Imprint TERRA NOSTRA – Schriften der GeoUnion Alfred-Wegener-Stiftung Publisher Verlag GeoUnion Alfred-Wegener-Stiftung Arno-Holz-Str. 14, 12165 Berlin, Germany Tel.: +49 (0)30 7900660, Fax: +49 (0)30 79006612 Email: [email protected] Editorial office Schriftleitung Christof Ellger GeoUnion Alfred-Wegener-Stiftung Arno-Holz-Str. 14, 12165 Berlin, Germany Tel.: +49 (0)30 79006622, Fax: +49 (0)30 79006612 Email: [email protected] Vol. 2009/5 Heft 2009/5 Klima im System Erde Klimawandel – Antworten und Fragen aus den Geowissenschaften Zusammenfassungen der Konferenzbeiträge Editor Herausgeber Prof. Dr. Dr. h. c. Reinhard F. Hüttl, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Potsdam Prof. Dr. Karin Lochte, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung AWI, Bremerhaven Prof. Dr. Dr. h. c. Volker Mosbrugger, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung SGN, Frankfurt am Main Editorial staff Redaktion Dr. Markus J. Schwab, Dr. Annette Rinke, PD Dr. Dieter Uhl Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Potsdam Layout Satz- und Layout DesignRing Designmanagement GmbH, Halle (Saale) www.designring.de Printed by Druck Mecke Druck und Verlag, Duderstadt www.meckedruck.de Copyright and responsibility for the scientific content of the contributions lie with the authors. Copyright und Verantwortung für den wissenschaftlichen Inhalt der Beiträge liegen bei den Autoren. ISSN 0946-8978 GeoUnion Alfred-Wegener-Stiftung, Berlin, Oktober 2009 Redaktionsschluss: 19.10.2009 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Einleitung............................................................................................................................................................................... 5 Programm der Konferenz....................................................................................................................................................... 6 Auftaktvorträge Reinhard Hüttl Klima im System Erde – Perspektivefeste Erde................................................................................................................ 9 Karin Lochte Ozean und Polarregionen – Regulativ und Langzeitgedächtnis des Klimas.................................................................11 Volker Mosbrugger Klimawandel und Evolution des Menschen....................................................................................................................12 4,5 Milliarden Jahre Erdgeschichte – Der stete Wandel des Klimas Klimawandel ist natürlich – Wie groß können natürliche Klimaschwankungen sein? Rekonstruktion aus geologischen Archiven und heutigen Befunden – Ist der Nachweis in Daten und Modellen möglich? VO Brauer, Achim Dynamik abrupter Klimaänderungen in der Vergangenheit.........................................................................................13 PO Bruch, Angela A.; Utescher, T. & Mosbrugger, V. NECLIME – Neogene Climate Evolution in Eurasia........................................................................................................15 PO Helle, Gerd; Heinrich, I. & Planells, O. Baumjahrringe als Archiv von Kohlenstoff- und Wasserkreislauf.................................................................................16 PO Dethloff, Klaus; Handorf, Dörte; Brand, S. & Läuter, M. Der Puls der Atmosphäre – Dekadisches Auf und Ab ....................................................................................................18 PO Kuhn, Gerhard; Niessen, F., ANDRILL SMO & MIS Science Team Stabilität des Westantarktischen Eisschildes in der erdgeschichtlichen Vergangenheit – Ergebnisse der ANDRILL Bohrung..................................................................................................................................21 PO Laepple, Thomas & Lohmann, Gerrit Anthropozän vs. Holozän. Die menschengemachte Erwärmung in Relation zu orbital getriebenen Klimaveränderungen..................................................................................................................23 VO Lühr, Hermann & Korte, Monika Die Änderung des geomagnetischen Feldes und seine Relevanz für Klimastudien.......................................................25 PO Matthes, Katja; Neef, L., Petrick, C. & Wenhaji Ndomeni, C. Simulation natürlicher Klimavariabilität im atmosphärisch-hydrosphärischen System.............................................27 VO Rinke, Annette; Dethloff, K., Gerdes, R. & Dorn, W. Arktische Atmosphäre und Meereis – Das komplexe Zusammenspiel.......................................................................... 28 VO = Vortragpräsentation, PO = Posterpräsentation 1 Klima im System Erde VO Schauer, Ursula; Hendricks, S., Hansen, E., Fahrbach, E. & Rabe, B. Dünnes Eis auf warmem Ozean – der Arktische Ozean im Wandel............................................................................. 30 PO Schwab, Markus J. & Frank, Ute Klimawandel in Historischen Zeiten bis 10 000 Jahre vor heute – BeispielNaher Osten...............................................31 PO Stebich, Martina; Mingram, J., Spangenberg, A. & You, H. Vegetationsgeschichte Nordostchinas und nordhemisphärische Klimavariabilität im Spiegel hochauflösender Pollenanalysen laminierter Seesedimente aus dem Sihailongwan-Maar.....................................................................33 VO Tiedemann, Ralf; Steph, S., Lamy, F., Kuhn, G. & Prange, M. Als es global 3 °C wärmer war als heute – eine Klimaperspektive aus derErdgeschichte.............................................35 VO Uhl, Dieter; Herrmann, M., Micheels, A., Schneck, R. & Mosbrugger, V. Klimawandel in der Erdneuzeit – Was sagen uns Modelle und Fossilien im Vergleich................................................ 36 Unnatürliche und ganz natürliche Treibhausgase Was wir über Treibhausgase natürlichen Ursprungs (nicht) wissen. VO Hubberten, Hans-Wolfgang Biogene Treibhausgase und Gashydrate aus dem Permafrost...................................................................................... 38 VO Miller, Heinrich Ein Blick zurück – Veränderlichkeit der Treibhausgaskonzentrationen der letzten 800 000 Jahre............................. 40 VO di Primio, Rolando & Horsfield, Brian Natürliche Methanemissionen aus ­sedimentären Ablagerungen über ­geologische Zeiträume.................................... 42 PO Rex, Markus & von der Gathen, Peter Ozon-Klimakopplung: Ein wenig verstandener Beitrag zu Klimaänderungen in den Polargebieten.......................... 43 VO Sachs, Torsten; Tretner, A., Krings, T., Buchwitz, M., Bovensmann, H., Erzinger, J. & Burrows, J. MAMap – Ein neuer flugzeuggetragener Sensor zur flächenhaften Ermittlung von Methanund CO2-Emissionen .......................................................................................................................................................45 VO Schicks, Judith & Erzinger, Jörg Wechselwirkungen zwischen natürlichen Gashydraten und globaler Erwärmung – ein Teufelskreis?.......................47 VO Wolf-Gladrow, Dieter Die Rolle des Ozeans im globalenKohlenstoffkreislauf..................................................................................................49 Tiere und Pflanzen: Treiber und Opfer des Klimawandels Biologische Prozesse und biologische Vielfalt in Vergangenheit und Gegenwart. Leben als Spiegel des Klimawandels. PO Brüggemann, Wolfgang; Russell, D. & Dorow, W. Der Wald der Zukunft......................................................................................................................................................50 VO Gersonde, Rainer Mikroskopisch klein aber mit großer Bedeutung – Mikrofossilien als Anzeiger vergangenen Klimas........................51 2 VO = Vortragpräsentation, PO = Posterpräsentation Inhaltsverzeichnis PO Haidle, Miriam N.; Bolus, M., Bruch, Angela A., Hertler, C., Kanaeva, Z., Kandel, A. W. & Märker, M. The Role of Culture in Early Expansions of Humans – Eine Forschungsstelle der Heidelberger Akademie der Wissenschaften am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt am Main und an der Eberhard Karls Universität Tübingen..............................................................................................................................53 VO Hertler, Christine; Bruch, A. A., Schrenk, F. & Mosbrugger, V. Klimawandel und Evolution des Menschen....................................................................................................................54 VO Itzerott, Sibylle; Kaufmann, H. & Chabrillat, S. Fernerkundungsdaten als Parameterlieferanten in regionalen Klimamodellen..........................................................55 PO Knust, Rainer; Bock, Ch., Lannig, G., Lucassen, M., Mark, F.C., Sartoris, F.J., Storch, D. & Pörtner, H.O. Klimafolgen für die marine Biodiversität – Eine wissenschaftliche Grundlage . .........................................................57 PO Meyer, Bettina, Teschke, Matthias & Bathmann, U. Der antarktische Krill – Ein Schlüssel­organismus im Klimawandel............................................................................59 VO Micheels, Arne & Mosbrugger, Volker Biodiversität und Klima im Miozän................................................................................................................................61 VO Reise, Karsten; van Beusekom, J. & Buschbaum, C. Das Weltnaturerbe Wattenmeer und die globale Erwärmung........................................................................................62 VO Tackenberg, Oliver; Cunze, S. & König, K. Migration und Aussterben von Organismen unter Klimastress ....................................................................................63 VO Wilkes, Heinz; Mangelsdorf, K., Vieth, A. & Horsfield, B. Geobiologische Stoffkreisläufe in der Erdkruste (Deep Biosphere)................................................................................65 Neues Wissen aus dem All für das Verstehen des Erdklimas Die satellitenbasierte Erdbeobachtung als Werkzeug zum besseren Klimaverständnis. Vom Erdkern zum Weltall. VO Bracher, Astrid; Dinter, T., Schmitt, B., Vountas, M., Burrows, J. P., Peeken, I. & Röttgers, R. Detaillierter Blick aus dem All – Meeresalgen global betrachtet.................................................................................. 66 PO Kusche, Jürgen; Flechtner, Frank & Eicker, Annette Massentransporte und Massenverteilungen im System Erde – Beiträge der neuen Generation von Schwerefeld- und Altimetermissionen............................................................................................................................ 68 VO Schröter, Jens; Wenzel, M. & Lemke, P. Interpretation gemessener Meeres­spiegelvariationen.....................................................................................................70 VO Thomas, Maik; Sasgen, I., Dobslaw, H. & Wickert, J. Erdsystemmodellierung –Von geodätischen Beobachtungsdaten zum Prozessverständnis.........................................71 VO Wickert, Jens; Flechtner, F., Schöne, T. & Thomas, M. Geodätisch basierte Erdbeobachtung – Ein Werkzeug für die Klimaforschung ..........................................................72 VO Miller, Heinrich Eismassenbilanzen und Meeresspiegelanstieg – Was erwartet uns im 21. Jahrhundert...............................................74 VO = Vortragpräsentation, PO = Posterpräsentation 3 Klima im System Erde Was geschieht mit unserer Umwelt? Lösungsansätze aus den Geowissenschaften Meteorologische Extreme und Geo-Engineering – Vermeidung oder neue Wege zur Anpassung? VO Huenges, Ernst & Bruhn, David Nachhaltige Energiebereitstellung mit Geothermie........................................................................................................75 PO Kühn, Michael; Liebscher, A. & Zentrum für CO2-Speicherung Geologische Speicherung und dauerhafte Fixierung von CO2 in salinen Aquiferen – Chancen und Risiken............. 77 VO Kuch, Ulrich Neue Gesundheitsrisiken.................................................................................................................................................78 VO Merz, Bruno Hochwasser-Risikomanagement inZeiten des globalen Wandels...................................................................................79 PO Mosbrugger, Volker & Krohmer, J. Das Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F), Frankfurt.......................................................................... 80 VO von Storch, Hans; Meinke, Insa & Weisse, R. Nordseesturmfluten im Klimawandel – Entwicklungen und Schutzmaßnahmen.......................................................81 VO Stribrny, Bernhard Wissenstransfer – eine zentrale Herausforderung......................................................................................................... 84 PO Würdemann, Hilke; Morozova, D. & Lerm, S. Komplexe mikrobiologische Wechselwirkungen in Speichergesteinen – Auswirkungen auf CCS und Geothermie........................................................................................................................ 86 4 VO = Vortragpräsentation, PO = Posterpräsentation Einleitung Einleitung Klima im System Erde Klimawandel – Antworten und Fragen aus den Geowissenschaften Auch wenn die natürlichen Klimaveränderungen in der Erdgeschichte gewaltige Sprünge zeigen, die ohne menschliches Zutun entstanden sind und deren Ursachen und Dynamik wir nicht genügend kennen, steht sicher fest, dass der Mensch zur augenblicklichen Klimaveränderung beiträgt. Mitigation, also Maßnahmen zur Reduktion der vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen, ist deshalb notwendig. Die Annahme jedoch, dass wir mit diesen Maßnahmen den Temperaturanstieg auf 2 Grad begrenzen könnten, halten wir für eine offene Frage. Das darf uns nicht am Handeln zur Reduktion der Emissionen hindern, das darf uns aber auch nicht daran hindern, die nach wie vor vorhandenen, durchaus großen Wissens­lücken im Verständnis der komplexen Klimadynamik unseres Planeten aufzuzeigen. Unsere Forschungseinrichtungen untersuchen die Klimadynamik im System Erde und leiten mögliche Adaptionsstrategien zur Minderung der Effekte des Klimawandels, die sich jeweils regionalspezifisch ausprägen, ab. Vor diesem Hintergrund wollen wir als führende Forschungseinrichtungen auf unseren jeweiligen Fachgebieten den derzeitigen Wissensstand darlegen und notwendige Fragestellungen identifizieren, die uns über die gegenwärtige, eher politisch dominierte Diskussion hinausbringen. 5 Klima im System Erde Programm der Konferenz Montag, 2. November 2009 9.30 – 11.00 Uhr Registrierung 11.00 Uhr Eröffnung 11.10 Uhr Grußworte Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft Ernst Th. Rietschel, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft 11.30 – 13.00 Uhr Auftaktvorträge Reinhard Hüttl (GFZ) Klima im System Erde – Perspektive feste Erde Karin Lochte (AWI) Ozean und Polarregionen – Regulativ und Langzeitgedächtnis des Klimas Volker Mosbrugger (SGN) Die Biosphäre im Klimasystem Erde im Wandel 14.30 – 16.00 Uhr 4,5 Milliarden Jahre Erd­ geschichte – Der stete Wandel des Klimas Achim Brauer (GFZ) Dynamik abrupter Klimaänderungen in der ­Vergangenheit Ralf Tiedemann (AWI) Als es global 3 °C wärmer war als heute – Eine Klimaperspektive aus der Erdgeschichte Ursula Schauer (AWI) Dünnes Eis auf warmem Ozean – Der Arktische ­Ozean im Wandel Annette Rinke (AWI) Arktische Atmosphäre und Meereis – Das komplexe Zusammenspiel Dieter Uhl (SGN) Klimawandel in der Erdneuzeit – Was sagen uns ­Modelle und Fossilien im Vergleich Hermann Lühr (GFZ) Die Änderung des geomagnetischen Feldes und seine Relevanz für Klimastudien 6 16.30 – 18.00 Uhr Unnatürliche und ganz ­natürliche Treibhausgase Rolando di Primio (GFZ) Natürliche Methanemissionen aus sedimentären ­Ablagerungen über geologische Zeiträume Hans-Wolfgang Hubberten (AWI) Biogene Treibhausgase und Gashydrate aus dem ­Permafrost Dieter Wolf-Gladrow (AWI) Der Ozean – Größter CO2-Speicher im globalen ­Kohlenstoffkreislauf Judith Schicks (GFZ) Wechselwirkungen zwischen natürlichen Gashydraten und globaler Erwärmung – Ein Teufelskreis? Heinrich Miller (AWI) Ein Blick zurück – Veränderlichkeit der Treibhausgaskonzentrationen der letzten 800 000 Jahre Torsten Sachs (GFZ) MAMap – Ein neuer flugzeuggetragener Sensor zur flächenhaften Ermittlung von Methan- und CO2-Emissionen 18.30 Uhr Podiumsdiskussion Moderation: Horst Rademacher Wissenschaftskorrespondent, Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) Auf dem Podium: Matthias Kleiner Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG Fritz Vahrenholt Vorsitzender der Geschäftsführung RWE Innogy GmbH Anita Engels Universität Hamburg Karin Lochte und Heinrich Miller Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung AWI Reinhard Hüttl und Achim Brauer Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ Volker Mosbrugger und Pedro Martínez Arbizu Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung SGN Anschließend Empfang Programm der Konferenz Dienstag, 3. November 2009 7.30 – 8.30 Uhr Registrierung 8.30 – 10.15 Uhr Tiere und Pflanzen – Treiber und Opfer des Klimawandels Arne Micheels (SGN) Biodiversität und Klima im Miozän Rainer Gersonde (AWI) Mikroskopisch klein aber mit großer Aussage – ­Mikrofossilien als Anzeiger vergangenen Klimas Heinz Wilkes (GFZ) Geobiologische Stoffkreisläufe in der Erdkruste (Deep Biosphere) Oliver Tackenberg (SGN) Migration und Aussterben von Organismen unter Klimastress Karsten Reise (AWI) Das Weltnaturerbe Wattenmeer und die globale ­Erwärmung Christine Hertler (SGN) Klimawandel und Evolution des Menschen Sibylle Itzerott (GFZ) Fernerkundungsdaten als Parameterlieferanten für regionale Klimamodelle 10.45 – 12.05 Uhr Neues Wissen aus dem All – Für das Verstehen des Erdklimas Jens Wickert (GFZ) Geodätisch basierte Erdbeobachtung – Ein Werkzeug für die Klimaforschung Maik Thomas (GFZ) Erdsystemmodellierung – Von geodätischen Beobachtungsdaten zum Prozessverständnis Jens Schröter (AWI) Die Interpretation gemessener Meeresspiegel­ variationen Astrid Bracher (AWI) Detaillierter Blick aus dem All – Meeresalgen global betrachtet Heinrich Miller (AWI) Eismassenbilanzen und Meeresspiegelanstieg – Was erwartet uns im 21. Jahrhundert? 13.15 – 14.30 Uhr Was geschieht mit unserer Umwelt? Lösungsansätze aus den Geowissen­ schaften Bruno Merz (GFZ) Hochwasser-Risikomanagement in Zeiten des ­globalen Wandels Ernst Huenges und David Brun (GFZ) Nachhaltige Energiebereitstellung mit Geothermie Hans von Storch und Insa Meinke (GKSS) Hochwasser und Küstenschutz Ulrich Kuch (SGN) Neue Gesundheitsrisiken Bernhard Stribrny (SGN) Wissenstransfer – Eine zentrale Herausforderung 15.00 – 16.30 Uhr Forschungsstrategien für die Zukunft Klaus Töpfer (IASS) Das Institute for Advanced Sustainability Studies, Potsdam (angefragt) Guy Brasseur und Irene Fischer-Bruns (CSC) Die Aufgaben und Strategien des Climate Service Center, Hamburg Wolfgang Mett (DLR) Erdbeobachtung im Netzwerk EOS (Earth ­Observing System) Volker Mosbrugger (SGN) Neue Forschungsstrategien am LOEWE-Forschungszentrum Biodiversität und Klima (BiK-F) Karin Lochte (AWI) Integrierte Forschungsansätze in der Helmholtz ­Klimainitiative Reinhard Hüttl (GFZ) Resümee 7 Klima im System Erde Klima im System Erde – Perspektive feste Erde Klima im System Erde – Perspektive feste Erde Reinhard F. Hüttl Deutsches GeoForschungsZentrums GFZ, [email protected] Das rasante Bevölkerungswachstum und die damit einhergehende intensive Nutzung unseres Planeten erfordern ein international abgestimmtes Handeln zum Erhalt des Lebensraums Erde, zur Sicherung der Lebensgrundlagen unserer und der nachfolgenden Generationen. Am Beispiel der Klimaentwicklung wird diese hochkomplexe Aufgabenstellung für die Forschung besonders deutlich. Es ist bekannt, dass sich das Klima in der Erdgeschichte immer wieder geändert hat. Weniger bekannt ist jedoch, dass sich das Klima gerade in den vergangenen etwa 10 000 Jahren sehr stabil und damit außergewöhnlich verhalten hat. Das gegenwärtige Klima der Erde ist nicht repräsentativ für die längerfristigen Klimabedingungen, die auf der Erde seit etwa 600 Millionen Jahren und damit seit Beginn der intensiven Entwicklung des Lebens geherrscht haben. Paläoklimatische bzw. geologische Studien zeigen, dass seit dieser Zeit ein viermaliger Wechsel von „Eishaus“ (mit großflächigen Vereisungen an den Polen) und „Treibhaus“ (keine Vereisung auf der Erde) stattgefunden hat. Das Klima ist aber nicht nur in langen Zeiträumen einem ständigen Wandel unterworfen. Rapide Schwankungen zum Kalten wie zum Warmen sind ebenso Teil der Klimageschichte, so beispielsweise Temperaturänderungen von acht Grad innerhalb weniger Jahre im Spätglazial vor etwa 13 000 Jahren in Grönland. Diese Variabilitäten auf verschiedenen Zeit- und Raumskalen tragen wesentlich zum Verständnis der Klimadynamik bei und sind eine Basis für das Erkennen eines anthropogenen Einflusses, der heute aufgrund von Szenariensimulationen im Vordergrund der Diskussion steht. Unwidersprochen findet, und zwar beginnend mit der Industrialisierung, ein Erderwärmungsprozess statt. Ganz offensichtlich ist der Mensch durch ständig wachsende Treibhausgasemissionen, Land- und Ressourcennutzung an dieser rezenten Klimaerwärmung beteiligt. Im Sinne einer vorsorgenden Umweltpolitik ist es deshalb richtig, eine Reduktion der Treibhausgasemissionen zu bewirken (Mitigation). Aufgrund der Trägheit des Klimasystems und der nach wie vor gegebenen Beteiligung natürlicher Faktoren an der Klimadynamik ist es ebenfalls ein Gebot der Stunde, Anpassungsstrategien (Adaptation) an die Auswirkungen des Klimawandels zu entwickeln. Mit Bezug auf diese Anpassungsmaßnahmen, die immer auf bestimmte Regionen zugeschnitten werden müssen, sind regionalspezifische Veränderungen der Klimadynamik zu erforschen. Hier spielt auch die Paläoklimaforschung eine zentrale Rolle, weil der räumlich differenzierte Blick in die erdgeschichtliche Vergangenheit mögliche Zukunftsszenarien eröffnet. Wichtig ist dabei aber auch, dass die Erreichung einer Art Klimakonstanz, wie dies das Konzept des sogenannten 2-Grad-Ziels impliziert, zwar politisch wünschenswert erscheinen mag, aus geowissenschaftlicher Sicht aber als unrealistisch einzustufen ist. Ziel der Geowissenschaften sollte es sein, über ein umfassendes Erdsystem-Management dem Menschen eine lebenswerte Umwelt sensu „Human Habitat“ mit kalkulierbaren Umweltveränderungen und – soweit möglich – Georisiken zu erhalten bzw. wieder herzustellen. Eine erweiterte Betrachtung des Systems Erde als System Erde-Mensch bedeutet deshalb nicht nur die konsequente Weiterentwicklung der Geowissenschaften vor dem Hintergrund neuer wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Herausforderungen. Angesichts von vermutlich über neun Milliarden Menschen auf unserem Planeten im Jahre 2050 werden die Geowissenschaften sich notwendigerweise zu Leitwissenschaften der kommenden Dekaden entwickeln. 9 Klima im System Erde Abb. 1: Beobachtungen der GRACE-Satelliten zeigen die saisonalen Schwankungen im Wasserhaushalt. Diese Schwankungen zeigen sich am deutlichsten im Amazonasgebiet. (Quelle: GFZ) Abb. 2: Niederschlagsdynamik in Hochasien ermittelt aus Sauerstoff­isotopen an tausendjährigen Wacholdern (Quelle: GFZ) 10 Ozean und Polarregionen – Regulativ und Langzeitgedächtnis des Klimas Ozean und Polarregionen – Regulativ und Langzeitgedächtnis des Klimas Karin Lochte Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, [email protected] Die Rolle des Ozeans im Klimasystem liegt vor allem in seiner enormen Kapazität Wärme und Gase zu speichern sowie globalen Wärmetransport durchzuführen. Alle Klimaveränderungen auf langen Zeitskalen wurden aus den Ablagerungen in den Ozeansedimenten rekonstruiert. Drei Beispiele zeigen, wie der Ozean in bis jetzt noch nicht bekanntem Ausmaß auf zukünftige Klimaveränderungen einwirken kann. Die Bedeckung des arktischen Ozeans mit Meereis im Sommer nimmt stärker ab als bisher angenommen. Seit dem Rekordsommer 2007 hat sich eine Erholung der Meereisausdehnung noch nicht eingestellt. Die Meereisdecke beeinflusst den Austausch von Wärme, Wasserdampf und Strahlung zwischen Ozean und Atmosphäre und hat damit große Auswirkungen auf das globale Klima und den Wasserkreislauf. Die Modellszenarien für zukünftige Änderungen in der Meereisbedeckung des arktischen Ozeans sind generell pessimistisch so dass mit großen Änderungen im arktischen Raum (und darüber hinaus) zu rechnen ist (Abb. 1). getation an Land und freiliegende Schelfe haben diesen Prozess in der Eiszeit befördert. Während in Eiszeiten das Land weniger produktiv und der Ozean „ergrünt“ war, ist in Warmzeiten der Ozean verarmt und das Land reich an Vegetation. Der Ozean enthält enorme Mengen gelösten, anorganischen Kohlenstoffs (38 000 Gigatonnen) im Vergleich zum aktiven Kohlenstoffspeicher an Land (2 000 Gigatonnen). Daher haben auch schon geringe Veränderungen in der Speicherkapazität des Ozeans sehr große Auswirkungen auf unser Klima. Abb 1: Modellberechnungen der arktischen Meereisbedeckung im Sommer. In der Mitte dieses Jahrhunderts wird mit einem drastischen Einbruch der Meereisbedeckung im Sommer gerechnet. (Quelle: Holland, M. M., C. M. Bitz, and B. Tremblay (2006), Future abrupt reductions in the summer Arctic sea ice, Geophys. Res. Lett., 33, L23503, doi:10.1029/2006GL028024.) Im Meeresboden an den Kontinentalrändern und in Permafrostböden sind große Mengen Methanhydrat gespeichert. Sie werden durch den hohen Druck und die niedrigen Temperaturen stabilisiert; sie sind jedoch an vielen Stellen am Rande ihres Stabilitätslimits. Sie können durch Erwärmung des Bodenwassers oder Auftauen von submarinem Permafrost freigesetzt werden und die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre rasch erhöhen. Erhöhter Eiseneintrag fördert die Produktivität von Mikroalgen in bestimmten Ozeanregionen und damit Bindung und Speicherung von CO2 im Ozean. Geringere Ve- 11 Klima im System Erde Klimawandel und Evolution des Menschen Volker Mosbrugger 1, 2 Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum [email protected] 2 Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Frankfurt 1 Die Biosphäre ist kein Epiphänomen des Planeten Erde, sondern eine die Erdgeschichte wesentlich gestaltende Komponente. Entsprechend spielt sie für die Klimadynamik eine wichtige Rolle. Sie beeinflusst nicht nur Albedo und Windverhältnisse, sondern vor allem auch die großen oberflächennahen Stoffkreisläufe, etwa des Wassers, des Kohlenstoffs oder Stickstoffs und damit die Quellen und Senken der wichtigsten Treibhausgase. Umgekehrt verändert Klimawandel die Biosphäre und damit die Biodiversität tiefgreifend, von den Genen bis zu den Ökosystemen und Biomen: Arten und Taxa sterben aus, neue entstehen, die Verbreitung der Taxa und ihre genetische Diversität ändern sich ebenso wie ihre Lebenszyklen oder die Zusammensetzung und Struktur von Ökosystemen. Klimawandel hat somit immer unmittelbare Auswirkungen auf die für den Menschen so wichtigen Ökosystemdienstleistungen. Diese Wechselwirkungen zwischen Klima und Biosphäre bzw. Biodiversität sind quantitativ bisher nicht vollständig verstanden, besitzen aber ein großes Potential für Mitigations- und Adaptationsmaßnahmen im Klimaschutz. So gibt es Vorschläge, ein Carbon-Capture-and-Storage-Verfahren (CCS) über Biomasse zu gestalten. Große Bedeutung kommt hier auch der Minimierung der Verluste an tropischen Regenwäldern oder von Savannen zu. Unklar und umstritten sind Potential und System-Konsequenzen der Produktion und Nutzung von Bio-Kraftstoffen. Vermutlich noch wichtiger als im Mitigationsbereich ist ein Biodiversitätsmanagement für eine rechtzeitige Anpassung an den anthropogenen Klimawandel. Angesichts steigender Meeresspiegel spielen die Küstenökosysteme 12 (z. B. Mangroven, Watt, Deltas) und Riffe eine große Rolle. Entsprechendes gilt für die Vegetation in der Anpassung an die erwarteten häufigeren Extremwetterereignisse im Flachland und Gebirge sowie im Wassermanagement in Trocken- bzw. Halbtrockengebieten. Von zentraler Bedeutung ist ein Biodiversitätsmanagement ferner für die Fischerei-, Land- und Forstwirtschaft, denn hier sind rechtzeitige Anpassungsstrategien für ganze, z. T. anthropogene Ökosysteme notwendig. Zahlreiche weitere Beispiele für mögliche Mitigations- und Adaptationsmaßnahmen mit Hilfe eines Biodiversitätsmanagements ließen sich aufführen. Entscheidend ist jedoch stets, dass vor der Umsetzung einer Maßnahme das gesamte System der Prozesskopplungen und Wechselwirkungen verstanden ist. Diese Voraussetzung ist bisher jedoch kaum gegeben. Dynamik abrupter Klimaänderungen in der Vergangenheit Dynamik abrupter Klimaänderungen in der Vergangenheit Achim Brauer Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Sekt. 5.2 Klimadynamik und Landschaftsentwicklung, [email protected] Paläoklimatische Daten zeigen eindeutig, dass sich Klimawandel in der Vergangenheit häufig in abrupten Sprüngen vollzogen hat. Diese nicht-lineare Eigenschaft des Klimas ist bedingt durch Schwellenwertprozesse im gekoppelten Atmosphäre-Hydrosphäre-Biosphäre-Geosphäre System, die in ihrem komplexen Zusammenwirken kaum verstanden sind. Die offenen Fragen zur Dynamik abrupter Klimaänderungen lassen sich in vier Fragekomplexen zusammenfassen: (1) Was genau bedeutet ‚abrupt’, d.h. in welchen Zeiträumen können sich starke Klimaänderungen vollziehen? (2) Was sind die Auswirkungen schneller Klimawechsel im Lebensraum des Menschen, d.h. wie reagiert Fauna und Flora und wie ändern sich z. B. Erosionsprozesse und die Häufigkeiten von Extremereignissen? (3) Was sind die Mechanismen und auslösenden Faktoren abrupter Wechsel? (4) Wann ist mit dem Auftreten plötzlicher Sprünge im Klimasystem zu rechnen, und gibt es Anzeichen im Vorfeld solcher Ereignisse, anhand derer eine Vorhersage möglich werden könnte? Die Beantwortung dieser Fragen ist für eine bessere Abschätzung des zukünftigen Klimas von großer Bedeutung. Da sich starke, abrupte Klimaänderungen in historischer Zeit glücklicherweise nicht ereignet haben, sondern letztmalig zu Beginn des Holozäns vor 11 600 Jahren auftraten, ist deren Beobachtung und Rekonstruktion nur mit Hilfe der Auswertung natürlicher Klimaarchive mit hoher Auflösung möglich. Eine besondere Rolle kommt dabei jahresgeschichteten Seesedimenten zu, die saisonal genaue Beobachtungen und eine genaue Bestimmung der Zeitdauer klimatischer Übergänge erlauben. In diesem Beitrag werden Ergebnisse der Untersuchungen an Sedimenten des Meerfelder Maarsees (Eifel) vorgestellt, die genauen Aufschluss über die Abläufe während einer dras- tischen Abkühlung vor 12 700 Jahren vermitteln (Brauer et al., 2008). Etwa 2 000 Jahre nach der Erwärmung am Ende der letzten Eiszeit kam es zu einer 1 100 Jahre andauernden Rückkehr eiszeitlicher Klimabedingungen. Diese als Jüngere Dryas bekannte Kaltphase begann innerhalb weniger Jahre wie an den dramatischen Änderungen des Sees abzulesen ist. Die Sedimentdaten geben zudem Aufschluss, welche Prozesse bei diesem abrupten Klimawandel eine Rolle gespielt haben. Literatur Brauer, A., Haug, G.H., Dulski, P. Sigman, D.M., Negendank, J.F.W. (2008). An abrupt wind shift in western Europe at the onset of the Younger Dryas cold period. Nature Geoscience 1: 520-523. Abb. 1: Entnahme von Seesedimenten mit einem modernen Stechkernsystem 13 Klima im System Erde Abb. 2: Wechsel im Aufbau von Jahreslagen der Sedimente des Meerfelder Maarsees während der abrupten Abkühlung vor 12 700 Jahren: (a) Dünnschliffaufnahme mit polarisiertem Licht; die weiße Kurve zeigt Schwankungen des Eisengehalts im Sediment. (b-c) Mikroskopaufnahmen von Jahreslagen der Jüngeren Dryas; (d-e) Mikroskopaufnahmen von Jahreslagen des Allerød; (b, d) Aufnahmen mit polarsiertem Licht. 14 NECLIME – Neogene Climate Evolution in Eurasia NECLIME – Neogene Climate Evolution in Eurasia Angela A. Bruch, Utescher, T. & Mosbrugger, V. Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt am Main, [email protected] Darüber hinaus organisiert NECLIME auf dieser Konferenz Symposien zu den Themen „Beyond Milankovich – pre-Pleistocene high-resolution climate signals“ und „Climate and Evolution“, die offen sind für Beiträge aller Interessierten. Weitere Informationen sind im Internet abrufbar unter www.neclime.de. Seit 1999 ist NECLIME ein internationales offenes Netzwerk von Wissenschaftlern, die sich mit der Klimaentwicklung im Neogen Eurasiens beschäftigen. Grundsätzliches Ziel von NECLIME ist ein besseres Verständnis paläoklimatischer Langzeitprozesse insbesondere der mittleren Breiten, wobei vor allem die Rekonstruktion der terrestrischen Klimaentwicklung im Neogen in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung im Vordergrund steht. Unter dem gemeinsamen Dach von NECLIME kann bereits vorhandenes Wissen konzentriert und mit neuen Ergebnissen zu neuen bzw. detaillierten Vorstellungen vom Paläoklima Eurasiens erweitert werden. Hauptziele von NECLIME sind (1) die quantitative Rekonstruktion der neogenen Klimageschichte Eurasiens und ihre zeitlichen und räumlichen Muster. (2) Die Rekonstruktion der regionalen und globalen atmosphärischen Zirkulation im Neogen auf der Basis von Klimamodellierungen. (3) Die Analyse neogener eurasischer Ökosysteme und ihrer Klimaabhängigkeit. (4) Die Untersuchung bzw. das Erkennen von Wechselwirkungen zwischen Klima, Vegetation, Fauna und Paläogeographie. Ein wichtiger Schritt zur Bündelung der bisherigen Ergebnisse war die Publikation einer ersten Synthese, die 2007 als Sonderband in PALAEO3 (vol. 253) mit dem Titel „Miocene Climate in Europe – Patterns and Evolution (Eds: A.A. Bruch, D. Uhl & V. Mosbrugger)“ erschien. NECLIME ist jederzeit offen für neue Mitglieder und Kooperationen. Zur Zeit beteiligen sich über 80 Wissenschaftler aus 31 Ländern an dem Programm. Auf jährlichen Workshops werden die aktuellen Arbeiten der einzelnen Arbeitsgruppen diskutiert so wie gemeinsame Ziele und weitere Aktivitäten abgestimmt. Das nächste Treffen wird anlässlich der 8th European Palaeobotany – Palynology Conference (Juli 2010) in Budapest, Ungarn, stattfinden. 15 Klima im System Erde Baumjahrringe als Archiv von Kohlenstoff- und Wasserkreislauf Gerd Helle 1, Heinrich, I.1 & Planells, O.2 Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Sekt. 5.2 Klimadynamik und Landschaftsentwicklung, [email protected]; [email protected] 2 Dep. d’Ecologia, Universitat de Barcelona, Av. Diagonal 645, 08028-Barcelona, Spanien, [email protected] 1 Als Teil der terrestrischen Biosphäre leben Bäume an der wichtigen Schnittstelle zwischen Boden und Atmosphäre, an der sich Wasser- und Kohlenstoffkreislauf treffen. Einerseits stellt die Wasserabgabe durch die Evapo­transpiration der Blätter und Nadeln eine bedeutende Einflussgröße für die atmosphärische Feuchte dar, andererseits wird bei der Photosynthese Kohlenstoff in Form von CO2 aufgenommen und im Holz gespeichert. Veränderungen der Stoffflüsse in beiden Kreisläufen sind eng an die Interaktion von Klimaveränderungen mit regional­spezifischen Standort­ verhält­nissen geknüpft. Im Holz der Baumjahrringe wird die Dynamik der Veränderungen in verschlüsselter Form gespeichert. Bäume sind nahezu weltweit verbreitet (zwischen 50° S und 70° N). Innerhalb des globalen Netzwerks von Geoarchiven liefern sie als Teil des menschlichen Lebensraums einzigartige Informationen sowohl über Rand­ gebiete menschlicher Zivilisation, als auch über Regionen mit hoher Be­völkerungs­dichte bzw. großer wirtschaftlicher Bedeutung, wie z. B. Europa. Die flächenhafte Verbreitung, die hohe Aussagekraft der Messparameter (Jahrringbreite, Holzdichte, Holzchemie, stabile Isotope von Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff), die präzise Datierbarkeit und die hohe zeitliche Auflösung machen das Baumringarchiv zu einem wichtigen Bindeglied zwischen flächenbe­ zogen­en, aber relativ kurzen Datenreihen der modernen Fernerkundung und den punktbezogenen, sehr langen Daten­reihen der Geoarchiv­forschung. Die interdisziplinäre Auswertung der chemisch-physikalischen Jahrring­ parameter auf Basis von öko-physiologischen bis hin zu paläoklimatischen Forschungs­ansätzen, schafft hochwertige Daten­reihen mit einer zeitlich hohen Auflösung, die man sonst nur von instrumentellen Messdaten kennt. Die 16 räum­lich-zeitliche Dynamik von Klima (Temperatur und Niederschlag), Wasser- und Kohlenstoffkreislauf und damit einher­gehenden Land­schafts­entwicklungs­prozessen seit der letzten Eiszeit können somit präzise erfasst werden. Literatur [1] Planells, O., Helle, G. & Schleser, G.H. 2009 A forced response to twentieth century climate conditions of two Spanish forests inferred from widths and stable isotopes of tree rings, Climatic Change, DOI 10.1007/s10584-009-9602-6. Baumjahrringe als Archiv von Kohlenstoff- und Wasserkreislauf Abb. 1: Rekonstruktion der Feuchteverhältnisse auf der Iberischen Halbinsel seit 1600 AD. Trockenheitsindex ent­wickelt aus Sauerstoff- und Kohlenstoff­isotopenparametern in Kiefernjahrringen (Pinus uncinata) von Stand­orten der Pyrenäen und der Sierra Nevada. Deutlich erkennbar ist die Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Trockenperioden seit 1850 AD. Geringes Holzwachstum (graue Schattierungen, um 1825 und nach 1997) kann auftreten als Folge von feucht-kalten wie auch trocken-warmer Bedingung­en. Klassische Methoden, wie die Analyse von Holzzuwachsdaten (Jahrringbreite) müssen deswegen mit modernen Verfahren (z. B. stabile Isotope) kombiniert werden, um hochwertige Rekonstruktionen zu gewährleisten. [1] Planells et al. 2009. 17 Klima im System Erde Der Puls der Atmosphäre – Dekadisches Auf und Ab Klaus Dethloff, Handorf, D., Brand, S.,Läuter, M. Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Sekt. Atmosphärische Zirkulationen, [email protected], [email protected] Polare Kältepole Arktis und Antarktis stellen die Kältepole der atmosphärischen Zirkulation dar und beein­flussen die globale Zirkulation durch den meridionalen Gradienten der Strahlungsenergie zwischen den Polen und den Tropen. Der meereisbedeckte, arktische Ozean wird zu großen Teilen durch Landmassen eingeschlossen und ist durch eine jahreszeitlich variierende Eisdecke von 1–5 m Dicke mit der polaren Atmosphäre gekoppelt. Die arktischen Landflächen sind von Oktober bis Mai mit Schnee bedeckt. Große Landteile der Arktis entsprechen polaren Wüsten mit wenig Vegetation und sind dauerhaft gefroren. Dieser Permafrost taut nur im Sommer in einer dünnen oberen, der aktiven Schicht auf. Atmosphärische Beob­achtungsdaten für die Polarregionen in der Arktis und Antarktis sind nur spärlich vorhanden, da nur einige wenige Beobachtungsstationen existieren, die mit langfristigen Daten dienen können. Deshalb stellen neben Satellitendaten u. a. die Reanalysen des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage brauchbare Datensätze für die Polarregionen dar, die durch die Assimilation von existierenden Beobachtungs- und Satellitendaten in ein Wetter­vorher­sage­modell erzeugt wurden. Die arktische Winterzirkulation wird in der mittleren Troposphäre durch einen polaren Wirbel bestimmt, der mit seinem Druckminimum über Nordamerika liegt und sich bis nach West­europa erstreckt. Diese Druckvertei­lung wird durch die Topographie der Erdoberfläche, die Land-Meerverteilung und die Abstrahlung von Wärme in den Weltraum während der Polarnacht bestimmt. Der Polarwirbel schwächt sich im Sommer ab und wird stärker symmetrisch. Im Winter dominieren im Bodenluftdruck das Islandtief, das Aleu­tentief im nordpa- 18 zifischen Becken und das Sibirienhoch. Das isländische Tief und das Aleutentief werden durch den relativ warmen Ozean im Umfeld kalter Luftmassen bestimmt. Das sibirische Hoch wird im Wesentlichen durch langwellige Strah­lungs­abkühlung verursacht. Das Islandtief ist im Sommer deutlich schwächer als im Winter. Die auf den Meeresspiegel reduzierte Druckverteilung des Sommers zeigt den höchsten Luftdruck über Grönland, der Barentsund der Beaufortsee. Niedriger Luftdruck herrscht wieder im Islandtief, aber auch über Sibirien. Die mittlere Zirkulation des Winters wird durch großskalige planetare Wellenmuster bestimmt, die im Sommer wesentlich geringer ausgeprägt sind. Fernverbindungsmuster Diese globalen Muster der Luftdruck- und Tempe­ raturverteilung haben sich in den Jahren von 1948–2009 deutlich verändert. In den Wintern trat eine signifikante Erwärmung und in den Sommern eine leichte Abkühlung auf. Die beobachtete Wintererwärmung steht im Zusammenhang mit den Änderungen der nordhemisphärischen Zirkulation und des Fernverbindungs­musters der Nordatlantischen Oszillation (NAO) oder der Arktischen Oszillation (AO). Dieses natürli­che Variabilitätsmuster zeichnet sich durch großräumige Schwankungen des Luftdrucks im Bereich des Islandtiefs und des Azorenhochs aus. Eine negative Luft­druckanomalie im islän­dischen Raum und eine positive Luft­druckanomalie im Bereich der Azoren kennzeichnen die positive Phase der NAO, wogegen eine positive Luft­druckanomalie im Islandraum und eine negative Luft­druck­­anomalie im Azorenbereich für die negative Phase typisch sind. Diese Luft­druckanomalien gehen einher mit einer verstärkten zonalen Strömung über dem Nordatlantik in der positiven Phase und einer schwächeren zonalen Strömung und damit stärkeren plane­taren Wellenmustern in der negativen Phase. Diese Schwankungen üben einen starken Einfluss auf das Klima Europas aus. In der positiven NAO-Phase gelangt vermehrt warme und feuchte Meeresluft nach Nord- und Mitteleuropa, während in der negativen Phase verstärkt großskalige Wellenmuster kalte Polarluft nach Europa transportieren. Die AO ist mit Der Puls der Atmosphäre – Dekadisches Auf und Ab der NAO eng ver­bunden und verdankt ihre Existenz der Orographie der Erdoberfläche, den Land-Meer Kontras­ten und der Zyklonenaktivität [1]. Dabei wird ein symmetrisches AO-Muster bereits in einer Modellatmosphäre ohne Kontinente und Ozeane erzeugt. Mit eingeschalteter Orographie der Erdoberfläche werden die beobachteten zonalen Asymmetrien der AO-Verteilung und die Zugbahnen der synoptischen Zyklonen über den Ozeanen reproduziert. Mit einem zusätzlichen längenabhängigen thermischen Antrieb durch Ozeantem­peraturanomalien breitet sich das AO-Muster in die Stratosphäre aus. Daraus ergibt sich, dass dieses Fernver­bin­dungsmuster mit Rückkopplungen innerhalb des Atmosphäre-Ozean-Meereissystems verbunden ist und durch Tropo-Stratosphären-Rück­kopplung und die stratosphärische Ozonschicht beeinflusst wird. Neben diesen natürlichen Prozessen werden die atmosphärischen Fernverbindungsmuster auch durch anthropogene Einflussfaktoren, wie Treibhausgaskonzentrationen und Aerosolbelastung beeinflusst. Zirkulationsregime Das Grundkonzept für das Verständnis von dekadischer Klimavariabilität auf der globalen und regionalen Skala ist das Konzept der atmosphärischen Zirkulationsregime. Es ist bekannt, dass atmosphärische Variabilität mit Schwankungen einiger weniger bevorzugter großräumiger Strömungsmuster in Verbindung steht, die in bestimmten geografischen Regionen auftreten. Das Konzept der atmosphärischen Zirkulationsregime verbindet diese beobachteten Klimaschwankungen mit der atmosphärischen Dynamik unter der Annahme, dass niederfrequente Klimavariabilität durch Übergänge zwischen den bevorzugten atmosphärischen Regimen und Änderungen in der Häufigkeit des Auftretens der Regime entsteht. Vergleichsstudien mit atmosphärischen Modellen, Datenanalysen, Analysen von Modellläufen mit erhöhten Treibhausgasen und Paläoklima-Simulationen zeigen, dass sich eine Änderung im externen Antrieb auf natürliche Variabilitätsmuster projizieren kann, aber die Aufenthaltswahrscheinlichkeit in den einzelnen Zirkulationsregimen ändert. Die Zirkulationsregime können mit Hilfe anspruchsvoller statistischer Verfahren detektiert werden. Die gefundenen Regime projezieren sich auf die verschiedenen Phasen der bekannten Fernverbindungsmuster, z. B. auf die positive und negative Phase der AO bzw. NAO, den dominierenden Variabilitätsmustern im atlantisch-europäischen Raum. Diese Muster variieren auf Zeitskalen von Jahren bis zu Jahrzehnten und ihre stärkere/schwächere Ausprägung in negativen/ positiven Phasen verursacht ein Auf und Ab dekadischer Zirkulationsanomalien der Atmosphäre. Der Einfluss der führenden Variabilitätsmuster reicht bis in die Stratosphäre. Die positive Phase der AO steht demzufolge mit einem stärkeren und kälteren Polarwirbel in Verbindung. Die Stärke des Polarwirbels beeinflusst die Ausbreitung planetarer Wellen von der Troposphäre in die Stratosphäre und ebenso die Übertragung extremer Anomalien von der Stratosphäre hinab in die Troposphäre. Erdsystemmodelle Modellexperimente [2] haben gezeigt, dass Änderungen in arktischen Prozessbeschreibungen, wie z. B. der Schneeund Eisalbedoparametrisierung, AO-ähnliche Anomalien zur Folge haben und ebenfalls Einfluss auf die planetaren Wellenzüge und die Zyklonenzugbahnen haben können. Dies impliziert einen Einfluss auf die meridionale Kopplung zwischen der Energiequelle in den Tropen und der Energiesenke in der Arktis, so dass arktischen Klimaprozessen globale Auswirkungen zugeordnet werden können. Anthropogen bedingte Klimaänderungen und Phasenänderungen der AO/NAO überlagern einander, so dass die Kenntnis der zukünftig vorherrschenden atmosphärischen Zirkulationsregime und der sie steuernden Prozesse für glaubhafte regionale Klimaprojektionen unerlässlich ist. Ein gekoppeltes Erdsystemmodell mit integrierter Stratosphären-Chemie ist in [3] beschrieben worden, um Wechselwirkungen zwischen der atmosphärischen Modelldynamik und der Verteilung und Konzentration von stratosphärischen Spurengasen zu untersuchen und Rückkopplungen zwischen Chemie und Dynamik zu verstehen. Ergebnisse dieser Modellsimulationen zeigen stärkere troposphärische Strahlströme durch die Rückkopplung zwischen Chemie und Dynamik. Dadurch erge- 19 Klima im System Erde ben sich veränderte zonale Windverteilungen und globale atmosphärische Wellenmuster, die die Struktur der Arktischen Oszillation beeinflussen. Die Ergebnisse heben die Bedeutung von dynamisch-chemischen Rückkopplungen zwischen Tropo- und Stratosphäre hervor. Ausblick Um das gegenwärtige und zukünftige arktische Klima zuverlässig zu beschreiben, ist es notwendig, Klimamodelle zu entwickeln, die in der Lage sind, Zirkulationsregime und deren Variabilität hinreichend realistisch zu simulieren. In [4, 5] wurde gezeigt, dass gegenwärtige Klimamodelle die räumlichen Zirkulationsmuster wiedergeben, aber nicht deren zeitliches Auf und Ab. Dazu ist ein verbessertes physikalisches Verständnis der Ursachen von Klimaregimen und ihrer räumlichen und zeitlichen Änderungen unter den sich ändernden äußeren Randbedingungen erforderlich. Neben der Entwicklung verbesserter arktischer Prozessbeschreibungen werden auch neue Modellansätze verfolgt, wie die Entwicklung eines adaptiven Atmosphärenmodells [6], das zu einer verbesserten Multiskalen-Modellierung führen kann, da es die Auflösung von Wechselwirkungen zwischen planetaren und synoptischen Wellen mit mesoskaligen Zirkulationsstrukturen ermöglicht. Literatur [1] Sempf, M., Dethloff, K., Handorf, D., Kurgansky, M. V., (2007), Towards Understanding the Dynamical Origin of Atmospheric Regime Behavior in a Baroclinic Model, J. Atmos. Sci., 64, 887– 904. [2] Dethloff, K., Rinke, A., Benkel, A., Koltzow, M., Sokolova, E., Saha, S. K., Handorf, D., Dorn, W., Rockel, B., von Storch, H., Haugen, J. E., Roed, L. P., Roeckner, E., Christensen, J. H., Stendel, M., (2006), A dynamical link between the Arctic and the global climate system, Geophys. Res. Lett., 33, L03703, doi:10.1029/2005GL025245. [3] Brand, S., Dethloff, K., Handorf, D., (2008), Tropospheric circulation sensitivity to an interactive stratospheric ozone, Geophys. Res. Lett., 35, L05809, doi:10.1029/2007GL032312. [4] Handorf, D., and K. Dethloff, (2009), Atmospheric teleconnections and flow regimes under future climate projections, Europ. Phys. J., 174, 237–255, DOI:10.1140/epjst/e2009-01104-9. [5] Handorf, D., Dethloff, K., Marshall, A.G., Lynch, A., (2009). Climate regime variability for past and present time slices simulated 20 by the Fast Ocean Atmosphere Model, J. Climate, 22(1), 58–70., doi:10.1175/2008JCLI2258.1. [6] Läuter, M., Giraldo, F.X., Handorf, D., Dethloff, K., (2008). A Discontinuous Galerkin Method for the Shallow Water Equations in Spherical Triangular Coordinates, J. Comp. Phys., 227(24), 10226–10242., doi:10.1016/j.jcp.2008.08.019. Stabilität des Westantarktischen Eisschildes in der erdgeschichtlichen Vergangenheit Stabilität des Westantarktischen Eisschildes in der erdgeschichtlichen Vergangenheit – Ergebnisse der ANDRILL Bohrung Gerhard Kuhn 1 , Niessen, F.1, ANDRILL SMO2 and MIS Science Team Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Fachbereich Geowissenschaften, [email protected], [email protected] 2 ANDRILL Science Management Office, Univ. of Nebraska-Lincoln, USA 1 liegenden Eiskappe zum Schelfeis und dann zum offenen Meer (Abb. 4) bei global etwa 3° C wärmeren Temperaturen und leicht erhöhten CO2 Gehalten von etwa 400 ppmv. Modellierungen stimmen gut mit den geologischen Befunden überein und ermitteln einen Beitrag zur Meeresspiegelerhöhung von ca. 7 Metern von der Antarktis [2] Pollard & DeConto, 2009. Literatur: [1] Naish, T., et al., 2009, Obliquity-paced Pliocene West Antarctic ice sheet oscillations: Nature, v. 458, p. 322–328. [2] Pollard, D. & DeConto, R.M., 2009, Modelling West Antarctic ice sheet growth and collapse through the past five million years: Nature, v. 458, p. 329–332. Wie stabil war der Westantarktische Eisschild (WAIS) in der erdgeschichtlichen Vergangenheit, war er mal abgeschmolzen? Wie warm war es dann und wie hoch war der CO2 Gehalt der Atmosphäre? Wie groß ist der Beitrag zu einer Meeresspiegelerhöhung? Diese Fragen sind für Geowissenschaftler aktueller denn je, denn Antworten könnten Hinweise zu Auswirkungen des Klimawandels geben. Sicher, es gibt Zeitreihen-Daten über Veränderungen des Eisvolumens auf der Erde aber das Verhalten der regionalen polaren Eiskappen ist unzureichend bekannt und kann nur durch Beobachtungen vor Ort erkundet werden. Hierfür werden natürliche Archive benötigt, in denen Informationen aus der Vergangenheit gespeichert sind. Dies ist der Fall im „Victoria Land Basin“ im Bereich des westlichen Ross Meeres in der Antarktis, wo durch günstige geologische Bedingungen Sedimente erhalten sind, die Zeitabschnitte der jüngeren Erdgeschichte dokumentieren. Im internationalen ANDRILL Projekt wurden diese durch die 1 285 m tiefe Bohrung vom heute 84 m dickem McMurdo Ice Schelf (MIS) aus erkundet (Abb. 1 bis 3). Abb. 1: Der ANDRILL Bohrturm in der Antarktis (Foto Kuhn). Hier gab es in den letzten 5 Millionen Jahren wiederholt Zeiten, in denen das Schelfeis und große Teile des WAIS abgeschmolzen waren [1] Naish et al., 2009. Diese Instabilitäten des Eisschildes traten periodisch auf und waren durch Erdbahnparameter induziert. Hieraus folgte ein mehrfacher Wechsel von einer auf dem Meeresboden auf- 21 Klima im System Erde Abb. 2: Bohrung auf dem weiten Ross Schelfeis (Bohrstelle herangezoomt, Foto Kuhn). Abb. 3: Karte der Antarktis und Lage der vorhandenen Bohrungen. MIS AND-1B (gelber Punkt) war mit einem Kerngewinn von 98 % sehr erfolgreich [1] Naish et al., 2009. Abb. 4: Modellierte Eismächtigkeiten der Antarktis [2] (Pollard & DeConto, 2009) für verschiedene Klimaszenarien. 22 Anthropozän vs. Holozän Anthropozän vs. Holozän. Die menschengemachte Erwärmung in Relation zu orbital getriebenen Klimaveränderungen Thomas Laepple & Lohmann, G. Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Sekt. Dynamik des Paleoklimas, [email protected] Die mittlere Temperatur der Erdoberfläche hat sich im letzten Jahrhundert um ungefähr 0.7 °C erhöht. In Anbetracht dieser Temperaturänderungen ist es wichtig die natürlichen Klimavariationen auf verschiedenen Zeit­ skalen zu quantifizieren und das letzte Jahrhundert in Relation zur langfristigen Klimaentwicklung zu stellen. Da instrumentelle Daten nur begrenzt in die Vergangenheit zurückreichen hat es sich bewährt, Simulationen von Klimamodellen und indirekte Indikatoren des Klimas (Proxydaten) zu kombinieren um vergangene Klimavariabilität abzuschätzen [1] Lorenz et al., 2006. In dieser Studie analysieren wir die Temperaturentwicklung der letzten 6 000 Jahre in Verbindung mit Projektionen für die zukünftige Temperaturentwicklung. Dazu verwenden wir Simulationen von gekoppelten Ozean-Atmosphäre Modellen für das mittlere Holozän (PMIP II Projekt) und für die rezente und zukünftige Klimaentwicklung (CMIP III Projekt). Komplementiert werden diese mit einer transienten Klimamodellsimulation des mittleren und späten Holozäns sowie mit Proxydaten der Meerestemperatur aus Sedimentbohrkernen. dagegen der anthropogenen Erhöhung der Treibhausgase in Verbindung mit Klimafeedbacks zugeordnet werden [3] Solomon et al., 2007. Hierbei ist es interessant sich die regionalen und saisonalen Unterschiede zu betrachten. In den Extratropen und über großen Teilen des Meeres ist die Sommertemperatur wahrscheinlich heute schon höher als im mittleren Holozän, während in den mittleren und hohen Breiten (speziell über Land und über Teilen des arktischen Ozeans) die Temperaturen des mittleren Holozän den nächsten 20 bis 80 Jahren erreicht werden. Die Proxydaten zeigen eine generelle Übereinstimmung mit den Modellsimulationen des Holozäns aber eine detaillierte Analyse der Unsicherheiten in den Daten und Modellen ist nötig um robuste Schlüsse aus den Unterschieden zu ziehen. Literatur [1] Lorenz, S.J., J.H. Kim, N. Rimbu, R.R. Schneider, and G. Lohmann, Orbitally driven insolation forcing on Holocene climate trends: Evidence from alkenone data and climate modeling, Paleoceanography, 21 (1), 2006. [2] Laepple, T. and G. Lohmann G., The seasonal cycle as template for climate variability on astronomical time scales, Paleoceanography, in press, 2008PA001674, 2009 [3] Solomon, S., et al. (Eds.) (2007), Climate Change 2007: The Physical Science Basis: Working Group 1 to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, Cambridge Univ. Press. Die generelle Struktur der sommerlichen Temperaturentwicklung in der Nordhemisphäre zeigt eine „Hockey Schläger“ Form (Abb. 1). Die Nordhemisphärische Abkühlung wird teilweise in den letzten Jahren durch eine Erwärmung kompensiert. Die Gründe für den Holozänen Trend liegen in den Änderungen der Erd-Sonnen Konfiguration im Zusammenspiel mit Rückkopplungsmechanismen [2] Laepple and Lohmann 2009. Die rezente Erwärmung kann 23 Klima im System Erde Abb. 1: Simulierte Sommertemperaturentwicklung von 6 000 Jahren vor heute bis in das 21. Jahrhundert der oberflächennahen Lufttemperatur, 30 °N – 90 °N. Gezeigt sind Anomalien relativ zu der Zeitperiode 1850 bis 1920. Bitte beachten Sie die verschiedenen Zeitskalen für das Holozän und den rezenten Zeitraum. 24 Die Änderung des geomagnetischen Feldes und seine Relevanz für Klimastudien Die Änderung des geomagnetischen Feldes und seine Relevanz für Klimastudien Hermann Lühr & Monika Korte Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Sekt. 2.3 „Erdmagnetfeld“, [email protected]; [email protected] Langfristige Veränderungen des Klimas während der vergangenen Jahrtausende werden bevorzugt aus Konzentrationsschwankungen von kosmologischen Radionukliden in chronologisch geschichteten Ablagerungen rekonstruiert. Aus langen Eisbohrkernen konnte man die quasi-periodische Wiederkehr von Eiszeiten ableiten. Als klimarelevantes Proxy wird in der Regel das Isotop 18O verwendet. Hohe Konzentrationen von δ18O sind ein Indiz für warmes Klima. Die Produktionsrate des 18O hängt allerdings von der Intensität der kosmischen Strahlung ab, und diese wird wiederum vom geomagnetischen Feld moduliert. Für eine verlässliche Interpretation der δ18O-Daten ist daher eine Schätzung des Erdfeldes für die zurückliegenden hunderttausende von Jahren erforderlich. Eine wichtige Methode zur Rekonstruktion der Feldstärke bedient sich der FlussSchwankungen des Isotops 10Be. Die Anti-Korrelation zwischen der δ18O- und der 10Be-Konzentration verdeutlicht den Einfluss des Magnetfeldes (s. Abb. 1). Auf kürzeren Zeitskalen spielt das geomagnetische Feld eine bedeutende Rolle in der Klima-Modellierung, speziell bei der Rekonstruktion solarer Strahlungsintensität. [2] Solanki et al. (2004) hatten eine Schätzung der Sonnenaktivität für die letzten 11 000 Jahre präsentiert. Daraus ergab sich, dass die Sonne in jüngerer Zeit besonders aktiv ist. Das dabei verwendete Modell für das geomagnetische Feld erwies sich als nicht sehr zuverlässig. Deshalb wurde die Rekonstruktion der Sonnenaktivität von [3] Usoskin et al. (2006) unter Verwendung des neueren Magnetfeldmodells von [4] Korte and Constable (2005) wiederholt. Dabei ergaben sich signifikante Unterschiede für die Jahre, die mehr als 4000 Jahre zurückliegen (s. Abb. 2). Damit wurde die Aussage von [2] Solanki et al. (2004) bezüglich der gegenwärtigen Prominenz der Sonnenaktivität merklich relativiert. Für die zurückliegenden Millennien findet man eine Reihe von aussagekräftigen Klimaindikatoren in Bodenproben. Aus diesen Proben eine global gültige Aussage für das Klima abzuleiten, ist jedoch im Allgemeinen nicht gerechtfertigt, da die Proben zum größten Teil aus Europa, Asien und den USA stammen. Es gibt deutliche Anzeichen, dass ionisierte Partikel in der mittleren und unteren Troposphäre zur Wolkenbildung beitragen. Eine Quelle für die Ionisierung der Partikel ist die kosmische Strahlung. Die Verteilung der Strahlungsintensität hängt zu einem gewissen Grade von der Struktur des geomagnetischen Feldes ab. Daraus ergeben sich regionale Unterschiede in der ionisationsbedingten Wolkenbildung. Diese Unterschiede sind zu beachten, wenn von lokalen Sedimentproben auf globale Klimabedingungen geschlossen wird. An Hand des mehrere tausend Jahre überdeckenden Magnetfeldmodells von [4] Korte and Constable (2005) wurde von [5] Usoskin et al. (2008) die zeitliche Veränderung der atmosphärischen Ionisation durch kosmische Strahlung während der letzten 2000 Jahre für alle Orte auf dem 45. Breitengrad berechnet. Es ergeben sich deutliche längenabhängige Unterschiede in der Ionisationsstärke, die sich im Laufe der Zeit verschieben. Daraus kann man schließen, dass regionale Klimaarchive nur unter Berücksichtigung des zeitgleich herrschenden Magnetfeldes zuverlässig zur Rekonstruktion des Weltklimas herangezogen werden können. Literatur [1] Muscheler, R., J. Beer, P.W. Kubik, H-A. Synal (2005): Geomagnetic field intensity during the last 60,000 years based on 10Be and 36 Cl from the summit ice cores and 14C, Quaternary Sci. Rev., 24, 1849–1860. [2] Solanki, S.K., I.G. Usoskin, B. Kromer, M. Schüssler, and J. Beer (2004): Unusual activity of the Sun during recent decades compared to the previous 11,000 years, Nature, 431, 1084. [3] Usoskin, I. G., S. K. Solanki, and M. Korte (2006): Solar activity reconstructed over the last 7000 years: The influence of geomagnetic field changes, Geophys. Res. Lett., 33, L08103. [4] Korte, M., and C. G. Constable (2005): Continuous geomagnetic field models for the past 7 millennia: 2. CALS7K, Geochem. Geophys. Geosyst., 6, Q02H16. 25 Klima im System Erde [5] Usoskin, I. G., M. Korte, and G. A. Kovaltsov (2008): Role of centennial geomagnetic changes in local atmospheric ionization, Geophys. Res. Lett., 35, L05811. Abb. 1: Vergleich des klimarelevanten δ18O mit dem Isotop 10Be. Aus dem 10Be-Fluss lässt sich die geomagnetische Feldstärke ableiten (aus [1]). Abb. 2: Einfluss des Magnetfeldmodells auf die Schätzung der Sonnenaktivität. (A) Differenz zwischen Dipolmomenten der Feldmodelle; typischer Wert für das magnet. Moment, M = 8×1022 Am2. (B) Resultierende Differenz für die Sonnenfleckenzahl, SN; typischerweise variiert SN von 10 bis 60 (aus [3]). 26 Simulation natürlicher Klimavariabilität im atmosphärisch-hydrosphärischen System Simulation natürlicher Klimavariabilität im atmosphärisch-hydrosphärischen System Katja Matthes 1,2 , Neef, L.1, Petrick, C.1 & Wenhaji Ndomeni, C.2 Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Sekt. 1.5 Erdsystem-Modellierung, [email protected] 2 Institut für Meteorologie, Freie Universität Berlin, Carl-HeinrichBecker Weg 6–10, 12165 Berlin 1 Gelingt es, die natürlichen Klimaänderungen besser zu verstehen, kann der anthropogen bedingte Anteil der beobachteten globalen Erwärmung besser abgeschätzt und künftige Klimaentwicklungen genauer vorhergesagt werden. Während die Genauigkeit der anthropogenen Veränderungen sehr gut bekannt ist [1] IPCC (2007), gibt es gerade bei der Abschätzung des Effektes der natürlichen Klimavariabilität, z. B. bei Variationen der Sonneneinstrahlung oder gekoppelten Atmosphären-Ozean Prozessen, große Unsicherheiten. onsmuster im Pazifik. Der „top-down“ stratosphärische Mechanismus erzeugt Ozon- und Temperaturfluktuationen aufgrund von kurzwelligem solaren Antrieb in der Atmosphäre und der „bottom-up“ Mechanismus generiert eine gekoppelte Ozean-Atmosphärenantwort am Erdboden. Die Modellergeb­nisse, in denen der „top-down“ und der „bottom-up“ Mechanismen gemeinsam wirken, erklären erstmals die – mit der Sonnenakti­vität zyklisch-schwankenden – beobachte­ten Niederschlags- und Temperaturmuster im Pazifischen Ozean (Abb 1). Ein Verständnis für die physikalischen Mechanismen ist auch im Hinblick auf dekadische Klimavariabilität im Pazifik und damit eine dekadische Klimavorhersage essentiell. Literatur [1] IPCC (2007), Climate Change 2007: The Physical Science Basis: Contribution from Working Group I to the Fourth Assessment Report of the IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change, Solomon et al., Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA. [2] Meehl, G.A., J.M. Arblaster, K. Matthes, F. Sassi, and H. van Loon (2009), Amplifying the Pacific climate system response to a small 11 year solar cycle forcing. Science 325, 1114-1118. Im Rahmen der Helmholtz-Hochschul-Nachwuchsgruppe NATHAN am GFZ Potsdam und dem Institut für Meteorologie der FU Berlin geht es um die Quantifizierung und Separation von natürlichen Beiträgen zur Klimavariabilität im atmosphärisch-hydrosphärischen System auf saisonalen bis multidekadischen Zeitskalen durch Kombination numerischer Modellierungsansätze mit geodätischen Monitoring-Daten (Meeresspiegeländerungen, Erdrotation, Deformation, Erdschwere- und Magnetfeld). Ziel ist es schließlich, durch eine Kombination freier und assimilierter Modellsimulationen anthropogen und natürlich verursachte Beiträge in den Beobachtungsdaten zu trennen. Dass natürliche Prozesse auf komplexe Weise das Klimageschehen beeinflussen können, zeigt eine neue Science Studie von [2] Meehl et al. (2009). Komplexe Wechselwirkungsmechanismen zwischen relativ geringen Strahlungsvariationen mit dem 11-jährigen Sonnenfleckenzyklus und dem System Atmosphäre-Ozean haben unter anderem einen großen Einfluss auf tropische Zirkulati- Abb. 1: Niederschlagsänderungen im Maximum der Sonnenfleckenaktivität. Oben: Beobachtung. Unten: Simulation mit gekoppelten Atmosphärenchemie-Ozeanmodell ([2] Meehl et al. {2009}). 27 Klima im System Erde Arktische Atmosphäre und Meereis – Das komplexe Zusammenspiel Annette Rinke, Dethloff, K., Gerdes, R. & Dorn, W. Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, ­Fachbereich Klimawissenschaften, [email protected] Das arktische Klima ist durch eine beträchtliche natürliche Variabilität charakterisiert, was den Nachweis und die Zuordnung von arktischen Klimaänderungen kompliziert macht. Abschätzungen der Klimamodellprojektionen weisen darauf hin, dass die für das Ende des 21. Jahrhunderts projizierte oberflächennahe Temperaturzunahme in der Arktis doppelt so groß ist wie die global gemittelte Temperaturzunahme [1] IPCC, 2007. Dabei ist die arktische Temperaturänderung aber weder räumlich noch zeitlich einheitlich [2] Rinke & Dethloff, 2008. Die Meereisbedeckung regelt den Austausch von Wärme, Feuchte und Impuls zwischen der Atmosphäre und dem Ozean und hat damit einen starken Einfluss auf die atmosphärische Zirkulation. Rückkopplungsprozesse, in denen Meereis beteiligt ist, wie z. B. die Schnee/Eis-AlbedoRückkopplung, spielen eine wichtige Rolle im arktischen Klimasystem und werden für die Verstärkung des arktischen Temperatursignals verantwortlich gemacht. Daher ist eine realistische Darstellung der Meereiskomponente in den Klimamodellen wichtig, um verlässliche Simulationen und Abschätzungen für das arktische Klima zu erhalten. Simulationen des sommerlichen arktischen Meereises reagieren sensibel auf veränderte Beschreibungen von z. B. Meereiswachstum, Rückstrahlvermögen (Albedo) von Schnee und Eis, sowie der Schneebedeckung. Verbesserte Parametrisierungen dieser Prozesse führen zu realistischeren Simulationen des sommerlichen Minimums der arktischen Meereisbedeckung [3] Dorn et al., 2009. Änderungen der Meereisbedeckung haben einen direkten lokalen Effekt auf die Atmosphäre in der Arktis [4] Rinke et al., 2006. Wenn sich z. B. während des Winters in Randeisgebieten offene Wasserflächen bilden, ändert sich der 28 Wärmeverlust des Ozeans dramatisch, was dann entsprechende Änderungen in der oberflächennahen Temperatur und Zirkulation der Atmosphäre hervorruft [5] Lüpkes et al., 2008. Zum anderen haben Meereisänderungen infolge von Rückkopplungsprozessen auch globale Auswirkungen. Änderungen in der Schnee/Eis-Albedo zeigen in Modellexperimenten Auswirkungen auf die atmosphärische Zirkulation in den mittleren Breiten, wie z. B. veränderte Zugbahnen von Tiefdruckgebieten, sowie einen Einfluss auf die globale atmosphärische Zirkulation über veränderte planetare Wellenmuster [6] Dethloff et al., 2006. Modellexperimente mit veränderter Meereisausdehnung und ­-dicke zeigen ebenfalls Reaktionen in der atmosphärischen Zirkulation. Die hervorgerufenen atmosphärischen Signale durch solche Meereisanomalien sind von gleicher Größenordnung. Eine Reduktion der Meereisdicke fördert eine Verstärkung der Nordatlantischen Oszillation [7] Gerdes, 2006. Anomalien der Ozeanoberflächentemperatur und der Meereisbedeckung entsprechend den beobachteten Verhältnissen im Jahr 2007, dem Jahr der bisher niedrigsten Eisausdehnung in der Arktis, rufen in einem globalen Atmosphärenmodell signifikante Luftdruckanomalien hervor. In der Arktis findet sich ein anomales Tiefdruckgebiet über dem nördlichen Sibirien, wo es atmosphärischen Wärmetransport und Meereistransport so beeinflußt, dass die ursprüngliche Anomalie in der Meereisausdehnung verstärkt werden würde. In beiden Fällen, Reduktion der Eisdicke und Reduktion der Eisausdehnung wie in 2007, finden sich Hinweise auf eine positive Rückkopplung zwischen Meereis und atmosphärischer Zirkulation [8] Blüth­ gen et al., 2009. Literatur [1] IPCC (2007): Climate change 2007-The physical science basis. Contribution of working group I to the 4th assessment report of IPCC, Cambridge Univ. Press, 996 pp. [2] Rinke, A. & Dethloff, K. (2008): Simulated circum-Arctic climate changes by the end of the 21st century, Glob. Planet. Change, 62, 173-186, doi:10.1016/j.gloplacha.2008.01004 [3] Dorn, W., Dethloff, K., Rinke, A. (2009): Improved simulation of feedbacks between atmosphere and sea ice over the Arctic Ocean in a coupled regional climate model, Ocean Modelling, 29, 103114, doi:10.1016/j.ocemod.2009.03.010 Arktische Atmosphäre und Meereis – Das komplexe Zusammenspiel [4] Rinke, A., Maslowski, W., Dethloff, K., Clement, J. (2006): Influence of sea ice on the atmosphere: A case study with an Arctic atmospheric regional climate model, J. Geophys. Res., 111, D16103, doi:10.1029/2005JD006957 [5] Lüpkes, C., Vihma, T., Birnbaum, G., Wacker, U. (2008): Influence of leads in sea ice on the temperature of the atmospheric boundary layer during polar night, Geophys. Res. Lett., 35, L03805, doi:10.1029/2007GL032461 [6] Dethloff, K., Rinke, A., & 13 Ko-Authoren (2006): A dynamical link between the Arctic and the global climate system, Geophys. Res. Lett., 33, L03703, doi:10.1029/2005GL025245 [7] Gerdes, R. (2006): Atmospheric response to changes in Arctic sea ice thickness, Geophys. Res. Lett., 33, L18709, doi:10.1029/2006GL027146 [8]Blüthgen, J., Gerdes, R., Werner, M. (2009): Impact of the extreme Arctic sea ice retreat in 2007 on the atmospheric circulation, in preparation 29 Klima im System Erde Dünnes Eis auf warmem Ozean – der Arktische Ozean im Wandel Ursula Schauer 1 , Hendricks, S.1, Hansen, E.2, Fahrbach, E.1, Rabe, B.1 Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Fachbereich Klimawissenschaften, [email protected] 2 Norwegian Polar Institut, Tromsö 1 Literatur [1] Haas, C., Lobach, J., Hendricks, S., Rabenstein, L., Pfaffling, A. (2009): Helicopter-borne measurements of sea ice thickness, using a small and lightweight, digital EM system, Journal of Applied Geophysics, 67(3), 234–241. [2] Schauer, U., Beszczynska-Möller, A., Walczowski, W., Fahrbach, E., Piechura, J., Hansen, E. (2008). Variation of Measured Heat Flow Through the Fram Strait Between 1997 and 2006, Arcticsubarctic ocean fluxes: defining the role of the northern seas in climate / ed. by Robert R. Dickson, Jens Meincke and Peter Rhines. Dordrecht: Springer 65–85. Der rasche Rückgang des arktischen Meereises ist ein beispielloser Vorgang, der mit größerer Geschwindigkeit voran schreitet als durch Klimamodelle vorhergesagt. Die Meereisfläche, über Satellitenfernerkundung großräumig gut dokumentierbar, ist allerdings nur eine Komponente des arktischen Klimasystems. Andere Komponenten müssen auf Messkampagnen vom Schiff, Hubschrauber oder Flugzeug aus oder durch autonome Messysteme (Abb. 1) erfasst werden. Die Entwicklung der Meereisdicke wird seit den 1990er Jahren zunächst durch Bohrungen, später durch ein elektromagnetisches Verfahren vom Hubschrauber und heute vom Flugzeug aus untersucht. Auch hier zeigt sich in der zentralen Arktis eine drastische Abnahme um mehr als 50 %, so dass die Möglichkeit einer puren regionalen Umverteilung von Meereis auszuschließen ist [1] Haas et al., 2009. Mit der Abnahme des Meereisvolumens gehen Änderungen im Ozean einher. Bei Spitzbergen wird seit einer Dekade ein Array von Verankerungen unterhalten um den Einstrom an warmem Wasser aus dem Nordatlantik und den Export von abgekühltem Wasser aus der Arktis zu messen. Die Temperaturen des atlantischen Einstroms sind in den vergangenen 10 Jahren stetig gestiegen [2] Schauer et al., 2008. Während des IPY 2007/08 wurden zusätzlich umfangreiche internationale Programme mit schiffs- und bojengestützten Aufnahmen der gesamten Arktis betrieben. Gemeinsam mit den Strömungsdaten erlaubt dieser umfangreiche Datensatz erstmalig ein Wärmebudget des Arktischen Ozeans aufzustellen. 30 Abb. 1: Ausbringen einer autonomen Messboje zur täglichen Erfassung von Meerwassereigenschaften bis in 800 m Tiefe (Foto K. Bakker). Die Boje driftet bis zu 3 Jahre mit der Eisscholle. Im Hintergrund der Eisbrecher Polarstern. Klimawandel in Historischen Zeiten bis 10 000 Jahre vor heute – Beispiel Naher Osten Klimawandel in Historischen Zeiten bis 10 000 Jahre vor heute – Beispiel Naher Osten konstruieren [1] Schwab et al., 2004. Die so gewonnenen Klimazeitreihen werden das Modellieren zukünftiger hydrologischer Änderungen in seiner vollen dynamischen Breite und Amplitude realtitätsnaher erlauben. Markus J. Schwab 1, 2, 3 & Frank, Ute 1 Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, wissenschaftlicher Vorstandsbereich, [email protected] 2 GFZ, Sekt. 5.2 Klimadynamik und Landschaftsentwicklung, [email protected] 3 Dept. für Geodynamik und Sedimentologie, Universität Wien, Althanstraße 14, 1090 Wien, Österreich 1 Süßwasser ist die wertvollste natürliche Ressource im Nahen Osten. Ursache der gegenwärtigen Übernutzung der Wasserreserven ist eine Kombination von Bevölkerungswachstum, ökonomischer und landwirtschaftlicher Entwicklung sowie semi- bis aridem Klima und geringem Niederschlag. Folgen sind Änderungen in der Vegetation und damit verbundene Konflikte im Umgang mit dem Naturhaushalt der Region. Geringfügige Änderungen des natürlichen Wasserbudgets durch Klimavariationen besitzen somit auch ein großes politisches und sozioökonomisches Konfliktpotential. Eines der wesentlichen Ziele der Klimaforschung und der, in der Paläoklimaforschung wirkenden, Geowissenschaften ist das Verständnis von Fernbeziehungen zwischen den klimatischen Systemen und deren Auswirkungen auf den menschlichen Lebensraum. Seesedimente, d.h. Ablagerungen in Seen, entlang des Toten-Meer-Grabens und auf den Golan-Höhen erlauben eine zeitlich höchstauflösende bis jahresgenaue Rekonstruktion der hydrologischen Dynamik und Klimavariabilität in der Region. Sedimentprofile aus dem vulkanischen Kratersee Birkat Ram (Golan-Höhen) und des Toten Meeres wurden detailliert mit Methoden der Geo- und Biowissenschaften (Sedimentologie, Geochemie, Magnetostratigraphie und Pollenanalyse) untersucht. Mit der Analyse der Sedimente lassen sich Klima, Vegetations- und Besiedlungsgeschichte sowie die Erdbebenhistorie im zeitlichen Zusammenhang mit der Entwicklung des Menschen und der Kulturen re- Durch den Vergleich mit Sedimentprofilen der Region und weiteren Datierungen können die untersuchten Sedimente als Ablagerungen der letzten 10 000 Jahre (aus dem Holozän) eingeschätzt werden. Die sehr gute Übereinstimmung zwischen den Paläosäkularvariations (PSV)-Kurven vom See Birkat Ram und den Ergebnissen archäomagnetischer Untersuchungen aus der Region bestätigen die, mit der Radiokohlenstoff-Methode bestimmten Sedimentalter und erlauben die Etablierung der PSV-Kurven als Referenzkurven für die Region. Die Indikatoren der Vegetation lassen auf intensiveren Ackerbau (wohl in der Frühen Bronzezeit und in der Römisch-Byzantinischen Zeit) im Bereich der Golan Höhen schließen. Seespiegel-Rekonstruktionen für das Tote Meer basieren auf Informationen über die Sedimentzusammensetzung und erlauben in Kombination mit Untersuchungen der Vegetationsgeschichte das Erkennen von Synchronitäten zwischen Änderungen im Klima und menschlicher Siedlungsgeschichte in der Region. So stehen erkannte Zusammenbrüche der Landwirtschaft in engem Bezug zu Klimaänderungen während der späten Bronzezeit, der Eisenzeit und dem Ende der Byzantinischen Periode, in denen die Seepiegelrekonstruktion Rückschlüsse auf trockenere (aride) Bedingungen im Gebiet des Toten Meeres erlaubt [2] Neumann et al., 2007. Literatur [1] Schwab, M.J., Neumann, F., Litt, T., Negendank, J.F.W., Stein, M. (2004): Paleoecological investigations based on Holocene lacustrine sediments from the crater lake Birkat Ram, Golan Heights (Near East). Quaternary Science Reviews 23, 1723-1731. [2] Neumann, F., Kagan, E., Stein, M., Schwab, M.J. (2007): Holocene Palaeoecology of the Dead Sea: Palynological and Sedimentological Studies at exposed paleo-lake exposures. Quaternary Science Reviews 26, 1476-1498. [3] Zohary, M., 1973. Geobotanical Foundations of the Middle East, Vol. 2. Stuttgart, Gustav Fischer Verlag, Swets & Zeitlinger, Amsterdam, 739pp. 31 Klima im System Erde Abb. 1: Verteilung der heutigen a) Niederschläge b) Vegetationszonen (nach [3] Zohary 1973) und c) Klimazonen im Gebiet des zentralen Nahen Ostens. Deutlich erkennbar ist das enge Beieinanderliegen der niederschlags- und temperaturabhängigen Zonen, deren Lage durch Klimawandel verändert wird und prägnante Auswirkungen auf den menschlichen Lebensraum hat. Abb. 2: Durch Klimawandel und menschlichen Einfluss auf den Wasserhaushalt verursachte Seespiegelerniedrigungen betragen im Toten Meer gegenwärtig ca. 100 cm / Jahr (Foto Schwab). 32 Vegetationsgeschichte Nordostchinas und nordhemisphärische Klimavariabilität Vegetationsgeschichte Nordostchinas und nordhemisphärische Klimavariabilität im Spiegel hochauflösender Pollenanalysen laminierter Seesedimente aus dem Sihailongwan-Maar Martina Stebich 1 , Mingram, J.2, Spangenberg, A.1 & Haitao You3 Senckenberg Forschungsstation für Quartärpaläontologie, [email protected], [email protected] 2 Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Sekt. 5.2 Klimadynamik und Landschaftsentwicklung, [email protected] 3 Chinese Academy of Sciences, Institute for Geology and Geophysics, Beijing, [email protected] 1 Nordostchina gilt aufgrund seiner Lage im jahreszeitlich wechselnden Einflussbereich des ostasiatischen Monsunsystems und des Sibirischen Antizyklons als Schlüsselregion für die Erforschung der Klimadynamik in Ostasien. Ziel gemeinsamer Forschungsaktivitäten des Deutschen Geoforschungszentrums, der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und des Senckenberg Forschungsinstitutes ist die detaillierte Erfassung der Variabilität des ostasiatischen Monsunsystems und dessen Auswirkungen auf die Geo- und Biosphäre an hochauflösenden SeesedimentArchiven des Longgang-Vulkanfeldes (Provinz Jilin). Die vorgestellten pollenanalytischen Ergebnisse an einer laminierten Sedimentsequenz aus dem SihailongwanMaar (Abb. 1a,b,c.) stellen den ersten hochauflösenden paläoökologischen Datensatz aus Nordostchina dar, der die vergangenen ca. 80.000 Jahre erfasst. Das Klima im Untersuchungsgebiet mit Hauptniederschlägen im Sommer und extrem trocken-kalten Wintern ist Voraussetzung für die saisonale Schichtung der Sedimente, die wiederum die Grundlage für die derzeit 65.000 Jahre zurückreichende Warvenchronologie bildet. trockeneren Klimabedingungen als heute schließen. In Übereinstimmung mit Änderungen der nordhemisphärischen Sommerinsolation zeigt die eiszeitliche Vegetation Veränderungen, die durch eine alternierende Ab- und Zunahme der Taiga- bzw. Steppenanteile gekennzeichnet ist. Die Pollendaten belegen überdies kürzere Phasen mit günstigerem Klima, die mit bekannten höherfrequenten Klimavariationen des zirkum-nordatlantischen Raumes (Dansgaard-Oeschger-Zyklen) korrespondieren (Abb. 1d,e). Auch während des Spätglazials zeigen sich Änderungen im Pollenbefund, die den in europäischen Sedimentarchiven definierten Klimaschwankungen zeitlich exakt entsprechen [1] Stebich et al., 2009. Die bisher aus dem Sihailongwan-Maarsee gewonnenen Pollendaten stellen eine Chronik der Vegetations- und Klimaentwicklung Nordostchinas in bisher nicht erreichter Genauigkeit dar. Die präzise Chronologie gestattet eine überregionale Vernetzung der Befunde, sodass sich lokale Änderungen von Klima und Vegetation im Kontext nordhemisphärischer Klimaschwankungen betrachten lassen – eine wesentliche Grundlage zur Aufdeckung der dem Klimasystem zugrunde liegenden Steuermechanismen. Literatur [1]Stebich, M., Mingram, J. et al. (2009): Late Pleistocene spread of (cool-)temperate forests in Northeast China and climate changes synchronous with the North Atlantic region. Global and Planetary Change 65: 56-70. Die untersuchten Pollenproben lassen auf ein mosaikartiges Nebeneinander von Steppen und Taigawäldern während des letzten Glazials unter deutlich kälteren und 33 Klima im System Erde Abb. 1: Sihailongwan Maar (a). Ausgewählte Pollenkörner aus dem Sihailongwan-Sediment (b). Laminierter Sedimentabschnitt (c). Sauerstoffisotopenkurve aus Grönland (d) und Erlenpollen aus dem Sihailongwan (e) – beide Kurven zeigen zwischen 29 000 und 65 000 Jahren vor heute eine synchrone Zyklizität des Klimas an. 34 Als es global 3 °C wärmer war als heute – eine Klimaperspektive aus der Erdgeschichte Als es global 3 °C wärmer war als heute – eine Klimaperspektive aus der Erdgeschichte Ralf Tiedemann 1 , Steph, S.1, Lamy, F.1, Kuhn, G.1 & Prange, M.2 Alfred-Wegener Institut für Polar- und Meeresforschung, Sekt. Marine Geologie und Paläontologie, [email protected], [email protected], [email protected], [email protected] 2 Universität Bremen, Fachber. Geowissenschaften, [email protected] 1 Im Zuge des Anstiegs der anthropogenen Treibhausgaskonzentrationen wird für das Ende des 21. Jahrhunderts eine mittlere globale Erwärmung von ca. 3 °C prognostiziert [1]. Um ein vergleichbar warmes Zeitintervall zu finden und zu untersuchen, müssen wir 3 bis 5 Millionen Jahre in der Erdgeschichte zurückreisen, in das Pliozän. Im Vergleich zu heute lagen die atmosphärischen CO2 Gehalte damals etwas höher und die mittlere globale Temperatur war um ca. 3° erhöht. Zu dieser Zeit fehlte eine ausgedehnte Eiskappe auf Grönland und der Meeresspiegel lag ca. 25 m höher als heute. Die Rekonstruktion der Pliozänen Umweltbedingungen verspricht daher bedeutende Einsichten in die ozeanischatmosphärische Klimakopplung und die Rolle der Ozeanzirkulation in einer wärmeren Treibhauswelt [1]. Neue Befunde aus Paläoklimadaten und Klimamodellen weisen darauf hin, dass der tropische Pazifik während des warmen Pliozäns von einem „permanenten El Nino ähnlichen Klimazustand“ geprägt war (schwache Passatwinde, stark verringerter Küstenauftrieb, geringe biologische Produktivität in den heutigen subtropischen Auftriebsregionen, veränderte Niederschlagsmuster bis in weit entfernte Regionen), der dann später vermutlich durch Änderungen in der thermohalinen Zirkulation beendet wurde. Erste Ergebnisse von einem Sedimentkern der unterhalb des antarktischen Ross-Schelfeis gebohrt wurde, weisen darüber hinaus auf ein wiederholtes Abschmelzen der westantarktischen Eiskappe in dem Zeitraum vor 5 bis 3 Millionen Jahren hin. Solche Abschmelzereignisse hätten einen Anstieg des Meeresspiegels um bis zu 7 Metern zur Folge. Literatur [1] IPCC, 2007. Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change Abb. 1: Fieberkurve des Erdklimas für den Zeitraum der letzten 5 Millionen Jahre. Warmzeiten sind in rot, Eiszeiten in blau gekennzeichnet. 35 Klima im System Erde Klimawandel in der Erdneuzeit – Was sagen uns Modelle und Fossilien im Vergleich Dieter Uhl 1, 2 , Herrmann, M.1, Micheels, A.1, 3, Schneck, R.1 & Mosbrugger, V.1, 3 Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum, [email protected], [email protected], [email protected], [email protected], [email protected] 2 Uni Tübingen, Institut für Geowissenschaften 3 Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Frankfurt 1 In der Erdneuzeit (während der vergangenen 65 Millionen Jahre) gab es global drastische Klimaänderungen. Einem generellen Abkühlungstrend (der vom Treibhausklima der frühen Erdneuzeit [Paläozän und Eozän] mit Wäldern nördlich und südlich des Polarkreises bis hin zum gegenwärtigen „Eishausklima“ mit vereisten Polargebieten reicht) überlagert, waren zahlreiche kürzere oder längere Klimaschwankungen, die sich auch in Veränderungen der Fauna und Flora niederschlugen. Anhand charakteristischer Fossilien, die uns Auskunft über Faunen- und Florenwandel im Laufe der Erdgeschichte geben, kann man daher mehr oder minder genaue Rückschlüsse auf bestimmte Klimafaktoren und deren Veränderungen im Laufe der Zeit ziehen. Für solche Paläoklimarekonstruktionen stehen uns heute eine Reihe verschiedener Methoden zur Verfügung. Im kontinentalen Bereich sind es dabei vor allem paläobotanische Methoden die uns die relativ genaue und verlässliche Rekonstruktion bestimmter Klimaparameter erlauben. Neben Vergleichen mit den ökologischen und klimatischen Ansprüchen der heute noch lebenden, nächsten Verwandten fossiler Arten sind es vor allem funktional bedingte Anpassungen von Blättern (z. B. Blattgröße, Blattform, Form des Blattrandes) die es uns ermöglichen bestimmte Klimaparameter wie z. B. die mittlere Jahrestemperatur und die Temperatur des kältesten Monats recht genau und sicher abzuschätzen [1] Uhl et al., 2007. 36 Diese auf Fossilien basierende Paläoklimarekonstruktionen können nun quasi als Langzeittests von Paläoklimamodellen verwendet werden, um die Verlässlichkeit dieser Modelle für zukünftige Klimaszenarien besser abschätzen zu können [2] Micheels et al., 2007. Da es unmöglich ist a priori die Ergebnisse von in die Zukunft gerichteten Modellen zu verifizieren oder zu falsifizieren, testet man diese Modelle mit Szenarien aus der Erdgeschichte um so a posteriori festzustellen, wie verlässlich die Ergebnisse der Modelle eingeschätzt werden können. Dazu vergleicht man die Ergebnisse der Modelle mit den Ergebnissen der auf Fossilien beruhenden Paläoklimarekonstruktionen, um so systematische Abweichungen der Modellergebnisse vom „tatsächlichen“ Klima festzustellen (dabei muss man natürlich berücksichtigen, dass die auf Fossilien basierenden Rekonstruktionen auch nur Annäherungen an die „tatsächlichen“ Klimabedingungen sind und jede Methode ihre ureigensten Fehler und Probleme hat [1] Uhl et al., 2007). Direkte Vergleiche zwischen Modellergebnissen und auf Fossilien basierenden Paläoklimarekonstruktionen zeigen bei realistischer Wahl spezifischer Klima- und Umweltparameter (z. B. atmosphärische Kohlendioxid-Konzentration, Land-See-Verteilung) in vielen Fällen gute bis sehr gute Übereinstimmungen. Allerdings gelingt es mit Hilfe dieser Vergleiche auch einige systematische Probleme der Klimamodelle aufzuzeigen, die bei der Weiterentwicklung der Modelle berücksichtigt werden sollten, um so die Glaubwürdigkeit der Modelle für Voraussagen über die zukünftige Entwicklung des Klimas zu verbessern. Literatur [1] Uhl, D., Klotz, S., Traiser, C., Thiel, C., Utescher, T., Kowalski, E.A. & Dilcher, D.L. (2007): Paleotemperatures from fossil leaves – a european perspective. – Palaeogeogr., Palaeoclimatol., Palaeoecol. 248: 24–31. [2] Micheels, A., Bruch, A.A., Uhl, D., Utescher, T. & Mosbrugger, V. (2007): A Late Miocene climate model simulation with ECHAM4/ ML and its quantitative validation with terrestrial proxy data. – In: Bruch, A., Uhl, D. & Mosbrugger, V. (Hrsg.) Miocene Climate in Europe – patterns and evolution: A first synthesis of NECLIME.- Palaeogeogr., Palaeoclimatol., Palaeoecol. 253: 267–286. Amsterdam. Klimawandel in der Erdneuzeit – Was sagen uns Modelle und Fossilien im Vergleich Abb. 1: Fossiles Blatt einer Birke aus dem Eozän von Spitzbergen, Alter ca. 50 Millionen Jahre (Slg. Naturhistoriska Riksmuseet Stockholm). Ein Zeugnis fossiler Wälder jenseits des Polarkreises. 37 Klima im System Erde Biogene Treibhausgase und Gashydrate aus dem Permafrost Hans-Wolfgang Hubberten Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, ­Forschungsstelle Potsdam, Sekt. Periglazialforschung, [email protected] Als Ergebnis einer negativen Energiebilanz ist etwa ein Viertel der kontinentalen Erdoberfläche von Permafrost unterlagert. Dieser permanent gefrorene Untergrund ist vor allem in den riesigen Permafrostgebieten der Tundren und der borealen Waldgebiete Asiens und Nordamerikas mit Mächtigkeiten bis über 1 000 m weit verbreitet. Als Folge der Meeresregressionen während der letzten Glazialzeiten tritt Permafrost darüber hinaus reliktisch in den heutigen Schelfgebieten der Arktis auf. Klimaänderungen, vor allem die in den letzten Dekaden beobachtete globale Erwärmung, verändern das thermische Regime des Permafrosts, führen zu seiner Degradation und wirken sich vielfältig auf die Landschaft, die Infrastruktur in besiedelten Regionen und die Ökosysteme insbesondere der Arktis und Subarktis aus [1] Hubberten & Schirrmeister, 2006. Die raschesten Reaktionen auf wechselnde Klimabedingungen werden an den Grenzschichten Permafrost – Atmosphäre ablaufen, wobei es bei einer Erwärmung vor allem zu einer Erhöhung der saisonalen Auftautiefe kommen wird. Dies hat unter anderem einen starken Einfluss auf die Stabilität des organischen Kohlenstoffs der in großen Mengen in arktischen und subarktischen Böden gebunden ist. Je nach Änderung von Temperatur und Niederschlag und damit des Energie- und Wasserhaushaltes der oberflächennahen Schicht, wird das Ökosystem des Bodens reagieren und vor allem der durch Mikroorganismen verursachte Kohlenstoffumsatz in unterschiedlicher Art und Weise beeinflusst. Dies kann sowohl zu positiven als auch zu negativen Rückkopplungseffekten in Bezug auf das Anwachsen der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan in der Atmosphäre führen. Es ist aber anzunehmen, dass bei einer Erhöhung der Auftautiefe die Kohlenstofffreisetzung zunimmt und wegen einer vermuteten Versumpfung vor 38 allem über anaerobe Prozesse in Form von Methan in die Atmosphäre abgegeben und damit zu einer weiteren Verstärkung des Treibhauseffektes beitragen wird (siehe auch Vortrag Sachs). Neben der oberflächennahen Methan und Kohlendioxidbildung durch die Aktivität von Mikroorganismen findet man freies Methan auch in tiefer liegenden gefrorenen Schichten des Permafrosts unterhalb der saisonalen Auftauschicht. Diese entstanden während früherer Wärmeschwankungen oder in der Frühphase der jetzigen Warmzeit unterhalb der alten Landoberfläche und wurden anschließend in eisreichen und organikführenden Permafrostabfolgen fixiert. Ein klimabedingtes Tauen des Permafrosts und eine Intensivierung der Erosion der eisreichen arktischen Küsten kann zu einer Freisetzung von bislang noch nicht abschätzbaren Treibhausgasmengen in die Atmosphäre führen [2] Koch et al., 2009, [3] Lantuit et al., 2009. Mit der Erforschung von Seen in Permafrostgebieten ist in den letzten Jahren eine weitere Methanquelle in den Blickpunkt der Wissenschaft getreten. Durch das positive Wärmepotential des Wassers in Seen bildet sich eine dauerhaft aufgetaute Zone unter den Wasserkörpern die bei einer Tiefe über 2 m auch im Winter nicht mehr zufriert. Dadurch werden zusätzliche Mengen von fossilem organischem Kohlenstoff für die mikrobielle Umsetzung zur Verfügung gestellt, der vorher über mehrere tausend oder zehntausend Jahre eingefroren war [4] Walter et al., 2007. In den Schelf- und Tieflandsgebieten Eurasiens und Nordamerikas treten im Permafrost selbst oder im Untergrund hohe Methankonzentrationen in Form von Gashydraten auf, deren Erschließung als Energiequelle der Zukunft ein zunehmendes Interesse gilt (Abb. 1). Vor allem in der Region der Beaufort See und des Mackenzie-Deltas aber auch in der Kara See wurden dazu in den letzten Jahren Erkundungsbohrungen abgeteuft. Diese permafrostgebundenen geogenen Gashydrate haben eine völlig andere Entstehungsgeschichte als die typischen marinen Hydratvorkommen, die in den Ozeanen in den Tiefseebecken Biogene Treibhausgase und Gashydrate aus dem Permafrost oder den Kontinentalhängen auftreten und sollten von diesen klar unterschieden werden. Es ist zu erwarten, dass die beobachtete Klimaerwärmung zu einer Destabilisierung der im Untergrund der Permafrostgebiete auftretenden Gashydrate führen wird. Dies kann zu einem derzeit nicht abschätzbaren zusätzlichen Methan-Eintrag in die Atmosphäre führen. In der Region der Laptev-See wurden bereits Methananomalien bestimmt wobei Methan aus dem tauenden submarinen Permafrost in die Wassersäule strömt [5] Shakova & Semiletov, 2007. Eine Bilanzierung der im und unter dem Permafrost vorhandenen Gashydrat-Mengen und eine Abschätzung der möglichen Treibhausgas-Freisetzung aus diesen Quellen ist derzeit kaum möglich. Dies gilt vor allem für die flachen Schelfmeere Sibiriens in denen bis mehrere hundert Kilometer von der heutigen Küste entfernt bis zu 400 m mächtiger submariner Permafrost auftritt der Anzeichen einer Degradation zeigt [6] Overduin et al. 2007. Vor allem in dieser Fragestellung sind intensive Untersuchungen in den nächsten Jahren dringend geboten. Literatur [1] Hubberten, H.-W. & Schirrmeister, L. (2004): Rolle des Permafrosts bei der Landschaftsbildung in der Arktis und Subarktis. – In: Lozan, J.L., et al., (Hrsg.), Warnsignale aus den Polarregionen, 48-53. [2] Koch, K., Knoblauch, C. & Wagner, D. (2009): Methanogenic community composition and anaerobic carbon turnover in submarine permafrost sediments of the Siberian Laptev Sea. – Environm. Microbiol. 11: 657-668. [3] Lantuit, H., Rachold, V., Pollard, W.H., Steenhuisen, F., Odegard, R. & Hubberten, H.-W. (2009): Towards a calculation of organic carbon release from erosion of Arctic coasts using non-fractal coastline datasets. – Mar. Geol. 257: 1-10. [4] Walter, K.M., Edmards, M., Grosse, G., Zimov, F.S. & Chapin, F.S. (2007): Thermokarst lakes as a source of atmospheric CH4 during the last dglaciation. – Science 318: 633-646. [5] Shakova, N. & Semiletov, I. (2007): Methane release and coastal environment in the East Siberian Arctic shelf. – J. Mar. Sci. 66: 227-243. [6] Overduin, P.P., Hubberten, H.-W., Rachold, V., Romanovskii, N.N., Grigoriev, M. & Kasymskaya, M. (2007): The evolution and degradation of coastal and offshore permafrost in the Laptev and East Siberian Seas during the last climatic cycle. – Geol. Soc. Amer. Spec. Pap. 426: 97-111. Abb. 1: Permafrostlandschaft mit den möglichen Methan-Produzenten 39 Klima im System Erde Ein Blick zurück – Veränderlichkeit der Treibhausgaskonzentrationen der letzten 800 000 Jahre Heinrich Miller Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Sekt. Glaziologie, [email protected] Die großen und kalten polaren Eisschilde sind nicht nur wesentliche Faktoren im globalen Klimageschehen, sie stellen auch ein herausragendes Archiv des Paläoklimas und der generellen Bedingungen der Paläoumwelt dar. Sie sind das einzige Archiv, in dem die Atmosphäre der Vergangenheit uns heute zugänglich ist. Dieses Archiv wird durch Bohrungen erschlossen und an den so gewonnenen Eisbohrkernen können mit Hilfe einer Reihe von analytischen Verfahren Proxies für die Umweltbedingungen der Vergangenheit bestimmt werden. Ebenso erlauben moderne Verfahren die Bestimmung des stabilen Kohlenstoffisotopenverhältnisses δ13C am Methan oder CO2. Hieraus kann dann abgeleitet werden in welcher Weise die Biosphäre regulierend in den Kohlenstoffkreislauf einwirkt. Diese Ergebnisse über die klimagekoppelten natürlichen Veränderlichkeiten der Treibhausgaskonzentrationen füh­ ren zu einem verbesserten Verständnis des Gesamtsystems und ermöglichen damit in Verbindung mit Modellrechnungen auch eine Bewertung der von uns Menschen verursachten Erhöhung der Treibhausgaskonzentration. Diese ist heute bereits so groß wie die größte in der Vergangenheit beobachtete Veränderung, nämlich die zwischen den Warm- und Kaltzeiten. Wird die im Eis eingeschlossene Luft extrahiert, dann kann daran unter anderem die Konzentration der Treibhausgase Methan und CO2 gemessen werden. Heute ist durch ein europäisches Eiskernbohrprojekt in der Antarktis dieses Archiv zurück bis 800 000 Jahre vor heute zugänglich geworden und damit die Veränderlichkeit der Konzentration der Treibhausgase. Diese ist in eindeutiger Weise mit der Temperatur korreliert und es zeigt sich, dass bis zum Beginn des industriellen Zeitalters die Konzentration von CO2 nie höher war als 280 ppm und die niedrigsten Werte um etwa 180 ppm gelegen waren. Es zeigt sich auch, dass die Veränderlichkeit der Methankonzentration rascheren Schwankungen unterliegt als die der CO2 -Konzentration und mit den Temperaturveränderungen der Nordhemisphäre verknüpft ist, während die CO2 -Konzentration mit den Temperaturen der Südhemisphäre variiert. 40 Abb. 1: Bohrcamp der EPICA Tiefbohrung an der Kohnen Station, Antarktis. Ein Blick zurück – Veränderlichkeit der Treibhausgaskonzentrationen der letzten 800 000 Jahre Abb. 2: Geschützt vor Stürmen werden die Bohrarbeiten in einem 6 m tiefen Schacht durchgeführt. Der 12 m lange Bohrturm ist gerade in horizontaler Lage. Abb. 3: Ein frisch erbohrter Eiskern. 41 Klima im System Erde Natürliche Methanemissionen aus ­sedimentären Ablagerungen über ­geologische Zeiträume Rolando di Primio & Horsfield, B. GeoForschungsZentrum GFZ, Sekt. 4.3 Organische Geochemie, [email protected] Der anthropogene Beitrag an Treibhausgasen ist ein zen­ trales Thema der gegenwärtigen Diskussion um den Klimawandel. Hierbei wird aber oft der natürliche oder geogene Beitrag vernachlässigt. Aus Forschungen der letzten 10 bis 20 Jahre ist bekannt, dass geogene Methanemissionen einen wichtigen Effekt auf das Weltklima haben können. Gashydrate spielen hierbei eine zentrale Rolle, vor allem in marinen Gebieten. Sie wirken als Speicher für große Mengen an natürlichem Erdgas (hauptsächlich Methan), und können, bei Veränderungen der Temperatur- oder Druckbedingungen, plötzlich diese gespeicherten Treib­ hausgase freigeben, mit drastischen Konsequenzen für das globale Klima. In terrestrischen Sedimentbecken kann natürlich entstandenes Methan direkt in die Atmosphäre gelangen. Hier spielen die Entstehungs- und Absenkungsgeschichte des Beckens über geologische Zeiträume eine zentrale Rolle. Wir können zeigen, dass gewaltige Methanmengen aus terrestrischen Sedimentbecken über begrenzte Zeiträume in die Atmosphäre gelangen. Der Effekt dieses Beitrages zum globalen Klima, und vor allem zur Klimaentwicklung der letzten 65 Millionen Jahre, muss durch die Untersuchung der weltweit mehr als 500 sedimentären Becken geklärt werden. Abb. 1: Ergebnisse aus der numerischen Simulation der geologischen Entwicklung des Western Canada Beckens. Heutige Schwerölakkumulationen entstanden durch die Entstehung und Ansammlung von Erdöl und Erdgas vor etwa 70 Millionen Jahren. Zeitgleich mit der Entstehung der Schweröllagestätten wurden riesige Mengen an Methan direkt an die Atmosphäre abgegeben. 42 Ozon-Klimakopplung: Ein wenig verstandener Beitrag zu Klimaänderungen in den Polargebieten Ozon-Klimakopplung: Ein wenig verstandener Beitrag zu Klimaänderungen in den Polargebieten Markus Rex & von der Gathen, P. Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Sekt. Atmosphärische Zirkulationen [email protected], [email protected] Der Abbau der stratosphärischen Ozonschicht in den Polarregionen gehört zu den stärksten vom Menschen verursachten Veränderungen im Erdsystem. In der Stratosphäre, der Luftschicht von etwa 15–45 km Höhe, wird der Strahlungshaushalt und damit auch die Temperaturverteilung von der Absorption solarer Strahlung in der Ozonschicht dominiert – durch die dabei entstehende Wärme nimmt die Temperatur dort um mehrere zehn Grad Celsius nach oben hin zu. In der Antarktis kommt es jedoch in jedem Frühjahr zu einem praktisch vollständigen Verlust der Ozonschicht und auch in der Arktis wird im Bereich des Ozonschichtmaximums in einigen Jahren mehr als die Hälfte des Ozons zerstört (z. B. Rex et al., 1997; 2006). Die daraus resultierende Umstellung des Strahlungshaushalts der Atmosphäre und das Fehlen der strahlungsbedingten Heizquelle kann besonders in den Polargebieten einen großen Einfluss auf das Klima haben. Die Wechselwirkungen zwischen Ozonschicht und Klimasystem sind jedoch derzeit noch unvollständig verstanden. In den derzeitigen IPCC-Klimamodellen sind die chemischen Prozesse, die die Ozonschicht zerstören, nicht enthalten und die Wechselwirkungen zwischen Ozonzerstörung und Klimaänderungen können daher nicht wiedergegeben werden. Einfluss von Klimaänderungen auf den polaren Ozonverlust Wir haben in den vergangenen Jahren Verfahren entwickelt, den anthropogenen Ozonverlust präzise zu bestimmen und von natürlicher Variabilität zu trennen (z. B. von der Gathen et al., 1995; Rex et al., 1998; 2002). Abbildung 1 zeigt die gemessenen Ozonverluste aufgetragen gegen V PSC – einen Parameter, der angibt, wie kalt ein Winter in der Stratosphäre ist. Der gezeigte Zusammenhang gibt demnach die Klimasensitivität des arktischen Ozonverlusts für die derzeitige FCKW-Belastung der Atmosphäre an: Es werden etwa 15 DU zusätzlicher Ozonverlust pro Grad Celsius Abkühlung der arktischen Stratosphäre auftreten (Rex et al., 2004; 2006). Abbildung 2 zeigt die langfristige Entwicklung von VPSC über die letzten 40 Jahre. Die Extremwerte haben über die gesamte Periode hinweg erheblich zugenommen: Diese Änderung der klimatischen Bedingungen in der arktischen Stratosphäre hat zu den erheblichen Ozonverlusten in der Arktis seit Mitte der 1990er Jahre beigetragen. (Rex et al., 2004; 2006). Einfluss des Ozonlochs auf das Klima der Antarktis Die große Ausnahmeregion in der globalen Erwärmung stellt der zentrale antarktische Kontinent dar, der sich leicht abgekühlt hat, jedoch bei gleichzeitig starker Erwärmung der antarktischen Halbinsel. Dieses Muster der Temperaturveränderungen ist das Ergebnis einer veränderten Luftmassenströmung im Bereich der Antarktis, nämlich der Verstärkung des sogenannten Southern Annular Modes (Thompson and Solomon, 2002). Zunehmend überzeugende Hinweise aus Modellstudien weisen darauf hin, dass diese Zirkulationsänderung vom Ozonloch verursacht wurde (Shindell et al., 2004; Marshall et al., 2006; Turner et al., 2009). Sollte sich diese Hypothese als richtig herausstellen, wäre durch die erwartete Erholung des Ozonlochs bis etwa 2070 mit einer Umkehr des Abkühlungstrends in der Antarktis zu rechnen und auch ein besonders ausgeprägter Erwärmungstrend dort ist im Bereich des Möglichen. Die derzeitige IPCC Klimamodelle beinhalten diesen Rückkopplungseffekt zwischen Ozonloch und Oberflächenklima nicht. 43 Klima im System Erde Literatur Marshall, G.J., et al.,(2006). The Impact of a Chang-ing Southern Hemisphere Annular Mode on Antarctic Peninsula Summer Temperatures. Journal of Climate 19: 5388–5404. Rex, M., et al., (1997). Prolonged stratospheric ozone loss in the 1995/96 Arctic winter, Nature, 389, 835–838. Rex, M., et al., (1998). In-situ measurements of stratospheric ozone depletion rates in the Arctic winter 1991/1992: A Lagrangian approach, Journal of Geophysical Research, 103/D5, 5843–5853. Rex, M., et al., (2002). Chemical depletion of Arctic ozone in winter 1999/2000, Journal of Geophysical Research, 107(D20), 8276, doi:10.1029/2001JD000533 Rex, M., et al., (2004). Arctic ozone loss and climate change, Geophysical research letters, 31, L04116, doi:10.1029/2003GL018844. Rex, M., et al., (2006). Arctic winter 2005: Implications for stratospheric ozone loss and climate change, Geophysical Research Letters, 33, L23808, doi:10.1029/2006GL026731. Shindell, D.T.; Schmidt, G.A. (2004). Southern Hemisphere climate response to ozone changes and greenhouse gas in­creases. Geophysical Research Letters 31: L18209, doi:10.1029/2004GL020724. Thompson, D.W.J.; Solomon, S. (2002). Interpretation of recent southern hemisphere climate change. Science 296: 895–899. Turner, J., et al., (2009). Non-annular atmospheric circulation change induced by stratospheric ozone depletion and its role in the recent increase of Antarctic sea ice extent. Geophysical Research Letters 36: L08502, doi:10.1029/2009GL037524. von der Gathen, P., et al., (1995). Observational evidence for chemical ozone depletion over the Arctic in winter 1991–92, Nature, 375, 131–134. Abb. 1: Zusammenhang zwischen polarem Ozonverlust und dem Bildungspotenzial Polarer Stratosphärischer Wolken: Ein Maß für die Klimasensitivität des polaren Ozonverlusts (Rex et al.,2006). Abb. 2: Indikator für die Änderung des winterlichen polaren stratosphärischen Klimas: Langfristige Entwicklung des PSC-Bildungspotentials über die letzten 40 Jahre (Rex et al., 2006). 44 MAMap – Ein neuer flugzeuggetragener Sensor zur flächenhaften Ermittlung von Methan- und CO2-Emissionen MAMap – Ein neuer flugzeuggetragener Sensor zur flächenhaften Ermittlung von Methan- und CO2-Emissionen Torsten Sachs 1 , Tretner, A.1, Gerilowski, K.2, Krings, T.2, Buchwitz, M.2, Bovensmann, H.2, Erzinger, J.1 & Burrows, J.2 Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Sekt. 4.2 Anorganische und Isotopengeochemie, [email protected] 2 Institut für Umweltphysik, Universität Bremen, Otto-Hahn-Allee 1, 28334 Bremen 1 Etwa 5–8 % der Landfläche der Erde sind von arktischer Tundra bedeckt, die als dominantes terrestrisches Ökosystem der Arktis durch ihre Interaktion mit der Atmosphäre und der Cryosphäre eine wichtige Rolle im globalen Klimasystem spielt. Gleichzeitig sind Tundra-Ökosysteme durch ihre Anpassung an die klimatischen Gegebenheiten und durch das Vorkommen von Dauerfrostboden (Permafrost) extrem sensibel. Durch die in der Arktis bereits stattfindende, relativ zum globalen Mittel stärkere Erwärmung, finden Veränderungen statt, die zur Zeit nicht zufriedenstellend verstanden und vor allem nicht gut quantifiziert werden können. Dieses liegt unter anderem in der sehr lückenhaften Datenlage und dem daraus direkt folgenden mangelnden Prozessverständnis begründet. Die Mengen des klimawirksamen Treibhausgases Methan und die Prozesse, die an deren Freisetzung aus Permafrostbeeinflussten Tundra-Ökosystemen beteiligt sind, stellen ein derzeit hochaktuelles Beispiel sowohl für die mangelhafte Datenlage als auch für unzureichendes Prozessverständnis dar. Bisherige Studien zur Methanfreisetzung aus arktischer Tundra wurden fast ausschließlich auf sehr kleinen räumlichen Skalen (bis ca. 1 m²) mittels geschlossener Kammersysteme durchgeführt. Die Ergebnisse wurden anschließend auf die regionale oder globale Skala extrapoliert. Dieses Vorgehen führte zu erheblichen Unsicherheiten in den globalen Abschätzungen, da der Gasaustausch zwischen terrestrischen Ökosystemen und der Atmosphäre sowohl zeitlich als auch räumlich hochgradig variabel ist. Dieses gilt nicht nur aber auch für Methan und vor allem in den Ökosystemen der hohen nördlichen Breiten, die durch extrem kleinskalige räumliche Heterogenität charakterisiert sind (Abb. 1). Sowohl für CO2 als auch für Methan gilt außerdem, dass zwar teilweise lange Datenreihen mit hoher zeitlicher Auflösung vorliegen (z. B. durch kontinuierliche Eddy Kovarianz Messungen), die räumliche Abdeckung aber nach wie vor unzureichend ist, insbesondere in schwer zugänglichen Gebieten wie den ausgedehnten russischen und nordamerikanischen Tundrenflächen. Neuere Ergebnisse aus sibirischer Tundra [1] zeigen beispielsweise, dass gemessene Emissionen auf der Ökosystemskala nicht nur leicht eine Größenordnung geringer sein können als die üblicherweise publizierten Emissionen aus Punktmessungen, sondern dass sich vor allem auch die dominierenden Steuerfaktoren je nach betrachteter Skala (und angewandter Messmethodik) unterscheiden können. So werden Methanemissionen auf der Ökosystemskala (Hektar bis Quadratkilometer) neben den bekannten bodenbürtigen Steuerfaktoren (z. B. Bodentemperatur) entscheidend durch die Eigenschaften der atmosphärischen Grenzschicht gesteuert. Vor allem die Stärke der atmosphärischen Turbulenz und die Luftdruckentwicklung spielen hier eine wichtige Rolle. Bisherige Standardmethoden schließen solche Einflussfaktoren designbedingt aus, so dass wichtige Transportprozesse nicht erkannt und bei Modellansätzen folglich nicht beachtet wurden. Das führt dazu, dass aktuelle Methanemissionsmodelle solche Daten, die auf größeren Skalen gewonnen wurden, nicht befriedigend reproduzieren können. Viele Unsicherheiten, die mit der mangelnden räumlichen Repräsentativität vorhandener Messungen in Methan emittierenden Gebieten verbundenen sind, sowie Unzulänglichkeiten aktueller Prozessmodelle aufgrund fehlenden Prozessverständnisses auf größeren räumlichen Skalen könnten durch den vom Deutschen GeoForschungsZentrum und dem Institut für Umweltphysik der Universität Bremen gemeinsam entwickelten, flugzeuggetragenen Sensor „Methane Airborne Mapper“ (MAMap) entscheidend reduziert werden. MAMap ist ein 2-Kanal Spektro- 45 Klima im System Erde meter, das in der Lage ist, gleichzeitig Methan, CO2 und O2 Konzentrationen in der Atmosphäre mittels Absorptionsspektrometrie zu detektieren. Dabei deckt MAMap die relevanten Bereiche des nahen und kurzwelligen Infrarotabsorptionsbereiches der untersuchten Gase (~760 nm für O2, ~1600 nm für CO2, ~1660 nm für CH4) mit einer spektralen Auflösung von 0.46 nm für O2 und 0.82 nm für CH4 und CO2 ab. Die Bodenpixelgröße variiert mit Flughöhe und Geschwindigkeit und beträgt bei 1 000 m Höhe und 200 km/h Geschwindigkeit ca. 35 × 25 m. Gegenwärtig wird über Land bei niedriger Albedo eine Präzision von 1 % der atmosphärischen Hintergrundkonzentration erreicht. anthropogenen, geogenen oder biogenen Quellen wie Deponien, Schlammvulkane oder destabilisierte Gashydrate an Kontinentalhängen, oder auf den sibirischen Schelfgebieten, geben (siehe Vortrag Hubberten). In multiskaligen Messdesigns wie beispielsweise in den derzeit entstehenden TERENO Observatorien mit boden- oder turmbasierten Messungen, sowie flugzeug- und satellitengetragenen Sensoren können Prozesse auf verschiedenen relevanten räumlichen und zeitlichen Skalen untersucht werden. Hier kann MAMap als Bindeglied zwischen boden- und satellitengestützten Untersuchungen zu einem besseren mesoskaligen (~1 – 100 km²) Prozessverständnis beitragen (Abb. 1). MAMap kann nicht nur Informationen über räumlich ausgedehnte, unzugängliche Ökosysteme liefern und somit Unsicherheiten in regionalen und globalen Abschätzungen gegenwärtiger „diffuser“ Methanquellen reduzieren, sondern auch neue Einblicke in auf kleiner Fläche sehr stark emittierende aber räumlich unregelmäßig verteilten Literatur [1] Sachs, T., Wille, C., Boike, J. & Kutzbach, L. (2008): Environmental controls on ecosystem-scale CH4 emission from polygonal tundra in the Lena River Delta, Siberia – J. Geophys. Res., 113, G00A03, doi:10.1029/2007JG000505. Abb. 1: Starke räumliche Heterogenität wie im sibirischen Lenadelta (Bildmitte), erfordert Messungen auf mehreren relevanten Skalen (links) unter Zuhilfenahme verschiedener Methoden (rechts). Dargestellt sind von unten nach oben Messungen mittels geschlossener Kammersysteme (Punktmessungen), mikrometerologische Eddy Kovarianz Messungen (Hektar bis Quadratkilometer), flugzeugbasierte Fernerkundung (z. B. MAMap) und satellitengestützte Fernerkundung für globale Messungen. 46 Wechselwirkungen zwischen natürlichen Gashydraten und globaler Erwärmung – ein Teufelskreis? Wechselwirkungen zwischen natürlichen Gashydraten und globaler Erwärmung – ein Teufelskreis? ben. Da Methan ein starkes Treibhausgas ist, würde dies zu einer Verschärfung der globalen Erwärmung führen. Literatur Judith M. Schicks & Erzinger, J. Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Sektion 4.2 Anorganische und Isotopengeochemie, [email protected] Mit dem Begriff Gashydrate werden allgemein eisähnliche Verbindungen bezeichnet, die zur Gruppe der Clathrate, also den so genannten Einschlussverbindungen gehören. Bei den Gashydraten bilden Wassermoleküle über Wasserstoffbrückenbindungen Käfigstrukturen aus, die zu einem dreidimensionalen Netzwerk zusammengefügt werden (Abbildung 1). Diese Käfigstrukturen werden durch eingeschlossene Gastmoleküle stabilisiert. Als Gastmoleküle kommen vorwiegend unpolare Verbindungen, wie z. B. leichtere Kohlenwasserstoffe in Frage [1]. Natürliche Gashydrate enthalten überwiegend Methan, sie können daneben aber auch höhere Kohlenwasserstoffe oder andere Gase, wie z. B. CO2 oder H2S enthalten [2]. In diesem Fall spricht man von Mischhydraten. Gashydrate bilden sich bei erhöhten Drücken und niedrigen Temperaturen, daher kommen sie in der Natur vorwiegend in Permafrostbereichen oder submarin an Kontinentalhängen vor. Die weltweiten Vorkommen lassen vermuten, dass der in Gashydraten gebundene Anteil an Kohlenstoff etwa 10 000 Gigatonnen beträgt und somit doppelt soviel wie in den fossilen Brennstoffträgern Erdgas, Kohle und Erdöl zusammen (Abbildung 2). Die Stabilität der Gashydrate ist jedoch von deren Zusammensetzung abhängig. Dies bedeutet, dass auch der Einfluss einer möglichen globalen Erwärmung auf die natürlichen Hydratvorkommen von deren Zusammensetzung abhängt: reines Methanhydrat zersetzt sich bei Temperaturerhöhung und gleichbleibendem Druck sehr viel eher als Mischhydrate, wenn diese neben Methan auch höhere Kohlenwasserstoffe enthalten (Abbildung 3). Eine globale Erwärmung könnte dennoch die Zersetzung einiger natürlicher Gashydratvorkommen und somit eine Freisetzung von Methan in die Atmosphäre zur Folge ha- [1] Sloan, E.D. (1998): Clathrate Hydrates of Natural Gases, Marcel Dekker, Inc. [2] Lu, H., Seo, H.Y., Lee J., Moudrakowski, I., Ripmeester J.A., Chapman N.R., Coffin R.B., Gardner G., Pohlman J. (2007) Nature 445,303-306. [3] Kvenvolden K.A., Grantz A. (1990) in: The Arctic Ocean Region. The Geology of North America, (Hrsg. A. Grantz, L. Johnson, J.F. Sweeney) Geological Society of America, Boulder, Colorado, 539549. Abb. 1: links: Natürliche Gashydratprobe, die im Rahmen der IODP Expedition 311 eingeholt werden konnte. Die Hydrate liegen als weiße Klümpchen im Sediment vor. Rechts: Molekularer Aufbau der Gashydrate. Die Wassermoleküle (rot) sind über Wasserstoffbrückenbindungen vernetzt. Die resultierenden Käfigstrukturen werden durch eingeschlossene Gasmoleküle stabilisiert. 47 Klima im System Erde Abb. 2: Angenommene globale Verteilung des Kohlenstoffs basierend auf Kalkulationen von Kvenvolden et al. [3]. In dieser Darstellung wurden feinverteilte Kohlenstoffresourcen, wie z. B. Kerogen nicht einbezogen. Abb. 3: Stabilitätsbereiche von reinem Methanhydrat und verschiedener gemischter Gashydrate. Es ist die Zusammensetzung des Gasgemisches angegeben, welches zur Synthese der Hydrate eingesetzt wurde. Die Stabilitätsgrenzen der gemischten Hydrate liegen im Vergleich zu dem reinen Methanhydrat deutlich zu höheren Temperaturen und niedrigeren Drücken verschoben. Übertragen auf natürliche Bedingungen kann das Bedeuten, dass die stabileren gemischten Hydrate weniger anfällig auf eine globale Erwärmung reagieren und in anderen Regionen zu erwarten sind als reine Methanhydrate. 48 Die Rolle des Ozeans im globalen Kohlenstoffkreislauf Die Rolle des Ozeans im globalen Kohlenstoffkreislauf Dieter Wolf-Gladrow Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Marine Biogeosciences, [email protected] Der Ozean ist der größte aktive Kohlenstoffspeicher im modernen globalen Kohlenstoffkreislauf (Abb. 1). Er enthält rund 38 000 Gt C (Gigatonnen Kohlenstoff, 1 Gigatonne = 1 Milliarde Tonnen = 1 000 000 000 Tonnen) und damit rund 50mal soviel Kohlenstoff wie die Atmosphäre (rund 800 Gt C, überwiegend in Form von Kohlendioxid, CO2). Die Landvegetation einschließlich Böden, Mooren etc. besitzt mit etwa 2 300 Gt C weniger als ein Zehntel der Kohlenstoffmenge, die im Ozean vorhanden ist. Zwischen den genannten Kohlenstoffspeichern gibt es einen ständigen Austausch von großen Mengen (Größenordnung 100 Gt C pro Jahr) Kohlenstoff hauptsächlich in Form von CO2. In den ersten 800 Jahren des letzten Jahrtausends befand sich der globale Kohlenstoffkreislauf nahezu in einem Fließgleichgewicht, d. h. die Kohlenstoffflüsse in und aus den großen Speichern waren balanciert. Dementsprechend lag die atmosphärische CO2 Konzentration bei einem konstanten Wert von 280 Millionstel Volumeneinheiten (ppmv = parts per million per volume). Durch die Verbrennung fossiler Energieträger (Kohle, Öl, Gas) und durch die veränderte Landnutzung wurden seit Beginn der industriellen Revolution (nach 1750) große Mengen CO2 (mehr als 300 Gt C) in die Atmosphäre abgegeben. Dies hat zu einem deutlichen Anstieg der atmosphärischen CO2 Konzentration (heute 380 ppm) geführt. Ein großer Teil des emittierten CO2 ist allerdings vom Ozean aufgenommen worden. Dies hat bereits zu einer messbaren Versauerung des Oberflächenozeans geführt. Um die zukünftige CO2-Aufnahmemenge des Ozeans vorhersagen zu können, müssen eine Vielzahl von physikalischen, chemischen und biologischen Prozessen im Ozean verstanden sein. Im Vortrag werden die wichtigsten Prozesse vorgestellt, insbesondere die so genannten Kohlenstoffpumpen, und ein Ausblick in die nächsten Jahrzehnte gewagt. Abb. 1: Der moderne globale Kohlenstoffkreislauf für 1990er Jahre (IPCC Report, 2007, Fig. 7.3, p. 515) zeigt die Größen der Kohlenstoffspeicher (in Einheiten von Gigatonnen Kohlenstoff = Gt C; die schwarzen Werte beziehen sich auf die vorindustrielle Zeit zwischen den Jahren 1000 und 1750; die roten Werte sind die Veränderungen in den letzten 250 Jahren) und die jährlichen Kohlenstoffflüsse (in Einheiten von Gigatonnen Kohlenstoff pro Jahr) zwischen den Speichern (schwarze Zahlen = vorindustriell, rote Zahlen = Veränderungen gegenüber vorindustriellen Werten). 1 ppmv atmosphärisches CO2 entspricht 2.12 Gigatonnen Kohlenstoff. 49 Klima im System Erde Der Wald der Zukunft Wolfgang Brüggemann 1 , Russell, D.2 & Dorow, W.2 ein Aufwuchsversuch gestartet, bei dem Jungbäume der genannten Arten mit solchen Arten verglichen werden, die üblicherweise in Südhessen angebaut werden. Goethe-Universität Frankfurt, Inst. f. Ökologie, Evolution und Diversität, [email protected] 2 Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung Görlitz (DR) und Frankfurt (WD), [email protected], [email protected] 1 Im Zuge der für Mitteleuropa prognostizierten Klimaänderungen wird sich in den kommenden Jahrhunderten auch die Waldzusammensetzung in Zentraleuropa verändern, insbesondere auf Standorten, die bereits jetzt als trocken angesprochen werden. Wärmere, trockenere Sommer werden den Wassermangel für Bäume auf diesen Standorten verschärfen, mildere Winter werden die auf den Bäumen lebende Insektenwelt beeinflussen und ggf. zu erhöhtem Schädlingsbefall führen. Im BiKF-Projekt „Wald der Zukunft“ werden mediterrane Eichenarten daraufhin untersucht, ob sie als potentielle Waldbäume für Trockenstandorte in Mitteleuropa infrage kommen. Dabei werden vier wissenschaftliche Ansätze an drei verschiedenen Standorten verfolgt: Physiologisch untersuchen wir die winterund die sommerliche Trockenresistenz der Bäume und bodenbiologisch studieren wir ihre Auswirkungen auf die ökologische Funktionalität im Boden im Hinblick auf den Streuabbau. Entomologisch untersuchen wir ihre Besiedlung durch mitteleuropäische Fauna bei der Einbringung in Bestände, die aufgrund des Baumartenspektrums des Standortes bereits über die entsprechende Fauna von Eichen bewohnenden Arten verfügen. Damit werden neben den physiologischen auch die ökologischen Eigenschaften der Arten Quercus pubescens, Q. frainetto und Q. ilex in der Rhein-Main-Ebene auf besonders trockenen Standorten analysiert. Wir haben derzeit eine experimentelle Probefläche mit definierter Bewässerung und Trockenstress an der Goethe-Universität sowie eine Felduntersuchungsfläche auf einem sandigen Dünenstandort bei Rüsselsheim etabliert. 2010 wird von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (Göttingen, Versuchsleitung: Dr. H. Rumpf) in Kooperation mit uns an einem ebenfalls sehr trockenen Versuchsstandort in Lampertheim (Südhessen) 50 Abb. 1: Physiologische Photosynthese- und Chlorophyllfluoreszenzmessung an trockengestressten mediterranen Eichen in der Versuchsanlage an der Goethe-Universität Frankfurt Mikroskopisch klein aber mit großer Bedeutung – Mikrofossilien als Anzeiger vergangenen Klimas Mikroskopisch klein aber mit großer Bedeutung – Mikrofossilien als Anzeiger vergangenen Klimas Beispiele kieseliger und kalkiger Mikroorganismen, Maßstäbe in µm (1 µm = 0.001 mm) Rainer Gersonde Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Sekt. Marine-Geologie und Paläontologie Grundlage der biologischen Produktion und der Nahrungsketten im Ozean sind mikroskopisch kleine Organismen, die in gewaltigem Umfang in im durchlichteten Oberflächenwasser der Weltmeere wachsen. Es handelt sich um Algen die mit Hilfe des Sonnenlichtes organisches Material synthetisieren (Photosysnthese) wobei Kohlenwasserstoff gebunden wird. Einige Algengruppen bauen artspezifische Skelette oder Gehäuse aus Kalk oder Glas, die nach Absterben der Organismen am Meeresboden abgelagert werden können. Zusammen mit mikroskopisch kleinem Zooplankton, das ebenfalls solche Hartteile ausbildet, können sie wesentliche Komponente der am Meeresboden abgelagerten Sedimente darstellen. Die Mikrofossilablagerungen sind die „Goldgrube“ für Geowissenschaftler, die aus Ablagerungen des Ozeans vergangene Klimazustände rekonstruieren, um damit nicht nur die Klimaentwicklung auf unserem Planeten zu dokumentieren sondern auch klimawirksame Prozesse über eine große Spannweite von unterschiedlichen Klimazuständen hinweg zu studieren. Hintergrund ist, dass sich aus der Zusammensetzung der überlieferten Arten Daten zu Wassertemperatur, Salzgehalt, Meereisbedeckung und Produktionsregimen ableiten lassen. Darüber hinaus können aus der geochemischen Zusammensetzung (u. a. Isotopengeochemie) der kalkigen und kieseligen Hartteile Informationen zu Änderungen des kontinentalen Eisvolumens, des Meeresspiegels, der Wassermassenentstehung und Zirkulation sowie zu Wassertemperatur und Nährstoffnutzung abgeleitet werden. Im Vortrag werden Beispiele von Klimarekonstruktionen mit Mikrofossilien aus dem Südozean vorgestellt und mit Daten aus anderen Klimaarchiven (Eiskerndaten) verglichen. Abb. 1: Diatomee (Kieselalge), (Foto Macknapp) Abb. 2: Radiolarie (kieseliges Mikrozooplankton), (Foto Macknapp) 51 Klima im System Erde Abb. 3: Foraminifere (kalkiges Mikrozooplankton), (Foto ­Tiedemann) Abb. 4: Coccolithophoriden (Kalkalgen), (Foto Baumann) 52 The Role of Culture in Early Expansions of Humans The Role of Culture in Early Expansions of Humans - Eine Forschungsstelle der Heidelberger Akademie der Wissenschaften am Senckenberg Forschungsinstitut undEarly Naturmuseum Frankfurt amWandels Main und der Eberhard Karlsvon Universität Tübingen The Role of Culture in Expansions deran Umweltbedingungen frühen zu späteren of Humans – Eine Forschungsstelle der Heidelberger Akademie der Wissenschaften am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt am Main und an der Eberhard Karls Universität Tübingen Expansionen abnimmt, während die Bedeutung von kulturellen und technologischen Neuerungen zunimmt. Weitere Informationen sind im Internet abrufbar unter www.roceeh.net. Miriam N. Haidle 1, Michael Bolus 2, Angela A. Bruch 1 , Christine Hertler 1, Zara Kanaeva 2, Andrew W. Kandel 2, Michael Märker 2 Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt am Main 2 Eberhard Karls Universität Tübingen 1 Von Afrika ausgehend breitete sich die menschliche Gattung in den letzten 2 Millionen Jahren in verschiedenen Wellen nach Asien und Europa aus. Während der Lebensraum der Australopithecinen und frühen Menschenformen wie bei anderen Tieren durch natürliche Bedingungen beschränkt war, erlaubten kulturelle Errungenschaften im Laufe der Menschwerdung neue Anpassungswege an die Umwelt. Erst der moderne Mensch war schließlich in der Lage, bis dahin unberührte Gebiete wie Australien, die Subpolarregion und Amerika zu besiedeln. Die Forschungsstelle der Heidelberger Akademie der Wissenschaften hat zum Ziel, die raumzeitlichen Wanderungsmuster von Homininen in Afrika, Asien und Europa zwischen 3 Millionen und 20 000 Jahren vor heute zu rekonstruieren und die natürlichen und kulturellen Bedingungen der verschiedenen Ausbreitungen zu beleuchten. Grundlage dafür soll eine Datenbank bilden, die vegetations-geschichtliche und paläontologische Informationen zur Habitatmodellierung integriert und mit archäologischen und paläoanthropologischen Daten verknüpft. Die Ergebnisse sollen Eingang finden in einen digitalen Atlas der Mensch-Umwelt-Entwicklung auf der Basis Geographischer Informationssysteme (GIS). Als Arbeitshypothese dient die Annahme, dass der ursächliche Einfluss des 53 Klima im System Erde Klimawandel und Evolution des Menschen Christine Hertler 1,2,3 , Bruch, A.A.1, 2, Schrenk, F.1, 3 & Mosbrugger, V.1, 4 Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum, [email protected], [email protected] [email protected] [email protected] 2 Heidelberger Akademie der Wissenschaften 3 Goethe Universität Frankfurt 4 Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Frankfurt 1 Der anthropogene Klimawandel ist nur der jüngste Ausdruck einer sehr langen Geschichte der Klima-MenschWechselwirkung, die tatsächlich die gesamte Entwicklungsgeschichte des Menschen geprägt hat. Schon die Trennung der Hominiden-Linie von der Linie der Menschenaffen vor 6 bis 8 Millionen Jahren hing mit einer allgemeinen Klimaveränderung im Obermiozän zusammen. Damals kam es in Afrika infolge einer fortschreitenden globalen Abkühlung und Aridisierung zur Entstehung von Offenlandschaften (Savannen), die erst die Entwicklung des aufrechten Ganges ermöglichte. Die Entwicklung von Werkzeugen und damit die „Erfindung“ der kulturellen Evolution hängen ebenfalls mit Klimaveränderungen vor 3-2 Millionen Jahren zusammen und machen den Menschen mehr und mehr von Klima und Natur unabhängig. Ob die verschiedenen „Out-of-Africa-Ausbreitungen“ des frühen Menschen ab 2 Millionen Jahre vor allem durch evolutionäre Veränderungen, Klima- und Umweltwandel oder durch kulturelle Neuentwicklungen möglich wurden, ist noch Gegenstand aktueller Forschungen, doch ist klar, dass Klimawandel dabei eine wichtige Rolle spielte. Mit der neolithischen Revolution greift der Mensch dann umgekehrt zunehmend aktiv in das Klimasystem ein, was schließlich zur aktuellen Problematik des anthropogenen Klimawandels führt. Eine historische Betrachtung dieser komplexen Mensch-Klima-Wechselwirkung führt zu einem realistischeren, evolutionären Selbstverständnis des Menschen, aber auch zu einer differenzierten Sicht des anthropogenen Klimawandels. 54 Abb. 1: Der globale Abkühlungstrend im mittleren Miozän führte zu verringerten Niederschlägen. Mit der zunehmenden Trockenheit breiteten sich Grassavannen aus. (Abbildungsnachweis: Prof. Dr. Friedemann Schrenk) Fernerkundungsdaten als Parameterlieferanten in regionalen Klimamodellen Fernerkundungsdaten als Parameterlieferanten in regionalen Klimamodellen Sibylle Itzerott, Kaufmann, H. & Chabrillat, S. Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Sekt. 1.4 Fernerkundung, [email protected] Die Methode der Fernerkundung bezeichnet Verfahren, mit denen ausschließlich durch die Aufzeichnung und Auswertung elektro-magnetischer Wellen quantitative Daten über Objekte aus einer gewissen Entfernung („berührungsfrei“) gewonnen werden können. Mit ihr lassen sich seit etwa 40 Jahren durch boden-, flugzeug- und satellitengestützte Beobachtung rezente Prozesse der Landschaftsentwicklung an der Erdoberfläche abbilden. So erhält man durch die Fernerkundung wiederholte flächenhafte Oberflächenabbildung von Landschaftsausschnitten, um daraus durch Zustandsvergleiche in den einzelnen Aufnahmen auf Prozessabläufe zu schließen und Prozessbeschreibungen abzuleiten. Allerdings ist auch bei ständiger Weiterentwicklung der Technik und damit steigender Datengüte kein Aufzeichnungssystem in der Lage, alle Anforderungen nach möglichst großer räumlicher und zeitlicher Auflösung sowie hoher Bildkanalanzahl zu erfüllen. Die Detailliertheit der Prozessbeschreibung ist abhängig von der Auflösung der Daten in: › räumlicher Dimension – Größe des einzelnen aufgezeichneten Bildpunktes (60 cm bis 1 km) › zeitlicher Dimension – Wiederkehrrate des Aufnahmesystems (täglich bis monatlich) › spektraler Dimension – Anzahl der Bildkanäle, Wellenlängenbereich (Radar, optische Daten, multi- bis hyperspektral). Bei der Informationsgewinnung über die Eigenschaften von Boden, Vegetation, Hydrologie und Topographie spielt die Fernerkundung eine wichtige Rolle. Mit ihr lassen sich diese Daten wesentlich effektiver ermitteln als mit Bodenmesskampagnen. Folgende wesentliche Parameter sind als variable (Vegetation, Bodenfeuchte) oder invariable (Bodenart) Modelleingangsgrößen mit Fernerkundungsdaten erfassbar: › die Landnutzung als dynamisches Muster der Verteilung von vegetationsbedeckten und nicht vegetationsbedeckten Flächen und die Untersetzung mit Kennwerten zum Strahlungs- und Wasserumsatz in der Vegetation (Albedo, Biomasse, Infiltration, Verdunstung) › Beschaffenheit des Untergrundes (Geologie/Boden) sowie die Untersetzung mit Kennwerten z. B. zu Infiltrationsraten, Speichervermögen › Reliefverhältnisse als wesentlicher Faktor für Wasserund Stofftransport im Raum › Dynamisches Muster der Wasserverteilung im Gebiet (Oberflächenwasserkörper, Bodenfeuchte). Die wiederholte Erfassung der Parameter macht es gleichzeitig möglich, das Ablaufen von Geoprozessen im Untersuchungsgebiet zu überwachen, die zur Veränderung der Landschaftsausstattung/ des „Klimaverhaltens“ führen (Degradation, Nutzungsstrukturwandel). Regionale Klimamodelle beschreiben die Landschaft und die darin ablaufenden wetterbestimmenden Prozesse als einzelne Raster der Landschaftskompartimente (Abb. 1), die untereinander in Verbindung stehen und so die Modellierung des durch die Sonnenstrahlung angeregten Austausches von Wasser, Luft und gelösten oder festen Partikeln in horizontaler und vertikaler Ebene ermöglichen. 55 Klima im System Erde Abb. 1: Widerspiegelung der Landschaftscharakteristik in regionalen Klimamodellen als Grundlage zur Parametergewinnung aus Fernerkundungsdaten 56 Klimafolgen für die marine Biodiversität – Eine wissenschaftliche Grundlage Klimafolgen für die marine Biodiversität – Eine wissenschaftliche Grundlage Rainer Knust, Bock, Ch., Lannig, G., Lucassen, M., Mark, F.C., Sartoris, F.J., Storch, D. & Pörtner, H.O. Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Sekt. Integrative Ökophysiologie, [email protected] Regelmäßige Untersuchungen auf See und die Auswertung von Langzeitdatenreihen zeigen bereits heute signifikante Veränderungen der marinen Umwelt in den letzten Dekaden. Dabei sind die Veränderungen der Eisdynamik und des Temperaturregimes in den hohen Breiten der Arktis und Antarktis die Kräfte, die die Veränderungen in der polaren marinen Biologie treiben (siehe Poster B. Meyer et al.). Für die gemäßigten Breiten der Nord- und Ostsee, sowie des Nordatlantiks liegen eine Reihe von Langzeitreihen vor, deren Auswertung deutliche Veränderungen der marinen Umwelt aufzeigen. So stieg z. B. die mittlere Wassertemperatur vor Helgoland um 1.13° in den letzten vierzig Jahren, verbunden mit signifikanten Veränderungen auf unterschiedlichen Systemebenen vom Phytoplankton als Primärproduzenten bis hin zu den Fischen [1][2]. Prominenteste Beispiele hierfür sind der Rückgang des Kabeljaus [3] und anderer genutzter Fischarten [4] und die Einwanderung und Etablierung von Arten, die bisher in der Nordsee wenn überhaupt nur sehr sporadisch auftraten [5]. Eine Verbindung dieser Veränderungen in der marinen Biodiversität mit Veränderungen im Klimaregime der betroffenen Seegebiete liegt nahe und kann auch in vielen Fällen als statischer Zusammenhang zwischen z. B. Erhöhung der Wassertemperaturen und Veränderungen in der Artenzusammensetzung dargestellt werden. Für belastbare Zukunftsprognosen über mögliche Veränderungen im Zusammenhang mit Klimaveränderungen genügen diese statistischen Analysen aber nicht. Hierzu bedarf es eines tieferen Verständnisses der mechanistischen Zusammenhänge zwischen dem Klimaregime einerseits und der Reaktion von Schlüssel- oder Indikatorarten auf diese Veränderungen andererseits. Mit Ausnahme der warmblütigen Tiere wie Robben und Wale sind nahezu alle Tiere des Meeres wechselwarm. Das heißt ihre Körpertemperatur entspricht der Wassertemperatur. Die Temperatur ist ein wesentlicher Faktor, der alle lebenswichtigen Stoffwechselprozesse im Körper beeinflusst. Aufgrund dessen haben sich die Organismen im Laufe der Evolution auf das Temperaturregime ihres jeweiligen Lebensraums angepasst. Dies gilt sowohl für Tiere, die unter sehr konstanten aber sehr kalten Temperaturen der Polargebiete leben, als auch für Tiere der gemäßigten Breiten, die an relativ hohe jahreszeitliche Veränderungen in der Wassertemperatur angepasst sind. So leben z. B. die Eisfische der Hochantarktis bei einer mehr oder weniger konstanten Temperatur von -1.8 °C. Durch diese spezielle Anpassung an die Kälte sind die Tiere aber nicht in der Lage bei höheren Temperaturen zu überleben. Verallgemeinert lässt sich sagen, dass Organismen in einem bestimmten Temperaturfenster leben können und dass innerhalb dieses Fensters ein Bereich identifiziert werden kann, in dem alle biologischen Prozesse innerhalb des Organismus optimal funktionieren (Abb. 1). Kommt es nun aufgrund von klimatischen Veränderungen zu einer Veränderung der Wassertemperatur, so kommt es je nach Breite des Temperaturfensters und Anpassungsfähigkeit der Organismen zu einem Ungleichgewicht zwischen Temperaturanspruch der Organismen und dem Temperaturregime im Lebensraum mit entsprechenden Konsequenzen für Wachstum, Fortpflanzung und damit verbundenen Abwanderungen oder dem Aussterben der Arten. Die Verbindung von ökologischen Felduntersuchungen mit experimentellen Arbeiten im Labor zur Physiologie von ausgewählten Schlüsselarten ist eine wichtige Grundlage für die Modellierung von Zukunftsszenarien über die Veränderung von Biodiversität vor dem Hintergrund zukünftiger klimatischer Entwicklungen [6][7] (Abb. 3). Literatur [1] Wirtz, K., Wiltshire, K. H. (2005). Long-term shifts in marine ecosystem functioning detected by inverse modeling of the Helgoland Roads time-series, Journal of Marine Systems,56,262–282. [2] Wiltshire, K. H., Manly, B. F. J. (2004). The warming trend at Helgoland Roads, North Sea: phytoplankton response, Helgoland marine research, 58(4), 269–273. 57 Klima im System Erde [3] Pörtner, H.-O., Bock, C., Knust, R., Lannig, G., Lucassen, M., Mark, F.C., Sartoris, F.J. (2008): Cod and climate in a latitudinal cline: physiological analyses of climate effects in marine fishes, Climate Reseach, 37, 253–270. [4] Allison L.P., Paula J.L., Jim R.E., John D.R. (2005): Climate Change and Distribution Shifts in Marine Fishes. Science Vol. 308, 1912–1915. [5] Ehrich, S., C. Stransky, (2001): Spatial and temporal changes in the southern species component of North Sea bottom fish assemblages. In: I. Kröncke, M. Türkay, J. Sündermann (Hrsg.): Burning issues of North Sea ecology. Senckenbergiana maritima. Proceedings of the 14th international Senckenberg Conference North Sea 2000, pp. 143–150. [6] Pörtner, H.O., Berdal, B., Blust, R., Brix, O., Colosimo, A., DeWachter, B., Giuliani, A., Johansen, T., Fischer, T., Knust,R., Naevdal, G., Nedenes, A., Nyhammer, G., Sartoris,F.J., Serendero, I., Sirabella, P., Thorkildsen, S., Zakhartsev,M., (2001). Climate induced temperature effects on growth performance, fecundity and recruitment in marine fish: developing a hypothesis for cause and effect relationships in Atlantic cod (Gadus morhua) and common eelpout (Zoarces viviparus). Continental Shelf Research 21, 1975–1997. [7] Pörtner, H.O., Knust, R. (2007): Climate Change Affects Marine Fishes through the Oxygen Limitation of Thermal Tolerance. Science Vol. 315, 95–97. Abb. 1: Das Temperatur-Fenster von Tieren. Organismen können nur in einem bestimmten Temperaturfenster leben Im Bereich des Temperatur-Optimums sind alle Lebensäußerungen (Performanz), wie z. B. Wachstum, Fruchtbarkeit, Mobilität etc. im Optimum. Mit zunehmender, bzw. abnehmender Temperatur nimmt die Leistungsfähigkeit des Organismus ab (Pejus-Bereich). Nach dem Erreichen der kritischen Temperaturen, ist ein Überleben der Organismen nur zeitlich befristet möglich, Wachstum und Fortpflanzung findet nicht mehr statt. Ein maßgeblicher Steuerungsparameter dabei ist die Versorgung des Organismus mit Sauerstoff. Wie breit das Temperaturfenster ist und wo das Optimum liegt, wird durch die Anpassung der Organismen an das Temperaturregime im Lebensraum bestimmt. Organismen in den Polargebieten sind an sehr kalten Temperaturen angepasst, ihr Temperaturfenster ist sehr eng, entsprechend sensible reagieren sie auf Temperaturveränderungen. Verändert nach [3]. 58 Abb. 2: Mechanistischer Zusammenhang zwischen Veränderungen der Besiedlungsdichte (Abundanz) der Aalmutter (Zoarces viviparus) und der Wassertemperatur. Langzeituntersuchungen im Feld zeigen einen statistischen Zusammenhang zwischen der Abnahme der Besiedlungsdichte und hohen Sommertemperaturen. Dieser zunächst statistische Zusammenhang wird durch Untersuchungen der Stoffwechselprozesse im Labor erklärbar: Die Art lebt bei ca. 14 °C in ihrem thermischen Optimum. Bei dieser Temperatur wächst das Tier optimal, der Blutfluss versorgt den Organismus bei dieser Temperatur optimal mit Sauerstoff. Bei steigender Temperatur nimmt der Sauerstoffbedarf aufgrund erhöhten Stoffwechsels zu, bei Überschreiten einer kritischen Temperatur kann der Organismus nicht mehr optimal mit Sauerstoff versorgt werden, ein längeres Überleben jenseits der kritischen Temperatur (20 °C) ist nicht möglich. Die hohen Sterberaten und damit das Absinken der Besiedlungsdichte bei hohen Sommertemperaturen ist damit durch das physiologische Leistungsvermögen dieser Art abzuleiten [7]. Abb. 3: Mit Hilfe moderner Labormesstechniken können Stoffwechselprozesse an lebenden Meerestieren ermittelt werden. Hier ein Kabeljau in einem Schwimmkanalversuch. Mit Hilfe eines Kernspintomographen werden Stoffwechselprozessen während des Schwimmens bei unterschiedlichen Wassertemperaturen gemessen. Diese Messungen sind Grundlage für die Ermittlung der Temperaturtoleranz von Meeresorganismen aus unterschiedlichen klimatischen Regionen. (Foto: Wittig AWI) Der antarktische Krill – Ein Schlüssel­organismus im Klimawandel Der antarktische Krill – Ein Schlüssel­ organismus im Klimawandel Bettina Meyer 1, Teschke, Mathias 2 & Bathmann, U.1 Alfred-Wegener Institut, Polare Biologische Ozeanographie, [email protected]; [email protected] 2 Charité Universitätsmedizin Berlin, Institut für Med. Immunologie, Abt. Chronobiologie, [email protected] 1 Der antarktische Krill, Euphausia superba, nimmt im marinen Nahrungsnetz des Südozeans eine zentrale Rolle ein, da er die Nahrungsgrundlage zahlreicher Tiere darstellt (Abb. 1). Auf der Grundlage einer Biomasse von ca. 100 bis 500 Millionen Tonnen hat sich in den letzten 40 Jahren eine kommerzielle Krillfischerei etabliert. So hat z. B. die Fischmehlindustrie, deren herkömmliche Fischressourcen weitestgehend erschöpft sind, den Krill als neue Futtermittelquelle für die Aquakultur erschlossen. Aufgrund einiger interessanter Inhaltsstoffe des Krill, hat auch die Gesundheitsindustrie den Organismus entdeckt, was ebenfalls zu einer Zunahme der kommerziellen Krillfischerei führt. Insgesamt agiert die heutige Krillfischerei mit jährlich ca. 150 000 t noch weit unter der erlaubten maximalen Fangmenge von 4 Mill. t. Ein viel unberechenbarerer Faktor, der große Schwankungen im Krillbestand verursachen kann, ist allerdings der globale Klimawandel. Langzeituntersuchungen haben gezeigt, dass im südwestlichen atlantischen Sektor des Südozeans, der mehr als 50% des Krillbestandes beheimatet (Abb. 2) und eine der sich am schnellsten erwärmenden Regionen der Erde darstellt, die Populationsdichte des Krill in den letzten 30 Jahren um bis zu 80% zurückgegangen ist (Abb. 3a, [1]). Aufgrund der Schlüsselposition des Krill im Südozean führte dies ebenfalls zu einer Abnahme zahlreicher Krill-Konsumenten wie Pelzrobben, einigen Pinguinarten sowie Albatrossen. Die Populationsdichte des Krill im Sommer hängt offenbar von der vorangegangenen Ausdehnung und Dauer der winterlichen Meereisbedeckung ab (Abb. 3b). Eine lang anhaltende winterliche Meereisbedeckung begünstigt das Überleben der Nachfolgegeneration sowie die Reproduk­ tion des erwachsenen Krills und führt zu einer Erhöhung des Bestandes. Der mechanistische Zusammenhang zwischen Krill und Meereis ist jedoch noch weitestgehend ungeklärt und stellt eine zentrale Fragestellung der Arbeitsgruppe „Antarktischer Krill“ am AWI dar [2, 3, 4, 5]. Insgesamt sind die Adaptationsmechanismen von Krill an seine durch extreme saisonale Veränderungen charakterisierte Umwelt (z. B. Futterangebot, Eisbedeckung Tageslichtdauer) kaum verstanden (Abb. 4). Um aber den Einfluss verschiedener Szenarien der globalen Erderwärmung auf den Lebenszyklus von Krill und letztendlich auf das marine antarktische Nahrungsnetz zu verstehen, ist dieses Wissen essentiell. Literatur [1] Atkinson, A. (2004): Long-term decline in krill stock and increase in salps within the Southern Ocean. Nature 432: 100-103. [2] Meyer, B., Fuentes, V., Guerra, C., Schmidt, K., Spahic, S., Cisewski, B., Freier, U., Olariaga, A., Bathmann, U. (2009:) Physiology, growth and development of larval krill Euphausia superba in autumn and winter in the Lazarev Sea, Antarctica. Limnol. Oceanogr. 54: 1595-1614. [3] Meyer, B., Auerswald, L., Spahic, S., Pape, C., Fach, B., Teschke, M., Lopata, A., Fuentes, V. (2009): Seasonal variation in body composition, metabolic activity, feeding, and growth of adult krill Euphausia superba in the Lazarev Sea. Mar. Ecol. Prog. Ser, in print. [4] Teschke, M., Kawaguchi, S., Meyer, B. (2008): Effects of simulated light regimes on maturity and body composition of Antarctic Krill, Euphausia superba, Mar Biol, 154: 315-324. [5] Teschke, M., Kawaguchi, S., Meyer, B. (2007): Simulated light regimes affect feeding and metabolism of Antarctic krill, Euphausia superba, Limnol. Oceanogr. 52: 1046-1054. [6] Quetin LB, Ross RM (1991) Behavioural and physiological characteristics of the Antarctic krill, Euphausia superba. Amer Zool 31:49-63 59 Klima im System Erde Abb. 1: Die Nahrungsbeziehungen des antarktischen Krill, Euphausia superba, und seine zentrale Rolle im marinen, antarktischen Ökosystem. Abb. 2: Populationsdichte und Verteilung des Krill im Südozean (Atkinson et al. 2004). Abb. 3: Rückgang der Krillpopulation im südwestlichen atlantischen Sektor des Südozeans (a) und Beziehung zwischen der Dauer der winterlichen Meereisbedeckung und der Krilldichte (Atkinson et al. 2004). Abb. 4: Jahreszeitlicher Verlauf der Krillentwicklung von der Eiablage, dem Schlupf in der Tiefe über den Entwicklungsaufstieg im Sommer sowie der Larvalentwicklung vom Calyptopis-, über das Furciliastadium zum juvenilen Tier (modifiziert nach [6]). Die verschiedenen Grünschattierungen verdeutlichen die unterschiedliche Futterkonzentration in der Wassersäule im Jahresverlauf und die verschiedenen Gelbschattierungen den saisonalen Verlauf der Tageslichtdauer. 60 Biodiversität und Klima im Miozän Biodiversität und Klima im Miozän Arne Micheels 1 & Mosbrugger, V.1 Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum, Sektion Klima und Umwelt, und Biodiversität und Klima Forschungszentrum (LOEWE BiK F), [email protected], [email protected] 1 Im Laufe des Känozoikums (65 Mio. J. bis heute) kühlte sich das Klima stetig ab. Das Miozän (~32 bis ~5 Mio. J.) ist eine späte Phase dieser känozoischen Abkühlung. Zwar ähnelte die Gestalt der Erde bereits sehr weitgehend der heutigen, doch war das Klima im Miozän noch wärmer und humider [1]. Boreale Wälder erstreckten sich damals in Gebiete, die heute durch eine Tundrenlandschaft oder sogar Polarwüste gekennzeichnet sind [2], was bedeutet, daß hohe nördliche Breiten im Miozän wärmer als heute gewesen sein müssen. Die im Verhältnis zu heute humideren Klimaverhältnisse des Miozäns zeigen sich beispielsweise daran, daß es noch keine Sahara gab, sondern Nordafrika vielmehr durch eine Savannen- und Graslandschaft geprägt war. Die känozoische Klimaabkühlung war sicherlich ursächlich für die Veränderungen der Vegetation. In der Folge wird allerdings auch der Wandel der Vegetation seinerseits auf das Klima zurückgewirkt haben, was jedoch bislang noch unzureichend untersucht ist. Um die Effekte der Vegetation auf das Klima im Miozän besser zu verstehen, wurden Experimente mit Klimamodellen durchgeführt [2], [3]. Ersetzt man in einer Paläoklimasimulation die Vegetationsverteilung des Miozäns mit der heutigen, so führt dies zu einer Abkühlung (Abb. 1). Die Größenordnung dieses vegetationsbedingten Abkühlungstrends (1,7 °C) ist vergleichbar mit den unteren Abschätzungen des zukünftigen Klimawandels. Abb. 1 macht auch deutlich, daß im Modellexperiment vor allem die höheren Breiten von einer Abkühlung betroffen sind. Primär ist dies eine Folge der „Entwaldung“, d.h. des Ersetzens borealer Wälder durch heutige Tundren. Darüber hinaus verdeutlicht ein Sensitivitätsexperiment (Abb. 1 rechts), daß das Erscheinen der Sahara zu einer Abkühlung hoher Breiten ebenfalls beiträgt [3]. Der Wandel von einer Savannenlandschaft zur Wüste in Nordafrika führt somit nicht nur regional zu einer Abkühlung und zu arideren Klimaverhältnissen, sondern er hat eine globale Bedeutung für das Klima. Abb. 1: Temperaturdifferenz (in °C) durch eine globale (Abb. 1, links) und eine regionale (Abb. 1, rechts) Vegetationsänderung in Modellexperimenten für das Miozän [4]. Literatur [1] Mosbrugger, V., Utescher, T., Dilcher, D.L. (2005): Cenozoic continental climatic evolution of Central Europe. – Proceedings of the National Academy of Science 102: 14964 – 14969. [2] Micheels, A., Bruch, A.A., Uhl, D., Utescher, T., Mosbrugger, V. (2007): A Late Miocene climate model simulation with ECHAM4/ ML and its quantitative validation with terrestrial proxy data. – Palaeogeography Palaeoclimatology Palaeoecology 253: 267 – 286. [3] Micheels, A., Eronen, J., Mosbrugger, V. (2009): The Late Miocene climate response to a modern Sahara desert. – Global and Planetary Change 67: 193 – 204. [4] Micheels, A., Mosbrugger, V. (2009): Vegetationsänderungen und Klimaabkühlung im Miozän. – Senckenberg Jahresbericht. 61 Klima im System Erde Das Weltnaturerbe Wattenmeer und die globale Erwärmung Karsten Reise, van Beusekom, J. & Buschbaum, C. Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Wattenmeerstation Sylt, [email protected], [email protected], [email protected] Das weltweit größte zusammenhängende Wattgebiet befindet sich an der Nordseeküste und ist in diesem Jahr durch die Unesco zum Weltnaturerbe erklärt worden. Wie kann dieser einzigartige Naturraum kommenden Generationen erhalten bleiben, wenn die Wassertemperatur um 2–3 °C bis zum Ende dieses Jahrhunderts steigt? Voraussichtlich wird sich die heutige Flora und Fauna der französischen Atlantikküste bis ins Wattenmeer ausbreiten. Das wäre nicht weiter dramatisch, denn viele Arten leben auch heute schon an beiden Küsten. Dennoch hat in den letzten Jahren ein geradezu revolutionärer Umbruch im Ökosystem der Nordseeküste begonnen. Die Ursache liegt in einer kombinierten Wirkung von Welthandel und Klimawandel [1] Reise & van Beusekom, 2008. Größere und schnellere Schiffe sowie Transporte für Aquakulturen bringen immer mehr Organismen aus Übersee zur Nordseeküste. Sie stammen meist von wärmeren Küsten und profitieren in den letzten 15 Jahren von milderen Wintern und wärmeren Sommern im Wattenmeer. Riffe Pazifischer Austern nehmen den Platz der Muschelbänke ein (Abb. 1). Tangwälder sind an den Prielrändern entstanden, wo vorher kaum Algen wuchsen. Mitunter erschließt sich der Wandel nur bei genauem Hinsehen: Australische Seepocken wachsen auf allen Muschelschalen im Gezeitenbereich, wo vorher eine europäische, an kälteres Wasser angepasste Seepocke saß. Mit der rasch voranschreitenden biologischen Globalisierung an der Küste, verändern sich Biotopstruktur, Nahrungsnetz und die Funktionalität des Ökosystems. Da viele Arten weltweit verschleppt werden, verringert dieser Wandel die regionalen Unterschiede. Global geht Vielfalt 62 verloren, nimmt lokal und regional aber oftmals zu. Die Vorherrschaft erringen universell verbreitete Arten, die besonders robust und anpassungsfähig sind. Leicht ist man versucht, darin eine Analogie zum globalisierten Weltbürger zu sehen. Literatur [1] Reise, K. & van Beusekom, J.E.E. (2008): Interactive effects of global and regional change on a coastal ecosystem. – Helgol. Mar. Res. 62: 85 – 91. Abb. 1: Pazifische Austern überwachsen im Sylter Watt die Muschelbänke und dehnen sich noch weiter aus (Foto Reise). Diese verwilderten Austern sind meist miteinander verwachsen und daher für den Gourmetmarkt nicht zu gebrauchen. Auch die Küstenvögel vermögen sie bisher nicht als Nahrung zu nutzen. Migration und Aussterben von Organismen unter Klimastress Migration und Aussterben von Organismen unter Klimastress Oliver Tackenberg 1 , Cunze, S.2 & König, K.3 BIK-F: Biodiversität und Klima Forschungszentrum / Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Ökologie, Evolution und Diversität: [email protected] 2 BIK-F: Biodiversität und Klima Forschungszentrum: [email protected] 3 BIK-F: Biodiversität und Klima Forschungszentrum: kö[email protected] 1 Der Klimawandel wird sich auf das Vorkommen von Pflanzen- und Tierarten auswirken. Beispielsweise geht man mittelfristig davon aus, dass mitteleuropäische Pflanzenund Tierarten ihr Areal als Folge der sich verschiebenden Klima- und Vegetationszonen um bis zu 6 km pro Dekade nordwärts verschieben müssen [1]. Die Verschiebung der Bereiche mit günstigen Klimabedingungen wird dabei häufig mit Hilfe von Ökologischen Nischenmodellen vorhergesagt. Diese Ökologischen Nischenmodelle berechnen aus bekannten georeferenzierten Fundpunkten der Organismen und relevanten Umweltfaktoren (z. B. Temperatur, Niederschlag) die ökologische Nische der betreffenden Art. Diese beschreibt die Umweltbedingungen und das Areal unter der die Art aktuell vorkommt (Abb. 1A: Aktuelles Areal). Wendet man die Nischenmodelle auf zukünftige Klimaszenarien, z. B. des IPCC an, erhält man als Ergebnis das Gebiet, in dem zukünftig günstige (Klima-) Bedingungen für die jeweilige Art herrschen, die Art also potentiell vorkommen kann (Abb. 1B: Potentielles Areal). keit wurde bisher allerding nur selten im Rahmen der organismischen Klimafolgenforschung betrachtet, u. a. weil es dabei erhebliche methodische Probleme gibt, die erst in den letzten Jahren mit der Entwicklung prozessbasierter Modelle von Ausbreitungs- und Migrationsfähigkeit bearbeitet werden können. Im ersten Teil des Vortrages werden wir für ausgewählte Pflanzenarten zunächst mit Hilfe ökologischer Nischenmodelle die Verschiebung der potentiellen Areale durch den Klimawandel quantifizieren. Anschließend werden wir mit Hilfe prozessbasierter Ausbreitungsmodelle untersuchen, ob die Pflanzenarten sich überhaupt schnell ausbreiten können um der Verschiebung der potentiellen Areale zu folgen. Literatur [1] Thuiller, W., Biodiversity – Climate change and the ecologist. Nature, 2007. 448(7153): p. 550-552. [2] Tackenberg, O., et al., Sind Pflanzen in der Lage den vorhergesagten klimabedingten potentiellen Arealverschiebungen zu folgen? BfN Scripten, 2009. 246: p. 30. Je nach betrachtetem Organismus und Klimaszenario verschieben sich diese potentiellen Areale unterschiedlich weit. Um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Biodiversität abschätzen zu können, muss allerdings noch eine weitere Frage beantwortet werden: Können die Arten sich überhaupt schnell genug ausbreiten, um der Verschiebung ihres potentiellen Areals zu folgen (Abb. 1C: Realisierbares Areal)? Die Ausbreitungs- und Migrationsfähig- 63 Klima im System Erde Abb. 1: Sisymbrium strictissimum L. A): Aktuelles (mit BIOMOD) vorhergesagtes Areal. B): Für 2080 vorhergesagtes potentielles Areal für das IPPC-Scenario Af1. C): Realisierbares Areal unter der Annahme mittlerer Migrationsfähigkeit. Abbildung aus [2] 64 Geobiologische Stoffkreisläufe in der Erdkruste (Deep Biosphere) Geobiologische Stoffkreisläufe in der Erdkruste (Deep Biosphere) Heinz Wilkes 1 , Mangelsdorf, K.1, Vieth, A.1 & Horsfield, B.1 Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Sekt. 4.3 Organische Geochemie, [email protected], [email protected], [email protected], [email protected] 1 Der ganz überwiegende Teil des organischen Materials auf der Erde liegt fein verteilt in Sedimenten und Sedimentgesteinen vor, die gleichzeitig den Lebensraum für den größten Teil der Mikroorganismen auf unserem Planeten darstellen [1]. In den letzten 20 Jahren wurde immer deutlicher, dass die Biosphäre viel tiefer in die Erdkruste reicht (mehrere Kilometer), als bislang angenommen. Diese tiefen mikrobiellen Ökosysteme spielen eine wichtige Rolle an der Schnittstelle des relativ schnellen biologischen und des außerordentlich langsamen geologischen Teils des globalen Kohlenstoffkreislaufs. Im Allgemeinen ist Sauerstoff in diesen Lebensräumen nicht verfügbar, so dass anaerobe Atmungs- und Stoffwechselvorgänge die dominierenden biologischen Prozesse darstellen. Abiotische Vorgänge, insbesondere die durch erhöhte Temperaturen verursachte Entstehung niedermolekularer organischer Verbindungen aus abgestorbener Biomasse, liefern Kohlenstoff- und Energiequellen für tiefe mikrobielle Lebensgemeinschaften [2,3]. Gashydrate in marinen und terrestrischen Umgebungen ebenso wie die Lagerstätten fossiler Brennstoffe stellen dabei bemerkenswerte mikrobielle Lebensräume dar, in denen die Verfügbarkeit von Energiequellen nahezu unbegrenzt ist. Die Temperatur und die Verfügbarkeit von Nährstoffen (z.B. Elektronenakzeptoren für die Atmung) scheinen zu den wichtigsten Faktoren zu gehören, die die mikrobielle Aktivität bestimmen. Der biologische Abbau von Kohlenwasserstoffen in Erdöl- und Erdgaslagerstätten reduziert nicht nur den wirtschaftlichen Wert dieser Energieressourcen, sondern verschlechtert auch ihre umweltrelevanten Eigenschaften ganz erheblich [4]. Die mikrobielle Oxidation von Kohlenwasserstoffen, insbesondere von Methan oberhalb der klimasensitiven Gashydrat-Vorkommen, ist von eminenter Bedeutung für die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Der anaerobe Abbau von Kohlenwasserstoffen ist daher ein Schlüsselelement im Hinblick auf die Rolle der tiefen Biosphäre im globalen Kohlenstoffkreislauf und im Klimasystem. Literatur [1] Whitman, W.B., Coleman, D.C. & Wiebe, W.J. (1998): Prokaryotes: The unseen majority. PNAS 95: 6578–6583 [2] Horsfield, B., Schenk, H.J., Zink, K., Ondrak, R., Dieckmann, V., Kallmeyer, J., Mangelsdorf, K., di Primio, R., Wilkes, H., Parkes, R.J., Fry, J.C. & Cragg, B. (2006): Living microbial ecosystems within the active zone of catagenesis: implications for feeding the deep biosphere. Earth and Planetary Science Letters 246: 55–69. [3] Glombitza, C., Mangelsdorf, K. & Horsfield, B. (2009): A novel procedure to detect low molecular weight compounds released by alkaline ester cleavage from low maturity coals to assess its feedstock potential for deep microbial life. Org. Geochem. 40: 175–183. [4] Vieth, A. & Wilkes, H. (2006): Deciphering biodegradation effects on light hydrocarbons in crude oils using their stable carbon isotopic composition: A case study from the Gullfaks oil field, offshore Norway. Geochim. Cosmochim. Acta 70: 651–665. Abb. 1: Vereinfachte Darstellung des organischen Kohlenstoffkreislaufs (links) und der wichtigsten Kohlenstoffreservoire auf der Erde (rechts); die kleinen weißen Quadrate veranschaulichen kleinere Kohlenstoffreservoire im Verhältnis zur Menge an fein verteiltem organischem Kohlenstoff in Sedimentbecken, die durch das große schwarze Rechteck repräsentiert wird. 65 Klima im System Erde Detaillierter Blick aus dem All – Meeresalgen global betrachtet Astrid Bracher 1 ,2 , Dinter, T.1 ,2, Schmitt, B.1, Vountas, M.2, Burrows, J. P.2, Peeken, I.3 & Röttgers, R. 4 Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, PHYTOOPTICS Gruppe, [email protected] 2 Universität Bremen, Institut für Umweltphysik, PHYTOOPTICS Gruppe, PF 330440, 28334 Bremen, [email protected] 3 Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Polare Biologische Ozeanographie, AWI, [email protected] 4 GKSS Research Center, Fernerkundungs Gruppe, Institut für Küstenforschung, Geesthacht, [email protected] 1 Marines Phytoplankton ist die Basis des marinen Nahrungsnetzes und spielt als biologische Pumpe eine bedeutende Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf. Die am AWI in Zusammenarbeit mit dem Institut für Umweltphysik entwickelte Methode PhytoDOAS (siehe [1]) ermöglicht es, aus Satellitendaten nicht nur die allgemeine Verteilung des Phytoplanktons weltweit zu ermitteln, sondern durch die Nutzung spektral hochaufgelöster Daten auch deren Zusammensetzung nach unterschiedlichen funktionalen Gruppen. Mit den neuen Satellitenkarten können zeitliche Veränderungen unterschiedlicher Algengruppen global beobachtet und Auswirkungen des Klimawandels besser eingeschätzt werden. Bisher war es nur möglich, die allgemeine Verteilung von Phytoplankton im Meer quantitativ zu bestimmen. Verschiedene Algengruppen haben aber unterschiedliche Funktionen sowohl für das Nahrungsnetz im Meer als auch für unser weltweites Klima. Die PHYTODOAS-Methode nutzt Daten des Sensors „SCIAMACHY“, der seit sieben Jahren kontinuierlich an Bord des europäischen Umweltsatelliten „Envisat“ vom Weltraum aus die Farbe der Weltmeere detektiert. Aus den Bildern können die Verteilungen von zwei bedeutenden Phytoplankton-Gruppen, Kieselalgen und Blaualgen, quantitativ abgeleitet werden. Algen gewinnen die Energie, die sie für die Photosynthese benötigen, durch die Absorption des Sonnenlichts mit bestimmten Pigmenten, wie dem Chlorophyll. Die aufgenommene Strahlung wird als so genanntes Absorptionsspektrum ermittelt und ist 66 für verschiedene Algengruppen aufgrund ihrer Pigmentzusammensetzung spezifisch. Die unterschiedlichen Spektren können aus den SCIAMACHY- Daten bestimmt werden. Bei der Auswertung der Algengruppen muss aber auch die Absorption anderer Stoffe berücksichtigt werden: Auch das Wasser selbst und die Spurengase in der Luft wie z. B. Ozon und Stickoxide absorbieren Licht. Allerdings gibt es auch Grenzen für den Satelliten. Bei schlechtem Wetter und Wolken kann die Farbe des Ozeans nicht vom Satelliten gesehen werden, also können auch keine Algenkarten erstellt werden. Dann helfen nur die Messungen vor Ort. Die Absorptionseigenschaften der Algen werden dann direkt im Wasser ermittelt und mit den Satellitendaten verglichen. Solche Messungen wurden auf verschiedenen mehrwöchigen Schiffsexpeditionen mit dem deutschen Forschungsschiff „Polarstern“ im Atlantischen Ozean durchgeführt. Die Validierung der Satellitendaten (sog. „ground truthing“ – Überprüfung am Boden) und der Vergleich mit einem globalen biogeochemischen Modell haben gezeigt, dass die Satellitenkarten die Verteilung der Algengruppen mit großer Genauigkeit wiedergeben können. Algen produzieren mit Hilfe von Photosynthese Nahrung und Sauerstoff. Dabei nehmen sie Kohlendioxid auf und entziehen es der Atmosphäre. Ein Teil der Algen wird gefressen und gelangt in die Nahrungskette, andere sinken an den Meeresboden und versenken auf diese Weise Kohlendioxid. Unterschiedliche Gruppen von Phytoplankton spielen ganz unterschiedliche Rollen für Klima und marines Nahrungsnetz: Kieselalgen sind mit ihren Silikatschalen zum Beispiel wesentlich am Aufbau von Material biologischen Ursprungs beteiligt, das unten am Ozeanboden abgelagert wird. Blaualgen können im Gegensatz zu anderen Algen, die organischen Stickstoff zum wachsen benötigen, selbst elementaren Stickstoff fixieren. Um Auswirkungen des Klimawandels genauer studieren zu können, sind daher Langzeitdatensätze über die Verteilung und Produktivität verschiedener Phytoplankton-Gruppen von größter Bedeutung. Detaillierter Blick aus dem All – Meeresalgen global betrachtet Literatur [1] Bracher A. Vountas M., Dinter T., Burrows J.P., Röttgers R., Peeken I. (2009): Observation of cyanobacteria and diatoms from space using PhytoDOAS on satellite sensor SCIAMACHY data. Biogeosciences 6:751-764. Abb. 1: Globale Biomasse – Verteilungen von Kieselalgen (Diatomeen) im Oktober/November 2005. Die Informationen wurden aus radiometrischen Messungen des Satellitensensors SCIAMACHY auf ENIVSAT mit Hilfe der PhytoDOAS Methode (nach [1]) ausgewertet. Kieselalgen sind eine Gruppe von Algen, die eine Schale aus dem Salz der Kieselsäure besitzen. Die Karte zeigt, dass viele Kieselalgen im Frühjahr der Südhemisphäre im Südpolarmeer und in einigen Küstengebieten auftreten. Hier gibt es genug Nährstoffe und im Wasser gelöste Kieselsäuren, denn hier wird zum einen kaltes, nährstoffreiches Tiefenwasser an die Ozeanoberfläche gebracht wird (z. B. in Auftriebsgebieten und in hohen Breiten, wo das Meer durch Abkühlung und Stürme im Winter durchmischt wurde) und zum anderen ist der Nährstoffreichtum in den Mündungsgebieten der Flüsse in Küstennähe groß (Abbildung von [1]). 67 Klima im System Erde Massentransporte und Massenverteilungen im System Erde – Beiträge der neuen Generation von Schwerefeld- und Altimetermissionen Jürgen Kusche , Flechtner, F. & Eicker, A. 1 2 1 Universität Bonn, Institut für Geodäsie und Geoinformation, Nussallee 17, 53115 Bonn, [email protected] 2 Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Sekt. 1.2, Erdbeobachtungssatelliten, [email protected] 1 Die Beobachtung der Erde aus dem Weltraum ist ein wesentliches Mittel zur Erforschung von Prozessen im Erdsystem. Nur mit Satelliten ist es möglich, die Erde global zu erfassen und gleichzeitig Zeitreihen aufzubauen, aus denen Veränderungen im Erdsystem erkennbar werden. Mit einer Vielzahl zeitgleicher Schwerefeld- und Altimetermissionen (CHAMP, GRACE, GOCE, Jason-1, ICESat, in Kürze Cryosat-II) ist derzeit eine einzigartige Situation gegeben, aus der sich neue Möglichkeiten ergeben, das Verständnis des Erdsystems durch Nutzung einander sich ergänzender Beobachtungen zu verbessern. Entscheidend dabei ist, dass Massentransportprozesse mit Schwerefeldmissionen integral quantifiziert werden können, Veränderungen sich also nicht wie bei anderen Beobachtungsverfahren allein auf Grenzflächen beziehen. In Deutschland wurde 2006 das DFG-Schwerpunktprogramm SPP1257 „Massentransporte und Massenverteilungen im System Erde“ ins Leben gerufen, um die Aktivitäten zur Auswertung und Interpretation von Schwerefeld- und Altimeterdaten zu bündeln und zu koordinieren [1]. Ziel des interdisziplinär angelegten Programms ist ein Durchbruch im Verständnis von Abschmelzvorgängen der Gletscher und Eisschilde, Veränderungen des Meeresspiegels, der Ozeanzirkulation und des globalen Wasserkreislaufs, sowie geophysikalischer Prozesse in Erdmantel und -kruste. Ebenso wichtig ist das Verständnis der Wechselwirkungen zwischen den Teilsystemen. Das SPP1257 hat nicht nur dazu beigetragen, dass die Datenbasis für die Entwicklung nachhaltiger Strategien in Zeiten von Klimawandel und Ressourcenknappheit erweitet und verbessert 68 werden konnte, sondern ebenso, dass die deutsche Erdsystemforschung international eine Spitzenposition einnimmt. Einige ausgewählte Ergebnisse sollen dies verdeutlichen. So konnten mit GRACE das Abschmelzen der Eisschilde in Grönland und der Antarktis und die entsprechenden Beiträge zum Meeresspiegelanstieg quantifiziert werden. Ein weiteres Beispiel ist die Beobachtung des hydrologischen Kreislaufes. Mit GRACE ist es erstmals möglich, die integrale Änderung aller kontinentalen Wasserspeicher direkt zu messen, so dass sich neue Möglichkeiten zur Kalibrierung und Verbesserung hydrologischer Modelle ergeben. Ein drittes Beispiel stellt die Beobachtung der Ozeane dar. Mit Hilfe der neuen Schwerefeldmissionen konnten raumzeitliche Veränderungen der Ozeanmassen ermittelt werden. In Kombination mit der Satellitenaltimetrie lassen sich damit Zeitreihen für die Veränderung der Ozeanwärmespeicherung ableiten. Alle diese Ergebnisse sind offenkundig von großer Aktualität für die klimabezogene Forschung, und sie zeigen dass mit der neuen Generation von Schwerefeld- und Altimetersatelliten ein für die Bilanzierung des globalen Klimawandels wichtiges Beobachtungsystem geschaffen werden konnte. Eine Fortsetzung der Datenreihen durch eine zeitnah realisierte GRACENachfolgemission ist daher sehr erstrebenswert. Literatur [1] Ilk, K.H., J. Flury, R. Rummel, P. Schwintzer, W. Bosch, C. Haas, J. Schröter, D. Stammer, W. Zahel, H. Miller, R. Dietrich, P. Huybrechts, H. Schmeling, D. Wolf, J. Riegger, A. Bardossy and A. Güntner (2005) Mass Transport and Mass Distribution in the Earth System – Contribution of the New Generation of Satellite Gravity and Altimetry Missions to Geosciences, Proposal for a German Priority Research Program. ������������������������� GOCE-Projektbüro Deutschland, Technische Universität München, GeoForschungsZentrum Potsdam, 2. Edition. Massentransporte und Massenverteilungen im System Erde Abb. 1: Themen des DFG-Schwerpunktprogramms SPP1257 „Massentransporte und Massenverteilungen im System Erde“. 69 Klima im System Erde Interpretation gemessener Meeres­ spiegelvariationen bewirkt. Zwei Drittel beruhen auf einer nicht balancierten Zufuhr von Schmelzwasser. Jens Schröter 1 , Wenzel, M.1 & Lemke, P.1 Literatur Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Fachbereich Klimasystem, [email protected] 1 Seit über einhundert Jahren wird ein langsamer Anstieg des Meeresspiegels beobachtet. Der hauptsächliche Grund dafür ist im globalen Anstieg der Temperatur zu suchen. Meerwasser dehnt sich bei Erwärmung aus. Aber auch indirekt bewirkt der Temperaturanstieg eine Erhöhung des Meeresspiegels durch das Abschmelzen von Gletschern, Eiskappen und im vergangenen Jahrzehnt auch durch den beobachteten Rückgang der Grönländischen und teilweise Antarktischen Eisschilde. Die Frage, ob sich dieser Trend in den kommenden Jahrzehnten bis Jahrhunderten fortsetzen wird, ist von unmittelbarem Interesse für Millionen von Anwohnern der Küsten. Eine quantitative Antwort hierauf ist bemerkenswert komplex. Für eine brauchbare Vorhersage müssen wir zunächst die Vorgänge, die stattfinden, messen und verstehen. Gezeitenpegel ermitteln den Meeresspiegel nur sehr lokal. Erst seit 20 Jahren wird der Meeresspiegel auf der globalen Skala von Radarsatelliten vermessen. Die Ergebnisse zeigen ein vielschichtiges Bild (siehe Abbildung 1). Großen Gebieten mit einem positiven Trend stehen auch Gebiete mit einem Absinken des Meeresspiegels gegenüber. Nur im globalen Mittel zeigt sich ein stetiger Anstieg von ca. 3 mm pro Jahr. Ein Teil der regionalen Unterschiede kann man mit lokaler Erwärmung des Ozeans erklären [1], wie auch in der Abbildung 1 rechts gezeigt. Große Unterschiede bleiben bestehen, die verdeutlichen, dass weitere Prozesse beteiligt sind. Um auch Änderungen im Salzgehalt und Massenverlagerungen durch die Strömungen konsistent zu beschreiben, assimilieren wir alle verfügbaren Daten in ein dynamisches Ozeanmodell, wie für eine Wettervorhersage [2]. Wir können daraus ableiten, dass die Erwärmung des Wassers nur etwa ein Drittel des beobachteten Anstiegs 70 [1] Ivchenko, V. O., Danilov, S., Sidorenko, D., Schröter, J., Wenzel, M., Aleynik, D. L. (2008). Steric height variability in the Northern Atlantic on seasonal and interannual scales, J. Geophys. Res., 113, C11007, doi:10.1029/2008JC004836. [2] Wenzel, M., Schröter, J. (2007). The global ocean mass budget in 1993--2003 estimated from sea level change, Journal of physical oceanography, 37(2), 203-213. Abb. 1: oben: Der Anstieg des regionalen Meeresspiegels in mm pro Jahr für die Periode 1987 bis 2000. Abb. 2: Der allein durch Temperaturschwankungen hervorgerufene Anstieg für den gleichen Zeitraum. Erdsystemmodellierung – Von geodätischen Beobachtungsdaten zum Prozessverständnis Erdsystemmodellierung – Von geodätischen Beobachtungsdaten zum Prozessverständnis klimarelevanten Signale verlässlich zu identifizieren und damit das hohe Anwendungspotential geodätischer Messdaten für die Klimaforschung zu nutzen. Maik Thomas, Sasgen, I., Dobslaw, H. & Wickert, J. Infolge ihrer Präzision sowie ihrer homogenen räumlichen und zeitlichen Überdeckung bieten insbesondere die mit Satellitenverfahren gewonnenen Beobachtungen der Meereshöhen, des Erdschwerefeldes und der Erdrotation eine belastbare Datengrundlage zur Beantwortung klimarelevanter Fragestellungen. Durch den Einsatz numerischer Modellsimulationen lassen sich diese mit fernerkundlichen Methoden erhaltenen Informationen in die ursächlichen Prozesse zerlegen und folglich nicht nur hinsichtlich ihrer Bedeutung für den globalen Wandel interpretieren, sondern auch in Form von Rand- und Anfangsbedingungen für zukünftige modellgestützte Klimaprojektionen einsetzen. Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Dept. 1 Geodäsie und Fernerkundung, Sekt. 1.5: Erdsystem-Modellierung, [email protected] Klimarelevante Veränderungen im System Erde sind begleitet von weitreichenden Massenumverteilungen, die sich äußern in Meeresspiegeländerungen, Schnee- und Eisschmelzen, Extremwetterereignissen, schwankenden kontinentalen Süßwasservorkommen bis hin zu Deformationen der Erdkruste. Derartige Schwankungen in der geosphärischen Massenverteilung bilden sich ab in den klassischen geodätischen Observablen, nämlich der Erdfigur, dem Erdschwerefeld und der Orientierung der Erde im Raum, weshalb die geodätischen Beobachtungsgrößen stets auch wertvolle qualitative und insbesondere quantitative Informationen über den Zustand und die Veränderungen des Klimasystems enthalten. Da diese mit terrestrischen, Flugzeug und Satelliten gestützten Methoden gewonnenen hochpräzisen Beobachtungen jedoch stets das Ergebnis einer Vielzahl von physikalischen Prozessen reflektieren, sind komplementäre Methoden aus der geophysikalischen Systemmodellierung notwendig, um die Der Vortrag demonstriert, inwieweit Altimeterdaten der Meereshöhen, Schwerefelder der Satellitenmission GRACE und Erdrotationsschwankungen aus GPS- und interferometrischen Messungen in Kombination mit Methoden der numerischen Modellierung zur Quantifizierung klimarelevanter Änderungen im Erdsystem genutzt werden können und somit einen wichtigen Beitrag zum Prozessverständnis leisten. Abb. 1: Langfristige Änderungen der Geoidhöhe über der Antarktis. Mittels numerischer Modelle lassen sich die aus Schwerefeldbeobachtungen der Satellitenmission GRACE abgeleiteten totalen Trends (Mitte) zerlegen in die Beiträge infolge postglazialer Landhebungen (rechts) und Eismassenveränderungen (links). 71 Klima im System Erde Geodätisch basierte Erdbeobachtung – Ein Werkzeug für die Klimaforschung Jens Wickert, Flechtner, F., Schöne, T. & Thomas, M. Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Dept. 1 Geodäsie und Fernerkundung, [email protected] gen im Erdinneren, auf den Kontinenten, in den Ozeanen, der Atmosphäre und in den eisbedeckten Gebieten unseres Planeten abzuleiten (Abb. 1). Die GRACE-Daten werden für derartige Untersuchungen von einer Vielzahl von Wissenschaftlern weltweit dafür genutzt. Die Geodäsie ist nach der klassischen Definition von Friedrich Robert Helmert (1843-1917) die „Wissenschaft von der Ausmessung und Abbildung der Erdoberfläche“. Dies umfasst die Bestimmung der geometrischen Figur der Erde (Geoid, Topografie), ihres Schwerefeldes und der Orientierung der Erde im Weltraum (Erdrotation). Die ursprünglich statische Betrachtungsweise wurde Mitte des 19. Jahrhunderts in Frage gestellt, als sich der preußische General Baeyer Gedanken zu dynamischen Veränderungen der Lage und der Umdrehungsdauer der Erde machte. Mittlerweile ist bekannt, dass Form und Bewegung der Erde auch von vielen Umweltveränderungen, wie z. B. der von Atmosphäre, Kryosphäre und der Hydrosphäre, abhängig sind. Genau diese Abhängigkeit nutzen geodätische Beobachtungsverfahren, um Informationen über derartige Veränderungen und somit über den globalen Wandel zu bekommen. Sie werden dadurch zu einem leistungsfähigen Werkzeug für die Klimaforschung. Eine besondere Rolle spielen dabei Satellitenverfahren, da sie Informationen im globalen Maßstab liefern. Abb. 1: Globale Variabilität der Wassermassen in den großen Flussbecken in cm-Wassersäule abgeleitet aus monatlichen GRACE-Schwerefeldmodellen (links) und dem hydrologischen Modell WGHM (rechts) für den Zeitraum 2003 bis 2008 (GFZ). Wir geben einen Überblick über relevante Techniken, die am GFZ eingesetzt werden und stellen aktuelle Beobachtungsergebnisse vor. Ein traditioneller Schwerpunkt hierbei sind die Schwerefeldmissionen, eine Forschungsrichtung, die 1995 mit dem Start des GFZ-1 Satelliten intensiviert wurde. Mit den Satelliten CHAMP (Start 2000) und GRACE (Start 2002) wurde danach eine qualitativ neue Stufe bei der globalen Schwere­feldbestimmung erreicht. Beispielsweise können aus den GRACE-Daten monatliche Erdschwerfeldmodelle mit einer bisher nicht erreichten Genauigkeit abgeleitet werden, die es gestatten, Informationen über langzeitige, klimarelevante Massenumlagerun- Zusätzlich hat sich am GFZ in den vergangenen Jahren auch eine beachtliche Expertise bei der Anwendung des Global Positioning Systems (GPS) für die Geowissenschaften etabliert. GPS wurde 1995 primär für Navigations­ anwendungen vollständig operationell und ist mittlerweile auch zu einem leistungsfähigen, geodätisch basierten, Werkzeug für die Klimaforschung geworden, welches vom zukünftigen Galileo-System deutlich profitieren wird. Mit GPS wird beispielsweise ein globaler Referenzrahmen für satelliten- und bodengestützte Beobachtungen zu Veränderungen der Meeresoberflächen geschaffen. Aus diesen Daten können auch klimarelevante Veränderungen der 72 Geodätisch basierte Erdbeobachtung – Ein Werkzeug für die Klimaforschung Erdsystemparameter wie Erdrotation abgeleitet werden. Zusätzlich tragen satellitengestützte GPS-Daten auch zur Schwerfeldbestimmung bei. Weiterhin haben sich auch GPS-basierte Beobachtungstechniken zur Atmosphärenfernerkundung etabliert. Diese Verfahren nutzen atmosphä­rische Ausbreitungseffekte der GPS-Signale aus. Mit regionalen und globalen Boden­netzen, die z.T. seit 1994 betrieben werden, können Veränderungen des atmosphärischen Wasserdampfgehaltes sichtbar gemacht werden. GPS-Signale, die an Bord von Satelliten, wie CHAMP oder GRACE, aufgezeichnet werden, können zusätzlich globale Temperatur­verteilungen in verschiedenen Höhen und deren Änderung mit hoher Genauigkeit sichtbar machen (Abb. 2). Abb. 2: Mittlere Zonale Temperaturvariabilität (Kurzzeit-Trend) in verschiedenen Höhen in Kelvin/Jahr abgeleitet aus CHAMP und GRACE GPS-Radiookkultationsmessungen zwischen 2001 und 2009. Rote Farbe kennzeichnet Erwärmung, blaue Farbe Abkühlung (GFZ). 73 Klima im System Erde Eismassenbilanzen und Meeresspiegelanstieg – Was erwartet uns im 21. Jahrhundert Heinrich Miller Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Sekt. Glaziologie, [email protected] Seit langem werden an weltweit verteilten Pegeln die Veränderungen des Meeresspiegels beobachtet und heute haben wir – nicht zuletzt auch gestützt auf Beobachtungen aus dem Weltraum – die gut gesicherte Erkenntnis, dass im Mittel der Meeresspiegel um etwa 3 mm/Jahr ansteigt und dass dieser Anstieg sich gegenüber der jüngeren Vergangenheit beschleunigt hat. Es gibt zwei Hauptgründe für die Zunahme. Zum einen erwärmt sich mit der Zunahme der globalen Mitteltemperatur das Wasser der Weltmeere und zum anderen schmelzen die Gebirgsgletscher und Teile der kleinen und großen polaren Eiskappen und Eisschilde und dieses Schmelzwasser gelangt in den Ozean und führt ebenfalls zu einer Erhöhung des Meeresspiegels. Diese Erhöhung des Meeresspiegels hat weitreichende Folgen für alle Küstenregionen und die Menschen, die dort leben. Sie führt über verstärkte Küstenerosion zu Land- verlust und diesem kann nur über eine Verstärkung der Küstenschutzmaßnahmen wie Erhöhung der Deiche oder aber durch Verlagerung landeinwärts begegnet werden. Alle denkbaren Maßnahmen aber sind mit weitreichenden sozialen und finanziellen Folgen verbunden und deshalb kommt hier einer möglichst genauen Vorhersage über die künftigen Veränderungen und der Geschwindigkeit mit der diese geschehen werden eine besondere Bedeutung zu. Die größten Unbekannten in allen Überlegungen zu dieser Frage stellen die noch relativ unzureichend erforschten polaren Eisschilde Grönlands und der Antarktis dar. So ist die Kenntnis der Gesamtmassenbilanz dieser Eisschilde noch mit großen Fehlern behaftet und die jüngeren Erkenntnisse über die Geschwindigkeit mit der sich die Fließgeschwindigkeiten dieser Eismassen verändern können zeigen ebenfalls an, dass diese Eismassen sich rascher verändern können als bislang gedacht. Dennoch können wir mit großer Sicherheit Abschätzungen der maximal möglichen Wasserspende aus dem Eis treffen sowie die künftig notwendigen Forschungs- und Beobachtungsstrategien festlegen. Damit wird die notwendige Planung für die Reaktionen auf den Meeresspiegelanstieg nachhaltig unterstützt und es lassen sich Hinweise für die notwendigen gesellschaftspolitischen Entwicklungen geben. Abb. 1: Der Anstieg des Meeresspiegels seit 1870 (modifiziert nach IPCC 2007). Deutlich zu erkennen ist, dass sich der Anstieg zunehmend beschleunigt hat. 74 Nachhaltige Energiebereitstellung mit Geothermie Nachhaltige Energiebereitstellung mit Geothermie Ernst Huenges & Bruhn, David Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Internationales Geothermiezentrum, [email protected], [email protected] Anspruchsvolle energie- und umweltpolitische Zielsetzungen stellen die Energieversorgung vor neue Herausforderungen: Der Energiemix der Zukunft soll ökologisch verträglich, ressourcensicher und wettbewerbsfähig sein. Langfristige Energiesicherheit und nachhaltige Energiekon­zepte sind gefragt. Das Ziel der Europäischen Union, bis zum Jahr 2020 den Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Energieverbrauch der EU auf 20 % zu steigern, macht die hohen Erwartungen an diese Energieträger deutlich. Die Geothermie ist dabei ökonomisch und umweltpolitisch äußerst interessant. Anders als Wind und Sonne steht sie rund um die Uhr zur Verfügung und ist damit grundlastfähig. Mit geothermischer Energiebereitstellung sind zudem nur sehr geringe CO2-Emissionen verbunden. Die Erdwärme stellt somit eine ökologisch beispielhafte Alternative zur Kernkraft und zu fossilen Energieträgern dar. Aus Erdwärme kann Energie in Form von technisch nutzbarer Wärme oder elektrischem Strom bereitgestellt werden. Die Fündigkeit ist nicht auf vulkanische Gebiete beschränkt, im Prinzip gibt es Erdwärme überall. In Deutschland eignen sich für die tiefe Geothermie zur Stromerzeugung bevorzugt drei Regionen: das süddeutsche Molassebecken, der Oberrheingraben und das Norddeutsche Becken. Allerdings sind mehrere Kilometer tiefe Bohrungen erforderlich, um Temperaturen zu erschließen, die hoch genug sind, um über Dampfturbinen elektrische Generatoren anzutreiben. Die Erschließung stellt spezifische Anforderungen an Technik und Engineering und ist beim aktuellen Entwicklungsstand noch mit hohen Investitionen verbunden. Die Komplexität geothermischer Systeme verlangt einen ganzheitlichen Ansatz, der das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten – von der Lagerstättenerschließung bis zur erzeugten Kilowattstunde – berücksichtigt. Die Herausforderungen liegen in der sicheren Erkundung und Erschließung geothermischer Lagerstätten sowie in der Entwicklung Produktivität steigernder Maßnahmen, um einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb zu erreichen. Technologisch und ökonomisch tragfähige Konzepte sind gefragt, um den geringen Marktanteil der Geothermie an der Energieversorgung zu stärken. In Mitteleuropa stehen die sog. Enhanced Geothermal Systems (EGS)-Technologien im Mittelpunkt. Mit Stimulationsmaßnahmen wird die Produktivität geothermischer Lagerstätten erhöht. Sie eignen sich besonders für Standorte, an denen die Wirtschaftlichkeit nicht von vornherein gegeben ist. Etwa 95 % des geothermischen Potenzials in Deutschland sind mit dieser Technologie erschließbar. Auch international werden verlässliche Stimulationstechnologien verstärkt nachgefragt. Abb. 1: Prinzip geothermischer Stromerzeugung (Organic Rankine Cycle) 75 Klima im System Erde Abb. 2: Fördertest in der GFZ-Forschungsbohrung 4/05 im brandenburgischen Groß Schönebeck 76 Geologische Speicherung und dauerhafte Fixierung von CO2 in salinen Aquiferen – Chancen und Risiken Geologische Speicherung und dauerhafte Fixierung von CO2 in salinen Aquiferen – Chancen und Risiken Michael Kühn, Liebscher, A. & Zentrum für CO2-Speicherung Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Zentrum für CO2-Speicherung, [email protected]; [email protected] Die globale Mitteltemperatur steigt seit Beginn des industriellen Zeitalters signifikant an. Dieser Temperaturanstieg korreliert mit einem Anstieg der CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre und impliziert einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Klimawandel und CO2-Emissionen aus der Nutzung fossiler Brennstoffe. Eine zentrale Option zur Reduktion und Vermeidung dieser CO2-Emissionen ist die CCS-Technologie – Abscheidung, Transport und Speicherung von CO2. Die Speicherung erfolgt in geologischen Formationen wie leergeförderten Erdöl- bzw. -gasfeldern oder tiefliegenden, salzwasserführenden Gesteinsschichten (saline Aquifere). Abschätzungen zeigen, dass saline Aquifere sowohl national als auch global das größte Speicherpotential besitzen. So betragen die nationalen Speicherkapazitäten in Erdöl- und -gasfeldern nur ~2,4 Gt CO2 gegenüber 20 ± 8 Gt CO2 in salinen Aquiferen. Die zentrale Anforderung an alle Arten der geologischen CO2-Speicherung ist es, Leckagen aus dem Speicherkomplex zu verhindern und eine dauerhafte CO2-Speicherung sicherzustellen, um negative Auswirkungen auf das Klima sowie mögliche Gesundheits- und Umweltrisiken auszuschließen. Leckagen können punktuell an (Alt)bohrungen oder (re)aktivierten Störungen sowie flächenhaft durch das Deckgestein auftreten (Abb. 1). Um das Verhalten und die Ausbreitung des injizierten CO2 im Speicherhorizont zu überwachen und potenzielle Leckagen frühzeitig zu detektieren, sind umfangreiche geophysikalische und geochemische Monitoringtechniken notwendig. Neben der Leckage von CO2 und den damit verbundenen Gefahren können bei der Speicherung in salinen Aquiferen weitere Risiken entstehen. Das injizierte CO2 verdrängt die in den Speicherhorizonten vorhandenen salinen Formationsfluide (Abb. 1). Diese primär lateral verdrängten Formationsfluide können die Deckschichten durchdringen und/oder entlang von Störungen in höher gelegene Grundwasserhorizonte aufsteigen. Bedenkt man, dass bei der industriellen CO2-Speicherung die CO2-Fahnen im Speicherhorizont laterale Ausdehnungen im 10er bis 100er km2 Maßstab erreichen werden, ist von einer entsprechend weitreichenden Verdrängung und Mobilisierung der Formationsfluide auszugehen. Neben einem potenziellen Aufstieg in höher gelegene Horizonte kann diese Verdrängung der Formationsfluide auch einen limitierenden Faktor für die Kapazitätsberechnungen darstellen. Eine genaue Kenntnis, Bewertung und Überwachung der Ausbreitung der Formationsfluide ist deshalb für eine sichere, dauerhafte CO2-Speicherung unerlässlich. Abb. 1: Schematische Darstellung potenzieller Risiken bei der CO2Speicherung in salinen Aquiferen. Altbohrungen sowie (re)aktivierte Störungen stellen dabei mögliche Leckagewege für das CO2 dar. Zusätzlich führt die Ausbreitung des CO2 im Untergrund zu einer Verdrängung und Mobilisierung von salzhaltigen Formationsfluiden, die eventuell in höher gelegene Grundwasserhorizonte aufsteigen können. 77 Klima im System Erde Neue Gesundheitsrisiken Ulrich Kuch Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F), [email protected] Der anthropogene Klimawandel ist sowohl auf direkte als auch auf indirekte Weise mit einer Vielzahl von Risiken für die Gesundheit von Menschen, Nutz- und Wildtieren verbunden. In ihrer Häufigkeit zunehmende Extremwetter-Ereignisse wie Hitzewellen (oft mit Dürren und Bränden), Zyklone und besonders schwere oder lang anhaltende Regenfälle und Überflutungen ziehen neben ihren direkt beobachtbaren Auswirkungen ein breites Spektrum an Gesundheitsproblemen nach sich, das von wasser- und insektenübertragenen Infektionskrankheiten und Schlangenbissen bis hin zu akuter und chronischer Unterernährung und langanhaltenden sozialen Verwerfungen reichen kann. Langsamere Veränderungen wie steigende Temperaturen und Meeresspiegel, die zu einer Verringerung der nutzbaren Landfläche führen, oder allmähliche Änderungen von Niederschlägen und Grundwasser, erhöhen stetig die Verletzlichkeit der betroffenen Bevölkerung. Hieraus können Kettenreaktionen von Problemen für das öffentliche Gesundheitswesen entstehen, die ihre Zuspitzung nicht selten in der Herausforderung finden, unter widrigen Umweltbedingungen eine große Anzahl ihrer Lebensgrundlage beraubter Menschen versorgen zu müssen. Mit unerwünschten Auswirkungen des Klimawandels muss auch bei Vorkommen, Verbreitung und Häufigkeit bestimmter Pathogene und ihrer Überträger wie Stechmücken, Zecken oder Nagetieren gerechnet werden, die alle in vielfältiger Weise von klimatischen Faktoren abhängig sind. Die Komplexität der Veränderung ganzer Ökosysteme in Verbindung mit Aussterbe- und Einwanderungsereignissen und z.T. schneller genetischer Anpassung bedingt hier einen großen, fächerübergreifenden Forschungsbedarf. Besondere Brisanz verleiht dieser Thematik der Umstand, dass der Mensch durch Waren- und Reiseverkehr dem 78 Klimawandel sogar noch vorgreift, indem er „exotische“ Krankheitsüberträger wie die Asiatische Tigermücke (Abb. 1) um den ganzen Globus verbreitet. Nicht nur sind solche Tiere in der Lage, sich in Regionen mit bereits heute günstigem Klima dauerhaft auszubreiten und örtliche Pathogene zu übertragen, sie stellen auch Krankheitsüberträger dar, die sich in zweifachem Sinne „in der Warteschleife“ befinden: für wärmeres Klima in höheren Breiten und für die Ankunft der passenden tropischen Viren etwa in Zugvögeln oder erkrankten Reisenden. Klimabedingte Migration und damit zusammenhängende weitere unkontrollierte Urbanisation werden derartige Risiken potenzieren. Abb. 1: Die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) ist im Mittelmeergebiet bereits weit verbreitet. In Italien verursachte sie 2007 den Ausbruch des Chikungunya-Fiebers, einer tropischen Viruserkrankung. (Foto: James Gathany, CDC) Hochwasser-Risikomanagement in Zeiten des globalen Wandels Hochwasser-Risikomanagement in Zeiten des globalen Wandels Bruno Merz Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Sekt. 5.4 Hydrologie, [email protected] Hochwasserrisiken entstehen aus der Interaktion von Gefährdung, Exposition und Anfälligkeit. Alle drei Risikokomponenten ändern sich in der Zeit und die Änderungsraten werden zunehmend höher. Die Gefährdung, ausgedrückt durch die Wahrscheinlichkeit und Magnitude von Hochwasserabflüssen, verändert sich aufgrund des Klimawandels, auch wenn seine Auswirkungen auf die regionale Hochwassersituation heute noch mit sehr großen Unsicherheiten behaftet sind. Die Exposition erfasst die durch Hochwasser gefährdeten Menschen, Sachwerte und Ökosysteme. Ihre Anfälligkeit entscheidet letztendlich darüber, wie stark sie bei einem bestimmten Hochwasser geschädigt werden. Während sich der Klimawandel auf Zeitskalen von Dekaden und Jahrhunderten vollzieht, können sich Exposition und Anfälligkeit schneller ändern. Außerdem haben sie in vielen Fällen einen stärkeren Effekt auf Veränderungen des Hochwasserrisikos als Änderungen der Gefährdung. Abb. 1: Veränderung der Hochwassergefährdung in Deutschland für die Periode 1951-2002: Trendanalyse der Hochwasserabflüsse im Winterhalbjahr für 145 Einzugsgebiete. Punkte bzw. Pfeile zeigen die Lokation der Pegel. 23% der Einzugsgebiete zeigen einen signifikanten steigenden Trend (Pfeile), 77% der Einzugsgebiete zeigen keinen signifikanten Trend (Punkte), fallende Trends werden nicht detektiert. Der Klimawandel und andere weitreichenden und teilweise nicht vorhersagbaren Effekte des globalen Wandels vergrößern die Unsicherheit für den Umgang mit Hochwasserrisiken. In Anbetracht großer Unsicherheiten sind die traditionellen Schutzstrategien zu überprüfen. Es sind insbesondere adaptierbare und no-regret Strategien zu stärken und in das Risikomanagement zu integrieren. Literatur [1] aus Petrow, Th., Merz, B., 2009: Trends in flood magnitude, frequency and seasonality in Germany in the period 1951 – 2002. Journal of Hydrology, 371, 129 – 141 doi: 10.1016/j.jhydrol.2009.03.024. 79 Klima im System Erde Das Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F), Frankfurt auch in der Organisation des Biodiversität und Klima Forschungszentrums mit seinen sechs Projektbereichen wider (siehe Abb. 1). Volker Mosbrugger 1 & Krohmer, J.² Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, [email protected] 2 Biodiversität und Klima Forschungszentrum; Senckenberganlage 25, 60325 Frankfurt, [email protected] 1 Kernaufgabe des seit 1. Juli 2008 im Rahmen der hessischen Landes-Offensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) geförderten Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F) ist es, durch transdisziplinäre Forschung neue Erkenntnisse über die Wechselwirkungen zwischen Biodiversität und Klima zu gewinnen. Dabei werden mit innovativen Forschungsansätzen und unter Einsatz eines breiten Spektrums moderner Methoden – von der satellitengestützten Fernerkundung bis hin zu Molekulargenetik und Massenspektrometrie – die Zusammenhänge von Klimawandel und Biodiversitätsveränderungen in der erdgeschichtlichen Vergangenheit und in der Gegenwart analysiert. Ziel ist es, daraus verlässliche Projektionen für die Zukunft und mögliche Handlungsoptionen abzuleiten. Die Aufgabenstellung umfasst eine organismisch orientierte Klimafolgenforschung ebenso wie die Rückkopplungen der Biodiversitätsveränderungen auf das Klima. Untersucht werden dabei lang-, mittel- und kurzfristige Prozesse, nämlich die Wechselwirkungen zwischen Klima und Evolution, zwischen Klima und Arealveränderungen sowie zwischen Klima und ontogenetischen Anpassungen. Um auch die verschiedenen Lebensräume und Klimaregionen zu erfassen, werden die Studien in marinen und terrestrischen Systemen in tropisch/subtropischen, in gemäßigten und in alpin/polaren Klimazonen durchgeführt; eine räumliche Konzentration erfolgt auf ein NordSüd-Transekt von Nordeuropa über den gesamten Mittelmeerraum, die arabischen Küsten und Afrika bis in die Antarktis. Dieses wissenschaftliche Konzept spiegelt sich 80 Um die Forschungsergebnisse erfolgreich in die Politik und Anwendung zu übermitteln, erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Akteuren. Im Dialog mit den jeweils relevanten Anspruchsgruppen werden die Daten und Erkenntnisse des Forschungszentrums entsprechend aufbereitet. Hierzu gehören Beiträge in Form von Szenarien einer veränderten Fauna und Flora ebenso wie die Analyse der sozialökologischen und sozial-ökonomischen Wirkungen, die von einer solchen veränderten Tier- und Pflanzenwelt ausgehen, insbesondere hinsichtlich der Folgen für Nutzung und Schutz natürlicher Ressourcen und im Hinblick auf weitere ökosystemare Dienstleistungen. Beteiligte Partner: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (Frankfurt a.M., Federführung), Goethe-Universität (Frankfurt a.M.), Institut für sozial-ökologische Forschung (Frankfurt a.M.), Deutscher Wetterdienst (Offenbach); EUMETSAT (Darmstadt). Abb. 1: Struktur und Forschungsinhalte des neuen Forschungszentrums. Nordseesturmfluten im Klimawandel – Entwicklungen und Schutzmaßnahmen Nordseesturmfluten im Klimawandel – Entwicklungen und Schutzmaßnahmen Hans von Storch, Insa Meinke & Weisse, R. Institut für Küstenforschung, GKSS Forschungszentrum Geesthacht, [email protected], [email protected], [email protected] Der Meeresspiegel ist in den letzten 100 Jahren weltweit durchschnittlich etwa zwei Dezimeter angestiegen. Auch der Meeresspiegel in der Nordsee hat mit dieser Entwicklung ungefähr Schritt gehalten. Weil Sturmfluten daher heute durch den Meeresspiegelanstieg ein höheres Ausgangsniveau als früher vorfinden, laufen sie in der Nordsee durchschnittlich etwa zwei Dezimeter höher auf als noch vor 100 Jahren. Zusammenfassung Bisher hat sich der vom Menschen verursachte Klimawandel kaum auf die Nordseesturmfluten ausgewirkt. Künftig können sie jedoch höher auflaufen. Bis 2030 ist der derzeitige Küstenschutz an der Nordsee fast genauso wirksam wie heute. Bis Ende des Jahrhunderts kann jedoch Handlungsbedarf entstehen, denn bis dahin können Sturmfluten drei bis elf Dezimeter höher auflaufen als heute. Wie sich küstennahe Prozesse, wie zum Beispiel Gezeiten, Sedimentation und wasserbauliche Maßnahmen, auf Wasserstände in der Deutschen Bucht auswirken können, muss künftig noch erforscht werden. Bisher Sturmfluten nur durch Meeresspiegelanstieg höher Wie stark sich Sturmfluthöhen an der deutschen Nordseeküste ändern, hängt in erster Line vom Meeresspiegelanstieg und vom Windklima in der Deutschen Bucht ab. Die Windverhältnisse haben sich über der Nordsee mit dem Klimawandel bisher nicht systematisch verändert. Sowohl Wind- als auch Luftdruckmessungen zeigen vielmehr, dass Stärke und Häufigkeit der Nordseestürme im letzten Jahrhundert starken Schwankungen unterlagen. Diese liegen jedoch im normalen Schwankungsbereich. Eine Sturmsaison bringt heute aufgrund des vom Menschen verursachten Klimawandels weder heftigere noch häufigere Stürme in der Deutschen Bucht hervor als zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Dementsprechend laufen Sturmfluten heute windbedingt nicht höher auf als noch vor 100 Jahren. In Zukunft können sich zusätzlich stärkere Stürme auswirken Klimarechnungen für die Zukunft weisen darauf hin, dass der Meeresspiegel weltweit künftig stärker ansteigen kann als bisher. In den letzten Jahrzehnten ist der globale Meeresspiegel durchschnittlich bereits stärker angestiegen als zu Beginn des letzen Jahrhunderts. Würde man die derzeitige Anstiegsrate auf 100 Jahre linear fortschreiben, läge der Meeresspiegelanstieg bei etwa drei Dezimeter. Der UN Klimarat IPCC erwartet bis Ende des 21. Jahrhunderts einen Meeresspiegelanstieg von etwa zwei bis sechs Dezimeter. Das bedeutet, dass sich die durchschnittliche bisherige Anstiegsrate des letzten Jahrhunderts (zwei Dezimeter) im nächsten Jahrhundert verdreifachen kann, mindestens aber gleich bleibt. Bis 2030 könnte der Meeresspiegel im weltweiten Durchschnitt verglichen zu heute etwa ein bis zwei Dezimeter ansteigen. Außerdem können sich Prozesse in den großen Eisschilden Grönlands und der Antarktis so verstärken, dass sie den globalen Meeresspiegel zusätzlich ansteigen lassen. Insgesamt ist dann laut IPCC ein weltweiter Meeresspiegelanstieg von zwei bis acht Dezimeter bis zum Ende des 21. Jahrhunderts plausibel. Obwohl sich das Windklima über der Nordsee bisher nicht systematisch geändert hat, weisen Klimarechnungen für die Zukunft darauf hin, dass die Nordseestürme im Winter stärker werden können. Dies gilt vor allem für Stürme aus westlichen und nördlichen Richtungen. Hauptsächlich Stürme aus diesen Richtungen stauen auch die Wassermassen an der deutschen Nordseeküste auf. Sturmflutszenarien weisen darauf hin, dass Sturmflutwasserstände windbedingt bis zum Ende des Jahrhunderts höher auf- 81 Klima im System Erde laufen können. Die Wissenschaftler am GKSS-Institut für Küstenforschung erarbeiten derzeit weitere Szenarien für künftige windbedingte Änderungen von Sturmflutwasserständen in der Nordsee. Die aktuellen Ergebnisse haben die bisherige Spannbreite von einem bis drei Dezimeter bestätigt, um welche die Sturmflutwasserstände an der Nordseeküste bis Ende des Jahrhunderts höher auflaufen können. Geht man nun davon aus, dass der Meeresspiegelanstieg an der deutschen Nordseeküste auch künftig etwa dem durchschnittlichen globalen Meeresspiegelanstieg entspricht, wird auch das Ausgangsniveau der Nordseesturmfluten in Zukunft weiter ansteigen. Zusammen mit einem veränderten Windklima können Nordseesturmfluten bis zum Ende des Jahrhunderts dann insgesamt etwa drei bis elf Dezimeter höher auflaufen als heute. Bis 2030 ist der aktuelle Küstenschutz an der Nordsee ungefähr noch so wirksam wie heute, denn bis dahin werden Sturmfluten voraussichtlich „nur“ ein bis drei Dezimeter höher auflaufen als heute. Bis Ende des Jahrhunderts kann durch die erhöhten Sturmflutwasserstände allerdings Handlungsbedarf entstehen. Bis dahin müssten Küstenschutzmaßnahmen angepasst werden. Küstenbewohnern muss das Sturmflutrisiko bewusster werden, damit sie ihre Lebensbereiche vor möglichen Beeinträchtigungen schützen. Genauere Kenntnisse küstennaher Prozesse nötig Die künftigen Änderungen für den Meeresspiegelanstieg stammen aus dem jüngsten Bericht des UN Klimarates IPCC 2007. Der Meeresspiegel kann jedoch in verschiedenen Regionen unterschiedlich stark ansteigen. Beispielsweise können Änderungen der Ozeanzirkulation die Deutsche Bucht anders beeinflussen als den Golf von Mexiko. Außerdem können langfristige Änderungen im Luftdruck- und Schwerefeld der Erde zu unterschiedlichen Anstiegsraten des Meeresspiegels in verschiedenen Regionen führen. Die „Delta Commissie“ hat unter Mitarbeit 82 von GKSS-Wissenschaftlern für die Niederlande ein regionales „worst case“ Szenario erarbeitet. Demnach ist ein Meeresspiegelanstieg von dreizehn Dezimetern bis zum Ende des 21. Jahrhunderts an der Niederländischen Küste nicht auszuschließen. Für die deutsche Nordseeküste ist der mögliche zukünftige Meeresspiegelanstieg bisher nicht regional abgeschätzt worden. Die Angaben zu den veränderten künftigen Sturmflutwasserständen können sich somit ändern, wenn es genauere Abschätzungen zum regionalen Meeresspiegelanstieg in der Deutschen Bucht gibt. Wie hoch die Wellen dann tatsächlich am Deich auflaufen, wird neben dem Wasserstand auch durch den Seegang beeinflusst. Windbedingt liegen auch die bisherigen Änderungen des Seegangs im normalen Schwankungsbereich. In Verbindung mit den möglichen künftigen Änderungen des Windklimas kann sich der Seegang in der Deutschen Bucht während einer Sturmflut Ende des Jahrhunderts um zwei bis fünf Dezimeter erhöhen. Wie genau sich demzufolge künftig der Wellenauflauf am Deich verändern kann, ist bisher aber nicht bekannt. Neben dem Meeresspiegelanstieg und dem Windklima wirken sich außerdem die Gezeiten auf Sturmfluthöhen aus. Innerhalb der Deutschen Bucht haben sie sich seit Mitte des letzten Jahrhunderts zum Teil stark verändert. Die Ursachen hierfür und die möglichen künftigen Veränderungen im Gezeitenregime sind bisher noch ungeklärt. Auch Form und Beschaffenheit des Untergrundes können Sturmflutwasserstände verändern. Insbesondere im Bereich der Elbe haben sich Sturmflutwasserstände in der Vergangenheit stärker erhöht als in anderen Regionen der Deutschen Bucht. Als Ursache kommen auch wasserbauliche Maßnahmen infrage. Fraglich ist außerdem ob die küstennahe Sedimentation das Watt auch mit einem künftig möglicherweise stärkeren Meeresspiegelanstieg mitwachsen lässt. Wäre das nicht der Fall würde sich dies neben den Folgen für das Ökosystem auch auf die Sturmfluthöhen auswirken können. Bevor mögliche künftige Nordseesturmfluten im Klimawandel – Entwicklungen und Schutzmaßnahmen Änderungen durch den vom Menschen verursachten Klimawandel regional genauer abgeschätzt werden können müssen noch viele einzelne Prozesse und Wechselwirkungen genauer verstanden werden. Für die Beratung von Entscheidungsträgern vor Ort steht das Norddeutsche Klimabüro der GKSS zur Verfügung, ­siehe www.norddeutsches-klimabuero.de. Literatur: Grabemann, I., Weisse, R. (2008): Climate change impact on extreme wave conditions in the North Sea: an ensemble study Ocean Dynamics, 58(3-4), 199-212, doi:10.1007/s10236-008-0141-x Langenberg, H., Pfizenmayer, A., von Storch, H., Sündermann,J. (1999): Storm related sea level variations along the North Sea coast: natural variability and anthropogenic change, Cont. Shelf Res., 19, 821-842 Rockel, B., Woth, K. (2007): Future changes in near surface wind extremes over Europe from an ensemble of RCM simulations, Climate Change, doi:10.1007/s10584-006-9227-y von Storch, H., Gönnert, G., Meine, M. (2008): Storm surges an option for Hamburg, Germany, to mitigate expected future aggravation of risk, Env. Sci. Pol., 11, 735-742, doi:10.1016/j.envsci.2008.08.003 von Storch, H., Woth, K. (2008): Storm surges, perspectives and options, Sustainability Science, 3, 33-44, doi: 10.1007/s11625-0080044-2 Weisse, R., Plüß, A. (2006): Storm related sea level variations along the North Sea Coast as simulated by a high-resolution model 1958-2002, Ocean Dynamics, 56(1), 16-25, doi: 10.1007/s10236005-0037-y Woth, K. (2005): Projections of North Sea storm surge extremes in a warmer climate: How important are the RCM driving GCM and the chosen scenario? Geophys. Res. Lett., 32, L22708, doi:10.1029/2005GL023762 83 Klima im System Erde Wissenstransfer – eine zentrale Herausforderung Bernd Stribrny Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum, Abteilung Paläontologie und Historische Geologie, und BiKF Biodiversität und Klima Forschungszentrum, [email protected] Wissen, abgeleitet vom althochdeutschen Wort wizzan beziehungsweise von der indogermanischen Perfektform *woida, „ich habe gesehen,“ somit auch „ich weiß“ (Wikipedia), wird sehr unterschiedlich definiert und ist „a matter of on-going debate among philosophers“. Wissenstransfer läuft ganz allgemein durch jede Form der Kommunikation zwischen Personen oder Gruppen ab. Als Beispiele seien der Wissensfluss zwischen Professor und Student, Ärztin und Patient oder Verkäufer und Kunde genannt, wobei die Richtung des Austauschs keine Rolle spielt. Geschichtlich betrachtet stellen die Höhlenmalereien von Altamira (19 000–1200 v. Chr.), die Keilschrift der Sumerer (3500 v. Chr.), die Erfindung des Buchdrucks (1452 n. Chr.) und schließlich das Internet (1969 n. Chr.) Meilensteine im Einsatz neuer Techniken für den Wissenstransfers dar. Wissenstransfer über das Klima und System Erde – wo liegen hier die zentralen Herausforderungen? Erstens, beide Systeme verfügen über riesige Raum- und Zeitskalen, die sich der direkten Betrachtung – siehe oben „ich habe gesehen“ – und dem Vorstellungsvermögen entziehen. Zweitens stellen das Klima und die Erde komplexe multikausale Systeme dar, die durch intensive Wechselwirkungen miteinander verbunden sind (Abb. 1). Wissen über derartige Systeme zu erarbeiten ist schwierig, es zu transferieren ebenso. Für einen erfolgreichen Transfer ist es häufig notwendig, naturwissenschaftliches Systemwissen in allgemein verständliches „Handlungswissen“ zu überführen, damit es von Entscheidungsträgern in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aufgenommen und in Maßnahmen umgesetzt werden kann. Computergestütz- 84 te Entscheidungsunterstützungssysteme bieten hier neue Möglichkeiten bei der operativen oder strategischen Entscheidungsfindung. Bei unstrittigem Wissen läuft dieser Prozess meist problemlos, es sei denn, die Zielgruppe ist beratungsresistent. Strittiges Systemwissen aufzubereiten, um es in Handlungswissen zu transferieren, bedarf einer klaren Trennung von Beobachtung oder Nachricht und daraus abgeleiteter Interpretation beziehungsweise Kommentar. Gegensätzliche Auffassungen gilt es zunächst wertungsfrei aufzuzeigen und anschließend in einer Stellungnahme zu interpretieren. Dadurch hat die Zielperson gegebenenfalls die Möglichkeit, sich anhand der Faktenlage eine eigene Meinung zu bilden und die Interpretation zu akzeptieren oder zu verwerfen. Ein Beispiel für zunächst strittiges Wissen über das System Erde stellt Alfred Wegeners Theorie von der Kontinentalverschiebung dar. Wegener trug seine Beobachtungen am 6. Januar 1912 im Frankfurter Senckenberg-Museum vor. Anfangs wurde seine Theorie heftig diskutiert, dann beinahe vergessen, heute bildet sie die Grundlage für die Plattentektonik. Auch die Klimadebatte, geprägt von langwierigen Auseinandersetzungen über die Ursachen der Erderwärmung und die Höhe des anthropogenen Anteils, ist ein klassisches Beispiel für strittiges Wissen im Klimasystem. Problematisch entwickelt sich der Transfer, wenn Wissen aus politischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen geschönt, gefärbt oder gar mit Desinformationen versehen wird. Auch hierfür lassen sich Beispiele finden. Fazit: Wissenschaft hat die Pflicht, belastbares Wissen zu schaffen. Im Idealfall ist Wissen qualitätsgesichert. Nach dem Transfer muss Wissen als fundierte Basis für eine gesellschaftliche und politische Debatte taugen. Wissens­ transfer ist keine Einbahnstraße und häufig ebenso komplex wie das System Klima und Erde. Wissenstransfer – eine zentrale Herausforderung Abb. 1: Windkanter, durch Wind und Sand geschliffene Gerölle aus Geschieben der Weichsel-Eiszeit – ein klassisches Beispiel für Interaktionen zwischen Klima und Erde. Fundort: Niedersachsen. 85 Klima im System Erde Komplexe mikrobiologische Wechselwirkungen in Speichergesteinen – Auswirkungen auf CCS und Geothermie Hilke Würdemann, Daria Morozova & Stephanie Lerm Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Zentrum für CO2-Speicherung, [email protected] Obwohl die Existenz mikrobieller Gemeinschaften in tiefen Sedimenten mittlerweile anerkannt ist, wurde der Einfluss mikrobiologischer Stoffwechselprozesse auf die geotechnische Nutzung von Aquiferen bisher nicht systematisch untersucht. Erste Studien zeigten, dass Mikroorganismen sowohl die Injektivität im bohrlochnahen Bereich, die Mineralbildung im Reservoir als auch die Beständigkeit der verwendeten Materialien erheblich beeinflussen können. Aussagen zur Relevanz von Mikroorganismen für die im Reservoir ablaufenden Prozesse können mit Hilfe von molekularbiologischen Verfahren getroffen werden, weil sie auch nicht kultivierbare Organismen erfassen und Aussagen über die Stoffwechselaktivität der gefundenen Organismen liefern können. Ziel unserer Forschungsarbeiten ist eine Charakterisierung der mikrobiellen Biozönosen in Aquiferen und die Bewertung möglicher Wechselwirkungen mit der geotechnischen Nutzung. Aus den Ergebnissen sollen Handlungsempfehlungen für eine Optimierung der geotechnischen Nutzung abgeleitet werden. Am Beispiel eines Untertagelabors zur CO2-Speicherung und zweier geothermischer Anlagen wird die Bedeutung mikrobiologischer Stoffwechselvorgänge gezeigt. Eine vor Beginn der CO2-Injektion gefundene erhebliche Minderung der Injektivität konnte durch ein intensives Fluidmonitoring während der Reinigung der Injektionsbohrung auf untertage ablaufende mikrobiologische Prozesse zurückgeführt werden. Die Korrelation zwischen dem Gehalt an Feststoffen, dem gelösten organischen Kohlenstoff, den organischen Säuren und der Abnahme der Sulfatkon- 86 zentration im bohrlochnahen Bereich wiesen auf eine biologische Umsetzung der organischen Bestandteile der Bohrspülung hin. Dieser Prozess hatte die Bildung von Eisensulfid zur Folge, welches die Gesteinsporen im bohrlochnahen Bereich verstopfte. Für zwei geothermische Anlagen im Norddeutschen Becken ergaben sich klare Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen mikrobieller Aktivität und dem Auftreten von Korrosion und Injektivitätsminderung. Der Erfolg von Regenerationsmaßnahmen dokumentierte sich in der Änderung der Biozönose. So konnte im Anschluss an eine Desinfektion mit Wasserstoff­peroxid ein filamentöser, kompakte Biofilme bildender Mikroorganismus (Thiothrix) nicht mehr nachgewiesen werden. Abb. 1: Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme der mikrobielle Biozönose im Fluid der Injektionsbohrung (670m Tiefe) ein Jahr nach Start der CO2-Injektion. (Blau = DAPI, alle lebenden Zellen, rot = Sulphatreduzierer, grün = Eubakterien) Klima im System Erde Klima im System Erde Klima im System Erde Klima im System Erde TERRA NOSTRA – Schriften der GeoUnion Alfred-Wegener-Stiftung Übersicht über die erschienenen Hefte 2004–2009 2004/1 2004/2 2004/3 2004/4 2004/5 2005/1 2005/2 2005/3 2005/4 2005/5 2006/1 2006/2 2006/3 2006/3a 90 TSK X. 10. Symposium Tektonik, Struktur- und Kristallingeologie. Kurzfassungen der Vorträge und Poster. 31.03.–02.04.2004, Aachen. – 108 S. – Verkaufspreis: € 11,50 18th International Senckenberg Conference. VI International Palaeontological Colloquium in Weimar. Late Neogene and Quaternary Biodiversity and Evolution: Regional Developments and Inter­ regional Correlations. Conference Volume. April 25–30, 2004, Weimar, Germany. – 289 S. – Verkaufspreis: € 21,A.M.S.El. Workshop 2004. „Analytik als Werkzeug für die Klima- und Geoforschung“. Programme und Zusammenfassungen der Tagungsbeiträge. 7.–8. Juni 2004, Alfred-Wegener-Institut, Bremerhaven. – 42 S. – Verkaufspreis: € 7,XXVIII SCAR & COMNAP XVI. SCAR Open Science Conference. “Antarctica and the Southern Ocean in the Global System”. XI SCARLOP Symposium. “Towards the International Polar Year and Beyond”. Abstract Volume. July 25–31, 2004, Bremen, Germany. – 480 S. – Verkaufspreis: € 26,Proceedings of the XI SCALOP Symposium. “Towards the International Polar Year and Beyond”. 28 July, 2004, Bremen, Germany. – 242 S. – Verkaufspreis: € 21,19th Colloquium on Latin American Geosciences. April 18–20, 2005, Potsdam. – 147 S. – Verkaufs­preis: € 14,2nd European Conference on Permafrost. Programme and Abstracts. June 12–16, 2005, Potsdam, Germany. – 224 S. – Verkaufspreis: € 20,22. Internationale Polartagung der Deutschen Gesellschaft für Polarforschung. Programm und Zusammenfassung der Tagungsbeiträge. 18.–24. September 2005, Jena. – 151 S. – Verkaufspreis: € 14,50 2nd International Alfred Wegener Symposium. Programme and Abstract. October 30 – November 02, 2005, Bremerhaven, Germany. – 115 S. – Verkaufspreis: € 13,DFG-SPP 1135. Dynamics of the Central European Basin System. 4th Rundgespräch. November 30 – December 02, 2005, Eringerfeld, Germany. 136 S. – Verkaufspreis: € 14,- vergriffen ICDP-Workshop PASADO. Potrok Aike Lake Sediment Archive Drilling Project. Scientific Programme – Abstract Volume – Excursion Guide – Participants. March 15–19, 2006, Rio Gallegos, Santa Cruz, Argentina. – 90 S. – Verkaufspreis: € 11,50 150 Years of Neanderthal Discoveries. Early Europeans – Continuity & Discontinuity. Congress, July 21st–26th, 2006 in Bonn, Germany. – 170 S. – Verkaufspreis: € 17,Shaping the Earth’s Surface: Dynamics and Changing Environments. GV International Conference 2006 and 96th Annual Meeting of the Geologische Vereinigung e.V. September 25–29, 2006, Potsdam, Germany. – 118 S. – Verkaufspreis: € 14,Geomagnetic Field Variations: Space-Time Structure, Processes, and Effects on System Earth. International Final Colloquium of the German Science Foundation Priority Programme 1097. Jointly organized by the Deutsche Forschungsgemeinschaft and the Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina. October 4–5, 2006. – 120 S. – Verkaufspreis: € 14,- TERRA NOSTRA – Schriften der GeoUnion Alfred-Wegener-Stiftung 2007/1–2 The Oceans in the Earth System. International Conference 2007 and 97th Annual Meeting of the ­Geologische Vereinigung e.V. (GV), Bremen, Germany, October 1–5, 2007. – 267 S. – Verkaufspreis: € 21,2008/1 23. Internationale Polartagung der Deutschen Gesellschaft für Polarforschung. Münster, 10.–14. März 2008. Programm und Zusammenfassung der Tagungs­beiträge. – 107 S. – Verkaufspreis: € 14,2008/2 12th International Palynological Congress (IPC-XII), 8th International Organisation of Palaeo­ botany Conference (IOPC-VIII). Abstract Volume. August 30 – September 5, 2008 in Bonn, Germany. – 337 S. – Verkaufs­preis: € 25,2009/1 KALMAR – First Bilateral Workshop on Russian-German Cooperation on Kurile-Kamchatka and the ­Aleutean Marginal Sea-Island Arc Systems. Program and Abstracts. Petropavlovsk-Kamchatka, Russia, April 27 – May 1, 2009. – 73 S. – Verkaufspreis: € 10,2009/2 System Erde – Mensch. Handlungsoptionen und Managementstrategien. Dokumentation der ­Strategiekonferenz am 12. und 13. Juni 2008 in Berlin. Herausgegeben von Rolf Emmermann, Gerold Wefer und Volker Mosbrugger. – 118 S. – Verkaufspreis: € 5,2009/3 Paläontologie. Schlüssel zur Evolution. 79. Jahrestagung der Paläontologischen Gesellschaft, Bonn, 5.–7. Oktober 2009. Kurzfassung der Tagungsbeiträge. – 126 S. – Verkaufspreis: € 14,2009/4 Annual Meeting of the German Association of Stable Isotope Research (GASIR). Abstract Volume. – Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Stabile Isotope e.V. (ASI). Tagungsband. – AWI Potsdam, 5.–7. Oktober 2009. – 86 S. – Verkaufspreis: € 10,- Gesamtübersicht über die Hefte seit 1993: http://www.geo-union.de/TERRA_NOSTRA_1993-2008.pdf 91 Klima im System Erde