Wissenschaft · Technik Prisma Nimmt die Dichte des Wassers dort ab, schwächt sich das gesamte System der Atlantikzirkulation ab. SPIEGEL: Bekommen wir also eine drastische Abkühlung in Mitteleuropa, gar eine neue Eiszeit? Rahmstorf: Nein, dieses Hollywood-KataHeutige Funktionsweise des strophenszenario kann man getrost verNordatlantischen gessen. Allerdings hat nach den neuen MesStroms 2 1 sungen der Wärmetransport im Atlantik um 20 Prozent abgenommen. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, wird es spannend. Würde die Strömung gar innerhalb von 3 Jahrzehnten ganz erlahmen, könnte es in 1 Arktische Winde kühlen Skandinavien eine Abkühlung um das aus dem Süden heranmehrere Grad geben. WahrGrönströmende Wasser ab, und scheinlicher ist aber nach unland die Meereisbildung erhöht EUROPA seren Simulationen, dass die Salzkonzentration. NORDAMERIKA sich die Strömung nur 2 So wird das Wasser langsam abschwächt, und schwerer und sinkt vor dann überwiegt der wärAFRIKA Grönland und Island in Atlantik mende Effekt der Treibdie Tiefe. hausgase. SPIEGEL: Was würde das 3 Das kalte Tiefenwasser strömt nach Süden. für uns bedeuten? SÜDAMERIKA Rahmstorf: Aus meeresdynamischen Gründen würde im Vorhergesagte mögliche nördlichen Atlantik der MeeresStörung des spiegel um einen weiteren halben Meter Stroms 2 steigen, über den bereits laufenden glo1 balen Anstieg hinaus. SPIEGEL: Wo bleibt aber dann das warme Wasser aus dem Süden, wenn es nicht in unsere Breiten kommt? Rahmstorf: Die Südhalbkugel erwärmt sich stärker als die Nordhalbkugel. Wahrscheinlich würden die tropischen Niederschlagsgürtel sich dadurch nach Süden 1 Durch den Treibhauseffekt beginnt das verlagern. grönländische Inlandeis zu schmelzen, und die Meereisbildung geht zurück. SPIEGEL: Was bedeutet die Bryden-Entdeckung für die derzeit in Montreal statt2 Das leichte Süßwasser mischt sich mit findende Weltklimakonferenz? dem warmen Oberflächenwasser aus dem Rahmstorf: Sie erinnert daran, welche Süden und ist weder kalt noch salzig genug, Überraschungen und Risiken in dem fraum absinken zu können. Der Strom kommt gilen Klimasystem lauern. Gefahren, die zum Erliegen und verliert seinen wir durch die Reduzierung der Treibhauswärmenden Einfluss. gas-Emissionen vermeiden könnten. KLIMA Stefan Rahmstorf, 45, Physiker vom PotsdamInstitut für Klimafolgenforschung, über die gemessene Abschwächung der nordatlantischen Tiefenströmung. Der Forscher war einer der Ersten, der dieses Phänomen mit Computermodellen vorhergesagt hat. SPIEGEL: Messungen des amerikanischen Ozeanografen Harry Bryden zeigen jetzt erstmals, dass sich der Nordatlantische Strom in den vergangenen 50 Jahren um 30 Prozent verlangsamt hat. Überrascht Sie dieser Befund? Rahmstorf: In der Tat. Unsere Simulationen lassen einen messbaren Effekt der globalen Erwärmung auf diese Strömung frühestens zur Mitte des Jahrhunderts erwarten. Wir müssen dieses Ergebnis sehr ernst nehmen, denn es könnte auf den vom Menschen verursachten Treibhauseffekt zurückgehen. Zu den bislang bekannten natürlichen Schwankungen im Atlantik passt es schlecht. SPIEGEL: Was genau hat Bryden gemessen? Rahmstorf: Er hat Daten verglichen, die innerhalb der vergangenen 50 Jahre entlang einer Linie am 24. nördlichen Breitengrad ermittelt wurden. Bei zwei Messfahrten, 1998 und 2004, trat die Abschwächung des tiefen, kalten Wasserstroms aus dem Norden zutage. Grund dafür könnte der seit Jahrzehnten abnehmende Salzgehalt des Nordmeers sein, infolge verstärkter Niederschläge und Schmelzwasser von Grönland. Dort hat die Tiefenströmung ihren Ursprung. TIERE Faible für Macken A uch weniger perfekt geratene Männchen haben bei der Partnerwahl eine Chance – zumindest bei Schwertkärpflingen der Spezies Xiphophorus cortezi und Xiphophorus malinche scheint das der Fall zu sein, wie die US-Biologin Molly Morris von der Ohio University herausgefunden hat. Je älter und größer Weibchen dieser Fischarten werden, so wies die Forscherin bei systematischen Aquarien- 166 experimenten nach, desto stärker interessieren sie sich auch für Männchen mit asymmetrischer Körperzeichnung. Nur kleinere und jüngere weibliche Exemplare geben unverdrossen den perfekt gestylten Beaus den Vorzug. Die Entdeckung widerspricht der bisher gängigen Meinung, weibliche Tiere würden sich hauptsächlich zu Partnern mit symmetrischen Körpermerkmalen hingezogen fühlen, weil deren Ebenmaß gute Gene für den Nachwuchs signalisierten. „Denkbar wäre es“, so die Wissenschaftlerin, „dass sich die Weibchen nicht ihr ganzes Leben lang nach d e r s p i e g e l 4 9 / 2 0 0 5 RICK FATICA / UNIVERSITY OF OHIO „Überraschungen im System“ Biologin Morris ein- und denselben Auswahlkriterien richten.“ Was ihren Sinneswandel im Alter aber tatsächlich bewirkt, ist derzeit ungewiss.