Forschungsschwerpunkte – Prof. Dr. Céline Teney

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Forschungsschwerpunkte – Prof. Dr. Céline Teney
Meine Forschungsschwerpunkte sind in den empirischen Sozialwissenschaften angesiedelt
und kombinieren die Migrationssoziologie, die Soziologie der EU und die politische Soziologie. Sie beruhen auf einer vergleichenden Vorgehensweise, einer Vielfalt quantitativer Methoden sowie umfangreichen eigenen Datensammlungen.
In der Migrationssoziologie habe ich Studien zur strukturellen, sozialen, kulturellen und politischen Integration ehemaliger „Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter“ sowie ihrer Kinder (der
sogenannten zweiten Generation) in Westeuropa durchgeführt. Beispielsweise untersuchte
ich, inwieweit Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund ähnliche Formen der politischen Partizipation wählen. Darüber hinaus beschäftige ich mich mit der zunehmenden
Diversifizierung der Einwanderung nach und in Europa in Bezug auf Herkunftsländer, Migrationsstatus und den soziodemographischen Profilen der Migrantinnen und Migranten. Dazu
gehört die Forschungsagenda meiner von der Exzellenzinitiative geförderten Nachwuchsgruppe an der Universität Bremen zur hochqualifizierten EU-Binnenmigration.
Seit dem Vertrag von Maastricht (1992) und dem damit etablierten Recht auf Freizügigkeit
leben und arbeiten EU-Bürgerinnen und -Bürger zunehmend auch in anderen Mitgliedsländern. Im Gegensatz zu den klassischen Einwanderungswellen, wie die der „Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter“ in den 1960er- und 1970er-Jahren, sind diese EU-Binnenmigrantinnen
und -migranten überwiegend sehr mobil und hoch qualifiziert. Räumliche und soziale Mobilitätsmuster hoch qualifizierter EU-Binnenmigrantinnen und -migranten stellen die zentralen
Forschungsinteressen meiner Nachwuchsgruppe dar. Die Analyse dieser räumlichen und sozialen Mobilitätsmuster ermöglicht es mir zu untersuchen, inwieweit die zunehmende Arbeitsmigration Hochqualifizierter innerhalb der EU einerseits zu einem binneneuropäischen Brain
Drain und andererseits zu einem binneneuropäischen Brain Waste führen kann. Ein binneneuropäischer Brain Drain entstünde, wenn die Einwanderung von hoch qualifizierten Europäerinnen und Europäern in wohlhabendere EU-Länder einen Fachkräftemangel für die Auswanderungsländer verursachte, was wiederum zu neuen Formen sozioökonomischer Ungleichheiten zwischen EU-Mitgliedstaaten führen würde. Dagegen bedeutet das Szenario eines binneneuropäischen Brain Waste, dass binneneuropäische, hoch qualifizierte Einwanderer und Einwanderinnen langfristig nur Positionen auf dem Arbeitsmarkt des Aufnahmelan-
Forschungsschwerpunkte – Heinz Maier-Leibnitz-Preis 2016
Prof. Dr. Céline Teney
Stand: April 2016
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des finden können, für die sie überqualifiziert sind. Dies würde wiederum zu einer Nichtausschöpfung des innerhalb der EU vorhandenen Humankapitals führen. Diese Forschungsfragen untersuche ich am Beispiel des Arztberufs in Deutschland, der als hoch qualifizierter Beruf par excellence mit akutem Fachkräftemangel gekennzeichnet ist. Dafür führte ich 2015
eine bundesweite repräsentative Umfrage sowie qualitative Folgeinterviews unter 1600 nicht
deutschen, europäischen Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen durch, die seit 2004 ärztlich
in Deutschland tätig sind.
Zusätzlich zu diesen Forschungsschwerpunkten in der Migrationssoziologie und der Soziologie der EU liegen meine weiteren Forschungsinteressen in den Folgen des Globalisierungsdrucks für den gesellschaftlichen Zusammenhalt aus der Perspektive der politischen Soziologie. Zunehmende ökonomische, politische und kulturelle Globalisierung und Europäisierung
(wie die jüngsten Einwanderungsströme von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern oder die
Entstehung einer europäischen Fiskalunion) gehen mit einem Bedeutungsverlust nationaler
Grenzen einher. Die Reaktionen auf diese Veränderungen führen wiederum zu einer wachsenden soziopolitischen Spaltung und Meinungskluft sowohl innerhalb der Bevölkerung als
auch zwischen gesellschaftlichen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern und
der allgemeinen Bevölkerung in Europa. Anhand von Einstellungsumfragedaten untersuche
ich, inwieweit solche hochgradig politisierten Themen im Kontext einer Denationalisierung,
beispielweise durch Einwanderung oder europäische Integration, die Meinung sozialer Gruppen innerhalb der Bevölkerung sowie die öffentliche Meinung und die Meinung gesellschaftlicher Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger polarisiert. Ein Teil der Bevölkerung fühlt sich durch Europäisierung und Globalisierung verunsichert und setzt die nationale
Grenzöffnung mit ökonomischen, politischen oder kulturellen Bedrohungen gleich. Dagegen
tendiert ein anderer Teil der Bevölkerung ebenso wie gesellschaftliche Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger dazu, Grenzöffnungsprozesse als chancenbringend und bereichernd wahrzunehmen. Eine solche Spaltungstendenz lässt sich gut am Beispiel der aktuellen Flüchtlingssituation in Deutschland erkennen. Diese breite Meinungskluft hinsichtlich
der zunehmenden Durchlässigkeit nationaler Grenzen kann einerseits zu einer neuen soziopolitischen Konfliktlinie innerhalb der Bevölkerung und andererseits zu einem Repräsentationsdefizit führen, da ein großer Teil der Bevölkerung sich nicht durch gesellschaftliche Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in ihrer Meinung bezüglich einer Grenzöffnung repräsentiert fühlt. Dieses Repräsentationsdefizit bezüglich Themen im Kontext einer
zunehmenden Grenzöffnung, das in mehreren europäischen Ländern nachweisbar ist, gilt
wiederum als eine der Ursachen für die steigende Politikverdrossenheit und den zunehmenden Erfolg rechtspopulistischer Parteien.
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Angesichts der derzeitigen krisenhaften Entwicklungen in Europa (beispielsweise der zunehmende Euroskeptizismus oder der europäische Umgang mit der Flüchtlingssituation) ist die
wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den beschriebenen Forschungsfragen auch von
hoher gesellschaftlicher Relevanz.
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