Lehrmaterialien zum Kontaktstudiengang Gerontologie/Geriatrie Projekt OPEN – OPen Education in Nursing 20.07.2015 Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie Handlungs- und Pflegeschwerpunkt Selbstversorgung 1 Die „Aktivierend- therapeutische Pflege in der Geriatrie (ATP-G)“ gliedert sich in 3 Handlungsund Pflegeschwerpunkte: 1. Aspekte der Beziehungsarbeit 2. Bewegung = Positionswechsel/Positionierung und Transfer/Aufstehen/Stehen/Gehen 3. Selbstversorgung = Körperpflege/Kleiden, Nahrungs-/Flüssigkeitsaufnahme mit und ohne Kau- und Schluckstörungen, Ausscheidungen 2 Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme am Beispiel Mangelernährung 3 1 20.07.2015 Malnutration ist ein anhaltendes Defizit an Energie und/ oder Nährstoffen im Sinne einer negativen Bilanz zwischen Aufnahme und Bedarf mit Konsequenzen und Einbußen für Ernährungszustand, physiologische Funktionen und Gesundheitszustand 4 5 Grobe Anzeichen für einen Nahrungs- bzw. Flüssigkeitsmangel • • • • Unbeabsichtigter Gewichtsverlust (5% in 3 Monaten, 10% in 6 Monaten) Subjektiver Eindruck durch unterernährte Erscheinung (eingefallene Wangen, vorstehende Knochen) oder zu weit gewordene Kleidung Zeichen eines Flüssigkeitsmangels wie akute Verwirrtheit, konzentrierter Urin, trockene Schleimhäute BMI < 20 Kg/m² BMI Berechnung 6 2 20.07.2015 Normalwerte BMI 7 1,85m 130 kg BMI? 8 Auffällig geringe Ess-/Trinkmenge • Beobachtung, dass das Essen nicht verzehrt wird, TM weniger als 1000ml/d (Nahrungs- und Einfuhrprotokoll) • Appetitmindernde schwere Erkrankung oder Behandlungen (Nahrungskarenz, OP, Medikamentennebenwirkungen) 9 3 20.07.2015 Geschmack Mundtrockenheit Appetit Medikamente Nährstoffabsorption Übelkeit Somnolenz Nährstoffexkretion Stoffwechsel 10 Erhöhter Energie-, Nährstoff- und Flüssigkeitsbedarf Vermutung, dass aufgrund von besonderen Situationen der Bedarf an Energie, Nährstoffen und Flüssigkeit erhöht ist -schwere Erkrankungen -Stress -Fieber -Wunden -große Hitze -hoher Blut- bzw. Flüssigkeitsverlust 11 Faktoren für Energiebedarf Geschlecht Gewicht Alter Aktivitäten 12 4 20.07.2015 Berechnung laut DGE Grundumsatz + Leistungsumsatz ----------------------------= Energieumsatz GU + LU -----= EU Körpermasse in Kg x 24 Stunden = GU GU x PAL (physical activity level), GU x PAL = EU PAL 1,2 Bettlägerige PAL 1,4 ausschließlich sitzende Tätigkeit (Büroangestellte) PAL 1,6 sitzend, gehend und stehend (Laboranten, Kraftfahrer) PAL 1,8 gehend und stehend (Verkäufer, Handwerker) Für viel Sport (5mal pro Woche) zusätzlich Pal 0,3 13 Beispiele Finanzbeamte 65 Kg Körpergewicht Pflegekraft 58 Kg Körpergewicht GU= 65kg x 24 h GU= kcal GU= 58kg x 24 h GU= kcal kcal x PAL EU= kcal EU= kcal x PAL kcal 14 Weitere Kriterien Laboruntersuchungen: Serum- Albumin zu gering bei Unterernährung. Normalwert 3,5-5g Transferrin vermindert bei Eisenmangel. Normalwert 200-400mg/dl WU = Wadenumfang soll mehr als OAU = Oberarmumfang soll mehr als cm betragen. cm betragen. 15 5 20.07.2015 A o o o o o o o o o Multimorbidität und Mortalität Abnahme der Muskelkraft (Muskel-Eiweiß-Synthese sinkt) Infektanfälligkeit Haut-/ Schleinhautdefekte Wundheilungsstörungen/ Dekubitusrisiko Neurologische und kognitive Beeinträchtigungen Beeinträchtigung der Herzleistung und Atemfunktion Verlangsamte Rekonvaleszenz Einschränkung der Lebensqualität o Geriatrische Syndrome „I“ 16 Der Unterstützungsumfang in den Maßnahmen richtet sich nach dem individuellen Bedarf des Patienten (Bedarfsgruppen) Alle Maßnahmen sind strukturiert vorzunehmen: • • • • • Motivation Bedarfsanalyse und Absprache des Ablaufs Vorbereitung Durchführung Nachbereitung 17 1. Motivation zur Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme fördern/ Kooperation zur Kostform fördern Was gehört zur Motivaton bei der Essensaufnahme? 18 6 20.07.2015 2. Bedarfsanalyse und Absprache des Ablaufs unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse Ort Hilfsmittel Nahrung Körperhaltung 19 Auswahl des Ortes 20 Dann lieber so 21 7 20.07.2015 Auswahl der Nahrung und Getränke Biographie orientiert Wunschkost Haupt- und Zwischenmahlzeiten Geschmacksintensiv Kontrastreich Ausgewogen Selbstbestimmt Ansprechendes Ambiente Unaufdringliche Begleitung Energiereich 22 Hilfsmittel 23 24 8 20.07.2015 Auswahl der Körperhaltung 25 Muskuläre Verbindung zwischen Kopf und Becken 26 „Herkömmliches Sitzen“ 27 9 20.07.2015 ATP-G Verbesserte Aufrichtung Bessere Kopfkontrolle Tonusregulation Nachlassen von assoziierten Reaktionen • Atemerleichterung • Effektives Husten • Physiologisches Schluckens • • • • 28 Hinweise für Dysphagien Hustenreiz 29 3.Vorbereitung Voraussetzung schaffen für eine aktive Eigenbeteiligung (Körperhaltung, Zahnstatus) Anrichten der Nahrung und der Getränke 30 10 20.07.2015 Anrichten der Nahrung 31 32 Anna Müller, geboren 23.08.1930, verwitwet, 2 Töchter. Sie ist gesellig und mobil und nimmt mit Freude an Familienfesten teil. Dreimal wöchentlich besucht sie die Tagespflege ihres Heimatortes. Vorerkrankungen : leichte Alzheimer Demenz Hauptdiagnose: fieberhafter Harnwegsinfekt Medikamente: Cotrim Forte und Exelon Pflaster. Seit Frau Müller wieder in der Lage ist aufzustehen, verlässt sie öfter ihr Zimmer, irrt auf der Station umher und möchte nach Hause. Sie wird ruhiger, wenn die Familie da ist oder jemand Zeit findet mit ihr einen Spaziergang zu machen oder sich zu unterhalten. Während der bisher 10 Tage im Krankenhaus hat sich ihr Gewicht bei einer Körpergröße von 1,60m von 54kg auf 50kg reduziert. OAU= 20cm, WU=33. Von den Mahlzeiten isst sie höchstens die Hälfte auf und das auch nur, wenn jemand bei ihr ist. Sie klagt über Appetitlosigkeit und Übelkeit, mag kein Fleisch essen und klagt über das fade Essen. Die orale Flüssigkeitseinnahme liegt bei etwa 800 ml Wasser und Tee am Tag. Welchen BMI hat Frau Müller? Leidet Frau Müller an einer Mangelernährung? Teste dies mit dem MNA Welchen Energiebedarf hat sie? Berechne Was ist ihr größtes Problem? Überlege Maßnahmen 11 20.07.2015 5.Nachbereitung Überwachung der Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr Dokumentation Auswahl der Ausgangsstellung für nachfolgende Aktivität Ggf. Nahrungsergänzung 34 35 Parenterale Ernährung Enterale Ernährung Orale Ernährung mit Anreicherung Und Supplementierung Orale Ernährung 36 12 20.07.2015 Was ist an dieser Vorgehensweise Aktivierendtherapeutisch? Die ermittelt immer wieder aufs Neue und aktuell den derzeitigen Zustand des Patienten. Die Aktivierung geschieht mit dem Ziel größtmögliche im Alltag zu erlangen. Die Zielsetzung bezieht den Patienten dahin gehend mit ein, dass er seine Möglichkeiten bewusst erfährt. Der mit den Pflegefachkräften sorgt für einen partnerschaftlichen Austausch über die Vorgehensweise. Dabei werden auch die mit einbezogen. Die Arbeit der Therapeuten wird mit aufgegriffen und im Alltag verfolgt. Diese enge im Team ermöglicht das Umsetzen von Zielen 24 Stunden am Tag. Eine hohe ist unverzichtbar, um den aktuellen Status des Patienten erkennen zu können, um Sekundärschäden zu vermeiden 37 38 ATP- Geriatrie Literaturliste A.Tannen, T.Schütz „Mangelernährung“ Kohlhammer 2011 H.K.Biesalski et al.“Ernährungsmedizin“ Thieme 2010 DNQP“Expertenstandard zur Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege“ Osnabrück 2010 B.Klamke“Klkamkes gepflegte Welt, interdisziplinär“ Schlütersche 2002 DGE, Deutsche Gesellschaft für Ernährung, www.dge.de, Letzter Zugriff 14.07.2015 39 13 Ethik Ethik und Pflege 1 Ethische Grundlagen in der Pflege 1.1 Ethik (Kurzerklärung) Systematisches Nachdenken über Verhaltensnormen und Alltagspraxis (vgl. Rabe 2009, 272) 1.2 Anthropologie Anthropologie ist die Lehre von der Natur des Menschen. Sie versucht die Mannigfaltigkeit und Komplexität zu erfassen. Deshalb ist sie transdisziplinär und stützt sich auf Methoden und Wissensbestände anderer Wissenschaften vom Menschen, z. B. Geschichte, Psychologie, Soziologie, Pädagogik, Theologie, Biologie, Philosophie, Ethik. Man unterscheidet zwischen empirischer und philosophischer Anthropologie. Zusammenhang von Ethik und Anthropologie nach Kamlahs: o „Aus der Einsicht in die grundsätzliche Bedürftigkeit und Abhängigkeit von anderen ergibt sich die moralische Forderung, einander als Menschen anzuerkennen und beizustehen:“ (Rabe 2009, 273) Bezüge zwischen Anthropologie und Pflege werden vor allem die Körpernähe der pflegerischen Arbeit sowie ihre Nähe zu existentiellen Fragen und ihre Konfrontation mit Grenzsituationen herausgearbeitet (vgl. Rabe 2009, 273). In der Pflege ist viel von Menschenbildern die Rede. Wichtig zu beachten ist, nach Hentig, o dass ein Bildnis ein Maßstab sein soll und deshalb von unseren Wünschen und Ängsten geprägt. o Der Mensch soll im Zuge seiner freien Entscheidung selbst wählen können, an welchem Menschenbild er sich orientieren will. o Von Hentig kommt zu dem Schluss: „Das Menschenbild, das gesucht wird, kann nicht eines vom Menschen im Singular sein; es muss sich auf den Menschen im Plural erstrecken.“ (v. Hentig 1999, 24 f) Die Frage nach dem Menschenbild führt zu den Fragen 1 Ethik o nach dem guten Leben o nach der guten Gemeinschaft o dem richtigen Handeln o damit zur Ethik (vgl. v. Hentig 1999, 24 f) o Es orientiert sich niemand an einem reinen, statischen Menschenbild, also nur dem biologischen, religiösen etc., sondern unser individuelles Bild vom Menschen ist immer mehrperspektivisch (vgl. Rabe 2009, 274) 2 Zentrale Begriffe der Ethik 2.1 Werte Definition „Werte sind bewusste oder unbewusste Orientierungsstandards und Leitvorstellungen, die menschliches Handeln oder auch Entscheidungen leiten.“ (Lauber 2007, 242). „Unter Wert versteht man die bewussten oder unbewussten Orientierungsstandards und Leitvorstellungen, von denen sich Individuen und Gruppen bei ihrer Handlungswahl leiten lassen.“ (Höffe, 2008, 344) Werte sind wesentlicher Bezugspunkt für menschliches Handeln. Entscheidungen für oder gegen eine Handlung, werden bewusst oder unbewusst von den Dingen beeinflusst, die uns wichtig oder wertvoll erscheinen. Aus persönlicher Lebensgeschichte, Sozialisation, Gruppenzugehörigkeit, Religiosität usw., ergeben sich persönliche Werte, = persönliche Aspekte, die für ein gutes und richtiges Leben wesentlich erscheinen (vgl. Lauber 2007, 242-243). 2.1.1 Persönliches Wertesystem Alle Werte, die ein Mensch für sich und sein Handeln als wichtig erkennt, werden in einem persönlichen Wertesystem geordnet. Wertesysteme der einzelnen Menschen sind unterschiedlich und können sich innerhalb des Lebens verändern Das Wertesystem besteht aus moralischen und nichtmoralischen Werten, die hierarchisch angeordnet sind, d. h. die Werte werden entsprechend ihrer Wichtigkeit und Be2 Ethik deutung für den jeweiligen Menschen in einer Rangfolge angeordnet. => Man spricht deshalb auch von Werteskala (vgl. Lauber 2007, 243). 2.1.2 Wertekonflikte Wenn ein Mensch über sein Wertesystem Klarheit hat und sich in seinen Handlungen auf bestimmte Handlungen beruft, muss er damit rechnen, dass andere Menschen in derselben Situation anders handeln würden, weil sie sich auf andere, ihnen wichtige Werte berufen (vgl. Lauber 2007, 244) 2.1.3 Werthaltung Darunter versteht man eine anhaltende Neigung, sich so zu verhalten, dass das eigene Wertesystem im Handeln zum Ausdruck kommt, also Gutes (Werte) zu tun und zu fördern bzw. Böses (Nichtwerte) zu unterlassen (vgl. Lauber 2007, 244). Für die Ausbildung und –prägung sind die Erfahrungen, welche die Menschen mit ihrem Handeln in vorherigen Situationen gemacht haben, wichtig Die Werthaltung wird zu einer Art unbewussten Wissens bzw. zu einer inneren Haltung des Menschen. => Nicht in jeder Situation muss über die beteiligten Werte neu nachgedacht werden => Entscheidungen für oder gegen Handlungen können schneller getroffen werden. „Wenn Wertvorstellungen sich verfestigen und verinnerlicht werden, spricht man von einer Werthaltung.“ (Lauber 2007, 245) 2.2 Normen und Moral Definition „Unter Normen werden verbindliche Leitlinien oder Regeln verstanden, die das moralische Handeln von einzelnen Menschen oder Gruppen leiten, ohne dass diese in jeder Situation erneut über grundlegende Werte nachdenken müssen.“ (Lauber 2007, 245) 2.2.1 Allgemeine und konkrete Normen Allgemeine Normen = handlungsleitende Prinzipien o Unabhängig von einer konkreten Situation formuliert o Gelten für alle Menschen gleichermaßen 3 Ethik o Funktion als Kompass, der die Richtung des Handelns angibt Gerechtigkeit Autonomie Aufrichtigkeit etc. Aufgabe der Ethik: o Untersucht, ob diese Prinzipien für menschliches Handeln gerechtfertigt sind bzw. begründet werden können Konkrete Normen o Beziehen sich auf Handlungen in Abhängigkeit von bestimmten Situationen o Allgemeine Normen werden auf eine konkrete Situation angewandt o Oft durch Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen geregelt (vgl. Lauber 2007, 246). Fazit „Allgemeine und konkrete Normen schützen die ihnen zugrundeliegenden Werte. Darüber hinaus fungieren sie als verbindliche Regeln im menschlichen Zusammenleben und ermöglichen so eine soziale Ordnung.“ (Lauber 2007, 246) 2.2.2 Moralprinzip 20 Min Definition von Moral „Moral und Sitte stellen den für die Daseinsweise der Menschen konstitutiven normativen Grundrahmen für das Verhalten vor allem zu den Mitmenschen, aber auch zur Natur und zu sich selbst dar.“ (Höffe 2008, 210) „Das geltende Verständnis und das Befolgen bzw. die tatsächliche Umsetzung von Werten und Normen durch den Einzelnen oder durch eine Gruppe von Menschen in praktisches Handeln wird als Moral bezeichnet.“ (Lauber 2007, 246). „Moral ist die gelebte sittliche Überzeugung bzw. die praktizierte Umsetzung von Werten und Normen durch einzelne Menschen sowie Institutionen oder eine Gesellschaft.“ (Lauber 2007, 247) 4 Ethik Definition Moralprinzip „(…) der letzte bzw. ein letzter praktischer Grundsatz (…), der nicht aus einer allgemeinen Norm ableitbar ist und als Kanon der Deduktion, Begründung, Rechtfertigung und Kritik untergeordneter Normen fungiert. Das Moralprinzip dient so gesehen als oberstes Kriterium, als letzter Maßstab praktischen Argumentierens, das implizit oder explizit in jeder Begründung singulärer oder genereller moralischer Urteile in Anspruch genommen wird.“ (Höffe 2008, 217). Beispiele: o Jedermann handle jederzeit nach der vernünftigen Natur der Dinge (stoische Ethik) o Nach dem Willen Gottes (theologische Ethik) o Im Blick auf das größtmögliche eigene (Egoismus) oder allgemeine Glück (Utilitarismus) o Nach verallgemeinerungsfähigen Maximen bzw. in Anerkennung des Selbstwerts aller Personen (Kant) => „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werden kann.“ (Kant 1785, zit. nach Amelung 1992, 65) o Nach in einem herrschaftsfreien, vernünftigen Dialog konsensfähigen Interessen (vgl. Höffe 2008, 218) 2.3 Gewissen (Exkurs) Definition „Mit Gewissen bezeichnen wir moralphilosophisch verschiedene Aspekte der moralitätsfähigen und für ihr Tun verantwortlichen Person.“ (Höffe 2008, 110) „Das Gewissen fungiert als persönliche moralische Instanz, die Menschen dazu auffordert, sich in konkreten Situationen für gutes und richtiges Handeln zu entscheiden.“ (Lauber 2007, 247) Problematik: o Nicht bei jedem Menschen bildet und meldet sich das Gewissen in der gleichen Art und Weise und mit der gleichen Intensität. o Das Gefühl für „gut“ und „richtig“ wie auch die Entscheidung für oder gegen einzelne Werte stark vom soziokulturellen Umfeld eines Menschen beeinflusst ist. o Gefahr zu denken, dass nur das, was das Gewissen als richtig empfindet auch richtig ist und andere Meinungen haben keine Gültigkeit. 5 Ethik o Aber auch umgekehrt, wenn sittliche Werte nicht so ernst genommen werden… Entscheidung gegen das eigene Gewissen: o Gewissen wird bewusst übergangen o Kann regelrecht abstumpfen o => Ethik: Aufgabe, dieses Verhalten kritisch zu beleuchten und zu hinterfragen Aussagen, wie „das gebietet mir mein Gewissen“ reichen für die Begründung einer Handlung nicht aus, da sie für andere Menschen nicht nachvollziehbar sind. => Wichtig, transparent zu machen, auf welchen Werten und Normen eine Handlung oder Entscheidung basiert. (vgl. Lauber 2007, 247) Fazit o „Fähigkeit eines Menschen, Gutes und Böses zu unterscheiden o Für die Entwicklung des Gewissens ist der Austausch mit anderen Menschen notwendig o Gewissensinhalte sind individuell, im Grundgesetz ist Gewissensfreiheit verankert o Ethik hilft, Gewissensentscheidungen zu begründen.“ (Lauber 2007, 247-248) Ethik trägt dazu bei, die hinter dem Gefühl stehenden Werte und Normen o zu analysieren, o sie in einen Zusammenhang zu bringen o und so ethisch begründbare Handlungsmöglichkeiten und Entscheidungen zu entwerfen. Das Gewissen wird deshalb nicht überflüssig, aber die Überzeugungen, Gefühle, Werte und Normen, auf denen es beruht, werden offen dargelegt, für andere Menschen nachvollziehbar und damit einer Diskussion und einem echten Austausch zugänglich (vgl. Lauber 2007, 248). „Das Gewissen unterstützt in konkreten Situationen das Abwägen zwischen Werten und Nichtwerten und die Entscheidung für gutes und richtiges Handeln.“ (Lauber 2007, 248) 6 Ethik Zusammenfassung verschiedener Begrifflichkeiten Begriff Wert Definition Bewusst oder unbewusste Orientierungsstandards bzw. Leitvorstellungen für menschliches Handeln (z. B.: Freundschaft, Luxus, Pünktlichkeit, Ordnungsliebe usw.) Werthaltung Neigung, sich aufgrund von Werten so zu verhalten, dass diese Werte im Handeln zum Ausdruck kommen Allgemeine Nor- Verbindliche Leitlinien oder Regeln, die das moralische Handeln von men einzelnen oder Gruppen von Menschen leiten. Prinzipien schützen (Prinzipien) die ihnen zugrunde liegenden Werte (z. B. :Gerechtigkeit, Autonomie) Konkrete Normen Konkretisierung allgemeiner Normen in einer bestimmten Situation (z. B.: Es darf keine aktive Sterbehilfe geleistet werden) Moralprinzip Grundnorm, die die Notwendigkeit moralischen Handelns begründet (z. B.: goldene Regel) Moral Gelebte, praktizierte moralische Überzeugung von einzelnen oder Gruppen von Menschen Gewissen Persönliche moralische Instanz, inneres Gefühl für richtig und falsch, unterstützt bei der Unterscheidung zwischen Werten und Nichtwerten (vgl. Lauber 2007, 248) Ethik 3 Ethik Geht auf Aristoteles zurück Teilbereich der Philosophie Untersucht sittliches Wollen und Handeln von Menschen in verschiedenen Lebenssituationen Versucht, allgemeingültige Aussagen über gutes und gerechtes menschliches Handeln zu machen (vgl. Lauber 2007, 248). Ethik will: o Werthorizonte aufzeigen o Reflexionsprozesse in Gang bringen o Problemlagen und Normenkonflikte analysieren o Legitimationsmöglichkeiten aufdecken o Handlungsoptionen entwickeln und gewichten o Entscheidungsgrundlagen und –voraussetzungen schaffen o Den Dialog eröffnen (vgl. Brandenburg 2006, 450). Ethik: o beschäftigt sich mit der systematischen Betrachtung von Werten und Normen o untersucht das menschliche Handeln hinsichtlich seiner moralischen Qualität o beschreibt die in einer Gesellschaft geltenden Werte und Normen und untersucht, ob diese zu rechtfertigen sind o versucht, allgemein gültige Grundsätze zu formulieren, und löst damit das Handeln des einzelnen Menschen aus der persönlichen Beliebigkeit o macht keine fertigen, konkreten Handlungsanweisungen o allgemeine Aussagen dazu, welche Richtung menschliches Handeln einschlagen sollte, damit es gut und richtig ist o hat eine begleitende und unterstützende Funktion, wo Menschen nach einer Orientierung für ihr Handeln suchen o bietet neutralen Rahmen, im dem menschliches Wohlbefinden diskutiert werden kann (vgl. Lauber 2007, 248). o will die menschliche Praxis hinsichtlich ihrer moralischen Qualität aufklären o möchte die moralische Urteilskraft erwerben lassen o will die kritische Beurteilung von Geltungsansprüchen hinsichtlich ihrer moralischen Berechtigung einüben lassen o macht auf die fundamentale Bedeutsamkeit von moralischer Kompetenz und sozialer Verantwortung aufmerksam; möchte zur Einsicht hinführen, dass morali8 Ethik sches Handeln nicht etwas Beliebiges, Willkürliches ist, das man nach Gutdünken tun oder lassen kann, sondern Ausdruck einer für das Sein als Mensch unverzichtbaren Qualität: der Humanität (Piper 2000, 12, 179 f). Sieben Einzelaufgaben nach Lay: • Aufklären Transparenz herstellen: o Ethik macht transparent, aus welchen Wertequellen sich konkretes menschliches Handeln speist. • Moral legitimieren o Verhaltensvorschriften, sittliche Verpflichtungen und Handlungsregeln für Entscheidungen argumentativ auszuweisen und zu rechtfertigen (Irrgang 1995, 14). • Bestehende Normen überprüfen o Den Wert von Normen zu prüfen und festzustellen, ob sie die Entfaltung wahrhaft menschlicher Existenz fördern oder ihr abträglich sind (Schröder 1985, 464) • Prinzipien und Normen zur Verfügung stellen o Ethik fragt nach dem, was richtig oder falsch, gut oder schlecht ist und zwar immer unter dem Gesichtspunkt, wie menschliches Leben und Zusammenleben möglichst optimal gelingen kann (vgl. Hofmann, 1995 a, 445) • Handlungen auf ihre Sittlichkeit überprüfen o Ethik schreibt nicht vor, wie im Einzelfall konkret gehandelt werden soll, sondern versteht sich eher als eine Art Instrument, mit dessen Hilfe sich Handlungen und Unterlassungen daraufhin überprüfen lassen, ob sie den Menschen in ihren individuellen und sozialen Bezügen gerecht werden (vgl. Hofmann 1995 b, 36) • Korrektiv für die Praxis sein o Ethik ist kein Ersatz für moralisches Handeln, sie erschließt vielmehr die kognitive Struktur moralischen Handelns. o Ethik gibt den Handelnden Argumentationsstrategien an die Hand, die es ihnen ermöglichen: Moralische Probleme und Konflikte menschlichen Handelns als solche klar zu erfassen 9 Ethik Mögliche Lösungsvorschläge zu entwickeln und auf ihre moralischen Konsequenzen hin zu überdenken sowie Sich nach reiflicher Überlegung selbstständig „guten Gründen“ für eine bestimmte Lösung zu entscheiden (vgl. Piper 2000, 15) o Ethik ist eine Möglichkeit zur Überprüfung und Korrektur (un-)moralischer menschlicher Praxis (vgl. Lay 2004, 32). • Zur moralischen Kompetenz anleiten o „… die gut begründete moralische Entscheidung als das einsichtig zu machen, was jeder selbst zu erbringen hat und sich von niemandem abnehmen lassen darf – weder von irgendwelchen Autoritäten noch von angeblich kompetenteren Personen (Pieper 2000, 15) Ethik will nicht: o Patentrezepte für gutes Handeln liefern o Vorschriften machen o Von Verantwortung entlasten (Ethik ist nicht Moral und auch nicht Ethos) (vgl. Brandenburg 2006, 450). Fazit „Die Wissenschaft, die sich mit der systematischen und methodischen Untersuchung und Reflexion von Werten und Normen beschäftigt, wird Ethik genannt.“ (Lauber 2007, 249) 3.1 Formen der Ethik 3.1.1 Deskriptive Ethik = beschreibende Ethik: o Darstellung der in einer Gesellschaft, Institutionen, Berufsgruppe oder Kultur geltenden ethischen Grundsätze, Werte und Normen o Es geht nicht um eine Wertung oder Beurteilung der beschriebenen Handlungen. o Stellt fest, welche Werte und Normen innerhalb einer Gruppe Geltung haben o Versucht, diese zu erklären o Kann zu einer Theorie über menschliches Verhalten in verschiedenen Situationen führen (vgl. Lauber 2007, 249) 10 Ethik Die sogenannte deskriptive Ethik oder auch die Moralsoziologie und –psychologie wollen Ist-Zustände erfassen: So handeln die Menschen, dies sind die ihnen wichtigen Werte, dies oder jenes halten sie für richtig oder falsch. Davon zu unterscheiden ist die normative Ethik, die Sollensaussagen, d. h. Aussagen über das moralisch richtige Handeln macht und Begründungen dafür gibt: So soll man handeln – und zwar aus diesen und jenen vernünftig nachvollziehbaren und allgemeingültigen Gründen.“ (Bobbert 2001, 13) 3.1.2 Metaethik = kritische Untersuchung der Ethik durch sich selbst Metatheorie der normativen Ethik (vgl. Nida-Rümelin 1996, 4) Ethik reflektiert nicht vorrangig ihren eigentlichen Gegenstand, sondern untersucht die Art und Weise, wie sie ihren Gegenstand reflektiert (vgl. Lay 2004, 33) Ethische Selbstkritik (vgl. Piper 2000, 83) Ethik der Ethik (Bango 1999, 268). Beschäftigt sich mit methodischen und sprachlichen Fragen, die die Ethik allgemein betreffen. Auseinandersetzung über Ethik als Wissenschaft (vgl. Lauber 2007, 249). Fazit „Unter deskriptivem Aspekt beschreibt die Ethik o Die empirisch vorfindlichen Normen – und Wertsysteme bzw. Moralkodizes („Moralen“) bestimmter historisch-faktischer Gemeinschaften (z. B. die Moral der HopiIndianer, Sitten und Gebräuche der Eskimos) o Den Einfluss klimatischer, geographischer, kultureller, religiöser, ökonomischer und anderer Faktoren auf die Moral einer Gemeinschaft o Die verschiedenen Moralen hinsichtlich ihrer Geltungsansprüche. Unter normativem Aspekt fragt die Ethik o Nach den Prinzipien eines für alle guten Lebens o Nach dem Maßstab moralisch richtigen Handelns o Nach dem Moralprinzip Unter metaethischen Aspekt untersucht Ethik: o Die Sprache und Logik moralischer Diskurse Ethik o Die Methoden moralischer Argumentationen o Die Leistungskraft ethischer Theorien“ (Lay 2004, 34). „Innerhalb der Ethik werden in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Erkenntnisinteresse drei Formen unterschieden: deskriptive Ethik, normative Ethik und Metaethik.“ (Lauber 2007, 249) 3.2 Normative Ethik „Das Ziel der normativen Ethik und der letzte Zweck einer philosophischen Ethik überhaupt ist es, die jeweils herrschende Moral zu beurteilen, sie ggf. zu kritisieren oder ein begründetes Sollen, einen Imperativ im ethischen Sinn, zu begründen.“ (Höffe 2008, 72) Die normative Ethik prüft Normen für menschliches Handeln hinsichtlich ihrer moralischen Qualität und versucht, diese Normen zu begründen (vgl. Lauber 2007, 249). Moralische Werte und Normen in einen systematischen Zusammenhang bringen und durch mehrere Moralprinzipien zu begründen das vorherrschende Verständnis von Moral nicht nur beschreiben, sondern darüber hinaus zu bewerten. Ergebnis normativer Ethik können ethische Prinzipien und Modelle zur Beurteilung menschlichen Verhaltens sein. Unterteilung in folgenorientierte und nicht-folgenorientierte Theorien 3.2.1 Folgenorientierte Theorien Es werden die Folgen bzw. die Konsequenzen betrachtet, die eine menschliche Handlung nach sich zieht, und bewerten sie nach einem höchsten Ziel (vgl. Lauber 2007, 249). = konsequentialistische Theorien oder teleologische Theorien (teleos = Ziel, Zweck) o Dabei ist das höchste Ziel, das als ethisches Kriterium fungiert, innerhalb der verschiedenen teleologischen Theorien, sehr unterschiedlich Utilitarismus = Hauptvertreter (= Nützlichkeitsethik) o „Eine Handlung gilt im Rahmen dieser Ethiktheorie dann als ethisch gerechtfertigt, wenn ihre positiven Folgen die negativen Folgen für alle von dieser Handlung be12 Ethik troffenen Menschen überwiegen. Allerdings ist damit noch nicht geklärt, was als positive Folge bzw. als negative Folge in einem konkreten Fall anzusehen ist.“ (Lauber 2007, 250) o „Für die ethische Rechtfertigung einer Handlung im Rahmen der utilitaristischen Normbegründung ist es streng genommen unwichtig, ob die Handlung selbst von moralischem Wert ist.“ (Lauber 2007, 250) o Z. B. Notlüge => Die Handlung widerspricht dem ethischen Prinzip der Wahrhaftigkeit, wenn dadurch aber z. B. Menschen vor Schaden bewahrt werden können, darf gelogen werden. Utilitarismus ist nicht unumstritten o Man kann die Folgen, die eine Handlung nach sich zieht, nicht voraussehen o Kann in konkreten Situationen große Nachteile für Minderheiten mit sich bringen: „Wird die Richtigkeit einer Handlung allein anhand der Menge von Menschen gemessen, für die sie Vorteile bringt, müssen die Interessen einer kleineren Zahl dahinter zurücktreten, was in einer konkreten Situation erhebliche Nachteile für einzelne Menschen bringen kann.“ (Lauber 2007, 250) 3.2.2 Nicht-folgenorientierte Theorien Die Folgen einer Handlung werden bei ihrer Bewertung völlig außer Acht gelassen. = deontologische Ethiktheorien (die Pflichtethik, das Erforderliche) „Innerhalb der Deontologie gelten Handlungen dann als sittlich richtig, wenn sie Grundsätzen folgen, die in sich gut sind.“ (Lauber 2007, 250) Sie betonen die innere Qualität einer Handlung – ohne Berücksichtigung der Folgen, die die jeweilige Handlung nach sich zieht. Kant => Kategorischer Imperativ: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (Kant 1785, zit. nach Amelung 1992) Menschliche Handlung müssen demnach Maximen (Willensgrundsätzen) entsprechen, die in sich gut und für jeden Menschen und in jeder Situation gültig sind. Notlügen sind im Rahmen dieser Ethiktheorie nicht gerechtfertigt 13 Ethik Zweiter Teil des Kategorischen Imperativs: o „Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“ (Kant 1785, zit. nach Amelung 1992) Menschenwürde = absoluter, innerer Wert des Menschen, der von anderen Menschen respektiert und geachtet werden muss. Deontologische Ethik ist nicht unumstritten o Der konkreten Situation, in der gehandelt wird, wird keine Beachtung geschenkt o Folgen der Handlung werden in die Handlung nicht einbezogen o Verschiedene Pflichten können miteinander konkurrieren: Welcher Pflicht soll der Vorrang gegeben werden? (vgl. Lauber 2007, 251). Fazit Unterscheidung teleologischer und deontologischer Begründungen bzw. Rechtfertigungen ethischer Normen unterscheiden sich in Bezug auf die Schwerpunkte, die sie bei der Begründung setzen. Beide Ansätze verfolgen jedoch dasselbe Ziel: o Sie wollen dazu beitragen, Maßstäbe für richtiges menschliches Handeln zu entwerfen und zu begründen. o Beide Ansätze werden für die alltägliche menschliche Praxis als zu einseitig angesehen => Verantwortungsethik 3.2.3 Verantwortungsethik Alle an einer Handlung beteiligten Elemente werden bei der Bewertung der ethischen Handlung berücksichtigt Es werden vor allem – aber nicht ausschließlich – die Folgen, die eine Handlung nach sich zieht, berücksichtigt. Auch die Handlung selbst und die motivierende Gesinnung spielen im Rahmen der Verantwortungsethik bei der Bewertung des Handelns eine wichtige Rolle Modell der personalistischen Verantwortungsethik nach van der Arend und Gastmans: o Für die ethische Bewertung menschlichen Handelns sind drei Aspekte wesentlich: Die motivierende Gesinnung Ethik Die wahrnehmbare Handlung und Die vorhersehbaren Folgen der Handlung o Einseitige Sichtweisen werden vermieden: Alleinige Betrachtung der motivierenden Gesinnung=> Gefahr, in einen Subjektivismus zu entgleisen = Mensch wird zum absoluten Maßstab für Wahrheit und Werte genommen und die moralische Qualität der wahrnehmbaren Handlung sowie ihrer Folgen bleibt unberücksichtigt. Ausschließliche Betrachtung der Konsequenzen einer Handlung => ethische Qualität der motivierenden Gesinnung und der wahrnehmbaren Handlung bleiben außer Acht Allein auf moralische Qualität geachtet => es zählen dann allen die objektiven Gegebenheiten, nicht aber die Folgen einer Handlung und die motivierende Gesinnung des handelnden Menschen (vgl. Lauber 2007, 252). Alle drei Aspekte müssen berücksichtigt werden Als personalistisch wird dieser Entwurf bezeichnet, weil die menschliche Person als zentraler Wert betrachtet wird. Zugleich ist sie der Maßstab, der zur Beurteilung menschlichen Handelns herangezogen wird. Fazit „Eine Handlung gilt im Rahmen dieses Modells dann als ethisch vertretbar, wenn sowohl die motivierende Gesinnung und die wahrnehmbare Handlung als auch die absehbaren Folgen der Handlungen dem Kriterium der Menschenwürde standhalten bzw. die Menschenwürde fördern.“ (Lauber 2007, 252) Die vorgenommene Unterscheidung zwischen Gesinnung und Handlung schlägt sich auch im Sprachgebrauch nieder: Ethische Bewertung der motivierenden Gesinnung wird mit „gut“ und „böse“ bezeichnet Ethische Bewertung der Handlung mit „richtig“ und „falsch“. o Wenn eine Handlung aus einer subjektiv guten Gesinnung heraus erfolgt, kann sie objektiv betrachtet, falsch sein (vgl. Lauber 2007, 252). „Innerhalb der normativen Ethik werden folgenorientierte Theorien und nicht- folgenorientierte Theorien unterschieden. Vertreter der Verantwortungsethik plädieren für eine gleiche Bewertung von Gesinnung, Handlung und Folgen bei der ethischen Evaluation menschlichen Handelns.“ (Lauber 2007, 252). 15 Begriff Wert Definition Bewusste oder unbewusste Orientierungsstandards bzw. Leitvorstellungen für menschliches Handeln (z. B.: Freundschaft, Luxus, Pünktlichkeit, Ordnungsliebe usw.) Werthaltung Neigung, sich aufgrund von Werten so zu verhalten, dass diese Werte im Handeln zum Ausdruck kommen Allgemeine Verbindliche Leitlinien oder Regeln, die das moralische Handeln von Normen einzelnen oder Gruppen von Menschen leiten. Prinzipien schützen (Prinzipien) die ihnen zugrunde liegenden Werte (z. B. :Gerechtigkeit, Autonomie) Konkrete Normen Konkretisierung allgemeiner Normen in einer bestimmten Situation (z. B.: Es darf keine aktive Sterbehilfe geleistet werden) Moralprinzip Grundnorm, die die Notwendigkeit moralischen Handelns begründet (z. B.: goldene Regel) Moral Gelebte, praktizierte moralische Überzeugung von einzelnen oder Gruppen von Menschen Gewissen Persönliche moralische Instanz, inneres Gefühl für richtig und falsch, unterstützt bei der Unterscheidung zwischen Werten und Nichtwerten (vgl. Lauber 2007, 248) Ethische Entscheidungsfindungsfindung Fallbeispiele zur Bearbeitung nach dem Nimmwegener Modell ethischer Entscheidungsfindung Fallbeispiel 1: Gesichtstumor Die 88-jährige Frau Bohle, die bei ihrem Sohn lebt, wird dreimal täglich vom ambulanten Pflegedienst versorgt. Sie ist bettlägerig und wird zweistündlich gelagert. Dabei hat sie einen intakten Hautzustand ohne Dekubituszeichen. Sie wird über eine PEG-Sonde ernährt und hat einen Blasendauerkatheter. Sie ist an allen Extremitäten stark kontraktiert, nicht orientiert, kaum kontaktfähig und spricht gar nicht. Der Thorax ist deformiert. Ihre beiden Augen sind verklebt und die Bulbi nicht erkennbar. Ein 11x10 cm großer Tumor vom Nasenrücken aus überwuchert beide Augen. Der Tumor blutet leicht, ist zerklüftet, eitrig und stinkt Ekel erregend. Sie bekommt regelmäßig Schmerzmittel über die PEG und scheint dabei wenig Schmerzen zu empfinden. Bei Manipulationen am Tumor reagiert sie nicht. Herr Bohle, der Sohn, ist Betreuer. Der Hausarzt weist Frau Bohle in die Klinik ein, um den exulzerierenden Tumor operieren zu lassen. Der Sohn hat unterschrieben, dass er sich mit „allen notwendigen diagnostischen und allen therapeutischen Maßnahmen (auch radikaler Operation)“ einverstanden erklärt. Frau Bohle lieg in einem speziellen Lagerungsbett und wird intensiv betreut. Sie muss bei allen Verrichtungen von zwei Pflegenden versorgt werden. Nachts kommt die Hauptnachtwache dazu. Sie alle müssen sich überwinden, weil der Gestank außerordentlich unangenehm ist. Ein Kontakt mit Frau Bohle ist nicht möglich. Bei den Pflegemaßnahmen spürt man nur eine noch stärkere Verspannung der kontrakten Gelenke. Die Ärzte setzen Frau Bohle zur Tumoroperation auf den OP-Plan. Damit kommt eine Assistentin zur Prämedikationsvisite. Sie wird von den Pflegenden der Station angesprochen, dass man die Operation für unsinnig hält. Man soll Frau Bohle das nicht noch antun. Der Tumor könne sowieso nicht geheilt werden. Man soll sie schleunigst wieder nach Hause verlegen. In das Zimmer könne man auch keine andere Patientin legen, weil der Geruch niemandem zuzumuten sei. Den Ärzten der Abteilung habe man das schon gesagt. Doch wie wollen die Operation durchführen, weil Frau Bohle zu diesem Zweck eingewiesen wurde und auch der Sohn wolle das. Die Meinung der Schwestern werde nicht ernst genommen. 1 Die Anästhesieassistentin, Dr. Jahn, schon Fachärztin, schätzt das Narkoserisiko als sehr hoch ein, möchte aber, angesichts der problematischen Interaktion auf der Station die Entscheidung nicht selbst fällen. Sie hält die OP für „ethisch nicht gerechtfertigt“ und benachrichtigt den Oberarzt, der den Chefarzt Prof. Lehner bittet, sich darum zu kümmern, weil der für die Patientin zuständige Chef erfahrungsgemäß eher von einem Gleichgestellten eine Aussage akzeptiert. Prof. Lehner geht zur Station, erfährt von den Pflegenden die schon genannte Einschätzung. Auch einer der operativen Oberärzte gibt zu, dass er wenig Sinn in dem Eingriff sehe. Bei der Untersuchung von Frau Bohle ergibt sich die schon dargestellt Situation. Es ist kein Kontakt mit ihr möglich. Aus dem tief zerklüfteten Tumor kriechen bereits Maden. Das Narkoserisiko ist als erhöht anzusehen, eine Narkose aber möglich. In dem anschließenden Gespräch mit dem Chefarzt der Abteilung stellt der AnästhesieChefarzt die Fragen: 1. Was bringt die OP für den Tumor? 2. Was bringt die OP für die Patientin und deren Lebensqualität? 3. Was bringt die OP pflegerisch? Die Antwort: „Es ist höchstens eine Verkleinerung und Glättung möglich, auf keinen Fall eine Entfernung.“ Der Tumor reiche bis in die Stirnhöhle und die Siebbeinzellen. Dadurch könne aber eine Erleichterung für die Pflege geschaffen werden. Es würde nicht mehr so Ekel erregend riechen. Das Risiko sei allerdings eine heftige Blutung, die eventuell eine weiter gehende Operation zwingend erforderlich mache. (…) Entnommen aus: „Für alle Fälle…“ Arbeitsgruppe „Pflege und Ethik“ der Akademie für Ethik in der Medizin e.V., Brigitte Kunz Verlag, 2005, 57-58 2 Fallbeispiel 2 Frau H. ist eine liebenswürdige Bewohnerin, die aufgrund eines inoperablen und nicht therapiebaren Hirntumors vor einem Jahr ins Pflegeheim ziehen musste. Zunächst war sie noch recht selbstständig, baute soziale Kontakt und auch enge Beziehungen zu verschiedenen Pflegenden auf. Leichte kognitive Störungen und Koordinationsschwierigkeiten hinderten sie nicht an einem Leben in der Gemeinschaft des Pflegeheims. Doch allmählich verschlechterte sich der Allgemeinzustand von Frau H. – ohne Aussicht auf Besserung. In den letzten vier Wochen konnte sie das Bett nicht mehr verlassen, die Kommunikation war nur in kurzen Wachphasen eingeschränkt über Augenkontakt möglich, und die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme nahm immer mehr ab. Bald konnte Frau H. nur noch geringe Mengen essen und trinken. Bei meinen Rundgängen auf dem Wohnbereich wurde mir von unterschiedlichen Mitarbeitern immer wieder gesagt, dass sie Frau H. nun verhungern und verdursten lassen müssten. Für den Angehörigen kam die Legung einer PEG-Sonde bei dieser unheilbaren Krankheit nicht in Frage. Denn der ausdrückliche Wunsch von Frau H. war, dass bei der Verschlechterung ihres Gesundheitszustands keine lebensverlängernden Maßnahmen durchgeführt werden. (Brandenburg 2006, 464) Fallbeispiel 3 Frau G. kam nach einem schweren Schlaganfall mit ausgeprägten Lähmungserscheinungen und einer Aphasie nach dem Krankenhausaufenthalt ins Pflegeheim. Bisher hatte sie zusammen mit ihrem auch schon teilweise gebrechlichen Ehemann in einer eigenen Wohnung im Haus der Tochter gelebt, die den bereits vorhandenen Hilfebedarf abgedeckt hatte. Aufgrund der Schwere des Schlaganfalls und ihrer Berufstätigkeit fühlte sich die Tochter mit der Pflege der Mutter und des Vaters überfordert. Die Tochter wurde als Betreuerin eingesetzt und besuchte ihre Mutter auch regelmäßig. Der Ehemann konnte nur selten mitkommen. Frau G. lebte sich im Heim gut ein. Sie wohnte mit einer sehr lieben Mitbewohnerin in einem Doppelzimmer und konnte zeitweise im Multifunktionsstuhl am Gemeinschaftsleben teilnehmen. Die Körperpflege, Flüssigkeits- und Nahrungsgabe wurde vollständig vom Pflegepersonal übernommen. Der Allgemeinzustand der Bewohnerin verschlechterte sich stetig. Mehrere Lungenentzündungen machten oftmaliges Absaugen erforderlich, das die Bewohnerin nur mit großem Widerstand über sich ergehen ließ, und reduzierten ihren Aufenthalt im Gruppenbereich sehr. Die meiste Zeit verbrachte sie dann in ihrem Zimmer und lag in Embryonalhaltung in ihrem Bett. Entnommen aus Brandenburg, Hermann; Huneke, Michael: Professionelle Pflege alter Menschen. Eine Einführung. 1. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer GmbH, 2006 3 18.05.2015 Aspekte der Pflegeethik Überblick Begriffsdefinition Pflegeethik Fünf Verhältnisbestimmungen der Pflegeethik Pflegeethos und Pflegeethik Pflegeethik und Care-Ethik Pflegeethik und Gesundheitsethik Pflegeethik und Arztethik Pflegeethik als Bereichsethik 2 Lehr- und Lerneinheit 4 Begriffsdefiniton: Pflegeethik „Systematische Reflexion des jeweils geltenden Berufsethos (…) unter den Rahmenbedingungen ethischer Komplexität mit den Instrumenten der philosophischen Ethik.“ (Monteverde 2012, S. 27) 3 Lehr- und Lerneinheit 4 1 18.05.2015 Verhältnisbestimmungen der Pflegeethik Pflegeethos und Pflegeethik Pflegerisches Handeln orientiert sich immer an Normen und Werten Berufsethos wird der Moral zugeordnet Orientierende Kraft im Alltag Beschreibt, welches Verhalten jeweils als geboten, erlaubt oder verboten gilt Artikulation des Pflegeethos dient der Selbstidentifikation des Berufsstandes (vgl. Monteverde 2012, S. 27-28). 4 Lehr- und Lerneinheit 4 Verhältnisbestimmungen der Pflegeethik Pflegeethik und Care-Ethik Care-Ethik stellt wichtige Tradition in der normativen Ethik dar und macht Relevanz der Beziehungsdimension und GenderPerspektive deutlich Zwei relevante Aspekte der Care-Ethik innerhalb der Pflegeethik: Durch Hervorhebung des Beziehungsaspektes therapeutischen Handelns wird ein Gegengewicht zur starren Orientierung an ethischen Prinzipien wie Autonomie und Gerechtigkeit dargestellt. Durch Gender-Perspektive wird die Wahrnehmung moralischer Konflikte im Alltag verschärft (vgl. Monteverde 2012, S. 30-31). 5 Lehr- und Lerneinheit 4 Verhältnisbestimmungen der Pflegeethik Pflegeethik und Gesundheitsethik Gemeinsamkeit der Patientenzentrierung wird hervorgehoben Patientenzentrierung stellt normative Orientierung dar Ergänzt spezifische Beschäftigung mit arzt- und pflegeethischen Fragen Unklarheit über die Reichweite der Gesundheitsethik Visionen gelungenen Dialogs innerhalb der Professionen (vgl. Monteverde 2012, S. 31-32). 6 Lehr- und Lerneinheit 4 2 18.05.2015 Verhältnisbestimmungen der Pflegeethik Pflegeethik und Arztethik Schulmedizin: Naturwissenschaft und Curing Science Pflege und Pflegewissenschaft: im natur- und sozialwissenschaftlichen Paradigma verortet Cure als Perspektive von Care Relativierung der Stereotype zwischen Arzt- und Pflegeberuf durch Öffnung zum biopsychosozialen Menschenbild Konvergenz der Arzt- und Pflegeethik eröffnet Wege für gelingende Diskurse (vgl. Monteverde 2012, 32-33). 7 Lehr- und Lerneinheit 4 Verhältnisbestimmungen der Pflegeethik Pflegeethik als Bereichsethik Handlungsfeld beruflicher Pflege wird untersucht durch Bereichs- und Problembezug wird Pflegeethik legitimiert fragt nach den handlungsleitenden Prinzipien und Werten Analyse des Praxisfeldes unverzichtbar (vgl. Monteverde 2012, S. 34). 8 Lehr- und Lerneinheit 4 3 Psychische Störungen bei älteren Menschen Block I bis III 15.4.2015 Depression, Angst, Psychopathologie und Therapieformen Gliederung • • • • • Fallbeispiel Klinische Ausprägung Entstehungsmodelle Differentialdiagnosen und komorbide Störungen Therapien: – ……. Depression bei älteren Patienten Immer enger, leise, leise Ziehen sich die Lebenskreise, Schwindet hin, was prahlt und prunkt, Schwindet Hoffen, Hassen, Lieben, Und ist nichts in Sicht geblieben Als der letzte dunkle Punkt. Depression bei Älteren • ... so beschrieb Theodor Fontane • im Alter von 72 Jahren sein Erleben • Damals litt der Dichter bereits zum dritten Mal an einer schweren Depression • “Der Kopf ist mir ständig benommen und will von Anstrengung nichts mehr wissen. Die Klapprigkeit bricht herein und das Arbeiten mit Vierteldampfkraft wird Regel.” • „An die Stelle dichterischer Schaffenskraft ist ein Verlust geistiger Energie getreten, Antriebsarmut und ein Gefühl der Sinnlosigkeit, Schlafstörungen und innere Unruhe kommen hinzu...“ Diagnostik der Depressiven Episode nach ICD 10 S3 Leitlinie 2009 Zusatzsymptome der Depression ICD-10 (siehe dort Kapitel F32): 1. verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit; 2. vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen; 3. Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit; 4. negative und pessimistische Zukunftsperspektiven; 5. Suizidgedanken, erfolgte Selbstverletzung oder Suizidhandlungen; 6. Schlafstörungen; 7. verminderter Appetit. Subtypisierung: Somatisches Syndrom ICD 10 (mind. 4 von 8 Merkmalen) 1. Interessenverlust oder Verlust der Freude an normalerweise angenehmen Aktivitäten; 2. mangelnde Fähigkeit, auf eine freundliche Umgebung oder freudige Ereignisse emotional zu reagieren; 3. frühmorgendliches Erwachen; zwei oder mehr Stunden vor der gewohnten Zeit; 4. Morgentief; 5. der objektive Befund einer psychomotorischen Hemmung oder Agitiertheit; 6. deutlicher Appetitverlust; 7. Gewichtsverlust, häufig mehr als 5 % des Körpergewichts im vergangenen Monat; 8. deutlicher Libidoverlust. früher als „endogen“ oder „autonom“. In der ICD-10 wird „somatisch“ synonym zu „melancholisch“ siehe DSM-IV benutzt, „vital“, „biologisch“ oder „endogenomorph“ Atypische Depression (laut DSMIV TR 2003 S. 470) Kriterium A: Aufhellbarkeit der Stimmung Kriterium B: mindestens 2 von 4 1. 2. 3. 4. Vermehrter Appetit oder Gewichtszunahme Hypersomnie (mind. 10 Stunden oder Zunahme > 2 h ) „Bleierne Schwere“ der Extremitäten oder des Körpers Überempfindlichkeit gegen Zurückweisung (trait marker) Kriterium C: Ausschluß von melancholischen oder katatonen Merkmalen Historisch als Abgrenzung zur „klassichen endogenen Depression“: Frauen 2-3 häufiger als Männer, Erstmanifestation oft vor dem 20. LJ, meist chronisch weniger phasenhaft, öfter bei bipolar oder saisonal, Profitieren besonders von MAO-Inhibitoren und TZA weniger von SSRI und auf KVT 25-30% 10-15% 40-60% 10-20% 5-10% 15-20% S3 Leitlinie Zeitlicher Verlauf depressiver Störungen (S3 Leitlinie 2009 S. 75) Hinweissymptome auf Depression sind im Alter oft unspezifisch laut S3 Leitlinien 2009 • Allgemeine körperliche Abgeschlagenheit, Mattigkeit; • Schlafstörungen (Ein- und Durchschlafstörungen); • Appetitstörungen, Magendruck, Gewichtsverlust, Obstipation, Diarrhöe; • diffuser Kopfschmerz; • Druckgefühl in Hals und Brust, Globusgefühl; • funktionelle Störungen von Herz und Kreislauf (z. B. Tachykardie, Arrhythmie, Synkopen), Atmung (z. B. Dyspnoe), Magen und Darm; • Schwindelgefühle, Flimmern vor den Augen, Sehstörungen; • Muskelverspannungen, diffuse neuralgiforme Schmerzen; • Gedächtnisstörungen GDS Geriatrische Depressionsskala 15 Fragen Yesavage JA, J of Psych Res 1983; 17: 37-49. Untersucher: Datum: JA NEIN 1. Sind Sie grundsätzlich mit Ihrem Leben zufrieden? 2. Haben Sie viele von Ihren Tätigkeiten und Interessen aufgegeben? 3. Haben Sie das Gefühl, Ihr Leben sei leer? 4. Ist Ihnen oft langweilig? 5. Sind Sie meistens guter Laune? 6. Befürchten Sie, dass Ihnen etwas Schlechtes zustossen wird? 7. Sind Sie meistens zufrieden? 8. Fühlen Sie sich oft hilflos? 9. Sind Sie lieber zu Hause, statt auszugehen und etwas zu unternehmen? 10. Glauben Sie, dass Sie mit dem Gedächtnis mehr Schwierigkeiten haben als andere Leute? ……noch 5 weitere Fragen pathologisch ab GDS > 5 MCI Depression Depression Demenz Genesung Gebrechlichkeit-Frailty >= 3 Sympt. Delirium „Prefrailty“ 1-2 s. Körperliche Inaktivität Soziale Isolation Einsamkeit 1. 2. 3. 4. 5. Gewichtsverlust Erschöpfung Reduzierte Gang -geschwindigkeit Reduzierte Handkraft Geringer Aktivitätsniveau Geriatrische Assessments Kognitiver Demenz Abbau Depression Geringe Lebensqualität Stürze Verdoppeltes Risiko für künftige AD oder geistigen Abbau (Wilson et 2007) • RR 2,1 (1,45-3,06) (korrigiert für Alter, Geschlecht und Bildung) • RR 1,84 (1,11-3,07) (korrigiert wie oben plus Soziales Netzwerk, körperl. Aktivität u.a.) • Zusammenhang mit Depression 20 bis 50% • Kein Zusammenhang mit Alzheimer Pathologie Late-onset Depression und hypertensive Enzephalopatie Kognitiver Status bei Älteren mit Spätdepression (>80 Jahre, (n=110, Rapp et al. 2005) Mini-Cog: 3 Minuten Screening (Borson et al. 2000) • 3 Begriffe: z.B. Apfel-Tisch-Pfennig – Direkt wiederholen lassen • Zeichnen einer Uhr mit Zeigern und Uhrzeit 11.10 Uhr • Verzögerter Abruf der 3 Begriffe • Keine Demenz, wenn 3 Begriffe korrekt oder 1-2 Begriffe und Uhr korrekt • Demenzverdacht: 0 Begriffe oder 1-2 Begriffe und Uhr inkorrekt „Pseudo“-Demenz versus Depression • Depressive klagen über Konzentrationsund Gedächtnisstörungen • Depressive sind orientiert • Depressive können auf Hinweisreize Episoden wieder erinnern • Depressive können weiterhin die Uhr zeichnen • Depressive verlaufen sich nicht dauernd auf der Station Fist-Edge-Palm Zeichen von Luria 1966 gestörte Response Inhibition Verlauf der emotionalen Befindlichkeit Psychosozialer Stressor: z.B. schwere Krankheit, Tod eines Angehörigen, Heimeinweisung….. Emotionale Ausgeglichenheit „Gelungene“ Anpassung depressive „Schwelle“ Intervention Anhaltende depressive Episode Suizidale „Schwelle“ suizidale Krise Tage Wochen Intervention Monate Einsamkeit- ein alltäglicher Risikofaktor »„Nein, in ein Heim gehe ich nicht. Da sind nur alte Leute. Alt bin ich selbst.Da sind nur Leid und Elend versammelt.“ (Bemerkung einer 82Jährigen) Definition Definitionvon vonSuizidalität Suizidalität Unter Suizidalität verstehen wir das Potential aller seelischen Kräfte und Funktionen, das auf Selbstvernichtung tendiert (Haenel u. Pöldinger 1986) „Suizidalität ist die Summe aller Denk- und Verhaltensweisen von Menschen oder Gruppen von Menschen, die in Gedanken durch aktives Handeln, Handeln lassen oder passives Unterlassen den eigenen Tod anstreben bzw. als mögliches Ergebnis einer Handlung in Kauf nehmen.“ (Wolfersdorf, 2000) Nach Wolfersdorf ist dabei „Bewusstheit“ ein wesentlicher Faktor Ist Ist Suizidalität Suizidalitätimmer immerkrank? krank? Suizidalität per se ist keine Krankheit Auch viele ( psychisch „gesunde“) Menschen erleben im Laufe des Lebens Situationen, in denen sie sich mit der Möglichkeit des eigenen Todes beschäftigen und den eigenen Tod als Möglichkeit bedenken Ein großer Teil berichtet in diesem Zusammenhang über passive Todeswünsche und Suizidgedanken Diese Auseinandersetzung kann Teil eines Trauerprozesses sein und ist oft ein vorübergehender Zustand Meist geht davon keine akute Gefahr eines Suizids aus. Risiko steigt erheblich, wenn Vorstellungen sehr drängend werden und konkrete Pläne gemacht werden Aber: bei Verdacht sollte Suizidalität immer genau exploriert werden Todesursachen Todesursachenim imVergleich: Vergleich:BRD BRD2001 2001 Suizid 11000 Drogen 1835 Verkehr 7100 Mord 914 Aids 900 0 2000 4000 (Daten des Bundesamtes für Statistik und BMI) 6000 8000 10000 12000 Häufigkeit & Letalität verschiedener Methoden Erschießen 1,7% 8,6% Erhängen /Erdrosseln Ertrinken Ertrinken Überrollen lassen 63,5% 0,9% 60,0% 2,1% 54,2% 5 Methoden stehen für 76% aller Suizide! 7,6% Sturz aus Höhe 43,5% sonstige Medikamente 7,1% Stiche / Schnitte 6,8% 16,4% 14,5% 39,5% Überdosis Psychoph. 0,7% 0,0% 84,2% 10,0% Letalität 20,0% 30,0% 40,0% 50,0% 60,0% 70,0% 80,0% 90,0% Anteil an suizidalen Handlungen in Nürnberg 2001 Anzahl betroffener Menschen Mäßige Suizidgefahr Passive Todeswünsche Erwägung Hohe Suizidgefahr Suizidgedanken Suizidideen Suizidpläne Vorbereitungen Ambivalenz Suizidale Handlungen Entschluss Das DasPräsuizidale PräsuizidaleSyndrom Syndrom Nach Ringel (1953) beinhaltet das Präsuizidale Syndrom als zentrales Merkmal die „Einengung“ der Person. Vereinfachend: Der Betroffene sieht seine Situation hoffnungslos; er erkennt keinerlei Wahlmöglichkeiten oder Alternativen. Seine Gefühle reduzieren sich auf Depression und Angst Sein Blick ist zunehmend „tunnelartig“ auf den Suizid als einzigen Ausweg fokussiert. Indikatoren Indikatorenfür fürakute akuteSuizidgefahr Suizidgefahr Drängende Suizidgedanken Große Hoffnungslosigkeit und starke Schuldgefühle Starker Handlungsdruck („ich halte das nicht länger aus!“) Massive narzisstische Kränkung starke Impulsivität (erhöhte Gefahr bei Drogen- oder Alkoholkonsum) Zunehmender sozialer Rückzug Offene und verdeckte Ankündigung von Suizid („es wird aufhören, so oder so...“) Patient reagiert gereizt, aggressiv oder ist agitiert Konkrete Suizidpläne oder Vorbereitung suizidaler Handlungen Protektive ProtektiveFaktoren Faktorenbei bei Suizidalität Suizidalität Familiäres / Soziales Umfeld: Familie, Kinder, Partner, Freunde Medizinische / psychologische Versorgung: Arzt, Medikamente,Therapeut Arbeit & finanzielle Absicherung Tagesstruktur Angebot vor Ort / Krisendienst etc. Thematisierung Thematisierungvon vonSuizidalität: Suizidalität: Die Thematisierung von Suizidalität ist für Betroffene meist eine Entlastung, wenn: - das Gegenüber ganz auf den Einzelnen eingehen kann - ein vertrauliches Gespräch unter vier Augen stattfindet - das Gegenüber keine Angst vor dem Thema hat - der Klient seine Gefühle zeigen darf - bei Bedarf konkrete Hilfe vermittelt wird Therapie der Depression im Alter Therapien bei älteren Menschen mit Depressionen • Pharmakotherapie • Somatotherapien – – – – – – Lichttherapie Wachttherapie Akupunktur Bewegungstherapie Ergotherapie u.a. (Musik…. • Psychotherapie – Verhaltenstherapie – IPT – …… Wichtige Randbedingungen: •Nutzen •Kognitiver Status •Mobilität •Verfügbarkeit •Gruppe versus Einzel •Kosten S3 Leitlinie Depression 2009 Aktiv abwartende Begleitung S3 Leitlinie Depression 2009 Für 14 Tage Leichte Depression Mittelschwere Depression Schwere Depression Generelles Vorgehen Information des Patienten • Krankheitsbild • Therapeutische Möglichkeiten • Notwendige Therapiedauer Therapie • Mögliche Nebenwirkungen Den Patienten zur Mitarbeit motivieren • Anfangs häufiger Kontakt (wöchentlich) • Persönliche Gespräche • Kontrolle, ob der Patient sich adäquat verhält • An Suizidalität denken und ansprechen verändert nach Kasper et al., 1997 Therapeutische Maßnahmen Richtige Medikamentenwahl Richtig Dosieren Therapie Wirklatenz beachten Lange genug einsetzen Bei Hinweis auf akute Suizidalität: Überweisung in die Klinik • Klinisches Erscheinungsbild der Depression (Aspekt: Wirksamkeit) • Lebensumstände berücksichtigen (Aspekte: Verträglichkeit, Sicherheit, Einfachheit) • Pharmakoökonomische Überlegungen (Aspekt: Kosten) verändert nach Kasper et al., 1997 Therapie Therapieverfahren bei der Depression Therapie der organischen Grunderkrankung Therapie mit Antidepressiva Organische depressive Störung „symptomatische Depression“ Depressive Störung Unipolare / Bipolare Depression Psychotherapie „Psychogene“ Depression Anpassungsstörung nach Kasper et al., 1997 Einteilung der Antidepressiva (Auswahl) Trizyklische und Tetrazyklische NARI Dual wirksame Citalopram (Reboxetin) Mirtazapin (NaSSA) Escitalopram Venlafaxin Clomipramin Fluoxetin (SNRI) Duloxetin Fluvoxamin Doxepin (SNRI) Nortriptylin Paroxetin Agomelatin (SSRI+MelaTrimipramin Sertralin toninerg Maprotilin Amitriptylin Therapie SSRI Mianserin MAOHemmer Moclobemid (reversibel) Tranylcypromin (irreversibel) Stimulierende, antriebsneutrale, sedierende Antidepressiva Stimulierend Antriebsneutral Sedierend Trizyklische vom „Desipramin-Typ” Desipramin Nortriptylin SSRI Citalopram, Escitalopram Fluvoxamin Sertralin Trizyklische vom „Imipramin-Typ” Clomipramin, Lofepramin Imipramin, Dibenzepin Trizyklische vom „Amitriptylin-Typ” Amitriptylin Amitriptylin-oxid Doxepin, Trimipramin Tetrazyklische Maprotilin Neue Antidepressiva Mirtazapin Valdoxan Therapie Chemisch andersartige Sulpirid, Venlafaxin, Reboxetin MAO-Hemmer Tranylcypromin Moclobemid SSRI Fluoxetin, Paroxetin Chemisch andersartige Trazodon Mianserin Therapie Nebenwirkungen von Antidepressiva Wirkmechanismus Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) Klinische Relevanz bei NA-Wiederaufnahmehemmung Reboxetin Tremor, Tachykardie, Unruhe TZA, Maprotilin, Venlafaxin, 5HT-WiederaufnahmeVenlafaxin, hemmung Appetitminderung, Gewichts- TZA, SSRI, reduktion, Übelkeit, Kopfschmerzen Nefazodon Ach-Rezeptorenblockade Sehstörungen, Miktionsstörungen, Mundtrockenheit, Tachykardie, Obstipation, Auslösung von Delirien TZA, Maprotilin, Mianserin Alpha1-Rezeptorenblockade Orthostatische Hypotonie, Schwindel, Sedierung TZA, Mianserin Histamin-H1-Rezeptorenblockade Mirtazapin Müdigkeit, Gewichtszunahme TZA, Maprotilin, Mianserin, Nebenwirkungen von Antidepressiva Therapie Medikamentengruppe Häufige Nebenwirkungen TZA (Amitriptylin usw.) Kardiotoxizität, Sehstörungen, Mundtrockenheit, Obstipation SSRI (z.B. Citalopram) Übelkeit, Kopfschmerz, sex. Stör. NaSSA (Mirtazapin) Müdigkeit, Gewichtszunahme SNRI (z. B. Duloxetin, Venlafaxin) Unruhe, Übelkeit, Blutdruckanstieg MAO-Hemmer Orthostatische Hypotonie, Unruhe, Schlafstörungen, (Diätrestriktion) Antidepressive Therapie bei Älteren analog zu Jüngeren S3 Leitlinie 2009 Cave NW der TZA, QTc Zeit Verlängerung bei SSRI, Höchstdosen und EKG! Bei KHK Sertralin oder Citalopram empfohlen S3 Leitlinie Bei Schlaganfall Nortriptylin oder Citalopram empfohlen S3 Leitlinie Ältere zeigen nicht immer höhere Rückfallraten unter SSRI BMC Geriatr. 2011 Jan 14;11:2. Lyketsos CG, Weiller E, Katona C, Gorwood P. Multimodale Depressionstherapie in der Tagesklinik Wielandshöhe seit 1995 Multimodales therapeutisches Konzept Zentraler Baustein ist Depressionsgruppe nach Hautzinger 8 mal in 4 Wochen „Nur“ Aktivitätsaufbau Zeit Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Ankunft/Frühstück 8.30h 9.15h bis 9.30h Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde Morgenrunde 9.30h bis 10.15h Bewegungstherapie Ergotherapie Oberarztvisite Blutdruck,Puls, Gewicht Spielerunde Tanzen Zeitungsrunde Backen Ergotherapie Depressionsgruppe Gruppengespräch Ergotherapie 10.30h bis 11.15h Depressionsgruppe Gruppengespräch Ergotherapie Literaturstunde Depressionsgruppe Ergo-Projektgruppe Bewegungstherapie Backen Ergotherapie Selbstsicherheitstraining Ergotherapie Gedächtnistraining Biographiegruppe Bewegungstherapie Sozialberatung Spielerunde offene Kaffeerunde 11.30 Ab Mittagessen Mittagsruhe 1 2. 0 0 13.45h bis 14.30h Gedächtnistraining Biographiegruppe Ergotherapie Entspannungstraining 14.45h bis 15.15h Sozialberatung Spielerunde Bewegungstherapie Aktivitäten 15.15h Kaffeerunde 15.30h Abfahrt Kognitive Verhaltenstherapie (1) Denken Handeln Fühlen Angenehme Aktivitäten einen Stadtbummel unternehmen ein spannendes Buch lesen sich mit Tieren beschäftigen eine offene und ehrliche Unterhaltung führen Kindern beim Spielen zusehen im Garten arbeiten Briefe schreiben Sport treiben Kuchen backen sich künstlerisch/handwerklich betätigen (Malen, Modellbau etc.) Handarbeit Gedichte schreiben den Geräuschen in der freien Natur zuhören ein gemütliches Bad nehmen Theater spielen Post-hoc analyses: 57 participants with Mild Cognitive Impairment, 3 of 30 on donepezil (10%; 95% CI: 0, 21) and nine of 27 (33%; 95% CI: 16, 51) on placebo converted to dementia (primarily Alzheimer’s) over two years (Fishers exact p = 0.05). - MCI subgroup also had a 44% recurrence rate on donepezil versus 12% on placebo (LR = 4.91, p = .03). Depressionsbehandlung im Alter • Altersdepression häufig bei vaskulärer Encephalopathie: Risikofaktor für Demenz • CCT oder MRI indiziert • Depression im Alter wird wie die früh einsetzende Depression bei entsprechender Schwere mit SSRI behandelt • Bei Schlafstörung und Gewichtverlust Mirtazapin • Bei Schmerzen und Depression Duloxetin • Bei Unverträglichkeit: Bupropion 150- 300 mg (Dopaminwiederaufnahmehemmer) • Psychotherapie ist hilfreich aber kaum verfügbar Modelle der Entstehung einer Depression • • • • Histor: Überfluss an schwarzer Galle Melancholae Erlernte Hilflosigkeit (Seligman) Verstärkerverlust Social Defeat (Tiermodell) • HPA-Achsen-Rückkopplungsdefizit • Limbische Netzwerkstörung • • • • Monoamindepletion Neurogenesestörung Neurotrophinmangel Mikro-RNAs? Morbide Phase Prämorbide Phase Stress-Vulnerabilitätsmodell für psychische Erkrankungen (M 3.16) Körperliche Faktoren (entweder ererbt oder erworben) Psychosoziale Faktoren (Erziehung, familiäre Kommunikation, Lernsituation, Traumata) Schutzfaktoren z.B. Stressbewältigungskompetenz, soziale Unterstützung Disposition, Vulnerabilität Uncharakteristische Erkrankungszeichen Aktuelle Belastung (life event) Manifeste Erkrankung Rückfallgefährdung Therapie, psychosoziale Einflüsse, Krankheitsbewältigung Chronifizierung Gesundung Akuter und chronischer Stress Depression als Risikofaktor für Mortalität durch KHK (Barth, 2004) Unkontrollierbarer Stress am Arbeitsplatz + Persönliche Verletzlichkeit Tod eines Angehörigen, Trennung, Scheidung, Innerfamiliäre Konflikte Genesung Burn-out Selbsterkenntnis + Unterstützung Depression Angsterkrankung Tinnitus Somatisierungsstörung Alkohol- und Medikamentenmissbrauch ? Depression Netter: Farbatlas der Nervenheilkunde 1999 Dysthymie Hirarchisierung der psychiatrischen Diagnostik • Vom Symptom zum Syndrom zur Diagnose – Anamnese – Psychopathologischer Befund – Neurologisch-Internistischer Befund – Syndrombeschreibung (z.B Panikreaktion) – Verdachtsdiagnose (nach ICD 10) – Weiterführende Diagnostik • Fremdanamnese • Bildgebung, EEG Blutwerte usw. Aktuelle Klassifikationssysteme ICD 10 Kapitel F APA DSM IV • Operationalisierte Diagnostik – Einschlußkriterien z.B. Anzahl von psychopathologische Merkmale über gewissen Zeitraum – Ausschlußkriterien – --> Aufgabe von ätiologischen Vorstellungen (S.Freud: innerpsychische Konflikte) Einteilung psychischer Erkrankungen nach ICD-10 Kapitel F (seit 1990) F0 Organische, einschließlich symptomatischer psychische Störungen (z.B. Demenz vom Alzheimertyp) F1 Psychische Störungen durch psychotrope Substanzen (Sucht) F2 Schizophrenie und wahnhafte Störungen F3 Affektive Störungen (Manie, Depression, bipolare Störung) F4 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen (z.B. Angst und Zwang) F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen (z.B. Essstörungen) F6 Persönlichkeitsstörungen (z.B. emotional-instabile P.) F7 Intelligenzminderung F8 Entwicklungsstörungen (z.B. Autismus) F9 Verhaltensstörungen mit Beginn in der Kindheit (z.B. ADHD) Kapitel F0 (Organische Störungen) F00 Demenz vom Alzheimer Typ F01 Vaskuläre Demenz F02 Andere Demenzen – – 02.0 Frontotemporale Demenz (M. Pick) 02.3 Parkinson Demenz F05 Delir, nicht Alkohol bedingt (Durchgangssyndrom) F06 Zb organische Halluzinose F09 Organische Pesönlichkeitsänderung Wie ging es Theodor Fontane vor 100 Jahren? ! # ' $ " $ # $ & $ ( " ) + & ' " . /) 0 * , & ( $$ $ " - . $$ & % / $ " % # " " 3 4+ $$ / $ $$ 1 $ ( # ( & 2 1 1 Vielen Dank Psychopathologischer Befund (AMDP) • Merkmale in 10 verschiedenen Kategorien – – – – – – – – – – Bewußtsein Orientierung (zeitlich, örtlich, situativ, zur Person Gedächtnis und Merkfähigkeit Psychomotorik Formale Denkstörungen (z.B. Gedankenabreißen) Inhaltliche Denkstörungen (Wahn und Zwang) Sinnestäuschungen Ich-Störungen (z.B. Gedankenausbreitung) Affekt Störungen des Trieb- und Sozialverhalten (z.B. Krankheitseinsicht, Suizidalität) Psychologie / Medizin Bewusstsein Definition Psychopathologiefolien von OA Dr. Rapp 2009 Definition: es gibt keine allgemein anerkannte Definition für Bewusstsein in der Medizin. Aber bei den Bewusstseinsstörungen unterscheidet man: Quantitative Bewusstseinsstörungen Qualitative Bewusstseinsstörungen Quantitative Bewusstseinsstörungen Definition Ein Zustand der Schläfrigkeit, in dem auf Umgebungsreize unzureichend reagiert wird die Aufmerksamkeit, Konzentration und das Gedächtnis eingeschränkt sind verlangsamtes / formal gestörtes Denken bestehen Quantitative Bewusstseinsstörungen Schweregrade Benommenheit Somnolenz Sopor Koma Schweregrad Quantitative Bewusstseinsstörungen Exkurs: Koma bei psychiatrischen Patienten Ursachen Jakob-Creutzfeld-Erkrankung Drogenintoxikation Intoxikation bei Selbstmordversuch Quantitative Bewusstseinsstörungen Andere Begriffe Bewusstseinsverminderung = synonym Stupor Der Patient ist stumm, immobil und reagiert nicht. Er scheint aber wach zu sein und seine Augen sind offen. Das ist eine andere Definition als in der Neurologie ! Qualitative Bewusstseinsstörungen Bewusstseinseinengung Bewusstseinsverschiebung Ich - Störungen IchStörungen Definition: Störungen, bei denen die Ichhaftigkeit des Erlebens verändert ist Oder die grenze zwischen dem Ich und der Umwelt durchlässig erscheint. Ich - Störungen Gedankenausbreitung Definition: Der Kranke klagt darüber, dass seine Gedanken nicht mehr ihm alleine gehören, dass andere daran Anteil haben und wissen, was er denkt. Ich - Störungen Gedankenentzug Definition: Der Kranke hat das Gefühl, es würden ihm die Gedanken weggenommen. Gedankeneingebung Definition: Der Kranke findet seine Gedanken und Vorstellungen von außen eingegeben, beeinflußt, gelenk, gesteuert. Ich - Störungen Fremdbeeinflussungserlebnisse Definition: Der Kranke findet sein Fühlen, Streben, Wollen als von Außen gelenkt und gesteuert. Ich - Störungen Depersonalisation Definition: Das eigene Ich oder Teile des Körpers werden als unwirklich oder verändert erlebt. Drogenrausch Schizophrenie Borderline Persönlichkeitsstörung Ich - Störungen Depersonalisation Definition: Das eigene Ich oder Teile des Körpers werden als unwirklich oder verändert erlebt. Derealisation Definition: Die Umgebung erscheint dem Kranken unwirklich und verändert. Orientierung Qualitäten der Orientierung zeitlich örtlich situativ zur Person Aufmerksamkeit Auffassungsstörung Konzentrationsstörung Gedächtnis - Störungen Kurzzeit gedächtnis Langzeit gedächtnis Altgedächtnis Merkfähigkeits störungen Gedächtnis störungen Gedächtnis - Störungen „nix“ „Fehlerinnerungen“ Konfabulationen Paramnesien Paramnesien Falsches Wiedererkennen oder vermeintliche Vertrautheit Ekmnesien Störung des Zeiterlebens Hypermnesien gesteigerte Erinnerungsfähigkeit Befürchtungen und Zwänge Misstrauen Hypochondrie Phobien Zwänge ! , % , $ $ 5 ) 1 " " ! ( " " 6& & " 1 7 Zwänge Problembereich Krankheitseinsicht Störung mit Krankheitseinsicht Direkte Frage möglich Störung ohne Krankheitseinsicht Selbst beurteilen Formaler Denkablauf Im psychiatrischen Befund soll der Denkablauf eingeschätzt werden. Es werden unterschieden: Quantitative formale Denkstörungen Qualitative formale Denkstörungen = Störungen der „Denkgeschwindigkeit“ = Fehler im gedanklichen Ablauf / in der Logik Quantitative formale Denkstörungen „Denkgeschwindigkeit“ zu langsam Denkverlangsamung Definition: Gedankengang ist langsam. Antwortlatenzen zu schnell Denkbeschleunigung Definition: Denkablauf ist so schnell, dass die Umgebung nicht folgen kann Quantitative formale Denkstörungen Denkverlangsamung Denkbeschleunigung Die Störung in der Denkgeschwindigkeit kann vom Patienten selbst bemerkt werden (das ist dann meist sehr unangenehm) oder nicht (fehlende Einsicht) Denkhemmung Gedankenrasen Qualitative formale Denkstörungen Passt die Antwort zur Frage ? Umständliches Denken eingeengtes Denken Denken ist „weitschweifig“. Wesentliches wird nicht von Unwesentlichem getrennt Einschränkung des inhaltlichen Denkumfangs. Der Patient „haftet“ an einem Thema. Qualitative formale Denkstörungen Passt die Antwort zur Frage ? Vorbeireden Der Patient geht nicht auf die Frage ein, sondern bringt inhaltlich etwas anderes vor. Er hat jedoch die Frage verstanden. Qualitative formale Denkstörungen Ist die Antwort präzise ? Umständliches Denken Perseveration Denken ist „weitschweifig“. Wesentliches wird nicht von Unwesentlichem getrennt Ständige Wiederholung von Worten oder gleichen Denkinhalten Qualitative formale Denkstörungen Verliert der Patient den „Faden“? Ideenflucht Übermäßig einfallsreicher Gedankengang. Der Patient verliert das Ziel aufgrund von zwischenzeitlich auftretenden Assoziationen. inkohärentes Denken Sprunghafter Gedankengang, bei dem die logischen Verknüpfungen fehlen Denkzerfahrenheit Extremform des inkohärenten Denken. Die Sprache ist vollständig unverständlich. Qualitative formale Denkstörungen Verliert der Patient den „Faden“? Gedankenabreißen = gesperrtes Denken Der Gedankengang wird ganz plötzlich unterbrochen. Evtl. spricht der patient zu einem völlig anderen Thema weiter. Assoziativ gelockertes Denken Der Patient stellt „grosszügig“ Sinnzusammenhänge her Inhaltliche Denkstörungen Wahn - Systematik Wahn - Begriffsdefinitionen Wahneinfall Definition: Plötzliches Aufkommen von wahnhaften Überzeugungen „Da ist mir plötzlich alles klar geworden: das sind Außerirdische, die mich auf eine übernatürliche Weise beeinflussen !“ Wahn - Begriffsdefinitionen Wahnwahrnehmung Definition: Richtige Sinneswahrnehmungen eine im Sinne des Wahnhaften abnorme Bedeutung „Dass der Arzt das Namensschild auf der linken Seite trug bedeutet, dass ich Krebs habe“ Wahn - Begriffsdefinitionen Wahndynamik Definition: Affektive Anteilnahme am Wahn. Äußert sich im Ausmaß des Antriebs und der Stärke der Affekte, die im Zusammenhang mit dem Wahn wirksam werden. Wahn - Begriffsdefinitionen Systematischer Wahn = systematisierter Wahn Definition: Wahnideen werden durch logische und paralogische Verknüpfungen zu einem Wahngebäude ausgestaltet. Wahn - Begriffsdefintionen Wahnerinnerung Definition: Wahnhafte Selbstüberschätzung bis hin zur Identifizierung mit berühmten Persönlichkeiten der Vergangenheit oder Gegenwart. Wahn - Begriffsdefinitionen Beziehungswahn Beziehungsideen Definition: Äußerungen von anderen Menschen und Ereignisse in der Umwelt werden wahnhaft vom Patienten auf sich selbst bezogen. Wahn - Begriffsdefinitionen Bedeutungswahn Beziehungsideen Definition: Einem an sich zufälligen Ereignis wird eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Wahn - Sonderformen Beeinträchtigungswahn Verfolgungswahn Definition: Der Kranke erlebt sich wahnhaft als Ziel von Beeinträchtigung und Verfolgung. Meinen Sie, dass bestimmte Menschen etwas gegen Sie haben ? Schizophrenie Wahn - Sonderformen Eifersuchtswahn Definition: Wahnhafte Überzeugung, vom Partner betrogen zu werden. Haben Sie Grund zur Eifersucht ? Organische Psychosen Schizophrenie Schizoide Persönlichkeiten Wahn - Sonderformen Liebeswahn Definition: Wahnhafte Überzeugung, von einem anderen geliebt zu werden Schizophrenie Wahnhafte Störung Wahn - Sonderformen Schuldwahn Definition: Wahnhafte Überzeugung, gegen Gott, die Gebote, eine höhere Instanz verstoßen zu haben. Schizophrenie Wahn - Sonderformen Verarmungswahn Definition: Wahnhafte Überzeugung, dass die finanzielle Lebensbasis ernsthaft bedroht oder verloren gegangen ist. wahnhafte Depression Wahn - Sonderformen hypochondrischer Wahn Definition: Wahnhafte Überzeugung, dass die Gesundheit ernsthaft bedroht oder verloren gegangen ist. wahnhafte Depression Wahn - Sonderformen Nihilistischer Wahn Definition: Wahnhafte Überzeugung, alles sei verloren, alles sei hoffungslos, alles sei aussichtslos, u.a. wahnhafte Depression Wahn - Sonderformen Größenwahn Definition: Wahnhafte Selbstüberschätzung bis hin zur Identifizierung mit berühmten Persönlichkeiten der Vergangenheit oder Gegenwart. Wahn - Sonderformen Doppelgänger-Wahn Definition: Wahnhafte Vorstellung, dass ein Doppelgänger existiert. Sonderform: CAPGRASSyndrom Alle wichtigen Familienangehörigen sind durch Doppelgänger ausgetauscht Ängste und Traumatisierungen der Kriegsgeneration Gliederung • • • • • Bilanz des 2. Weltkriegs Geburtskohorten Traumatisierungen Vulnerabilität und Resilienz Aktualisierung der Erinnerungen im Alter – PTSD – Depression – Pathologische Trauer – Ängste und paranoide Entwicklungen Die dunklen Schatten unserer Vergangenheit Klett-Cotta Verlag 2005 • • • • Klaus Radebold Jg. 1927 „Flak-Generation“ Psychotherapeut Zeitgeschichtliche Aspekte in der Diagnostik und Therapie • Verstehen des Vorgefallenen • Empathie • Transgenerationale Aspekte „Bilanz“ des 2. Weltkriegs • Europa: – 50 Millionen Tote – 6 Millionen ermordete Juden – 20 Millionen Kriegshalbwaisen • Deutschland: 11% der Bevölkerung 7 Mill. – 2,7 Mill. Wehrmachtstote – 1,24 Mill. Vermisste und Kriegsgefangenschaftstote – 1,5 Mill. Kriegsversehrte • 800.000 Ziviltote meist durch Bombenangriffe • 161 Städte wurden bombardiert • 1,7 Mill. Witwen • 2,5 Mill. Halbwaisen • 100.000 Vollwaisen Flucht und Vertreibung • 7 Mill. Vertriebene aus den Ostgebieten • 5 Mill. aus den ausländischen Siedlungsgebieten (Tschechoslowakei, Polen, Jugoslawien, Ungarn, Rumänien, Baltikum, Danzig) • Davon 3,3 Mill. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene < 25 Jahren Schätzungen: 1,4-1,9 Mill. vergewaltigte deutsche Frauen Berlin: ca. vergewaltigte 100.000 Frauen 10.000 getötete oder verwundete Frauen Menschen mit ihrem letzten Besitz in Worms (22. März 1945): Im Alter kehren die Erinnerungen zurück http://www.medicamondiale.org/ Medica mondiale unterstützt traumatisierte Frauen und Mädchen in Kriegs- und Krisengebieten. Die Ärztin Monika Hauser: "Vergewaltigungen haben kriegsstrategische Bedeutung. Soldaten üben Macht und Rache aus. Sie verletzen den Feind, indem sie ihm die Frau nehmen." Szene aus dem Film "Anonyma": Kriegsvergewaltigungen gehören bis heute zu den Tabus des Zweiten Weltkrieges (mit Nina Hoss) Allein von Soldaten der sowjetischen Roten Armee waren in den letzten Kriegstagen und danach schätzungsweise knapp 1,9 Millionen Frauen vergewaltigt worden, davon rund 1,4 Millionen in den damaligen deutschen Ostgebieten und während Flucht und Vertreibung. Kriegskinder: Verdrängte Erlebnisse 27.02.2009 Spiegel Onlin Eltern und Kinder in Deutschland (Juni 1940): Viele Kriegskinder haben ihre Traumata verdrängt - und auch an die nachfolgende Generation weitergegeben Kriegskinder: Verdrängte Erlebnisse 27.02.2009 Spiegel Online Flüchtlingskinder in einer Notunterkunft (nach 1945): Erinnerungen können verdrängt, aber nie vollständig gelöscht werden 1, 2 Mill. Kinder ohne Vater 25% ohne Vater 1,5- 2 Mill. Kriegswitwen 20.000 Kinder ohne Angehörige unterwegs Söhne übernehmen früh die Vaterrolle Kriegskinder: Verdrängte Erlebnisse 27.02.2009 Spiegel Online Uerdingen am 19. März 1945: Ein Junge zieht einen Wagen mit Habseligkeiten durch die Straßen - hinten schiebt seine Mutter. Traumatisierende zeitgeschichtliche Erfahrungen im 2. WK 1. Verluste von Vätern und Partnern, Söhnen, Geschwistern und anderen 2. Verlust von Heimat, Sicherheit und Geborgenheit 3. Gewalterfahrungen (aktive und passive Kriegsteilnahme, Bombenangriffe, Verletzungen und Vergewaltigungen Geburtskohorten • Jahrgänge 1910- 1927 Männer waren zumeist Soldaten (Aktive Teilnahme) • 1920-1925 (bereits bei Kriegsbeginn Soldat) • 1926-1929 „Flakgeneration“ • 1930-1940 bewußte Kindheits- und Jugenderinnerungen und Prägung (z.B. HJ) • 1940-1945 Trennungen von Vätern, Armut und Vertreibung Auswirkungen • Das Schweigen der 50 und 60-Ziger • „Hauptsache man hat überlebt“ • Väter kommen als gebrochene Männer aus der Gefangenschaft oder als zurück • Zurückdrängen der Frau aus der Berufswelt • Vorwürfe der 68-ziger an die Väter (Jg. bis 1927) als Täter • Tabuisierte Traumatisierungen zeigen sich im Alter? sychische Störungen bei Älteren Neben Demenzen 10-25% am häufigsten • Depression 5-10% • Angststörungen 5-10% • Pathologische Trauer 2-3% – keine ICD 10 Diagnose • 44% der Älteren in Berlin ohne relevante psychische Diagnose (Helmchen et al. 1996) Traumareaktivierung bei Kriegen • „Live-Bilder“ im Golfkrieg I 1991 und Golfkrieg II 2003 • Bosnienkrieg und Kroatienkrieg 1991-1995 • Amokläufe • Afghanistaneinsatz mit gefallenen Deutschen Soldaten seit 2001 sttraumatische Belastungsstörun F43.1 (akut oder Komplex) A Traumatisches Ereignis von aussergewöhnlicher Schwere: Schwerer Unfall, Überfall, Mord, Vergewaltigung u.ä. Innerhalb von 6 Monaten nach Trauma: Unausweichliche Erinnerung oder Wiederinszenierung im Gedächtnis, Tagträumen oder Träumen Emotionaler Rückzug Gefühlsabstumpfung Vermeidung von Trauma-assoziierten Reizen z.B. Erhöhte Schreckhaftigkeit Psychotraumatologie (Heuft et al., 2000) Kindheitstraumatisierung Kumulatives Trauma Traumatisierung/ TraumaRetraumatisierung Reaktivierung Hohes Alter Symptome Mittleres Alter Symptome Junge Erwachsene Symptome PTBS Jugend Symptome Kindheit 2. Trauma Trauma Kumulatives Trauma Schwere repetitive Konflikte Trauma Trauma Morbide Phase Prämorbide Phase Stress-Vulnerabilitätsmodell für psychische Erkrankungen (M 3.16) Körperliche Faktoren (entweder ererbt oder erworben) Psychosoziale Faktoren (Erziehung, familiäre Kommunikation, Lernsituation, Traumata) Schutzfaktoren z.B. Stressbewältigungskompetenz, soziale Unterstützung Disposition, Vulnerabilität Uncharakteristische Erkrankungszeichen Aktuelle Belastung (life event) ARBEIT Manifeste Erkrankung Rückfallgefährdung Therapie, psychosoziale Einflüsse, Krankheitsbewältigung Chronifizierung Gesundung Fallbericht • Flakhelfer RHJg 1929 Organische Halluzinose (F 06.0) – Seit Oxycodongabe wegen Spinalstenose nachts Alpträume, sieht Szenen von früher, tagsüber verwirrt – Zunehmend depressiv – 1945 15 Jahre Freund wird durch Luftangriff getötet – Er läuft weg in Panik – Soll als Deserteur hingerichtet werden – Weint bitterlich nur bei erster Schilderung – Nach adäquater Antidepressivagabe – Keine weiteren Alpträume und – Stabilisierung Traumatic Events of Women Who Experienced Wartime Rape as Assessed by the Modified PDSa Interviews with 27 German women (76-89 years) Age at rape 12-26 years Traumatic Event n (%) Wartime rape 27 (100) 63% Displaced from Eastern Prussia, Starvation 23 (85) Seeing dead and mutilated bodies 21 (78) Pommerania and Silesia in 2008: Violent assault 19 (70) 5 (19%) PTSD, Sexual assault with age < 18 19 (70) 8 (30%) partial PTSD Combat exposure 18 (67) Thirst 16 (59) Forced displacement 15 (56) Threat to be murdered 15 (56) Life-threatening disease 13 (48) Severe accident or explosion 12 (44) Witnessing mass rapes 12 (44) aPercentage refers to the total number of Kuwert et al. (J Nerv Ment Dis 2010;198: 450–451) participants, n 27. Böwing et al Nervenarzt 2008 Böwing et al Nervenarzt 2008 Böwing et al Nervenarzt 2008 Birnbaum 1919, nach Böwing et al Nervenarzt 2008 -> dauerhaft Haloperidol? -> Vermeidung von Retraumatisierung • Einfache Trauer – Trauerreaktion mit Rückzug und häufigem Weinen. – Allmähliche Anpassung an die neue Situation. – Keine gesundheitliche Folgen – Nur kurzfristiger sozialer Rückzug • Komplizierte Trauer – Depressive Reaktion, Panik, Reizbarkeit, Intrusionen – Starke impulsive Reaktionen wie Wut, Schuldgefühle und Angst. Keine Anpassung – Schlaf- und Essstörungen, Infektanfälligkeit – Vernachlässigung des sozialen Netzes, Vereinsamung Therapie der pathologischen Trauer II • Ressourcenaktivierung – Aktivierung sozialer Kompetenzen – Aktivierung positiver Gefühle – Aktivierung sozialer Netzwerke – positive Erfahrung mit verstorbener Person ermöglichen • Problemaktivierung – Thematisieren des Verlustes – schmerzhafte Gefühle ansprechen – helfen, der Trauer Ausdruck zu verleihen – Rekonstruktion der Beziehung zur verstorbenen Person Psychotherapie bei Älteren (Märcker et al.) Möglichkeiten der multimodalen Behandlung und Hilfen I (Hirsch 2005) • Problematisierung von Einsamkeitsgefühlen und deren bisherige Bewältigung/Nichtbewältigung -unter Einbeziehung der Lebensgeschichte und Bezugspersonen • Strategien, allein sein zu können und sich dabei nicht einsam zu fühlen • Beachtung und gegebenenfalls Hilfen bei Seh-, Hör- und Gangstörungen sowie Inkontinenz Weitere Therapieansätze • • • • Schreibtherapie Zeitzeugnis abgeben Zeitgeschichtlich denken Rücksicht nehmen – Bei der Pflege – Bei der Wahl der Pflegenden • Med. Ansätze – SSRI Lyrica? Vielen Dank