THEORETISCHE PROBLEME DER MUSIKWISSENSCHAFT IM

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THEORETISCHE PROBLEME DER MUSIKWISSENSCHAFT
IM SPIEGEL DER KULTUROLOGIE
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. THEORETISCHE PROBLEME DER MUSIKWISSENSCHAFT IM
SPIEGEL DER KULTUROLOGIE
Volker Kalisch, RSH Dusseldorf
UBER «KONFESSION» IN DER MUSIK = «KONFESSIONELLE
MUSIK»?
Die Beschaftigung und Auseinandersetzung mit der Frage gleicht dem
sprichwortlichen Kampf mit den Windmuhlen. Ich selbst bin versucht, die Frage
gleich wieder als Unfrage beiseite zu legen, bevor ich mich uberhaupt schon
recht auf sie eingelassen habe. «Konfessionelle» Musik?
wo soll das
«Konfessionelle» seinen Ort in der Musik haben?, wo soll das Phanomen, die
Pragung oder Eigenart derselben beginnen, wo enden? Etwa beim einzelnen
Ton, zwischen zwei Tonen, beim einzelnen Klang, bei einer bestimmten Tonoder Klangverbindung, bei einer Melodie, bei einer bestimmten Tonart
(«Kirchentonart»)?, bei einem rhythmischen Pattern, bei einer bestimmten
Klangfarbe, bei einer Instrumentierung, bei der Dynamik, einer musikalischen
Gestalt, einem Idiom, einem Formabschnitt? Oder mit der Verwendung eines
Chorals, innerhalb einer bestimmten Gattung, fur eine bestimmte
musikhistorische Epoche, etwa als evangelisches Jahrhundert, bei einem
Komponisten, bei einer bestimmten Kompositionsweise? Bei welcher?
Bevor ich mich an der Einkreisung der Frage und somit des Phanomens
versuche, will ich mir zunachst uber die Frage selbst Klarheit zu verschaffen
suchen. Ich gehe dazu den beruhmten Schritt zuruck! Wenn «konfessionelle»
Musik, dann handelt es sich ja mindestens um geistliche, religiose, liturgische
oder sakrale Musik. Und wenn das der Fall sein sollte, dann stellt sich doch
wohl zunachst die Frage nach der «geistlichen» Musik als der wohl
umfassenderen! Denn «liturgische» Musik ware im Unterschied zur
«geistlichen» dann jene, die im sakramentalen Handeln innerhalb der
Gottesdienste ihren unverau?erlichen Ort hat, von diesem her ihre feste
Bestimmung, Sinn und Mitwirkung bezieht und zwar jenseits individueller
Ausgestaltung und Interpretation. Sinn und Gestalt sind formelhaft,
personenenthoben, zeitlos und so will liturgische Musik auch sein. Und
«religiose» oder auch «sakrale» Musik ware dann eine, die zwar von ihrer
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MUSIKWISSENSCHAFT IM DIALOG
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Gottbezogenheit kundet, im Unterschied zur geistlichen allerdings nicht
unbedingt auf unser christliches Gottesverstandnis festgelegt ware.1
Und um wiederum der Frage nach «geistlicher» Musik nachzugehen,
scheint es mir wichtig, mir zunachst einmal Klarheit daruber zu verschaffen, an
welche Voraussetzungen und Bedingungen sich die Frage ihrerseits
ob
bewusst oder unbewusst
bindet. Die thesenartige Klarung der
Voraussetzungen konnte mit dazu beitragen, Zielsetzung, Bedeutung wie
Umfang der Frage besser einschatzen zu lernen.
Denn das Sprechen uber «geistliche» Musik setzt 1. zumindest die banale
Selbstverstandlichkeit voraus, dass es uberhaupt so etwas gibt wie «geistliche
Musik»! Und das wiederum impliziert, dass es auch nicht geistliche Musik gibt.
Allein schon diese dichotome Feststellung, die die alte Entgegensetzung von
«sakral» und «profan» nur fortschreibt und befestigt, hat eine Menge mit uns
und unserer heutigen kulturellen Lage zu tun. Denn eine dichotome Trennung
der Musik in eine von welcher Seite her auch immer bedachte «geistliche» bzw.
«weltliche» Musik scheint mir recht besehen au?erst problematisch.
Denn allein aus christlich-theologischer Sicht konnte schon dagegen
eingewandt werden, dass der Christ immer in dieser seiner Welt lebt, mit allem,
was er denkt oder tut, und das unabhangig davon, wie er in ihr «Geistliches»
erfahrt. Er lebt also immer zuerst ganz diesseitig! «Essen und Trinken, Schlafen
und Wachen, Freien und Freienlassen, Sprechen und Singen gehoren zum
weltlichen Lebensvollzug, dem jeder Mensch auf dieser Welt unterliegt. Aber:
Wer in Christus ist , der lebt eine neue Existenz im Geist , er ist geistlich »,
sagt Christoph Albrecht.2 Insofern die Welt Gottes Schopfung ist, mit allem, was
in ihr ist, ist alles auch von jenem Geist durchwoben, der auf Gott verweist und
in Gott erst seine Erfullung findet ohne Ausnahme! Also auch die Musik. So
die Differenzierung uberhaupt aufrechterhalten werden kann und einen Sinn
ergeben soll, dann diesen, dass sie bestenfalls auf den unterschiedlichen
Bewusstheitsgrad der begrifflich angezeigten Gottbezogenheit aufmerksam
macht. «Geistliche» Lieder singt, «geistliche» Musik macht der Christ insofern,
als er zwar alle Musik durchaus als Erzeugnisse des menschlichen Geistes
erfahrt, aber doch zugleich auch so, dass dort in ihnen «Gottes Geist am Werk
ist».3 Diese Aussage aber lasst sich von aller Musik treffen.
1
Hans Heinrich Eggebrecht, Religiositat, in: ders., Bach wer ist das? Zum Verstandnis der
Musik Johann Sebastian Bachs, = Serie Musik Piper Schott SP 8323, Munchen/Mainz 1992, S. 156168, hier: S. 165f.
2
Christoph Albrecht, Das Verhaltnis von Geistlich und Weltlich in der Musik der
Vergangenheit und Gegenwart, in: Kirchenmusik im Spannungsfeld der Gegenwart, hg. von Walter
Blankenburg, Friedrich Hofmann und Erich Hubner, Kassel u.a.O. 1968, S. 20-27, hier: S. 20.
3
Vgl. ibd.
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Die Frage «weltlich» gewendet, tut sich mit der behaupteten Trennung
nicht weniger schwer. Denn die Musik betrachtet als etwas, das zur Welt des
Menschen gehort, sie sogar wesentlich mitbestimmt und ihr so einen essentiellen
Ort zuweist, kann vor der geistlichen Musik kaum Halt machen. Sie muss sie
vielmehr mit einbegreifen. Geistliche wie weltliche Musik sprechen den
Menschen «in seiner Totalitat» an, wie es Walter Blankenburg einmal formuliert
hat, namlich als ein «denkendes,
empfindendes und anschauendes Wesen».1
Andernfalls ware geistliche Musik etwas Au?er-Weltliches, etwas, was sich
au?erhalb der Welt des Menschen vollzieht, und sich ihm selbst auch nicht
zusprechen und zu verstehen geben konnte. Geistliche Musik bewegt den
Menschen aber nicht weniger oder mehr als weltliche, sondern gibt sich
hochstens bewusst aus einem Sinn-Bezug heraus zu erkennen, der davon
ausgeht, dass sich die Welt des Menschen nicht nur durch ihn selbst bestimmt
und versteht.
Trennung und spatere Entgegensetzung von geistlicher und weltlicher,
von sakraler und profaner Musik dienen also, recht bedacht, mehr der Errichtung
kunstlicher Barrieren als der Bewaltigung oder dem Abbau tatsachlich
vorhandener. Sie sind letztlich ungeeignet, alle Musik als etwas zutiefst
Menschliches verstehen zu lassen, freilich «als etwas zutiefst Menschliches»,
das sich im Widerstreit von Sterblichem und Gottlichem, von Irdischem und
Ewigem entwirft, und zu deren «Entwurfswesen» folglich auch das Geistliche
gehort.
«Geistliche» Musik ist also schneller reklamiert und behauptet, als es
unser europaisches Musikverstandnis eigentlich erlaubt. Zumal auch die
Ausgangsbedingungen 2. fur die Infragestellung von ihr und erst recht der
«konfessionellen» Musik aus ihrer Genese spatestens in der zweiten Halfte des
19. Jahrhunderts alles andere als «rosig» sind!
«Der Bachbiograph Philipp Spitta au?erte 1869 die Ansicht,» berichtet
Imogen Fellinger, «da? es «eine eigentliche Gattung von Kirchenmusik gar
nicht mehr» gebe, und 1892, «da? eine protestantische Kirchenmusik schon seit
hundert Jahren nicht mehr besteht». Er meinte damit die protestantische
Kirchenmusik als «selbstandige Gattung der Tonkunst ..., die nur in der Kirche
ihre Heimath habe ...» Als Grunde fur diesen Verfall fuhrte er den Pietismus,
den Rationalismus und die «Flachheit und Stillosigkeit» kirchlicher
Kompositionen am Ende des 18. Jahrhunderts an. 1876 betonte der
Musikschriftsteller und Komponist August Rei?mann, «da? die Kirchenmusik»,
1
Walter Blankenburg, Historisierende Kirchenmusik?, in: Kirchenmusik im Spannungsfeld der
Gegenwart, hg. von Walter Blankenburg, Friedrich Hofmann und Erich Hubner, Kassel u.a.O. 1968,
S. 9-19, hier: S. 12.
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womit er sowohl die der katholischen als auch die der protestantischen Kirche
meinte, «gegenwartig sehr vernachlassigt und verwildert erscheint». Genauer
beschrieb Hermann Deiters 1869 die Situation der Kirchenmusik jener Zeit: «...
was der Gottesdienst aller Confessionen von Musik in seinem Dienste
verwendet, gehort entweder alter, ehrwurdiger Uberlieferung an, oder wenn es
neuerer Zeit seine Entstehung verdankt, ist es kunstlerisch betrachtet von
durchaus untergeordneter Bedeutung». Es wird deutlich, da? die Kirchenmusik,
abgesehen von alteren bedeutenden Werken, deren sie sich zuweilen bediente,
und abgesehen von Ausnahmen, im Verlauf des 19. Jahrhunderts zur
Bedeutungslosigkeit abgesunken war».1
Dabei mussen wir durchaus zur Kenntnis nehmen, dass allein die
Dringlichkeit der Frage nach der Existenz, gar dem Existenzrecht «geistlicher»
Musik 3. von unseren Altvorderen und selbst in ganz anderen Kulturkreisen
wohl kaum oder gar nicht verstanden worden ware. Denn bis weit ins Mittelalter
zuruck war das Handeln uber, in und durch Musik zutiefst an die Uberzeugung
gebunden, dass freilich alle Musik letztlich gottlichen Ursprungs sei, der
Mensch gleichsam nur ihr Medium, durch den hindurch sich schlechterdings
Gottliches kundtue, woraus ihr eine besondere Dignitat und Bedeutung
erwachse. Insbesondere die Beschaftigung mit der Musik galt deshalb
inbegrifflich als eine erkenntniserzeugende Tatigkeit, rangierte auf dem Niveau
philosophischer oder theologischer Reflexion, und klangbegrundete Erfahrungen
galten der menschlichen Selbstvergewisserung, in Gottes Schopfungsplan
aufgehoben zu sein. Musik war den Menschen sinnfalliger Ausdruck wie
Erlebnis der dem Chaos entgegenwirkenden ordnenden Kraft. Was sich deshalb
in konkreter Musik ereignete, lag deshalb auch nicht nur im Bereich oder
Verantwortung von «Musikern», sondern erweckte Aufmerksamkeit von
Theologie
und
Kirche.
Musiktheoretische
Fragen
wurden
in
theologiedurchdrungenen Horizontlagen erortert und diskutiert, und die
Abweichungen oder Anderungen gegenuber einer durch Tradition und
Institution (Kirche) festgelegten musikalischen Praxis standen in der Bedeutung
eines rechtfertigungsbedurftigen Ereignisses!
Freilich wurde dieses Verstandnis von Musik als einer inbegrifflich
religiosen, weil in Gott aufgehobenen und von Gott kundenden Kunst
irgendwann bruchig. Ich setze diesen Bruch fur die Musik geschichtlich in der
Zeit des Ubergangs vom Mittelalter zur Neuzeit an, sagen wir im Ubergang zum
14./15. Jahrhundert. Auch im musik «theoretischen» Mitbehandeln und
1
Vgl. Imogen Fellinger, Zur Situation geistlicher Musik in der zweiten Halfte des 19.
Jahrhunderts, in: Geistliche Musik. Studien zu ihrer Geschichte und Funktion im 18. und 19.
Jahrhundert, = Hamburger JbfMuWi Bd. 8, S. 223-236, hier. S. 223.
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Eindringen von neuen, nicht rein kirchlich gebundenen musikalischen
Gattungen, von tatsachlich noch weiteren, bisher offenbar theorieunwurdigen
musikalischen Gestaltungsformen und Darbietungsweisen, schlagt sich nieder,
was 4. dem Verstandnis von Musik als einer religiosen Kunst einen «weltlichen»
Ausblick eroffnete. Es gab sie also, die «weltliche» Musik, asthetisch freilich
auf einer viel geringwertigeren Stufe rangierend und historisch der «geistlichen»
hier noch weitgehend mit «kirchlichen» Musik gleichgesetzt
hinterherhinkend. In der als Gegenreaktion schnell verdachtigten «weltlichen»
Musik wird denn auch das wirkende Bose vermutet, lockt verdachtig der Teufel
mit seinen Versuchungen und Verfuhrungskunsten, lockt Menschen aus ihrer
eigentlichen Mitte weg und lasst sie unflatige Texte singen bzw. in wilden,
unkontrollierten Gebarden tanzen und springen. Nicht von ungefahr wurzelt
darin die spatmittelalterlich-fruhneuzeitliche, sich bei den Reformatoren noch
fortsetzende Musikabneigung in der Kritik der weltlichen Musik, weltliche
Musik jetzt allerdings durchaus als ein beobachtungsnotwendiges Potential
aufgegriffen, das das Gesamt der Musik infizieren und somit beeintrachtigen
konnte.
Wenn bisher von «geistlicher» Musik die Rede war, dann war ohnehin nur
die textgebundene, die der Wortausdeutung dienende, kunstvoll gearbeitete
Musik gemeint. Instrumentalmusik, im Sinne einer nicht sich auch auf einen
tatsachlich prasentischen, konkreten Text beziehende Musik, hatte es
hinsichtlich allgemeiner Akzeptanz und Geltung deshalb in unserem Kulturkreis
besonders schwer. Wo «religiose» Musik, im Sinne von religioser
Instrumentalmusik, Einzug hielt, war diese zutiefst an ihren Bezugsort «Kirche»
gebunden. Historisch vollzogen wurde dieser Schritt mit dem nahezu
vollstandigen Umzug der Orgel in den kirchlichen Raum und der kontrollierten
Implementierung von Blasern, spater auch anderer Instrumente, zur
Unterstutzung und Verstarkung zunachst der Sanger-, gemeint sind
Choristenstimmen. «Geistliche» Musik, die jetzt auch bestimmte
Instrumentalmusik mit einbegriff, war 5. also jene, die im Unterschied zu
anderen, wie z.B. hofischen oder burgerlichen Reprasentanzraumen eben in
der Kirche ihren Platz, Verwendung und Bestimmung fand. Die Orgel erfuhr
dabei eine Nobilitierung zur Konigin der Instrumente, ihr Spiel erhielt einen
liturgischen Ort zugewiesen, der allerdings noch lange Zeit der nach wie vor als
zentral erachteten Vokalmusik ihren Rang kaum streitig machen konnte.
Zwei weitere Voraussetzungen mussen in diesem Zusammenhang
mitbenannt werden, um nicht den falschen Eindruck zu erwecken, das Fragefeld
«geistliche» Musik konne mal kurz abgehandelt oder doch zumindest knapp
umrissen werden. Denn 6. vollzog sich mit Durchfuhrung und Ausbreitung der
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Reformation ein kirchliches Geschehen, das uber kurz oder lang auch
Niederschlag in der Auspragung eines unterschiedlichen Verstandnisses
«religioser» Musik finden musste. Die Ruckbindung erfolgte nun nach
konfessionellen Gesichtspunkten. Dabei richtete sich das jeweilige
der
Einfachheit halber idealtypisch katholisch
protestantisch geschiedene
Musikverstandnis sicherlich an Unterschiedlichem und Trennendem aus, aber
eben auch an Verbindendem und Gemeinsamem. Als gemeinsame und
verbindende Sinnerfullung teilten freilich die Kirchenmusiken beider
Konfessionen als ihren eigentlichen «Endzweck» die Uberzeugung, allein der
Ehre Gottes, «soli deo gloria», zu dienen.
Wahrend aber die katholische Kirche neben vielen anderen sakralen
Handlungsraumen an der Messe mit ihrer eigenen Asthetik und ausgeklugelten
Liturgie im Zentrum festhielt, war es die gemeindetaugliche musikalische Praxis
eines am Wort Gottes orientierten Dienstes, den sich die evangelische Kirche als
Bezugsrahmen fur die Kirchenmusik wunschte. Das katholische
Messverstandnis im Sinne des proprium missae an die Besonderheiten des
liturgischen Kalenders ruckgebunden oder an ein sich von Zeit und Raum
weitgehend unabhangig denkendes ordinarium missae vollzog aber die
Amtskirche bzw. deren Reprasentanten fur und an einer glaubig sich
versammelnden Gemeinde, die neben der Nichtbeeintrachtigung rituell
festgelegter Handlungsweisen durch eine entsprechende musikalische
Ausgestaltung eben auch die mehr oder weniger betonte musikalische
Versinnlichung des reprasentativen Charakters und Anspruchs der hier
agierenden Amtskirche erwartete. Die evangelische Forderung nach
musikalischer Gemeindetauglichkeit setzte den Akzent dem gegenuber eher auf
eine die anwesenden Glaubigen im Mitsingen schnell lernbarer, einfacher, aber
wirkungsvoller Kirchenlieder vereinende Gemeinde, die gleichwohl der
Wortlesung und der sich daran anschlie?enden Wortauslegung (Predigt) den ihr
zentralen, wurdigen Raum bereitet und sich zumindest von der Intention her in
allen Teilen auf dieses Zentrum bezieht. Orgelvor und nachspiel,
Kirchenliedwahl, Einsatz z.B. einer durchaus nicht exklusiv im protestantischen
Raum entstandenen kirchenmusikalischen Gattung wie der Kantate nehmen als
Bezug vorweg, begleiten oder vollziehen nach, was Anlass, Wahl und
Gegenstand gottesdienstlicher Praxis ist, ohne deshalb in einem vergleichbar
festgelegten sakramentalen Rahmengeschehen eingebettet zu sein.
Und 7. bedarf eben eine gottbezogene musikalische Praxis im evangelisch
gepragten Raum durchaus nicht einer Bindung an die Amtskirche, weshalb
schon bald der Wunsch nach «geistlicher» Musik um sich griff, die als
Andachtsmusik geeignet «kirchenfreie» Versammlungen aber im Namen Christi
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zu inspirieren vermochte oder der erbaulichen hauslichen Praxis diente. Der
«geistlichen» Musik vor allem im protestantischen Umfeld wuchs so ein Zug in
die Privatheit zu, fuhrte zur Fulle der ganzen auch auf Sing- und Spielbarkeit
Rucksicht nehmenden Andachts- und Erbauungsmusiken, die als «geistliche»
Musik zunehmend ihre eigene Parallelwelt zur «offiziellen» der kirchlichen
Praxis und Verwendbarkeit etablierte.
Ohnehin erstarkte in Anknupfung an die einst augustinische, dann von
Luther aufgegriffene und verstarkte Auffassung von der Musik als einem
Geschenk Gottes (donum dei) 8. die Uberzeugung, tendenziell mit aller Musik,
auch und insbesondere mit der Instrumentalmusik, und dies auch au?erhalb der
Kirche zumindest der Ursprungsidee nach «geistliche» Musik zu besitzen.
Entscheidend sei einzig und allein die religiose Uberzeugung, das religios
verankerte Selbstverstandnis z.B. eines Komponisten, um seine in diesem Geiste
geschaffene Musik als religiose erscheinen zu lassen. Entsprechende
Au?erungen zu oder uber die Musik wiesen das musikalische Handeln des
Musikers als einen im Namen Gottes Schaffenden aus, eventuell noch angezeigt
und dokumentiert z.B. in religiosen Werkuberschriften, Programmen, in
verwendeten Idiomen und Zitaten, gepflegt und verbreitet uber bestimmte
musikalische Gattungen.
Von hier aus waren es nur mehr wenige Schritte bis hin zu jenem fur den
Beginn des 19. Jahrhunderts reprasentativen Kunst- und insbesondere
Musikbegriff, der sich selbst 9. als Ausfluss eines transzendenten Anspruchs
dachte, als «ein metaphysischer Verweis, ein Zeigen auf das Absolute, auf die
Wahrheit, auf die letzten Dinge oder wie immer man das nennen mag».1 Und
diese Fahigkeit zur Transzendenz sah man deutlich an das Befolgen ihrer
asthetischen Bestimmung gekoppelt, namlich ganz und gar bei sich selbst zu
sein. Die Idee der «absoluten Musik», wie sie das 19. Jahrhundert propagiert
und befolgt hat, setzte zum Ma?stab eine autonome, wortunabhangige und doch
emotional hochst wirksame und wirken wollende Instrumentalmusik. Kunst im
allgemeinen und Musik im besonderen, reprasentiert durch die wortlose
Instrumentalmusik, erhob sich in ihrem Bedeutenwollen und -konnen zumindest
ihrem Anspruch nach auf die Hohe von Religion, trachtete diese schlie?lich als
Kunstreligion zu ersetzen, als Religionsersatz sogar zu substituieren. Freilich
konnte daruber nicht ausbleiben, dass sich «der Begriff des Religiosen ins Vage,
in eine Unbestimmtheit, eine Allheit, die mit dem konkret christlichen Ordo ad
Deum wenig oder nichts mehr zu tun hat»,2 verfluchtigte.
1
2
Eggebrecht, Religiositat, a.a.O., S. 166.
Ibd.
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Dieser Verfluchtigung des Geistlichen wollten nun wiederum 10.
wertekonservative Meinungen und Stromungen entgegenlenken. Diese setzten
«geistliche» Musik historisch wie asthetisch kurzerhand mit «alter» Musik
gleich. Dieser «Gleichsetzung» wohnten aber wenigstens drei irrefuhrende
ideologische Motivlagen inne. Mit «alter» Musik wurde namlich a) durchaus
vergrobert jetzt auf mehr katholischer Seite die Musiksprache Palestrinas, auf
mehr evangelischer die von Bach und Schutz apostrophiert. Sie wurde dabei der
zeitgenossischen, insbesondere im Kontext der Kirche verwendeten Musik
bewusst entgegengehalten und als Musiksprachen adressiert, in denen sich die
uberzeitlichen Wahrheiten des Glaubens, der «Confessio», allgemeinverbindlich
musikalisch darstellen und zeitenthoben reprasentieren lie?en. Dabei wurden b)
Musikreprasentationen ausgewahlt und normiert, von denen verkannt wurde,
dass sie bei ihrem Aufkommen einst durchaus modernen und dabei
unterschiedlichen asthetischen Lagern zugehorten. Au?erdem wurden sie c) aus
einer Haltung der zeitgenossischen Musiksprache gegenuber entgegengesetzt,
die gleichzeitig beabsichtigte, der mit Verfall denunzierten zunehmenden
Individualisierung der zeitgenossischen Musiksprachen entgegenzutreten. Vor
allem aber wiegt schwer, dass sich ideologisch von nun an behauptete, dass fur
geistlich-religiose Wahrheiten auch nur eine Musik in Betracht kame, die sich
selbst auch au?erhalb oder sogar gegen zeitgenossische Tendenzen stellte und
dass man die aus ideologischen Grunden gesuchte Musik mit Ruckgriff auf
Palestrina, Bach und Schutz ja tatsachlich auch schon besa?e und einsetzen
konnte!1
Von dieser Warte aus ist jetzt auch die anfangs erinnerte Klage uber den
Niedergang der Kirchenmusik, gar einer konfessionell gebundenen und
ausgewiesenen, anspruchsvollen «geistlichen» Musik zu verstehen. Sie tritt
ideengeschichtlich paradoxerweise nahezu gleichzeitig mit der Erhebung der
Musik zur «absoluten Kunst» als Gegenstromung in Erscheinung. Die
metaphysische Transzendierung der Musik schuf eben keinen wirklichen Ersatz,
kein Kompensat fur die im Ruckzug begriffene Kirchenmusik.
Wenn sich aber die Frage nach der «geistlichen» Musik als nur relativ
sinnvoll und ideengeschichtlich als zirkelschlussig erweist, ist dann die Frage
nach deren «konfessionellen» Bindung sinnlos? Das ist sie freilich nicht! Die
konfessionelle Bindung ist sogar etwas ganz Wesentliches, Entscheidendes im
Kontext «geistlicher» Musik. Die Frage ist nicht falsch, sie ist «nur» falsch
gestellt, und sollte nur anders gewendet werden. Denn von zwei irrefuhrenden
1
Vgl. Hans Heinrich Eggebrecht, Geistliche Musik
Schone, Munchen/Zurich 1997, S. 130-143, hier: S. 139ff.
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was ist das?, in: ders, Die Musik und das
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Pramissen geht aus, wer glaubt, das «Konfessionelle» lie?e sich in der
Materialitat der Musik bestimmen.
Ein Klang a) ist und bleibt der Musik eigen, aber er ladt sich sofort mit
Sinn, dieser lagert sich ihm an, wird er mit einem Worttext, mit einem
praexistenten musikalischen Idiom oder auch einem bestimmten Wirkungsort in
Beziehung gesetzt. «Die Geschichte der evangelischen wie der katholischen
Kirchenmusik ist in der Regel als Geschichte textlich-musikalischer Gattungen
geschrieben worden», stellte unlangst Heinz von Loesch fest.1 Was heute
Intertextualitat, ja Intermedialitat genannt wird, das benennt die Fahigkeit von
miteinander in Beziehung gebrachten Konstituenten in diesem Fall der
unterschiedlichen Kunste und Kontexte in ihrer je eigenen Materialitat,
Medialitat, namlich durch deren Verknupfung mehrwertige Bedeutung fur das je
andere Element zu generieren. Musik verweist dann auf anderes, und indem sie
auf anderes zu weisen vermag, zeigt das so Markierte auf die Musik zuruck. Im
Beziehungsfeld von mannigfaltigen gegenseitigen Verweisen entsteht so ein
sinnstiftendes Bedeutungsnetz, in welchem die musikalischen Sachverhalte zu
sprechen beginnen.
Und b) muss sich die Frage nach der Konfessionalitat bis zu einem
gewissen Grade von der einfachen Gleichsetzung «konfessionell» = «kirchlich»
lossagen. Denn allzu befangen sind wir in der Materialitat der Phanomene bei
der Feststellung, dass dies z.B. typisch evangelisch, das aber typisch katholisch
sei. Dabei will ich mich hier gar nicht erst auf die Diskussion einlassen, ob es
nicht auch etwas typisch Evangelisches bzw. etwas typisch Katholisches gabe.
Auf der Ebene von Mentalitaten, in der Dimension weltgeschichtlicher
Reflexion, im Bereich personlicher Lebensfuhrung oder auch in der Analyse
bestimmter kultureller Werthaltungen und -praferenzen wird man wohl im
Bereich der Deutung und Erklarung bestimmter Sachverhalt und
Handlungsweisen kaum umhin konnen, bei «typisch evangelisch» «typisch
katholisch» Erklarungsanleihen zu nehmen.
Zum Verstandnis «geistlicher» Musik hingegen greifen solche Muster zu
kurz oder benennen nur Konfessionsraume, in denen «religiose» Musik eben
«funktioniert», in denen sie aber nicht aufgeht. Eine konfessionelle Bindung
weist religiose Musik gleichwohl dort auf, wo wir das «confessio» in
konfessioneller Musik ernst nehmen. Und dies ist, wie die lateinische
Begriffsbildung bereits anzeigt, immer ein konkretes ich, das aus seiner
gleicherma?en ichhaften Pragung wie Gepragtheit sein personlich erfahrenes
1
So in Glaubensspaltung
Spaltung der Musik? Oder: was ist evangelisch an der
evangelischen Kirchenmusik?, in: Musik und Religion, hg. von Helga de la Motte-Haber, Darmstadt
(wbg) 22003, S. 75-100, hier: S. 79.
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Verhaltnis zu Gott versteht und in Musik fasst. Dabei spielt ich wiederhole das
zweifellos konfessionelle Pragung, im Sinne von Konfessionszugehorigkeit,
eine Rolle, aber nur insofern, als diese durch und von einem konkreten ich
aufgegriffen, thematisiert und dieser Aufgriff kunstlerisch gestaltet wird. Das an
Gott Zweifeln, das von ihm Durchdrungen sein, das an den Verhaltnissen
Leiden, sie Hinnehmen oder Verandernwollen ist ein Bekenntnis, das ein ich
trifft und das ein ich in und durch Musik gestaltet, das ihm aber weder durch
eine kirchliche Konfession vorgeschrieben ist noch werden kann. Insofern ist
alle «geistliche», «kirchliche» Musik freilich eine, die bestimmte kirchliche
Funktionen und theologische Vorgaben erfullt, aber doch so, dass Funktionieren
und Erfullen immer durch ein «ich» hindurch geschieht. Darin liegen Grenze
wie Ermoglichung aller konfessioneller Bestimmungsmoglichkeit, darin liegt
das notwendige Moment kunstlerischer Freiheit, mit eben diesen
Ermoglichungen wie Grenzziehungen umzugehen. Der konfessionelle Aspekt
aller geistlichen Musik erfullt sich im Entwurfscharakter, der dort zum Tragen
kommt, wo sich in der Auseinandersetzung mit der geschichtlichen Tiefe
geistlich gewendeter kunstlerischer Antwortvorgaben und im Entwurfsversuch
einer zukunftigen Perspektive letztlich ich-gebrochene Deutungsangebote
ergeben, die zwar zu keinen konfessionsdeterministischen Kunstblumen fuhren,
wohl aber zu personlich-bekenntnishaften
ich vermeide bewusst
«individuellen»! Aussagen, die uns Zuhorer und Mitwirkende als «confessio»
nicht aus unserer eigenen Gottbezogenheit entlassen, sondern uns
im
Gegenteil! darauf zuruckwerfen.
Was aber bleibt uns nach diesem wohl eher verwirrenden, denn
befestigenden Durchgang durch Begriffs- und Ideengeschichte des Konzepts
«geistliche» Musik? «Geistlich (so auch das Geistliche )», hat einmal Hans
Heinrich Eggebrecht sehr nachdenklich ausgefuhrt, «verstehe ich im Blick auf
Musik als gottbezogen, gottgerichtet. So wie der Geistliche jemand ist, dessen
Amt gottgerichtet ist, und so wie ein geistlicher Text, ein geistliches Gedicht
von Gott spricht. Dabei ist Gott in dem hier in Rede stehenden Raum des
Denkens der Gott, der sich den Menschen durch Christus geoffenbart hat.
Geistliche Musik ist gottbezogene Musik, bezogen auf den Gott des
Christentums, und so ware auch das Geistliche in der Musik ein in der Musik
gelegener Bezug auf den christlichen Gott».1
Diesen hier angesprochenen und diskutierten Bezug erfullt aber Musik
nicht in einem einzelnen Ton, einzelnen Klang, in deren Verbindung oder
Sublimation. Und insofern lasst sich auch das Geistliche nicht in der Musik
1
Eggebrecht, Geistliche Musik
was ist das?, a.a.O., S. 130.
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selbst finden, oder aber alle Musik kundet ohne Unterschied aus dieser Herkunft
heraus. Ist damit die Frage nach dem Geistlichen in der Musik widersinnig und
zwecklos? Das ist sie freilich nicht. Im Antwortversuch mussen aber Art und
Weise bedacht werden, wie Musiker in Musik Klange formen. Bringen sie ihr
Formen dabei in ein Verhaltnis, das seinen Bezug au?erhalb der Musik sucht
und von dorther dem Formen Sinn zu verleihen trachtet, dann holt die
Dimension des «Geistlichen» auch die dabei entstehende Musik wieder ein,
durchwirkt sie, grabt sich in sie ein und bestimmt sie, wenn auch nicht nur oder
ausschlie?lich. Und diesen Bezug zu dem, was als geistliche Dimension und
Anspruch au?erhalb der Musik selbst liegt, sich aber in sie eingrabt, gibt Musik
dadurch zu verstehen, dass sie das, worauf sie sich bezieht, als das ihr Au?ere in
sich hinein-, in sich aufnimmt und zu sich in Beziehung setzt. Das z.B. geschieht
in der Verhaltnisstellung zum Text, das z.B. verwirklicht Musik in der
Aufnahme und Auseinandersetzung mit (musikalischen) Zitaten oder Idiomen,
das wird durch jene vieldeutige, doch eben uber den einzelnen musikalischen
Sachverhalt hinausweisende Intentionalitat gestaltet, mit der dieses InBeziehung-Setzen zum Grund und Bestandteil von Komposition wird.
Und hier hat auch die konfessionelle Bindung von Musik durchaus ihren
Bezugspunkt. Musik an und fur sich, ihre Gattungen oder Klange sind weder
evangelisch noch katholisch, und auch nicht judisch. Wenn das Geistliche in der
Musik sich durch den gesuchten und in die Musik hinein genommenen Bezug
zur au?ermusikalischen Sinndimension zu verstehen gibt, ist es ganz plotzlich
weder beliebig noch irrelevant, wie ein Komponist gerade diese In-BeziehungSetzung verwirklicht. Theologisches Denken in seinen konfessionellen
Auspragungen, Traditionen und sicherlich auch Schulen und Stromungen bis hin
zur individuell gelebten Privatreligion hat ja diese In-Beziehung-Setzung des
Menschen zu Gott, des Menschen zur Schopfung immer wieder thematisiert, neu
gewendet und gedeutet und hat bei aller z.B. christlicher Gemeinsamkeit eben
auch konfessionelle Unterschiede bedient und ausgeformt. Die konfessionelle
Ruckbindung des Verstandnisses der In-Beziehung-Setzung verstehe ich hier als
notwendige Konkretion des Geistlichen. Damit verliert auch die konfessionelle
Verortung das leicht Ruchbare, das ihr eventuell anhaftet. Und insofern muss
auch diese theologisch reflektierte, religios erfahrene und geistlich intendierte
In-Beziehung-Setzung als eine Strukturvorgabe etwas von der Gestaltung der InBeziehung-Setzung des Komponierens von Klangen au?ermusikalisch mit dem
Sinn und Bedeutungsgrund einfarben, das sowohl dem Gestalten als auch dem
Gestalteten Richtung, Ziel und Halt gibt.
Uber das schopferische Ich ist die Confessio im Gestalten der InBeziehung-Setzung am Werk. Und insofern ist alle «geistliche» Musik immer
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MUSIKWISSENSCHAFT IM DIALOG
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auch «konfessionelle» Bekenntnismusik, und ist dies eventuell umso mehr und
entschiedener, je weniger sie Ma? an der verbeamteten «Konfession» der
Kirchen nimmt.
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Volker Kalisch. Uber «Konfession» in der Musik = «konfessionelle Musik»? Wir
sprechen mit gro?ter Selbstverstandlichkeit von geistlicher, religioser, liturgischer oder
sakraler Musik. Wir bezeichnen sie sogar gelegentlich als «konfessionelle» Musik.
Musikwissenschaft versteht darunter Beschreibungsbegriffe, denen ein bestimmtes
Gattungsphanomen korrespondiere. Zahlreiche Publikationen scheinen keine Muhe damit zu
haben, konkrete Musik, einzelne Werke dem Gebiet der «geistlichen Musik» zuzuschlagen,
so wie man bestimmte Orchesterwerke «Sinfonien», bestimmte Kammermusiken
«Streichquartette» oder bestimmte Musiktheaterwerke «Opern» nennt.
Dabei liegen die Fragen an das Epiphanomen nur auf erster Sicht einfach. Was
eigentlich macht eine Musik zur geistlichen, religiosen, liturgischen oder sakralen, was gar
zur «konfessionellen»? Worin besteht die «Konfessionalitat» der Musik?
Das Referat versucht den hier nur angedeuteten Fragen im Grundsatzlichen
nachzudenken.
Volker Kalisch. About Religious Denomination in Music = «Religiously denominated
music»? Taking it as a given we speak about sacred, religious or liturgical music. Sometimes
we even categorize music as «religously denominated». Musicology understands these terms
as descriptions that might refer to a particular phenomenon within a certain type of genre. A
lot of scientific publications seem to have no worries reckoning particular musical works
among the field of «sacred music», as doing so with particular works for orchestras by
referring to them as «symphonies», by referring to some types of chamber music as «string
quartets» or by referring to some certain works in the field of musical theatre as «operas».
However the question concerning the epiphenomenon seems to be easy only at first glance.
What is it that actually constitutes music «sacred», «religious», «liturgical» or sometimes
even «religiously denominated»? What is religious denomination in music? The paper tries to
follow these questions, only hinted at here, in a fundamental way.
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