BULLETIN DER BUNDESREGIERUNG

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BULLETIN
DER
BUNDESREGIERUNG
Nr. 43-1 vom 24. April 2016
Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
zur Eröffnung der Hannover Messe
am 24. April 2016 in Hannover:
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Weil,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Schostok,
sehr geehrter Herr Ziesemer,
sehr geehrte Kollegen aus dem deutschen Kabinett,
sehr geehrte Secretary Pritzker,
meine Damen und Herren
und natürlich – last but not least – sehr geehrter Herr Präsident, lieber Barack Obama,
ich denke, ich kann im Namen aller hier Anwesenden sagen, dass wir uns sehr freuen,
dass Du, lieber Barack, heute hierhergekommen bist und bei der Eröffnung der Hannover Messe dabei bist. Danke.
Du gibst ein starkes Zeichen der Verbundenheit unserer beiden Länder und ihrer Menschen. Ich danke Dir auch ganz persönlich dafür. Diese gemeinsame Eröffnung der
Hannover Messe ist doch eine weitere Gelegenheit dafür, mit engen Freunden zusammen zu sein und über alle – und das sind nicht wenige – spannenden Fragen sprechen
zu können. Es ist mir natürlich eine große Freude, Dich gemeinsam mit allen amerikanischen Gästen hier in Hannover begrüßen zu können. Herzlich willkommen bei Freunden – welcome to Germany.
Über die transatlantische Partnerschaft wird viel und oft gesprochen – zu Recht und
aus unzähligen Gründen. Aber hier auf der Hannover Messe wird eben nicht nur darüber gesprochen. Hier wird diese einzigartige Partnerschaft auch direkt erlebbar und
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erfahrbar – wie wir gehört haben, mit dem E-Auto und mit dem 3D-Drucker sogar unmittelbar erfahrbar. Hier zeigen sich die deutsch-amerikanische, die transatlantische
Partnerschaft von ihrer praktischen Seite.
Von Anfang an waren die Vereinigten Staaten von Amerika ein wichtiger Partner dieser
Industrieschau. In übertragenem Sinne, aber auch tatsächlich gab es schon sehr bald
einen kurzen Draht zueinander. Denn schon 1948, also im zweiten Jahr der Hannover
Messe, gab es eine Telefonleitung vom Messegelände hier nach New York. Ab 1950
zeigten auch Aussteller aus den USA ihre Neuheiten.
In diesem Jahr sind die Vereinigten Staaten von Amerika nach 1996 wieder Partnerland der Hannover Messe. Dies ist ein schönes Zeichen unserer engen Zusammenarbeit. Jeder wird sich an den kommenden Messetagen davon überzeugen können. Es
kommen mehr als 400 Aussteller aus den USA. Das sind viermal so viele wie normalerweise, was sich wahrscheinlich auch mit dem Partnerland-Status erklärt. Aber Sie,
liebe amerikanische Freunde, haben jetzt Maßstäbe gesetzt. Da ja alles mehr werden
sollte, erwarten wir nächstes Jahr wieder eine deutliche, gute Präsenz.
Lieber Barack, wir haben oft darüber gesprochen: Die hohe Ausstellerzahl der amerikanischen Unternehmen spiegelt vor allem auch eines wider, nämlich die Bedeutung
der Industrie, die während Deiner Präsidentschaft und nach der großen Finanz- und
Wirtschaftskrise in den Vereinigten Staaten wieder strategisch neu entwickelt wurde.
Wir wissen das; und wir sind gewappnet. Wir lieben den Wettbewerb, aber wir gewinnen auch gerne.
Deutschland kann – allem Wandel vergangener Jahrzehnte zum Trotz – nach wie vor
auf eine starke Industrie bauen. Der Anteil an der Wertschöpfung lag 2015 bei fast 23
Prozent – das ist im internationalen Vergleich also sehr hoch. Die deutsche Industrie
ist außerdem mit anderen Bereichen sehr stark vernetzt. Deshalb gilt unsere Industrie
auch als Motor unserer Volkswirtschaft. Die Hannover Messe ist traditionell das Schaufenster für die Leistungs-, Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Sie ist die weltweit größte Industriemesse überhaupt.
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Die ohnehin engen deutsch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen – der Präsident
hat es eben gesagt – zeigen sich auch darin, dass wir seit 1960 wieder mit den USA
den wichtigsten Handelspartner haben; und das mit einem Handelsvolumen von über
173 Milliarden Euro. Deutsche Unternehmen exportierten in die USA Waren im Wert
von knapp 114 Milliarden Euro. Wir wissen, dass die Bilanz nicht ganz ausgeglichen
ist. Das wollen wir aber sozusagen nicht in den Verhandlungen dauernd vorgehalten
bekommen. Wenn, dann muss es durch fairen Wettbewerb ausgeglichen werden. Ich
will jetzt hier bestimmte Worte gar nicht nennen, aber „Buy German“ ist auch schön.
In unseren beiden Ländern wissen wir uns gegenseitig auch als attraktive Investitionsstandorte zu schätzen. Der Bestand der unmittelbaren deutschen Direktinvestitionen
in den USA lag 2014 bei rund 224 Milliarden US-Dollar. Die US-amerikanischen Direktinvestitionen bei uns beliefen sich auf 115 Milliarden US-Dollar. Diese Zahlen – auch
das hat der Präsident eben schon gesagt – bedeuten: 620.000 Arbeitsplätze sichern
deutsche Unternehmen in den USA und 800.000 Arbeitsplätze sichern US-Unternehmen in Deutschland. Das ist etwas, das für die Menschen zählt, das sie täglich erleben.
Das ist das, was wir weiterentwickeln wollen. Deshalb wollen wir das einzigartige Zeitfenster nutzen, wenn es um das große Projekt des Transatlantischen Handels- und
Investitionspartnerschaftsabkommen, das TTIP, geht.
Wir alle kennen die Vorbehalte, die Sorgen, die Ängste. Wir alle wissen, welche
Schwierigkeiten noch zu überwinden sind. Aber ich bin zutiefst davon überzeugt: Wenn
wir es richtig machen, wenn wir die Zeit, die wir haben, nutzen, wenn wir den Menschen wieder und wieder sagen, dass die Standards nicht abgesenkt werden, sondern
dass sie bleiben oder erhöht werden, wenn wir sagen, dass wir mit diesem Abkommen
im ökologischen Bereich, im sozialen Bereich, im Bereich des Verbraucherschutzes
Globalisierung gestalten können und müssen und nicht mehr anderen hinterherlaufen,
die vorne dran sind, wenn wir das gemeinsam tun – und meine Bitte an Sie, die anwesenden Unternehmer, ist: tun Sie es, auch gegenüber Ihren Belegschaften –, dann
können wir noch in diesem Jahr einen großen Erfolg erzielen. Wir, die Bundesregierung, wollen das – ich will das hier ausdrücklich sagen – und werden in Europa dafür
werben, dass auch die Europäische Union insgesamt eine starke Verhandlungsdynamik hier hineinbringt.
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Wir wissen, dass das transpazifische Abkommen bereits fertig verhandelt ist. Der amerikanische Präsident hat darauf hingewiesen. Die Arbeitslosigkeit in Europa ist im Augenblick hoch. Die wirtschaftliche Dynamik ist nicht so groß, wie wir uns das wünschen.
Jedes von der Europäischen Union abgeschlossene Handelsabkommen hat in den
vergangenen Jahren gezeigt, dass die Dynamik der Wirtschaft gewachsen ist. Denken
wir etwa nur an das EU-Südkorea-Abkommen. Dieses Abkommen, TTIP, ist ein Abkommen, das in ganz besonderer Weise Standards setzt. Deshalb will ich mich auch
hier deutlich dafür aussprechen, das Zeitfenster zu nutzen, die Chance zu nutzen, die
so schnell nicht wiederkommen wird. Deshalb lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten.
Noch aus einem anderen Grund ist das Jahr 2016 ein spannendes Jahr, das für die
Anwesenheit eines amerikanischen Präsidenten und das Gastland Vereinigte Staaten
von Amerika auf der Hannover Messe spricht. Wir kennen auf der einen Seite die Stärken der amerikanischen Unternehmen im Bereich des Internet, im Bereich der digitalen
Wirtschaft. Wir kennen auf der anderen Seite unsere beiden Stärken im industriellen
Bereich. Deutschland weiß um die Wichtigkeit, auch die digitale Wirtschaft zu entwickeln. Die Start-up-Szene hat sich gut entwickelt. Wir können viel von den Vereinigten
Staaten von Amerika lernen.
Aber jetzt befinden wir uns in einem ganz besonderen Moment – in einem Moment, in
dem sozusagen die digitale Agenda mit der industriellen Produktion verschmilzt, was
wir Industrie 4.0 oder Internet der Dinge nennen. Was passiert? Alle Gegenstände,
alle Maschinen, alle Autos, alle Motoren, alle Ventile, alle Fahrstühle, alle möglichen
Produkte liefern Daten. Diese Daten werden verarbeitet; das sogenannte Data Mining
findet statt. Aus diesen Daten entsteht ein Mehrwert, entstehen intelligente Systeme.
Diese Systeme geben uns vollkommen neue Chancen. In diesem Prozess vorne mit
dabei zu sein, in diesem Prozess die Standards zu setzen, sollte der Anspruch der
Europäischen Union gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika sein.
Deutschland hat es geschafft – ich halte das für einen großen Fortschritt –, dass die
„Plattform Industrie 4.0“, die wir in der Bundesregierung entwickelt haben, jetzt mit dem
„Industrial Internet Consortium“ kooperiert. Gemeinsam können Standards entwickelt
werden, die dann auch für die Entwicklungen auf der Welt bestimmend sein können.
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Wir wissen, dass für die Europäische Union in der digitalen Entwicklung, in der Zeit
des Internets der Dinge riesige Chancen verborgen liegen, aber, wenn wir es nicht
schaffen, diese zu nutzen, auch die Gefahr, die Vorteile des europäischen Binnenmarkts – eines Binnenmarkts mit 500 Millionen Menschen mit einem guten Lebensstandard –, einzubüßen und viele Chancen zu vergeben. Deshalb ist dies eine Zeit, in
der die Zukunftsweichen über die Stärke der großen Industriestandorte in der Welt
gestellt werden. Wir haben diese Schlacht – das sage ich für die europäische, für die
deutsche Seite – noch nicht gewonnen, auch wenn wir gute Ausgangspositionen haben. Deshalb schätzen wir den Austausch auf dieser Messe ganz besonders.
Etwas Ähnliches gilt für den Bereich Energie. Die USA und Deutschland haben ein
gemeinsames Interesse an stabilen, offenen, transparenten Energiemärkten. Deutschland begibt sich auf einen sehr speziellen Pfad der Energiewende. Wir glauben, dass
wir für die Energieproduktion der Zukunft für die Welt gute Beiträge liefern können. Ich
möchte mich an dieser Stelle auch dafür bedanken, dass es uns gelungen ist, ein Klimaabkommen in Paris fertigzustellen. Wir alle kennen die Frustration von Kopenhagen; aus dieser Frustration ist eine Dynamik erwachsen. Lieber Barack, ich möchte
mich ganz herzlich bei Dir bedanken. Es ist in der Vergangenheit nicht selbstverständlich gewesen, dass sich amerikanische Präsidenten an die Spitze der Bewegung für
Klimaabkommen gestellt haben. Danke. Ohne die Vereinigten Staaten von Amerika
wäre das nicht möglich gewesen.
Das gemeinsame Bekenntnis zum freien Handel, die gemeinsame Ausarbeitung der
Industrieproduktion der Zukunft, eine Gemeinsamkeit in der Gestaltung einer Energiepolitik, die globalen Energiekonsum möglich macht, ohne dass wir unsere Natur ruinieren – das allein sind schon drei Gründe für eine starke transatlantische Partnerschaft. Wir haben heute Nachmittag auch über andere Punkte gesprochen. Denn eine
gute wirtschaftliche, industrielle Entwicklung ist für uns alle nur möglich, wenn wir in
Sicherheit leben können, wenn es möglich ist, den Gefahren der Welt zu begegnen.
Das bedeutet, dass wir dort zusammenarbeiten, wo Sicherheit gefährdet ist – ob das
in Afghanistan ist, ob es um den Kampf gegen den internationalen Terrorismus geht,
ob es um den Kampf gegen die Ursachen von Flucht und Vertreibung geht, also um
den Kampf dafür, dass Menschen weltweit in Sicherheit leben können.
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Deshalb weiß ich, dass der Präsident der Vereinigten Staaten, Barack Obama, die
Europäische Union und ihre Herausforderungen klar im Blick hat und dass er zutiefst
der Überzeugung ist, dass wir nur gemeinsam diese Herausforderungen bewältigen
können, was natürlich ein verstärktes Engagement der Europäischen Union bedeutet,
um die transatlantische Partnerschaft zu kräftigen.
Ich glaube, diese Gründe zeigen, von welch strategischer Bedeutung der Besuch von
Barack Obama hier in Deutschland und gerade auch auf dieser Messe ist, weil es –
viele Jahre, Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, 25 oder 26 Jahre nach Ende des
Kalten Krieges in einer Welt, in der wir völlig neuen Herausforderungen begegnen, in
einer Zeit, in der sich die Welt mit all ihren Komplikationen, aber auch all ihren Chancen
neu orientiert – nun auch an der Zeit ist, ein neues Bekenntnis zur transatlantischen
Partnerschaft abzulegen. Dieser Besuch hier ist dazu eine gute Möglichkeit.
Deshalb freue ich mich, dass die Vereinigten Staaten von Amerika Gastland sind, dass
der Präsident hier bei uns ist, dass wir morgen einen gemeinsamen Rundgang machen
werden, um deutlich zu machen: Das alles sind nicht nur Worte, das alles sind auch
Ergebnisse gemeinsamer Zusammenarbeit. Wir werden morgen auch interessante
Produkte sehen, bei denen wir miteinander im Wettbewerb stehen. Lassen Sie uns die
Chance der Hannover Messe nutzen.
Und damit erkläre ich die diesjährige Hannover Messe für eröffnet.
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