Die Basis der patriotischen Europäer. Einstellungsmuster

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Inga Brentel | Thomas Schnödewind | HHU Düsseldorf
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10.02.2016
Die Basis der patriotischen Europäer: Einstellungsmuster, Partizipationsbereitschaft
und Potentiale rechtspopulistischer Bewegungen in Deutschland
1 Einleitung
Im Oktober 2014 entstand mit einem sogenannten Montagsspaziergang die PEGIDABewegung in Dresden. Nach einem starken Einbruch der Teilnehmerzahlen nahmen diese bis
zum September 2015 wieder kontinuierlich zu und stabilisierten sich. Im Zuge der großen
Aufmerksamkeit, für PEGIDA und die Flüchtlingsthematik, möchten wir mit der vorliegenden
Arbeit der Frage nachgehen, inwiefern rechtspopulistische und islamophobe Einstellungen
sowie Politik- und Medienverdrossenheit einen Einfluss auf die Partizipationsbereitschaft haben. Ziel ist es, die Einstellungsmuster der PEGIDA-Anhänger und deren Verbreitung in der
deutschen Bevölkerung anhand eines bevölkerungsrepräsentativen Samples zu untersuchen.
Herauszufinden, ob es sich bei PEGIDA um ein randständiges Phänomen handelt oder um ein
Symptom eines großen rechtspopulistischen Potentials in der deutschen Bevölkerung ist von
zentraler Wichtigkeit für den Umgang mit diesen Einstellungsmustern.
Die Befunde der Studien zur PEGIDA-Bewegung von Rucht, Patzelt, Donsbach, Vorländer und
Walter (alle 2015) legen nahe, dass insbesondere die Kritik an der Asyl- und Zuwanderungspolitik Auslöser für die Teilnahme an den Montagsspaziergängen in Dresden waren. Verbunden damit wurde aber auch die Kritik an Politik und Medien insgesamt sowie eine vorurteilsbehaftete Einstellung zum Islam deutlich. Die Befunde lieferten zudem weitere Hinweise, dass
es in Deutschland ein Potential für islamophob-rechtspopulistische Bewegungen gibt, die
durch PEGIDA zum Ausdruck kamen.
Das Kernelement von Populismus ist der Rekurs auf das Volk, das in einer Frontstellung gegenüber den Eliten instrumentalisiert wird (vgl. Decker, 2006, 12). Im Falle der PEGIDA1
Bewegung stehen vor allem die politischen und medialen Eliten im Fokus. Basierend darauf
werden oft direktdemokratische Beteiligungsmöglichkeiten gefordert (vgl. Rensmann, 2006,
67). Werden vornehmlich rechte Einstellungen bedient, spricht man von Rechtspopulismus.
Die vertikale Abgrenzung wird dabei durch eine horizontale Abgrenzung von Minderheiten
(vgl. Hartleb, 2011, 341) mit abweichender Kultur, Ausländern im Allgemeinen oder Flüchtlingen im speziellen ergänzt. Gründe hierfür können xenophobe, also fremdenfeindliche Einstellungsmuster sein (vgl. Spier, 2010, 25).
Islamophobie ist eine mögliche Ausprägung dieser fremdenfeindlichen Einstellungen. Darunter lassen sich Ängste und Furcht, sowie Ressentiments und Abneigungen gegenüber dem
Islam fassen (vgl. Pfahl-Traugbher, 2012, 13). Voraussetzung für islamophobe Einstellungen
sind die Bildung von negativen Stereotypen (vgl. Benz, 2012, 27) Überfremdungsängste (vgl.
Klein & Heitmeyer, 2012, 93) sowie eine statisch-monolithische Wahrnehmung des Islams
(vgl. Hafez, 2010, 49). Die zunehmende antiislamische Prägung des Rechtspopulismus (vgl.
Häusler, 2008, 60) legt die Verbindung der beiden Konzepte nahe. Für die Messung des Konstrukts der Islamophobie wurde anhand der Literatur eine Fragebatterie entwickelt.
Der Begriff der Politikverdrossenheit ist sehr unscharf und wird vielfältig verwendet. Das
Konzept der Politikverdrossenheit beruht dabei oftmals auf der Fortführung des theoretischen Konzepts von Easton (1965a; 1965b). Dementsprechend wird Politikverdrossenheit
auch als eine Ursache von politischer Partizipation im Sinne von Protestaktionen, wie beispielsweise der Protestwahl, gesehen (vgl. Arzheimer, 2002, 129). In dieser Arbeit wird die
Politikverdrossenheit durch eine schwache External Efficacy, geringes Vertrauen in Politiker
und Unzufriedenheit mit Parteien definiert und operationalisiert (vgl. Arzheimer 2002). Für
das Konzept der Medienverdrossenheit bilden Vertrauen und Glaubwürdigkeit zentralen Variablen.
Partizipation umfasst im weitesten Sinne „alle Aktivitäten von Bürgern mit dem Ziel politische Entscheidungen zu beeinflussen“ (van Deth, 2009, 141). In dieser Arbeit geht es vor
allem um die unkonventionelle Form der Partizipation. Es geht dabei um Protest im Sinne von
Demonstrationen. Hierbei wird zwischen der Bereitschaft zu demonstrieren und der tatsächlichen Teilnahme unterschieden. Denn eine Partizipationsbereitschaft, also eine Verhaltensab2
sicht, führt nicht zwangsläufig zu dem beabsichtigten Verhalten, der Partizipation selbst (vgl.
Faas/Mayerl 2010). Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Partizipationsabsicht, da es um das
Potential rechtspopulistischer Bewegungen wie PEGIDA geht. Die tatsächliche Partizipation
wird nicht näher betrachtet.
Das theoretische Modell, das dieser Arbeit zugrunde liegt wurde in Anlehnung an Eastons
(1965a, 1965b) Modell der Unterstützung entwickelt (siehe Anhang). Da rechtspopulistische
und islamophobe Einstellungen kaum in Politik – zum Beispiel durch Parteien – oder Medien
vertreten werden, gehen wir davon aus, dass ein Bürger mit diesen Einstellungen unzufrieden
mit Politik und Medien ist. Durch das Gefühl weder vom politischen System vertreten noch in
Medienberichten berücksichtigt zu werden, entwickelt sich eine Politik- und Medienverdrossenheit aus diesen islamophoben und rechtspopulistischen Einstellungen heraus. Um eben
diese Einstellungen sowie die Unzufriedenheit mit Medien und Politik zum Ausdruck zu bringen, ist dieser Bürger eher bereit an Demonstrationen teilzunehmen und zu protestieren.
2 Methode
Zur Klärung der Forschungsfrage wurde eine Online-Befragung zur Generierung der Daten
durchgeführt. Hierzu wurde zunächst ein Fragebogen entwickelt, der mit Hilfe von Unipark
für die Online-Befragung programmiert wurde. Die Feldphase ging vom 23. bis 30. September 2015 und wurde von Survey Sampling International durchgeführt (n=880). Um sicher zu
stellen, dass die Umfrageergebnisse trotz Online-Umfrage bevölkerungsrepräsentativ für
Deutschland sind, wurde nach den wichtigsten soziodemographischen Merkmalen – Alter,
Geschlecht, Bildungsabschluss, Herkunft aus neuen und alten Bundesländern – für Deutschland quotiert.
3 Ergebnisse
Die Ergebnisse der deskriptiven Analysen bestätigten die bisherigen Befunde der PEGIDAStudien bezüglich der Soziodemographie. Bekennende PEGIDA-Anhänger (9,2 Prozent der
Befragten) weisen islamophobe und rechtspopulistische Einstellungsmuster auf und halten
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die mediale Berichterstattung für wenig glaubwürdig und vertrauen den Medien daher wenig.
PEGIDA-Anhänger zeichnen sich außerdem durch eine große Partizipationsbereitschaft aus.
Bezüglich der islamophoben und rechtspopulistischen Einstellungen konnten weitere 34 Prozent der Befragten als PEGIDA-Sympathisanten mit ähnlichen Mustern wie bei den PEGIDAAnhängern identifiziert werden. Daraus ergibt sich ein Potential für rechtspopulistische Bewegungen in Deutschland von etwa 43,2 Prozent. Eines der zentralen Ergebnisse der multivariaten Analyse, die mit mehreren OLS Regressionen durchgeführt wurden, zeigte, dass ein
Einfluss von rechtspopulistischen und islamophoben Einstellungen auf Politik- und Medienverdrossenheit bestätigt werden konnte. Dies gilt insbesondere für die Politikverdrossenheit.
Hier wurden 19,24 Prozent der Varianz erklärt. Bei der Partizipationsbereitschaft im Sinne
von Protestbereitschaft gab es keinen signifikanten Wert für die Medienverdrossenheit. Lediglich bei der Gruppe der PEGIDA-Anhängern – also jenen, die sich auch selbst als solche
einordneten – hatte die Medienverdrossenheit einen erwähnenswerten Einfluss auf die Demonstrationsbereitschaft. In Bezug auf die Politikverdrossenheit konnten die Hypothesen
jedoch bestätigt werden. Besonders bei der Gruppe der PEGIDA-Sympathisanten, die ähnlich
rechtspopulistische und islamophobe Einstellungen zeigten wie die PEGIDA-Anhänger, war
die Politikverdrossenheit entscheidend für die Protestbereitschaft.
4 Diskussion
Die Befunde der Studie liefern wichtige Erkenntnisse bezüglich rechtspopulistischer Bewegungen wie PEGIDA. Rechtspopulistisch-islamophobe Einstellungen sind in der deutschen
Bevölkerung weit verbreitet. Auf Grundlage der multivariaten Analysen kommen wir zu dem
Schluss, dass die Politikverdrossenheit der Medienverdrossenheit vorgelagert zu sein scheint
und nicht wie in unserem Modell auf gleicher Ebene steht. Die weite Verbreitung der Einstellungsmuster weist auf ein großes Potential für rechtspopulistische Bewegungen hin. Daher ist
es von großer Wichtigkeit, die zugrundeliegenden Einstellungen und die Aktivierung dieses
Potentials weiter zu erforschen.
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5 Anhang
5.1. Theoretisches Modell
5.2. Literaturverzeichnis
Arzheimer, K. (2002). Der Begriff Politikverdrossenheit — eine Bedeutungsanalyse. In Politikverdrossenheit (S. 28–175). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Arzheimer, K. (2005). „Politikverdrossenheit” – eine Frage der Persönlichkeit? Der Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsfaktoren und Verdrossenheitseinstellungen. In H. Schoen
(Hrsg.) Persönlichkeit – eine vergessene Größe der empirischen Sozialforschung (S. 193–207).
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Benz, W. (2012). Die Feinde aus dem Morgenland. Wie die Angst vor den Muslimen unsere
Demokratie gefährdet: München: Verlag C. H. Beck.
Decker, F. (2006). Die populistische Herausforderung. Theoretische und ländervergleichende
Perspektiven. In F. Decker (Hrsg.), Populismus. Gefahr für die Demokratie oder nützliches korrektiv? (S. 9-32). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Easton, D. (1965a). A framework for political analysis (Vol. 25). New Jersey: Prentice-Hall
Englewood Cliffs.
Easton,
D.
(1965b).
A
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analysis
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political
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New
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Wiley.
Faas, T., & Mayerl, J. (2010). Michigan reloaded: Antwortlatenzzeiten als Moderatorvariablen
in Modellen des Wahlverhaltens. In T. Faas (Ed.), Schriftenreihe des Arbeitskreises "Wahlen
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(DVPW). Information - Wahrnehmung - Emotion. Politische Psychologie in der Wahl- und Einstellungsforschung (259–276). Wiesbaden: VS, Verlag für Sozialwissenschaften.
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Hafez, F. (2010). Islamophobie Populismus. Moschee- und Minarettbauverbote österreichischer
Parlamentsparteien. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Hartleb, F. (2011). Rechter Populismus in der EU: keine einheitliche Bewegung trotz wachsender Euroskepsis. Integration, 34(4), 337-348.
Häusler, A. (2008). Antiislamischer Populismus als rechtes Wahlkampfticket. In A. Häusler
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und kommunale Gegenstrategien. (S. 155-169). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Klein, A. & Heitmeyer W. (2012). Demokratie auf dem rechten Weg? Entwickelungen rechtspopulistischer Orientierungen und politischen Verhaltens in den letzten zehn Jahren. In W.
Heitmeyer (Hrsg.), Deutsche Zustäne (10) (S. 87-104). Berlin: Suhrkamp.
Pfahl-Traugbher, A. (2012). Die fehlende Trennschärfe des „Islamophobie“-Konzepts für die
Vorurteilsforschung. Ein Plädoyer für das Alternativ-Konzept „Antimuslimismus“ bzw.
„Muslimenfeindlichkeit“. In G. Botsch (Hrsg.), Islamophobie und Antisemitismus – ein umstrittener Vergleich (S. 11-28). Berlin: De Gruyter.
Rensmann, L. (2006). Populismus und Ideologie. In F. Decker (Hrsg.), Populismus. Gefahr für
die Demokratie oder nützliches korrektiv? (S. 59-81). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Spier, T. (2010). Modernisierungsverlierer? Die Wählerschaft rechtspopulistischer Parteien in
Westeuropa. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
van Deth, J. W. (2009). Politische Partizipation. In V. Kaina & A. Rommele (Hrsg.). Politische
Soziologie (S. 141–161). Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
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