Teil 1 „Schmerzmanagement in der stationären Altenpflege“ Interaktiv – Multiprofessionell– Interdisziplinär Eine Anforderung an das gesamte therapeutische Team Fortbildungsprogramm: PAIN CARE Teil 1 Inhalt Moderation / Referent 14:00 – 14:05 Uhr Begrüßung K. Reckinger 14:05 – 14:15 Uhr Einführung in das Thema K. Reckinger 14:15 – 15:00 Uhr Grundlagen der modernen Schmerztherapie K. Reckinger / G. Blatzheim 15:00 – 15:45 Uhr Schmerztherapie im Altenheim K. Reckinger / G. Blatzheim 15:45 – 16:15 Uhr Pause 16:15 – 17:00 Uhr Praktische Umsetzung in Einrichtungen S. Saßen / G. Blatzheim 17:00 – 17:45 Uhr Nicht-medikamentöse Schmerztherapie K. Reckinger 17:45 – 18:15 Uhr Pause 18:15 – 18:45 18:45 – 19:00 Uhr Exemplarische Krankheitsbilder [Gerda D.: Arthrose] Reflexion, Evaluation K. Reckinger K. Reckinger Teil 1 „Schmerzmanagement in der stationären Altenpflege“ - Einführung in das ThemaInteraktiv – Multiprofessionell– Interdisziplinär Häufigkeit von Schmerzen im Alter Prävalenz von Schmerzen bei Personen über 65 Jahre: 25 - 88 % 90 % der über 76-jährigen in Deutschland berichten von Gelenk- und Gliederschmerzen. 45 bis 80 % der Bewohner von Pflegeheimen klagen über Schmerzen. 1 Helme R.D. et al Clin Geriatr Med (2001) 17:417-431. 2 Gunzelmann T. Schmerz (2002) 16:318-328 3 Ferrel B.A. Annals of Internal Medicine (1995) 123(9):681-687 11 Schmerz und Demenz Schmerztherapie in Altenheimen 32% der Bewohner beklagen täglichen Schmerz. 32,9% davon erhalten keine Schmerzmedikamente. 1 Kognitiver Status und Analgetikaversorgung bei Altenheimbewohnern Analgetikaverschreibung und Darreichung von Opioiden und Nicht-Opioiden ist am höchsten bei Heimbewohnern mit geringen kognitiven Defiziten. Je höher das kognitive Defizit, desto geringer die Verordnung und Darreichung. 2 1 12 Decker et al. ; Pain Manag Nurs, 2009; 10 (2): 58-64 2 Closs et al., Br J Gen Pract., 2004; 54:919-921 12 Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege 13 Aufbau und Ablauf der PAIN CARE Schmerzfortbildung Schmerzerfassung Identifikation von Schmerzen Schmerzdiagnose festlegen Medikamentöse Schmerztherapie Schmerztherapie nach Ursache Nebenwirkungen, Gegenanzeigen Besonderheiten der Schmerztherapie bei betagten Menschen Nicht-medikamentöse Schmerztherapie Erhöhte Vulnerabilität betagter Menschen Möglichkeiten und Grenzen Nicht-medikamentöser Verfahren Aufbau und Ablauf der PAIN CARE Schmerzfortbildung Die Rolle der Pflege In der Schmerztherapie Übernahme eigener Verantwortlichkeiten Interdisziplinäre Schmerztherapie Medikationsmanagement Medikamentenmanagement Teamarbeit Umsetzung in Einrichtungen der stationären Altenpflege Interaktive Falldiskussionen Projektplanung, Konzept Verfahrensregelungen Qualitätsmanagement Teil 1 Moderne Schmerztherapie ▸ Eine Aufgabe des gesamten therapeutischen Teams Interaktiv – Multiprofessionell– Interdisziplinär Stufenschema nach WHO Leitlinien Stufe 1: • Paracetamol, t-NSAR, Coxibe, Metamizol, Muskelrelaxanzien Stufe 2: (zusätzlich zu bestehender Medikation) • Tramadol, Tilidin/Naloxon, Dihydrocodein Stufe 3: (nur Austausch schwacher Opioide gegen starke Opioide, übrige Medikation bleibt bestehen) • Opioide Morphin, Fentanyl, Hydromorphon, Oxycodon, Oxycodon/Naloxon, Buprenorphin, L-Methadon • MOR-NRI bei neuropathischen Schmerzen: ▸ Koanalgetika Gabapentin, Pregabalin Amitriptylin, Duloxetin immer: ▸ Palliative Care physisch psychisch emotional sozial spirituell (μ-Opioid-Rezeptor-Agonisten / Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren) Tapentadol 17 Schmerzverarbeitung und Weiterleitung ins Rückenmark h • Die schmerzleitenden Nervenfasern erreichen das Rückenmark über die Hinterwurzel Absteigende Nervenbahnen (= Efferente Bahnen) • Sie werden auf die 2. Nervenfaser umgeschaltet Aufsteigende Nervenbahnen (= Afferente • Bahnen) h Hinterhorn h Vorderhorn Die 2. Nervenfasern kreuzen zur Gegenseite und ziehen über den kontralateralen Seitenstrang (Vorderseitenstrang) zum Gehirn h 18 Schmerzarten (Schmerzdiagnosen) Körperliche Schmerzen (somatische Nozizeptorschmerzen) • verursacht durch Gewebeschädigungen im Bereich der Haut, Muskeln, Knochen, Gelenke Durch Entzündung ausgelöste körperliche Schmerzen (somatische Nozizeptorschmerzen mit Entzündung) • verursacht durch Entzündungen (z.B. Rheuma, aktivierte Arthrose) Eingeweideschmerzen (viszerale Nozizeptorschmerzen) • verursacht durch Gewebeschädigungen im Bereich des Bauches, des Brustkorbes und der inneren Organe Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen) • verursacht durch direkte Schädigung eines Nerven oder des Gehirns Sonderformen • Kopfschmerzen • somatoforme Schmerzstörung, Fibromyalgie (wide spread pain Syndrome) Begleiterkrankungen, die das Schmerzerleben verschlechtern • Depression, Angst, Schlafstörung, soziale Isolation, Gefühle der Hilflosigkeit 19 Kennzeichen körperlicher Schmerzen (somatische Nozizeptor-Schmerzen) gut lokalisierbar h Charakter: spitz, hell, schneidend, reißend sichtbare Verletzung vorausgegangenes Trauma sichtbare Gewebeschäden in der Bildgebung Absteigende Nervenbahnen (= Efferente Bahnen) Aufsteigende Nervenbahnen (= Afferente Bahnen) h Hinterhorn Sonographie, Röntgen, CT/MRT reflexartige Rückzugbewegung eventuell Doppelschmerz-Phänomen h Vorderhorn h 20 Kennzeichen von Eingeweide-Schmerzen (viszerale Nozizeptorschmerzen) Charakter Bohrend, „hell“, plötzlich einsetzend, extrem stark Kontraktionsschmerzen, kolikartig Dumpf, drückend, schlecht lokalisierbar Brennend, langsam beginnend häufig Begleitsymptome Übelkeit, Erbrechen Durchfall oder Verstopfung (bis zum Darmstillstand) langsame oder sehr schnelle Herzfrequenz niedriger oder sehr hoher Blutdruck eventuell Ausstrahlung in „Head‘sche“ Zonen Projektionsschmerz 21 Nervenschmerzen Schmerzwahrnehmung Schmerzen, die durch direkte Schädigung der Nerven oder Dysfunktion des Nervensystems entstehen. Kein klassischer Schmerzreiz Absteigende Modulation Aufsteigender Input t-NSAR und Coxibe haben keine Wirkung 22 Kennzeichen von Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen) brennend, ziehend, einschießend, „elektrisierend“ in der Ausdehnung dem Versorgungsgebiet eines Nerven oder einer Nervenwurzel entsprechend Gefühlsstörungen oder Lähmungen episodisch auftretende Schmerzen Zur Sicherung von Nervenschmerzen... ...sollte die Untersuchung durch einen Neurologen in Betracht gezogen werden. 23 Leiden Sie in den eingezeichneten Bereichen unter einem Brenngefühl (z.B. Brennnesseln)? Haben Sie im Bereich Ihrer Schmerzen ein Kribbel- oder Prickelgefühl (wie Ameisenlaufen, Stromkribbeln)? Ist leichte Berührung (Kleidung, Bettdecke) in diesem Bereich schmerzhaft? Löst ein leichter Druck, z.B. mit dem Finger, in diesem Bereich Schmerzen aus? Haben Sie im Bereich Ihrer Schmerzen blitzartig, elektrisierende Schmerzattacken? Ist Kälte oder Wärme (Badewannenwasser) in diesem Bereich gelegentlich schmerzhaft? Leiden Sie in den von Ihnen eingezeichneten Bereichen unter Taubheitsgefühl? Freynhagen et al. Current Medical Research and Opinion 2006; 22 Nr 10: 1911-1922 24 Auswahl nach pathophysiologischer Schmerzursache und -stärke: Nozizeptiv z.B. Arthrose, Osteoporose Nozizeptiv / entzündlich z.B. Aktivierte Arthrose Neuropathisch z.B. Diabetische Polyneuropathie, Post-Zoster-Neuralgie Dysfunktional z.B. Fibromyalgie • Nicht-Opioide Paracetamol, t-NSAR, Coxibe, Metamizol • Opioide, MOR-NRI (Tapentadol), Muskelrelaxanzien • t-NSAR, Coxibe, Glukokortikoide • Opioide, MOR-NRI (Tapentadol) • Na- und Ca-Kanalblocker TCA, Antikonvulsiva, topisches Lidocain • Noradrenalin/Serotonin-ReUptake-Inhibitoren Antidepressiva • MOR-NRI (Tapentadol) • Noradrenalin-Serotonin-ReUptake-Inhibitoren Antidepressiva Bei Beteiligung verschiedener Mechanismen spricht man von „Mixed Pain.“ Nach Sittl PAINROUTER TM 2010, TCA = Tricyklische Antidepressiva 25 Rheuma-Medikamente traditionelle Nichtsteroidale Antirheumatika (t-NSAR) Wirkstoff Celecoxib Etoricoxib Parecoxib Handelsname Celebrex® Hartkapseln 100 mg/ 200 mg Arcoxia® Filmtabletten 30 mg/ 60 mg/ 90 mg/ 120 mg Dynastat ® Injektionslösung 40 mg Applikation Dosierung oral 200 – 400 mg oral 30 – 120 mg intravenös 40 – 80 mg 1 – 2x täglich 1x täglich 1 – 2x täglich PEB CYP Inhibition, Induktion 97% CYP2D6-Inhibitor 92% keine 100% keine häufig gastrointestinale Nebenwirkungen (oft asymptomatisch) häufige renale Nebenwirkungen kontraindiziert bei Asthma bronchiale vermehrtes Auftreten von Herzinfarkten und Schlaganfällen (nicht bei Ibuprofen und Naproxen) 26 Rheuma-Medikamente Nebenwirkungen (zum Teil lebensgefährlich): ▸ Magengeschwüre und Schädigung der Darmschleimhaut Blutungen, Magendurchbruch, Darmperforation ▸ Nierenschädigung bis hin zum Nierenversagen ▸ Blutbildungsstörungen ▸ Leberschädigung ▸ Asthmaanfall ▸ vermehrtes Auftreten von Herzinfarkten und Schlaganfälle ▸ Thrombozytenaggregationshemmung ▸ Agranulozytose 27 Rheuma-Medikamente selektive Cyclooxygenase-2-Hemmer (Coxibe) Wegen der erheblichen Nebenwirkungen wurde viel Hoffnung auf die neu entwickelten COX-2-Hemmer gesetzt Wirkstoff Celecoxib Etoricoxib Parecoxib Handelsname Celebrex® Hartkapseln 100 mg/ 200 mg Arcoxia® Filmtabletten 30 mg/ 60 mg/ 90 mg/ 120 mg Dynastat ® Injektionslösung 40 mg Applikation Dosierung oral 200 – 400 mg oral 30 – 120 mg intravenös 40 – 80 mg 1 – 2x täglich 1x täglich 1 – 2x täglich PEB CYP Inhibition, Induktion 97% CYP2D6-Inhibitor 92% keine 100% keine geringere gastrointestinale Nebenwirkungen als t-NSAR gleich häufige renale Nebenwirkungen wie t-NSAR vermehrtes Auftreten von Herzinfarkten und Schlaganfällen 28 Metamizol (Novalgin®) Wirkung: schmerzlindernd (vor allem bei Bauchschmerzen) Fieber senkend Entkrampfung der Muskulatur Minimale wirksame Dosis: Höchstdosis: 500 mg (= 20 Tropfen) 5000 mg pro Tag Nebenwirkung: Kreislaufschwäche, Schwindel, Schwitzen Schwere mögliche Nebenwirkung: Schwächung der körpereigenen Schutzmechanismen (Agranulozytose) Infekte Tod 29 Paracetamol (Ben-u-ron®) Wirkung: schmerzlindernd, Fieber senkend Minimal wirksame Dosis: Höchstdosis: 1000 mg 4000 mg pro Tag (3000 mg bei betagten Patienten) Leichte Nebenwirkungen: keine Schwere mögliche Nebenwirkung: Leberausfall Tod 30 Abbau von Paracetamol Paracetamol Konjugation mit Schwefelsäure oder Glucuronsäure Sulfate, Glucuronide (nicht toxisch) N-Acetyl-p-Benzochinonimine (hoch toxisch) Konjugation mit Glutathion Mercaptursäureverbindungen (nicht toxisch) renale Ausscheidung Reaktion mit Proteinen und Nukleinsäuren der Hepatozyten Inaktivierung der Hepatozyten, Leberzellnekrose GA: schwere Leberinsuffizienz (Child-Pugh > 9) AB: Leberinsuffizienz (Child-Pugh ≤ 9), chron. Alkoholmissbrauch, Niereninsuffizienz Stad. 5, Gilbert-Meulengracht-Syndrom 31 Schwache Opioide Starke Opioide Sonderformen Tramadol Tilidin / Naloxon Morphin Hydromorphon Oxycodon Fentanyl Buprenorphin L-Methadon Oxycodon / Naloxon Buprenorphin 7-Tage-Pflaster (5, 10, 20 µg/h) Fentanyl (buccal, nasal, sublingual) Tapentadol (MOR-NRI-Agonisten) 32 32 Morphin Wirkung: schmerzlindernd Minimale wirksame Dosis: 2,5 mg, Höchstdosis: keine Nebenwirkungen: (gilt auch für alle anderen Opioide) Müdigkeit, Angst lösende Wirkung, Abhängigkeit, Euphorie, Depression, Übelkeit, Obstipation, Schwitzen, Juckreiz, Impotenz, Verwirrtheit, Halluzinationen, verändertes Schlafverhalten (Albträume) Morphinvergiftung: (gilt auch für alle anderen Opioide) Bewusstlosigkeit (Koma), Atemlähmung (ohne Luftnot), niedrige Blutdruckwerte, niedriger Puls, sehr enge Pupillen, trockene Haut schlaffe Muskeln, niedrige Körpertemperatur, Muskelzuckungen (evtl. Krampfanfälle), Blaufärbung der Lippen, Finger und Zehen 33 Transdermale therapeutische Systeme (TTS) Buprenorphin (Transtec® PRO) Fentanyl (Durogesic® SMAT) hautfarben, gut sichtbar transparent 35, 52.5, 70 g/h 96 h Abgaberate Applikationsintervall 20, 30, 40 mg 35 μg/h Transtec = 80 mg Morphin Beladung 12,5, 25, 50, 75, 100 g/h 48 – 72 h 2.1, 4.2, 8.4, 12.6, 16.8 mg 25 μg/h Durogesic = 60 mg Morphin 34 Transdermale therapeutische Systeme (TTS) Buprenorphin 7 Tage-Pflaster (Norspan®) hautfarben, gut sichtbar Abgaberate Applikationsintervall Beladung 5, 10, 20 g/h 7 Tage 5 mg, 10 mg, 20 mg 5 μg/h Norspan = 10-15 mg Morphin 35 Koanalgetika ...sind Medikamente, deren primäre Indikation nicht die Schmerztherapie ist, die aber bei bestimmten Schmerzen analgetisch wirksam sind. bei neuropathischen Schmerzen Antikonvulsiva Gabapentin (Neurontin®), Pregabalin (Lyrica®), Carbamazepin (Tegretal®) Antidepressiva Amitriptylin (Saroten®), Doxepin (Aponal®), Duloxetin (Cymbalta®, Ariclaim®), Venlafaxin (Trevilor®), Mirtazapin (Remergil®) bei Entzündungen und Kompressionssyndromen Kortison Prednisolon (Decortin®), Dexamethason (Fortecortin®) bei Knochenmetastasen und Osteoporose Bisphosphonate Clodronat (Ostac®), Alendronat (Fosamax®), Pamidronat (Aredia®), Zoledronat (Zometa®) 36 Antidepressiva in der Schmerztherapie Dosierung Substanz Handelsname (Beispiel) Klassifikation Amitriptylin Saroten® TZA 25 - 50 mg – AD: 1x 10 mg Doxepin Aponal® TZA 25 - 50 mg – AD: 1x 25 mg Duloxetin * Cymbalta® SNRI 60 mg – AD: 1x 60 mg Venlafaxin Trevilor® SNRI 75 - 225 mg – AD: 1x 75 mg Mirtazapin Remergil® NaSSA 15 - 45 mg – AD: 1x 15 mg (AD = Anfangsdosierung) TZA = Trizyklisches Antidepessivum SNRI = Selektiver Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer NaSSA = Noradrenerges und spezifisch serotonerges Antidepressivum * nur bei diabetischer Polyneuropathie 37 Trizyklische Antidepressiva (TCA, z.B. Amitriptylin) Unerwünschte Wirkungen Kopfschmerzen, Schwindel, Tremor, Schläfrigkeit Palpitationen, Tachykardien, orthostatische Hypotonie, AV-Block Akkomodationsstörungen, Harnblasenentleerungsstörungen Mundtrockenheit, verm. gastrointestinaler Sekretfluß, Obstipation Absenkung der Krampfschwelle, Gewichtszunahme Verwirrtheit, Ängstlichkeit, Schlaflosigkeit, Albträume Parästhesien, Ataxie, Manie Kontraindikationen M. Parkinson, Engwinkelglaukom, Pylorusstenose, Darmverschluss 38 Wirk-Ort der Antidepressiva in der Schmerztherapie h Absteigende Nervenbahnen (= Efferente Bahnen) Aufsteigende Nervenbahnen (= Afferente Bahnen) h Hinterhorn h Vorderhorn h Antidepressiva haben physiologisch eine schmerzlindernde Wirkung. Sie hemmen die Wiederaufnahme von Noradrenalin in den absteigenden Schmerzhemmbahnen. 39 Kalzium-Kanalblocker (Antikonvulsiva) z.B. Pregabalin/Gabapentin Pregabalin / Gabapentin Kalzium Membranstabilisierender Effekt Kalziumkanal Reduzierter Kalzium-Einstrom in die Zelle Glutamat Verringerte Ausschüttung des schmerzerzeugenden Transmitters Glutamat Reduzierte elektrische Erregbarkeit von Neuronen 1) Ettinger et al. Neurotherapeutic. 2007; 4:75-83. et al. Eur J Neurol 2006; 13:1153-69. 3) Dworkin et al. Arch Neurol 2003; 40 60:1524-34 2) Attal 40 Antikonvulsiva (Antiepileptika) Indikation: Nervenschmerzen mit einschießendem Charakter Gabapentin Gabapentin Sehr häufige NW laut FI Zur Behandlung von peripheren Neuropathischen Schmerzen Wie schmerzhafte, diabetische Neuropathie und postheretische Neuralgie Somnolenz, Schwindel, Ataxie, Fieber, Ermüdung, Virusinfektion. Pregabalin Pregabalin Sehr häufige NW laut FI Zur Behandlung von peripheren und zentralen neuropathischen Schmerzen und zur Behandlung von generalisierten Angststörungen Benommenheit, Schläfrigkeit. Pregabalin ist insgesamt etwas besser verträglich. 41 Fachinformation Lyrica® (August 2009), Fachinformation Neurontin ® (Dezember 2009) „Schmerzmanagement in der stationären Altenpflege“ Arzneimittel bezogene Probleme (ABP) Der Medikationsprozess pflegebedürftiger Senioren als Hochrisikoprozess Das einrichtungsbezogene Risiko Das therapiebezogene Risiko Risiken sind quantifizierbar! Dadurch auch vermeidbar und verminderbar! 43 Der pflegebedürftige Patient ist von unterschiedlichen Professionen abhängig Apotheker Pfleger Patient Arzt 44 Fehlerquellen im Medikationsprozess Indikationsstellung Verschreibung Überbringen/ -tragung der Verordnung Herstellung Lagerung Lieferung Dokumentation Dispensieren Arzneimittelanwendung Therapieüberwachung Quelle F. Hanke, Weiterbildung Geriatrische Pharmazie WL 07-2009 45 Medikationsprozess als multiprofessionelle Versorgung Indikationsstellung Überbringen/ -tragung der Verordnung Therapiebezogene Medikationsfehler Herstellung Verschreibung Lagerung Lieferung Einrichtungsbezogene Medikationsfehler Dokumentation Dispensieren Arzneimittelanwendung Arzt Arzt, Apotheker, Pflege Apotheker, Pflege Arzt, Pflege Apotheker, Industrie Therapieüberwachung Quelle F. Hanke, Weiterbildung Geriatrische Pharmazie WL 07-200946 Einrichtungsbezogene Probleme Medikationsmanagement • Wie werden Therapiebeobachtungen erfasst? • Wo werden sie dokumentiert? • Mit wem werden die Therapiebeobachtungen besprochen? • Untereinander • Wohnbereichsleitung • Apotheke • Arzt • Wie werden Konsequenzen gezogen? 47 Patientenakte Fallbeispiel Peter Lustig, 68 Jahre alt Vor 4 Jahren Akutbehandlung aufgrund eines Herzinfarkts; keine Probleme, keine weitere Medikation. Beim Hausarzt klagt er nach 3 Jahren über das Wegbleiben der Luft; bereits beim Treppensteigen. Er muss dann immer Pausen einlegen; abends bemerkt er auch geschwollene Beine. Ärztliche Diagnose: chronische Herzinsuffizienz Therapie: Diuretikum, ACE-Hemmer, Betablocker Vor 3 Monaten war er im Krankenhaus aufgrund einer akuten kardialen Dekompensation. 48 Erfassung der Gesamtmedikation Daten Arzt Daten Apotheke Brown Bag Patient Arzneimittel inkl. Stärke Dosierung lt. Arzt BISOPROLOL 5 mg Retardtabletten 1-0-0-0 SIMVASTATIN 40 mg Filmtabletten 0-0-1-0 RAMIPRIL plus 5 mg/25 mg Tabletten 1-0-0-0 RAMIPRIL 5 mg Tabletten 1-0-0-0 Siofor 1-0-1-0 Dosierung lt. Patient Kommentar Medikation laut Dr. Engel (Hausarzt) 49 Daten aus der Patientendatei Daten Arzt Daten Apotheke Brown Bag Patient Arzneimittel inkl. Stärke Dosierung lt. Arzt BISOPROLOL 5 mg Retardtabletten 1-0-0-0 SIMVASTATIN 40 mg Filmtabletten 0-0-1-0 RAMIPRIL plus 5 mg/25 mg Tabletten 1-0-0-0 RAMIPRIL 5 mg Tabletten 1-0-0-0 Siofor 500 mg 1-0-1-0 Allopurinol 100 Tabletten Dosierung lt. Patient Kommentar 2 x N3 50 Patientengespräch Daten Arzt Daten Apotheke Facharztmedikation (nicht in Datenbank Hausarzt) Arzneimittel inkl. Stärke Dosierung lt. Arzt Dosierung lt. Patient Kommentar BISOPROLOL 5 mg Retardtabletten 1-0-0-0 sporadisch SIMVASTATIN 40 mg Filmtabletten 0-0-1-0 0-0-1-0 Dr. Engel RAMIPRIL plus 5 mg/25 mg Tabletten 1-0-0-0 0-0-1-0 Nächtl. Harndrang! RAMIPRIL 5 mg Tabletten 1-0-0-0 1-0-0-0 Zeitpunkt Siofor 500 mg 1-0-1-0 1-0-1-0 Nur bei Tachyarrhythmie Allopurinol 100 Tabletten 1-0-0-0 2 x N3, 5 Monate; Engel Inegy 10 mg / 40 mg Tabletten 0-01-0 Dr. Herz, Seit 3 Wochen 2 x täglich Seit letzter Woche, Knieschmerzen Voltaren 25 mg Tabletten 51 Standardisierte Evaluation Diskrepanzen zwischen aktueller Medikation laut Patient und anderen Informationsquellen Vermeidbare Doppelmedikationen? Relevante vermeidbare Interaktionen? Ungeeignete Einnahmefrequenzen, Darreichungsformen? Anwendungsprobleme? Vereinfachung der Arzneimittelanwendung möglich? Hinweise auf Non-Compliance oder Nebenwirkungen? 52 Rücksprache Apotheker mit Dr. Engel Diskrepanzen zwischen aktueller Medikation laut Patient und anderen Informationsquellen • Allopurinol 100 mg, 1x täglich im MP übernommen Vermeidbare Doppelmedikationen? • Inegy® 10 mg/40 mg und Simvastatin 40 mg nur Inegy® im MP Relevante vermeidbare Interaktionen? • Antihypertensiva plus Diclofenac (OTC) plus KI Herzinsuffizienz kein Diclo, wenn OTC Paracetamol wenn anderes Analgetikum notwendig, Arztbesuch Ungeeignete Einnahmezeiten, Darreichungsformen? • Ramipril plus (HCT) abends und Ramipril morgens umgekehrt Hinweise auf Non-Compliance oder Nebenwirkungen? • Bisoprolol nur „bei Bedarf“ Einschleichen, 2 Wo. 1,25 mg, dann 2 Wo. 2,5 mg, nach 4 Wo. Arzttermin, ggf. weitere Erhöhung bis auf 5 mg pro Tag (dann Info von Praxis) (Ruhepuls < 40 mg pro min.) 53 PHARM-CHF Medikationsplan Wirkstoff Handelsname Stärke Form Mo | Mi | Ab | zN Einheit Hinweise Bisoprolol BISOPROLOL, AbZ 2,5 mg Tabletten 2,5 mg TAB 0,5 | 0 | 0 | 0 St. 1 TAB ab 01.12. 15.12. Arzttermin Ramipril RAMIPRIL, 1A Pharma 5 mg Tabletten 5 mg TAB 0|0|1|0 St. Hydrochlorothiazid, Ramipril RAMIPRIL, 1A Pharma plus 5 mg / 25 mg Tabletten 25 mg, 5 mg TAB 1|0|0|0 St. Metformin METFORMIN 500 Heumann Filmtabletten 500 mg TAB 1|0|1|0 St. Allopurinol ALLOPURINOL AL 100 Tabletten 100 mg TAB 1|0|0|0 St. Ezetimib, Simvastatin INEGY 10 mg / 40 mg Tabletten 10 mg, 40 mg TAB 0|0|1|0 St. Paracetamol PARACETAMOL, ratiopharm 500 mg Tabletten 1000 mg TAB Bei Bedarf St. 54 Teil 1 „Schmerzmanagement in der stationären Altenpflege“ - Praktische Umsetzung in Einrichtungen Interaktiv – Multiprofessionell– Interdisziplinär Expertenstandards zum Schmerzmanagement (akut) Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen 1. Aktualisierung 2011 - Stand: Dezember 2011 Zielsetzung: Jeder Patient/Bewohner mit akuten oder zu erwartenden Schmerzen erhält ein angemessenes Schmerzmanagement, das dem Entstehen von Schmerzen vorbeugt, sie auf ein erträgliches Maß reduziert oder beseitigt. Begründung: Eine unzureichende Schmerzbehandlung kann für Patienten/Bewohner gravierende Folgen haben, z. B. physische und psychische Beeinträchtigungen, Verzögerungen des Genesungsverlaufs oder Chronifizierung der Schmerzen. Durch eine rechtzeitig eingeleitete, systematische Schmerzeinschätzung, Schmerzbehandlung sowie Information, Anleitung und Schulung von Patienten/Bewohnern und ihren Angehörigen tragen Pflegefachkräfte maßgeblich dazu bei, Schmerzen und deren Auswirkungen zu kontrollieren bzw. zu verhindern. Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei chronischen Schmerzen Entwurf- Stand: Februar2014 Zielsetzung: Jeder Patient/Bewohner mit chronischen Schmerzen erhält ein individuell angepasstes Schmerzmanagement, das zur Schmerzlinderung, zu Erhalt oder Erreichung einer bestmöglichen Lebensqualität und Funktionsfähigkeit sowie zu einer stabilen und akzeptablen Schmerzsituation beiträgt und schmerzbedingten Krisen vorbeugt. Begründung: Chronischer Schmerz wirkt beeinträchtigend auf die Lebenssituation der Betroffenen und ihrer Angehörigen ein. Durch das Schmerzerleben sinkt die Lebensqualität, wird die Funktionsfähigkeit und die soziale Teilhabe erheblich eingeschränkt und es kann zu gesundheitlichen Krisen aufgrund von Destabilisierung der Schmerzsituation kommen. Ein individuell angepasstes pflegerisches Schmerzmanagement leistet einen wichtigen Beitrag in der interprofessionell abgestimmten Schmerzbehandlung. Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) Akuter Schmerz: …ist ein plötzlich auftretender und einen begrenzten Zeitraum andauernder Schmerz, der in einem offensichtlichen und direkten Zusammenhang mit einer Gewebe- oder Organschädigung steht. (Lebenserhaltende Alarm- und Schutzfunktion – physiologische Begleiterscheinungen) DNQP 2011 Chronischer Schmerz: …wird als Schmerz beschrieben, der länger als 3 – 6 Monate anhält. Weitere Prädiktoren sind physische und psychische Komorbiditäten und Angststörungen. Zudem ist der Chronifizierungsprozess durch Multidimensionalität und die Bedeutung des sozialen Umfeldes charakterisiert. DNQP 2013 Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) Chronischer Schmerz (IASP): …eine weitere Differenzierung anhand bestimmter Kriterien erweist sich als problematisch. Chronischer Schmerz (ohne offensichtlichen biologischen Wert), wenn dieser über den Zeitraum einer üblichen Heilung hinaus anhält (3 Monate). Andere kritisieren sowohl das Fehlen einer pathologischen Ursache als Kriterium, als auch einen festen Trennwert für die Dauer einer Chronifizierung. Vorgeschlagen wird eine kontinuierliche Betrachtung der beiden Dimensionen Zeit (kurzlang) und Pathologie (geringhoch). vgl. Tab. 3 (Definitorische Elemente) DNQP 2013 Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) Präambel Pflegerisches Schmerzmanagement erfolgt immer unter der Berücksichtigung des bio-psycho-sozialen Modells. (s. P2) Die Autonomie des Patienten/Bewohners rückt damit in den Mittelpunkt des pflegerischen Schmerzmanagements (Grundlage des pflegerischen Handelns). Abgrenzung chron. tumorbedingter vs. nicht-tumorbedingter chronischer Schmerz in der Versorgung nachvollziehbar, die Phänomene sind jedoch identisch. Im Expertenstandard werden beide Gruppen jedweder Genese angesprochen. DNQP 2013 Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) Pragmatische Zielsetzung: - individuell angepasstes Schmerzmanagement a) zur Schmerzlinderung b) zu Erhalt oder Erreichung einer bestmöglichen Lebensqualität c) zu Erhalt oder Erreichung einer bestmöglichen Funktionsfähigkeit d) für eine stabile und akzeptable Schmerzsituation e) schmerzbedingten Krisen vorbeugen DNQP 2013 Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) Inhaltliche Zielsetzung: Eine Unterscheidung zwischen stabilen und instabilen Schmerzsituationen ist von Pflegekräften vornehmen. Es gibt aber zurzeit kein Assessmentinstrument, das dabei unterstützen könnte, die Stabilität einer Schmerzsituation objektiviert einzuschätzen. Daher sollten stets die Elemente Schmerzerleben, Funktionsfähigkeit, Lebensqualität und soziale Teilhabe Berücksichtigung finden. Eine Sammlung definitorischer Aspekte soll helfen pflegerisches Handeln an den individuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten des Pflegebedürftigen auszurichten. DNQP 2013 Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) Eine stabile Schmerzsituation herrscht, wenn: Bei chronischen Schmerzen die Schmerzsituation subjektiv als akzeptabel und nicht veränderungsbedürftig erlebt wird Sich Zielkriterien für Stabilität konkret an der Lebenswelt orientieren und ausgehandelt wurden Die Kriterien der Stabilität unter fachlicher Beratung der Pflegefachkraft ermittelt wurden – dadurch werden potentielle Bedrohungen der subjektiv stabilen Schmerzsituation besprochen und antizipiert Für mögliche Krisen und Komplikationen gemeinsam entwickelte Strategien zur Prävention vorliegen DNQP 2013 Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) Eine instabile Schmerzsituation herrscht, wenn: Die Schmerzlinderung und –situation dauerhaft nicht einer akzeptablen Situation entspricht Gesundheitsbezogene und alltagsbezogene Krisen auftreten oder noch nicht wieder durch eine akzeptable Situation abgelöst wurden Versorgungsbrüche entstehen, die nicht (Selbstmanagement, Angehörige, Professionelle) überbrückt werden können Komplikationen mit der oder durch die Therapie oder Nebenwirkungen auftreten Einbußen an Lebensqualität, Funktionalität oder sozialer Teilhabe entstanden sind, die nicht dem Willen (auch mutmaßlichen) des Betroffenen entsprechen DNQP 2013 Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) Kriterienebenen (Prozessablauf) individuell angepasstes Schmerzmanagement durch Ebene 1) Schmerzeinschätzung, Schmerzexperte (SE) Ebene 2) individuelle Therapieziele und Behandlungsplan Ebene 3) Information, Schulung und Beratung (SE) Ebene 4) Koordination und Umsetzung des Behandlungsplans Ebene 5) Verlaufskontrolle und Wirkungsüberprüfung (SE) Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) / Struktur / Kriterienebene 1 Die Pflegefachkraft S1a verfügt über aktuelles Wissen und die Kompetenz zur Differenzierung zwischen akutem und chronischem Schmerz und zur systematischen Schmerzeinschätzung. Die Einrichtung S1b verfügt über aktuelle, zielgruppenspezifische Assessment- und Dokumentationsmaterialien und sorgt für die Verfügbarkeit von pflegerischen Schmerzexperten. DNQP 2013 Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) / Prozess / Kriterienebene 1 Die Pflegefachkraft P1a erhebt zu Beginn des pflegerischen Auftrags mittels eines initialen Assessments, ob der Patient/Bewohner Schmerzen, zu erwartende Schmerzen oder schmerzbedingte Einschränkungen hat und ob vorliegende Schmerzen akut oder chronisch sind. Ist dies nicht der Fall, wird die Einschätzung in vorsorgungsspezifischen individuell festzulegenden Zeitabständen wiederholt. P1b führt bei allen Patienten/Bewohnern mit chronischen Schmerzen ein differenziertes, kriteriengeleitetes Assessment der Schmerzsituation durch und erfasst individuelle Faktoren, die die Schmerzsituation stabilisieren oder destabilisieren können. P1c informiert bei instabiler Schmerzsituation den behandelnden Arzt und zieht einen pflegerischen Schmerzexperten hinzu DNQP 2013 Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) / Differenzierte Schmerzeinschätzung 1. Schmerzlokalisation Gibt Aufschluss über die Schmerzentstehung (Chapman u. Syrjala 2001) verbessert den Informationsaustausch zwischen Pat. und Therapeuten/Pflegenden (Carr, Ec 1997) Pat. zeigt selbst auf schmerzende Körperregion(en) oder trägt Schmerz in Körperskizze ein (Schmerzersteinschätzung McCaffery, Brief Pain Inventory [BPI]) 2. Schmerzintensität Grundlage für Einleitung bzw. Anpassung pharmakologischer Schmerztherapie; gibt Aufschluss über Verlauf/Therapieerfolg (WHO 1996; Wulf et. Al. 1997) Pat. schätzt Schmerzintensität anhand von standarisierten Schmerzskalen ein (NRS, VAS, VRS) – mögl. Parameter: SI in Ruhe und bei Bewegung, SI jetzt, SI stärkster Schmerz, SI durchschnittl. Schmerz, SI geringster Schmerz 3. Schmerzqualität Gibt Aufschluss über Schmerzentstehung; wichtige Grundlage für die Auswahl der Schmerzmedikamente bzw. Co-Analgetika (McCaffery, M. u. Pasero 1999) Pat. zuerst in eigenen Worten den Schmerz beschreiben lassen; hat der Pat. Schwierigkeiten bei der Beschreibung, können Wörter vorgegeben werden (McCaffery, M. u. Pasero 1999) (z.B. Auszug Fragebogen DGSS, McGill, Pain Questionnaire) 4. Zeitliche Dimension (1. Auftreten, zeitl. Verlauf, Rhythmus) Wichtige Merkmale von Schmerz; z.B. erstes Auftreten > 6 Monate ist ein Indikator für Chronifizierung, wichtig für Pflegeplan (Tagesablauf und Medikamenteneinnahme bzw. non-pharma-kol. Interventionen planen) „Wann sind diese Schmerzen das erste Mal aufgetreten?“ „Sind diese Schmerzen zu manchen Zeiten schlimmer oder besser im Verlaufe des Tages oder der Nacht oder an bestimmten Tagen im Monat?“ (McCaffery, M u. Pasero 1999) 5. Verstärkende und lindernde Faktoren Wichtig für Pflegeplanung, um Faktoren, die schmerzverstärkend sind, zu meiden und bewährte Maßnahmen fortzuführen sowie Lösungsstrategien zu entwickeln Pat. befragen, beobachten, ggf. Familie einbeziehen 6. Auswirkungen auf das Alltagsleben Wichtig für die Pflegeplanung und Evaluation der Schmerztherapie; gibt Aufschluss über den Umgang mit Schmerzen beobachten, ggf. Familie einbeziehen (Brief Pain Inventory) DNQP 2013 Pat. befragen, Einschätzungsinstrumente zur Messung der Schmerzintensität (exemplarisch) Visuelle Analogskala (VAS) Numerische Analogskala (NAS) Einschätzungsinstrumente zur Messung der Schmerzintensität (exemplarisch) Verbale Ratingskala (VRS) Die VRS ist eine fünfstellige Skala, welche mit Adjektiven, wie „kein Schmerz“ - „leichter Schmerz“ „mittelstarker Schmerz“ bzw. „mäßiger Schmerz“ - „starker Schmerz“ und „unvorstellbarer Schmerz“, markiert ist. Vorteil der VRS, ist die einfache Anwendung. Nachteilig ist bei dieser Skala, die großen Abstände der einzelnen Stufen. Geringe Veränderungen können so nicht gut erfasst werden. Fremdeinschätzung Bei Patienten mit kognitiven Einschränkungen, muss eine Fremdeinschätzung durchgeführt werden. Hierzu zählen die Befragung der Bezugspersonen bzw. die Beobachtung durch die Pflegenden. Nonverbale Zeichen, wie Schonhaltung, Grimassieren und direkte Schmerzäußerungen z.B. stöhnen sollten zur Diagnostik und Messung des Schmerzes herangezogen werden. Einschätzungsinstrumente für vulnerable Personengruppen Zielgruppe Indikatoren zur Abweichung regulärer Selbsteinschätzung Empfohlene Instrumente Früh- und Neugeborene Alter / Reife NIPS Reife Neugeborene bis 4. LJ Alter, Sedierung, Beatmung KUSS, Sedierungsbogen n. Hartwig Kinder 1.-8. LJ Alter, nicht erreichen der verbalen Phase, keine Fähigkeit zur Abstraktion FLACC (Validierung der dt. Übersetzung fehlt) Kinder mit Schwerst- und Mehrfachbehinderung Alter/Reife, eingeschränkte Selbstauskunftsfähigkeit Post-OP: NCCPC, FLACCRevised sonst: NCCPC-R, PPP Bewusstseinsbeeinträchtigte Patienten, sedierte Pat. Reduzierte Ansprechbarkeit Behavioural Pain Scale, ZOPA Dementiell Erkrankte Mittlere – schwere Demenz (DEGAM II-III) BESD, BISAD, ZOPA Expertenstandards Prozess / Kriterienebene 1 Beispiel BPI (Brief Pain Inventory) Als Ergänzung zum differenzierten Schmerzassessment Ggf. Ergänzung um Faktoren der Stabilität und Instabilität von Schmerzerleben Assessment zur Ergänzung der differenzierten Schmerzeinschätzung bei chron. Schmerzen Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) / Ergebnis/ Kriterienebene 1 E1 Für alle Patienten/Bewohner mit chronischen Schmerzen liegt eine aktuelle, systematische und zielgruppenspezifische Einschätzung der Schmerzsituation vor. Diese stellt handlungsleitende Informationen zur Weiterführung, Ergänzung oder Entwicklung eines individuellen Behandlungsplans zur Verfügung. DNQP 2013 Dokumentation Schmerzverlauf Hier Ergänzung um Elemente des BPI oder stab./instab. Schmerzsituationen (vgl. Folie: ergänzendes Assessment) Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) / Struktur / Prozess / Kriterienebene 3 S3a Die Pflegefachkraft verfügt über notwendige Informations-, Schulungs- und Beratungskompetenzen. S3b Die Einrichtung stellt sicher, dass Information, Schulung und Beratung unter Wahrung personeller Kontinuität umgesetzt werden können und stellt die notwendigen Materialen zur Verfügung. P3a Die Pflegefachkraft informiert, schult und berät den Patienten/Bewohner und ggf. seine Angehörigen in enger Abstimmung mit den an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen versorgungsbereichsspezifisch und auf Basis individuell ausgehandelter Ziele zu seiner Schmerzsituation und trägt zur Stärkung seiner Selbstmanagementkompetenzen bei. P3b Die Pflegefachkraft zieht bei speziellem Beratungsbedarf einen pflegerischen Schmerzexperten hinzu. Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) / Beratungsinhalte / Kriterienebene 3 Verstehen von (z.B. Tumor-)Schmerz Verstehen des Krankheitsprozesses in Beziehung zum Schmerz Wie Schmerz geeignet umschrieben und dokumentiert wird Verstehen des Schmerzmanagements Kenntnis über die verfügbaren Analgetika Beseitigung von Ängsten bezüglich der Opioid-Analgesie Zugang zu Hilfe und Unterstützung (wann, wo und wer) Pflegeberdürftige sollten bestärkt werden: Analgetika anzufragen, bevor sich Schmerzen neg. auswirken (z.B. >4/10) über Schmerz berichten, der sich nach Intervention nicht gebessert hat über jegliche Nebenwirkung zu berichten und versichert werden, dass diese beseitigt werden können und werden. Expertenstandards zum Schmerzmanagement (chron.) / Ergebnis / Kriterienebene 3 E3 Der Patient/Bewohner und ggf. seine Angehörigen sind individuell über seine Schmerzsituation informiert, geschult und beraten. Sein schmerzbezogenes Selbstmanagement ist unterstützt und gefördert Teil 1 „Schmerztherapie bei älteren Menschen“ - Nicht-medikamentöse SchmerztherapieInteraktiv – Multiprofessionell– Interdisziplinär Nicht-medikamentöse Schmerztherapieverfahren Information, Beratung und Begleitung Schmerztherapie im Rahmen der Pflege (z.B. Lagerung) Physikalische Therapie Physiotherapie (z.B. Bewegungstherapie, Massage, Kreislauftraining, Muskelaufbau) Fango, Kryotherapie, Stimulationsverfahren (TENS, SCS) Psychotherapeutisch orientierte Gesprächsführung Schmerzbewältigungstraining Entspannungsverfahren Stressbewältigungstraining, Biofeedback Multiprofessionelle palliativmedizinische und hospizliche Begleitung Spirituelle Begleitung 81 Wichtige Informationen für die Schmerzpatienten Schmerzen korrelieren nicht mit der auslösenden Ursache (Ausmaß der Gewebeschädigung, Progress der Erkrankung) Werden die Medikamente nicht nach Vorschrift und regelmäßig eingenommen, können sich Schmerzen verschlimmern. Schmerzmedikamente können selber Schmerzen auslösen. Von keinem Medikament kann die Wirkung oder Verträglichkeit sich voraus gesagt werden. Verändert sich akut die Intensität oder der Charakter der Schmerzen oder treten neue Schmerzen auf, muss ärztlich die Ursache geklärt werden. Mit Nebenwirkungen von Koanalgetika und Opioiden ist besonders in der Einstellungsphase zu rechnen. Dagegen nimmt die schmerzlindernde Wirkung zu. Die Nebenwirkungen von Nicht-Opioiden nehmen mit der Zeit zu. Alle Schmerzmedikamente verlieren mit der Zeit an Wirkung. Komplexität vs. sensualistische Reduktion Interdisziplinarität ist um das „komplexe Ganze“ bemüht sensualistische Reduktion ist um einen Teil des komplexen Ganzen bemüht, um diesen effektiv bearbeiten zu können Interdisziplinarität macht Handlungen zu komplexen Handlungen in Situationen sensualistische Reduktion folgt einfachen UrsacheWirkungszusammenhängen Interdisziplinarität - Definitionen Interdisziplinarität ist, um schon hier den guten alten Aristoteles zu bemühen, mehr als die Summe ihrer Teile. Aus verschiedenen Bereichen wird durch Verknüpfung eines, mehrerer oder, im besten Falle, aller Teilbereiche ein komplexes Ganzes, das sich wie ein organisches Kontinuum darzustellen, und eine vielfältige sowie vielgestalte Menge von Fachbereichen, Disziplinen mit ihren Verbindungen und Verknüpfungen bereitzustellen vermag. Universale Phänomene (Schmerzen) brauchen universale Begriffe PSYCHISCH PHYSISCH SPIRITUELL SOZIAL Schmerztherapie im Altenheim Bausteine der Pflege Nicht-medikamentöse Maßnahmen Lagerung Wärme / Kälte Ablenkung Verschiedene supportive Maßnahmen Beratung und Aufklärung Beobachtung und Dokumentation Hilfe bei der sinn- und wertvollen Lebensgestaltung (sinnvolle Tagesabläufe und Aktivitäten planen und unterstützen) Verbesserung der Lebensqualität Schmerztherapie im Altenheim Bausteine der Medizin Aufbau einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung Schmerzassessment Erstellen eines Schmerztherapieplans Schmerzdiagnose, Verlauf, Identifikation schmerzverstärkender Faktoren Medikation, Nicht-medikamentöse Verfahren regelmäßige Therapieüberprüfungen Information und Beratung (Patient, Anvertraute, Team) Verordnungen ausstellen Beteiligung an der psychosozialen und spirituellen Begleitung Pflegerische Kompetenz im Schmerzmanagement Beteiligung an der Anamnese (Vorgeschichte, Krankheiten, Vormedikation, Unverträglichkeiten, psychische Belastungen, Persönlichkeit) Information und Begleitung (Betroffene, Familien, Kollegen) Umsetzung der ärztlichen Anordnungen Medikamentenplan Nicht-medikamentöse Therapien Umsetzung der medikamentösen Therapie Bestellung, Vorratshaltung, Lagerung Individuelle Bereitstellung und Verabreichung der Medikamente Dokumentation (Pflegedokumentation, BtmVV) Symptomerfassung, Dokumentation Bewertung der Wirkung, Verträglichkeit Identifikation schmerzverstärkender Faktoren (Angst, Depression, Schlafstörungen, Hoffnungslosigkeit, soziale Isolation, Mangel an spiritueller Begleitung, u.a.) Krankenbeobachtung Akzeptanz der Therapie durch die Betroffenen, Angehörigen unerwünschte Wirkungen, Abbruchkriterien erkennen Triggerfaktoren (was löst Schmerzen aus, was lindert Schmerzen) physische und psychische Beeinträchtigungen erkennen Umsetzung der pflegerischen Maßnahmen, die zur Symptomlinderung beitragen Koordination der interdisziplinären Zusammenarbeit (Physiotherapie, Psychologie, Musik- und Kunsttherapie, ehrenamtliche Hospizbegleiter, u.a.) regelmäßiger Austausch von Informationen und Beobachtungen mit den Betroffenen, den Kollegen, dem Arzt und anderen Berufsgruppen Schmerzmanagement bei Wundschmerz z.B. Schmerztherapie bei Dekubitus, diabetischem Fußsyndrom, Ulkus cruris Austrocknung der Wunde vermeiden (Ausnahme: trockene Gangrän) Verbände spannungsfrei anlegen stark haftende Verbände vermeiden Wundversorgung nur mit ausreichender analgetischer Abschirmung lokalanästhesische Salben, systemische Bedarfsmedikation vor Wundversorgung Intervalle zwischen den Verbandswechseln möglichst lang wählen transparente Verbände Vakuumverbände Okklusionsverbände zur feuchten Wundbehandlung Schmerztherapie im Altenheim Physiotherapie Krankengymnastische Techniken ( viele diverse Arten ) aktive assistive und passive Mobilisation Atemtherapien und Singen Ödemtherapie (KPE = komplexe physikalische Entstatuungstherapie) Kolonmassagen Entspannungsmassagen Hydro- und Balneotherapie, Kälte- und Wärmebehandlungen Reflexzonentherapien Hilfsmittelschulung und Hilfsmitteltraining Tiertherapie Möglichkeiten der Akupunkturanwendung Nadelakupunktur Laserakupunktur Elektroakupunktur Moxibustion direkt oder indirekt auf der Akupunkturnadel Schröpfkopfanwendung an Akupunkturpunkten Injektionen am Akupunkturpunkt Schmerz-Indikationen mit gutem Heilungserfolg Kopfschmerzen Spannungskopfschmerz Cervicogner Kopfschmerz Migräne Wirbelsäulenbeschwerden Lumbo-Ischialgie Cervicalsyndrom Gelenksbeschwerden Kniegelenksbeschwerden "Tennis-Ellbogen" Schulterbeschwerden Handgelenksbeschwerden Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) Prof. Han Han-Stimulation Dyn Peptide released in CNS Enk Enk + Dyn A B 0 2Hz 2Hz 100Hz 3 6 100Hz 9 12 15 S Frequenzwahl Faustregeln akuter Schmerz, primäre Hyperalgesie: eher hochfrequent chronischer Schmerz, sek. Hyperalgesie: eher niederfrequent ideal für fast alle Schmerzindikationen: Frequenzkombination nach Han TENS: Kontraindikationen Patienten mit Demand- Herzschrittmachern (ggf.: Monitorkontrolle) oder anderen elektronischen Implantaten Hautirritationen, Wunden Graviditas, v.a. Mens I-III Epilepsie Metallimplantate in der Regel keine KI bei biphasischen Impulsen mit AKS Werkzeug 1 – Schmerzakzeptanz Akzeptieren Sie, dass Sie Schmerzen haben. Dann sehen Sie sich die weiteren Werkzeuge an. Werkzeug 2 – Eigeninitiative Schaffen Sie sich ein Team von Menschen, das Sie unterstützt. Werkzeug 3 – Richtiges Tempo Gehen Sie schrittweise vor. Werkzeug 4 – Prioritäten Lernen Sie Prioritäten zu setzen und Ihre Tage zu planen. Werkzeug 5 – Ziele und Aktionspläne Überlegen Sie sich Ziele und wie Sie diese erreichen wollen. Werkzeug 6 – Geduld Seien Sie geduldig mit sich selbst. P. Moore – Pain Toolkit 97 Werkzeug 7 – Entspannung Lernen Sie Entspannungstechniken. Werkzeug 8 – Bewegung Machen Sie Dehnungsübungen und bewegen Sie sich. Werkzeug 9 – Tagebuch Führen Sie ein Tagebuch und verfolgen Sie ihre Fortschritte. Werkzeug 10 – Plan B Entwerfen Sie einen Plan für Rückschläge oder Schmerzepisoden. Werkzeug 11 – Teamarbeit Arbeiten Sie mit Ihrem Arzt zusammen. Werkzeug 12 – Konsequenz Setzen Sie die Werkzeuge 1-11 im Alltag beständig um. P. Moore – Pain Toolkit 98 EXKURS: Chronische Schmerzen – die Teufelskreiskrankheit (ursprüngliche) Schmerzauslöser & Risikofaktoren Schmerzen körperliche psychische Veränderungen soziale 99 Chronische Schmerzen – die Teufelskreiskrankheit Auslöser und Risikofaktoren körperlich z.B. Operation, Unfall (ursprüngliche) psychisch Schmerzauslöser & z.B. traumatische Risikofaktoren Erlebnisse, Depression, Angststörung sozial z.B. Mobbing, Pflege von Angehörigen Schmerzen körperliche psychische Veränderungen soziale 100 Chronische Schmerzen – die Teufelskreiskrankheit (ursprüngliche) Schmerzauslöser & Risikofaktoren Schmerzen Veränderungen 101 Chronische Schmerzen – die Teufelskreiskrankheit körperlich Leistungsfähigkeit ↓ Muskelabbau Beweglichkeit ↓ Ausdauer ↓ Schlaf ↓ Gewichtszunahme Zentrale Sensitivierung (ursprüngliche) Schmerzauslöser & Risikofaktoren psychisch Depressivität Schmerzen Ängste (z.B. Bewegungsangst, Zukunftsangst) Selbstwert ↓ wahrgenommene Kontrolle ↓ ungünstige Denk- und Veränderungen Verhaltensmuster (z.B. Vermeidungs- oder Durchhaltestrategien) Sinnverlust sozial Häufige Inanspruchnahme des Gesundheitssystems Vermehrte AU-Zeiten Weniger Geld Vernachlässigung von sozialen Kontakten und Interessen Zwischenmenschliche Konflikte 102 Ziele psychologischer Schmerztherapie Veränderung ungünstiger Verhaltens- und Erlebensstile im Umgang mit dem Schmerz (ursprüngliche) Schmerzauslöser & Risikofaktoren Schmerzen Einüben schmerzhemmender Verhaltensweisen körperliche psychische soziale Veränderungen Verbesserte Nutzung der eigenen Ressourcen im Umgang mit dem Schmerz 103 Chronische Schmerzen – die Teufelskreiskrankheit (ursprüngliche) Schmerzauslöser & Risikofaktoren Schmerzen Veränderungen 104 Behandlung der Schmerzfolgen körperlich psychisch Kraft aufbauen Stimmung verbessern Ausdauer steigern Angst vor Bewegung reduzieren muskuläre Verspannungen reduzieren Vertrauen zum Körper stärken Ablenkungsstrategien erlernen Eigene Grenzen wahrnehmen und respektieren lernen innere Anspannung reduzieren sozial Informationen einholen (z.B. „wer kann mir helfen, meinen Arbeitsplatz ergonomisch umzugestalten“) Wiederaufnahme sozialer Kontakte Bewusster Aufbau angenehmer Aktivitäten Arnold et al. Schmerz 2009 · 23:112–120 105 Ein Erklärungsmodell mit dem Patienten erarbeiten Behandlung der Schmerzfolgen = Behandlung der Schmerzen 106 Teil 1 Gerda D. – Eine ältere Arthrose-Patientin Schmerz bei Hüftgelenk- und Kniegelenk-Arthrose Therapieoptionen Begleiterkrankungen und medikamentöse Wechselwirkungen Demenz und Schmerz Schmerztherapie-Algorithmus: Degenerative Gelenkerkrankung (Arthrose): Paracetamol [Metamizol*] oder CAVE: Leberfunktionsstörungen * CAVE: Metamizol kann hypotone Reaktionen auslösen. Nur unter strenger Überwachung bei Alterspatienten und Patienten, die durch hypotone Reaktionen besonders gefährdet sind. Bisher keine chondroprotektive, d.h. knorpelaufbauende Wirkung nachgewiesen. Keine ausreichende Schmerzlinderung COXIBE 2.Wahl t-NSAR t-NSAR = traditionelle NSAR CAVE: t-NSAR - auch in Verbindung mit PPI** - sind Coxibe = selektive Cyclooxygenase-2Hemmer kontraindiziert! Hochpotente Opioide: Schwache / niedrig dosierte Opioide: Tilidin [z.B. Valoron®] Tramadol [z.B. TRAMAL®] Buprenorphin-Pflaster [z.B. NORSPAN®] Keine ausreichende Schmerzlinderung *SYSADOA = systemic slow acting drugs in arthritis + (ggfls.) Oxycodon [z.B. Oxycodon [TARGIN®], Hydromorphon [Jurnista®, Palladon®] Buprenorphin [z.B. Transtec PRO®] Fentanyl [z.B. Durogesic®] Tapentadol [z.B. PALEXIA®, YANTIL®] Morphin: Wird aufgrund von der NW Müdigkeit /Sturzgefahr bei älteren Menschen nicht empfohlen! In allen Stadien der Arthrose-Therapie: Allgemeine Maßnahmen Edukation und Begleitung, Therapie der Komorbiditäten, usw.) Physikalische Therapie, Orthopädietechnik, Operationen vor der oder begleitend zur Schmerztherapie Intraartikuläre Injektion von Hyaluronsäure (nur bei Schweregrad II [SYSADOA*] oder Glucosaminen 108 Schmerztherapie-Algorithmus: Entzündliche Gelenkerkrankung (Arthritis): Paracetamol * Metamizol kann niedrigen Blutdruck (=hypotone Reaktionen) auslösen. Nur unter strenger Überwachung bei Alterspatienten und Patienten, die durch hypotone Reaktionen besonders gefährdet sind. Bisher keine chondroprotektive, d.h. knorpelaufbauende Wirkung nachgewiesen [Metamizol*] CAVE: Leberfunktionsstörungen Kein erhöhtes GI, CV oder renales Rísiko Traditionelle NSAR (= t-NSAR) oder COXIBE Erhöhtes GI-Rísiko, Kein CV oder renales Risiko Coxibe Erhöhtes renales Risiko CAVE: t-NSAR - auch in Verbindung mit PPI** - sind kontraindiziert! t-NSAR / COXIBE t-NSAR = traditionelle NSAR Coxibe = selektive Cyclooxygenase-2-Hemmer COXIBE [bei Bluthochdruck: Warnhinweis; Herzinsuffiziens: kontraindiziert] Erhöhtes CV-Risiko **PPI = Protonenpumpeninhibitoren t-NSAR = traditionelle NSAR Coxibe = selektive Cyclooxygenase-2-Hemmer t-NSAR [bei schwerer Herzinsiúffiziens: Keine ausreichende Schmerzlinderung Individuelles Risikoprofil Keine ausreichende Schmerzlinderung Schwache / Niedrig dosierte Opioide: Tilidin [z.B. Valoron®] Tramadol [z.B. TRAMAL®] BuprenorphinPflaster [z.B. NORSPAN®] MOR-NRI Tapentadol [z.B. PAEXIA] kontraindiziert; bei Herzinsuffiziens und Bluthochdruck: Warnhinweis] CAVE: t-NSAR: Kein Diclofenac (!); NUR Ibuprofen [in niedrigen und mittleren Konzentrationen] und Naproxen. 109 Arthrose - Definition Die Arthrose (Arthrosis deformans, Osteoarthrose) ist eine teils stadienhaft, teils kontinuierlich fortschreitende Erkrankung des Gelenkknorpels, die mit Umbauprozessen am Knochen und reaktiven Veränderungen des Gelenkkapselgewebes einhergeht. Prof. Swoboda Orthopädische Uni-Klinik Erlangen 2004 110 Fallinfo 1: Gerda D. Patientenakte Gerda D., 78 Jahre, 164 cm, 82 kg Verwitwet, 2 Kinder, Sohn 45 J., Tochter 43 J., 2 Enkelkinder (8/10 J.) Sie hat über 30 Jahre ein Gasthaus mit Ehemann (Metzgermeister) geführt Vor 10 Jahren nach Tod des Ehemanns Umzug in die Doppelhaushälfte neben ihrer Tochter im Nachbardorf Gutes Verhältnis zur Tochter – enger Kontakt Die Enkelkinder kommen regelmäßig zu ihr ins Haus. Tochter ist halbtags in der ambulanten Krankenpflege berufstätig und hilft der Mutter im Haushalt. Sie besucht 1x in der Woche den Seniorennachmittag der Kirchengemeinde 111 Fallinfo 2: Gerda D. Patientenakte Grunderkrankungen Z. n. Entfernung der Gebärmutter vor 20 Jahren, seitdem Blasenschwäche Unterbrochener Nachtschlaf wegen vermehrtem, nächtlichem Wasserlassen (=Nykturie) – alle 3 Stunden Toilettengang Z. n. Karpaltunnelsyndrom rechts – operativ behandelt vor 18 Jahren Z. n. unvollständige operative Entfernung eines Kropfes vor 10 Jahren Z. n. Schenkelhalsfraktur links mit Gamma-Nagel vor 6 Jahren Z. n. Knie-TEP rechts vor 4 Jahren Aktuell: Bluthochdruck, kompensierte Herzinsuffizienz Hyperlipoproteinämie Chronische intermittierende Rückenschmerzen 112 Fallinfo 3: Gerda D. Patientenakte Allgemeine Medikation L-Thyroxin 100 µg/die Candesartan/HCT-Fixkombi 16/12,5 mg/die ASS 100 mg/die Simvastatin 10 mg/die Oxybutynin 5 mg/die Amitriptylin 25 mg abends Calcium, Vitamin D 113 EXKURS: Delir und Anticholinergika ICD-10: Delir Bewusstsein: Reduzierte Wahrnehmung der Umgebung, Aufmerksamkeit Kognition: Störung der Orientierung, des Gedächtnis (KZG) Psychomotorik: Wechsel zwischen Hypo- und Hyperaktivität, verminderter oder vermehrter Redefluss Schlaf-Wach-Rhythmus: Schlafstörung, Alpträume, Zunahme der Symptome nachts Verlauf: Plötzlicher Beginn, sehr wechselhafte Symptomatik 115 Auslösefaktoren Höheres Lebensalter Kognitive Leistungsminderung Delir Dehydratation Körperliche Erkrankungen Medikamente Inouye SK.: “Delirium in older persons”, N Engl J Med (2006), 1157 – 65 116 Medikamente mit anticholinerger Wirkung Substanzklasse Mittlere bis starke Aktivität Antidepressiva Amitriptylin, Doxepin, Trimipramin Antihistaminika Clemastin (Tavegil) Urologika Oxybutynin (Kentera) Flavoxat (Spasuret) Tolterodin (Detrusitol) Antiparkinsonmittel Amantadin Antipsychotika Clozapin (Leponex) Olanzapin (Zyprexa) Thioridazin (Melleril) Antiepileptika Carbamazepin, Oxcarbazepin Gastroenterologie Cimetidin, Loperamid, Ranitidin Sonstiges Baclofen Holt et al.: “Potenziell inadäquate Medikation für ältere Menschen: Die PRISCUS-Liste” (2010), Deut Ärzteblatt 543 – 51 CMS State Operations Manual: Appendix PP - Guidance to Surveyors for Long Term Care Facilities. cms.hhs.gov/manuals/Downloads/som107ap_pp_guidelines_ltcf.pdf. Accessed 6/2012. 117 Das anticholinerge Delir Zentralnervöse Symptome Periphere Symptome • Agitiertheit, Angst • Trockene Haut und Schleimhäute • Erregung, Aggressivität • Fieber • Halluzinationen • Mydriasis • Verwirrtheit, Ataxie • Harnverhalt • Koma, Krämpfe • Obstipation bis paralytischer Ileus • Tachykardie Herzrhythmusstörungen • Blutdruckabfall Der häufigste durch Arzneimittel hervorgerufene delirante Zustand !!! 118 Fallinfo 4: Gerda D. Patientenakte Schmerzanamnese beim Hausarzt Stechender Gesäßschmerz (Dauerschmerz) links seit Schenkelhals-OP –leichte Fehlstellung nach OP - Innenrotation des Fußes keine Paresen (=Lähmungen) , keine Sensibilitätsstörungen Schmerzwerte NRS 5-7 Drückende Schmerzen nach Knie-TEP rechts Schmerzwerte NRS 5 Zunehmend starke belastungsabhängige Schmerzen Kniebereich links NRS 1 in Ruhe 8 bei Belastung Keine OP gewünscht 119 119 Fallinfo 5: Gerda D. Patientenakte Aktuelle Schmerzmedikation Metamizol 3x20 gtt/die Flupirtin 2x100 mg/die Ibuprofen 400 mg bei Bedarf Diclofenac Pflaster lokal im Kniebereich links Übrige Medikation unverändert (inkl. ASS 100 mg / die) 120 120 COX-1-Interaktion Ibuprofen + Low-dose ASS Hemmung der antithrombozytären Wirkung von ASS durch Ibuprofen Ibuprofen + ASS % Plättchenaggregationshemmung nach 24 h 100 75 Ser529 50 Ile523 25 0 Arg120 Ibuprofen vor ASS ASS vor Ibuprofen ASS Arachidonsäure Catella-Lawson et al. N Engl J Med 2001;345:1809-17 121 Fallinfo 6: Gerda D. Patientenakte Bisherige Befunde Radiologische Diagnostik: Altersbedingte degenerative Veränderungen der unteren LWS Geringe Koxarthrose beidseits mit osteophytären Anbauten Gonarthrose links CRP unauffällig Kreatinin 1,2 mg/dl – Clearance 50,4 ml/min Leberenzyme im Normalbereich 122 122 Patientenakte Fallinfo 7: Gerda D. Klinischer Befund Knie - Gerda D., 78 Jahre Geringer Erguss, deutliche Kapselschwellung links, leichte Fehlstellung der Knochen im Kniegelenk Beweglichkeit in beiden Knien schmerzhaft, links erheblich eingeschränkt, re 130-0-0 F/E, li 110-15-0 F/E Deutlicher Druckschmerz führend über dem medialen Gelenkspalt links. Kniescheibendruck- und Schiebeschmerz. Gelenkreiben. Stabile Bandführung. Gehstrecke massiv eingeschränkt – max. 300 m 123 Patientenakte Fallinfo 8: Gerda D. Therapie Der Hausarzt hat empfohlen, Ibuprofen abzusetzen. Buprenorphin 5 µg/h alle 7 Tage verordnet, nach 2 Wochen auf 10 µg/h erhöht. Bei Schmerzspitzen Gabe von 30 Metamizol-Tropfen. Zusätzlich empfahl der Hausarzt aktivierende Physiotherapie. Nach 12 Behandlungen führt die Tochter die erlernten Übungen mit der Mutter zuhause durch. 124 124 Patientenakte Fallinfo 9: Gerda D. Weiterer Verlauf Gesäßschmerz (Dauerschmerz) keine Paresen (= Lähmung), keine Sensibilitätsstörungen Schmerzwerte NRS 3 Drückende Schmerzen nach Knie-TEP rechts Schmerzwerte NRS 3 Zunehmend starke belastungsabhängige Schmerzen Kniebereich links NRS 1 in Ruhe 5 bei Belastung – Weiterhin keine OP gewünscht 125 125 Patientenakte Fallinfo 10: Gerda D. Weiterer Verlauf über die nächsten 5 Jahre Vor drei Jahren Knie-TEP links, danach nicht schmerzfrei. Zunehmender geistiger Abbau. Fremdbeobachtung: Gerda wird zunehmend vergesslich. Auch die Medikamente wurden nicht mehr regelmäßig eingenommen. Orientierungsschwierigkeiten und deutlich abnehmende Gehstrecke (unter 100 m). Vor einem Jahr schickte der Hausarzt Gerda zur Abklärung der Demenz. MMST: 14 Diagnose: mittelgradige Demenz vom Alzheimer-Typ Inzwischen wird Gerda von der Tochter zuhause betreut. 126 126 Patientenakte Fallinfo 11: Gerda D. Heutige Medikation – unter Kontrolle der Tochter L-Thyroxin 100 µg/die Candesartan/HCT-Fixkombi 16/12,5 mg/die ASS 100 mg/die Simvastatin 10 mg/die Sabalfrüchte-Präparat (Sabal® 320 mg/die) (gegen Harninkontinenz) Mirtazapin 15 mg abends (gegen Schlafstörungen) Buprenorphin 10 µg/h alle 7 Tage Metamizol 40 Tropfen bei Bedarf Donepezil 10 mg/die 127 127 Patientenakte Fallinfo 12: Gerda D. Aktuelle Situation Gerda bewegt sich seit einiger Zeit noch weniger, aktuell weigert sie sich morgens aufzustehen. Sie stöhnt häufiger am Morgen, macht ärgerlichen Eindruck Bei Bewegungen mit den Beinen z.B. beim Aufstehen grimassiert sie. Sie wirkt angespannt, lässt sich nicht aktivieren und beruhigen Ab und zu Grimassieren und Stöhnen auch ohne Belastung 128 128 Schmerz bei Dementen Verhaltensänderungen Mögliche vegetative Zeichen Tachykardie Blutdruck erhöht Atmung flach, hechelnd Blasses, schweißiges Gesicht 129 Schmerz bei Dementen Adäquate verbale Kommunikation meist nicht möglich Schreien (eher leise jammernd) Schmerzäußerungen Stille und Rückzug Embryonalstellung Motorische Unruhe Hält die Hand auf schmerzende Stelle Gesichtsausdruck (Stirnrunzeln, aber auch starre Mimik) 130 Patientenakte Fallinfo 13: Gerda D. Weiterer Verlauf Gerda D. wird mit Buprenorphin 20 µg/h alle 7 Tage behandelt. 15 min vor dem Aufstehen Gabe von Metamizol 40 Tropfen durch die Tochter BESD Wert nach Umstellung von 7 auf 3-4 reduziert. Aufgrund zunehmender familiärer Belastung überlegt die Familie, Gerda D. in ein Pflegeheim zu geben. Sie entscheiden gemeinsam, die Mutter weiter zuhause zu pflegen – auch der Sohn von Gerda D. wird zeitweise die Betreuung übernehmen. 131 131 Schmerz im Alter Ziele der Therapie Schmerzreduktion auf das individuell erträgliche Maß Erhalt der Selbstständigkeit so lange wie möglich Erhalt der Beweglichkeit und Mobilität Verhinderung von Immobilisation Voraussetzung für Physiotherapie Erhalt der sozialen Integration Verbesserung der Lebensqualität 132