IA60_208.qxp 07.08.2007 16:58 Seite 2 64 I SERIE EVA – FORSCHUNGSPROJEKT EVALUIERUNG VON ENERGIEKONZEPTEN: AUF DEM PRÜFSTAND X Das Forschungsprojekt EVA des IGS – Institut für Gebäude- und Solartechnik im Fachbereich Architektur der TU Braunschweig, Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch, nimmt Energiekonzepte und den Nutzerkomfort realisierter Bürogebäude unter die Lupe. In Folge berichten wir über die Ergebnisse aus der Praxis. Abbildung 1: Lageplan Von Christian Sasse, Herdis Kipry, M. Norbert Fisch Bauherr GELSENWASSER AG Willy-Brandt-Allee 26 45891 Gelsenkirchen Architekten Anin Jeromin Fitilidis & Partner Architekten Düsseldorf Grunerstraße 36 40239 Düsseldorf Energiekonzept TRANSSOLAR Energietechnik GmbH Curiestraße 2 70563 Stuttgart Energiemonitoring TU Braunschweig Institut für Gebäude- und Solartechnik Mühlenpfordtstr. 23 38106 Braunschweig Evaluierung Technische Universität Braunschweig Fachbereich Architektur IGS – Institut für Gebäudeund Solartechnik Prof. Dr.-Ing. M. N. Fisch Mühlenpfordtstraße 23 38106 Braunschweig T 0531/391-3555 E [email protected] www.igs.bau.tu-bs.de Förderung Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie – BMWI, Berlin EVA wird unterstützt durch: E.ON – Berliner Energie Fond Projektpartner Universität Karlsruhe, Fachbereich Bauphysik Prof. K. Müller + Partner Consulting GmbH Steinbeis-Transferzentrum Energie-, Gebäude- und Solartechnik, Stuttgart hbr Architekten, Hamburg DEZEM – Dezentrale Messtechnik, Berlin Projektlaufzeit: 2004 bis 2007 Internetlinks www.igs.bau.tu-bs.de www.enob.info www.energydesign-bs.de Bericht Nr. X -Verwaltungsgebäude GELSENWASSER AG, Gelsenkirchen Architektur: Anin – Jeromin – Fitilidis & Partner, Düsseldorf Mit dem Forschungs- und Entwicklungsprojekt EVA – Evaluierung von Energiekonzepten untersucht das Institut für Gebäude und Solartechnik (IGS) der TU Braunschweig, Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch, die Energieeffizienz, das Raumklima und den Nutzerkomfort sowie Bauund Betriebskosten zukunftsweisender Bürogebäude in der Praxis. Geprüft werden innovative Energiekonzepte und Komponenten wie Betonkerntemperierung, Atrien, dezentrale Lüftungstechnik etc. Bürogebäude wie die Hauptverwaltung der GELSENWASSER AG mit Anlagen zur saisonalen Wärmespeicherung im Erdreich werden darüber hinaus vertiefend im Forschungs- und Entwicklungsprojekt WKSP – Wärme- und Kältespeicherung im Gründungsbereich untersucht. Ziel ist es, die Energiekonzepte von Bürogebäuden im Praxisbetrieb zu untersuchen und Optimierungspotenziale hinsichtlich Energieeffizienz (Strom, Wärme, Kälte) und Nutzerkomfort zu erschließen. Nutzer- und Betreibererfahrungen werden bewertet und Betriebsoptimierungen dokumentiert. Die Projekte EVA und WKSP werden durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) im Rahmen des Programms „EnOB - Energieoptimiertes Bauen” sowie durch den E.ON-Fonds / Berliner Energie-Fonds gefördert. 1 STÄDTEBAULICHE SITUATION UND ARCHITEKTONISCHER ENTWURF Das Erweiterungsgebäude der Hauptverwaltung der GELSENWASSER AG wurde im Jahr 2003 auf dem firmeneigenen Gelände an der WillyBrandt-Allee in Gelsenkirchen fertig gestellt. Eigentümer und Nutzer des Gebäudes ist die GELSENWASSER AG. Der neue Baukörper übernimmt die Proportionen des weißen Bestandsgebäudes und bildet mit seinen Abmessungen einen gläsernen Zwilling. Zwei gläserne Brücken verbinden die Gebäude miteinander und erschließen den Neubau. Das Gebäude hat in Längsrichtung ein Rastermaß von 4,88 m und eine Grundfläche von ca. 54 m x 15,50 m. Es besteht aus sieben Vollgeschossen, einem Staffelgeschoss sowie einem Untergeschoss mit Technik und EDV-Räumen. Die interne Erschließung erfolgt über zwei Aufzüge und ein Treppenhaus. Das Gebäude hat eine Brutto-Grundfläche (BGF) von etwa 7100 m². Es bietet mit einer Nettogrundfläche (NGF) von etwa 6350 m² Raum für ca. 230 Arbeitsplätze. In den Bürogeschossen dient ein breiter Mittelgang als Kommunikationszone und Treffpunkt für die Mitarbeiter. West- und östlich von dem Mittelgang liegen Einzel- und Gruppenbüros. Besprechungsräume und zweigeschossige Wintergärten befinden sich im nördlichen Kopfbereich. Die südlichen Kopfbereiche werden zum Teil für Großraumbüros genutzt. Im Staffelgeschoss sind ein großer Konferenzraum mit Dachgarten sowie eine Lüftungszentrale untergebracht. 1.1 Bürokonzept Die Büroräume sind offen und transparent gestaltet. Neben den Fassaden sind auch die Flurtrennwände geschosshoch verglast. Als Sichtschutz können Lamellenbehänge abschnittsweise geschlossen werden. Die Büromöbel und Decken sind in hellen Farben gehalten, Grau Abbildung 2: Blick von Norden auf Altbau (links) und Neubau (rechts) Abbildung 3: Fassadenansicht mit im Scheibenzwischenraum liegendem Sonnenschutz ist dominant. Neben abgependelten Langfeldleuchten zur Arbeitsplatzbeleuchtung dienen in das Raster der Heiz- und Kühldecken integrierte Halogenstrahler als Akzentbeleuchtung. Die Büros werden mechanisch mit Frischluft versorgt, wahlweise kann der Nutzer über Öffnungen in der Fassade natürlich lüften. 2 ENERGIEDESIGN Ziel der Planung war es, hohe Transparenz mit hohem thermischen Komfort zu verbinden. In einem innovativen Energiekonzept wird die Wärme- und Kälteversorgung des Bestandsgebäudes mit dem des Neubaus zu einer Einheit zusammengeführt. Ein auf der Liegenschaft vorhandenes Blockheizkraftwerk soll zur ganzjährigen Nutzung integriert werden. Der Anteil regenerativer Energiequellen spielt bei der Energieversorgung eine wesentliche Rolle. Abbildung 5: Grundriss 4.OG IA60_208.qxp 07.08.2007 16:58 Seite 3 65 Abbildung 4: Gebäudeansicht Neu- und Altbau Abbildung 6: Schnitt durch ein Standard-Büro Abbildung 7: Blick von einer Verbindungsbrücke in die Büros der neuen Hauptverwaltung (Holger Knauf) 2.1 Gebäudehülle Der rechteckige Baukörper ist vollverglast. Die Elementfassade besteht aus Aluminium mit feststehenden Glaselementen von 2,45 m Breite. Eine hochtransparente Isolierverglasung optimiert den sommerlichen und winterlichen Wärmeschutz. Im Scheibenzwischenraum ist ein Sonnenschutz aus hoch verspiegelten Horizontallamellen integriert. Im geschlossenen Zustand liegt der Energiedurchlassgrad ggesamt für die Fassade bei 6 %. Der Lichttransmissionsgrad L beträgt maximal 82 %. Zur optimalen Tageslichtnutzung können die Lamellen auch zur Lichtlenkung eingesetzt werden. Der Wärmedurchgangskoeffizient der gesamten Fassade erreicht 1,2 W/(m²K). Für eine natürliche Lüftung der Büros lassen sich in Höhe der Geschossdecken Lüftungskiemen auffahren. Die Ansteuerung erfolgt je Büro durch den Nutzer und deaktiviert die zusätzlich vorhandene mechanische Lüftung. Abbildung 8: Beispiel einer Kommunikationszone im Mittelgang eines Bürogeschosses (Holger Knauf) 2.2 Energiekonzept Eine Erdsonden-Anlage zur Nutzung oberflächennaher Geothermie, bestehend aus 36 Doppel-U-Sonden mit einer Tiefe von jeweils 150 m, ist Grundbaustein der Wärme- und Kälteversorgung des Gebäudes. Ein auf dem Gelände vorhandenes gasbetriebenes Blockheizkraftwerk (BHKW), dessen Abwärme bisher ausschließlich für Heizzwecke im Winter zum Einsatz kam, kann durch die Integration des Neubaus jetzt ganzjährig genutzt werden. So wird die Abwärme im Sommer für die Trocknung und Kühlung der Zuluft einer DCS-Lüftungsanlage (Dessicant-Cooling-System) genutzt. Zur Abdeckung von Lastspitzen wird ein Gaskessel herangezogen. Eine Photovoltaikanlage mit 25 kWp auf dem Dach des Neubaus ergänzt die Stromerzeugung. 2.2.1 Wärme und Kälteversorgung Die Wärme- und Kälteabgabe im Gebäude erfolgt über Heiz-/Kühldecken. Jedes Geschoss ist in vier Zonen eingeteilt, die unabhängig voneinander angesteuert werden können. So ist zonenweise ein paralleler Heiz- und Kühlbetrieb möglich. Versorgt werden die Heiz-/Kühldecken komplett über die Erdwärmesondenanlage. In Kombination mit einer reversiblen Wärmepumpe wird das Erdreich im Winter als Wärmequelle und im Sommer als Wärmespeicher genutzt. Für die Anlage gibt es drei Betriebsarten. In einem kombinierten Heizund Kühlbetrieb nutzt die Wärmepumpe interne Lasten aus dem Gebäude als Wärmequelle und versorgt so andere Bereiche mit Heizwärme. Im Frühjahr wird das Kältepotenzial des Bodens ohne Einsatz einer Kältemaschine im freien Kühlbetrieb genutzt. In der dritten Betriebsart wird die reversible Wärmepumpe als Kältemaschine eingesetzt und die Anlagenabwärme über das Sondenfeld in das Erdreich eingetragen. 2.2.2 Lüftung Für den gläsernen Riegel gibt es eine zentrale Lüftungsanlage mit Dessicant-Cooling-Funktion und Wärmerückgewinnung. Dabei wird die Kühlung der Zuluft mit Hilfe von Trocknungs- und Befeuchtungsvorgängen unter Einsatz der Abwärme aus dem BHKW realisiert. Das BHKW kann so ganzjährig betrieben werden. Muss die Zuluft nacherwärmt werden, erfolgt dies über die erdgekoppelte Wärmepumpenanlage. Über Bodengitter entlang der Fassade gelangt die Zuluft in die Büros. Abbildung 10: Sonnenschutzlamellen im Scheibenzwischenraum (Holger Knauf) Abbildung 9 (links + rechts): Fassadenkiemen im Deckenspiegel zur natürlichen Belüftung und zur freien Nachtlüftung (Holger Knauf) IA60_208.qxp 07.08.2007 16:58 Seite 4 66 I SERIE Abbildung 12: Anordnung der Erdwärmesonden auf dem Gelände der GELSENWASSER AG Die Absaugung geschieht versteckt hinter den Heiz- und Kühldecken. Überschreiten die Außentemperaturen die Raumtemperaturen nicht wesentlich, besteht für den Nutzer die Möglichkeit, die Büros über die Lüftungskiemen natürlich zu belüften. Beim Öffnen der Kiemen wird über eine Drossel die anlagentechnische Zuluftzufuhr in das Büro gestoppt. Gleichzeitig werden die Heiz- und Kühldecken deaktiviert. Darüber hinaus werden die Lüftungskiemen im Sommer zur automatisierten Nachtauskühlung geöffnet. Eine ausreichende Durchströmung der Büros wird über die Abluftansaugung realisiert. Die kühle Nachtluft entlädt die thermischen Speichermassen und hält einen „Kältepuffer” für den Tag bereit. Abbildung 11: Schematische Darstellung des Heiz- und Kühlkonzepts, Kühlen (links) und Heizen (rechts) Abbildung 13 (links): Bodengitter für konditionierte oder natürliche Zuluft Abbildung 14 (rechts): Abgehängte Bürodecke mit Heiz- und Kühldecken, integrierte Beleuchtung 2.2.3 Gebäudeleittechnik Das Gebäude ist mit einer zentralen Gebäudeleittechnik (Kieback+ Peter) und einem M-Bus-System ausgerüstet. Heizung, Kühlung, Lüftung, Sonnenschutz und Beleuchtung werden zentral über die Gebäudeleittechnik (GLT) gesteuert und geregelt. Die Arbeitsplatzbeleuchtung wird präsenz- und tageslichtabhängig gedimmt. Um den Strombedarf für künstliche Beleuchtung zu reduzieren, steuert die GLT in Abhängigkeit vom Sonnenstand den Lamellenwinkel des Sonnenschutzes. So wird blendfreies Arbeiten bei größtmöglicher Tageslichtausnutzung gewährleistet. Alle weiteren Funktionen der Gebäudetechnik werden ebenfalls präsenz- und zeitabhängig gesteuert. Über ein Touchpanel hat der Nutzer die Möglichkeit, individuell Einfluss auf das Raumklima zu nehmen. So kann beispielsweise der Sollwert der Raumtemperatur in den Büros um +/- 2 °C verändert werden. 3 EVALUIERUNG Im Mittelpunkt der Evaluierung steht die Analyse von Energieeffizienz und Nutzerkomfort des Gebäudes. Eine vertiefte Untersuchung erfolgt hinsichtlich des Betriebs der geothermischen Erdwärmesondenanlage. Zur effektiven Betriebsüberwachung von Gebäude und Anlagen wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Gebäudemanagement im Vorfeld ein Monitoring-Konzept entwickelt und umgesetzt. Via Fernzugriff über eine Internetstandleitung können die auf der GLT auflaufenden Informationen online eingesehen werden. Zahlreiche Systemparameter wie Betriebszustände, Schaltzeiten, Medien- und Raumtemperaturen als auch Energieverbräuche werden so über längere Zeiträume aufgezeichnet und analysiert. 3.1 Energieeffizienz Nach einem Jahr umfangreicher Messungen kann nun ein erster Vergleich zwischen realem und geplantem Energieverbrauch durchgeführt werden. Insgesamt deckt sich die Wärme- bzw. Kältemenge, die 2006 von der Erdwärmeanlage an das Gebäude abgegeben wurde, mit den Planungswerten. Die über die Lüftungsanlagen in das Gebäude eingebrachte Kälte ist um zwei Drittel geringer als der Planungswert. Der Jahresstromverbrauch des Gebäudes übersteigt die Planungsvorhersagen allerdings beträchtlich. Bezogen auf die Nettogrundfläche erreicht der Neubau einen Jahresendenergiebedarf Strom von 157 kWh/(m²NGFa). Einen erheblichen Anteil mit 72 kWh/(m²NGFa) hat dabei der Stromverbrauch für die Büronutzung. Wesentliche Ursachen sind eine Fehlsteuerung der über IA60_208.qxp 07.08.2007 16:58 Seite 5 67 Bewegungsmelder gesteuerten Beleuchtung in den Büros sowie eine ausgeprägte Akzentbeleuchtung des Gebäudes bei Nacht. Der Stromverbrauch der in die Erdwärmenutzung eingebundenen Wärmepumpe bzw. Kältemaschine beträgt weniger als ein Drittel der bereitgestellten Wärme- und Kältemenge. Die resultierende Arbeitszahl als das Verhältnis von bereitgestellter thermischer Energie zu aufgebrachter elektrischer Energie liegt mit 3,6 in einem effizienten Bereich, erreicht allerdings noch nicht das ursprünglich gesetzte Planungsziel. Weiterhin besteht Optimierungspotenzial bei der Dessicant-CoolingRLT-Anlage (DCS-RLT-Anlage). Das unausgewogene Verhältnis zwischen Wärmeeinsatz und erzeugter Kälte deutet darauf hin, dass die Anlage noch nicht optimal läuft. 3.2 Erdwärmesondenanlage In der Planung wurde von einem Verhältnis zwischen „Freiem Kühlbetrieb” und reinem Kältemaschinenbetrieb der Erdsondenanlage von 68 zu 32 % ausgegangen. Im realen Betrieb 2006 lag das Verhältnis allerdings bei 15 % „Freie Kühlung” und 85 % reinem Kältemaschinenbetrieb. Es hat sich herausgestellt, dass im Heizbetrieb die Wärmepumpe dem Erdreich nur wenig Energie entzieht. Der wesentliche Anteil Wärme stammt aus dem Gebäude selbst. Bereiche mit Kälteanforderung stellen genügend Wärme bereit. Folge ist eine unausgeglichene saisonale Energiebilanz des Erdsondenfelds. Im Laufe eines Jahres wird mehr Wärme in das Erdreich eingetragen als entzogen. Diese führt schnell zu einer unplanmäßigen Erwärmung des Erdreichs und einer deutlichen Reduzierung des Kältepotenzials für den freien Kühlbetrieb. Nebeneffekt des häufigen Kältemaschinenbetriebs ist ein gesteigerter Stromverbrauch. Abbildung 15: Darstellung des Energiekonzepts für den Sommerfall 3.3 Raumklima und Nutzerkomfort Die Messungen zum thermischen Komfort ergeben ein klares Bild. Den gestellten hohen Anforderungen an den thermischen Komfort wird das Gebäude gerecht. Überhitzungsstunden gibt es in diesem hochtransparenten Gebäude nicht. So fällt auch der Vergleich der gemessenen operativen Temperatur mit ähnlichen Gebäuden im Projekt EVA sehr positiv aus. Die durchgeführte Nutzerumfrage bestätigt diese guten Ergebnisse ebenfalls. 4 BETRIEBSERKENNTNISSE UND BETRIEBSOPTIMIERUNG Die Entwicklung eines Monitoringkonzepts auf Basis einer kontinuierlichen Aufzeichnung von GLT-Daten ist Voraussetzung für eine umfassende Betriebsanalyse. Um Gebäude und Anlagen sinnvoll bilanzieren und bewerten zu können, erfolgt für den Neubau der GELSENWASSER AG über die vorhandene Messtechnik hinaus eine Nachrüstung von Wärmemengen- und Stromzählern. In enger Zusammenarbeit mit dem Gebäudemanagement wurden auf Grundlage der so erfassten Betriebs- und Messdaten eine Analyse durchgeführt und Ursachen für Betriebsfehler und hohen Energieverbrauch - in erster Linie Strom - aufgedeckt. Mit Hilfe der Verbrauchs- und Betriebsanalyse konnten die großen Abweichungen beim Stromverbrauch auf einen hohen Beleuchtungsstromverbrauch, lange Laufzeiten der Lüftungsanlagen und den hohen Anteil des Kältemaschinenbetriebs zurückgeführt werden. Abbildung 16: Darstellung des Energiekonzepts für den Winterfall IA60_208.qxp 07.08.2007 16:58 Seite 6 Abbildung 17: Bedienelement (Touchpanel) mit integriertem Präsenzmelder sowie Temperatur- und Feuchtesensor (Holger Knauf) 68 Abbildung 18: Vergleich geplanter und tatsächlicher Nutzenergieverbrauch der Bereiche BüroStrom, Kälte für Zuluftkonditionierung und Wärme bzw. Kälte aus Geothermie Abbildung 19: Nutz- und Endenergieverbrauch 2006 pro m² NGF. Durch die Nutzung regenerativer Energie der geothermischen Anlage ist die Endenergie geringer als die Nutzenergie Abbildung 20: Monatlicher Wärmeentzug und -eintrag aus und in das Erdsondenfed sowie Monatsmittel von Vor-, Rücklauf- und Außentemperatur, Februar 06 bis Februar 07 Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wurden Optimierungsansätze für den Betrieb entwickelt. Dem hohen Stromverbrauch für künstliche Beleuchtung in den Büros kann durch eine Außerbetriebnahme der Bewegungsmelder außerhalb der Bürozeiten entgegengewirkt werden. So wird vermieden, dass Lichtbewegungen in der Umgebung des Gebäudes die Beleuchtung aktivieren. Ein weiteres nicht unerhebliches Einsparpotenzial besteht in einer zeitlichen Reduzierung der Akzentbeleuchtung. Die Betriebsoptimierung der geothermischen Anlage konzentriert sich auf eine Reduktion des reinen Kältemaschinenbetriebs und eine Steigerung des freien Kühlbetriebs. Folgende Maßnahmen werden vorgeschlagen: 1. Erweiterung des „Freien Kühlbetriebs” durch Heraufsetzen der Freigabegrenztemperatur 2. Unterbindung der Kältezufuhr in die Deckensegel während der Bürozeiten bei geringen Außentemperaturen; stattdessen Selbstauskühlung über die Gebäudehülle und Nutzung der Zuluftkiemen zur individuellen Kühlung. 3. Unterbindung der Raumkühlung über die Deckensegel während der Nacht bei Außentemperaturen unter den Raumtemperaturen; stattdessen freie Nachtauskühlung. Die Betriebsanalyse der DCS-Lüftungsanlage verdeutlicht, dass die Arbeitszahl nicht die Planungserwartungen erfüllt. Hier ist eine Überprüfung der Anlage erforderlich. Unabhängig davon ermöglicht eine Reduzierung der Anlagenlaufzeiten während der Nacht eine Senkung des Energieverbrauchs der Lüftungsanlage. Die Einsparpotenziale einer Anlagenabschaltung während der Nacht werden wie folgt abgeschätzt: – Reduzierung der erforderlichen Trocknungswärme aus BHKWBetrieb um ca. 25 %, entspricht etwa 93 MWh/a bzw. 17 kWh/(m²a) – Reduzierung der Wärme aus Wärmepumpenbetrieb für den RLTNacherhitzer um ca. 32 %, entspricht etwa 46 MWh/a bzw. 8 kWh/(m²a) – Reduzierung des Stromverbrauchs für den Betrieb der Zu- und Abluftventilatoren um ca. 27 %, entspricht etwa 32 MWh/a bzw. 6 kWh/(m²a) 5 FAZIT – LESSONS LEARNT Der Neubau der GELSENWASSER AG als ein vollverglastes Gebäude mit hohem Komfortanspruch ist ein Beispiel, wie durch sinnvollen Energiehaushalt – Nutzung von internen Lasten zu Heizzwecken und Einsatz regenerativer Energie – ein großer Anteil des Nutzenergiebedarfs sinnvoll und energieeffizient gedeckt werden kann. Deutlich wird allerdings auch, dass nicht allein ein stimmiges Energiekonzept und innovative Anlagentechnik zu einem energieeffizienten Gebäude führen. Auch bei noch so guter Planung entstehen im Betrieb immer wieder verdeckte Fehler, durch die der Energieverbrauch in die Höhe schnellen kann. Daher ist gerade in den ersten Betriebsjahren eine umfassende Betriebsanalyse und -optimierung wichtig. Nur so kann sichergestellt werden, dass Gebäude und Anlagen die Planungsziele erreichen und dauerhaft halten. Abbildung 21: Stunden der Raumtemperatur während der Bürozeiten aufgeteilt auf Temperaturbereiche, Nordost- (flächig) und Südwestbüro (schraffiert) im EG, Messzeitraum 2006