Hernan Cortés – spanischer Eroberer

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Hessischer Rundfunk
hr2-kultur
Redaktion: Dr. Arne Kapitza
Wissenswert
Hernán Cortés – der Eroberer
Von
Sylvia Schopf
Sendung: 28.10.09, 08.30 Uhr, hr2-kultur
09-136
Copyright
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MUSIK 1
Vangelis „El Greco“, Take 1 (bis max. 0’29)
ATMO 1
SPRECHERIN
Meeresrauschen
18. Februar 1519: Der Hafen von Havanna auf der Karibikinsel
„Fernandina“, dem heutigen Kuba. Überstürzt stechen an diesem
warmen Frühlingstag elf Schiffe mit insgesamt 500 Mann
Besatzung in See. Ihr Befehlshaber ist der 34-jährige Hernán
Cortés. Der ehrgeizige Mann, der aus dem niederen spanischen
Adel stammt, lebt bereits seit 14 Jahren in den spanischen
Überseekolonien. Er ist zwar zum wohlhabenden Kolonialherrn und
angesehenen Guts- und Goldminenbesitzer aufgestiegen, aber er
hat bisher an keiner Expedition teilgenommen. Seit vier Jahren ist
er mit der Spanierin Catalina Xuárez (spr.: Katalina Chuáres)
verheiratet. Keinesfalls freiwillig, sondern auf Druck des
kubanischen Gouverneurs Diego Velázquez, mit dem die junge Frau
verwandt ist. Der Gouverneur ist es auch, der Cortés beauftragt,
eine Expedition an die mexikanische Küste zu leiten. Erkunden,
aber nicht erobern, so lautet der Auftrag. Der große Eifer jedoch,
mit dem sich Cortés in die Ausrüstung der Flotte stürzt, läßt den
Gouverneur mißtrauisch werden.
O-TON 1 (0’08)
Velázquez hatte versucht, ihn von dieser Expedition noch
zurückzuholen, aber da war Cortés bereits los gesegelt, und man
konnte ihn nicht mehr stoppen.
SPRECHERIN
Erzählt Nikolai Grube, Professor für Altamerikanistik von der
Universität Bonn. Denn für den ehrgeizigen Cortés ist mit dem
Kommando über die Expedition endlich eine Chance gekommen,
seine im Verborgenen gehegten Ambitionen und Träume zu
verwirklichen. Wie so viele Männer der damaligen Zeit will auch er
durch Eroberungen zu Ruhm, Ehre und Reichtum kommen.
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O-TON 2 (0’19)
Cortés war sicherlich ein geltungssüchtiger, machthungriger
Mensch. Er hat sich ja auch später noch an vielen anderen
Expeditionen beteiligt. Er hat keine militärischen Vorkenntnisse
gehabt. Er ist Jurist gewesen, hat ja studiert in Salamanca. Er
kommt aus kleinen Verhältnissen, hat sich aber hoch gearbeitet,
vielleicht ist das auch der Grund für sein ausgeprägtes
Geltungsbedürfnis gewesen.
SPRECHERIN
Immer wieder handelt er gegen Verordnungen und Befehle wie die
seines Vorgesetzten, des Gouverneurs Velazquez, obwohl er weiß,
dass ihn das Kopf und Kragen kosten kann. Deshalb setzt er alles
daran, Karl V. - den spanischen König und deutschen Kaiser – zu
beeindrucken und für sich zu gewinnen. Er sendet Fürsprecher an
den spanischen Königshof, schickt dem Herrscher immer wieder
prächtige Geschenke und auch seine eigenen Leute weiß der Mann
aus der spanischen Provinz zu beeindrucken.
O-Ton 3 (0’16)
Also, ich glaube, darin lag tatsächlich seine Genialität. Er wußte
seine eigenen Leute gut anzuführen und zu motivieren. Er hatte
sicherlich sehr viel Energie, war ein Anführer, dem es auch gelang
mit einer überzeugenden Rhetorik seine eigenen Leute
zusammenzuhalten und auch in gefährlichen Situationen zu
motivieren.
ATMO 1
Meerresrauschen
SPRECHERIN
Als Cortés im Frühjahr 1519 mit seiner Flotte an der Küste Mexikos
landet, um das Reich der Azteken für die spanische Krone zu
erobern, weiß er, dass er nicht auf militärische Stärke oder gar
Überlegenheit setzen kann. Seine Truppe umfaßt gerade mal 600
Mann, 16 Pferde und einige Kanonen. Wie Nikolai Grube erläutert,
wird die Bedeutung der waffentechnischen Überlegenheit der
Spanier überschätzt:
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O-TON 4+ (0’39) Allein schon der Transport dieser schwerfälligen Kanonen über die
Bergpässe, auf Höhen von 2000/3000 Metern, dürfte extrem
beschwerlich gewesen sein. Wir wissen auch aus späteren Quellen
von den Spaniern selbst, daß sie sich über ihre schwerfällige
Ausrüstung beschweren, über die unflexible Taktik. Ich denke, dass
die Azteken zwar waffentechnisch unterlegen gewesen sind, aber
sehr viel angepaßter haben Krieg führen können. Sie konnten sich
verstecken, kannten das Terrain, sie hatten leichte Waffen, waren
viel beweglicher. Also, die Waffen spielen eine geringere Rolle als
diese strategische Überlegungen. Einer seiner ersten Schachzüge
war, seine Schiffe zu verbrennen.
SPRECHERIN
Als sich Cortés anschickt, von der mexikanischen Küste ins
Landesinnere zu ziehen, regt sich bei einigen in der Mannschaft
Widerstand. Sie fordern die Rückkehr nach Kuba. Kurzerhand lässt
er die gesamte Flotte vernichten.
Atmo 2:
Großer Brand/Prasselndes Feuer
SPRECHERIN
Eine andere Strategie von Cortés‘ heißt: Überlegenheit durch
Informationsvorsprung, Wissen ist Macht! Gezielt beschafft er sich
Informationen über die Geographie und die politische Situation im
Land. Und wie kein anderer vor ihm, bemüht er sich von Anfang an
um die sprachliche Verständigung mit den Einheimischen.
O-TON 5 (0’34)
Cortés wußte, daß eine Eroberung oder überhaupt jegliche Aktivität
in dem großen, neuen Gebiet, was er nun vor sich hatte, nicht
möglich gewesen wäre, ohne eine Kommunikation, ohne eine
Verständigung und da hatte er nun einen Glücksfall, einen
doppelten Glücksfall, denn auf der einen Seite hatte er Jeronimo
Aguilar [Chxerónimo Ágilar]. Das war ein Spanier gewesen, der
1511 bei einem Schiffbruch vor der Küste Yucatans angelangt war,
von den Maya gefangen gehalten wurde, aber die Sprache gelernt
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hatte, die Mayasprache, und nun einer der ersten Spanier war, der
beide Sprachen konnte.
SPRECHERIN
Gleich zu Beginn der Expedition läuft Cortés mit seiner Flotte die
Insel Cozumel (spr.: Co-sumél) vor der Küste von Yucatan an und
lässt nach dem vermissten Spanier suchen. Vergeblich. Doch im
letzten Augenblick taucht Aguilar auf, und Cortés nimmt ihn als
Übersetzer mit an Bord.
ATMO 1:
Meeresrauschen
SPRECHERIN
Im weiteren Verlauf der Expedition entlang der mexikanischen
Küste geraten Cortés und seine Leute in eine erste kriegerische
Auseinandersetzung mit einem Mayastamm. Er setzt Kanonen und
Pferde ein, die bei den Maya unbekannt sind, und sorgt so für große
Verwirrung bei den Gegnern. Und immer wieder lässt er kleine
Gruppen überraschend aus dem Hinterhalt angreifen, so dass die
Spanier, obwohl zahlenmäßig unterlegen, letztlich die indianischen
Krieger bezwingen. Als Siegergeschenk erhält Cortés von den
besiegten Maya 20 junge Frauen. Eine von ihnen ist eine aztekische
Adlige namens Malinche [spr.: Malintsche].
O-TON 6 (0’21)
Malinche war ebenfalls zweisprachig. Sie sprach Aztekisch und
Maya, und nun konnte Cortés sich auf der einen Seite mit Hilfe von
Aguilar vom Spanischen ins Maya verständigen und Malinche
konnte dann vom Maya ins Aztekische übersetzen und über diese
Kommunikationskette funktionierte dann die Verständigung mit den
Menschen an der mexikanischen Golfküste, die aztekisch sprachen.
SPRECHERIN
Schon bald braucht Cortés seinen spanischen Übersetzer nicht
mehr, denn Malinche, die junge Aztekin, lernt rasch Spanisch, wird
seine Übersetzerin, ständige Begleiterin und später auch seine
Geliebte.
MUSIK 2
(Lila Downs „Una sangre“/Take 6 „Malinche“ [oder Mariachi])
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SPRECHERIN
Mit Hilfe seiner beiden Übersetzer erkundigt sich Cortés ganz
gezielt bei den Einheimischen und kann sich bald ein Bild über die
politische Lage im Aztekenreich machen.
O-TON 7 (0’42)
Die Azteken hatten in den Jahrzehnten vor der Ankunft der Spanier
viele indianische Völker unterjocht und zu Tributleistungen
gezwungen. Und diese indianischen Völker wollten sich bei erster
Gelegenheit von dem aztekischen Tributjoch befreien. Und die
sahen in den Spaniern Verbündete und schlossen sich ihnen
deshalb an, um auf diese Weise einen Krieg zu führen gegen die
aztekische Oberherrschaft. Man kann sagen, daß die Eroberung des
Aztekenreiches nur deswegen funktionierte, weil es viele
indianische Hilfstruppen gegeben hat. Und der Grund dafür waren
interne Konflikte und Streitigkeiten in Mexiko.
SPRECHERIN
Neben den brüchigen innenpolitischen Verhältnissen und dem
diplomatischem Geschick, die Parteien gegeneinander
auszuspielen, kommen Cortés bei seinem Eroberungsfeldzug auch
Zufälle und Missverständnisse zu Hilfe.
O-TON 8 (0’28)
Die Azteken sind sich der Dimension der spanischen Bedrohung
nicht bewußt gewesen. Sie hatten in den Spaniern und den
Tlaxcalteken, die mit ihnen zusammen kämpften, einen Aufstand
gesehen. Einen Aufstand, den man dann hätte niederschlagen
können und daraufhin wäre dann wieder Ruhe eingekehrt. Sie
haben in den Spaniern nicht die Vorboten einer großen Eroberung
gesehen. Und vermutlich wußte Montezuma tatsächlich nicht, was
die Spanier bedeuteten.
SPRECHERIN
Und außerdem, so der Altamerikanist Nikolai Grube, war den
Azteken der Gedanke an territoriale Eroberungskriege fremd:
O-TON 9 (0’25)
Wenn die Azteken Kriegszüge unternahmen, dann hatten sie nur
das Ziel, ein Gebiet zu bezwingen, den Herrscher gefangen zu
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nehmen, ihn zur Tributzahlung zu bewegen und ihn dann wieder
zurück zu senden in sein Heimatland. Dort konnte der Herrscher
dann weiter regieren, war dann aber ein Vasall des aztekischen
Staates - und vermutlich hatten sie gedacht, daß mit Cortés ein
ähnliches Verfahren möglich wäre, während Cortés ganz klar von
Anfang an an eine Eroberung dachte.
MUSIK 3: z.B. Vangelis „El Greco“ (Take 3) - auch unterlegen
SPRECHERIN
Im November 1519 zieht Cortés mit seinen indianischen
Verbündeten triumphierend in die aztekische Hauptstadt
Tenochtitlán (spr.: Te-notsch-titlán) ein und nimmt kurz darauf den
legendären aztekischen Herrscher Montezuma gefangen. Doch
dann verlässt den erfolgreichen Spanier und seine Leute das Glück.
Zu spät erkennt Cortés, dass sie in einer Falle sitzen, denn die
aztekische Hauptstadt liegt auf einer Insel im See und kann nur
über gut zu kontrollierende Dammwege verlassen werden. Der
Rückweg aus der Stadt ist ihnen versperrt. Nachdem die Spanier
ein dreiviertel Jahr in Tenochtitlán festsitzen, sieht Cortés nur noch
eine Möglichkeit, der aussichtslosen Lage zu entkommen: am 30.
Juni 1520 wagen er und seine Leute im Schutz der Dunkelheit die
Flucht aus der Stadt. Sie endet in einer Katastrophe! Ein Großteil
der Männer kommt dabei um. Die meisten stürzen schwer beladen
mit ergaunertem aztekischen Gold und anderen Schätzen in den
See und ertrinken, andere werden von den angreifenden Azteken
tödlich verwundet. Als „noche triste“ (spr.: notsche triste) „traurige Nacht“ – geht dieser Tag in die Geschichte ein.
MUSIK 3
(Vangelis „El Greco“ Take 3)
SPRECHERIN
Trotz der großen Verluste und der unrühmlichen Niederlage gibt
Cortés seine Eroberungspläne nicht auf. Nachdem die Toten
begraben und die Wunden verheilt sind, beginnt er seine Leute
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rhetorisch wieder aufzubauen, sie erneut für seine Pläne zu
begeistern. Er entwirft eine neue Angriffsstrategie und läßt dafür
Boote bauen. Knapp ein Jahr nach der Niederlage wagen die
Spanier, unterstützt von ihren indianischen Verbündeten, im Mai
1521einen erneuten Angriff auf die aztekische Hauptstadt. Die
Einwohner von Tenochtitlán und der aztekische Herrscher
verteidigen sich, so gut es geht. Doch nach dreimonatiger
Belagerung kapitulieren die Verbliebenen entkräftet und ohne
jegliche Hoffnung.
O-TON 11 (0’35) Auch wenn es Cortés gelang, die Hauptstadt Tenochtitlán 1521
unter seine Kontrolle zu bringen und dann 1524 daraus „MexikoStadt“ zu machen, also dann wirklich ganz deutlich zu machen, daß
es sich jetzt um die Hauptstadt eines neuen, spanisch geprägten
Vizekönigreiches handeln sollte, so war doch deutlich, daß die
Herrschaft der Spanier sich beschränkte auf ganz, ganz wenige
kleine Flecken und ein Großteil des sogenannten aztekischen
Reiches war letztlich immer noch in indianischer Hand und merkte
von der spanischen Präsenz sehr wenig. Also die Eroberung hat
letztlich noch 2/300 Jahre angedauert.
SPRECHERIN
Als Hernan Cortés 1521 die aztekische Hauptstadt in seine Gewalt
bringt, ist er 36 Jahre alt und auf der Höhe seiner Macht. Er beginnt
sofort mit dem Aufbau einer Verwaltung und erhebt den Anspruch,
Vizekönig dieses neuen Kolonialreiches zu werden. Doch Karl V. ––
lehnt das - auch unter dem Einfluss von Cortés‘ Widersachern - ab.
Zwar wird Cortés mit großen Ehren am spanischen Königshof
empfangen, bekommt ausgedehnte Ländereien in Neu-Spanien
zugesprochen und den Titel eines „Markgrafen des Tales von
Oaxaca“ [oa’chacka, ch = stimml.]. Doch den heiß begehrten Posten
des Vizekönig bekommt ein anderer. Cortés ist enttäuscht, erbost
und fühlt sich um die Früchte seiner Eroberungen betrogen - und
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er beginnt um Anerkennung zu kämpfen. Er organisiert weitere
Eroberungszüge, hofft auf neuerliche Erfolge, prozessiert, klagt
vermeintliche Rechte, Pfründe, Tribute und Gelder ein. Aber immer
wieder scheitert er und verliert zunehmend die Realität aus den
Augen. Schließlich kehrt er 1540 nach Spanien zurück. Er ist nun 55
Jahre alt, verbittert und gesundheitlich angeschlagen.
Musik (bedächtig/traurig – unterlegen)
Sieben Jahre später stirbt er am 2. Dezember 1547 zurückgezogen
in einem kleinen Dorf bei Sevilla. In seinem Testament verfügt er, in
der mexikanischen Hauptstadt begraben zu werden. Doch erst
knapp 20 Jahre nach seinem Tod werden seine sterblichen
Überreste nach Mexiko überführt und im Laufe der nächsten 200
Jahre immer wieder umgebettet. Heute erinnert eine schmucklose
Grabplatte in der Nische einer Kirche in Mexiko-Stadt an Hernán
Cortés. Und bis heute ist er eine schillernde und umstrittene
Gestalt der spanischen Eroberungsgeschichte. Für die einen ist er
ein brutaler und skrupelloser Zerstörer; für andere ein begnadeter
Taktiker und Politiker. Die Folgen für die eroberten Völker jedoch
waren und sind gravierend, so der Altamerikanist Nikolai Grube.
O-Ton 11 (0’39) Einer der dramatischen Folgen ist sicherlich der Rückgang der
Bevölkerung gewesen. Eine Folge der Krankheiten, die die Spanier
nach Mexiko und Lateinamerika brachten. Etwa die Hälfte der
Bevölkerung, wenn nicht sogar mehr, starb, weil sie über keine
Antikörper verfügten gegen die von den Europäern eingeschleppten
Krankheiten. Es folgten Fronarbeit, Steuern, Zwangsarbeit und
letztlich der Verlust von kultureller und politischer Souveränität
und Autonomie. Die Folgen von der spanischen Eroberung, das sind
die offenen Adern Lateinamerikas, die nach wie vor bluten und dazu
führen, dass es in vielen lateinamerikanischen Ländern eigetnlich
noch immer koloniale Strukturen gibt.
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MUSIK 4
(z.B. Lila Downs „Una sangre“, Refrain Titelsong)
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