Klimadesign als zentrale Planungsdisziplin − Raumkonditionierungskonzepte zum Kühlen und Heizen Geschäftsführer Fritz Nüßle, ZENT-FRENGER, Gesellschaft für Gebäudetechnik mbH, Heppenheim Die Kosten des Energieverbrauchs von Gebäuden entwickelten sich in den letzten Jahren stark nach oben und werden aufgrund der weltweiten Energieverknappung auch in der Zukunft weiter steigen. Diese Entwicklung kann nicht spurlos an der Planung und Konzeption neuer Gebäude vorübergehen. Von der Immobilienbranche und den Regierungen werden zunehmend technische Konzepte gefordert, die eine Senkung des Energieverbrauches in weit stärkerem Maße als bisher zur Folge haben. Außer den bekannten Anstrengungen, die Dämmstandards zu erhöhen, werden zunehmend Systeme nachgefragt, die eine völlige Unabhängigkeit von importierten Energieträgern ermöglichen. Gebäudetechnik und Bautechnik wachsen immer stärker zusammen. Nur mit ganzheitlichen gebäudetechnischen Konzeptionen ist es möglich, eine Antwort auf die heutigen und zukünftigen Anforderungen an Gebäuden zu finden. geistige Leistungsfähigkeit in % Spätestens nach dem heißen Sommer 2003 ist vielen Büronutzern klar geworden, dass in nicht temperierten Räumen die Leistungsfähigkeit des Menschen bei anhaltenden Hitzeperioden stark absinkt und Betriebsprozesse empfindlich gestört werden kann. Bereits bei Raumtemperaturen zwischen 28 und 30 °C beträgt die durchschnittliche geistige Leistungsfähigkeit des Menschen nur noch 70 %. Bürogebäude mit üblicher Ausstattung können je nach Fensterflächenanteil an 400 bis 800 Stunden pro Jahr Raumtemperaturen über 26 °C aufweisen. Die Performance des Menschen ist während dieser Zeit deutlich reduziert und drückt sich wegen der gestörten Befindlichkeit in eingeschränkter Arbeitsleistung aus. 100 90 80 70 60 22 23 24 25 26 27 28 29 30 Raumtemperatur in °C Bild 1: Raumtemperatur und Performance In der DIN 1946 Teil 2 (inzwischen durch eine europäische Norm ersetzt) ist abhängig von der Außentemperatur ein Band von operativen Raumtemperaturen definiert, innerhalb dessen Behaglichkeitsbedingungen erwartet werden können. Demnach ist bei Außenlufttemperaturen von 32 °C eine operative Raumtemperatur von 26 °C zulässig. Besonders strahlungsaktive Kühl-/Heizsysteme leisten einen entscheidenden Beitrag für behagliche Bedingungen am Arbeitsplatz, weil keine störenden Geräusche und keine Zuglufterscheinungen auftreten. Der Mensch kann seine eigene Körperwärme im direkten Strahlungsaustausch an die gekühlten Flächen abgeben. Andererseits erwärmt die im Winter mit Temperaturen um 30 °C beheizte Decke die Fassadenoberfläche und neutralisiert den Kaltstrahlungsanteil bei tiefen Außentemperaturen. Bild 2: Behaglichkeitsbedingungen - operative Raumtemperatur Raumkühl-/Heizflächen haben sich in den letzten Jahren als führende Temperiersysteme im Markt etabliert. Während im Wohnungsbau überwiegend mit Fußboden-Heizungstechnik gearbeitet wird, dominieren Heiz-/Kühldecken und/oder Betonkerntemperierung den Nichtwohungsbau. Das zum Heizen oder Kühlen benötigte Medium weist nur geringe Über- bzw. Untertemperatur auf, weshalb Flächentemperierungssysteme besonders auch für den Einsatz von erneuerbaren Energieformen geeignet sind. Verschiedenartige Gestaltungswünsche der Architektur haben in den letzten Jahren technische Lösungen entstehen lassen, die mit Materialien, wie Stahlblech, Aluminium, Gips, etc. höchst unterschiedliche Strahlungsoberflächen in Räumen ermöglichen. Der wesentliche Unterschied zwischen abgehängten Deckensystemen und Betonkerntemperierung ist der hohe thermische Speichereffekt bei Betonkerntemperierung der andererseits auch dazu führt, dass Betonkerntemperierung nur mit Zusatz-Heiz-/Kühltechnik sinnvoll ist. Abgehängte Metall-Heiz-/Kühldecken haben besondere Vorteile in Bürogebäuden, die modular geteilt werden können und die Option technische Nachrüstungen auch nachträglich im Deckenzwischenraumbereich zu ermöglichen. Sie sind leistungsstark, pflegeleicht und erfüllen neben der Heiz-/Kühlaufgabe auch raumakustische und lichttechnische Funktionen im Raum. Deckenplatten können leicht demontiert werden. Bei Änderung in der Raumaufteilung kann so das Kühlsystem den neuen Bedingungen angepasst werden. Bild 3: Metallakustikdecke zum Kühlen und Heizen Bild 4: Deckenverkleidung und Kühlsystem sind trennbar Wegen der relativ geringen Investitionskosten hat sich das Betonkerntemperierungssystem in wenigen Jahren weit verbreitet. In der Schalungsphase der Geschosstrenndecken werden in die neutrale Zone der Deckenkonstruktion Kunststoffrohre eingelegt und mit Beton vergossen. Damit wird der Betonkörper zur thermischen Speichermasse und Wärmeübertragungsfläche zum Raum. Als Ergänzung eignen sich Idealerweise Zusatzflächen, die fassadennah unter der Rohdecke abgehängt werden. Aufgrund der geringen Trägheit dieser Konstruktionen besteht die Möglichkeit, eine individuelle Raumtemperaturregelung zu realisieren. Mit vielen sichtbaren Betonflächen, die auch zur Raumtemperierung herangezogen werden, müssen für die Unterbringung von technischen Installationen neue Wege gefunden werden, wie zum Beispiel Luftleitungen vom Raum aus unsichtbar integriert werden können. Das BATSO air-System von Zent-Frenger wird ebenso wie die Betonkerntemperierung in der Betondecke verlegt und versorgt den in Fassadennähe angeordneten Luftauslass mit frischer Zuluft. Auf diese Weise erhält jeder Raum die gewünschte Luftmenge zur Aufrechterhaltung des hygienischen Standards. Bild 5: Schnitt durch ein Randzonenelement mit Luftführung Bild 6: Fassadennahe Deckenheizung mit Betonkerntemperierung Die Hauptverwaltung der Entory AG in Ettlingen/Deutschland ist ein gutes Beispiel für ein ganzheitliches Energiekonzept für ein Bauobjekt mit hohem Glasflächenanteil, hellen, großzügigen Büroräumen und geforderten niedrigen Energiekosten. Über die statisch erforderlichen Gründungspfähle wird der ein großer Anteil des Energiebedarfs des Gebäudes gedeckt. Erdwärme, die mittels Wärmepumpe auf das für das betonkerntemperierte benötigte Temperaturniveau von 26 bis 30 °C aufgeheizt wird. Im Sommer dient dasselbe System zur Raumkühlung, wobei die Energiepfähle als Wärmesenke benutzt werden, um so dem Erdreich im Winter entzogene Wärmeenergie wieder zuzuführen. Als regulatives Zusatzsystem für die individuelle Raumtemperatur sind in Fensternähe Heizkonvektoren installiert. Nach inzwischen mehrjährigen Erfahrungen kann heute berichtet werden, dass diese Heizkörper nur selten in Betrieb sind, weil die Beheizung über die Deckenfläche völlig ausreichend ist. Bild 7: ENTORY AG Ettlingen Die Kombination aus Betonkerntemperierung und zusätzlichen Heiz-/Kühlflächen ermöglicht die Aufteilung in so genannte Tagverbraucher und Nachverbraucher. Damit kann die geothermische Anlage etwas kleiner ausgelegt werden, weil ein Teil der erforderlichen Maschinenleistung während der Nacht zur Aufladung der Betondecken verwendet werden kann. Die Geothermieanlage muss daher nicht auf den Spitzenlastfall, sondern auf einen Mittelwert aus Grundlast und Spitzenlast ausgelegt werden. Geothermische Komplettsysteme bestehen im Wesentlichen aus 4 Bausteinen: Geothermische Energiequelle (bestehend aus Erdsonden, Energiepfähle, Flachkollektoren etc.) Energietransformation (Wärmepumpe, Energiezentrale) Flächen-Heiz-/Kühlsysteme (Betonkerntemperierung oder Heiz-/Kühldecken) MSR-Technik für das Gesamtsystem. Die Energiezentrale ist ein Managementsystem integriert, das Angebot an Energie und Nachfrage ständig miteinander vergleicht und besonders in der Übergangszeit die Nutzung naturaler Kühlenergie aus dem Temperaturpotential des Untergrundes ermöglicht. Erst, wenn das natürliche Kühlpotential des Untergrundes nicht mehr ausreicht, wird die Wärmepumpe mechanisch/hydraulisch auf Kühlbetrieb umgeschaltet, um auf diese Weise das Gebäude auch bei anhaltendem Sommerwetter und insbesondere am Ende einer Sommerzeit ausreichend mit Kühlenergie versorgen zu können. Bild 8: Geothermische Energiezentrale GEOZENT Geothermieanlagen für gewerblich genutzte Gebäude sollten unbedingt im Heiz- und Kühlbetrieb gefahren werden. Auf diese Weise wird die im Winter entzogene Wärmeenergie während der Sommerzeit dem Untergrund wieder zugeführt. Das eigene Grundstück wird auf diese Weise zum saisonalen Energiespeicher, der unabhängig von Tagund Nachtzeit, Sonne oder Wind dem Gebäude zur Verfügung steht. Als Antriebsenergie ist lediglich elektrischer Strom erforderlich, mit dem die Wärmepumpe angetrieben wird. Bild 9: Saisonaler Thermospeicher im Untergrund Bei der Konzeption eines geothermisch gestützten Energiekonzeptes sind einerseits das thermische Bedarfsprofil des Gebäudes und andererseits die Verfügbarkeit aus der geothermischen Energiequelle gegenüberzustellen. ZentFrenger verwendet hier eine eigens entwickelte Software zur thermischen Simulation des Untergrundes, anhand derer die langfristige Verfügbarkeit der erforderlichen Energie zum Heizen und zum Kühlen nachgewiesen werden kann. Dieser Simulationsprozess ist ein unverzichtbarer Bestandteil einer seriösen Planungsleistung. Als weiteres Praxisbeispiel dient der Neubau der Kreissparkasse Tübingen, die sich wie Entory für ein geothermisches gestütztes Energiekonzept entschieden hat. Energiepfähle, die aus statischen Gründen erforderlich waren, sind die Energielieferanten für den Heiz- und Kühlbetrieb sämtlicher Büroflächen. Die Geothermiezentrale Geozent versorgt ca. 8.000 m² Betonkerntemperierung und 2.500 m² Randstreifenelemente in einer AluminiumSandwich-Konstruktion. Das optisch ansprechende Bauobjekt mit raumhoher Verglasung ist seit 15 Monaten in Betrieb und verzeichnet sehr niedrige Energieverbrauchskosten, die Akzeptanz der Mitarbeiter ist außerordentlich hoch. Nach Aussagen der Kreissparkasse ist das gewählte Konzept ein voller Erfolg. Wegen der nicht vorhandenen Installationsflächen für Lüftungsleitungen wurden über 12.000 m Zuluftrohre zusammen mit den wasserführenden Rohren der Betonkerntemperierung in den Geschosstrenndecken verlegt, wobei die Zuluftauslässe im Fußboden entlang der Fassade angeordnet sind. Bild 10: Sparkasse Tübingen, Randstreifenelemente mit Betonkerntemperierung Bild 11: Rathaus Weilheim Bild 12: Rathaus Weilheim, Randstreifenelemente mit Betonkerntemperierung Auch kommunale Bauherren entdecken zunehmend die Vorzüge ganzheitlicher Energiekonzepte. Am Beispiel Rathaus Weilheim (nähe Stuttgart) konnte ein solches Konzept ganzheitlich umgesetzt werden. Als Basis für die Energieversorgung dienen Erdwärmesonden, die unterhalb der Bodenplatte des neuen Rathauses 100 m tief angelegt wurden und mittels einer Wärmepumpe die Wärme- und Kälteenergie im Gebäude bereitstellen. Als Wärmeübertragungsflächen dienen Betonkerntemperierung und Randstreifenelemente, über die die Raumtemperaturregelung vorgenommen werden kann. Die Konzeption von Raumkonditionierungsanlagen schließt mehr und mehr die Bereitstellung von erneuerbaren Energiequellen ein. Geothermie ist die einzige regenerative Energieform, die auf eigenem Grundstück unabhängig vom Wetter und der Jahreszeit und unabhängig von Tag und Nacht kostenlos zur Verfügung steht und mit Hilfe einer Wärmepumpe dem Gebäude zugeführt werden kann. Eine entscheidende Voraussetzung dazu ist ein interdisziplinärer Planungsprozess, über den in der frühen Phase des Gebäudeplanungsprozesses die Verfügbarkeit geothermischer Energie geprüft werden muss. Die weiteren Planungsschritte stützen sich auf die daraus gewonnenen Erkenntnisse und folgend dem zwischen allen Beteiligten festgelegten Raumkonditionierungskonzept. Fachleute, die am Bauvorhaben bisher weitgehend unabhängig voneinander mitgewirkt haben, müssen jetzt ihre Arbeitsergebnisse stärker miteinander koordinieren. Bild 13: Interdisziplinärer Planungsprozess Zusammenfassend kann die oberflächennahe Geothermie als eine sichere und wirtschaftliche Versorgungsbasis für Heiz-/ und Kühlenergie für Gebäude bezeichnet werden, die die verbrauchsgebundenen Kosten nachhaltig senkt und einen wertvollen Beitrag zur Vermeidung von CO2 leistet. Auf der Gebäudeseite müssen geeignete Raumtemperiersysteme installiert sein, um die niederwertige Umweltenergie verwenden zu können. Dazu haben sich in besonderer Weise Heiz-/Kühldecken und weitere bauteilintegrierte Flächensysteme bewährt. Nur eine ganzheitliche Betrachtung des Gebäudes einschließlich der auf dem Grundstück befindlichen Energiequelle verschafft eine sichere, dauerhafte und Kosten sparende Energieversorgung von Gebäuden. Autor Geschäftsführer Fritz Nüßle ZENT-FRENGER Gesellschaft für Gebäudetechnik mbH Schwarzwaldstraße 2 D-64646 Heppenheim Tel.: +49 (0)7152 939930 Fax: +49 (0)7152 939931 [email protected] www.zent-frenger.de