Grundprinzipien des Liberalismus aind:

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Jürgen Dittberner:
Rechtsextremismus – liberale Antworten
1. Die Rechten
Versuche der Rechten, sich im Parteiensystem zu etablieren, bleiben der Berliner Republik
nicht erspart. Zwischen fünf und 15 % der Wähler in unserem Lande haben ein
rechtsextremes Weltbild, sagen die Wahlforscher. Zwar waren die Wahlerfolge der Rechten in
der Bundesrepublik im internationalen Vergleich bescheiden: In den Jahren 1990 bis 1993
erzielten sie hier im Schnitt 2,4 %, dagegen in Belgien 6,6 %, in Dänemark 8,3 %, in
Frankreich 12,4 % und in Italien 14,1 %.
Mit seiner nationalsozialistischen Hypothek ist Deutschland für die Rechten schwierig. Seit
den Erfolgen der DVU in Brandenburg (6,1%) und der NPD in Sachsen (9,2%) am 19.
September 2004 setzen die rechten Parteien auf einen Parteienverbund mit dem sie ihren lang
gehegten Wunsch nach Einzug in den Bundestag aktuell erfüllen wollen. Bisher ist ihnen das
nicht gelungen.
Was wollen die Rechten eigentlich? Ihre „Programmatik“ lässt sich in sechs Komplexen
zusammenfassen. Rechte Parteien und Gruppierungen behaupten:
a. Die Verbrechen der Nationalsozialisten würden benutzt, Deutschland international in
Schach zu halten und das deutsche Volk als Paria der Weltgemeinschaft abzustempeln.
Dabei würden die Nazi-Verbrechen übertrieben, andere Völker hätten Vergleichbares getan,
und nach über 50 Jahren müsse Schluss sein mit der Vergangenheitsbewältigung.
b. Es würde zu viele Ausländer in Deutschland geben, und diese seinen überwiegend
Parasiten des Wohlfahrtsstaates. Deutschland könne nicht die Probleme der restlichen Welt
lösen. Man habe keine Vorurteile gegen Ausländer, aber diese sollten wie die Deutschen in
der jeweiligen Heimat leben und diese lieben. Der Zorn der Rechten geht gegen die Ideologie
der "multikulturellen Gesellschaft" und gegen die Globalisierung
c. Mehr und mehr dringt das Thema einer "europäischen Integration" ins Zentrum der
neonationalen Argumentation. Wurden früher die Ziele von Maastricht und deren angeblich
mangelnde Legitimation bei der deutschen Bevölkerung durch die hier unterbliebene
Volksabstimmung ins Visier genommen, so ist es jetzt die EU-Erweiterung (Türkei). Noch
immer werden Vorurteile gegen den € geschürt. Der € werde niemals so stabil sein wie die
DM. Ein weiteres Argument gegen Europa ist, dass die Entscheidungsprozesse in Brüssel
unüberschaubar, bürokratisch und nicht kontrollierbar seien.
d. Klassisches Thema der Rechten ist das Schüren von Furcht vor Kriminalität. Dem Staat
wird vorgeworfen, gegenüber der Kriminalität - besonders von Ausländern und "Terroristen"
1
- zu lasch zu sein. Unter dem Einfluss der Grünen, der SPD und den liberalen Flügeln von
Union und FDP lasse sich der Staat von der organisierten Kriminalität an der Nase
herumführen. Gangsterbanden aus Osteuropa, kriminalisierte Jugendliche aus Nahost und
terroristische Vereinigungen könnten in Deutschland schalten und walten, wie sie wollen,
weil der Staat insbesondere der Polizei
die rechtlichen Handhaben und technischen
Möglichkeiten verweigere, mit Nachdruck gegen sie vorzugehen. Die Furcht vieler Bürger
vor Kriminalität und Verbrechen wird verknüpft mit einer grundsätzlichen Kritik am liberalen
Rechtsstaat.
Seit einiger Zeit stellen sich die Rechten selber als Opfer der Terrorbekämpfung in
Deutschland dar und interpretieren das als Beispiel für einen einseitigen Rechtsstaat.
e. Ambivalent ist das Verhältnis der Rechten zum Sozialstaat. Den eigenen Anhängern
möchte man soziale Sicherheit gewähren, nicht aber denen, die man als Feindbild braucht. Da
ist die Rede von Faulenzern, Schmarotzern, Wirtschaftsasylanten, Kriminellen. Denen sollen
soziale Leistungen entzogen werden. Eine Perversion des Sozialstaates wird diagnostiziert.
Seit Verabschiedung der „Agenda 2010“ wurden der Sozialabbau und die Arbeitslosigkeit
zum Thema der Rechten, die sich hier mit den Linksparteien trafen.
f. Ein spezielles Thema ist die Kritik an der „Political Correctness" wie sie in den USA
entstanden ist: Für Deutschland haben die Rechten ein linkes Meinungskartell ausgemacht,
das Form und Sprache angepasster Politik in der Bundesrepublik vorschreibe. Der Zwang zu
politischer Korrektheit führe zu einer Verschleierung sozialer Missstände, löse Negatives in
schwammiges Wohlgefallen auf. Zum Diktat politischer Korrektheit gehöre auch der
"Auschwitz-Hammer", der stets zuschlage, wenn jemand in den Verdacht gerate, sich
rassistisch, nationalistisch oder judenfeindlich geäußert zu haben, was allerdings Rechten
weitaus häufiger passiert als anderen. – In diesem Zusammenhang ist die Äußerung eines
sächsischen
NPD-Politikers
zu
sehen,
die
alliierte
Bombardierung Dresdens
sei
„Bombenholocaust“ gewesen.
Für derartige Thesen sind, wie gesagt, bis zu 15 % der Deutschen empfänglich. Das Potential
ist da. Die DVU, die „Republikaner“ und besonders die NPD haben darüber hinaus immer
wieder
Organisationsvermögen
an
den
Tag
gelegt.
Der
letzte
Versuch,
darauf
parlamentarische Verankerung zu errichten, sollte über eine Parteienfusion gehen.
Einst wurde versucht, die FDP als etablierte Partei –– zu entern.
Es ist den Rechten bisher nicht gelungen, sich im politischen System auf allen Ebenen zu
etablieren. Nach dem Nationalsozialismus ist in Deutschland die Hemmschwelle vor extrem
nationalen und rechten Politikfeldern groß. Es hat sich bisher auch kein „großer
2
Kommunikation“ und auch kein Organisator gefunden, der die Rechten wirklich sammeln
könnte. Wenn auch besonders der NPD in Sachsen eine gewisse gesellschaftliche
Verankerung in einigen Bevölkerungskreisen besonders im unteren Mittelstand gelungen ist:
Das Innenleben der meisten rechten Gruppierungen ist von geistiger Armseligkeit und
Zerstrittenheit beherrscht, was selbst Sympathisanten fern hält.
Aber in Österreich, auch mit dem Nationalsozialismus belastet, hatte es ein Populist – wenn
auch offensichtlich nur vorübergehend - geschafft. Die etablierten Parteien in Deutschland
müssen also nicht nur mit Blick nach links, sondern auch nach rechts auf der Hut sein. Die
Parteienidentifikation ist gesunken, die Bereitschaft zur Wechsel- und Nichtwahl groß, das
ohnehin nie große Vertrauen in die etablierten Parteien gesunken. Da kann nicht
ausgeschlossen werden, dass das gesamte Parteiengefüge nicht nur von links, sondern auch
von rechts oder von beiden Seiten gar destabilisiert wird.
2. Liberalismus
Grundprinzipien des Liberalismus sind:
a. Die Freiheit wird als Ausdruck der Moderne in jeder Gesellschaftsform gesehen. Freiheit
ist zunächst die Freiheit von religiöser, traditionaler oder dynastischer Bevormundung.
Freiheit gehört dem Individuum und ist entweder um ihrer selbst oder eines spezifischen
gesellschaftlichen Zieles wegen legitimiert – beispielsweise dem wirtschaftlichen Wachstum.
Freiheit, gebunden an ein bestimmtes Ziel, wird „Verantwortungsfreiheit“ genannt.
b. Das Recht ist das Medium des Liberalismus. Mehr als andere Prinzipien verbindet das
Recht die unterschiedlichen Spielarten dieser Weltsicht. Recht ist die nach allgemein
anerkannten Regeln zustande gekommene legitime Ordnung. Sie muss für alle gleichermaßen
gelten, lässt keine Ausnahmen zu und muss umgesetzt werden. Nach dem Recht müssen sich
die öffentlichen Akteure richten und selbst ein über allen stehender Leviathan. Verliert dieser
die Bindung an das Recht, so hat er das Reich des Liberalismus verlassen. Die Geschichte
zeigt Beispiele, wie schnell das geschehen kann.1
c. Die Verfassung ist der Garant des Rechtes. Ihre Gültigkeit steht über dem Anspruch jedes
Menschen und jeder Institution, selbst über der Regierung. Die Verfassung ist das Skelett der
liberalen Gesellschaft.
d. Das Parlament ist der Ort der öffentlichen Beratung über politische Angelegenheiten und
besonders über die allgemeine Ordnung. Seine Methode ist der politische Diskurs, in dessen
Verlauf das einsichtigste Argument Gemeingut wird. Das Parlament repräsentiert die liberale
Gesellschaft, entspricht ihr aber in den sozialstatistischen Proportionen nicht unbedingt.
1
In Deutschland war das der Übergang von der Weimarer Republik zum nationalsozialistischen Regime.
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e. Der Markt regelt das Angebot, die Nachfrage und die effektive Verteilung der materiellen
Ressourcen, der Güter und der Dienstleistungen. Viele Liberale wissen, dass der absolut freie
Markt zu sozialen Ungerechtigkeiten und damit zu Destabilisierungen führen kann. Deswegen
ist auch eine Steuerung des Marktes erlaubt. Planwirtschaften sind nicht liberal. Der Streit
geht darüber, wie der Markt reguliert werden darf: durch Rahmensetzungen, Kartell- oder
Monopolverbote oder gar begrenzte ökonomische Aktivitäten des Staates (Eigenbetriebe).
Hier verwickelt sich der Liberalismus in Widersprüche, denn es bleibt offen, was die Kriterien
sind, nach denen die Eingriffe in die freie Wirtschaft erfolgen dürfen.
f. Gerechtigkeit gehört als ein weiteres Element zum Kanon des Liberalismus. Umstritten ist,
ob Gerechtigkeit sich nur auf Chancen beziehen oder bei der Verteilung materieller und
sozialer Ressourcen vom Staat durchgesetzt werden soll. Das Spektrum diverser liberaler
Gerechtigkeitsbegriffe von der Chancen- bis zur Verteilungsgerechtigkeit ist groß.
Freiheit, Recht, Verfassung, Parlament, Markt und Gerechtigkeit gehören zum Liberalismus.
Wer sich dazu bekennt, kann „Liberaler“ genannt werden. Parteien oder andere Institutionen,
welche diese Ziele vertreten, gehören zur „liberalen Familie“. Über die Auslegung dieser
Ziele wird in dieser Familie heftig und bitter gestritten.
Das war schon unter den Gründervätern so. Zwar ist liberales Denken älter als der Begriff,
jedoch wird vielfach der englische Philosoph John Locke (1632 – 1704) als Begründer des
Liberalismus bezeichnet. Es gäbe ein vorstaatliches Recht auf Eigentum, und der Staat habe
das Eigentum zu schützen. Er habe sich an eine Verfassungsordnung zu halten, und das Volk
habe ein Widerstandsrecht, falls er dem nicht entspreche. Auch dürfe der Staat nicht über
Leben und Tod entscheiden. Locke wandte sich mit seiner Auffassung einer dem Staate
überordneten Volkssouveränität gegen seinen Landsmann Thomas Hobbes (1588 – 1679), der
von einem Naturzustand des individuellen Egoismus mit einem Kampf aller gegen alle
ausging. Dieser Kampf könne nur durch eine Staatsgründung überwunden werden. Den Friede
schaffe der „Leviathan“ und zwar als absoluter Souverän, als Überperson.
3. Brandenburg
Brandenburg weist – wie alle ostdeutschen Länder – ein überdurchschnittliches Potential an
Rechtsextremismus auf. Die DVU ist zum zweiten Mal im Landtag vertreten. Immer wieder
kommt es zu gewaltsamen Übergriffen meist Jugendlicher besonders gegen Ausländer. Aber
es gibt auch die Initiative „Das tolerante Brandenburg“. Das offizielle Brandenburg wehrt sich
gegen den Ruf, ein rechtsextremes Land zu sein.
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Rechtsextremismus gibt es auch im Westen der Republik: Die „Republikaner“ gab es über
zwei Legislaturperioden hinweg im Landtag des südwestdeutschen „Musterländles“, und in
Orten wie Siegen öder Mölln hatte es rechtsextreme Vorfälle gegeben.
Die Ausländerfeindlichkeit in Brandenburg ist jedoch überdurchschnittlich hoch, aber auch
rückläufig: 1999 hatten 34% der brandenburgischen Schüler ausländerfeindliche Ansichten;
2005 waren es noch 28%. In diesem Zeitraum ist der Anteil der ausländerfreundlichen
Schüler von 33,2% auf 38,6% gestiegen.
In der Wissenschaft gibt es einen Streit darüber, ob der ostdeutsche Rechtsextremismus eine
Folge der autoritären DDR ist oder mit der Systemtransformation der deutschen
Wiedervereinigung zusammenhängt.
Entgegen der antifaschistischen Ideologie des DDR-Regimes gab es – gewissermaßen als
Ventil
gegen
ideologischen
Dauerdruck
und
Schizophrenie
des
DDR-Lebens
-
Rechtsradikalismus unter DDR-Jugendlichen. In Berlin traten rechte Skinhead-Gruppen auf,
und sogenannte Fußballfans skandierten Nazi-Parolen. Die Parteiführer war hiergegen
konzeptlos.
Nach der Wende empfanden sich viele ostdeutsche Jugendliche als „Bürger 2. Klasse“, weil
sie im ärmeren Teil Deutschlands wohnen und die Arbeitslosigkeit bei ihnen höher ist als im
Westen. Auch daraus erwuchs Rechtsradikalismus, besonders unter Jugendlichen in der
Peripherie Brandenburgs.
Zusammenblickend lässt sich sagen, dass der ostdeutsche Rechtsextremismus eine Folge der
autoritären DDR ist und zugleich mit der Systemtransformation der deutschen
Wiedervereinigung zusammenhängt.
Liberale Antworten hierauf liegen in der Verwirklichung der Prinzipien des Liberalismus
selber. Eine große Rolle spielt hierbei – wie man an den Einstellungsveränderungen der
Schüler sehen kann – die Bildung – im engeren Sinne: die politische Bildung. Wenn die
Bedeutung der Freiheit und des rechts richtig vermittelt werden, so wirkt das gegen Vorurteile
anderen gegenüber. Das Parlament sollte sakrosankt sein, und wer gegen dieses Prinzip
verstößt – wer etwa unbequeme Abgeordnete „umdrehen“ oder sie auswechseln will stabilisiert rechtradikale Gesinnungen.
Eine besonders große Herausforderung besteht für die Marktwirtschaft. Sie muss auch vom
Staat her so ausgerichtet sein, dass soziale Gefälle innerhalb der Republik abgebaut und
soziale Gerechtigkeit tatsächlich geschaffen wird.
Das alles kann nur mittelfristig funktionieren. Es kommt darauf an, mit Ruhe und Augenmaß
eine stringente liberale Politik zu praktizieren.
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Das ist der beste Weg, dem Rechtsradikalismus den Boden zu entziehen.
14.3.08
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