Glossar Pflege Obhut und Fürsorge, sorgende Behandlung, Aufsicht und Sorge für den Lebensunterhalt (mit und ohne Entgelt), Sorge für Sauberkeit und Gesunderhaltung bzw. Instandhaltung nach Wahrig – deutsches Wörterbuch 1991 Der Pflegebegriff Der Begriff Pflege wird in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. In der Regel ist damit die Gesundheits- und Krankenpflege oder die Altenpflege gemeint, daneben gibt es die Kinder-GuKP und die Heilerziehungspflege. Pflege (1) umfasst die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung, allein oder in Kooperation mit anderen Berufsangehörigen, von Menschen aller Altersgruppen, von Familien oder Lebensgemeinschaften, sowie von Gruppen und sozialen Gemeinschaften, ob krank oder gesund, in allen Lebenssituationen (Settings). Pflege schließt die Förderung der Gesundheit, Verhütung von Krankheiten und die Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen ein. Weitere Schlüsselaufgaben der Pflege sind Wahrnehmung der Interessen und Bedürfnisse (Advocacy), Förderung einer sicheren Umgebung, Forschung, Mitwirkung in der Gestaltung der Gesundheitspolitik sowie im Management des Gesundheitswesens und in der Bildung. [1] nach Wikipedia Juni 2014 Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sagt zu Pflege: Der gesellschaftliche Auftrag der Pflege ist es, dem einzelnen Menschen, der Familie und ganzen Gruppen dabei zu helfen, ihr physisches, psychisches und soziales Potential zu bestimmen und zu verwirklichen, und zwar in dem für die Arbeit anspruchsvollen Kontext ihrer Lebens und Arbeitsumwelt. Deshalb müssen die Pflegenden Funktionen aufbauen und erfüllen, welche die Gesundheit fördern, erhalten und Krankheit verhindern. Zur Pflege gehört auch die Planung und Betreuung bei Krankheit und während der Rehabilitation, und sie umfasst zudem die physischen, psychischen und sozialen Aspekte des Lebens in ihrer Auswirkung auf Gesundheit, Krankheit, Behinderung und Sterben. Pflegende gewährleisten, dass der einzelne und die Familie, seine Freunde, die soziale Bezugsgruppe und die Gemeinschaft gegebenenfalls in alle Aspekte der Gesundheitsversorgung einbezogen werden, und unterstützen damit Selbstvertrauen und Selbstbestimmung. Pflegende arbeiten auch partnerschaftlich mit Angehörigen anderer, an der Erbringung gesundheitlicher und ähnlicher Dienstleistungen beteiligten Gruppen zusammen. (WHO, 1993, S. 15) Reproduktionsarbeit Engels Zitat: „Nach der materialistischen Auffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte: die Produktion und Reproduktion des unmittelbaren Lebens. Diese ist aber selbst wieder doppelter Art. Einerseits die Erzeugung von Lebensmitteln, von Gegenständen der Nahrung, Kleidung, Wohnung und den dazu erforderlichen Werkzeugen; andrerseits die Erzeugung von Menschen selbst, die Fortpflanzung der Gattung. Die gesellschaftlichen Einrichtungen, unter denen die Menschen einer bestimmten Geschichtsepoche und eines bestimmten Landes leben, werden bedingt durch beide Arten der Produktion: durch die Entwicklungsstufe einerseits der Arbeit, andrerseits der Familie“ (MEW 21: 27f). 1 Positionspapier des AK Care Frankfurt zur Care Revolution Aktionskonferenz in Berlin vom 14.-16.3.2014 Care – what is the matter? Was bedeutet es von ‚Care‘ statt von Reproduktionsarbeiten zu sprechen? Mit der Verschiebung vom Begriff Reproduktion zum Begriff Care ändern sich zum einen die Tätigkeiten, die in der Debatte eine Rolle spielen, zum anderen vollzieht sich ein Perspektivenwechsel in der Bewertung bestimmter Tätigkeiten. Reproduktionsarbeit umfasst Arbeiten, die im häuslichen Kontext und vor allem von Frauen* verrichtet werden. Die mit diesem Begriff verbundenen radikalen politischen Forderungen stellen sich wie folgt dar: Tätigkeiten, die als Reproduktionsarbeiten ausgezeichnet werden können, müssen als (gleichwertige) Form von Arbeit begriffen und als solche gesellschaftlich anerkannt werden (nicht mehr nur entlohnte Arbeit, darf als ‚produktive‘ Arbeit begriffen werden – Stichwort: „Lohn für Hausarbeit“). Aus dieser Perspektive ist die Einsicht zentral, dass die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Produktionsweise von der von Frauen* im Privaten verrichteten (unentlohnten) Arbeit abhängig ist, da sie der Reproduktion der Arbeitskraft (d.h. vor allem von männlichen* Erwerbstätigen) dienen. Mit der Bezeichnung von Tätigkeiten wie Kochen, Putzen, Waschen, Kinder versorgen, Sex etc. als Reproduktionsarbeiten soll somit der Status dieser Tätigkeiten als Arbeit und ihre gesellschaftliche Rolle im Produktionsprozess sichtbar gemacht werden. Seit den 1980ern wird die Debatte um Reproduktionsarbeit sukzessive abgelöst von einer Debatte über Care-Arbeit... ...“Die Unterscheidung kann also nicht die zwischen Produktion und Reproduktion sein, sondern die zwischen Leben und Lebensmitteln und entsprechend sollte man statt von ‚Reproduktion‘ vielleicht von lebenserhaltenden und -entwickelnden Tätigkeiten sprechen“ (Haug 2001: 771). Zentrale These von Frigga Haug ist, dass Geschlechterverhältnisse als Produktionsverhältnisse zu verstehen sind, die sich über die „Arbeitsteilung bei der Produktion von Leben und Lebensmitteln“ (Haug 1996: 128) herstellen Frigga Haug gibt zu bedenken, der Standpunkt der "Care-Ökonomie" sei "nicht der einer befreiten Gesellschaft, in der alle nach ihren Fähigkeiten füreinander tätig sind, sondern der Standpunkt einer innerkapitalistischen Reformpolitik". Kritisch setzt sie sich mit dem "Care"-Begriff auseinander, ihres Erachtens "ein Schmelztiegel ganz unterschiedlicher Bedeutungen." Sie schlägt vor, lieber vom "Füreinandersorgen" zu sprechen und für die "sozialen Garantien des Lebens" und eine andere Zeitverteilung zu streiten. Im Fokus von Frigga Haugs Vier-in-einem-Perspektive steht die Utopie einer gerechten Verteilung von Erwerbsarbeit, Familienarbeit, Gemeinwesensarbeit und Entwicklungschancen. Sie entwickelt einen Kompass, der die vier Bereiche auf einen Zusammenhang orientiert und in dieser Bündelung zugleich "realpolitisch" und emanzipatorisch-gesellschaftsverändernd ist. 2 Carearbeit aus DEPARTMENT VOLKSWIRTSCHAFT Institut für Institutionelle und Heterodoxe Ökonomie MAG.DR. KATHARINA MADE Care beschreibt (1) spezifische Aktivitäten und Tätigkeiten wie z.B. Windeln wechseln, Zuhören, etc. und (2) auch spezielle Gefühle, wie Sorge, Zuneigung von Seiten der/des Care-Leistenden Care-Arbeit ist Arbeiten von Angesicht zu Angesicht um die Fähigkeiten der EmpfängerInnen entwickeln Care Arbeit im engeren Sinn: unbezahlte und bezahlte Arbeit mit und für vier abhängige Personengruppen (1) Kinder (2) Menschen, wenn sie zeitweise krank sind (3) pflegebedürftige oder auf sonstige Hilfe angewiesene alte Menschen (4)Menschen mit längeren oder dauerhaften physischen und psychischen Beeinträchtigungen Care-Arbeit wird unterteilt in direkte und unterstützende Care-Arbeit vor: direkte CareArbeit ist jene mit und an anderen Menschen, unterstützende Care-Arbeit wird für Personen gemacht, wie z.B. alle Hausarbeit … Zeitintensive Care Arbeit hat Eigenheit, dass sie sich durch technische Innovationen oder effizientere Gestaltung nicht so rationalisieren lässt, wie in Güterproduktion möglich Aus Prof. Dr. Helma Lutz 2007 Professorin für Frauen- und Geschlechterforschung am Fachbereich Gesellschaftswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt. Was ist Care-Arbeit? Als Care-Arbeit gilt die gesamte Breite von Sorge- und Pflegetätigkeiten im Lebenszyklus von der Kindheit bis zum Alter. Sie wird nach wie vor im Privathaushalt und im Wesentlichen von Frauen ausgeübt, selbst dann, wenn diese in Vollzeit berufstätig sind. Eine adäquate Übersetzung von »Care« lässt sich im Deutschen nur schwer finden, denn »Sorge« ruft die Assoziation der Fürsorge hervor und ist zudem mit der Konnotation der »Caritas« (»Nächstenliebe«) belastet. Zum Verständnis von Care-Arbeit sind zwei Aspekte wichtig: Versorgung und Betreuung sowie Emotionsarbeit. Analytisch betrachtet muss »Care« als »entgrenzte Arbeit« definiert werden, bei der das Engagement der Versorgenden den Bedürfnissen der Sorgeempfänger angepasst werden muss. 3 Aus Gunda-Werner-Institut Das Gunda-Werner-Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung (GWI) bündelt geschlechterpolitische Themen und entwickelt die Auseinandersetzung um Feminismus und Geschlechterdemokratie weiter. Begriffe & Dimensionen von „Care“ Care oder auch Reproduktion meint allgemein jene Sphäre der Arbeit und der Ökonomie, die dem Bereich der klassischen „Produktion“ entgegensteht. Während sich Studien zu „Arbeit“ meist in scheinbar geschlechtsneutraler Weise auf die Produktion von materiellen und immateriellen Gütern im unmittelbaren Zusammenhang mit monetärer Entlohnung bezieht (und beides – Erwerb und Arbeit – damit gleichsetzt), gilt Reproduktion dann als Rest- oder zumindest Gegenkategorie von versorgenden Tätigkeiten, die überwiegend im Privathaushalt stattfinden1. Diese Trennung in Produktions- und Reproduktionssphäre und die Wahrnehmung der Haushalte als Orte des Konsums jener Produkte, die in „der Wirtschaft“ produziert werden2 , ist ein zentraler Kritikpunkt feministische-alternativer Ökonomie – doch „Care“ weist darüber hinaus. Reproduktion / Care bezeichnen in der sozialwissenschaftlichen und feministischen Debatte einerseits bestimmte Tätigkeiten und Arbeitsbereiche, die eng an Pflege und Versorgung gekoppelt sind. Andererseits wächst seit einigen Jahren auch in den Wirtschaftswissenschaften eine Debatte zur Care-Ökonomie, die nach dem Wert der reproduktiven Arbeit und der (Un-) Logik der Trennung von Ökonomie in produktiv und reproduktiv fragt. ...Ein Hauptproblem dieser geschlechterspezifischen Aufteilung – und der Sichtbarmachung der Care-Arbeit als frauenspezifischer „Branche“ – sind die Konsequenzen, die sich aus einem Paradoxon der deutschen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ergeben: Sozialsysteme und Arbeitsmarktpolitik sind einerseits klar auf Erwerbsarbeit als Grundlage der Wohlfahrt ausgerichtet, zugleich fördern und verlangen Familien-, Bildungs- und nicht zuletzt Steuerpolitik aber gezielt unbezahlte Sorgearbeit, ohne diese Arbeit entsprechend „anzuerkennen“. Um eine gute Qualität im Pflege-, Gesundsheits- und Bildungssektor zu erreichen, bedarf es daher einer leistungsgerechten Bezahlung, wovon die meisten Arbeitsverträge in diesen Bereichen – so überhaupt vorhanden – weit entfernt sind. Die gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Kosten dieser Mißachtung bestimmter Arbeiten – denn Geld drückt auch Wertschätzung aus – lassen sich in Debatten über Pflegenotstand, Integrations- und Bildungsversäumnisse nur erahnen. Die privaten Kosten dieser Schieflage tragen Frauen, die überwiegend in diesen Bereichen arbeiten und bei gleich hoher physischer Arbeitsbelastung – und vermutlich einer höherer psychischen Belastung! – deutlich weniger verdienen als viele Arbeiter. So erhält beispielsweise ein Arbeiter in der Druckindustrie (West) für einfache Tätigkeiten, die ohne Vorkenntnisse ausgeführt werden können, bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden eine tarifliche Grundvergütung in Höhe von 1.967€ (brutto), eine gelernte Altenpflegehelferin für 39 Stunden pro Woche aber nur höchstens geringfügig mehr: zwischen 1.762 und 2.311€. Angesichts der für den letzteren Beruf notwendigen einjährigen Ausbildung und der zusätzlichen psycho-sozialen Belastung ist dies dramatisch wenig. Ein Facharbeiter mit abgeschlossener 1 2 4 Berufsausbildung kann in der Druckindustrie (West) dann auch bereits mit mindestens 2.336€ rechnen.3 Die Geringschätzung des Care-Bereiches macht daher einen wesentlichen Teil des geschlechtsspezifischen Lohnunterschiedes von ca. 27% aus. Eine plausible Erklärung, warum beispielsweise die Betreuung und Pflege von alten Menschen oder Sprachförderung bei Kleinkindern in einer Wissensgesellschaft indes dramatisch weniger wertvoll ist als das Zusammenschrauben von Autoteilen oder Bedienen von Druckmaschinen, lässt sich wohl kaum finden. 3 5 Literatur und Quellen WIR FRAUEN - Verein zur Förderung von Frauenpublizistik e.V. Rochusstraße 43 40479 Düsseldorf - Interview mit Historikerin Tove Soiland Gabriele Winker: "Soziale Reproduktion in der Krise - Care Revolution als Perspektive" Frigga Haug: "Das Care-Syndrom. Ohne Geschichte hat die Frauenbewegung keine Perspektive" beide aus: Das Argument 292/Hamburg 2011, S. 333-364. Care Revolution als Perspektive. In: Das Argument: Care -eine feminstische Kritik der politischen Ökonomie? Nr. 292, S. 333-344 Frigga Haug (Hg.) Historisch-kritisches Wörterbuch des Feminismus Argument Sonderband 311 · 19,90€[D] · ISBN978-3-86754-311-8 Haug, Frigga 2001: Zur Theorie der Geschlechterverhältnisse. In: Das Argument, Nr. 243, S. 761-787 Cancian, F.M. & Oliker, S.J., 2000. Caring and gender, Walnut Creek,Calif. [u.a.]: AltaMira Press [u.a.]. Gisela Notz (ohne Jahr): Arbeit, Arbeit, Arbeit. Der traditionelle Arbeitsbegriff und die Notwendigkeit seiner Veränderung aus alternativ-ökonomischer Sicht, auf Himmelweit, S., 2005. ‘Can we afford (not) to care: prospects and policy’, GeNet working paper 2005-11 Jochimsen, M., 2003. Careful economics: integrating caring activities and economic science, Boston [u.a.]: Kluwer Acad. Publ. Jochimsen, M.A., Kesting, S. & Knobloch, U., 2004. Lebensweltökonomie 1. Aufl., Usp-Publishing. Madörin, M., 2004. Wirtschafts- und Sozialpolitik: Überholte Denkmuster und neue Perspektiven, auf http://www.frauenakademie.de/dokument/wirtschaften/img/madoerin.pdf Madörin, M., 2006. Plädoyer für eine eigenständige Theorie der Care-Ökonomie. In: Niechoj T., Tullney M. (Hrsg.): Geschlechterverhältnisse in der Ökonomie. Marburg. Madörin, M., Neoliberalismus und die Reorganisation der Care-Ökonomie (PDF). Razavi, S., 2007. The political and Social Economy of Care: Conceptual Issues, Research Questions and Policy Options (PDF). Barbara Stiegler»Zur Care-Arbeit in Deutschland«, in: Friedrich Ebert Stiftung (Hg.), Antworten aus der feministischen Ökonomie auf die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, Bonn 2009, 27.Editorial 331 DAS ARGUMENT 292/2011 © Statistisches Bundesamt 2003: Wo bleibt die Zeit? Die Zeitverwendung der 6 Bevölkerung in Deutschland 2001/02; download: destatis Publikationsservice United Nations Research Institute for Social Development (UNRISD) 2010. Why Care Matters for Social Development Himmelweit, S. (2005) ‘Can we afford (not) to care: prospects and policy’, GeNet working paper 2005-11 Siehe dazu auch Gisela Notz: Arbeit, Arbeit, Arbeit. Der traditionelle Arbeitsbegriff und die Notwendigkeit seiner Veränderung aus alternativ-ökonomischer Sicht. Madörin, Mascha (2004): Wirtschafts- und Sozialpolitik: Überholte Denkmuster und neue Perspektiven (PDF). Vergl. dazu Madörin, M., Neoliberalismus und die Reorganisation der Care-Ökonomie [Zugegriffen September 2, 2010]. Cancian / Oliker 2000: 2. Vergl. UNRISD Research and Policy Brief 9 Ebda. Statistisches Bundesamt 2003: 9; destatis Publikationsservice Input von M. Madörin in der Heinrich-Böll-Stiftung, 10.02.2010, Zukunft der Sorge- und Versorgungsarbeit (PDF) Ebda., S. 16 Madörin 2006: 292. Alle Daten unter Hans-Böckler-Stiftung Vergl. dazu auch Jochimsen/Knobloch 2004. Madörin 2006: 293. Vergl. auch Jochimsen (2003) Statistisches Bundesamt 2003: 13. Sabine Gruber, Frigga Haug, Stephan Krull (Hg.): Arbeiten wie noch nie!? Unterwegs zur kollektiven Handlungsfähigkeit Frigga Haug Die Vier-in-einem-Perspektive Politik von Frauen für eine neue Linke 352 Seiten, br., 19,50 Euro. NEU: 2. Auflage mit aktuellem neuem Vorwort 7