Die Rolle der Handlungs- und Sozialkompetenz

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Die Rolle der Handlungs- und Sozialkompetenz
in der stationären Ergotherapie depressiv Erkrankter:
eine empirische Verlaufsstudie
The Role of Competence of Action and Social Competence in Occupational
Therapy of Depressed Psychiatric Inpatients
Zusammenfassung
Abstract
Anliegen: Diese Pilotstudie befasst sich mit der Bedeutung von
Instrumenten, die im Rahmen der stationären Ergotherapie bei
Depressiven zur Erfassung der Handlungs- (HK) und der sozialen
Kompetenz (SK) eingesetzt wurden. Methoden: Bei depressiven
Patienten/-innen wurden während 8 Wochen einer ergotherapeutischen Behandlung der Grad der Depression (Hamiltonund Zerssen-Skala) sowie die Handlungs- und Sozialkompetenz
insgesamt 5-mal erfasst. Patienten: 36 Patienten (21 Frauen
und 15 Männer) wurden untersucht. Ausschlusskriterien waren
ein Alter über 65 Jahren, eine hirnorganische Störung sowie ungenügende Deutschkenntnisse. Ergebnisse: Der SK-Ausgangswert (1,37) lag statistisch bedeutsam unter demjenigen der HK
(2.09) (p < 0,01). Die SK korrelierte im Therapieverlauf hochsignifikant negativ mit dem Verlauf der depressiven Symptomatik.
Ein solcher Zusammenhang fehlte für die HK. Schlussfolgerungen: Durch affektive Störungen ist die soziale Kompetenz in viel
gröûerem Maûe beeinträchtigt, als dies für die Fähigkeit zum
Handeln gilt. Im ergotherapeutischen Prozess kann Tätigsein als
Ressource zur Verbesserung der sozialen Fähigkeiten eingesetzt
werden.
Objective: This pilot study used instruments to assess the role of
social competence and competence of action in severely depressed inpatients attending a structured occupational therapy
group. Methods: 21 female and 15 male patients, with a mean
age of 40.7 years (SD = 13.1) were assessed in terms of depression
(21-items Hamilton Scale, Zerssen self-rating scale), social competence (SC) and competence of action (CA) 2 weekly over a total
period of 8 weeks. Results: The most pronounced depressive
symptoms (HAMD = 30.02, SD = 9.43) and the lowest values of
SC (1.37, SD = 0.60), and CA (2.09, SD = 0.61) were found in the beginning. SC then differed significantly (p < 0.01) from CA. Furthermore there was a significant correlation of SC and HAMD-21
(p < 0.01). A comparable relation between depression and AC
could not be demonstrated. Conclusion: We think that SC in
contrast to AC is markedly impaired in patients with major depression. Therefore the occupational therapist should use action
as therapeutic tool and as a resource to increase competence of
action in a social context in the depressed.
Schlüsselwörter
Depression ´ Ergotherapie ´ Sozialkompetenz ´ Handlungskompetenz
Key words
Depression ´ occupational therapy ´ social competence ´ competence of action
Institutsangaben
1
Abteilung für Psychosoziale Medizin, Psychiatrische Poliklinik, Universitätsspital Zürich
2
Sektor Ost und zentrale Spezialangebote, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich
3
Abteilung Therapien und Sozialdienst, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich
4
Abteilung für Kinder und Jugendpsychiatrie, Universitäts-Kinderklinik Zürich
Korrespondenzadresse
Dr. med. K. Schwegler ´ Abteilung für Psychosoziale Medizin ´ Psychiatrische Poliklinik ´
Raemistrasse 100 ´ 8091 Zürich, Schweiz ´ E-mail: [email protected]
Bibliografie
Krankenhauspsychiatrie 2003; 14: 14±18 Georg Thieme Verlag Stuttgart ´ New York ´ ISSN 0937-289X
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Originalarbeit
14
K. Schwegler1
D. Hell2
T. Witschi3
U. Kambli4
H. Böker2
Paramedizinische Therapieansätze sind heute in der stationären
Behandlung von depressiv Erkrankten etabliert. Wolfersdorf [1]
nennt eine ganze Reihe von Therapieangeboten, die in Ergänzung
zur pharmako- und psychotherapeutischen Behandlung auf Depressionsstationen zur Anwendung gelangen. Eine wissenschaftliche deutschsprachige Literatur zur Frage, wie Ergotherapie bei
Depressiven erfolgen soll, existiert nicht. Aktuelle Lehrbücher
halten sich meist allgemein und empfehlen unspezifisch einen
wenig fordernden und stützenden Umgang mit Depressiven
[2, 3]. Kipp [4] weist auf den therapeutischen Effekt von nicht
ärztlichen Gruppen bei psychiatrischen Patienten hin. Ergo- und
Bewegungstherapie wurden direkt im Anschluss an die Sitzung
aus Patientensicht mehrheitlich positiv und als stimmungsaufhellend bewertet. In dieser Untersuchung betrug der Anteil Depressiver 37,5 %. Die Untergruppen der affektiven Störungen wurden bei der Auswertung allerdings nicht gesondert berücksichtigt. Eine Untersuchung von Schützwohl [5], die sich ebenfalls
der Patienten/-innen-Befragung bediente, ergab für zehn verschiedene ergotherapeutische Interventionen, die in Gruppen
unterschiedlicher Gröûe stattfanden, dass die meisten Patienten/-innen die Ergotherapie als hilfreich und beschwerdelindernd erlebten und sich von den Therapeutinnen unterstützt
fühlten. Auch hier beziehen sich die Angaben auf ein allgemeinpsychiatrisches Patientengut. Daten, welche die Situation Depressiver speziell berücksichtigen, fehlen. Diese Untersuchungen
sprechen dafür, dass das Gruppensetting für Depressive geeignet
ist. Welche Methoden und Mittel in der Ergotherapie von depressiven Patienten/-innen eingesetzt, und welche Instrumente zur
Erfassung des Therapieverlaufes verwendet werden können,
war nicht Gegenstand der Studien und ist unseres Wissens noch
nie eingehend untersucht worden.
Bedingung für die Aufnahme der Probanden/-innen in die Studie
war ein Alter unter 65, der Ausschluss eines hirnorganischen Leidens, gute Deutschkenntnisse sowie die Bereitschaft regelmäûig,
d. h. an fünf Tagen der Woche am ergotherapeutischen Gruppenangebot für Depressive teilzunehmen. Es wurde darauf geachtet,
hauptsächlich Patienten/-innen mit einer F3-Diagnose zu rekrutieren, aber auch Patienten/-innen mit einer depressiven Leitsymptomatik bei nicht affektiver Grunderkrankung wurden aufgenommen. Im Ganzen wurden 36 Patienten/-innen mit einem
durchschnittlichen Alter von 40,7 Jahren (SD 13,1) untersucht.
Davon waren 21 Frauen und 15 Männer. 29 Patienten/-innen litten an einer affektiven Störung (F3) (15: F33.x, 7: F32.x, 6: F31.x,
1: F34.x), fünf an einer Anpassungs- oder Persönlichkeitsstörung
(F4, F6), bei zwei Probanden wurde keine Eintrittsdiagnose nach
ICD 10 Kapitel F gestellt. Die Untersuchungsdauer erstreckte sich
über 8 Wochen. Zu Beginn und dann alle zwei Wochen, d. h. insgesamt fünfmal, wurden Handlungskompetenz und soziale
Kompetenz von den Ergotherapeutinnen am Ende der morgendlichen Gruppensitzung (Dauer 9.30 ± 11.00 Uhr) erhoben. Die Beurteilung von Handeln und Handeln im sozialen Kontext erfolgte
anhand der Einschätzung von ¹steuerndenª und ¹energetisierendenª Prozessen sowie aufgrund der Beurteilung der ¹ganzheitlichen Wahrnehmungª. Die Begriffe (z. B. Situationsorientierung
usw.) werden für den Bogen zur Einschätzung der Handlungskompetenz sowie der Sozialkompetenz in den Tab. 1 u. 2 erklärt.
Jeder Teilprozess wird bewertet (1 = schlecht, 2 = mittel, 3 = gut).
Die totale Punktzahl lässt für jeden untersuchten Zeitpunkt eine
Gesamtbeurteilung von HK/SK (14 ± 22 = schlecht, 23 ± 33 = mittel, 34 ± 42 = gut) zu. Diese drei Abstufungen wurden in den für
die Berechnungen verwendeten Enddaten der Einfachheit halber
wieder verschlüsselt (1 = schlecht, 2 = mittel, 3 = gut). Der Verlauf
der Depression wurde in denselben Abständen, jedoch zeitlich
unabhängig von der Therapiegruppe mit der Hamilton-Depressionsskala (erweiterte Version mit 21 Items) durch die Studienpsychologin erfasst. Gleichzeitig füllten die Patienten/-innen die Depressivitäts-Skala nach v. Zerssen [8] zur Selbsteinschätzung der
depressiven Symptome aus.
An der Abteilung für Ergotherapie der psychiatrischen Universitätsklinik Zürich wird bei Depressiven routinemäûig die Handlungskompetenz (HK) und die soziale Kompetenz (SK) nach Blaser Csontos erhoben, die ihrerseits auf dem handlungstheoretischen Modell nach von Cranach basieren [6, 7]. Die HK wird als
die Fähigkeit des Patienten auf einer individuellen Basis zu handeln definiert. Sie kann von der Ergotherapeutin also auch unabhängig von der Gruppe, z. B. im Einzelsetting beurteilt werden.
Im Gegensatz dazu wird die SK als die Fähigkeit zum Handeln
im sozialen Kontext der ergotherapeutischen Gruppe begriffen,
wo einzelne Aspekte des Handlungsablaufs, wie Zielsetzung, Planung und Ausführung nicht unabhängig von der gruppendynamischen Interaktion gesehen werden können. Mit der SK soll
also erfasst werden, wie sich die Handlungsfähigkeit im Spannungsfeld von individuellen Bedürfnissen und sozialer Anpassung an die Gruppe bei depressiv Erkrankten verhält.
Im Rahmen dieser Pilotstudie war für die Autoren in besonderem
Maûe von Interesse, wie sich in einer laufenden ergotherapeutischen Behandlung HK und SK verändern und, ob sich das Ausmaû der Depression in diesen Instrumenten abbildet bzw. ob
über HK und SK Rückschlüsse auf die Belastbarkeit der Patienten/-innen in der ergotherapeutischen Gruppe möglich sind.
Ergebnisse
Die tiefsten Werte der HK und der SK finden sich zu Beginn der
Therapie. Zu diesem Zeitpunkt bildet sich in den Instrumenten
zur Erfassung der Depression auch die ausgeprägteste Symptomatik ab (s. Tab. 3). Der Unterschied der Depressionswerte zwischen Beginn und Ende der Therapie, d. h. deren Verbesserung,
gemessen mit der Hamilton-Depressionsskala ist hochsignifikant (p < 0,01). Gemessen mit der Skala von v. Zerssen ist er signifikant (p = 0,03). Zu Beginn liegt der Durchschnittswert der SK
hochsignifikant unter dem entsprechenden Wert der HK
(p < 0,01). Beide Kompetenzwerte verbessern sich im Verlauf bis
zum Ende der Therapie deutlich (p < 0,01). Am Schluss in Woche
8 ist der Unterschied zwischen beiden Werten geringer, aber immer noch signifikant (p = 0,02). Erwartungsgemäû korrelieren
die Depressionswerte von Hamilton und v. Zerssen bedeutsam
miteinander. Die SK korreliert mit beiden Depressionsparametern hochsignifikant negativ. Auch HK und SK korrelieren über
den gesamten Therapieverlauf miteinander. Kein statistisch be-
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Material und Methoden
Originalarbeit
Einleitung
Tab. 1 Begriffserklärungen HK
Tab. 2 Begriffserklärung SK
Handlungskompetenz gemäû Handlungsbogen von M. Blaser Csontos
Sozialkompetenz gemäû Handlungsbogen von M. Blaser Csontos
A) Steuernde Prozesse
A) Steuernde Prozesse
Situationsorientierung:
Berücksichtigt der Patient beim Handeln Bedingungen und Gegebenheiten der
Umwelt? (Was steht zur Verfügung? Raum/Material/Zeit/Gruppe/Einzeltherapie.
Verursacht die Tätigkeit Lärm, Staub etc.?)
Situationsorientierung:
Können Bedürfnisse von Mitpatienten berücksichtigt werden? Können die Art der
sozialen Situation, die Aufnahmefähigkeit des Gegenübers berücksichtigt und
übliche Umgangsformen beachtet werden?
Selbstüberwachung:
Kann der Patient seine Fähigkeiten und seinen physischen, respektive psychischen
Momentanzustand richtig einschätzen und beim Handeln berücksichtigen?
Eigene Fähigkeiten, Möglichkeiten und momentane Befindlichkeit einschätzen?
(aktiver Prozess der Überprüfung realistisch/unrealistisch, ist mehr als Selbsteinschätzung)
Selbstüberwachung:
Werden eigene Gefühle, Bedürfnisse, Wünsche wahrgenommen und eigene
Fähigkeiten adäquat eingeschätzt. Sich selbst beobachten, beurteilen. Fähigkeit
und Befindlichkeit richtig einschätzen und bei der Interaktion/Kommunikation
berücksichtigen. Kontrollieren von Emotionen.
Programmwahl:
Kann zum Erreichen eines gesteckten Ziels ein realistischer Handlungsplan
entworfen werden (z. B. Wahl des Materials, des Werkzeugs)?
Ausführung:
Kann der aufgestellte Handlungsplan eingehalten werden? (Die Ausführung ist oft
der kleinste Teil der Handlung. Während der Ausführung passiert oft automatisch
und unbewusst bereits eine Kontrolle oder Rückkoppelung.)
Ausführungskontrolle:
Können Erfolg und/oder Misserfolg realistisch eingeschätzt werden? (bewusster
Vergleich des Resultats mit dem vorgenommenen Ziel)
Beendigung des Verhaltens (Handlung):
Kann die Tätigkeit aus eigenem Antrieb abgeschlossen und beendet werden?
(In einem vernünftigen Zeitpunkt zum Abschluss kommen. Anhalten wenn Ziel
erreicht ist. Nicht zu früh aufhören oder übers Ziel hinausschieûen.)
Endbewertung und Speicherung des Verhaltens (Handlung):
Kann der Patient eingeübte oder bekannte Tätigkeiten in einem neuen Zusammenhang einsetzen. (Ganze Handlung Schritt für Schritt begutachten. Rückblick,
Auswertung, Speicherung, Lerneffekt, Übertragung in den Alltag oder in neue
Situation.)
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Bewerten und Konsumieren der Ergebnisse:
Können Erfolge als etwas Eigenes wahrgenommen werden. Kann darob Freude
aufkommen? (Aktiver Prozess, bewusstes Abschlieûen. Kann das Werk als etwas
Eigenes akzeptiert werden? Ist ein Gefühl der Verantwortung für den Erfolg und
die allfälligen Mängel vorhanden? Entsteht Freude bei einem Erfolg?)
B) Energetisierende Prozesse
Beginn und Beendigung des gerichteten Verhaltens (Handlung):
Ist die eigene Motivation vorhanden, eine Handlung zu beginnen und auch abzuschlieûen? Kann die Energie für diese beiden Schritte aufgebracht werden?
Überwinden besonderer Schwierigkeiten:
Kann etwas auch dann zu Ende geführt werden, wenn unvorhergesehene
Schwierigkeiten auftauchen.
¾nderung der Richtung des Verhaltens (Handlung):
Kann flexibel auf eine veränderte Situation reagiert werden? Können falsche
Wege während der Handlung verändert werden, um zum Ziel zu kommen?
Lösung von Konflikten zwischen Zielen und Handlungsprogrammen:
Kann für das Erreichen eines gesetzten Zieles aus mehreren Wegen einer ausgewählt werden? Kann zwischen den verschiedenen Alternativen unterschieden
werden und eine Entscheidung getroffen werden?
C) Ganzheitliche Wahrnehmung
Können alle Schritte einer Handlung überblickt und selbständig ausgeführt
werden? Kann dafür die Verantwortung übernommen werden?
In Tab. 1 und 2 wird die schriftliche Anleitung wiedergegeben, die den Ergotherapeutinnen bei der Beurteilung von HK und SK im klinischen Alltag zur Verfügung steht.
Zielwahl:
Was soll gemacht werden? Können bei der Beantwortung dieser Frage eigene
Vorstellungen, Gefühle und Bedürfnisse eingebracht werden? Bei Gruppenentscheiden auf Kompromisse eingehen. Ein Ziel positiv besetzen. Eine kommunikative Absicht erkennen und sich zum Ziel machen.
Programmwahl:
Wie wird in der Gruppe etwas ausgeführt? Kann der Patient sich einbringen, sich
durchsetzen, sich aktiv am Finden einer Lösung beteiligen? Auf Ideen von anderen
eingehen? Verständliche Formulierungen finden. Eine passende zwischenmenschliche Haltung finden. Wirkungsvolle Argumente suchen. Anliegen am richtigen
Ort platzieren.
Ausführung:
Kann der Kontakt mit der Gruppe aufrechterhalten werden? Gemeinsam am festgesetzten Ziel arbeiten. Plan- und vorsatzgemäû handeln. Bei den gewählten
Formulierungen, Haltungen und Argumenten bleiben und dadurch kommunikative Absicht erreichen. Allzu wechselndes oder zu rigides Verhalten reflektieren.
Ausführungskontrolle:
Kann die eigene Handlungsweise während der Gruppenaktivität beobachtet
werden? Eigenes Verhalten, Vorgehen während der Kommunikation/Interaktion
beobachten und beurteilen.
Beendigung des Verhaltens (Handlung):
Kann in Absprache mit der Gruppe eine Handlung beendet werden? Kommunikation/Interaktion aus eigenem Antrieb zu einem sinnvollen Zeitpunkt abschlieûen.
Endbewertung und Speicherung des Verhaltens (Handlung):
Können die in der Gruppe geübten sozialen und kommunikativen Fähigkeiten
reflektiert und bewertet werden?
Bewertung und Konsumierung des Ergebnisses:
Können gelungene Gruppenaktivität/Kommunikation auch auf den eigenen Beitrag bezogen werden? Kann sich der Patient darüber freuen? Lob akzeptieren können. Bei Misserfolg einer Gruppenaktivität/Kommunikation Frustrationen wahrnehmen und ausdrücken. Eigene Anteile für das Misslingen/Gelingen wahrnehmen.
B) Energetisierende Prozesse
Beginn und Beendigung des gerichteten Verhaltens (Handlung):
Anstoû zum Beginn/Abschluss einer Aktivität/Kommunikation geben oder Beginn/
Abschluss nicht behindern. Sich innerhalb der Gruppe für seinen persönlichen
Beitrag verantwortlich fühlen.
Überwindung besonderer Schwierigkeiten:
Auch bei Schwierigkeiten in Kontakt mit der Gruppe bleiben. Frustration aushalten. Konflikte austragen. Kommunikative Absichten auch bei Unterbrechung,
Aufschiebung, Unaufmerksamkeit, Widerstand weiterverfolgen.
¾nderung der Richtung des Verhaltens (Handlung):
Sich für ¾nderungen einsetzen und diese aktiv in die Wege leiten. Flexibel und den
momentanen eigenen Bedürfnissen folgend, auf eine veränderte Situation reagieren (z.B. Widerstand anstelle von Begeisterung). Spontan auf ¾uûerungen,
Reaktionen, des Gegenübers reagieren.
Lösung von Konflikten zwischen Zielen und Programmen:
Vorschläge einbringen und vertreten. Kompromisse schlieûen.
C) Ganzheitliche Wahrnehmung
Einen adäquaten Teil der Verantwortung für die Aktivität/Kommunikation übernehmen. Die Aktivität/Kommunikation überblicken, auch wenn man als einzelner
nur einen Teil davon ausübt. Aktivität/Kommunikation auch ohne Unterstützung
verfolgen. Die Verantwortung für deren Ausgang übernehmen. Den Überblick
über verschiedene Meinungsäuûerungen behalten.
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Zielwahl:
Können aufgrund der Situationsorientierung und der Rahmenbedingungen
realistische Ziele formuliert werden?
n = 36
HK
SK
p
HAMD
ZERS
Woche 0
SD
2,09
0,61
1,37
0,60
< 0,01
30,20
9,43
22,00
8,41
Woche 8
SD
2,52
0,7
2,07
0,62
0,02
22,21
11,84
17,60
8,18
p
< 0,01
< 0,01
< 0,01
0,03
Die ergotherapeutische Gruppe hat viele Vorteile. Sie findet fernab von der Station mit strukturgebender Regelmäûigkeit statt.
Die Teilnehmer sind untereinander und mit der Therapeutin vertraut, da sich die Zusammensetzung der Gruppe bedingt durch
Eintritte und Austritte nur langsam ändert. Es herrscht eine
wohlwollende Atmosphäre ohne Zeitdruck. Die Gruppe gibt
dem/der Depressiven die Gelegenheit, sich tätig als Handelnde/n
zu erleben. Die Patienten/-innen werden angehalten, ihre momentanen Fähigkeiten einzuschätzen, und gemäû diesen, geeignete Tätigkeiten auszuwählen und Handlungspläne zu entwerfen. Die Ergotherapeutin nimmt dabei eine gewährende und ermutigende Haltung ein und ist darauf bedacht, die Handlungsabläufe so zu unterstützen und wenn nötig zu steuern, dass die Patienten/-innen nicht Opfer ihrer selbst werden und z. B. durch
übermäûige Ansprüche ein Erfolgserlebnis von vornherein verunmöglichen. Auch die soziale Situation in der Ergotherapiegruppe zeigt gewisse Besonderheiten. Soziale Kontakte sind hier
für Patienten/-innen steuerbar. Sucht man Kontakt, z. B. in Form
eines Gespräches über das derzeitige Befinden oder die gerade
bearbeitete Materie, ist dies leicht möglich. Möchte man den
Kontakt vermeiden, besteht die Möglichkeit, sich auf das eigene
momentane Handeln zu konzentrieren und nur passiv am Gruppenleben zu partizipieren. Auch dann ist der/die Patient/-in aber
nicht isoliert oder einsam und bleibt im sozialen Kollektiv der
Gruppe integriert, ohne dass der für Depressive so anstrengende
und verunsichernde Kontakt zum Gegenüber aktiv gesucht werden muss. Darin ist wohl der Grund für die klinische Erfahrung
zu suchen, dass es für depressive Patienten/-innen viel einfacher
Eine weiterer, die bisherige Interpretation der Resultate unterstützender Hinweis ist in der Tatsache zu sehen, dass die HK
über den gesamten untersuchten Zeitraum von 8 Wochen mit
keinem der beiden Depressionsparameter einen statistisch bedeutsamen Zusammenhang zeigt. Im Gegensatz dazu korreliert
die SK hochsignifikant negativ sowohl mit der Hamilton- als
auch mit der V.-Zerssen-Skala (Tab. 4). Dies deutet darauf hin,
dass individuelles Handeln und Tätigsein ± bei Depressiven
kann man es selbstzentriertes Handeln nennen ± ein strukturgebender, stützender Rahmen, wie er in der Therapiegruppe zu finden ist, vorausgesetzt, auch von einer erheblichen depressiven
Symptomatik kaum tangiert wird und eben als Ressource genutzt werden kann. Demgegenüber scheint die Fähigkeit im sozialen Kontext sinnvoll und für sich selbst sowie die Gemeinschaft gewinnbringend zu handeln ± was Frustrations- und
Spannungstoleranz, aber auch Durchsetzungsvermögen und
Selbstbestimmtheit voraussetzt ± viel deutlicher vom Ausmaû
der depressiven Symptomatik abzuhängen. Je ausgeprägter die
Depression ist, umso geringer ist die soziale Kompetenz im Sinne
von Blaser Csontos. Für die Ergotherapeutin ist die SK deshalb im
Vergleich zur HK ein besseres indirektes Maû für die Beurteilung
des Schweregrades einer depressiven Störung, was auch der alltäglichen klinischen Erfahrung entspricht. Werden immer beide
Parameter erhoben, ist die Gefahr, dass Patienten/-innen mit gutem Funktionsniveau auf der Handlungsebene in der sozialen
handlungsbezogenen Gruppeninteraktion überfordert werden,
klein. Daher postulieren wir, dass sich der therapeutische Prozess hauptsächlich auf der individuellen Handlungsebene ab-
Tab. 4 Korrelation der erhobenen Parameter untereinander
n = 36
HAMD
ZERS
SK
HK
ns
ns
0,39*
SK
± 0,40*
± 0,30*
ZERS
0,66*
*p < 0,01
Tab. 3 und 4: HK: Handlungskompetenz, SK: Soziale Kompetenz,
HAMD: Hamilton-Depressionsskala, ZERS: Depressivitäts-Skala nach v. Zerssen
deutsamer Zusammenhang findet sich zwischen der HK und den
beiden Depressionsparametern (s. Tab. 4).
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Diskussion
Der Mittelwert der SK liegt am Anfang der ergotherapeutischen
Intervention mit 1,37 statistisch nachweisbar (p > 0,01) bedeutsam unter demjenigen der HK, der 2,09 beträgt (Tab. 3). Wir
schlieûen daraus, dass bei erheblich depressiver Symptomatik
die Fähigkeit, im Rahmen des strukturierten ergotherapeutischen Settings als Individuum zu handeln, d. h. sich handwerklich gestaltend zu betätigen, deutlich weniger eingeschränkt ist,
als das Vermögen, sich im Gruppenverband sozial kompetent als
interaktiv Handelnder/e zu verhalten. Das Handeln und Tätigsein
muss aus ergotherapeutischer Sicht, eingebettet in die sozial
wenig fordernde und einladende Atmosphäre der Gruppe, als
wesentliche Ressource für das Zustandekommen eines therapeutischen Prozesses angesehen werden. Der handlungsbezogene Ansatz der Ergotherapie ermöglicht es dem/der Patienten/-in,
mit Hilfe der Therapeutin über Tätigsein wieder in einen sozialen
Kontext zurückzukehren, ohne dass die Problematik der passageren, depressionsbedingten sozialkommunikativen Defizite
explizit zum Thema gemacht wird. Dies schützt den/die Patienten/-in vor unnötiger Kränkung und vor Leistungsdruck. Die
soziale Interaktion im Rahmen von gemeinsam geplanten Tätigkeiten kann in individuell verträglichem Tempo und Dosierung
über das Hilfsmittel der strukturierten Tätigkeit, quasi beiläufig,
wieder aufgenommen und geübt werden. Wenn nötig, kann aber
auch zur Entlastung des Patienten/der Patientin zwischenzeitlich zum Handeln auf individueller Basis zurückgekehrt
werden, und der soziale Kontext vorübergehend hintan gestellt
werden.
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Tab. 3 Veränderung der erhobenen Parameter über die Therapiezeit von 8 Wochen
ist, die ergotherapeutische Gruppe zu besuchen, als an den regelmäûig auf der Depressionsstation stattfindenden psychotherapeutischen Gruppensitzungen teilzunehmen.
Originalarbeit
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Um Missverständnissen vorzubeugen, muss betont werden, dass
die Einschätzung der sozialen Kompetenz im ergotherapeutischen Setting nach Blaser Csontos nicht mit sozialer Kompetenz
und sozialem Kompetenztraining im verhaltenstherapeutischen
Sinne [9] gleichzusetzen ist. Bei letzterem ist das Erreichen von
sozialer Gewandtheit, auch unabhängig von der Handlungsebene im ergotherapeutischen Sinne, explizit das Ziel. Die ergotherapeutische Gruppe verfolgt anhand des für sie spezifischen Mittels, nämlich des Tätigseins, viel mehr eine nicht speziell deklarierte, also implizite Strategie, um soziale Kompetenz zu fördern.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig darauf hinzuweisen,
dass die Interpretation von HK und SK immer auf dem Hintergrund der in Bezug auf Handeln und Sozialgefüge strukturierten,
geordneten und für die Patienten möglichst berechenbar gestalteten Ergotherapiegruppe erfolgen muss. Es wäre falsch, aufgrund der im ergotherapeutischen Setting erhobenen Werte für
soziale Kompetenz, auf die Fähigkeiten im Alltagsleben zu
schlieûen. Die Ergotherapeutin wird den/die Patienten/-in erst
dann, allenfalls auch auûerhalb der Gruppe, gezielt mit der Bewältigung von konkreten Alltagsaufgaben, wie sie das ¹normale
Lebenª fordert, konfrontieren, wenn er dazu im Stande ist, d. h.
genügend Kompetenz hat, um im sozialen Kontext zu handeln.
Auch hier kann die SK ein wichtiger Parameter sein, um den
günstigen Zeitpunkt für weitere Therapieschritte zu erkennen.
Obschon die SK von der HK abgeleitet wird und auf dem Hintergrund des handlungstheoretischen Modells anhand von praktisch identischen Vorgaben eingeschätzt wird (Tab. 1 u. 2), bereitet die Diskriminierung der beiden Kompetenzen keine Schwierigkeiten. Vielmehr machen Ergotherapeutinnen im klinischen
Alltag die Erfahrung, dass Handeln und Tätigsein als ¹Rohmaterialª deutlich vom Handeln im sozialen Kontext in der Gruppe zu
unterscheiden und abzugrenzen sind.
Die vorgelegten Daten wurden im Rahmen eines gröûeren Projektes erhoben, bei welchem sich Ergotherapeutinnen intensiv
mit den Abläufen im gruppentherapeutischen Setting auseinandersetzten. Für jede/n Patienten/-in wurde ein ausführliches Protokoll erstellt, in welchem regelmäûig psychopathologische Veränderungen, durchgeführte Tätigkeiten und deren Komplexitätsgrad sowie die Gegenübertragungsgefühle der Ergotherapeutin
festgehalten wurden.
Die Aussagekraft dieser Pilotstudie wird durch folgende Faktoren
vermindert. Die Stichprobe ist heterogen und mit 36 Probanden
klein. Die Aufschlüsselung nach nosologischen Untergruppen innerhalb der F3-Kategorie ist wegen der geringen Stichprobengröûe nicht möglich. Schlieûlich sind die zur Beurteilung der
Handlungs- und Sozialkompetenz verwendeten Instrumente unseres Wissens nicht an einem genügend groûen Kollektiv von depressiven Patienten nach Validität und Reliabilität geprüft worden. Allerdings unterzogen sich alle an der Untersuchung beteiligten Ergotherapeutinnen vor dem systematischen Einsatz der
Instrumente einem strukturierten Training bei der Autorin Blaser
Csontos.
Literatur
1
Wolfersdorf M. Konzepte und Therapieangebote von Depressionsstationen. Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie 1988; 1:
77 ± 88
2
Scheiber I. Ergotherapie in der Psychiatrie. Lehrbuch. Bartenschlager,
1995
3
Scheepers C. Ergotherapie, vom Behandeln zum Handeln. Lehrbuch
für die theoretische und praktische Ausbildung. Stuttgart: Georg Thieme, 1999
4
Kipp J, Herda C, Schwarz HJ. Wirkfaktoren der Ergotherapie. Ergebnisse einer Pilotstudie. Ergotherapie und Rehabilitation 2000; 6: 17 ± 21
5
Schützwohl M, Olbrich R. Patienten bewerten Maûnahmen der stationären psychiatrischen Ergotherapie. Krankenhauspsychiatrie 1999;
10: 56 ± 60
6
Blaser Csontos M. Die Förderung der Handlungsfähigkeit aufgezeigt
am Beispiel der Ergotherapie in der Psychiatrie. Lizentiatsarbeit. Bern:
Psychologisches Institut der Universität, 1991
7
Blaser Csontos M. Modell zur Erfassung der Handlungsfähigkeit. Ergotherapie und Rehabilitation 1998; 6: 448 ± 453
8
v. Zerssen D. Klinische Selbstbeurteilungs-Skalen aus dem Münchner
Psychiatrischen Informations-System. Paranoid-Depressivitäts-Skala.
Weinheim: Manual, 1976
9
Wiedemann G, Arissen G. Soziales Kompetenztraining. In: Batra A,
Wassmann R, Buchkremer G (Hrsg). Verhaltenstherapie. Grundlagen,
Methoden, Anwendungsgebiete. Stuttgart: Georg Thieme, 2000:
150 ± 161
Buchbesprechung
Taschenführer zur Klassifikation psychischer Störungen
WHO, herausgegeben und übersetzt von H. Dilling und
H. J. Freyberger
2. korrigierte und ergänzte Auflage, Bern: Hans Huber, 2001.
439 S., kart. 29,95. ISBN 3-456-83660-0
Die Diagnostischen Kriterien der Internationalen Klassifikation
psychischer Störungen ± ICD 10 sind inzwischen etabliert. Dafür
häufte sich der Wunsch, die mitunter kargen operationalen Kriterien und Kurzbeschreibungen für den Alltag in Klinik und Praxis etwas zu ¹verlebendigenª. Die US-Amerikaner, in dieser Sparte unbestreitbar Meister, sind mit dem ¹Pocket Guideª schon
1991 angetreten. Autor ist ein ¹Altmeisterª der ICD, nämlich Prof.
Dr. J. E. Cooper mit einer pragmatischen Zusammenstellung verschiedener Texte aus unterschiedlichen Quellen in einer erstaunlich lesbaren Synthese aus trockenen Notwendigkeiten und lehrbuchartigen Kurztexten. Eigentlich auch eine Synopsis der gesamten ¹Seelenheilkundeª (hochinteressant: Anhang II: kulturspezifische Störungen von Amok bis Windigo).
Auf eine kurze Einführung zu jeder Störung folgen die für die Diagnose relevanten Kriterien, ergänzt durch Differenzial- und
Ausschlussdiagnostik, abgerundet durch Kurzübersichten und
Referenzhinweise zu anderen Diagnose-Systemen.
Wie der Autor, der Verfasser des Geleitwortes und die Übersetzer
zu bedenken geben, ist eine solche Übersicht nicht ohne offene
Diskussionspunkte zu haben. Doch wer sich hier kritisierend eingräbt, vergisst, um was es wirklich geht: einen Kompromiss zwischen der pragmatischen Darstellung der Diagnosen in den ICD10-Forschungskriterien und den in Klinik und Praxis manchmal
schwierig anzuwendenden diagnostischen Leitlinien. Und da ist
dieses Taschenbuch eine willkommene Hilfe ± und bisher auch
konkurrenzlos.
V. Faust, Weissenau
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spielen sollte, bevor nicht eine deutliche Besserung der SK erfolgt.
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