraussetzungen der Befriedigung individueller
und sozialer Bedürfnisse zu regeln und dHf~,-da15ei aufgrund von Interessengegensätzen entstehenden Konflikte zu lösen.
Liberale,Politik ist Politik zur Sicherung und Erweiterung der
Freiheit aller Mitglieder einer Gesellschaft und zur Weiterentwick-'
lung des Emanzipationsprozesses in allen gesellschaftlichen Bereichen. Der EmanzipationsprozeSS ist derjenige historische Prozess,
det' durch Besei tigungen der Abhängigkeiten einzelner l'lenschen oder
gesellschaftlicher Gruppen von den Bedingungen der Natur oder von
andern gesellschaftlichen Gruppen die Verwirklichung von Freiheit
möglich macht. Freiheit ist dabei nicht idealistisch als die (formale) Möglichkeit der Wahl zwischen verschiedenen Alternativen zu
sehen, sondern materialistisch zu interpretieren: Freiheit ist zu
definieren als die optimale und ungehinderte Mö~lichkeit der Bedürfnisbefriedigung. Dieser materialistische Freiheitsbegriff umfasst den idealistischen und geht wesentlich über diese~ hinaus.
Ziel liberaler Politik ist demnach die Sicherung und Erweiterung
der Möglichkeiten zur Befriedigung individueller und sozialer Bedürfnisse für alle Gruppen und IJIitglieder einer Gesellschaft und
bewußtes Vorantreiben des Emanzipationsprozesses.
Bedürfnisse sind dabei nicht als unabänderliche,NaturkonstanteLl aufzufassen. Sie sind abhängig von der gesellschaftlichen Entwickllmg
und nur in Abhängigkeit von der historischen Situation zu bestimmen.
Auch die konkrete Bestimmung emanzipatorischer _Politik kann nich:t..~~
für alle historischen Situationen einheitlich erfolgen, ,sondern
hängt von der Analyse konkreter gesellschaftlicher Verhältnisse
ab und kann erst parallel zur Analyse selbst geleistet werden.
Insbesondere ist der ,ieweils möp-liche Grad an :B'reihei t abhänp-ig
von der p.:esellschaftlichen Situation und vom "tand der Produktiv....
kräfte.
Liberalismus als emanzjpatorische ::eweFung hat deshalb in ,leder
.Jewell~~en
3. 'berale
POlltik
SlC Folitik
aussc ist
le humanis
~
" • D"les b edeutet, daß liberale
sen und die Unterordnun c .orie~t~ert ~n,menschlichen Bedürfnisordnungen unter ein nic~t m:s~~ll~h~!.' ia~~gkeit un~ Gesel-lschaftstiertes philosophisch meta
~ e ur n~sse~ der r-';enschen orien- '
gründetes ::;ysterll ablehnt. physlsch, theologlsch oder sonstwie be4. ~berale; Politik ist aufklärerisch. xatignal
'" .
bedeutet Elnsatz der menschlichen Fähi k 't
, . Liberale PO!itlk
Menschen
, '
kei:!; ',macht es·lhiri -·mögli6hlnKbh~ri~i~~s~~aftllCh.o(mUllJw~!.t. - Qi.~~~~~ig~
un~ zu beseitigen, die Nat'ur 'in seine yon der N~t~, zuel'kenn~n' \
SElne eigene gesellschaftliche R 11 em,fnte::esse zu beherrschen,
vlep'e zu ihrer Durchsetzung zu bOt" e, ~ ale Velp;~nen Interessen und
.
(z. B. durch ;'anipulation' d h e~e~~~tn'I er~~erung von Erkenntrus,
von eigenen Interessen) v~T'mind t
e r~e _., u~g un~ Ablenkung
Verwirklichung von 1<'reiheit
er, daher, dle hogllchke~t zur
beralen Frinzipien. Rational~~tW~ddrspr~cht daber fundamental lideIn auf grund der Erkennt '
n ~atlonales Handeln, ,also Hanauch,die'einzige MögliChk~~~ der t~tS[;CbliC~en Gegebenheiten, ist
s~rr.en Interesse ohne verll!eidba~es~ ~~~haftllc~e Konflikte im gemeinLlberale Politik ist sich
e, c"' ,en zu ~osen •
.b'ehlerbaftigkeit menschlic~:~ ~r~nzl~l~ll~n Unvollständigkeit und
Prozeß menschlicher Erkenntnis~r ';lnn,n~s ewußt und sieht den
unabsc~lie5bar an. Politik diePrlnzlP~ell als,unabge~chlossen und
Kenntnls der einzigen und \~ah
a~f t dem dOfm~tlschen Anspruch der
beruht, ist daher nicht
,ren n,erp::etatlon der Wirklichkeit
ergibt sich das Prinzip x:~e~n~ar mlt IlberalerPolitik.Hieraus
rer als der eigenen weltansch~u~~~~z,
d.h. de~ ?espektierung andeToleranz erstreckt sich dabei n'cht en und pollt~schen Auffassungen.
sondern auch au1' das diesen M ,1
nur auf abstrakte Meinungen'
ten. ~L'oleranz hat ihre Gr' el~ungen ent~prechende soziale VerhaIenzen ln der manlfesten Intolerenz anderer.
~:~~~~!~. d~~e~!{;~Ceniijr ~en
rs~~d~~ ~~hf~~:~~s~:rd~~~,
5.",
Po l i tik ist
den "b
h~l Liberale
tnissen gerichtet
und auf
demok~
~. bau' '\ on Herrschafts- und I"1achtver~lsse hindern Einzelne und ~ "alls~h, Herrschafts- und Machtverhält
T
lhrer 1!'r';liheit. LiperaJe PQ J
Ur*frprlVlleqerteii in . c;l
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1;i! :te~tPt!e 7an der
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Verv:i::klichung
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BJlr dar öe,te de;,;:.
GesellsQbaf t . ,und gerät notwe n d'1gerwelse
.
.
-9-
-8Konflikt mit den auf Kosten anderer p·esellsc!:a:;. tlicher. Grc: ren
lvi 'Ger e
le j"llnlmierunp- von b.errf'C'laft und I'lach ln ,leder
lresellschaft"ist ~ vorranil'iges Ziel liberaler Politik.
Abhängigkeitsverhältnisse sind jedoch i~ ,'ie~er Ge~ellschaf~ ~nver­
me idlich. Wo Herrscha.fts- und Machtverhal tnlsse nlcht besel tlp:t
werden können sind sie so zu gestalten, dass optiffiale Beteilivung
aller von ein~r Entscheidung Betroffenen an dieser Entsch~idung
gewe.hrleistet wird. Dies wird verv!lrklicht.du:!'ch.dem?kr~tl.sche .
Gestaltung aller Bereiche der Gesellschaf~. Demokratle.lsti\ITdabel
nicht einfach als das lrinzip der Entscheldnng durch elne r.ehrheit
aufzufassen sondern als die Forderung, dass Herrschafts- und
fi;achtausübu~g auf der Delef':ation der r;lacht durch die Betrof~enen
beruht und von den Betroffenen kontrolliert wir,d , ,u!l.d ,,<!i.ese ~~le-:­
gation der Macht im Prinzip iederzeit eingeschronkt und zuruckgenommen werden kann. Eine Festlegung auf Fenau ein technisches
Modell zur Verwirklichung von Demokratie ergibt sich aus deF
Grundsatz liberaler Politik nicht.
6. Liberalismus steht in ein
13, entalen
onservatlven und reaktionäre
.'-'Konservative
o 1 1 lS au
r 13,
un
lC erung bestehender Gesellschaftsverhäl tnisse und daher bestehender Herrschafts-..,und- ~1achtverhäl t ...
nisse ~erichtet; reaktionäre Polit~k betreibt dieWLederhe:r::stell,u~.\
BChon uberwundener Herrschaftsyerhal tnisse • Be:l.de,§:tehSlJLQ,a,her "J
in einem Grundwiderspruch zur Iioeriilen Politik, die auf Abbau von,
Fremdbestimmung in allen gesellschaftlichen Bereichert geI'ichtet :IS;.
7. Liberalismus ist nicht auf ein bestimmtes WirtschaTtS::'undG:e=
seIlschaftssystem festgelegt. LibeI;'alismus hat in jederkonkreten .
historischen Situation zu bestimmen. welche gesel,lsJlhl3,.'f':tlic,hen.Vep'
'hältnisse dem liberalen Grundprinzip der 8icherunp und Erweiterung
der Freiheit am ehesten entspreChen. Dies gilt natü"dich nicht nur,
für gesellschaftliche Systeme, sondern erst recht für konkrete,
;"
pqlitische Zielsetzungen wie z. B. Privateif,entum an Produktions"" ml tteln, \Ietthewerb, Marktwirtschaft etc .JEI(iekonkrgte." 'PQ11 ti~
4iu!sage und Aktion ist ausschliesslich nach ihrem Beitrag
I
zur grundsätzllchen 6.Lelset'zung liberaler Politik zu beurtellen.
"
8. Liberalismus und Sozialismus haben beide ihren Ursprung in Humanismus und Aufklärung. Sie stimmen in entscheidenden Punkt8n ihrer
Zielsetzung überein. Bie haben in Konservativen und HeakGl0neren
gemeinsame politische Gegner. Sie stehen ungeachtet der Unterschiede in Zielsetzung, Analyse und Strategie nicht zueinander wie
Feuer und '/lasser, sondern sind in vielen politischen .B'ragen
politische ~ündnispartner.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Liberalismus und Sozialismus
liegt darin, dass sich der Liberalismus im Gegensatz zum Sozialismus nicht auf ein bestirr.mtes ';:irtschafts- und" Gesellscbaftssystem,
das durch die generelle vergesellschaftung der Produktionsmittel
gekennzeichnet ist, als Garant für eine demokratische Politik
- festlegt. Liberalismus vermeidet daher eine erhebliche Gd"ahr
aer Verselbständigung politischer Mittel.
Der genannte Unterschied err:ribt sich aus der Tatsache, dass der
Liberalismus nicht alle relevanten fTesellsahaftlichen Konflikte
auf eine Ursache, nämlich a',f den G'gensatz zwischen den Klassen
der Produktionsmittel besitzer und der Lohnabhä.ngigen I zurückführt.
.
Gegenüber dem Sozialismus tritt der Liberalismus als Garant geFen
die Gefahr des Dogmatismus und seiner Konsequenzen auf. iberalisnt dafür daB ei allen zukünfti
erreichten 11
echte
1
r
strikte Einha t
prinz i s
1
ra le rlnzl s. 1 eralismus ist ar
ür
dle eachtung der Relation zwischen lttel und Zweck. Insbesondere
achtet er darauf, daß gesellschaftliche Verhältnisse an menschlichen Bedürfnissen und nicht an gedanklich konstruierte Gesellschaftssysteme angepaßt werden. Liberalismus ist Garant dafür,
daß individuelle Freiheiten nicht wegen ungerechtfertigter Solidaritätsverpflichtungen einFeschränkt werdBn.
Liberalismus ist Garant dafür, daß nach Durchsetzung grundlegender
gesellschaftlicher Reformen nicht erneut bürokratisch - dogmatische Erstarrung Platz greift.
B. Analyse
B.1.
Historische und
Gegenwartsanalys~
Der politische Liberalismus ist historisch entstanden als Emanzipationsbewegung des Besitzbürgerturns im Frühkapitalismus gegen den
feudalen Staat. Eine sozialistische Bewegung im marxistischEil Sinne
war zu diesem Zeitpunkt nicht mögliCh, da dessen Subjekt, das.
Industrieproletariat , erst 1m J"<;ntstehen war. Lohnabhängige und
Bürger hatten objektiv gleigerichtete Interessen, die im Kampf
gegen den feudalen Staat gipfelten. Diese gemeinsamen Interessen
fanden ihren Ausdruck u. a. darin, daß ~berale zu den Begründern
der Gewerkschaftsbewegung gehörten.
Mit weitgehender Durchsetzung der bürgerlichen Forderungen und Aufkommen der emanzipatorischen Bewegung des Proletariats (Sozialismu~
wurde der Großteil der liberalen Bewegung zu einer bewahrenden
politischen ;',acht, die ihren Besitzstand gegen noch vorhandene
feudale btrukturen und die Restauration des Feudalismus verteidigt~
sich andererseits aber auch immer mehr gegen die anwachsende Macht
des Proletariats wendete.
Dies brachte den Großteil der liberalen Bewegung (Nationsliberale)
schließlich in zunehmendem NaBe in die politische Abhängigkeit der
Konservativen.
Die Rolle der gesellschaftsveriindernden Kraft übernahmen die
Sozialisten, die sich aber gegen die vereinigte Macht der Konservativen und Nationalliberalen nicht durohsetzen konnten.
Durch den übergang vom Konkurpenzkapitalismus zum Monopolkapitalismus verlor das Besitzbürgertue seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluß;
.
..
-11-
-10-
auch als Träger des Liberalismus wurde es zunehmend bedeutungslo!'.
Mit dem Überwachsen des Monopolkapitalismus in ~en Staatsm?nopol- ,
kapitalismus ansteht eine neue Gese~lschaftssch~Cht, d~~ ~~ldungs- I
bürgertum. Der Lebensstil und die E~nstellung der Angehor~gen
'dieser Schicht ähneln heute noch denen der ~errschenden.Kl~ss~; .
mit der ,Bevölkerungsmehrheit haben sie geme~nsam, daß s~e abhang~g
arbeiten, daß sie auf den Verkauf ihrer ~rbeitskraft ang~wieseI?­
sind. Das objektive Interesse dieser schrcht-erfordertn~cht dle
Einhaltung bestehender Machtstrukturen, sondern deren Verände:ung.
Sie kann damit Träger eines neuen Liberalismus werden, wenn s~e
ihre gesellschaftliche Rolle begreift.
folgenden Bereichen ist eine Kon~urrenzsituation wiederherzustellen'
oder eine derr,okratiscJ:e Flenwirb'chaft, einzuführen:
1. unwirtschaftlich arbeitende ~iirtschaftsz'veige (z. B. solche
in denen lediglich r'.arktanteile verschoben werden);
,
2. Lfnternehn;en, die auf einem ,:irtsctaltssektor eine Monopolstellunp' haben;
3. Unternehmen, die ihre rlacltBtellung zu antidemokratischer
Meinungsmanipulation mitbrauchen;
4. Unternehmen, die wiederholt wegen Wettbewerbsverstößen verurteilt wurden
So bietet sich die NÖlT,lichkeit, daß Sozialismus. und,
wieder eine emanzipatorische Bewegung werden.
E.2. Wirtschaftliche Analyse der ERD
E.2.1. Grundlagen kapitalistischer 'produktionsweise
Die Gesellschaftsform der BRD ist gekennzeichn9.t, d1Jrch elen Grundvliderspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und pr_ivater",
Aneignung; d.h. das Bruttosozialprodukt.~:iJ:'d,:v:()ncleJ:',!'1a!3,!3,e:..<leI'"
Bevölkerung hergestellt, der Großteil des Gewinns fließt jedoch
einer winzigen Ninderheit zu,nämlich den Eige,ntümern der Pro~ ,
duktionssmittel. Daher ist für die Frage,"wasunclwiepröduziert
wird", nicht die Wirtschaftlichkeit (d.h. Gesamtwirtschaft) oaer
die Bedürfnisbefriedigung der Bevölkerung entscheid,EH1cl,:'!3()Ilcle:!:':rL_
die Profitmaximierung. Daraus ergibt sich, daß die vorhandenen
Finanzmittel so eingesetzt werden, daß in mögliChst kurzer Z~,
ein möglichst hoher Gewinn erwirtschaftet wird; dievernachlämi~un~
langfristiger gesellschaftlicher Interessen in der BRD ist also .
keine zufällige Erscheinung, sondern systembedingt.
'
Di~ demokratische Forderung, daß die rein quantitative Steigerung
'des Bruttosozialprodukts nicht mehr alleiniger Maßstab des Fortschritts einer Gesellschaft sein soll, und die Betonung einer
"q1Jalita:tiven Prod1Jktionssteigerung" stehen also im Widerspruch
Z1Jr Eigendynamik des Wirtschaftssytems der BRD.
E.2.2. Marktwirtschaft und Planwirtschaft
Ziel der Wirtschaftspolitik muß die optimale Bedürfnisbefriedig1Jng
der Bevölker1Jng sein. Dieses Ziel wird in manchen Bereichen durch
das bestehende Marktwirtschaftliche,System erreicht. In anderen
Bereichen führt das gleiche System Z1Jr gesamtwirtschaftlichen
Verschwendung, Z1Jr Weckung künstlicher Bedürfnisse und zur
Manipulatioll.Es kann nicht darum gehen, der Harktwirtschaft die
Planwirtschaft schematisch gegenüberzustellen; vielmehr muß im
konkreten Fall geprüft werden, welches System für einen besti.n.aten
Betrieb oder Wirtschaftsbereich anzuwenden ist~ Besonders in
B.2.3. staat und Wirtschaft
Blei~t die kapitalistische Wirtschaft ihrer Eigendynamik überlass~n
so fuhrt sie zu periodischen Krisen. Diese Krisen wirken sich um f
so stärker aus, je weiter die Produktivkräfte entwickelt sind und
je mehr die Wirtschaft verflochten ist. Aus dieser geschichtlichen
Erfahrung erg~bt sich die Notwendigkeit wirtschaft1:icher Planung,
.<i.h. eine~se1ts Pl~nun.e; geJ;' . .'(Conzerne .. ,aI!.g.eJ;'ersetts Global- ~L_:
'steuerung 1m staatl1chen Beralch (Konze;r.tlerte A1{tiont}U.tte+~.. .
f'ristige Finanzplanung, 'G~ru.::-~a"Krednpolitik). .
~ _.
Dabei handelt der Staat nicht als neutrales Gremium sondern im
aus~chließlichen Interesse der Gesamtheit der.Kapit~leigner. So
gre~ft ~r bei Btrukturkrisen einzelner Wirtschaftsbereiche dergesta~t e~n, daß unter Erhaltung der Dispositionsfreiheit und Auton?IDle der Kapitaleigner etwaige Verluste sozialisiert Gewinne
h~ngegen weiterhin privatisiert werden. (vergI. u. a. 'Ruhrkohle AG)
~uch.b?i Loh~ämpfen nimmt der Staat Partei; unter Berufung auf die
J~we~l~ge KonJuI?-kturlag? werde~.Lohnleitlinien festgelegt, die die
Elnkommensverte~lung we~ter zU,u,ngunsten der Bevölkerungsmehrheit
verzerren:
- Im Aufschwung.werde~ die Lohnabhängtgen zum Maßhalten aufgefordert, um d~e KonJunkturlage nicht zu gefährden.
- In.der Hochkonjunktur werden die Lohnabhängigen zum'Maßhalten
be~ Kon~um und LOhnforderungen aufgefordert um ein Abgleiten
der KonJunktur in die Rezession zu vermeide~.
- In der Rezession werden die Lohnabhängigen zum Maßhalten bei
Lohnfo~derungen aufgefordert, um den Abschwung nicht noch zu
verSCharfen.
Das gleiche Phänomen zeigt sich in der Steuerpolitik: In Zeiten
der Jtezess~qn,. werdeI?- deI?- Unternehmern. flteuerliche Sonderabschrei':bun~en gewahrt, um d~e iV'lrtschaft anzukurbeln' in Zei ten der Hoch-"
konJunktur werden ~ie Lohnabhängigen zu 'Konjunkturzuschlägen'
herangezogen, um dle wirtschaftliche Lage zu entspannen •.
-13-12-
Ein derartires Verhalten ist nie ht auf den bösen iiillen der ,1eweili€ßn Regierung zurückzuführen. A~ch und ~e:ade ~otentiel~
demokratische f1ehrhei ten vertreten dJ_ese Fol~ t~k, w~e das Be~­
spiel der sozial-liberalen Koalition zeigt. Solen~e eine He~ierung
den Bezugsrahmen des kapitalistischen Systems anerkennt, so ~ange
ist sie gezwungen, eine Politik gegen die Interessen der Bevolkerungsmehrheit zu verfolg~n.
Eine Regierung kann nur an der l':acht bleiben, wenn sie einen
hohen Beschäftigungsgrad oder sogar Vollbeschäftigung erhült.
Ein hoher Beschäftigungsgrad setzt eine hohe Inve§_t;i.j;ionSrate vorälsJ
ünter kapitalistischen Produktionsbedini!ungen sind hohe Inve sti- -- tionen'von einer hohen Profitrate der Kapit;aleig:Qer allhänriE;;
daraus ergibt sich das st~ndig wachsende MiBverhliltnis zwischen
den Einkommen der Kap i taleigner und denen der Lohnabhiinrdf"en
sowie die strukturelle Unterversorgung der-öffentlichen Haushalte.
Wird nun der Versuch gec_acht, unter Erhel tung des beotehenden 'iiirtschafts,"ystems die Einkoml::ensverteilung. zugunstenderBevölkerungsmehrheit zu v~rbessern, so. \-Ierden die Lohnerhöhunf':en ~m
;
Normalfall zum Anlaß von Preissteigerunrehvenommen,. die die
Profitrate noch mehr erhöhen. Ist ein-derartives Vorvehen der
Kapitaleigner in Einzelfällen einmal nicht möglich, so sinkt die
Irofi trate. Besteht in einem solchen Fall nicl:t die~'jöglichkei t,
in andere viirtscbaftsbereiche mit stabiler oder steigender Profitrate auszuweichen, so sinkt die Investi tionsne-ip:Hng;- die Fol~'e
ist Arbeitslosigkeit. Die Veri-jndervng der Einkorli!l'ensverteI1ul1f,
zupunsten der Lohnabhr-ingigen Hn.ter ,Erhai tung des kari talistischen
Wirtschaftssystems dürfte also ebenso schwi~rir sein wie die
Quadratur des Zirkels.
Es bleibt also für demokratische Kräfte im K~italismlls nur die
Nöglichkeit, entweder den Anspruch auf konsequente Demokratie
und soziale Gerechtigkeit oder das Bekenntnis zum ProfitinteresFe
der Kapitaleigner, ideolop-isch verbrlimt als "Soziale" Markt\·J:lrtschaft, aufzugeben.
Z. Zt. kann sich keine Regierung konseqlJent [Fegen die Herrschaft
des Kapitals wenden, weil sie sich ohne deren Unterstützung nicht
haI ten kann. Ebensowenig kann eine potentiell del",okratische Refierung offen Politik gegen die Bevölker'.lnp-srr,ehrheit treiben, weil
dann ihre Unterstützung im Volk verUert. So wrhlen eenn auch
Sozialdemokraten \lnd I,iberale einen "Mittelweg": In der S.~che
vertreten sie die Interessen des Kapitals, ihrem Anspruch nach die
Interessen der Lohnabhängigen, indem sie ihnen durch Ausbau der
sozialen Sicherheit und "Vermögensbildungspläne" das Bild einer
demokratischen Gesellschaft vorgaukeln.
B.2.4. Internationale Wirtschaftsbeziehungen
Dieser Geist von Ausbeutung der Abhtini':igen und Bevorzup:ung der
Kapitaleigner wi:rd auch konsequent in die i,nternationalen Beziehungen übertraven.
Für sogenannte Entwicklungsländer wird "KapitalJ;ilfe" ge~ährt,
z. T. verbunden mit der Forderung, dies sollee~ne~ bes~lmm~en
Prozentsatz des Volkseinkommens umfas~en. In Virkllchke~~ f~ndet
keine Vermögensübertragung statt, vielmehr sollen langfr~stit?e
. Kredite diese Länder abhängig machen •. '; Mann kann in Analope
direkt vOll DM-Imperial ismus- sprechen. TI"aneben tritt als zwe~te
Folge, daß die Zinslasten die e~tsprechen~en ~taatshaus~alte erheblich belasten. Die Bundesreg~erung begunst~gt durch ~hre derzeitige Entwicklungshilfepolitik die steuerliche Bewegungsfreiheit
der Bezieher von ~roßeinkommen.
Die USA setzen ihre Interessen gegenwärtig in Indochina.nicht nur
mit Hilfe des Kapitals, sondern auch mit militärischen Mitt~ln
durch. Es besteht dauernd die Gefahr, daßdie-BRDaufg-rund-lhrer
Btindnisverpflichtungen und ihrer sonstigen Verflechtun~ mit den
USA in diesen oder einen ähnlichen Konflikt nicht nur (wie bisher)
finanziell, sondern auch militärisch hineinge.ogen wird.
Aufgrund der Emanzipationsbemühungen einiger l.ateinamefik:anischer
Staaten vergrößert sich .diese Gefahr. Unter.Berücksichtigung zunehmender Entspannung iri Mitteleuropa stellt si.chdie'Frage, ob- es
das Schutzbedürfnis der BRD in Mitteleuropa noch rechtfertigt,
diese wachsende Bedrohung auf sich zu nebmen.
B. '.;-1I'.......pati.on
UD'
I
i
ProdUktivkräfte ~
Der Grad möglicher Emanzipation in einer bestimmten· Gesellschaft
kann nicht abstrakt bestimmt werden, sondern nur in Abhängigkeit
vom jeweiligen Stand der Produktivkräfte, der Produktionsmittel
einerseits, der Planungsinstrumente andererseits. Emanzipation
setzt die Beseitigung des Mangels voraus, Produktionssteigerung
ist also ein notwendiger Teilaspekt dieses Prozesses.
Infolgedessen sind bei der Frage, ob einzelne Betriebe oder Wirt-,'
schaftsbereiche unter demokratische Kontrolle zu stellen sind,
auch folgende Gesichtspunkte zu bedenken:
1. Sind die Möglichkeiten der Entwicklung der Produktivkräfte im
bestehenden System voll ausgeschöpft?
2. Sind
geeignete'~lanullgsinstrumente
entwickelt?
Die BRD befindet sich ebenso wie viele andere kapitalisehe, aber
auch sozialistische Btaaten im Prozeß der wissenschaftlichtechnischen Hevolution. Unabhängig vom Gesellschaftssystem ergibt
sich daraus die Notwendigkeit eines höheren Bildungsniveaus der
Gesamtbevöikerung; damit besteht für die Herrschenden im kapitalistischen System die Gefahr, daß die Bevölkerungsmehrheit ihre
eigenen Int.eressen und die Hindernisse· für deren Durchsetzung
erkennt. Die Notwendigkeit der Erhöhung des Bildungsniveaus steht
also im Widerspruch zum Interesse der Herrschenden an der Systemerhaltung.
-14In de:r Bl<D (und nicht nur hier) "lird versucht, (liesen ~iiderspruch
durch Formierung des Bildunrcss:,,'sterns im Sinne einer technokratischen Heforn: zu lösen. Ziel dieser "Heform" ist die Produktior
brauchbarer Nitarbeiter ("Fachidioten") durch Konzentrierung des
Ausbildungsstoffes und Verschi"irfunr- des Leistunesdruckes ; s7stemkritisches I-lissen vTird bewußt ausgeklammert.
B.4.
Ideologiebildung
Ein Gesellschaftssystem, das auf sti'ndigem äuberen Zwang beruht,
ist auf die Dauer nicht lebensfiihig. Daher mui: zur Aufrechterhaltung und ,Steigerung der Arbei tsleistu~e; der Lohnnbhäne;igen der
äußere Zwang durch einen verinnerlichten Leistuni':szwanp: abr'elöst
und ideologisch abf"esichert werden .. Di~BJ'_.i_<!_~()1~()t:is_<;Jle_4l:l~:L(!he:r­
ung erfolgt vornehmlich durch die Institutionen Kirche, Familie,
Schule, Arbeitsplatz, Justiz, Bundeswehr, Verbibde etc.
Aufgabe dieser "Ideolofiefabriken" ist die ::chaffunp; von 1;iertund VerhaI tensmustern, die die herrschend) Gesellschaitsordnunr.; __
in den Köpfen der arbei tenden I~evijlkerungv8l'ankert. Dabei haben
die einzelnen Institutionen unterschiedlic~e~uf~ab~ri:
Durch die Familie werden schon imfrGlm§te'fj-Ent\~lclCllinT'salter in
der Psyche der Kinder die Grundlaven nir die 1,ri tiklose Ubernahme
bestehender Herrscheftcostrulcturen f';ele,~·t, und zwar hauptsr,'chlich
durch Formen autoritärer Erziehung ,.:exualunterdrückung und lanGjährige materielle Abhängigikeit. Die Entwicklung kritischen Bewußtseins/insbesondere in der Arbeitersc~aft und deo Kleinbürgertum/ wird dadurch s:'stematisch unterdrückt.
In den Schulen und am Arbeitsplatz wird ein passiv-rezeptives
Verhalten weiter ausgebildet.
Grundlagen und ideologische Absicherunp: zurleich für das r;eforr1erte
VerhaI ten sind die von den Kirchen in Luso.mrnena.rbei t ffii t anderen
11 staatstragenden 11 Kräften ent\vickel ten \:ert- und Idealvorstellungen
Verstöße gegen diese Vorstellungen werden von "Gewissensqualen"
~egleitet; reicht das Gewissen des einzelnen als Kontrollinstanz
nicht aus, so ('Teifen Sanktionen der Umwelt bis hin zum .Ginsa,z von
Exekutivorganen und J\'stiz ein.
Emanzipation setzt Erkenntnisse der eigenen Interessenlafre voraus;
diese Erkenntnis soll durch Ideolo{2:iebildunfc fe rade verhindert
werden. Die ideoloriebildenden l·iechanismen in cJGn Institutionen
müssen der Bevölkerungsmehrheit aufFe~eir:t werden. Der Hiderstand
gegen die derzeitire Funktion dieser ~jnrichtunfen darf aber nicht
auf alle, die in ihnen arbeiten, ausgedehnt werden. Bei den
kritischen Kräft,m innerhalb dieser Institutionen bietet s:i ch vielmehr ein Ansatzpunkt zur L:mwandlunp: il:J Sinne einer Defi:hi;-unp;
zur Ifeologiekritik und zur ~rken~tniE der sipenen Interessen.
-,15-
B.5. Beschwichtigungsrolle von Parteien, Parlamenten und Gewerkschaften
Die Parteien treten heute nicht mehr als die Vertreter spezif~scher.
Klasseninteressen auf, sondern bezeichnen sich als.Volkspartelen, dle
ein fiktives Gemeinwohl aller vertreten wollen. (Sle versprechen
höhere Löhne den Arbeitern und höhere Profite den Unternehmer~, mehr
Cubventionen für die Landwirtschaft und den Verbrauchern stablle
Preise.) Die in der Gesellschaft v~rhandenen Konf~ikte vl~rden, wenn
überhaupt, in den parte~en vor~eklart ..und. nur ~efll tert .. ln das Parlament @:etragen und so lhrer \Vlderspruchllchkelt entscharft.
Da die Parteien nur dann machtpolitisch effektiv sein kö~nen! wenn
sie die Regierunp; stellen, ist die Entwicklung der Parte~en ~n der
BRD einer verhän@:nisvollen Ei@:endynamik unterworfen: Um ~n elne
solche ;iachtposi tion zu kom~en, bedürfen. si~ der Unterst~tzung ~er
Herrschenden (finanzielle Mlttel, publizlstlsche Unter~tutzung).
Einmal in einer Position müssen sie den gesellschaftllchen und
ökonomischen Status quo ~ufrechterhalten, dem sie ihre Stellung
verdanken. Dadurch entsteht eine Rückkoppelung: Zu.Gunst~n der ~ro­
duktion des sozialen Friedens müssen gesellschaftllche '.üderspruche
verwischt werden und somit die Interessen derer unterstützt vlerden,
die aus dem sozialen Frieden den größten Gewinn ziehen. Evtl. gesamtgesellschaftliche Reformen müssen zurückgestellt werden.
So sind die Parteien Instrumente der vJillensbildung, aber nicht in
der Hand des Volkes sondern derer, die den Parteiapparat beherrschen.
Sie alle verkörpern' den Typ der Ordnullf<sparteien ,die sich im r1Jodus,
nicht aber in der Substanz unterscb.ei.den. bei den Wahlen gibt es
keinen Kampf zwischen echten politischen Alternativen, sondern lediglich Herrschaftskonflikte zwischen Führungseliten.
Dementsprechend werden im Parlament nur ocheinkonflikte ausgetra gen,
die allerdings mit erheblichem rhetorischen Aufwand. Sachentscheldunc,:en vierden ,,,ei tgehend im vor- und außerparlamentarischen Raum getroffen und, vom Parlament nur noch bestätir:ü.
Die Abhängigkeit des Parlaments vom ökonomischen System - nur V~r­
fügungsgewalt über den Teil des Bruttos<?z~alprodukts, ~er vertellt
werden kann, ohne die private Profi tmaxlmlerunp: zu gefahrden , ve:-gl.
staat und l\firtschaft s.o. - äußert sich unter anderem in der frelwilligen Aufgabe formeller Befugnisse zu Gunsten der Exekutive dort,
wo steuernd in die Wirtschaft eingegriffen werden muß, z.B. durch
Notstandsgesetze,
- Stabilitätsgesetze,
- Vertreter der Exekutive in Europaparlament, EI'lG und NATO, deren
Entscheidungen kaum kontrollierbar sind und nur mehr oder weniger
ratifiziert werden können.
Darüber hinaus ist die Initiative z.B. bei der Gesetzgebung längst
auf die Administration übergegan@:en. Der größte Teil aller Gesetzentwürfe wird von der f'Iinisterialbürokratie eingebracht, die sich
so die Gesetze ausarbeitet, an die sie später gebunden werden soll.
-17-16-
Daß die Administration bei der Ausarbeitung der Gesetzentwürfe im
Benehmen mit den Interessengruppen arbeitet und da.ß die Interessengruppen, die die Belange der Allgemeinheit vertreten (Gewerkschaften
Verbraucherverbände) nicht die stärksten sind, braucht nur noch am '
Rande erwähnt zu werden. Die Ergebnisse sprechen für sich.
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[
- _ . . . .
Als einzige Organisation mit JYlassenbasis vertreten die Gewerkschaften I
zumindest verbal die Interessen der Bevölkerungsmehrheit. Jedoch
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haben sie sich ohne auch nur ansatzweise Gegemlehr, z.B. durch die
I
restriktive Rechtsprechung des BAG (Einschränkung des Streikrechts
i
durch Verbot politischer Streiks wilder J3:t.:r.e:i,k:?; ]'rie<leIlSp:CUcht,
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Zwangsschlichtungsverfahren etc. ~ I in ein Zwangskorsett ste,~ken lassen ,I
das ihnen auch bei gutem Willen eine konsequente Vertretung der
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Interessen der Arbeiterschaft nicht mehr ermöglicht. Die einzifte
I
Funktion der Gewerkschaften ist im l'1oment die, den Nachholbedarf bei L
Konsumlöhnen gegenüber den Unternehmerinteressen durchzusetzen und
I
so diejenigen, die sie vertreten sollen,wenn .. auch nicht im ange~
messenen Rahmen, an dem gesamtwirtscha;ftlichen l'1ehrertrag zu beteiligen!.
so doch zu beschwichtip:en. Auch hier hat .sic.h zumindest die l!'ührung
i
der,Gewerkschaften durch die Zusammenarbeit an der Konzertierten
i
Aktlon zu Gunsten der Herrschenden korrumpieren lassen.
L
Obwohl Parteien und Parlament weitgehend entmachtet sind, Gewerkschaften höchstens verbal vom Klassenstandpunkt sprechen und den Beherrschten lediglich ein Anschein demokratischer Willensbildung vermittelt wird, wird dennoch die Zerschlagung formaldemokratischer
Institutionen und die Aushöhlung bürgerlicher ?reiheiten weiter vorangetrieben (Notstandsgesetze, restriktive l~echtsprechung des Bundesverfassune;sgerichtes, Nichtanwendung von Art. 15 GG, beschränkte
Anwendung von Art. 14 GG, Arbeitskampfrecht), denn Parteien, Parlamente und Gewerkschaften sind potentiell demokratisch und eine
ständige Bedrohung der Herrschenden.
So können durch die Publikationsfunktionen der Diskussionen im Parlament zumindest die gröbsten Widersprüche und Konflikte aufgedeckt
werde~ (HS-30-Affäre, Spiegel-Affäre, Notstandsgesetze etc.).
Par~elen und Gewerkschaften bieten, wenn sie von den Jl1itsliedern
a~tlv getragen werden oder die Aktivität programmatisch und praktisch
forder~, den l'1assen die Möglichkeiten, sich zu organisieren, und
durch lhre Solidarität den ~1echanismus der Herrschenden empfindlich
zu stören.
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1
c. Strategie
C.1.
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der Deutschen Jungdemokratenf
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Präambel
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D~s Er~ebnis der politi~chen Analyse scheint aufzuzeigen, daß die
Slt~atlon hoffnungslos 1St. Die herrschende Klasse verstärkt ihre
B~muhungen, l'1ö~lichkeiten der Demokratisierung abzubauen. Das potentleIl for~schrlttliche Grundgesetz wird ausgehöhlt; die Notstands-
!
I
gesetze slnd ebenso Folge wie Symptom dieser Entwicklung. Schon
drohen die Vertreter des Rechtskartells wie Dichgans mit der "Totalrevision" des Grundgesetzes.
Das potentiell demokratische Parlament ~ird ~mmer mehr entmachtet;
es wird degradiert zur Abstimmungsma~chlne f~ auße:hal? getroffene
Entscheidungen. Seine aktuelle Funktlon er.schop~t slch ln der,Aufgabe diese Tatsache vor der Bevölkerungsmehrhelt zu verschlelern
und 6ffentlich Scheinkonflikte auszutragen.
Gewerkschaften und Parteien als mögliche Sammelpunkte progr~ssive:
Kräfte sind we:i,tgehend in das bestehende Herrschaftssystem ln~egrlert;
die Gewerkschaften erkennen das bestehende Bezugssystem an, dle
Parteien führen einen Kampf gegen "Extremiste~ von links,und,rechts",
der sich in der Praxis ausschließlich gegen dle fortschrlttllchen
politischen Bewegungen richtet.
Das gesamte Herrschaftssystem ist haupt~ächlicJ:t ~bgesichert durch ,
die rlIanipulation der Bevölkerungsmehrhelt. Famllle, Schule und ~rbelts­
platz sind Stationen eines Prozesses, der Untertanen schafft; dle so
vorprogrammierte Bevölkerung ist ~iner gigantischen Werbung und der
l'1einungsmanipulation im engeren SlnnG ausgesetzt.
Bollten aber alle diese Sicherungeh für das System versagen, so
bleibt schließlich noch der l"lachtapparat des Staates in Form vo~
Justiz und Polizei und, wenn eines Tages die "Stunde der,Hot" fur
die Herrschaft des Kapitals kommen sollte, als letztes l'11ttel der
Einsatz der Bundeswehr im Innern.
Die Herrschenden scheinen also fest im Sattel zu sitzen; dennoch
wächst auf Grund der Widersprüche 'dieses Gesellschaftssystems auch
die JYlöglichkeit der Überwindung: Das,immer stärJ:er w~r~ende Eingreifen des Staates zur Sicherune; der prlvaten Profltmaxlmlerung erfordert den Abbau der Grundrechte; sie ruft aber auch damit den Widerstand einer Vielzahl von Demokraten hervor, die die parlamentarische
Demokratie erhalten wollen, ohne allerdings die Ursachen für die Zerstörung zu erkennen. Gewerkschaften und Parteien verstehen sich als
systemerhaltend; dennoch wächst jedenfalls in ~enjenigen Orga~i­
sationen die subjektiv die Interessen der Bevolkerungsmehrhelt'vertreten, die Erkenntnis, daß der Feind nicht links, sondern rechts
steht.
Die Ideologiefabriken wie Familie, Schule, Universität und ~etrieb
funktionieren zwar nach wie vor, aber die Notwendigkeiten der wissenschaftlich-technischen Bevolution erfordern ein höheres Bildungs~
niveau und bieten damit die j'iöglichReit, die objektive gesellschaftliche Lage zu erkennen. Der. vJiderspruch zwischen Anspruch und
Funktion der JYlassenmedien bricht vielfach auf; Ansätze systemkritischer Information werden sichtbar. Selbst im JYlachtapparat des Staates
zeigen sich (noch weitgehend latente) Wid~rsJ?rüche; progressive
~
Juristen Polizisten und Soldaten lehtHl dle lhnen zugedac.hte Funktlon
ab und e~höhen so das Risiko des Einsatzes staatlicher ·r.~achtmittel.
Diese eben aufgezeigten Tendenzen sind JI1öglichkeiten,die in der
Gegenwart erst in Ansätzen nachweisbar sinq.. Ob dieser'lögli;chkeiteu zu
Wirklichkeiten werden, hängt weitgehend von der Strategie. der systemkritischen Kräfte ab.
.
(
I
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. ~_~.~l____. .__
-19-18-
Sollen die DJD angesichts der gesellschaftlichen Zustände in der
BRD das Grundgesetz als Illusion, das Parlament als Diener der
herrschenden Klasse entlarven und den Kampf gef-en Familien, Kirchen,
Schuten, Universität, Betrieb, Justiz, Massenmedien, Polizei und
Bundeswehr gleichzeitig führen?
Eine derartige Strategie ist für jede Organisationanf1;esichts des
politischen Kräfteverhältnisses Irrsinn; für den einzelnen bleibt
die Wahl, den Kampf mit Waffengewalt oder dessen Vorbereitung zu
fÜhren und damit zum Selbstmörder und Wegbereiter der Reaktion zu
werden, oder als Antiautoritärer den Hofnarren des Systems zu spielen.
Unsere Einschätzung des ökonomischen Verhältnisses macht eine Zusammenarbeit mit terroristischen (StadtguerilIeros), anarchistischen
und langfristig auch nur antiautoritären Gruppen unmöglich.
Eine revolutionäre Situation ist z.Zt. nicht vorhanden und auch
nicht machbar; was aber u,U. machbar ist, ist eine Situation, in der
die verschleierte Diktatur des Kapitals in einer Form der parlamentarischen Demokratie zu einer offenen Diktatur des Kapitals in der
form des Faschismus wird.
•• blelbt also kein anderer Weg, als trotz aller aufgezeigten Hin,-misse die Bevölkerungsmehrheit zu gewinnen. Ansatzpunkt einer der~1gen Strategie muß die Tatsache sein, daß die Entwicklung unseres
87at. .ssich zunehmend gegende Interessen aller Gruppen und. ßchichten unserer Bevölkerung mit Ausnahme der Kapitaleigner richtet. Es
gl~t also herauszufinden~ an welchen Punkten konkrete Zielgruppen
durch diese Entwicklung geschädigt werden, deren Gegenaktionen zu
unterstützen und dabei immer wieder auf die wahren Ursachen der
Pehlentwicklung hinzuweisen~
Daraus fOlgt, daß zumindest eine punktuelle Zusammenarbeit nötig ist
mit allen 'gesellschaftlichen Gruppen, Organisationen und Einzelper~nent deren Anspruch'den Systeainteressen widerspricht.
':5/0.2.
«,
Grundsätze der Zwei-Wege-strategie
21~etie Acr..bri1Mn Wege-<-,-
. ~'~~~~r~~"
~
er
lb.
1.' Jungdemokraten sind sich bewußt, da demokratische Institutionen
vie Gewerkschaften, Parteien, Parlamen
im Zuge einer immer stärkeren
Verlagerung der Macht auf die staatli en Exekutivorgane und der
gleichzeitig immer weiter fortschre enden Verflechtung der staatlichen Macht mit der Maoht der Monole und der Großin~ustrie immer
aehr in Gefahr geraten, vorwiege
der Verschleierung bestehender
Herrschartsverhältn1sse in unser. r Gesellschaft und der Beschwich~
tigung gegenüber demokratisch
anzipatorischen Forderungen zu dienen.
Da dieser ProzeB (der "Trans! mation der Demokratie" (A~noli») sich
vollzieht unter einer immer
ärkeren Aushöhlun~ der im Grundgesetz
verankerten Möglichkeiten d r emanzipatorischen Entwicklung unserer
Gesellschaft durch die De
ratisierung auch der nichtstaatlichen
Bereiche - insbesondere
r Wirtschaft - und der str:ndigen Anpassung
des Grundgesetzes 'und de 'Funktionen der demokratischen Institutionen
an die Bedürfnisse der GroFindustrie ("Fo , .. erte Gesellschaft",~
"Konzertierte Aktion" Stabilitäts
z, fNotstandsgesetze), konnen
die DJD ihre politischen Ziele
r erreichen, indem sie das G~und­
gesetz, die delillokratische
arteien, die Gewerkscha~ten und dle Parlame'nte gegenüber den
tmachtungstendenzen durch dle Interessenvertreter des Großka . als verteidigen. Eine wichtige Aufgabe der Jungdemokraten ist aher der Kampf gegen die antiparlamentarische Haltung der p
tischen Rechten in der BRD.
Eine Verteidigung der de~okratis?hen Inst~tut;onen u~serer.Gesel~­
schaft und ihre progresslve Ent"Jlcklung slnd ~ uber dle POlltisch immer schwächer werdenden Parteien und Parlamente allein nicht
möglich, da diese im günstigsten Fall die Kräfteverhäl tni~se ,.in der
Gesellschaft zwischen demokratisch-progressiven und reaktlonarkonservativen Bewegunp-en widerspiegeln. Daher muß neben der Unterstützung der Organe der reprÄsentativen Demokratie und de~ politischen Arbeit in und mit diesen immer mehr der Versuch, ln den
verschiedensten Gruppen und Organisationen der Gesellschaft .. selbst
demokratische Initiativen in Gang zu setzen oder zu unters~utzen
und 110delle emanzipatorischen und antiautoritären ye:r;hal tens zu. ent1I1ickeln und zu fördern, zum festen Bestand der polltlschen Arbelt
der DJD werden. Die inhaltliche Bestimmunrrdieser Arbeit darf nicht
von der L;ustimmune" der F.D.P. abhängig gemacht werden •
"
.
-
~~~~~~~~ree~r~~~~~~uut1~~~nni~~~~~schaft
---'
Der Versuch, derr.ok~atische Entwicklung und Bewußtseinsbildung zu
fördern, muß sich~ auf möglichst alle ,Teile und Gruppen der Gesellschaft erstrecken. Kt'ine Gruppe außer dem harten Kern des sich in
der BRD formierenden Rechtskartells (NPD, rechter Flügel der CDU/
CSU usw.) darf "rechts liegen gelassen werden". Auch und gerade diejenigen Gruppen und Organisationen, die wider ihre ei?enen langfristigen Interessen dazu neigen, sich zu Vollzugsgehllfen der Herrschaft des Großkapitals zu machen (Bundeswehr, ~olizei, Bau~rn, Beamte, Richter), dürfen bei der Bemühung um el~n gangsetzen demokratischer Prozesse nicht ausgelassen werd n
on den Folgen der
allein auf Profitmaximierung der Großunterne er ausgerichtetenFormierung unserer Gesellschaft werden alle Bevölkerungsgrupperi betroffen, insbesondere durch die strukturelle Unterversorgung der
öffentlichen Haushalte (" öf'fentliche Armut") und die daraus sich ergebende Vernachlässigun~ wichtiger gesellschaftspolitischer Aufgaben
wie z.B. Umweltschutz, Bildunp:swesen, Gesundheitspolitik Ufl,wo
Es müssen daher in jeder Gruppe deren eigene liberale, humane,
demolcratische , progressive und rationale Ansprüche und legitime
Interessen ernst genommen und in ihren Konsequenzen bis zum Scheitern
an systembedingten Schranken entwickelt werden, um so dann systemkritisches Bewußtsein zu erzetip:en.
Hierbei wird es darauf ankommen, daß sich die progressiven Kräfte
der Gesellschaft nicht von der Beyölkerungsmehrheit trennen lassen.
Vielmehr muß versucht werden, den Kern des Rechtskartells zu iso-
-21-
.'
-20-
lieren und die in den Jahren seit dem zweiten Weltkrieg in Ansätzen entstandene Identifikation der Bevölkerungsmehrheit mit der
liberalen Demokratie als Ausgangspunkt für eine Verteidigung und
Fortentwicklung von demokratischen Insti~utionen zum Tragen kommen
zu lasse~. Anknüpfungspunkte müssen in Zukunft mehr und mehr bei
den konkreten politischen Fragen gesucht werden. Tpeoretische Fragen,
insbesond.r.d~r große '''utopische Gegenentwurf"-einer'Gesellschaft,
müssen, zw.:r weiter behandelt werden, bei der politischen Arbeit aber
hinter derU~t.rstützung und dem Aufgreifen konkreter Forderungen
zurückblelb8il.Aus diesem Grund muß auch die Kommunalpolitik ein
wesentlich~tJ~Arbeitsfeld der DJD werden.
em
Die Jungdemokraten können alleine die oben umrissene Strategie auf
Grund ihrer beschränkten Mitgliederzahl und r1itgliederstruktur nicht
durchsetzen. Sie werden sich daher in gewissem Sinne arbeitsteilig
spezialisieren müssen und sind angewiesen auf Bündnisse mit anderen
demokratisch-emanzipatorischen Gruppen UAdO~ganisationen, insbesondere 'demokratischen Sozialisten, wobei die Jungdemokraten davon
ausgehen. daß diese mit den Liberalen ihre historische Herkunft aus
Humanismus und Aufklärung gemeinsam haben und beide in der Emanzipation ihre politische Zielsetzung sehen.
Die Jungdemokraten werden insbesondere ihre radikal-demokratische
z~~tzung .. betonen und vor allem di~;jenigen Gesellschaftsgruppen ansprechen mussen, die auf Grund ihrer Ausbildung und ihres Berufes
eher als' andere die Einschränkung liberaler, Bürgerrechte als eine
ihren Interessen zuwiderlaufende Entwicklung zu erkennen vermögen.
Es hand&ltsich hierbei vorwiegend um die immer 'größer werdenden
Grqppen der Bevölkerung, ,die auf Grund ihrer Funktionen in der
technischen ~eistungsges~llschaft notwendigerweise mit einem überdurchschnittlichen Informations- und Bildungsprivileg ausgestattet
sind. j)
.
.,
d die
egsor!e ier~e Arbe ersc ft.
rbei ist aber strikt
eine
enge Zusamme9 rbeit\'mit denjeni e.n ' r nisationen zu achten, die einen
starken RückPalt iri allen Schi h~en
r Lohnabhängigen ~ab
(Gewerkscharten, S,;FD. J u s o s ) , '
/,.,-/
..,/
Insbesondlre im KBIII1~"i~genAas s' h formierep.cl:e"· Rechtsk tell arbeiten dFe Jungdem6kraten I!!it al n gegen d,:i:'ese Machtko entration
der pol~itischen ReOhten get-icht en Grupp.eil und Organil tione,n zusammen/ auch wenn diese zl.T. m' der P:r:'.dgrammatik der/Jungdemokraten
nicht jZU vereinbarende lfiele erfolg~,n', solange gesiJi}1lert ist, daß
diW:D ihren eigenen S,tandp,nkt deJ:ltlich vertreten/können. Dabei
acht n sie darauf, da!~/ sinn;!!ose I)'6voka,tionen. Urit,.eeJ ble. iben, .die. auf
Gr d der dadurch he.r~eigeiührtßn Polarisierung qde Anhängerschaft
der .echten nur vergtößernvxe lehnen es ab, B~eiligte ,an,.Aktionen
gegen das Rechtskartell zu veranlassen, das auf; Grund: zivilrechtlicher Haftun@: odel strafrechtlicher VerfolgunE1ischwerwiegende persBu11'h,
für sis ,ur Folg' hätts.·
.
Naoh7
Die Jungdemokraten lassen sich ~~ c ni~ht ~n die Rei~e ~erer
stellen, die auf Grund rein fß~mel r Kr~ter~en du~ch
~ch7.
setzunf? von "I,inks- und R~ll'tsex emismus" tenden ~cb..e
Bewegungen einerseits W±~ demo atischen Prote
~wegungen anderersei ts identifizieren-f" auch w ,n letztere
auf Grund ihrer fortwährenden Frustrat"ion durc e~n zu: ke·. rlei grundlegenden Refor~en
bereites Gese.,lTschaftssys em zu ~ionalen Protesthandlungen h~n­
reißen las.seh. In einem olc~'li"alle, ist es nic1;t AufGabe der DJD,
durch einEi' Distanzierun. ;_l:Y'Verleug~ung des rat~onaler: Kerns und
der de,!l'iokratischen JVlo <i: ation dieses Protestes zu erle~chtern, sonderIl/die Betroffen
gegen das Zuschlagen der !'lacht der Rechten zu
ve.fteidigen un' ~e gesellschaftlichen Ursachen des Prot~stes.o~fen­
"iulegen sowi anderersei ts die Betroffenen. von der Jrrat~?n~lltat
L' und SChiOd,' chkeit ihres Handeins für 'eine progressive Pol~t~k zu
überzeur:en.
er F.D.P.
us
in den Institutionen der parlamentarischen Demokratie
bedeutet für die Jungdemokraten vor allem die Arbeit an einer progressiven',inti-ricklunF der F.D.P .• Dab~i, sind in. der gep:emvärtif,en
Situ(l.tion folvende Ziele schwerpunktmaßlf zu verfolgen:
~
~'
Verteidigunp' der bisher rechtlich und institutionell verwirklichten Grundsätze liberaler Politik wie Grund- und fienschenrechte, Demokratie ir; staatlichen Bereich, Hechts- und Sozialstaatlichkeit, insbesondere im Kampf gep:en das Rechtskartel'l.
und dessen Versuch, das Grundgesetz we~ter a~szuhö~l~n und d~e
ff;acht demokratisch legitimer Organe welter e~nzuscnranken.
Konsequenter Ausbau und Veiterentwicklunr: der staatlichen Demol~ratie durch VerwirkÜ,chung liberaler Ziele, die bisher g~gen
";eaktionäre und lconservati ve Gruppen auch in der F. D. P. nlcht
durchgesetzt werden konnten, wie z.B. Trennung von Kirc:he und
Staat, freie \-Jahl zwischen 1:lehr- und Zi vildier:st, konsequente
Gewaltentrennunr;, direkte Formen der Demokratle usw.
6--)
Verwirklichung liberaler Prinzipien im gesamten gesellschaftlic'he:
also auch nichtstaatlichen Bereich, insbesondere in der Wirtschaf
d.h. Demokratisierunf der Gesellschaft.
d '.
SChaff~ng
voraussetzung~e:r:
der g, esellschaf . chen 1;lnd sozialen
zur i:lahrnehmung der fo 0.1 ga;rant~ert8n B.echte ~nd ~um FunJ;:t~
\ nieren der für diese ,arantie geschaff~nen.
l ~ut~onen, ~
esondere durch glei e Bildungschancen ~
~nem B~ldunr;ssy'
em?
das die Bürger' die Lage versetzt, . re Inte essenla
und ~hre
,Rolle in de~
seIlschaft klar zu e ennem un sich
äß dieser
Einsicht zu erhalten, durch ein
formation systedas dem
Bürrer die öglichkeit der real' tlischen Be tei
g der politischen S· 'tuation ermö licht
urch genüge
Hö" ichkeiten zur
politisc en Betätigung für' den Bürger \ be' szeitverkürzung,
innerpa teiliche Demok
'e, Hehrparteie Y em und entsprechendes ,;iä lrecht) sowie durch ein über.§0hau
es, bürgernahes Rechts
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-22-
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:trägern zu überprüfen (Wahlen in kürzere
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r eilichen Demokrate, insbeson
rch Herstellung .der parteiöffentlichkeit, in
al ,~Beschlußgremien erreicht werden.
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~w!scll.en öf.fellt.l,j.cl1er Amut und pr!..
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Konsequente We~teren
cklu~gder!11l3ätze ~ ul3inerrea1ist,i~~h~ri\·
friedlichen, n1.c~
mper~al1st!Sch$!fiAußefi'" nd Verteidigufigs.:z~
poUtik, UnterS
zung e1.nereu~()pais()hen Sie. erhdtskon:ferenz(i" ~
ZUr Sohaffung
ner atomwaffenfreien Zone inM teleuropa.,Lösun(!;
der Bindun
zum US-Il!IPerif,ll1smus,Schaifufig ,ei s rein de- .'}",
fensi ve
d weniger aufwendigen, VerteidigUfigssyst s; konse .. · .:,.
quente
nbeziehunp: de~ EvlG in die Demokratisierungs estrebung~h.
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Um di~ F.D.:!? in diesem Sinne zu~iner wirksamen progressiven
politl!!Chen Kraft zu entwiokeln. müssen die Jungdemokraten folgende
Grundsatze in der F.D.P. zu ,verwirkliohen ~uchen:
'
a) Das Selbstverständnis der.DJD mußlmmerme}i;~uoh fir die F.D.P.
'Verbindlich :werden, d~h.(1ie.F~D!p~ J!luße~~e;l1nk$liberale, ..•. ' .•
radikal~emOkr,:,-tische Pilr1ieiwerd~n 1'di.-, gemeinsam mit demokratischen Soziall.stende Emanzipation des Menschen durch politisohe
Alribeit in all~n gesellsoha~tliohen .. d.h. auoh den nichtstaatChen - Berelchen zu verwl.rklichen versucht.
b) Die F.D.P. ist keine VOlkspartei,sie muß daher ihre Programmatik und ihr Wahlkampfverhalten auf eine klar umrissene', Zi(l1':':
grup~e ausrichten, und zwar auf denjenigeri Teil der Bevölkerung
der 1.m Augenbl~ok am e~esten als Träger demokratischer Ideen , " ,
~i~k~~. kann.:. B1.~dungsburgertum und • aufstiegsorientierteArbe:fter_ .
c ~ . ,zusatzll.ch muß eine .Politisierung der noch weitgehend unpoll.tl.schen Frauen durch ein gezieltes Programm zur Gleichberechtigung un~ Emanzipatio~der Frau in Gang geQX'aoht werdEln;insbesondere S1.nd ,junge Bevolkerunl'sgruppen 'anzuspreohen und vor einem
Apbgllieiiten in konse~vative Lager für eine progressiv-liberale
.
o t k zu gewinnen.
'.
c)
I
j
I
t
d)
müssen 1.n en are bei Koalitionsbildung statt
~~~~~e zu Lasten der progressiven um- .
zu Lasten der weniger progressiven
0.2.6. Taktisches Verhalten bei der Zusammenarbeit
mit der F.D.P.
.
.
-
-
- -
-
-
.
Für das Verhalten der Jungdemokraten lbeim Versuch der Fortentwick:
lung der J!'.D.P. muß von folgenden Leitlinien ausgegangen werd)'ln:
a) Die Jungdemokraten müssen bei ihrer Argumentation von"tf~­
sprünglichen humanistischen, aufklärerischen, demokr?Xischen,
emanzipatorischen Zielsetzungen des Liberalismus aVEfgehen und
auf einer Herleitung aller konkreten politischen ,Forderungen
und Handlungen aus dieser Zielsetzung bestehen .../Auch die F.D.P.
muß bei ihrem eigenen Anspruch gepackt werden/'Die Vertauschung
von rütteln zur Erreichung dieser Ziele wie/Privateigentum an
Produktionsmj.tteln, Erbrecht, Orientierung./uer liVirtschaft am Profi tinteresse der Unternehmer usw. mit dep.··· Zielen selbst muß überwunden werden. Die F.D.P. muß von der :j;Iartei des Eigentums, d.h.
der Großeigentümer an Produktionsmitt,ß''ln, wieder zur Partei der
Freiheit der p:rößtmöglichen Zahl wepden.
b) Die Jungdemokraten müssen sich d~f~h intensive und konstruktive
J.lUtarbeit in allen ParteigremiE;,l.tl und im \'Jahlkampf für die Partei
unentbehrlich machen.
/f
f
0) Die Jungdemokraten gehen V:~~ einem instrumentellen Verhältnis zur
Partei aus, d.h. sie sehen in Parteien Instrumente zur Durchsetzung politischer Zie}~ und in ihrer Existenz keinen Selbstz'lleck •. Insbesondere iSß' es nicht mit dem Selbstverständnis der
Jungdemokraten vereü}:t5ar, auf die Durchsetzung politischer Ziele
nur deshalb zu verz~~hten, um einer mehr dem Namen nach liberalen
Partei einige Proze'nt Wählerstimmen aus dem konservativen Lager
nicht zu vergraulln.
/; ,
Bei der Altern~ive, vorübergehende Wählerverluste hinzunehmen
oder auf einejprogressive Entwicklung der Partei zu verzichten,
ist deshalb ~em ersteren der Vorzug zu geben.
d) Die Jungde okraten legen die Inhalte ihrer politischen Ziele unabhängig on der Durchsetzbarkeit in der F.D.P. fest'. Bei .:dem
Versuch er Durchsetzung in den li'.D.P.-Beschlußgremien ist jedoch
auf die fotwendigkeit der Doerwindung der 5-%-Klausel Rücksicht
zu neb en. Dies wird Um so leichter möglich sein, als die F.D.P.
immer mehr auf eine radikaldemokratisch, antiautoritär und rationa
eing stellte Wählerschaft aus vorwiegend jüngeren Bevölkerunp-s.,.
gru pen angewiesen ist.
.
-25-
-24ist es, daß sie alle Handlun~en vermeiden, deren politische Folgen
fast ausschließlich in einer Manifestierung der fifacht des Rechts- .'
kartells sind. Die .Erkenntnis, daß kapitalistische Wirtschafts- //
ordnungen potentiell faschistisch sind, verpflichtet zum Kampf ,gegen
diese TJ-efahr und nicht zur Provokation der in diese Richtung räng'enden Kräfte, wenn diese nicht wirksam bekämpft werden könne.
e) Die Junrdemokratei:La~ n sich nicht auf bedin~ungslose Unterstützung der F.D.P.-Poli 'k festlegen. Sie macherr' insbesonde!'e
ihre \'Jahlkampfunt~rstützun {~d ihre rC:itarbeit beim organisätorischen Ausbau der Partei e'li.nschlieJHich der !'litgliederwerbung abhängig von der personen;~n Zusammensetzjoi'nr der jeweilip:en
Parteiorgane, von Koali tionsabs:l'chten und den/Inhalten von \1ahlund Aktionsprogrammen. Es muß zu)." Selbstvers·ti'ndiiichkeit wer<!-en, daß nicht ,4eder Kandidat der F\D.P~m~~'·~la~Ik~mpfhilfe der
uungdemokraten rechnen kann, sondern"ßaJ~ dl!'se lm ,vahlkampf alle
ihre Einsätze gezielt auf die Unterst'~zun(i solcher Kandidaten
konzentrieren, die ihrerseits zu einer ,ZusammenarlJeit mit den
Jungdemokraten berej t sind.
\J
__':i .___ _
0.2.9. Verbandsinterne Auseinandersetzungen
/''''\
0.2.7. Verbältnis der beiden Wege der straiegI~
•.
?
...
Die beiden Were der Strategie der JungdemJkrate~\{lin<l
nativ zu sehenden oder voneinander unab;.ä' gigen Te.;ile
Sie tragen lediglich der Binsicht Rechnu g, daß Änd:~r
tischen Verhältnisse in unserer Gesells aft weder 0 eeine Bewußtseip.sänderung der Bevölkerung, die dieserdie"Artil i\tiondemokratischer Forderungen und die Selbstorganisation zu aere~ Durchsetzung
ermöglicht, noch eine Sanktionierung der so neu~stana nen Nachtverhältnisse durch Parlamente, durchsetzbar si
'Schaff die Arbeit
in den Parteien und Parlamenten erst die l1öp:I'. eit, daß reiheitsspielräume für demokratische Initiativen irh;Jk.en oder g.esc affen
werden können, so können erst auf Grund ei JlÄnderunp des p itische~/,
Bewußtseins einschließlich des Vlahlverhal ;fs in den Parlamen n
/';
wieder. grundlegende Entscheidunp:en für d~/WeiterentVlicklunfde ,ny"
.
mokratie erwartet werden. Für die JUn~_d1I}6kraten ist die Arbeit '.~,
i
all~n .öereichen der Gesellschaft und d ~', Zusammenarbeit mi t ~9.~reh, . i
progressi ven Gruppen vor allem auch e rl rü ttel ge~en die Gefa~ der '<"" )
reibungslosen Integration in die Par"te'larbeit ohne ernsthafte Fort"'i
schr~t~e im Selbstverständnis der Piptei und der Festlegun~auf
tradltlonellen F.D.P.- Kurs.
~I
/'
!
.
.
//
"
0.2.8. strategie de';r systemÜbe"':denden Reformen
.
. ./
/
1/
Die Strategie der JUngdemOk~in hat systemüberwind~nden Charakter,
indem sie auf ~1inim':l-erung de /Herrschaft von MenscHen über Menschen,
den Abbau der r':öglie,hkeit, ,fljch die Produkte fremder Arbeit anzueignen und die. Demoltratis:i,!jung zum Ziel hat. n:l}lStrategie der Jungdemokraten schließt teine ,.R,evolution im Sinne e'nes punktuellen Ums~urzes mit dem~iellder ,Etrichtung der Diktat
des Proletariats aus.
Dle Jungdemokraten ~eh:,fVdavon a~s, daD eine evolutionäre Situation
weder gegeben ist ~oc9 'erbeigefUhrt werden ann oder sollte.
Für Jungdemokraten.' :j;~1 daher der AusschluJ' von Gewaltanwendung als
Hit.tel der pOlit~ik~.1. unserer Gesellscha
eine. Selbstverständl.ichkeit. Ebenso komm fUr sie die Bildun~
volutionärer Kader zum Aufb~u einer kommun
vischen Kampfor~anis yion für die Errichtung der
Dlkta~ur 9:es Pr, ?'iariats nicht in F ge. Dogmatischer Kommunismus
oder Larxlsmus lIl!diesem Sinne wide spricht den Grundsätzen der Junfdemokraten. Eine~wichtige Konsequenz für die Politik der Jungdemokraten
Bei der internen Auseinandersetzung ist es für~i en radikal-demokratischen, auf Rationalität verpflichteten, li ralen Verband selbst
verständlich, daß auch mit von verbindlichen
schlüssen abweichenden f,Ieinungen die arr-umentative Auseinander tzung weitergeführt wird
und diese nur im äußerst·en Falle zur Abwen ng schwerer Schäden vom
Verbar.d zu GlCllsten anderer f':ittel "poli t' eher Auseinandersetzung"
aufgegeben werden können.
Die Jungdemokraten, die von der F.D •• mehr innerparteiliche Demokratie fordern, müssen diese vor Idlich insbesondere furch Tolerierung von ~anderheiten
n Verband praktizieren. Vor allem
sind Ausschlüsse aus dem Verban nur als wirklich letztes Mittel anzusehen, den Verband vor schwe em Schaden durch schwerwiegende oder
wiederholte Verstöße gegen S tuten oder Beschlüsse des Verbandes
zu schützen, in Betracht z ziehen. In jedem Falle ist darauf zu
achten, da!! mit r'litgliede ,denen be\'lUßtverbandsschädigendes Verhalten nachgewiesen ist,/ ympathisanten nicht gleich mit ausgescblossen werden, und a6 Ausschlüsse zu HitteIn politischer Richtungskämpfe werden, m' deren Hilfe die jeweiligeJl1ehrheit sich einer
unbequemen J11inderhei ~ntledigt.
Die Jungdemokrate , die sich um die Aktivierung gerade auch von l'1itgliedern der ehe aligen APO für den langen Harsch durch die Institutionen und in esondere für (die l'1itarbeit in Parteien bemühen,
sollten nicht urch Ausschlüsse von engagierten l'1itgliedern, die sicb
der Hehrheit einunF noch nicht anschließen können, diese in ihren
Auffassunp'e und Verhalten bestärken und so auf eine nach Auffassu~
der Jungde kraten für eine progressive Politik schädliche Haltung
festlegen sondern versuchen, das Engagement dieser l'1itglieder durch
bessere
gumentation für die vom Verband verfolgte Strategie zu gewinnen. nsbesondere muß es für die Jungdemokraten unzulässig se'in,
eine A ehnung politischer Standpunkte und vor allem Ausschlüsse von
Jl1itgJ/,edern wortfetischistisch mit plakativen Bezeichnungen wie Reform st, Revisionist, Hevolutionär, HaI1Xfst, usw. zu begründen; ausschlaggebend muß in jedem Falle die inhaltliche Aussage und das Verhalten der Betroffenen sein.
0.3.
Funktion und Praxis der Basisarbeit
Diese Strategie hängt in der Luft, wenn nicht dahinter mobilisierte,
artikulierte und organisierte Bedürfnisse stehen. Die gesellschaft"ß:"
..
-26-
lichen Auseinandersetzunren um die Veränderung der herrschenden.
Verhäl tnisse spielen sich nicht nur im Bereich der J_nsti tutionen
und Organisationen ab, sondern treten in vielfältigen Erscheinungsformen in allen Lebensbereichen auf.
Aber auch die Aufhebung der Nebenwidersprüche gehört zueineruafassenden Veränderung. der Gesellschaft. Die DJD als nicht im Pro~. ..:..}.:.
duktionsbere ich verankerte Jugendorganisa tion-' werden im-Rahmen dieses ":;
Feldes gesellschaftlicher Auseinandersetzungen einen Beitrag zurPol:f,-,
tiesierung von Jugendlichen leisten.
..'
.
. Kernpunkte ~ystemkritischer Jugendarbeit sind;
-27-
Impulse der antiautoritären Basisarbeit auf, ?hne.sie als um_
fassende politische Strategie zu verzerren. Dl~ Blldung von Ko~lektivel
ist die Möglichkeit Jugendlichen, die durch dle gesellschaftllchen
Verhältnisse frustriert 'und "kaputt" sind, die Chance einer erreichbaren und helfenden Perspektive zu geben.
Sie ist insofern sozial.
a) Jugendarbeit ist Teilprozeß der i!lflkundäre
...n.:.SQUalisat.1on •.....die. .... :.:., ..... _....,
wesentlich bedingt ist durch die 'gesellschaftlichen Verhältnisse. 'e
Jugendarbeit ist damit immer systembedingt.
.
..
Gruppenarbeit will durch gemeinsames theoretisches Stud~um (Schulung) die individuellen Probleme auf ihre gesellschaftllche~ Ursachen zurückführen, die Vermittlung der konkreten Umwelt mlt den
gesellschaftlichen Verhältnissen leisten, den dialektischen Zusammenhang von individueller und gesellschaftlicher Emanzipation klä:-en
und so rationale Entscheidungen frei von Trieb-, Real- und Gewlssen~­
ängsten ermöglichen.
Sie ist insofern demokratisch.
b) Progressive Jugendarbeit in der BRD und We~t-.I3ei,"l1n';ird daheJ.' ,
nicht nur gegen autoritäre Charakterstrukturen. sondern auch gegen
die kapitalistischen Herrschaftsverhäl tni.see... ~~.Pf.en!.._~@e~.Jst ...
Jugendarbeit immer politisch und progressive Jugendarbeit immer
systemkri tisch.
....
... ...
Die Zusammenarbeit in einer überschaubaren Gruppe ermöglicht, den
politischen Standpunkt frei von Zwang und Druck in der Auseinandersetzung mit anderen zu entwickeln. Gruppenarbeit kann experimentieren
ltleil sie keinen umfassenden politischen Anspruch stellt.
Sie ist insofern pädagogisch.
c) Systemkritische Jugendarbeit die ..den Anspruch ernst nimmt, der
individuellen und geSellschaftliChen Emanzipation zu dienen,kann
sich nicht auf ergänzende Freizeitgestaltung und akademischeBil~
dungsveranstaltung beschränken, sondern ist . VorbereltUIlI!; _. undT.e.~l
systemüberwindender Praxis.
Systemkritische Jugendarbeit bemüht sich um Veränderungen zumindest
im unmittelbaren Lebensbereich der Betroffenen, sie vermittelt auf
einer konkreten Ebene die Erfahrung der r:achbarkeit von Gesellschaft.
Sie ist insofern politisch.
"
<:
.
d) Inhalte, Arbeitsformen undOrganisa:Honi!lst~tü,rendft:/:'Jugend~ .• :
arbeit sind daher entscheidend unt.r stra,teg1eC)len G.aichtBp'\U1kten'
zu bestimmen, ohne die klassensp'Zitiscl!. 1mter.schiec1lichenSoZi~lit: ...
sations- und al tersmäßi@:en EntwiCkl\l.ngsplyll!esee JIU yerne,ch:J,.äslligen'
.e) Systemkritische Juge~darbeituhter$.Cheidetsiol!. vOn anderen Formen
politischer Praxis insbesondere dadUrCh; daß sie sieh belllüht,'die'
individuelle Konstitution zu berücksichtlgen, die gemeinsamen Erfahrungen aufzuarbeiten und auch Experimente zu wagen.
Aus diesen allgemeinen Überlegungen ergeben sich folgende Konsequenzen:
Der strategische Punkt, an dem die Organisierung von Jugendlichen
geschehen muß, ist der jeweilige Arbeitsbereich, d.h., bei Jugendlichen der Ausbildungsbetrieb (Lehriinge) oder die Schule (Oberschüler) •
Die Jugendlichen sollen sich in Kleingruppen (Kollektive, Basisgruppen usw.) organisieren, um so die Vermittlung von individueller
und gesellschaftlicher Emanzipation leisten zu können.
Diese Arbeitsweise ermö~licht die Erfahrung von Solidarität, die
Stärkung von Selbstbewußtsein und politiscqes Handeln. Sie nimmt die
Auchmese politische Praxis braucht die Zusammenarbeit mit anderen.
Für die arbeitenden Gruppen wird es in erster Linie darauf ankommen,
örtlich und regional mit Gruppen aus dem gleichen Praxisbereich (Lehrlinge bzw. SChÜler) einen kommunikativen und organisatorischen Zusammenheng herzustellen, Erfahrungen auszutauschen und in gemeinsamen Aktionen ihre Position zu vereinheitlichen.
Diese Zusammenarbeit wird aber provinziell bleiben, ..lenn sie nicht
durch eine Zusammenarbeit auf der Ebene der Verbände und Jugendorganisationen ergänzt wird.
Nachdem es schon innerhalb des Bundesjugendringes eine Politisierung
gegeben hat und die traditionell jugendpflegerischen Verbände begriffE
haben, daß sie politisch sind und sein müssen, wird es den jugendpolitischen Verbänden im RPJ zu vermitteln sein, daß sie Jugendverbände
sind. Als erste Konsequenz aus diesen Überlegungen sollten sich sowohl auf Kreis- wie Landes- und Bundesebene Arbeitsgruppen aus Vertretern der progressiven ,Jugendverbände bilden, um grundsätzliche,
inhaltliche und orvanisatorische Frafen der politischen Jugendarbeit
zu diskutieren, die traditionellen und unbegründeten Unterschiede der
Verbände zu über\'linden, eine gemeinsame Perspektive und Praxis zu entwickeln und die unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkte zu koordinieren,
11.
Duisburger
, Manifestentwurf
(Auszüge)
-30-
1.
Historische und Gegenwartsanalyse
1.a. Erläuterung
Der nachfolgende Auszug stellt die Erweiterung, Verbesserung und Konkretisierung des Teils B.1. des "Leverkusener Manifest" dar. Die damals sehr
knappe Darstellung führte im Verband zu Mißverständnissen~ undUilklarkeit
darüber, wie nun die geschichtliche Funktion des Liberalismus einzuschätzen
sei, ob wirklich die im Teil B.l.angesprochene Gruppe "Bildungsbürgertum"
die Zielgruppe liberaler Politik sei etc.
Deshalb hat sich der AK Grundsatzfragen mit diesen Fragen 1971 besonders
intensiv beschäftigt. Als Ergebnis legte erden hier~ ~abgedruckten~Teil des
Duisburger Manifestentwurfs vor. Als nochmalige Ergänzung und Erläuterung
kann der Teil 111.3.1. herangezogen werden~
1.b. Auszug aus dem Duisburger Manifestentwurf
B.l Historische und Gegenwartsanalyse des Liberalismus
Vorbemerkung:
Der Grad möglicher Emanzipation in einer bestimmten
Gesellschaft kann nicht abstrakt bestimmt werden, sondern nur in Abhängigkeit vom jeweiligen Stand der Produktivkräfte - der Produktionsmittel einerseits, der
Planungsinstrumente andererseits. Emanzipation setzt
die Beseitigung des Mangels voraus, Produktionssteigerung ist also ein notwendiger Teilaspekt dieses Prozesses. Auch die Frage, ob eine politische Bewegung
die Emanzipation vorantreibt oder behindert, läßt sich
nicht abstrakt bestimmen. Die Geschichte politischer
Ideen allein kann nicht erklären, wie eine politische
Bewegung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu beurteilen ist. Zu fragen ist vielmehr nach deren materieller Basis, zu fragen ist nach den Veränderungen der
Produktivkräfte und mit ihnen der Gesellschaft, kurz:
Zu fragen ist, wer die gesellschaftlichen Träger dieser
Ideen sind, welchen Interessen diese Ideen dienen und
welchen Interessen sie entgegenstehen.
Der politische Liberalismus ist historisch entstanden als
Emanzipationsbewegung des Besitzhürgertums im Frühkapitalismus gegen den feudalen Staat. Eine sozialistis~c~he~ ~Be~we"
gung im marxistischen Sinne war zu diesem Zeitpunkt nicht
möglich, da dessen Subjekt, das Industriepröletariat, erst
im Entstehen war.
Ende des 19. Jahrhunderts machte die Weiterentwicklung der
Produktivkräfte auch in Deutschland die Uberwindung des
Feudalismus als Gesellschaftssystem notwendig. Das aufkommende Proletariat (gekennzeichnet durch Nichtbesitz an
Produktionsmitteln und damit durch den Zwang, seine Arbeitskraft verkaufen zu müssen) kämpfte zusammen mit dem Bürgertum gegen den feudalen Staat; so erklärt es sich, daß Liberale zu den Begründern der Gewerkschaftsbewegung gehörten.
-31-
Schon früh zeigte sich jedoch, daß trotz des gemeinsamen
Gegners die Interessen der Bündnispartner unterschiedlich
waren:
Mit weit ehender Durchsetzun der bür erlichen Forderun en
Rechtsstaatlichkeit, Berechenbarkeit staatlichen und privaten Handeins, Gewerbefreiheit, Vertragsfreiheit, Glaubensund Meinungsfreiheit, Volkssouveränität und Parlamentarismus) wurde der Großteil der liberalen Bewegung zu einer
bewahrenden politischen Macht. Der Liberalismus verteidigte
den Besitzstand des Bürgertums gegen noch vorhandene Feudale Strukturen und gegen eine Wiederkehr des Feudalismus;
er wandte sich aber auch immer mehr gegen die wachsende
Macht des Proletariats.
Dies brachte den Großteil der liberalen Bewegung (Nationalliberale) schließlich in zunehmendem Maße in die politische
Abhängigkeit der Konservativen.
Die Rolle der gesellschaftsverändernden Kraft übernahmen
die Sozialisten, die sich aber gegen die vereinigte Macht
der Konservativen und Nationalliberalen nicht durchsetzen
konnten.
Die freie Konkurrenz selbständiger Produktionsmittel Eigentümer führt~ gesetzmäßig zur Bildung von Großkonzernen
mit Monopolcharakter; sie führt also zu ihrer eigenen Auflösung. Gesellschaftlich stellt sich diese Erscheinung dar
als Ubergang vom Konkurrenzkapitalismus zum Monopolkapitalismus.
Unabhängig vom Gesellschaftssystem erfordert die wirtschaftliche Weiterentwicklung größere Produktionseinheiten;
im Rahmen des kapitalistischen Systems konzentriert sich
dadurch die wirtschaftliche und mit ihr die politische
Macht bei immer weniger Großunternehmen. Viele mittlere
und kleinere Unternehmer verlieren dadurch ihre Existenz
und werden in die Lohnabhängigkeit herabgedrückt; andere
klammern sich trotz sinkendem Gewinn an ihre Selbständigkeit, eine weitere Gruppe schließlich gerät bei formaler
Unabhängigkeit in die faktische Abhängigkeit eines Großunternehmens. (Zulieferer z.B. bei AEG, Daimler-Benz, VW,
Siemens) .
Das Besitzbürgertum als bisheriger Träger der liberalen
Idee verliert demnach durch den Ubergang vom Konkurrenzkapitalismus zum Monopolkapitalismus immer mehr seinen
wirtschaftlichen und politischen Einfluß oder hat ihn
bereits verloren. Um diese Entwicklung zu verhindern, sind
drei Auswege denkbar:
Er hat die Möglichkeit, sich an seine bedrohte gesellschaftliche Stellung zu klammern. So hat sich der Großteil der liberalen Bewegung (Nationallibera~~, FDP)bis
vor kurzem(?) mit den Konservativen und and~ren Vertre-
tern des Großkapitals zum Widerstand gegen den Sozialismus vereinigt; sie unterstützten somit ihre eigenen Henker.
-33-
-32Dieses Bürgerblock-Denken macht blind für die Gefahr von
rechts; so kam es, daß selbst Liberale wie Heuss und Maier
1933 für das Ermächtigungsgesetz stimmten.
Eine Bürgerblock-Politik
entspricht den kurzfristigen Interessen der kleinen Gewerbetreibenden, denn das Großkapital muß, um diese Verbündeten zu halten, gewisse Zugeständnisse machen (Mittelstands-Politik)
entspricht deren subjektiven Interessen,
denn der Mittelstand ist raditionell anti-sozialistisch
und anti-gewerkschaftlich eingestellt und das-Großkapital
und seine Diener verstehen es hervorragend, Schrebergärtnern und Würstchenbudenbesitzern einzureden, Angriffe
auf das Eigentum und Erbrecht der Milliardäre würden
sich auch gegen ihren kleinen Besitz richten.
widerspricht ihren objektiven Interessen,
denn auch Zugeständnisse taktischer Art können die Bewegungsgesetze der kapitalistischen Wirtschaft nicht außer
Kraft setzen, und zu diesen Bewegungsgesetzen gehört
eben die ständige Konzentration des Privateigentums an
Produktionsmitteln in immer weniger Händen.
Die Überwindung des kapitalistischen Systems
- widerspricht den kurzfristigen Interessen von Mittelstand
und Kleinbürgertum,
da deren Lage im gegenwärtigen Gesellschaftssystem zum
Großteil besser ist als die anderer Lohnabhängiger
- widerspricht deren subjektiven Interes~en,
da eine Systemüberwindung nur im Bündnis mit den Traditionellen Gegnern des Bürgertums, nämlich der in sozialistischen Gruppen und Gewerkschaften organisierten Arbeiterbewegung zu erreichen ist
- entspricht ~hren objektiven Interessen,
indem sie eine geschichtlich nicht vermeidbare Entwicklung vorwegnehmen und mitwirken an einer Emanzipationsbewegung der Bevölkerungsmehrheit gegen das Großkapital
Auf Grund der geschichtlichen Erfahrung ist festzustellen,
daß das Bürgertum (mit Ausnahme des Großkapitals) alstraditioneller Träger des Liberalismus
- im Regelfall zum Bürgerblock-Denken neigt,
in Krisensituationcn den Faschismus unterstützt,
nur durch sehr intensive Arbeit, wenn überhaupt, für
eine Überwindung des kapitalistischen Systems zu gewinnen ist.
2. Faschismus
Es ist die Möglichkeit, in romantischer Rückbesinnung
seine Zuflucht zu suchen; diese Tendenz macht den gesellschaftlich absink enden Teil des Bürgertums anfällig für
faschistische Bewegungen.
Der Faschismus
widerspricht den kurzfristigen Interessen von Mittelstand und Kleinbürgertum,
denn die historische Erfahrung zeigt, daß der Faschismus gerade nicht zum "Kauf gegen die Hochfinanz"
(NSDAP-Programm 1924) führt, sondern zur Verstärkung
von Konzentration und Monopolbildung mit massiver Unterstützung durch den Staat
entspricht deren subjektiven Interessen,
denn der Faschismus kommt mit seiner antikapitalistischen
Rethorik und seiner anti sozialistischen Theorie und
Praxis den Vorstellungen insbesondere des Kleinbürgertums sehr entgegen
widerspricht ihren objektiven Interessen,
da die Nachteile der Bürgerblock-Politik für den
Faschismus noch verstärkt zutreffen
Somit bleibt diesem Teil des Bürgertums als rationale
Alternative nur die Möglichkeit, die geschichtliche Entwicklung vorwegzunehmen und sich nicht in unterschiedsloser Verteidigung des "Privateigentums:' mit dem Großkapital zu solidarisi~.Vielmehr kann der politisch bewußte
Teil des Mittelstandes und des Kleinbürgertums auf Grund
der Entwicklung mitwirken an einer Emanzipationsbewegung
der Lohnabhängigen zur Überwindung des kapitalistischen
Systems. Derjenige Teil des "Besitzbürgerturns", der sich
nicht offen mit dem Großkapital solidarisiert, kommt damit
als Träger einer liberalen Bewegung in Frage.
Eine grundsätzliche Änderung dieser traditionellen Orientierung des Liberalismus ist nur möglich, wenn er zusätzlich zu der bisherigen gesellschaftlichen Basis neue Bevölkerungsgruppen gewinnt.
Eine derartige "neue" Bevölkerungsgruppe ist die wissenschaftlich-technische Intelligenz: Sie befindet sich zwar
faktisch in der gleichen Lage wie andere Lohnabhängige auch,
d.h. sie kann arbeiten oder aber nicht essen. Ideologisch
neigt sie nicht zum Sozialismus, sondern eher zu technokratischen Vorstellungen und zur Vertretung der ·tradi·tionellen Ansprüche des Liberalismus. Die wissenschaftlichtechnische Intelligenz ist nicht im gleichen Maße wie die
traditioneller Träger des Liberalismus anti~sozialisti­
schen und anti-gewerkschaftlichen Vorstellungen verhaftet;
die Vermittlung systemkritischen Denkens ist daher bei
dieser Gruppe leichter möglich.
Für die Jungdemokraten als liberalen Verband ergibt sich
aus der historischen und gegenwärtigen Analyse des Liberalismus folgende Aufgabensteilung:
Da die Vermittlung systemkritischen Gedankenguts und damit
einer systemüberwindenden Perspektive bei den möglichen
Trägern einer emanzipatorischen Bewegung mit liberalem
Anspruch nicht an deren objektiven Interessen, sondern an
deren kurzfristigen und subjektiven Interessen zu scheitern
droht, müssen die Jungdemokraten bei Gruppen der Bevölkerung
ansetzen, bei denen die. gefühlsmäßige_Bindungan_das.kapitalistische System noch nicht ausgeprägt ist und bei solchen, deren kurzfristige Interessen dem Kapitalismus widersprechen.
Ansprechpartner der Jungdemokraten sindjaher insbesondere
folgende Gruppen (die sich natürlich über'schneiden können):
- Mädchen und Frauen als die Bevölkerun/lsgruppe, deren
Unterdrückung die längste Tradition hat
-34-
-35-
Lehrlinge als die Bevölkerungsgruppe, die am meisten
ausgebeutet wird
Schüler und Studenten als die Bevölkerungsgruppen, die
bei einem vergleichsweise hohen Informationsstand am ehesten in der Lage sind, die gesellschaftlichen Ursachen
von Bildungslcatastr.ophe und Fachidiotenp.,oduktion zu erkennen'und Autoritätskonflikte leichter austragen können
als Mädchen und Lehr"Iinge
Beschäftigte im Ausbildungssektor und sozialen Berufen,
bei denen der Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit ihrer Tätigkeit am deutlichsten wird
langfristig ein bedeutender Teil der wissenschaftlichtechnischen Intelligenz
Ein Grundsatzprogramm kann die konkrete Analyse e:rleic}ltern, nicht aber ersetzen:
Welcher Zielgruppe sich die Jungdemokraten besonders intensiv widmen, läßt sich daher nicht generell festlegen",
sondern hängt von der Situation der einzelnen Kreis- und
Bezirksverbände und von .den Verhältnissen an den jeweiligen Orten ab. Für die Bestimmung der Haupt-Zielgruppen ist
insbesondere 'von Bedeutung, welche der möglichen Zielgruppen bereits in ausreichendem Maße von anderen demokratischen Gruppen "betreut" werden. So wird es z.B. in manchen
Großstädten mit starken Jungsozialisten-, SDAJ- und
Gewerkschaftsjugend-Gruppen am sinnvollsten sein, sich auf
Schüler- und Frauenarbeit zu konzentrieren. In anderen
Gebieten kann es dagegen notwendig sein, mit Vorrang Lehrlingsarbeit zu betreiben.
Diese Praxis ist Folgerung der Erkenntnis, daß Liberalismus und Sozialismus nicht wie Feuer und Wasser, sondern in
ihrem emanzipatorischen Anspruch durchaus vergleichbar
sind. Auch die materialistische Analyse zeigt, daß die
ges~llschaftlichen Träger beider Bewegungen einander nicht
mehr feindlich gegenüber stehen müssen, daß vielmehr' das
Interesse bei der die. Zusammenarbeit erfordert. Fernziel
der politischen Arbeit der Jungdemokraten muß daher die
Mitwirkung an einer gemeinsamen emanzipatorischen Bewegung
aus Liberalismus und Sozialismus sein.
2.
"
Wettbewerbsideolo§ie und Wirklichkeit
2.a. Erläuterung
Der Prozess der Konzentration des Kapitals und des Ausschaltens der von Altliberalen immer wieder hochgelobten
KonkUl'T'enz ist im "Leverkusener Manifest" nicht in der Aus;";"
führlichkeit behandelt worden, wie es dieses Problem, das
in der Auseinandersetzung zwischen Gegnern und Befürwörtern
des kapitalistischen Wirtschaftssystems immer wieder in den
Mittelpunkt rückt, verdient.
Weiter ist bei der Beurteilung dieses Wirtschaftssystems aus
liberaler Sicht, d.h. unter Anwendung der in der "Zielsetzung"
aufgestellten Kriterien, die Frage, ob der Kapitalismus wirklich das für die Bedürfnisbefriedigung der Bevölkerung die am
optimalsten strukturierte Wirtschaftsform ist, von größter
Wichtigkeit.
Zur Beantwortung dieser Frage sollte der folgende Abschnitt
der im Duisburger Manifestentwurf vor dem Teil "Staat und Wirtschaft" eingeschoben werde, Material liefern.
"
B.2.2
Wettbewerbsid~ologieund Wirk~ichkeit
Ziel der Wirtschaftspölitik muß die optimale Bedürfnisbefriedigung der Bevölkerung sein.
Dieses Ziel w'ird nach der vorherrschenden liberal.en wirtschaftstheorie am ehesten erreicht .durch die freie Konkurrenz vieler Betri.ebe und private Unternehmerinitiative: Im
freien Wettbewerb der Unternehmen um ·die Gunst des Käufers
. sei dieser König im gesamten Wirtschafts'prozeß von seinen
Bedürfnissen und Entscheidungen hänge letztlich der Verlauf
der Produktiori ab, seinen Wünschen müssten sich die Hersteller mit .maximaler Geschwindigkeit anpassen.
Auf Grund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und technischer Fortschritte (z.B. auf den Gebietender Elektrizität! Ch~mie, Stahl~rzeugung) waren schon sehr bald große
Kap1tal1en notwend1g, um Produktionsgrößenzu-erreichen
die rentabel produzieren konnten. Die Kosten, 'die zur '
Schaffung dieser Industrien eingesetzt werden mußten, waren
so hoch, daß nur diejenigen, die im bisherigen Konkurrenzkampf vergleichsweise führend waren, dort einsteigen konnten. Auf Grund der wesentlich höheren Gewinne in diesen
Bereichen konnten sie ihre Vormachtstellung immer weiter
ausbauen. Dadurch verschärfte sich der Existenzkampf für
alle diejenigen Unternehmen, die auf diesen Gebieten nicht
hatten investieren können. Viele bis dahin selbständige
B~tri~be mUßten,und müssen ihre Unabhängigkeit aufgeben.
D1e w1rtschaftl1che Macht konzentrierte sich immer mehr in
den Händen, von relativ wenigen Unternehmen. Konzerne, Fusionen, Kartelle im nationalen und internationalen Rahmen
nahmen immer mehr zu. Um einen vergleichsweise ruinösen
Konkurrenzkampf durch Unterbieten der Preise auszuschalten,
wurden Absprachen getroffen, damit trotz verbilligter
Massenp~odu~ti9ndie Gewinnspanne nicht nur gehalten, sondern te1lwe1se sogar erweitert werden konnte.
Die Geschichte des Konkurrenzkampfes im Kapitalismus zeigt
demnach, daß er sich durch seine Eigendynamik selbst ausschaltet.
'
In der BRD ist diese Entwicklung schon so weit gediehen
daß gegenwärtig die 50 größten Industriebetriebe 42
d~s
Gesamtumsatzes bestreiten und ihr Anteil weiter steigt.
In Branchen wie Mineralöl-, Tabak- und Fahrzeugindustrie
liegt der Anteil der 4 größten Unternehmen am Gesamtumsatz
der jeweiligen Branche bei über 80
Es zeigt sich, daß der Wettbewerb schon längst nicht mehr
die Rolle spielt, die ihm seine Verteidiger zusprechen,
obwohl seine Theorie diesem System noch als Rechtfertigungsbasis dient ("Der Wettbewerb ist und bleibt die Grundlage
unserer Wirtschaftsordnung"- Bundeskartellamt 1967). Die
Begriffe "Wettbewerb" und "Konkurrenz" dienen heute weitgehend der Verschleierung der wahren Macht;erhältnisse in
der Wirtschaft; Wettbewerb und Konkurrenz sind schon lange
nicht mehr die Mechanismen, die den Unternehmen die größtmögliche Rentabilität garantieren.
%
%.
-36-
-37Mit zunehmender Ausschaltung des Wettbewerbs verliert
der Konsument seinen Einfluß, da das Unternehmen keinen
Konkurrenzkampf mit anderen befürchten muß. Darüber hinaus
'ist der Produktions- und Verteilungsapparat so kompliziert,
daß ein großer Konzern kaum noch in der Lage ist, sich
flexibel veränderten Bedürfnissen seiner Konsumenten anzupassen.
Wechselnde Bedürfnisse können zu einer Bedrohung seiner
Existenz werden. Aus diesem Grunde muß sich die langfristige Planung der Unternehmen auch auf die Bedürfnisse selbst
erstrecken, die teils erforscht, teils produziert, auf jeden
Fall aber für den Produzenten nutzbar gemacht werden müssen.
Dabei ist der Ausg,angspunkt aber nicht das Ziel der optimalen Bedürfnisbefriedigung der Konsumenten, sondern die
Anpassung eben dieSer Bedürfnisse an die Absatzerfordernisse der Industrie, um so eine maximale All~sl,!;!,tung u~n~d
Rentabilität der Unternehmen zu garantieren.
("An die Stelle der Produktion für die Bedürfnisse ist die
Produktion der Bedürfnisse getreten" Heiner Bremer)
Zusammengefaßt heißt das: Die Großkonzerne verhalten sich
rationaler im Sinne der Profitmaximierung, da sie weniger
als andere den blinden Mächten des Marktes unterworfen und
langfristiger planen können.
"
3.
Zur Geschichte der BRD
3.a. Erläuterung
Als Einstieg zu den Teilen B.3. - B.5.des "Leverkusener Manifests" dient im "Du:j.sburger Manifestentwurf" der hier abgedruckte Teil.
Es ging dabei besonders darum, die in den genannten Teilen
angesprochenen Themen (Rolle der Parteien, Ideelogiebildung
etc.) in den historischen Zusammenhang der politischen Entwicklung der Bundesrepublik nach dem zweiten Weltkrieg zu
stellen.
.b. Auszug
B.
3.Analy~e
der politischen Verhältnisse in der BRD
B. 3.0.Vorbemerkung: Zur Geschichte der BRD
"Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen,
'die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Be~
deutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt
werden.
Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht
mißbrauchen, sind zu verbieten."
(Art. 27 der "Verfassung für das Land:NRW")
Nach dem Zusammenbruch des faschistischen Regimes hatte es
zunächst den Anschein, als seien die Möglichkeiten zur tlber-
windung des Kapitalismus und zum Aufbau einer Gesellschaftsordnung gegeben, die kollektiven gesellschaftlichen Bedürfnissen entsprach.
So wird der Versuch einer nichtkapitalistischen Gestaltung
des neu zu organisierenden Staats aus den Volksentscheiden
zur Sozialisierung ersichtlich, die in fast allen Zonen
~ach 1~45 stattfanden und eine Neuorientierung im soziookonomlschen Bereich vorzubereiten schienen: Die Verges~llschaftungstendenzen fanden ihren Niederschlag in den
Landerverfassungen und in den Programmen der Vorgodesberger SPD und der eDU (Ahlener Programm), welche die antikapitalistische Stimmung aufgriffen. Von den heute im Parlam~nt vertretenen Parteien zeigte sich lediglich in der FDP
eln ungebrochener Glaube an die Leistungsfähigkeit des
durch den Faschismus diskreditierten Kapitalismus , !li9ht
zuletzt deshalb, weil sich in ihr neben altliberalen starke
national-konservative und aus dem Nationalsozialismus herübergerettete Kräfte zusammengefunden hatten.
Systemüberwindende Lösungen berücksichtigten auch die V~.­
f~sser des ~rundgesetzes. So läßt das Grundgesetz formal
dle Entscheldung für einen reinen bzw. wohlfahrtsstaat lieh
verbrämten Kapitalismus, für eine sozialistische Gesellschaftsordnung und für sämtliche Mischformen offen (Art.
14,15 GG). Allerdings bevorzugt schon die bei Abfassung
des Grundgesetzes vorgenommen juristische Interpretation
der Grundrechte die "privaten" Rechte auf Freiheit und
Eig~nt~m und leistet der ideologischen Absicherung der
Frelhelt zur Profitmaximierung und des Eigentums an Produktionsmitteln im Sinne einer Garantie deskapi hilistischen Systems Vorschub. Verdankt doch die Verfassung ihre
Entstehung meist konservativen und zum Teil aus dem NSStaat übernommenen Juristen, während das Volk ausgeschlossen blieb.
Die Auseinandersetzung um die zu verwirklichende Gesellschaftsform bot bereits ab 1948 keine echten Alternativen
mehr. Das nachfaschistische Deutschland konnte nicht auf
Erfahrungen mit nichtkapitalistischen Systemen zurückgreifen und weder praktikable Sozialisierungsmodelle noch die
zum Aufbau einer sozialistischen Wirtschaft nötigen Fachleute vorweisen. Die Gewerkschaften und die SPD, die durch
ihre Programmatik auf eine antikapitalistische Politik festgelegt waren, verhielten sich passiv und hofften auf die
bevorstehende Regierungsbildung. Inzwischen machte sich
das Kapital zum Träger des Wiederaufbaus mit Hilfe der USA,
deren politische und wirtschaftliche Interessen die Eingliederung der BRD in das westliche kapitalistische Wirtschaftssystem erforderten. Gestützt auf den Besatzun8sstatus konnten die USA die Restauration der überkommenen
Herrschaftsverhältnisse betreiben, indem sie den Garanten
der kapitalistischen Produktionsweise,das Großkapital,
wieder in seine Führungspositionen einsetzte und durch
Finanzhilfen (Marshall-Plan) absicherte.
Die nach dem Kriege notwendige Befriedigung der elementarsten Bedürfnisse zog einen wirtschaftlichen Aufschwung
nach sich, der die Profitraten der Produktionsmittelbesitzer erhöhte, die beherrschende Position des Großkapitals
ideologisch stärkte und die Effizienz des kapital,;Lstischen
Systems scheinbar bestätigte.
+,
Die Phase des kalten Krieges, die die Wiederaufrüstung der
BRD und ihre Integration in die Nato vorbereitete, lag
im Interesse des US-Kapitals an der Schaffung neuer Absatzmöglichkeiten und lieferte die ideologische Rechtfertigung
-38-
-39-
für die privatwirtschaftliehe Aneignung gesellschaftlicher
Produktion in der BRD (freie Marktwirtschaft im Gegensatz
zu planwirtschaft, Gleichsetzung der Ziele der "freiheit'lieh demokratischen Grundordnung" mit denen der Kapitaleigner). Gleichzeitig entwickelten sich die Parteien unter
den ständig wachsenden Druck der Wirtschaft zu Herrschaftsinstrumenten des Großkapitals. Dieser Prozaß wurde sichtbar an dem Umschwenken der SPD auf einen dem Kapital genehmen Kurs im God~sberger Programm. Politik im Sinne des
Kapitals wurde noch deutlichen ablesbar an der Ausrichtung
der staatlichen Wirtschaftspolitik auf die Ziele __der_iso..lierten Effizienz der Produktion (Erhards "formierte
Gesellschaft") und fand ihren bisher erkennbaren Höhepunkt
in der "Globalsteuerung" der ökonomischen Prozesse zugunsten
des Großkapitals (Schillers konzertierte Aktion, Stabilitätsgesetz, mittelfristige Finanzplanung).
"
4.
Zur Strateßie der zwei Wege
4.a. Erläuterung
Der Vorspann zur Strategi·e der beiden Wege im "Leverkusener
Manifest" (Teil C.2 .1.) führte in Diskussionen immer wieder zu
Mißverständnissen und Kritik.
Dies war darin begründet, daß hier vielen eine zu Schnelle
Kehrt wendung , die darüberhinaus nicht ausreichend begründet
war, zu· einigen Aussagen zur Rolle des Staates vo~lzogen wurde (Tenor: Die Situation ist hoffnungslos, aber W1r machen
trotzdem ••• ).
Das lag daran daß hier die einzuschlagende Strategie systemüberwindender'Reformen nicht deutlich dargestellt wurde. Dies
wurde im "Duisburger Manifestentwurf" besser: als Vorspann,zur
Strategie dient nun der hier unter 4.b. abg~druckte.Abs~hn1tt
C.l.l. des "Duisburger Manifestentwurfes", 1n dem d1e e1nzuschlagende-Strategie beim Namen genannt wird.
Im Teil C.l.2. des Manifestentwurfes finden sich viele Passagen des
Teils C.l. des"·Leverkusener Manifests" wieder, der Teil C.!.3.
bringt aber nun die J;.lqtwendige Erläuterung der Strategie systemüberwindender Reformen.
Hier wird klargelegt, wie diese Strategie funktionieren s?ll,
gleichzeitig wird die Notwendigkeit der Zwei-Wege-Strateg1e
klar aufgezeigt.
C. 1. Vorbemerkung: Zur Strategie der zwei Wege
C.l.l.Grundsätzliche Ziele der Jungdemokraten
Aus dem Vorhergehenden ergibt sich, daß die politischen
Ziele der Jungdemokraten mit den Rahmenbedingungen eines
kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems
nicht vereinbar sind. Es ist also ungenügend, nur auf solche
Ref?rmen hinzuarbeiten, die im Bezugsrahmen dieses Systems
b~e1ben und nur punktuell Erleichterungen erbringen. In
dlesem Falle werden soziale Errungenschaften lediglich deshalb von den Herrschenden zugestanden, weil sie zur Harmonisierung drohender sozialer Konflikte und damit zur Erhaltung der Grundlagen des Kapitalismus erforderlich sind. Ver-·
mögensbildung, Mitbestimmung, Freigabe des Rentenalters
Umschulungsförderung und Gesamtschule etwa verkümmern b~i
den Reformisten zur vorbeugenden Beschwichtigung derjenigen
Bevölkerungsteile, die auf Grund hervorbrechenderge.sellschaftlicher Widersprüche demokratisch initiativ zu werden
drohen. Daraus folgt für uns, daß die politische Perspektive
der DJD systemUberwindend sein muß.
C.l.2.Analyse der Wirkungsmöglichkeiten
Alle~dings scheint das Ergebnis der politischen Analyse auf-
zuzelgen, daß die Situation hoffnungslos .ist. Die herrschende Klasse verstärkte ihre Bemühungen, Möglichkeiten der
Demokratisierung abzubauen. Das potentiell fortschrittliche
Grundgesetz wird ausgehöhlt: die Notstandsgesetze sind ebenso Folge wie Symptom dieser EntWicklung.· Schoti.-droh-en die
Vertreter des Rechtskartells wie ·.Dichgans mit der "Totalrevision" des Grundgesetzes.
Das potentiell demokratische Parlament wird immer mehr entmachtet; es wird degradiert zur Abstimmungsmaschine für
außerhalb getroffene Entscheidungen. Seine aktuelle Fünktion
erschöpft sich in der Aufgabe, diese Tatsache vor der Bevölkerungsmehrheit zu verschleiern und öffentlich Scheinkonflikte auszutragen.
Gewerkschaften und Parteien als mögliche Sammelpunkte progressiver Kräfte sind weitgehend in das bestehende Herrschaftssystem integriert; die Gewerkschaften erkennen das
bestehende Bezugssystem an, die Parteien führen einen Kampf
gegen "Extremisten von links und rechts", der sich in der
Praxis ausschließlich gegen die fortschrittlichen politischen Bewegungen richtet.
Das gesamte Herrschaftssystem ist hauptsächlich abgesichert
durch die Manipulation der Bevölkerungsmehrheit. Familie,
Schule und Arbeitsplatz sind Stationen eines Prozesses, der
Untertanen schafft: die so vorprogrammierte Bevölkerung
ist einer gigantischen Werbung und der Meinungsmanipulation
im engeren Sinne ausgesetzt.
.
Sollten aber alle diese Sicherungen für das System versagen,
so bleibt schließlich noch der Machtapparat in Form von
Justiz und Polizei und, wenn eines Tages die "Stunde der
Not" für die Herrschenden des Kapitals kommen sollte, der
Einsatz der Bundeswehr im Innern.
Die Herrschenden scheinen also fest im Sattel zu sitzen;
dennoch wächst auf Grund der Widersprüche dieses Gesellschaftssystems auch die Möglichkeit seiner Überwindung: Das
immer stärker werdende Eingreifen des Staates,zur Sicherung
der privaten Profitmaximierung erfordert- den "Abbau der
Grundrechte; er ruft damit aber auch den Widerstand einer
Vielzahl von Demokraten hervor, die die parlamentarische
Demokratie erhalten wollen, ohne allerdings die Ursachen
für ihre Zerstörung zu erkennen. Gewerkschaften und Parteien
verstehen sich als systemerhaltend; dennoch wächst jeden-
-40-41-
falls in denjenigen Organisationen, die subjektiv die Interessen der Bevölkerungsmehrheit vertreten, die Erkenntnis,
daß der Feind nicht links sondern rechts steht.
D~bei sind zunächst auch solche Reformen zu unterstüteen die
n1cht grundsätzlich die kapitalistische Produktionsweise'an_
tast~n m~ssen, die aber die gesamt gesellschaftlichen Kräfteverhaltn1sse zu Lasten der Kapitalbesitzer verschieben, z.B.
Gesetze gegen Bodenspekulation und Umweltverschmutzung Ver~nkerung ;on Mieterräten, Verlagerung der Lehrlingsausbildung
1~ s~aatI1c~e Lehrwerkstätten, Mitbestimmung auf allen Ebenen,
v~111ge.Fre1ga?e der politischen Betätigung im Betrieb, Vermogen~b1ldung 1n zentralen Fonds, die eigene Anlagepoliti~
b~tre1ben und unter ausschließlicher Kontrolle der Lohnabhäng1gen stehen.
D~ese Reform~n ~ind Grundvoraussetzungen für die Vorbereitung
e1ner langfr1st1gen Systemüberwindung, weil sie trotz Vera~kerung im kapitalistischen System doch die Machtverhältn1s~e zu~u~st~~ der. Bevölkerungsmehrheit veränderIl kö ne!1'
l1
Gle1chze1t1g w1rd durch die verstärkte Einübung demokratischer
Verha~tensweisen (Mieterräte, Einübung in Massenaktionen eine
wei~ere no~wend~ge Vorbedingung dafür geschaffen, daß das
Kap1tal.se1ne E1nwirkungsmöglichkeit auf die politischen Verhältnisse und die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel
verliert. Danach gilt es, durch systemüberwindende, d.h. den
Rahm~n des kapitalistischen Systems sprengende Reformen· wie
Ente1gnung der Grundstoffindustrien, erste -Breschen inden
~apitalismus zu SChlagen, die stark genug sein müssen, um
·1nnerhal~ des bestehenden Systems eine nachhaltige Beschränkung der Macht des Kapitals zu erreichen und damit die Macht
der Lohnabhängigen wesentlich zu erweitern.
Dadurch muß zunächst erreicht werden, daß die systemkriti~che~ Kr~fte über echte Gegenrnachtpositionen verfügen, die
1~st~tut1?nell abgesichert sind. Die Bevölkerung muß sich die
MogI1c~k~1t schaffen können, auch unabhängig Von allen gesetz.11ch f1x1erten Institutionen neUe Modelle der Selbstverwaltung und demokratischer Politik zu verwirklichen. Erst damit
sind im Zusammenhang mit weiterer Bewußtseinsveränderung
d~rch Basisarbeit die GrundvoraussetzungenfUr eine mög11che Systemüberwindung geschaffen.
Die Ideologiefabriken wie Familie, SChule, Universität und
Betrieb funktionieren zwar nach wie vor, aber die Notw.endigkeiten der wissenschaftlich-technischen Revolution erfordern
ein höheres Bildungsniveau und bieten damit die Möglichkeit,
die objektive gesellsc·haftliche Lage zu erkennen; der Widerspruch zwischen Anspruch und Funktion der Massenmedien
bricht vielfach auf; Ansätze systemkritischer Information
werden sichtbar •.Selbst im Machtapparat des Staates· gib-t- es
(noch weitgehend latente) Widersprüche; progressive Juristen,
Polizisten und Soldaten lehnen die ihnen zugedachte Funktion
ab und erhöhen so das Risiko des Einsatzes staatlicher Machtmittel.
Diese eben aufgezeigten Tendenzen sind Möglichkeiten, die in
der Gegenwart erst in Ansätzen nachweisbar sin~. Ob diese
Möglichkeiten zur Wirklichkeit werden, hängt weitgehend von
der Strategie der systemkritischen Kräfte ab.
C.1.3 Zur Strategie systemüberwindender Reformen
Sollen die DJD angesichts. der gesellschaftlichen Zustände in
der BRD das Grundgesetz als Illusion, das Parlament als
Diener der herrschenden Klasse entlarven und den Kampf gegen
Familien, Kirchen, Schulen, Universität, Betrieb, Justiz,
Massenmedien, Polizei und Bundeswehr gleichzeitig führen?
Eine derartige Strategie ist für jede Organisation·angesichts des politischen Kräfteverhältnisses Irrsinn: für den
einzelnen bleibt die ·Wahl, den Kampf mit Waffengewalt zu
führen und damit zum Selbstmörder und Wegbereiter der Reaktion
(Baader-Meinhof-Gruppe) zu werden, oder als Antiautoritärer
den Hofnarren des Systems zu spielen. Unsere Einschätzung
der ökonomischen Verhältnisse macht deshalb eine Zusammenarbeit mit terroristischen Gruppen ("stadtguerillas") unmöglich.
Die Forderung der DJD nach einer Strategie syotemüberwindender Reformen bedeutet auch eine klare Abgrenzung ge3en
Katastrophenstrategieni. Die geschichtliche Erfahrung zeigt,
daß es keine direkte Beziehung zwischen Notlagen der Bevölkerung und grundsätzlicher Umwandlung der jeweiligen Gesellschaftsordnung gibt. Eine Kathastrophenstrategie ist daher nicht nur vom politischen Anspruch der Jungdemokraten
aus abzulehnen, sondern darüber hinaus auch politisch falsch,
weil sie eine Situation heraufbeschwören kann, in der die
verschleierte Diktatur des Kapitals (in Form der parlamentarischen Demokratie) zu einer offenen Diktatur des Kapitals
(in Form des Faschismus) wird·.
Die Jungdemokraten gehen davon aus, daß bei den gegebenen
Machtverhältnissen in der BRD keine revolutionäre Situation
vorhanden oder machbar ist. Theorien und Praktiken, die auf
eine Revolution i.S •. eines punktuellen gewaltsamen Umsturzes
hinauslaufen, widersprechen den Grundsätzen der DJD. Gewaltanwendung in d.er BRD schwächt die systemkritischen Kräfte,
isoliert sie von der Bevölkerung und stärkt das Rechtskartell,
Sie ist für die Jungdemokraten kein Mittel der Politik.
Hingegen scheint uns als realistische Möglichkeit praktikabel,
eine Strategie systemüberwindender Reformen zu verfolgen.
"
5.
Notwendigkeit der Basisarbeit
5.a. Erläuterung
Ein Vorspann, eine klare Begründung der Notwendigkeit der
~asis~rbeit und. ihr Hineinstellen in eine Strategie systemuberw1ndender Reformen fehlt im Leverkusener Manifest. Vor
den Teil C.3 gehört deshalb dieser hier abgedruckte Auszug
der diese Mängel beseitigt.
'
5.b. Auszug
"
C.2.
Arbeit an der Basis
C.2.1. Notwendigkeit der Basisarbeit
Der traditionelle \;eg zur Verwirklichung politischer Forderungen in bürgerlichen Demokratien ist der über Parteien und
Parlamente. Unsere Analyse und die geschichtliche Erfahrung
-42zeigen jedoch, daß eine Verteidigung der demokratischen Institutionen unSerer Gesellschaft und ihre progressive Entwicklung über die politisch immer schwächer werdenden Parteien und Parlamente allein nicht möglich ist, da diese im
günstigsten Falle die Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft
zwischen demokratisch-progressiven und reaktionär-konservativen Bewegungen widerspiegeln. Neben die Erhaltung bestehender Institutionen der repräsentativen Demokratie und die Arbeit mit und in diesem muß daher der Versuch treten, durch
Selbstorganisation der Bevölkerung Druck auszuüben mit dem
Ziel der Erhaltung und Fortentwicklung bestehender demokratischer Einrichtungen. Die Jungdemokraten müssen das Hauptschwergewicht ihrer Arbeit auf die Schaffung eines Bewüßt-'seins legen, daß eine grundlegende Veränderung dieser Gesellschaft notwendig ist, um ihren demokratischen Ansprüchen zu
entsprechen. Die Jungdemokraten müssen versuchen, in den verschiedensten Gruppen und Organisationen der Gesellschaft
selbst demokratische Initiativen in Gang zu setzen,oder'zu
unterstützen und Modelle emanzipatorischen und antiautoritären Verhaltens zu entwickeln und zu fördern, um so ein
systemkritisches Bewußtsein zu schaffen, denn systemüberwin~
dende Reformen lassen sich nur dann durchsetzen, wenn die Bevölkerungmehrheit von der Notwendigkeit überzeugt ist. Zusammengefaßt heißt das: Die Strategie der systemüberwindenden
Reformen hängt in der Luft! wenn nicht' dahinter mobilisierte', '
artikulierte und organisierte Bedürfnisse stehen;
Eben diesen Zielen dient die Basisarbeit der DJD.
6.
"
Notwendiskeit der Arbeit in den Institutionen
6.a. Erläuterung
Die Nichtigke,i t des hier wiedergegegebenen Abschnitts kann nur
ermessen, wer,:,die Geschichte der Grundsatzdiskussion unseres
Ver,bandes kennt.
Sie begann ja in einer Zeit, da der antiautoritäre Gedanke hoch
im Kurs stand, erstes Ergebnis dieser Diskussion war deshalb
auch das 1970 vom KV Bonn vorgelegte "Bonner Manifest", in der
die Idee vertreten wurde, daß Arbeit in Institutionen keinen
Sinn habe. Hier wird - im Zusammenhang mit unserer Strategie die Notwendigkeit solcher Arbeit, auch in Institutionen außerhalb der FDP, aufgezeigt.
Dieser Teil gehörte im Manifest vor den Teil C.2.4 (Ziele der
Zusammenarbeit mit der FDP) , womit gleichzeitig die in diesem
Abschnitt aufgestellten Ziele auf eine breitere Basis gestellt
werden:
es sind eben nicht nur Ziele, die bei der Arbeit in der F.D.P.
zu verfolgen sind, sondern bei der in und mit allen geeigneten
Institutionen.
6.b. Auszug
"C.3.Notwendigkeit der Arbeit in den Institutionen
Die in der BRD bestehenden Institutionen (Parlamente,
Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Bundeswehr usw.)
schränken die Freiheit ihrer Mitglieder vielfach ein
-43und unterstützen in ihrer Mehrzahl ein Gesellschaftssystem, das vorhandene Ungleichheiten erhält. Langfristiges Ziel der Jungdemokraten muß daher sein
einige dieser Institutionen überflüssig zu' mache~
(.~. B. Streitkräfte im Zuge einer allgemeinen Abr~stung). Dabei müssen sich die DJD vor Wunschdenken
huten: nur solche Institutionen sind abzuschaffen
die historisch überwunden sind, d.h., die keine sinnvolle Funktion für die Bevölkerungsmehrheit ausüben.
Instutionen insgesamt lassen sich auf der in der BRD
erreichten Gesellschaftsstufe nicht mehr abschaffen.
Z~ar ist die Erkenntnis richtig, daß Organisationen
dle E~tscheidungsfreiheit ihrer Mitglieder einsc.hränken konnen; ebenso richtig ist aber auch die ErkenntnlS, daß auf unserer Gesellschaftsstufe Organisationen
Voraussetzung und Instrument der Freiheit sind. Langfristiges Arbeitsziel der Jungdemokraten ist daher die
Demokratisierung aller nicht historisch überwundenen
Institutionen.
Die Mi'tarbei t in Institutionen entspricht aber nicht
nur dieser Zielvorstellung, sondern auch den praktischen Notwendigkeiten politisch~r Arbeit:
Ein Verzicht auf erreichbare Machtanteile hieße
militantreaktionären Bestrebungen das Feld zu überl~ssen,. wäre also Katastrophenstrategie; Mitwirkung
hlngegen kann die Arbeit des Verbandes (auch an der
Basis) rechtlich absic'hern und u.U. materiell unterstützen.
Für die praktische Arbeit hieße das:
PO~itische Rechte soll man wahrnehmen, Aufklärung
lelst~n, wo immer dies möglich ist. Sind Mitglieder
auch ln d~n Gewerks~haften, kirchlichen oder sonstigen
~ugendgruppen oder ln der FDP tätig, so sollten sie
Jedenfalls Zellen bilden mit dem Ziel der Demokratisierung jener Institutionen.
Abmachungen von Verband zu Verband können zur Durchführung konkreter Maßnahmen sinnvoll sein: Demonstratl,:,nen, gemeinsame Seminare, Wahlkampf, Doppelmi t- '
glledschaften erweitern, wenn ausgenutzt die Chancen
der Demokratisierung in der Gesellschaft:
"
111.
Erläuterungen
.
und
Begründungen
zum Manifest
_
_
.
1
-46-471.
Allgemeines
1.1. Erkenntnistheoretische Voraussetzungen und kritischer Rationalismus
Im folgenden sollen in Auseinandersetzung mit dem kritischen
Rationalismus zwei. erkenntnistheoretische Voraussetzungen
der Grundsatzbeschlüsse der Deutschen Jungdemokraten
entwickelt werden:
1) Notwendigkeit der Erkenntnis des gesellschaftlichen
Totalzusammenhangs bei
2) prinzipieller Unvollständigkeit dieser Erkenntnis
Die Diskussion der Jungdemokraten über den kritischen Rationalismus
als Theorie hat in der Vergangenheit unter einigen schwerwiegenden
Mißverständnissen gelitten. In durchaus idealistischer Maiiier
unterließ man es gleichzeitig darüber nachzudenken, welche
Bedeutung und Funktion ein philosophischer Ansatz überhaupt
für die Programmatik einer liberalen Jugendorganisation haben
kann und welche nicht. So wurden die Kontroversen z.T. mit
einer Härte und Entschiedenheit geführt, als gelte es eine
allgemein verbindliche Verbandsphilosophie zu installieren.
Ist erst einmal dieser viel zu hohe Anspruch ausgeräumt, wird
man unbefangen genuin liberale Grundgedanken, die der kR enthält
anerkennen können, ohne sich deswegen insgesamt mit ihm identifizieren zu müssen.
1) Den logischen Kern des kR bildet eine Metatheorie (e:ine Theorie
über Theorie also). Popper untersucht die Logik der Forschung
und gelangt dabe'i zum Prinzip von trial and error : Man kann nur
durch Versuch und Irrtum der Wahrheit näherkommen. Jede Theorie
ist um so besser je mehr empirischen Gehalt sie hat und sich im
Lauf der Zeit bewährt. Der marxistische Theorie-Praxis-Begriff
und das kritisch-rationalistische Prinzip von Versuch und Irrtum
besitzen dieselbe Stoßrichtung: gegen nicht falsifizierbare,
'metaphysische~ Aussagen oder anders ausgedrückt: Theorie habe
sich an der Praxis zu bewähren. Dem Prinzip von Versuch und Irrtum
entspricht politisch das Prinzip der Kritik. So wie jede Theorie
ist auch die Gesellschaft prinzipiell verbesserungsbedürftig.
Den Kritikern und abweichenden Minderheiten kommt daher eine
besondere politische Bedeutung zu: Sie sind Träger von politischen
Versuchen und 'Experimenten'. Das Lernen an deren Erfolg oder
Mißerfolg stellt ein wesentliches Element des gesellschaftlichen
Fortschritts dar. Der kR setzt an bei der Fehlbarkeit menschlicher
Erkenntnis und menschlichen Handeins. Flach drückt das so aus:
"Er (der Liberale) weiß, daß der Weg der Erkenntnis mit Irrtümern
gepflastert ist und die Wahrheit von heute den Irrtum von morgen
umschließt". Er glaubt nicht an letzte Wahrheiten und auch nicht
daran, daß die Gesellschaft einem konfliktfreien Endzustand
entgegengeht. Er lehnt daher jede Form von Dogmatismus ab.
Die praktische Kehrseite abgeschlossener Ideologien ist die
Repression, die praktische Seite des theoretischen Zweifels
Toleranz und Liberalität.
2) Popper schlägt als politische 'Methode' eine sog. Stückwerktechnik vor. Man solle nicht der Vorstellung einer idealen
Gesellschaft als Ganzem nachhängen, sondern stückweise Fehler
korrigieren (und neue begehen) und sich insgesamt so 'durchwursteln'. Er vernachlässigt den gesellschaftlichen Totalzusammenhang, den die Dialektik: in Nachfolge Hegels stark betont.
Popper hängt immer noch der uralt-liberalen These an, daß falls
die Individuen oder Institutionen konsequent ihre'Mikroziele
verfolgen (Stückwerk), quasi automatisch die gesellschaftlichen
M~kroziele (Gerechtigkeit, Lebensqualität o.ä.) verwirklicht
wurden. Die Berücksichtigung des gesamtgesellschaftlichen
Zusa~menha~gs ~st h~ute s~hwieriger und zugleich notwendiger
. als J~, wel1 slch dle sozlalen Beziehungen verdichten, komplizierel
und dle gesamte Gesellschaft 'sensibel' auf das Verhalten von
Teilbereichen reagiert. Der Wahlspruch des klassichen Wirtschaftsliberalismus "laissez faire, laissez aller" wird Von
P~pper in a?gewandelter Form wiederaufgenommen: er verteidigt
dle Autonomle der Subsysteme: Stückwerk gegen umfassende Gesamtkonzeption. Er vergißt dabei, daß (z.B.) manche Konzerne kein
Stückwerk mehr machen, sondern gesamtgesellschaftliche Strukturen
vorherbestimmen: Beschäftigungslage so gut wie Infrastruktur
oder Ausbildung.
'
3),Soll Politik nicht zum permanenten (und schließlich unwirksamen)
Krlsenmanagement verkommen, das die gesamtgesellschaftlichen
Kosten ;on St~ckwerksentscheidungen aufzufangen hat, ist notwendig
- dle Elnschrankung der Autonomie von Subsystemen (praktisch)
der Versuch den gesellschaftlichen Totalzusammenhang zu
erkennen (theoretisch).
SOll,Politik ni~ht Menschen der dogmatischen Vergewaltigung
ausllefern, ble1bt notwendig
- das Bewußtsein der prinzipiellen Fehlerhaftigkeit menschlicher
Erkenntnis, sowie Toleranz.
Dies alles zusammengenommen macht heute eine der Schwierigkeiten
liberaler Politik aus.
1.2. Sinn dieses Manifestes
Vorrangige Ziele bei der Erarbeitung dieses Manifestes waren:
1. Selbstdarstellung nach innen ("ideologische Vereinheitlichun
des Verbandes")
g
2. Lieferung eines Bezugsrahmens für die politische Arbeit _
"Anleitung zum Handeln".
Dagegen war das Ziel einer publikumswirksamen Selbstdarstellun
nach aussen deutlich nachgeordnet.
g
1.3. Terminologie
Bei der Frage, wie gesellschaftliche Sachverhalte in einem
Manifest auszudrücken sind, gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Man kann bei den verwendeten Begriffen vom üblichen Sprachgebr.auch ausgehen. Diese Methode hat den Nachteil, daß die verwendeten Begriffe oft schwammig, vieldeutig und unscharf sind:
z. B. ,Arbel tnehmer fiir Lohnabhängige, Ar.bei tgebep für Unternehmer .
2. D1e andere Methode besteht darin, entweder eigene Begriffe
zu schaffen oder fremde zu übernehmen, die vom üblichen Sprachgebrauch abweichen. Sie hat den Nachteil, daß die verwandten
Begr1ffe u.U. missverstanden werden können und daher genau
def1n1ert werden müssen. Eben diese Definiti9pen haben aber auch
den Vorteil, daß die verwandten Begriffe durch sie eindeutig sind'
nur aus derartigen Begriffen können exakte Folgerungen abgeleitet'
werden.
Diese Methode haben die Verfasser des Man;festes angewandt. Sie
haben dabeJ. 1m E1nzclfall ent~chieden, ob der übliche Sprachgebrauch genügend bestimmt und "neutral Tl ist, um sinnvoll verwendet
werden zu können.
-48War das der Fall haben sie den üblichen Sprachgebrauch übernommen war es nrcht der Fall, so wurden eigene Begriffsbe~
stimmu~gen gewählt. Da z.B. die üblichen Bezeichnungen der verschiedenen Formen gesellschaftlicher Abhängigkeit (Macht, Autorität, Herrschaft, Ausbeutung etc.) im üblichen Spra~hgebrauch
nicht eindeutig sind, mussten eigene Bezelchnungen mlt entsprechenden Begriffsbestimmungen (s.u.) gewählt werden.
2. Erläuterungen zum Teil A (Zielsetzung)
2.1. Begriffsbestimmung
Die vcrschiedenen Arten gesellschaftlicher Abhängigkeit sind wie
folgt definiert und bezeichnet:
. " . . ....
1. Abhängigkeit auf Grund der Tatsache, daß dlc.Uberlegenen
Gehorsam notfalls durch Zwangsmittel erwlrken konnen. Dlese Form
der Abhängigkeit muß nicht auf offener Drohung b~ruhen, sie ist
vielmehr in der Regel verinnerlicht. Wir haben dlese Form der
Abhängigkei t Macht genannt.
..
2. Abhängigkeit aufgrund der Tatsache, daß der Uber~egen!? über
die Fähigkeit verfügt, bestimmte Sachaufgaben zu melstern; dlese
Uberlegenheit wird von der Unterlegenen anerkannt. Es handelt slch
um freiwillige Unterwerfung. Diese Form der Abhängigkeit haben Wlr
Autorität genannt.
Die Autorität unterliegt einer Erfolgskontrolle: Sie geht verloren, wenn der Erfolg für längere Zeit ausbleibt.
.
3. Abhängigkeit durch ein gesellschaftliches Grundverhältnis, daß
auf der privaten Aneignung fremder Arbeitsleistung durch die
Verfügungsgewalt über die entscheidenen Wirtschaftsmittel beruht.
Nicht zu trennen von diesem Grundverhältnis ist die Sicherung
durch außerökonomische (politische, militärische, rechtliche etc.)
Maßnahmen. Wir haben diese Form der Abhängigkeit Herrschaft genannt.
Legitimation ist der Prozeß, in dem die Normen der Machtausübting
anerkannt werden.
Demokratisch legitimierte Macht wird ausgeübt auf Grund der
wesentlichen demokratischen Normen der Delegation, Kontrolle und
Rücknehmbarkeit der Macht. Kontrolle ist der Nachvollzug von
Entscheidungen, d.h., Prozesse, die zu der Entscheidung geführt
haben und ihre Zusammenhänge werden erkannt, mit den akzeptierten
Normen verglichen und ggf. diesen Normen angeglichen.
.
Demokratische Kontrolle funktioniert, wenn sie von den durch dle
Entscheidung Betroffenen effektiv ausgeübt wird.
Delegation heißt Machtausübung aufgrund der persönlichen Auswahl
und des Auftrages der davon Betroffenen, der den ausschließlichen
Rahmen der Machtausübung angibt.
3. Begründung zum Teil B (Analyse)
3.1; Zu Teil
B.1~
Historische und Gegenwartsanalyse des Liberalismus
3.1.1. Begriffserklärung
Bürgertum (im engeren Sinne) ~ Eigentümer von Produk~ions~itteln,
die ihren Lebensunterhalt aus dem Besitz von Produktlonsmltteln
bestreiten
Besitzbürgertum ~ Bürgertum im engeren Sinne
.
Bildungsbürgertum ~ Gruppe mit dem Besitzbürgertum :erglelchbarem
Lebensstandard, die ihren Unterhai t aber auf Grund lhres Ihssens
(Bildungsstand) und nicht durch Kapitaleinsatz bestrelten
. -49- .
Kleinbürgertum ~ Gruppe mit d~m Proletariat vergleichbarem Lebensstandard, aber ideologischer Ubereinstimmung mit dem bedeutenderen
Teil des Besitzbürgertums. Kleinbürger können auch (Klein-) Eigen~
tümer an Produktionsmitteln sein.
Mittelstand ~ Sammelbezeichnung für eine'breite Gruppe' von
Personen und Unternehmen der gesellschaftlichen Mitte, die meist
nicht quantitativ abgegrenzt wird.
.
Zum Mittelstand zählen sich in der Regel selbständige Inhaber
kleiner und mittlerer Unternehmen in Handwerk, Industrie, Handel,
Hotel- und Gaststättengewerbe, Verkehr!'gewerbe und sonstigen .Gewerben, die selbständig Tätigen in der Landwirtschaft sowie freiberuflich Tätige (medizinische, rechts- und steuerberatende Berufe etc.) Man spricht dann vom" selbständigen Mittelstand" •.....
Zu den "Mittelschichten" zählt man häufig noch Atigesteiit;;~Facharbeiter und Beamte mit mittlerem Einkommen.
.
Proletariat ~ Lohnabhängige, d.i. die Klasse, die kein Eigentum
an Produktionsmitteln hat und auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft
angewiesen ist. Sie unterscheidet sich. vom Bildungsbürgertum vor
allem durch Lebensstandard und -Stil.
3.1.2. Liberale Forderungen und ihre materielle Grundlage
Globale Gegenüberstellung von Feudalismus und Kapitalismus
Feudalismus
~!E~!!!~::!!!~::
Herkunft
Leibeigenschaft
Stände
Kleinstaaten
Kirche als
Ordnungsfaktor
Willkür des Adels
Leistung
Freier Arbeitsmarkt
Gewerbefreiheit
großer Absatzmarkt
Calvinismus
Glaubens- und Meinungsfreiheit
Rechtsstaat
Erläuterung dazu
Die Weiterentwicklung der Produktionskräfte machte die Uberwindung
des Feudalismus als Gesellschaftssystem notwendig. Das hatte folgende Gründe:
(1) Im Feudalismus entschied die Herkunft, nicht die Leistung, über
die gesellschaftliche Stellung des Einzelnen. Im Frühkapitalismus
entwickelte sich daher der Adel zunehmend zu einer parasitären
Schicht; er behinderte die wirtschaftliche Weiterentwicklung.
(2) Der Feudalismus beruhte auf Leibeigenschaft; der Aufbau einer
Industrie hingegen erforderte einen freien Arbeitsmarkt. Unter den
Bedingungen des Frühkapitalismus verlor so die Bevölkerungsmehrheit
die bescheidene soziale Sicherheit, die ihr die Leibeigenschaft geboten hatte, und gewann die theoretische Freiheit, einen Arbeitsplatz zu wählen, den ihnen die Unternehmer boten, oder zu verhungern.
(3) Kennzeichen des Feudalismus ist eine Wirtschaft, die auf Ständen
beruht, demgegenüber fordert das Profitinteresse die Gewerbefreiheit,
d.h., jeder (i.e. jeder Bürger) muß die Möglichkeit haben i das Gewerbe auszuüben, das seiner Auffassung nach am meisten Gewinn abwirft.
(4) Feudalismus in Deutschland hiess eine Vielzahl von Kleinstaaten,
die durch Zollschranken voneinander getrennt waren; die Vergrößerung
der Produktionseinheiten und die Vielzahl der .,j:iroduzierten Güter verlangten einen größeren Absatzmarkt. Der Liber~lismus forderte die
Aufhebung bestehender Handelsschranken und die nationale Einigung.
-50-
(5) Die willkürliche Rechtspraxis im Feudalstaat, in dem das geltende
Recht ständig durchbrochen werden konnte durch das Eingreifen des jeweiligen Feudalherren, der als oberster Gerichtsherr nach eigenem Gutdünken urteilte, stand im Widerspruch zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung, die die Berechenbarkeit staatlichen Handeins erforderte. Da
der Staat noch nicht der Staat des Bürgertums war, forderte der Liberalismus den Rechtsstaat:
Die Regierung sollte verpflichtet werden, im Verkehr mit den Untertanen generellen und öffentlich bekannten NormeIl_ zll}'ol_g"-ll_' ßie von den
Gerichten nach bekannten Verfahrensregeln angewandt werden. Das Recht
wurde schnell nicht nur zum Schutz der Bürger vor dem Staat, sondern
auch zu Niederhaltung der Arbeiterschaft eingesetzt.
(6) Die politische Willkür der feudalen Herrscher mußte ebenfalls zur
besseren Berechenbarkeit staatlichen Handeins abgebaut werden; das
Bürgertum setzte dem Feudalismus die Forderung nach bUrgerli-ch-er--Denfo":'
kratie und parlamentarischer Kontrolle der Regierung entgegen.
~hließlich waren die Feudalherren und die Kirchen eng miteinander verflochten (Bündnis von Thron und Altar): Einerseits war_ die
Kirche aufgrund ihres Landbesitzes der größte Feudalherr, andererseits
wurde die Religion bewußt als Ordnungsfaktor eingesetzt. Außerdem behinderte die Orientierung auf das Jenseits die wirtschaftliche Entwicklung. Das Bürgertum mußte also den Feudalherrn Kirche bekämpfen;
zusätzlich mußte die christliche Lehre umformuliert (Calvinismus) oder
gänzlich in Frage gestellt werden. So erklärt sich h~storisch_die
frühliberale Forderung nach Glaubens- und Meinurigsfreiheit, die vielfach auch mit Antiklerikalismus verbunden war.
3.1.3. Perspektive des Mittelstandes im Spätkapitalismus
Die Bedeutung der kleineren Produktionsmittelbesitzer sinkt in erschreckenem Maße. Die Mehrheit aller Industriebetriebe in der BRD
sind kleine Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten. Daran hat sich in
den letzten 10 Jahren nichts geändert, wenngleich zweifellos ein ab'solutes Wachstum der Betriebsgrößen zu beobachten war, das sich in
dem Ansteigen des durchschnittlichen Umsatzes anzeigt. Der Umsatz
dieser Betriebe beträgt zusammen etwa 1/9 des Umsatzes der zahlenmäßigen geringeren Großbetriebe mit über 1000 Beschäftigten,_ in denen
8mal mehr Arbeiter beschäftigt sind.
Nicht alle kleinen Betriebe und Unternehmen sind selbständig. Diejenigen,
die selbständig sind, finden sich- in vielen Fällen in einem Interaktionssystem, das durch die Größenstruktur schon so vorgeformt ist, daß sich
die kleinen Betriebe der erdrückenden Ubermacht der Konzerne gegenüber
sehen, gegen deren ökonomisches Gewicht weder unternehmerische Initiative nocht unternehmerischer Wettbewerb etwas vermag.
Die technologische Entwicklung stellt heute an einen Betrieb höchste
Anforderungen:
1. Je komplizierter sich der Produktionsablauf gestaltet, um so weiter
reicht die Anwendung von Spezialwissen zeitlich zurück und um so l,änger
wird die Zeitspanne zwischen Einleitung und Vollendung einer Aufgabe.
_2. Abgesehen von dem erhöhten Kapitalbedarf auf grund des vermeh'rten
Ausstoßes wird auch im Produktionsprozeß selbs_t mehr -Kapital-festgelegt.
3. Je komplizierter die Technik wird, desto mehr Zeit und Geld werden
von einer ganz bestimmten Aufgabe gebunden.
4. Die Technologie erfordert Spezialisten
5. Noch mehr als in Maschinen manifestiert sich die-fortgeschrittene
Technologie in gewaltigen und komplexen Verwaltungsorganisationen.
6. Unter den Bedingungen fortgeschrittener Technologie entsteht die
Notwendigkeit der Planung.
-51Spätestens hier erkennen wir, daß die marktbeherrschende Macht, ?ie
die absolute oder relative Größe den Kapitalgesellschaften verle1ht,
die Basis nicht nur für wirtschaftliche, sondern auch für beträchtliche politische und soziale Macht darstellt.
Wie groß der Einfluß der starken w~rtscha~tlichen Korizerne in der spätkapi talistischen Gesells-chaft 1St, ze1gen neben der verheerenden
pofitischen Einf'luBnahme _u_.a_o< das äußerst zahm ausgefallene Gesetz
gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der BRD aus ?e,? Jahre 1~57 (Neu-:fassung 1966) und der vergebliche Versuch von M1n1ster Sch11ler, d1e
Preisbindung der zweiten Hand, die viele Produkte natürlich verteuert,
aufzuheben.
Die wirtschaftliche Macht der 200.000 ganz Reichen und bestimmt die
der 700.000 Vermögensinhaber ist hundertprozentig. Sie wäre kaum größer,
wenn ihnen das investierte Kapital ganz gehörte. Im Gegenteil: dann
würden sie die Unterstützung ,der Kleinaktionäre verU_erell,c:lie_ c;lallll
wohl ihre politischen Gegner wären. Diese "Mini-Besitzer" sind in
Wahrheit die eifrigsten Befürworter der gegenwärtigen wirtschaftlichen
Machtverhältnisse. In ihrer eigenen kleinen Welt fühlen sie sich alle
als Gewinner und gewiß haben sie auch einen kleinen Prof~ t: _
-" ,
Die absolute Zahl der Selbständigen und mithelfenden Fam111enangehor1gen
ist von 1950 - 1970 von 6 413 000_ auf 4 742 000 zurückgegangen, ibr
Anteil an der Erwerbsbevölkerung sank von 31,5 auf 17,4 '10.
3.1.4. Wissenscliaftlich- technische Intelli enz und S stemüberwindun
Mit dem berwachsen des Monopolkapitalismus in c;lenStaatsmonopolkapitalismus entsteht eine neue Ge~ellscha~tsschi,:,ht, die"
wissenschaftlich-technische Intell1genz. S1e entw1ckelt s1ch aus
Teilen des Bürgertums und Teilen des Proletariats: -Ein immer g~ößerer Teil der ehemaligen "Bildungsbürger" hat keine
Möglichkeit mehr, selbständig zu_ arbeiten, dieser T~il gerät,also
in die Situation, seine Arbeitskraft verkaufen zu mussen; se1ne
objektive Lage nähert sich der deS' Proletariats.
Das Gleiche trifft zu für Techniker-, Ingenieure, Mathematiker etc:
Sie werden "Mitarbeiter" in riesigen Forschungsabteilungen der
Großindustrie. Andererseits rückt ein Teil der Arbeiter und Angestellten besonders in stark automatisierten Bereichen, zu höherer
Qualifik~tion auf. Obwohl sie Lohnabhängige bleiben, verändert sich
ihre Stellung im Produktionsprozeß. Ein Teil der höher qualifizierten Arbeiter wird in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen
tätig, in denen sich bei gemeinsamer Abhängigkeit die Grenzen
zwischen Ingenieuren, Technikern und qualifizierten Arbeitern verwischen. Aber auch innerhalb des Produktionsprozesses selbst verändert sich in den fortschrittlichsten Wirtschaftsbereichen die
Stellung der Arbeiter: Aus unmittelbaren Produzenten werden sie zu
Uberwachern der automatischen Fertißungsanlagen. Mit der anderen
Stellung im Produktionsprozeß verändert sich auch ihre Einstellung,
wächst ihr Sinn für Initiative und Verantwortung. Sie haben im
allgemeinen sichere Arbeitsplätze; diese materielle Sicherheit
zeigt daß sie sich tendenziell dem Bürgertum nähern. Auf Grund der
materIellen Sicherheit sind sie aber auch eher als die Lohnabh~ngigen in der Lage, die systembedin~ten Schr~n~ell der wir~schaft lichen Entwicklung und das utop1sche Def1z1t (Produkt10n
an Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei) zu erkennen.
Die Weiterentwicklung der Produktivkräfte erfordert höhere
Qualifikation der Lohnabhängigen: für die ~apit~leig~er bringt ?a~l
jedoch die Gefahr mit sich, dass- grössere UbersJpht 1n Systemkr1t1.f.
umschlägt, z.B. in der Erkenntnis, daß die Betriebe ebensogut
oder besser von den verschiedenen Gruppen der Lohnabhängigen geführt werden können als von den Statthaltern des Großkapitals.
Da den Kapitaleignern die Erhaltung ihrer Macht no,:,h,w~chti~er ist
als die Kostensenkung durch Steigerung der Produkt1v1tat, w1rd
auf die Aufhebung extremer Formen der Arbeitsteilung verzichtet.
-52-
Die Überwachung dieser Arbeiter wird ebenfalls Teilen der wissenschaftlich-technischen Intelligenz übertragen. Während die vorher
beschriebenen Gruppen aus ihrer objektiven Interessenlage heraus
für die emanzipatorische Bewegung in Frage kommen.,. trifft das für
diese Gruppe nur bedingt zu; Systemkritik heißt für sie Kritik an
den eigenen aktuellen Interessen zugunsten ihrer langfristigen
Interessen. Die Forderung nach Systemüberwindung ist dem Teil der
wissenschaftlich-technischen Intelligenz, der zur Überwachung
anderer Lohnabhängiger eingesetzt wird, daher n\lr schwel" zu.yer,"".,
mitteln. Aus dieser Analyse ergibt sich, daß zwar nicht alle
Gruppen der wissenschaftlich-technischen Intelligenz unterschiedslos für systemüberwindende Politik ansprechbar sind, daß sie sich
aber in ihrer Gesamtheit als Träger einer liberalen Bewegung eignet,
die ihrersei ts Teil der Emanzipationsbewegung der Bevölkerungsmehrheit sein muss.
3.2.
'Begründung zu Teil
B.5.
3.2.1. Anmerkungen zur Situation des Parlamentarismus in der BRD
Das Parlament ist verfassungmäßig - nach dem Prinzip der Gewaltenteilung - das höchste Staatsorgan. Es stellt inder Theorie
den Weg der normalen institutionalisierten und friedlichen Transformation der Gesellschaft unter den Bedingungen der Parteidemokratie durch Gesetzgebung dar. Aber in der Parlamentswirklichkeit
wurde dieser Anspruch nicht eingelöst. Der Schwerpunkt der Ge~
setzesinitiative lag schon immer bei der Exekutive und dem Parlament wurde nur ein beratendes Einspruchsrecht zugewiesen. Die zunehmende Staatstätigkeit zur Aufrechtserhaltung des kapitalistischen
Systems hat diese Situation Rur verschärft und verdeutlicht. Auch
heute geht die Gesetzesinitiative hauptsächlich von der Regierung
aus,die'3/4 aller Gesetzesvorlagen in Übereinstimmung mit der Mehrheit
der Regierungsparteien einbringt. Das korrigiert auch d,fs Bild
eines. geschlossenen Plenums, das der Regierung gegenübersteht,
denn in Wirklichkeit ist eine vertikale Gewaltenteilung 'eingetreten:
die Linie verläuft zwischen Regierung und Regierungspartei(en)
einerseits und der (den) Oppositionspartei (en) andererseits. Die
Machtanhäufung bei der Regierung ist nicht bloß als eine Machtve~­
lagerung vom Parlament her zu verstehen, sondern aus der Notwendigkeit des Regierungsprozesses selbst.
Die Regierung und die ihr zugehörige Ministerialbürokratie sind
auf Grund der besseren Informationen, durch den direkten Zugang
der Verbands- und Interessengruppen, durch den technischen Apparat
(Formulierungshilfen z.B.), gegenüber dem Abgeordneten bei der Gesetzesinitiative im Vorteil. Aber nicht dieser mehr formale Vorteil ist wichtig. Die sozioökonomischen Machtverhältnisse erzwingen
die Umkehrung des verfassungsmäßig vorgesehenen Weges. Regierung
und staatliche Bürokratie sind Koordinations- und Planungsteile
zur Steuerung des krisenanfälligen Monopolkapita1:l.smus. 'Der' AntE'il
der Staatsausgaben am Sozialprodukt stieg seit 1913 von 15 % bis
1960 auf 40 %. Die Gesamtzahl der im öffentlichen Dienst Beschäftigten beträgt bereits 12% der Erwerbspersonen (in England 20%)
Die Militär- und Sozial ausgaben betragen ca. 50% des Haushalts. Der
Staat wurde selbst zum größten Auftraggeber für die (Privat)
Wirtschaft und Umverteiler von Massenkaufl<raft. Die Regierung
steuert unter Ausschaltung des Parlaments die Konjunktur (Stabilitätsgesetz) reguliert die Gesamtnachfrage und ist, zur Erhaltung
der Massenloyalität, gezwungen, eine Vollbeschäftigungspolitik zu
betreiben, die unter Beibehaltung der prinzipiellen privaten An-
-53-
eignung eine ständige Inflation mit sich bringt, die wiederum
durch staatliche Lohnpolitik ("konzertierte Aktion") ausgeglichen
werden muß. Die Gelder für den Rüstungshaushalt und die Sozialversicherung dienen als Krisendämpfer, um ein zu starkes Absinken
der Konsumgüterausgaben zu verhindern. Hierbei ist nur zu deutlich
geworden, daß die Hauptinteressen an der Erhaltung des auf Profit
ausgerichteten Systems sich direkt an die Schalthebel der Macht.
wenden, ohne den müheseligen Weg über das Parlament zu nehmen. D1e
Verbände, die im Gegensatz zu den Parteien im Grundlesetz nicht
als am Willensbildungsprozeß Beteiligte vorgesehen sind, haben sich
praktisch als Mittler zwischen Regierung und Gesellschaft (Sprich:
Parlament) etabliert. Die Verbände beziehen ihre Legitimation aus
der Berechtigung der von ihnen vertretenen Interessen - formell
aus dem Grund~esetz bzw. aus der Lehre von"de:r:~,erb,andsPol~ t~schen.
Gesellschaft (in der BRD gibt es nur 5% organ1s1erte Parte1m1tglieder gegenüber 40% organisierten Verbandsmitgliedern).
Die Frage ist also: Wie kann ein gerechtes Gemeinwohl erreicht
werden bei einer autonomen Repräsentation von Interessen, die zwar
formal die gleichen Rechte haben, durch die ökonomische Ungleichheit
aber benachteiligt sind?
Die moderne staatliche WirtschaftslenkungimKapitalismus setzt
entgegen der liberalen Vorstellung von Staat und Gesellschaft voraus,
daß der jeweiligen Regierung immer mehr Instrumente zum direkten und
indirekten Eingriff in den Wirtschaftskreislauf zur Verfügung stehen.
Die Regierung wird zu'; .ineutralen Instrument", das den kapi talistischen Wirtschaftskreislauf in Gang halten muß. Auf die
Regierung jedoch - so will es die Ideologic,- kannjede Gruppe
einen gleich starken Druck ausüben. Das Gesetz der kapitalistischen Wirtschaft zwingt jedoch die Regierung zum Verlassen der Neutralität und zur Bevorzugung der am Profit
Interessierten.
Gesetzesinitiative geht also nicht allein von der Regierung
aus, sondern auch durch den direkten Druck der Verbände, die
der Ministerialbürokratie bei der Abfassung von Gesetzesentwürfen ihre Fachkenntnisse zur
Verfügung stellen, schon
im Hinblick darauf, daß die Anwendung dieser Gesetze durch
eben diese gleichen Verbände geschieht. Die gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien sieht den direkten
Zugang der Vertreter der auf Bundesebene organisierten
Interessengruppen vor. Gesetzesentwürfe werden zuerst den
Verbandsspitzen zugeschickt, um deren Meinung einzuholen.
Eine besondere Verflechtung ergibt sich dann, wenn industriefreundliche Minister die gewerbliche Wirtschaft bevorzugen,
denn die Entscheidung, welche Gruppen herangezogen werden
sollen, liegt allein beim Minister.
Im Verlauf von zehn Jahren wurden 83% der offiziellen
Stellungnahmen des BDI unmittelbar den Regierungsstellen
überreicht.
Nach Angaben von G.Braunthal: "The Federation of German
Industry in Politics", Ithaca 1965, ist der Kontakt zwischen
",Wirtschaftsministerium und BDI so eng, daß fast täglich
Gespräche staatfinden. Besonders in der Amtszeit Adenauers
konnten die Verbände durch direkten Zugang zum Kanzler seine
Industriefreundlichkeit ausnutzen, da er als Schiedsrichter bei
Streitigkeiten zwischen den Ministerien entscheidet. Interessant
ist, daß nach der gemeinsamen GO 1. Allgemeiner .J':eil, Sachverständige nur dann herangezogen werden dürfen, ,,'wenn nach strengen
Maßstäben anzuerkennen ist, daß Arbeiten von verwaltungseigenen
Kräften nicht geleistet werden können •.. und völlige Unabhängigkeit
(besteht) gegenüber den von der Entscheidung berührten Kreisen."
(Der Sachverstand der Interessenvertreter ist natürlich auch
völlig "unabhängig".) Wir können also feststellen, daß die
-54-55entscheidenden Schritte bei der Gesetzgebung ohne das
Parlament getan werden. Denn: kommt ein Gesetz in den Bundestag auf Initiative der Regierung, so muß es zwar von
der Fraktion eingebracht worden sein ( während Regierungsvorlagen zunächst vom Bundesrat beraten werden müssen und
nach drei Wochen' dem Bundestag weitergereicht werden können)
was wieder auf die enge Verzahnung von Fraktion und Regierung
hinweist, es wird aber ohne Aussprache des Plenums an die
Bundestagsausschüsse verwiesen, wo wiederum die Sachverständigen der Fraktionen, die parlamentarischenSi'lilit'sse'::kretäre und die Ministerialbürokratie zusammentreffen und
der Mehrheitsmeinung zum Durchbruch verhelfen. So entsteht im Ausschuß eine "Ubereinstimmung der Sachverstände"
die selbst den oppositionellen Abgeordneten mit dem Sachverstand der Ministerialbürokratie wetteifern läßt. Die--zweiteLesung bzw. Debatte im Parlament erfüllt dann Doppelfunktion
die weit entfernt ist von der verfassungsmäßigen vorgesehenen
Kontrollaufgabe: einerseits nämlich die Fiktion öffentlicher
Willensbildung dauernd zu erzeugen und doch andererseits
das
verselbständigte Geschehen im exekutiven Bereich gegen
öffentlich artikulierte Ansprüche abzuschirmen und zu verteidigen. Der "Sachzwang" der kapitalistischen Wirtschaft wie
der objektive Konformitätsdruck, der auf allen Parteien
lastet, lässt sie Rücksicht nehmen auf die Wählerschaft,
deren sozialstrukturelle Zusammensetzung sich überschneidet
und deren Erwartungs - und Anspruchsstrukturen nahezu identisch sind. Die ökonomische Stabilität wird zur Uberlebensfrage des Systems und damit zum wichtigsten Aktionsfeld
des Staates, in dem das Parlament eingeschlossen ist und
nur noch Legitimationsaufgaben erfüllt. Die immer nötiger
werdende langfristige Planung aller Bereiche nimmt'dem
Parlament jeglichen Einfluß im wirtschafts- und finanzpolitischen Bereich, die Entscheidungsprozesse auf die politische
Grundintention der Vorlagen überprüfen zu können. Das Parlament
bzw. richtiger die Oppositionspartei(en) haben keine Informationen
über rechnerisch geprüfte Alternativen zur Verfügung. Allein dies
aber ermöglicht ihnen politische Kontrolle.
Diese wenigen Hinweise machen deutlich, daß die wirtschaftspolitischen Forderungen der Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände nicht unvermittelt im Bundestag behandelt werden
können, da sie für ihre Partikular interessen die öffentliche
Meinung nicht für sich mobilisieren können. Nichtöffentlichkeit der Verhandlungsstrategie wird so zur funktionalen
Erfolgsvoraussetzung. Die Nichtöffentlichkeit kommt zum
Ausdruck in der Uberdurchschnittlich großen Anzahl von Abgeordneten, die prinzipiell die Interessen des Kapitals vertreten (bzw. die Verteidigung des Privateigentums) : siehe
die Haltung der FDP zur Kartellgesetznovelle entgegen ihren
Aussagen in der Nürnberger Wahlplattform. Die Parteien übernehmen die Mediatisierung dieser ,Partikular interessen unter
dem Mantel des Gemeinwohls.
Einwirkung von verschiedenen Interessengruppen am Beispiel
des Bundesleistungsgesetzes:
Dieses Gesetz wurde zum ersten Mal als Referentenentwurf des
Bundesministeriums des Inneren 1952 eingebracht. Ziel des
Gesetzes war es, die Regierung in Notfällen zur Aufforderung
von Dienstleistungen zu ermächtigen. "Die Geschichte des
Bundesleistungsgesetzes zeigt, welche Anstrengungen auf
ministerieller wie auf parlamentarischer Ebene des Gesetzgebungsprozeßes unternommen werden, eine Reihe von Privatinteressen gegen das Gesetz zu schützen". Im Referentenentwurf waren bereits die Kirchen sowie öffentliche Körperschaften von dem Gesetz ausgenommen worden.
(Die folgenden Zitate sind aus: G. Löwenberg, Parlamentarismus im politischen System der BRD, Tübingen 1969 S.305ff)
"Die wirtschaftlichen Interessengruppen, die ,in dieser Phase
nicht vom Innenministerium konsultiert worden waren, zeigten
sich nicht nur wegen der in dem Entwurf enthaltenen Bedrohung
des Privateigentums besorgt, sondern auch darüber, daß die
Anwendung des Gesetzes beim Innenministerium liegen wUrde, zu
-sie keine so guten Kontakte wie zum Wirtschilft'siniilis't-"ri::':um hatten. Diese Einwände wurden innerhalb der Regierung vo~
Wirtschaftsministerium vorgebracht, und der Umfang des Entwurfs auf seine Initiative hin stark eingeschränkt, bis
schließlich die gewerbliche Wirtschaft, mit Ausnahme der
Ernährungsindustrie, von der Anwendung des Gesetzes ausgenommen war. Es kam zu einem neuen Entwurf, der diese Unterneherfaßte, und das Wirtschaftsministerium wurde mit der
Durchführung des Gesetzes beauftragt. Beide Vorlagen wurden
dem Kabinett erst vorgelegt, als die Ratifizierung der
Verträge von London und Paris der Bundesrepublik eine
eigeneVerteidigungspolitik gestatteten. Erst dann erschien
die Einführung einer solchen Notmaßnahme, die angesichts
ihrer Vorgängerin in weiten Kreisen ab Abnei-gung----sti-eß-;---gerechtfertigt. Der Innenpolitische Ausschuß des Deutschen
Bundestages der von einem Abgeordneten der Opposition geleitet wurde, war nicht konsultiert worden. Das geschah
erst nach der Überweisung der Vorlage an den Bundestag
im Oktober 1955.
Bei den Bundestagsdebatten zeigte sich, daß die großen
Interessengruppen bereit waren, das Gesetz zu akzeptieren.
Dagegen fanden kleinere Gruppen ihre Forderungen - vertreten
von der Opposition und den Länderregierungen - nicht berücksichtigt" .
Erster Durchgang im Bundesrat 1955:
Der Bundesrat empfahl 86 Abänderungen für die 16 Seiten lange
und 88§§ umfassende Vorlage. " Der Bundesrat wollte mit ihnen
die im Gesetz vorgesehenen Vollmachten der Regierung einschränken und die Eigentumsrechte von Individuen undkommunalen Verbänden schützen"
Erste Beratung im Bundestag
"Die Vorlage hatte zu diesem Zeitpunkt schon eine beträchtliche Kritik durch die Presse erfahren, vor allem in den
Blättern, die Unternehmerkreisen nahestanden und in dem ge~
Gesetz einen ausreichenden Schutz des Rechts auf Elgenvermißten"
CDU und FDP begrüßten die Notwendigkeit der Vorlage, nahmen
aber in Detailfragen "eine vorsichtige Haltung ein, um sich
in Einzelheiten nicht festzulegen und genügend Spie,lraUln für
die Ausschußverhandlungen zu lassen ... Der FDP-Spre~her
erklärte, seine Partei könne der Mehrzahl der ... Bestimmungen nicht zustimmen. Die Kritik der SPD war sehr vlel
allgemeiner .•. Die SPD war in die Situation gebracht worden,
in vorderster Linie im Kampf um das Eigentum zu stehen."
-57-
-564.
Das Ausschußverfahren
"Im allgemeinen bemühten sich die Interessengruppen, ihre
Mitglieder dadurch zu schützen, daß sie die Befugnisse der Regierung auf Dienstleistungen ihrer Mitglieder einzuschränken
oder womöglich zu verhindern suchten und in anderen Fällen
auf eine angemessene Entschädigung drängten. Die detaillierten
Forderungen der kleineren Gruppen hatten weniger Erfolg als
die allgemeineren der großen Bundesverbände. Dem Deutschen
Hotel- und Gaststättenverband etwa gelang es nicht, Hotels von
der Wirkung des Gesetzes auszunehmen, obwohl der Bundesrat
diese Forderung unterstützt und die Regierung versehentlich
die Formulierung des Bundesrates akzeptiert hatte. Trotzdem
überwog nun die Auffassung der Regierung, daß ,!tU:P];ldas.
Recht zur Beschlagnahme von Hotels der Zugriff auf private
Wohnung vermieden werden könne. Andererseits nahme der Ausschuß die Forderung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie
auf Einschluß einer Klausel an, in der Eigentum, das zur Weiterführung eines Betriebes unentbehrlich ist, von der Beschlagnahme ausgenommen werden soll."
Zweite und dritte Lesung im Bundestag
"Die zweite und dritte Beratung der Bundesleistungsvorlage
erfolgte an einem Tage, knapp einen Monat nach der letzten
Ausschußberatung über das Gesetz •••• Eine Reihe von CDU/CSUAbgeordneten, die dem Bauernverband nahestanden, stellten
gemeinsam mit der FDP den Antrag, der eine leichte Yerbesserung der Vorschrift zur Entschädigung vorsah, wann landwirtschaftliche Nutzflächen für Regierungszwecke bereitgestellt
und dadurch indirekte Verluste entstehen würden; ohne Aussprache wurde der Antrag angenommen ••••
Die zweite und dritte Beratung dieser komplizierten und umfangreichen Vorlage dauerte insgesamt weniger als eine Stunde;
die Ausschußphase hatte fünf Monate in Anspruch genommen."
Zweiter Durchgang Bundesrat - Verkündigung des Gesetzes
Es gab keine Debatte, und das Gesetz wurde am 19. Oktober
verkündet, sechzehneinhalb Monate nach seiner ersten Einbringung
und fast vier Jahre nach Abschluß des ersten Referentenentwurfs.
Das Verhältnis der Hinzuziehung von Vertretern der gewerblichen
Wirtschaft und Gewerkschaften beträgt 10:1! I!!!
Literaturliste
~~~!:~!~=!s
Bracher/Jacobsen
Bibliographie zur Politik in Theorie und
Praxis.
Droste Verlag. (zu beziehen über die Bundeszenrale für politische Bildung, 53 Bonn, Berliner Freiheit 7)
Literaturlisten
Bei: Bundeszentrale für politische Bildung (s.o.)
und Landeszentrale für politische Bildung, 4 Düsseldorf, Neanderstr.6
Ruggiero, Guido
Geschichte des Liberalismus in Europa, 1964
Wolff, Robert P.
Das Elens des Liberalismus
Edition Suhrkamp 352
Freund, Michael(Hrsg.) Der Liberalismus in ausgewählten Texten,
Koehler Verlag, 1965
Kühnl, Reinhard
Formen bürgerlicher Herrschaft, Liberalismus Faschismus
rororo aktuell, 1342/43
Opi tz, Reinhard
Liberalismuskritik und Zukunft des liberalen
Motivs, in: Blätter für deutsche und internationale
Politik, 1972, Hefte 1-3 (Kritik der Freiburger
Thesen der F.D.P. und krit. Würdigung der DJDBeschlußlage)
Pahl-Rugenstein-Verlag, Köln, Vorgebirgsstr.115
Neuhöffer /Opi tz
Sozialliberale oder demokratische Politik
in: Blätter für .••. (s.o.) 12/1972
Opitz, Reinhard
Der deutsche Sozialliberalismus 1917-1933
Pahl-Rugenstein-V., 1973
Flach, Karl-Herrmann
Noch eine Chance für die Liberalen, Eine Streitschrift.
S.Fischer Verlag, 1971
Maihofer, Werner
Demokratie im Sozialismus
Dahrendorf, Ralf
Die neue Freiheit
Piper Verlag, 1975
F.D.P.
Freiburger Thesen (über Landes- bzw. Bundesgeschäftsstelle der F.D.P.)
als Buch (mit ergänzenden Kommentaren) erschienen
bei rororo aktuell.
Werner
Grundfragen der Wirtschaftsgesellschaft
1969, rororo-aktuell 1149
Grosser, Dieter(Hrsg.) Konzentration ohne Kontrolle
1970, Westdeutscher Verlag
Schiller, Theo
Eigentum in Wirtschaft und~Gesellschaft
in: 'liberal' 11/1968
Mandel, Ernest
Einführung in die marxistische Wirtschaftstheorie
Verlag Neue Kritik
-58-
-59-
Mandel, Ernest
Marxistische Wirtschaftstheorie (2 Bde.)
Edition Suhrkamp 595/596
~~~:!!.~J~!::!
Masuch, Michael
Politische Ökonomie der Ausbildung
rororo-Sachbuch 6813
Runge, Erika
Frauen - Versuche zur Emanzipation
Edition Suhrkamp
Menschik, Jutta
Gleichberechtigung oder Emanzipation
Fischer TaBu 6507
Jung, Deppe u.a.
Vergleich der Gesellschaftssysteme BRD-DDR
Pahl-Rugenstein-Verlag, 13
.
Vilmar, Fritz
Rüstung und Abrüstung im Kapitalismus
Krippendorff, Ekkehardt
(Hrsg. )
Probleme der internationalen Beziehungen
Edition Suhrkamp 593
Greiffenhagen (Hrsg.)
Der neue Konservatismus der siebzieger Jahre
rororo-aktuell 1822
Kühnl, Reinhard (Hrsg.)
Geschichte und Ideologie
rororo-aktuell 1656
!:~!.!!~!.~ß!~
Neumann (Hrsg.)
Politische Theorien und Ideologien
Signal Verlag 1974
Linksradikalismus = Rechtsradikalismus, eine falsche
Gleichung
Urban Taschenbücher 819
Kühnl, Reinhard(Hrsg.) Der bürgerliche Staat der Gegenwart
rororo-aktuell 1536
Grebing, Helga
rororo
.-;;!---_.__ .__ ....
Rolff, Hans-G.
Gottschaleh, Wilfried
Gottschaleh, Wilfried
Sozialisation und Auslese durch die Schule
Verlag Quelle und Meyer
Sozialisationsforschung
Fischer TaBu 6503
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung.
Politische Sozialisation
Fischer TaBu 1311
Hartmann,K./ Nyssen,F. Schule und St*at im 18. und 19. Jahrhundert
Waldeyer, H.
Edition Suhrkamp 694
Anmerkung:
Agnoli, Johannes
Transformation der Demokratie
Steffani (Hrsg.)
Parlamentarismus ohne Transparenz
Westdeutscher Verlag, Reihe Kritik
Huffschmid , Jörg
Die Politik des Kapitals, Konzentration und Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik
Edition Suhrkamp 313
Jaeggi, Urs
Macht und Herrschaft in der Bundesrepublik
Fischer TaBu 1014
Rausch, H. (Hrsg.)
Theorie der Repräsentation
Darmstadt,1968
Bermbach, Udo
Theorie und Praxis der direkten D'emokratie
Urban TaBu,1973
Dittberner, Ebbinghau- Parteiensystem in der Legitimationskrise
sen
Westdeutscher Verlag, 1973
Abendroth, Wolfgang
Sozialgeschichte der deutschen Arbeiterbemegung
Edition Suhrkamp 106
Hofmann, Werner
Ideengeschichte der sozialen Bewegung des 19. und
20. Jahrhunderts
Verlag de Gruyter 1968 (Sammlung Göschen 1205/1205a)
Ebert, Theodor
Gewaltfreier Aufstand, Al ternati vezum- Bürgerkri'eg"
Fischer TaBu 1123
Bussiek, Hendrik
Veränderung der Gesellschaft, Sechs konkrete Utopien
Fischer TaBu 1092
Bussiek, Hendrik(Hrsg.)Wege zur veränderten Gesellschaft - Politische Strategien.
Fischer TaBu 1205
Vilmar, Fritz
Strategien der Demokratisierung (2 Bde.)
Luchterhand Verlag, 1973
'Obige Literaturliste enthält eine kurze,unv~llständig~ und ergänzbare
Zusammenstellung von Büchern (meist Taschenbuchern), d1e zu ~en Gru~dsatz­
beschlüssen der DJD grundlegende und weiterführende Informat10nen l1efern.
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