Spectrum Erlebnisraum Stiegenhaus

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Coca - Cola - Beverages
Triester Straße 91
1100 Wien, Österreich
© Margherita Spiluttini
Erlebnisraum Stiegenhaus
SAMMLUNG
Vorher: eine Fünfziger-Jahre-Ruine an der Wiener Südausfahrt. Nach der
Adaptierung durch Elsa Prochazka: ein ausgetüfteltes, lichtdurchflutetes Büro-und
Betriebsgebäude. Wo Umbau mehr bedeutet als routinierte Innenraumorganisation
und Facelifting.
ARCHITEKTIN
von Liesbeth Waechter-Böhm
FUNKTION
Die schlichte Aluminium-Kiste des umgebauten Coca-Cola-Werkes von Elsa Prochazka
steht an einem – aus städtebaulicher Sicht – neuralgischen Punkt im Wiener Süden. Das
ursprüngliche Gebäude wurde in den fünfziger Jahren errichtet und formulierte früher
einmal gemeinsam mit dem Philips-Haus auf der gegenüberliegenden Seite der Triester
Straße eine Art Tor zur Stadt. Danach kam nur noch der Abhang des Wienerberges mit
seiner gewaltigen Industriebrache und einer keineswegs reizlosen Teichlandschaft, die die
Ziegelwerke hier gegraben hatten.
Nun, die Zeiten ändern sich, und Städte entwickeln sich. Am Wienerberg schritt diese
Entwicklung ohnehin vergleichsweise langsam voran. Aber jetzt ist sie in dynamischer
Bewegung. Die Baukräne des Fuksas-Doppelhochhauses beweisen es: Hier wird die
Grenze der Stadt sichtbar hinausgeschoben, das dicht bebaute urbane Gebiet wächst.
Unter diesen komplexen Voraussetzungen kann man den Umbau eines solchen Büro-und
Betriebsgebäudes nicht nur als routinierte Innenraum-Organisation, verbunden mit einem
äußerlichen Standard-Lifting, auffassen. Allerdings hätte sich Elsa Prochazka wohl auch in
einer weniger empfindlichen Situation nicht für Allerweltslösungen der gängigen Art bereit
gefunden.
Die Aufgabenstellung war so: Es gab zwei, keineswegs besonders große Betriebs- und
Bürogebäude vorne an der Triester Straße, der Südausfahrt Wiens. Das erste, jetzt
umgebaute, stammt aus den fünfziger Jahren: Seinerzeit, als man durch eine riesige
Glasscheibe im Erdgeschoß auf ein Fließband schauen konnte, über das die leeren
Cola-Flaschen zum Befüllen wanderten, war es vor allem für Kinder eine Sensation. Später
dann, in den sechziger oder frühen siebziger Jahren, kam das zweite Gebäude hinzu.
Verbunden waren diese Bauten durch ein Stiegenhaus, das allerdings nur bis zum zweiten
Obergeschoß reichte. Übrigens verdecken die beiden Häuser – quasi als „Kopfbauten “–
ein dahinter liegendes, sehr ausgedehntes Betriebsareal mit zahlreichen Lagerhallen und
einer – im wörtlichen Sinn – eindrucksvollen „Kistenlandschaft“.
Man kann ruhig sagen, daß beide Häuser unter architektonischen Gesichtspunkten immer
schon als Trivialität abzuhaken waren. Das ist noch nicht einmal boshaft. Aber nun hat sich
© Margherita Spiluttini
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Spectrum
Elsa Prochazka
BAUHERRIN
Coca-Cola Beverages Austria GmbH
Büro und Verwaltung
AUSFÜHRUNG
1997 - 1998
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Coca - Cola - Beverages
das geändert.
Und diese Veränderung wurde mit schlichten, dabei höchst raffinierten, also intelligent
eingesetzten Mitteln bewerkstelligt. Was man sieht, ist eine Aluminiumhaut mit einer auf
den ersten Blick markant unregelmäßig erscheinenden Fensterlösung. Da sitzen schmale,
lange Öffnungen über teils quadratischen, teils im Format halber, hochgestellter Quadrate
zugeschnittenen Fenstern. Da gibt es aber auch schmale, eher kurze „Unterfenster“
(Prochazka). Klar, daß daraus ein Muster entsteht; ein unregelmäßiges Muster, aber doch
geometrisiert, systematisiert, digitalisiert? Das System ist nicht gleich durchschaubar.
Wer die Arbeiten von Elsa Prochazka kennt, der wird natürlich folgerichtig schließen, daß
das, was man von draußen sieht, mit dem, was sich drinnen abspielt, zu tun hat. Und so ist
es auch. Die Fassadenlösung wurde so entwickelt, daß sie optimale Arbeitsplätze in den
Büros garantiert. Und das heißt bei der heutigen Bildschirmarbeit: Oberlichten,
Unterfenster und Fenster, die individuell beschattbar sind, die aber nicht unbedingt
beschattet werden müssen, weil sie so angeordnet sind, daß sich der Arbeitsplatz im
Raum entsprechend situieren läßt. Es fällt das Licht nie direkt auf den Bildschirm.
Bei einer solchen Fassadenlösung fragt man sich heutzutage automatisch: Ja, aber wie
trägt das dem Anspruch Rechnung, daß ein Bürohaus flexibel sein soll? Wenn die
Fensterlösung derartig maßgeschneidert ist, wie kann sie dann noch funktionieren, wenn
sich die Büroaufteilung im Inneren eines Tages ändert? Das Zauberwort heißt:
„computergenerierte Fassade“.
Das bedeutet, daß alle möglichen Umbauvarianten schon im Vorfeld der Planung
durchgerechnet wurden; es bedeutet, daß solange herumgetüftelt wurde, bis eine Lösung
herauskam, die den jetzigen Ansprüchen genügt und auch allen erdenklichen Varianten
künftiger Nutzungen gerecht wird. Auch rein zeichnerisch ließe sich eine solche Planung
entwickeln. Nach dem Aufwand darf man allerdings nicht fragen, denn der ist auch schon
bei der Computervariante groß.
Ursprünglich hat das Haus im Erdgeschoß und auf dem ersten Obergeschoß
Produktionsräume beinhaltet, darüber war ein Lagerraum, und wieder darüber waren
Büros. Zu diesen vier Ebenen kommt nun eine fünfte, neue dazu, und das alte
Stiegenhaus wurde weggerissen und durch ein neues ersetzt, das beide Gebäude des
Bestands optimal verbindet.
Optimal heißt, daß durch dieses Stiegenhaus auch unterschiedliche Geschoßhöhen
miteinander verknüpft sind. Und das mit einem Minimum an Raum: Da mußte zum Teil mit
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Rampenlösungen ausgeglichen werden, die Sichtbetonstiege ist überdies verhältnismäßig
steil. Es war sehr wenig Platz. An ein Stiegenauge, an vielgeschoßigen Luftraum war unter
diesen Umständen nicht zudenken.
Elsa Prochazka hat etwas entwickelt, was einen solche Zwänge vollständig übersehen
läßt. Sie hat statt einer Brüstung eine Wand kreiert, die in Leichtbauweise errichtet und mit
petrolfarben lasierten Platten verkleidet ist. Durch den signifikanten Zuschnitt – es gibt
„ausgeschnittene“Durchsichten und „Oberlichten“, wo es einen geradezu weiterzieht, und
die Beleuchtung ist überaus minuziös gesetzt – schafft es diese Wand, aus dem engen
Treppenhaus, das allerdings lichtdurchflutet ist, weil es nach außen optimale
Fensterflächen hat, einen Erlebnisraum zu machen.
Man kommt gar nicht auf die Idee, daß man hier durch ein – mit höchsten
Brandschutzauflagen bedachtes – „Notstiegenhaus“ geht, es ist ein Raum, ein Baukörper,
dessen Position und Außenansicht ein eigenständiges Statement darstellt.
Man muß überhaupt sagen: Elsa Prochazka hat für diesen Umbau eine Lösung und auch
eine ästhetische Sprache entwickelt, die zwar eindeutig und selbstbewußt sind, die aber
den nebenstehenden Banalbau nicht irgendwie „blamieren“.Nur en passant angemerkt:
Möglicherweise läßt eine solche Haltung auch gewisse Rückschlüsse auf die Berechtigung
jener angeblich kompromißlosen Zwanghaftigkeit der Selbstverwirklichung von Architekten
zu, mit der man es immer wieder zu tun hat, wenn es um „anspruchsvolle“ Architektur geht.
Natürlich ist es so: Elsa Prochazka agiert kompromißlos. Aber auf einer anderen Ebene.
Daß die Sache funktioniert, ist sowieso das oberste Gebot, aber daß sie sich sehen lassen
kann, ist schlichtweg eine Folge davon. Aus dem Haus ist ein bemerkenswertes
Bürogebäude geworden, aber nicht weil die Architektin geglaubt hat, eine neue Antwort auf
das Thema Bürohaus zu erfinden.
Die Räume sind – eigentlich ganz konventionell – entlang der Fassaden organisiert, und in
der Mittelzone wurden Nebennutzungen angesiedelt. Wie gesagt, solche zweihüftigen
Lösungen sind durchaus üblich. Es kommt halt immer darauf an, was man daraus macht.
Elsa Prochazka hat einen aufregenden Raum daraus gemacht. Sie hat für die
Nebenfunktionen – von der Teeküche bis zum Besprechungsraum – Körper, Räume
formuliert, die einen unglaublich spannenden Binnenraum entstehen lassen.
Denn diese Raumeinheiten stehen tatsächlich als einzelne Körper – oder Objekte – da.
Und sie verleihen dem durchgehenden Geschoß eine Art Rhythmus. Sie geben den Takt
an. Von den ganz einfach, aber sehr ansehnlich entworfenen Garderobenschränken für
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Besucher bis zu den – als Leichtkonstruktion in den Raum gestellten und beplankten –
Raumeinheiten für Konferenzen. Dort herrscht übrigens die Farbe Türkis vor. Elsa
Prochazka hat die simplen Sperrholzplatten also nicht einfach natur verwendet, sondern für
einen gewissen „Kick “gesorgt.
Es ist wirklich höchst reizvoll, was aus diesem ausgeräumten Stahlbetonskelett, dieser
auch zuvor schon mehrfach umgebauten Fünfziger-Jahre-Ruine letztlich geworden ist. Es
ist ein lichtdurchflutetes Bürohaus, das atmosphärisch eine Großzügigkeit suggeriert, die
sich flächenmäßig ganz gewiß nicht belegen läßt. Aber auf diesem Gebiet, man weiß es
von den vielen anderen Arbeiten der Elsa Prochazka, ist sie ohne Zweifel eine Meisterin.
Wie man mit Innenräumen umgeht, was man daraus machen kann – es gibt wohl
niemanden in Österreich, der das überzeugender, besser vorgeführt hätte. Bleibt das
Thema der Haut. Und die Haut des Gebäudes am Wienerberg, überzeugt in ihrer subtilen
Ausgetüfteltheit genauso wie zum Beispiel die Glasfassade des Schulzubaus, den Elsa
Prochazka vor Jahren realisiert hat.
Es ist schon so: Gute Lösungen kommen nicht von ungefähr. Sie haben eine
Vorgeschichte. Und Elsa Prochazka ist jemand, der diese Vorgeschichte nicht nur
durchgestanden, sondern auch eine ganz eigene sprachliche Kraft daraus destilliert hat.
Es gibt nicht sehr viele Frauen in der Architektur, denen man Aufgaben einer großen
Größenordnung zutrauen und wünschen würde. Wenn es eine gibt, dann ist es Elsa
Prochazka.
Spectrum, 04.12.1999
WEITERE TEXTE
Coca - Cola - Beverages, Az W, 14.09.2003
Coca Cola Beverages , Aluminium-Fenster-Institut, 04.05.2005
Architektonische Schichtungen, Margit Ulama, Neue Zürcher Zeitung, 02.07.1999
Muster der Moderne, Der Standard, 06.06.2003
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