Reisebericht 2010 - Deutsch Polnische Gesellschaft in Franken

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DEUTSCH-POLNISCHE GESELLSCHAFT
IN FRANKEN E. V.
TOWARZYSTWO NIEMIECKO-POLSKIE
WE FRANKONII
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«Unsere Reise in den Südosten Polens – auf den Spuren des Judentums»
- vom 31. August bis 9. September 2010 An den einzelnen Stationen dieses Reiseprojekts, an dem 32 Personen teilgenommen haben, wurden nicht nur Schlösser, Kirchen und Marktplätze besichtigt sondern vor allem
auch diejenigen Stätten aufgesucht, die an die jüdische Geschichte und Kultur sowie an
ihr jähes Ende erinnern.
Erste und letzte Station war Nürnbergs Partnerstadt Krakau, in der sich unsere Gruppe
nach der Besichtigung der Innenstadt mit seinem großen Hauptmarkt, den Tuchhallen,
dem Collegium Maius der Jagiellonen-Universität und mehreren bedeutenden Gotteshäusern, wie der Marienkirche und der Kirche des Franziskanerklosters, vor allem dem Stadtteil Kazimierz widmete, der unter König Kasimir III. als selbständige Stadt zur Ansiedlung
der aus Westeuropa vertriebenen Juden gegründet worden war.
Kraków
Wawel-Kathedrale
Wawel (1030 - 1596 königliche Residenz)
Arkadenhof des Schlosses
-2-
Marienkirche (1335 gestiftet)
Hochaltar von Veit Stoß (1477 - 1489)
Tuchhallen auf dem Hauptmarkt (erster Bau im 14. Jh., Umbau im 19. Jh.)
Franziskaner-Kloster (1255 gegründet)
„Gott, der Vater - es werde Licht!"
Jugendstil-Kirchenfenster
von Stanis!aw Wyspia"ski
-3-
Collegium Maius - das älteste Gebäude der Jagiellonen-Universität - gegründet 1364
In Kazimierz gibt es heute wieder sieben Synagogen. Die älteste wurde bereits zum Ende
des 15. Jahrhunderts gebaut; es handelt sich um die „Alte Synagoge“, in der sich heute die
jüdische Abteilung des Historischen Museums der Stadt Krakau befindet. An der ulica Szeroka, der Breiten Straße, die eigentlich ein Platz und das Zentrum des jüdischen Kazimierz
ist, befindet sich die um 1550 erbaute „Remuh-Synagoge“, die auch heute noch als Gotteshaus dient. Hinter ihr liegt der jüdische Friedhof aus dem Jahre 1551, der älteste der
Stadt, mit zahlreichen künstlerisch wertvollen Grabsteinen. Hier wird vor allem das Grab
des Erbauers der Synagoge, Rabbi Moses Isserles, von Juden aus aller Welt besucht. Seit
1800 wird der Friedhof nicht mehr für Begräbnisse genutzt. Die besonders schöne „Tempel-Synagoge“ ist die jüngste in Kazimierz; das 1860 durch die ‚Fortschrittlichen Israeliten’
erbaute Gotteshaus war Zentrum der jüdischen Intelligenz.
Im Jahre 1867 wurde Kazimierz nach Krakau eingemeindet.
1941 wurden die Krakauer Juden gezwungen, in das Ghetto umzuziehen, und zwar in den
auf der anderen Seite der Weichsel gelegenen Stadtteil Podgórze. Ein Denkmal zu Ehren
der 65.000 Krakauer Juden, die im Holocaust ums Leben kamen, steht im Zentrum von
Kazimierz, in der Mitte der ulica Szeroka.
Alte Synagoge (15. Jh.) - heute Museum
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Remuh-Synagoge (1550)
Remuh-Friedhof
Tempel-Synagoge (1860)
In den letzten zwanzig Jahren hat sich das traurige Kazimierz enorm entwickelt; Museen,
Galerien, Cafés und Restaurants mit jüdischer Küche und Klezmer-Musik wurden eröffnet.
Der Abend im „Klezmer Hois“ war ein besonders schöner Abschluss dieses Tages.
Klezmer Hois
Von Krakau aus ging es ostwärts zu den in den letzten Jahren gut restaurierten Städten
Tarnów und Rzeszów, in denen auch bewusst auf Spuren der jüdischen Vergangenheit
hingewiesen wird.
-5In unmittelbarer Nähe des Marktplatzes von Tarnów mit seinem schönen Rathaus aus dem
15. Jahrhundert, das mit backsteinernen Renaissance-Attiken geschmückt ist, zahlreichen
Bürgerhäusern und der gotischen Basilika St. Maria, die seit 1785 Kathedrale ist, liegt das
ehemalige jüdische Viertel, das fast unzerstört geblieben ist; von der großen Synagoge ist
jedoch nur noch die Bimah erhalten. 1939 hatte die Stadt etwa 56.000 Einwohner, von
denen die Hälfte Juden waren; nur wenige von ihnen konnten den Holocaust überleben.
Die meisten kamen im Vernichtungslager Bel#ec und in Auschwitz ums Leben, aber auch
in der Stadt selber wurden Tausende erschossen.
Im Regionalmuseum am Markt gibt es eine Abteilung über die Geschichte der Juden von
Tarnów. Besonders erwähnenswert ist auch das Ethnografische Museum, in dem ausschließlich die Geschichte und Kultur der Sinti und Roma in Polen präsentiert werden,
und somit auch das Schicksal von etwa 50.000 Zigeunern, die wie die Juden in Auschwitz,
Be!#ec und Sobibór ermordet wurden.
Tarnów
Marktplatz mit Rathaus (15. Jh.)
Basilika St. Maria - seit 1785 Kathedrale
Regionalmuseum mit einer Abteilung
über die Geschichte der Tarnower Juden
-6-
Bimah der ehem. „Alten Synagoge“
ulica $ydowska (Judengasse)
In Rzeszów, der Hauptstadt der Wojwodschaft Podkarpackie (Vorkarpatenland), deren Gebäude in den letzten Jahren sehr gut restauriert und renoviert wurden, ist das jüdische
Viertel nicht mehr vorhanden, allerdings wurden die Gebäude von zwei Synagogen in den
60er Jahren wieder aufgebaut, und ein Gedenkstein für die Nazi-Opfer befindet sich auf
dem ehemaligen alten jüdischen Friedhof, dessen Grabsteine zur Straßenpflasterung verwendet wurden. Von den einst 15.000 Juden haben 100 den Holocaust überstanden.
Rzeszów
ehem. Altstädtische Synagoge
Lubomirski-Schloss
Rathaus
ehem. Neustädtische Synagoge
-7Wenige Kilometer östlich liegt das Städtchen !a"cut mit einem der schönsten Schlösser
Polens, das von 1629 bis 1642 erbaut wurde und in dem die Fürsten Lubomirski und Potocki residierten. Am Rande des Schlossparks steht eine kleine Synagoge, ein Barockbau,
der 1761 eine Holz-Synagoge ersetzte. Dass diese Synagoge den 2. Weltkrieg einigermaßen
unbeschadet überstand, hat sie dem letzten Fürsten Alfred Potocki zu verdanken. Kurz
bevor er 1944 aus !a"cut flüchtete, sah er, dass sie in Flammen stand, und bat deutsche
Soldaten, sie zu löschen, was diese auch taten. Dies war möglich, weil bekannt war, dass
preußisches Blut in seinen Adern floss, da seine Mutter aus dem Hause Hohenzollern
stammte. Die Synagoge zählt heute zu den schönsten in Polen.
!a"cut
Schloss !a"cut
Schlosspark
die Synagoge von !a"cut - mit pastellfarbenen Fresken ausgemalt
-8Etwa 20 km vor Zamo#$ liegt das Städtchen Szczebrzeszyn; jeder Pole kennt diesen Namen
und zitiert sofort die erste Zeile eines Gedichts von Jan Brzechwa, die gleichzeitig veranschaulicht, wie schwer es doch ist, die polnische Sprache zu erlernen, vor allem die Vielzahl von direkt aufeinander folgenden Konsonanten auszusprechen. Dieser Zungenbrecher
„W Szczebrzeszynie chrz%szcz brzmi w trzcinie“ bedeutet etwa: „In Szczebrzeszyn tönt der
Käfer im Schilfrohr“. Am Rande der Stadt steht dem Dichter zu Ehren ein kleines hölzernes
Denkmal, das einen Geige spielenden Käfer in der Nähe einer Quelle darstellt.
Vor dem 2. Weltkrieg lebten in Szczebrzeszyn ca. 4.000 Juden, was 40 % der Stadtbevölkerung ausmachte. Im August und Oktober 1942 wurden etwa 2.000 von ihnen nach Bel&ec
abtransportiert. Etwas später fand die Liquidierung der anderen 2.000 Juden der Stadt
auf dem jüdischen Friedhof statt.
Die im 17. Jahrhundert errichtete Synagoge diente den Juden der Stadt als Gotteshaus bis
1940, als sie von den Deutschen niedergebrannt wurde. Von 1957 bis 1963 wurde sie wieder aufgebaut; in ihr befindet sich ein Saal für Konzerte und Theateraufführungen. 1991
wurde eine Tafel angebracht, mit Informationen in hebräischer, jiddischer und polnischer
Sprache. Das Gebäude ist gerade renoviert worden; seit einigen Wochen befindet sich im
Eingangsbereich eine kleine Ausstellung über die Geschichte der Synagoge.
Szczebrzeszyn
Geige spielender Käfer
ehem. Synagoge
Eine wichtige Station der Reise ist die Stadt Zamo#$, die sich im 16. Jahrhundert Jan Zamojski, reicher Magnat, Großkanzler des Königreichs, im italienischen Renaissance-Stil
erbauen ließ, was ihr auch die Bezeichnung ‚Padua des Nordens’ einbrachte. Offiziell wurde
sie nach ihm Zamo#$ genannt. Kurz danach erhielten Juden das Wohnrecht in der Stadt
und die Genehmigung zum Bau einer Synagoge.
1989, nach der Wende, wurde Marcin Zamojski, 17. Graf im Stammbaum seiner Familie,
zum Bürgermeister gewählt. Er engagierte sich sofort dafür, dass seine Stadt auf die Liste
des Weltkulturerbes der UNESCO gesetzt wurde.
-9Im Zentrum liegt der Große Markt mit seinem Rathaus, das mit seiner Freitreppe und dem
hohen Turm einen imposanten Eindruck macht. Der Platz ist von meist zweistöckigen Arkadenhäusern gesäumt, in denen einst Kaufleute wohnten, die aus fernen Ländern wie
Armenien, Griechenland, Italien oder Schottland stammten. Die reich dekorierte Synagoge
liegt nicht weit vom Markt entfernt; sie diente seit den 50er Jahren als Bibliothek, wurde
vor kurzem der jüdischen Gemeinde zurück gegeben, wird momentan restauriert und soll
demnächst ein Jüdisches Kulturzentrum sowie ein Museum für die Geschichte der Juden
in der Gegend von Zamo#$ beherbergen.
Zamo#$
Armenische Bürgerhäuser
am Großen Markt
Rathaus am Großen Markt
ehem. Kollegiatskirche
- seit 1992 Kathedrale -
1939 betrug die Einwohnerzahl von Zamo#$ 28.873, davon 12.531 Juden. Im September
wurde die Stadt von deutschen Truppen besetzt, zwölf Tage später von russischen. Bevor
im Oktober die Deutschen zurück kamen, hatten mehrere tausend Juden die Stadt mit den
Russen verlassen. Doch es wurden dann Tausende von Juden aus dem Warthegau nach
Zamo#$ gebracht, später auch aus Westfalen und Böhmen.
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ehem. Wohnsitz des Rabbiners
ehem. Synagoge (gerade außen frisch renoviert)
Neben der „Aktion Reinhardt“, die im gesamten Generalgouvernement die totale Vernichtung der jüdischen Bevölkerung zum Ziel hatte, wurde 1942 und 1943 in der Region von
Zamo#$ auch noch die „Aktion Zamo#$“ durchgeführt; es wurden also aus den kleinen Orten der Region und aus der Stadt insgesamt 120.000 Polen umgesiedelt, teils nach Osten
teils ins Reich zur Zwangsarbeit, viele auch nach Majdanek und nach Auschwitz gebracht.
Auf diese Weise wurde Platz für zwangsumgesiedelte Volksdeutsche geschaffen; die Region
wurde „germanisiert“. Als dann Zamo#$ „judenfrei“ und fast auch „polenfrei“ war, schlug
Odilo Globocnik vor, die Stadt „Himmlerstadt“ zu nennen, doch Himmler nahm dieses Geschenk nicht an, da zu diesem Zeitpunkt noch keine Stadt nach dem Führer benannt war;
daraufhin erhielt Zamo#$ den Namen „Pflugstadt“.
Auf dem Besichtigungsprogramm stand vor allem das Rotunde-Mausoleum, denn in dieser
Befestigungsanlage waren ab 1940 zunächst Angehörige der polnischen Intelligenz und
Personen des öffentlichen Lebens untergebracht, von denen auch die meisten erschossen
wurden. Die Rotunde diente dann als Durchgangslager, später auch als Vernichtungslager
für die jüdische Bevölkerung. Die Zahl der Toten belief sich insgesamt auf etwa 6.000 bis
8.000. Weitere 6.000 wurden nach Bel&ec gebracht.
Rotunde-Mausoleum
- 11 -
Teil des Friedhofs an der Rotunde
mit Gräbern ermordeter polnischer Bürger
Gräber ermordeter Juden
Etwa 20 Kilometer nördlich von Zamo#$, an der Straße nach Lublin, liegt das kleine Städtchen Izbica, das bis zum Ersten Weltkrieg 100 % und in der Zwischenkriegszeit 90 % jüdisch war. Es gab hier eine Synagoge, aber keine Kirche. Übrigens hat Izbica bis heute keine Kirche, wahrscheinlich als einziger Ort in Polen. 1939 lebten dort etwa 3.000 Juden.
Kurz nach der Okkupation wurde Izbica wegen seiner günstigen Lage zum Konzentrationslager bzw. Transitghetto; es wurde zum größten Durchgangsghetto im Lubliner Distrikt,
denn es lag an der Bahnlinie, die Transporte nach Bel&ec und nach Sobibór ermöglichte.
Sofort nach Inbetriebnahme des Vernichtungslagers Bel&ec im März 1942 erreichten die
ersten Deportationszüge aus dem Deutschen Reich das Ghetto von Izbica, davon allein mit
etwa 1.000 Juden aus der Gegend von Würzburg und aus Nürnberg, und einen Monat später noch einmal mit etwa 1.000 Juden aus Nürnberg.
Von März bis Juni 1942 sollen insgesamt 17.000 Juden aus Westeuropa dorthin deportiert
worden sein. Viele von ihnen waren nicht an die primitiven Lebensbedingungen gewöhnt
und sind daher schon in Izbica an Erschöpfung, Hunger und Krankheiten gestorben.
Neben den Transporten in die Vernichtungslager führte die SS auch in Izbica Massenhinrichtungen durch, so zum Beispiel am 2. November 1942, als etwa 2.000 Juden auf dem
jüdischen Friedhof erschossen wurden. Dieser wurde während des Krieges völlig verwüstet,
und die Grabsteine wurden dazu benutzt, um einen Gestapo-Posten zu bauen. Auf dem
Friedhof sind nur drei Originalgrabsteine erhalten geblieben. Am Mittelweg steht ein
Denkmal zum Andenken an alle in Izbica ermordeten Juden. Seit 2006 befindet sich dort
auch ein Gedenkstein der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland; in drei Sprachen
wird auf ihm an eines der unglaublichsten Verbrechen während der Zeit der deutschen
Besatzung erinnert, und zwar an die Errichtung eines Gestapogefängnisses mit jüdischen
Grabsteinen.
- 12 Am Ortsausgang in Richtung Lublin befindet sich seit Mai 2007 ein Gedenkstein; auf ihm
ist in Polnisch, Deutsch, Englisch und Hebräisch zu lesen: "Im Gedenken an die jüdischen
Opfer des Holocaust. Gewidmet von Gemeinden in Franken".
Für wie viele Menschen Izbica Durchgangsstation in die Todeslager war, ist nicht genau
bekannt; mehrfach wird die Zahl 26.000 genannt. Von der ursprünglichen jüdischen Bevölkerung der Stadt sollen 14 Personen am Leben geblieben sein.
Izbica
ehem. jüdische Häuschen am Markt und in der Hauptstraße
Denkmal zum Andenken
an alle in Izbica ermordeten Juden
Gedenkstein der Botschaft
der Bundesrepublik Deutschland
Mahnmal aus Bruchstücken der Grabsteine
Gedenkstein der Gemeinden in Franken
- 13 Die wichtigste Station der Reise ist Lublin, einst auch als „Jüdisches Oxford“ berühmt;
dort bestand schon im 16. Jahrhundert die „Yeshiva“, eine Talmud-Hochschule, Vorläufer
der später errichteten Hochschule zur Ausbildung von Rabbinern und anderen Gelehrten,
und es gab einst 35 Synagogen für etwa 43.000 Bürger jüdischen Glaubens.
Die im 12. Jahrhundert gegründete Stadt wurde 200 Jahre später von König Kasimir III.
stark gefördert, so dass sich Handel und Handwerk entfalten konnten. Bekannt wurde die
Stadt vor allem durch die „Lubliner Union“, in der 1569 Polen und Litauen vereint wurden.
Damals nahm Lublin einen rasanten Aufschwung, da sich dort die zentralen Handelsrouten kreuzten und somit Russen, Tataren, Türken, Italiener, Deutsche, Ungarn, Armenier
und natürlich auch zahlreiche Juden in die Stadt kamen. Wohlhabende Kaufleute ließen
sich am Marktplatz Bürgerpaläste erbauen.
Am 2. September 1939 fielen die ersten Bomben auf Lublin, 16 Tage später marschierte die
Wehrmacht ein. Im Jahr 1941 wurden die jüdischen Bewohner in einem Ghetto zusammengepfercht und wenig später in die Lager Majdanek und Bel!ec deportiert.
Seit kurzem gibt es mehrere interessante Touristenwege durch die Stadt, so auch einen,
der auf die große jüdische Vergangenheit aufmerksam macht, nämlich den „Weg des Erbes
der Lubliner Juden“ mit 13 Stationen.
Sehenswert ist natürlich die Altstadt, die man von Westen kommend durch das Krakauer
Tor betritt, mit ihren winkligen Gassen, dem Marktplatz mit Gebäuden der „Lubliner Renaissance“, der Kathedrale, zahlreichen sehenswerten Kirchen und vor allem der gotischen
Schlosskapelle mit ruthenisch-byzantinischen Fresken aus dem Jahr 1418.
Lublin
Straße der Krakauer Vorstadt
Blick über die Altstadt
Neues Rathaus
- 14 -
Krakauer Tor (1341)
Kathedrale von 1600 - im 19. Jh. verändert
Gebäude der „Lubliner Renaissance“ am Marktplatz
Wehr- und Wohnturm der Burg (13. Jh.)
„Brama Grodzka“/Burgtor
- Kulturzentrum -
Neugotisches Schloss - heute Lubliner Museum
Schlosskapelle zur Heiligen Dreifaltigkeit - Ruthenisch-byzantinische Fresken - von 1418
- 15 Schöner Abschluss des ersten Tages in Lublin war ein Abendessen im „Mandragora“, einem
der besten Restaurants mit jüdischer Küche in Polen.
Auf dem Programm des folgenden Tages stand der Besuch des Kulturzentrums „Brama
Grodzka Teatr NN“ (im Burgtor), in dem man jetzt mit einem neuen Projekt über die Geschichte ausgewählter Häuser in den ehemaligen Straßen des jüdischen Viertels und ihrer
Bewohner mit historischen Fotos und anderen Dokumenten beschäftigt ist. Besonders sehenswert ist ein maßstabsgetreues Modell der Altstadt und des jüdischen Stadtviertels, das
sich rund um die Burg erstreckte. Übrigens heute befinden sich rund um die Burg nur
noch Grünflächen und ein großer Parkplatz.
Modell der Altstadt und des jüdischen Viertels rund um die Burg (Stand: 1939)
Der Besuch des Konzentrationslagers Majdanek, am Stadtrand von Lublin gelegen, konfrontierte die Reisegruppe mit dem grausamsten Teil des Holocaust. Das Lager hatte von
Oktober 1941 bis Juli 1944 drei Funktionen; es diente zunächst als Haftstätte für sowjetische Kriegsgefangene und Bürger von Lublin, dann als Konzentrationslager und schließlich
als Vernichtungslager. Am 3. und 4. November 1943 wurden dort im Rahmen der „Aktion
Erntefest“, wie der Abschluss der „Aktion Reinhardt“ genannt wurde, 18.000 jüdische Häftlinge erschossen. Insgesamt ließen in Majdanek etwa 60.000 Juden und 20.000 Personen
anderer Nationalitäten, größtenteils Polen, ihr Leben. Seit November 1944 besteht das
„Staatliche Museum Majdanek“ und ist somit die älteste Gedenkstätte Europas auf dem
Gelände eines ehemaligen deutschen Konzentrationslagers.
- 16 Die Gruppe verbrachte über drei Stunden auf dem Gelände des Konzentrationslagers; die
Führung erfolgte durch Herrn Wies"aw Wysok, den Leiter der pädagogischen Abteilung des
Museums.
der Rest der einst 70 Baracken
Denkmal des Kampfes und Martyriums
Krematorium
Mausoleum mit der Asche der Ermordeten
Auf dem Weg zur „Yeshiva“, nördlich der Innenstadt, liegen die jüdischen Friedhöfe.
Gedenkstätte am Neuen Jüdischen Friedhof
Als Umzäunung dienen symbolische Grabsteine.
- 17 Das große Gebäude der Talmud-Hochschule „Yeshiva“, das erst 1930 offiziell eröffnet worden war, wurde nach dem Einmarsch der deutschen Truppen beschlagnahmt und u. a. als
Lazarett genutzt. Nach dem Krieg war dort die Medizinische Fakultät der Universität Lublin
untergebracht. Erst vor kurzem wurde das Gebäude an die jüdische Gemeinde zurück gegeben. In der Aula befindet sich seit kurzem ein Gebetssaal und in den angrenzenden
Räumen eine Ausstellung über die Geschichte der „Yeshiva“. Geplant ist weiterhin die Einrichtung eines jüdischen Kulturzentrums und eines Hotels.
Foto von der Eröffnung der „Yeshiva“ von 1930
Mittlerer Teil des Gebäudes
- jetzt wieder mit der Originalbeschriftung -
Ein Ausflug führte die Gruppe auch in das an der Weichsel gelegene Städtchen Kazimierz
Dolny, ein bis zum 18. Jahrhundert wichtiger Umschlagplatz für das weichselabwärts verschiffte Getreide; einige der einst 50 Getreidespeicher muten wie Paläste an. Zum Ende des
19. Jahrhunderts entdeckten Sommerfrischler und viele Künstler aus Warschau und Lublin den Charme des Städtchens.
Etwa 3.000 Juden, die Hälfte der Bevölkerung, wurden 1942 von den Deutschen ermordet,
die Stadt völlig zerstört. Am jüdischen Friedhof erinnert eine Klagemauer an die Opfer; sie
besteht aus Bruchstücken von den Grabsteinen, die 1940 heraus gerissen worden waren,
um Straßen zu pflastern.
Kazimierz Dolny
- 18 1945 war das Städtchen ein Trümmerhaufen; in der Mitte der 50er Jahre wurde es originalgetreu wieder aufgebaut und gilt seitdem als eine der „Perlen der Renaissance“.
Haus der Familie Celej
Doppelhaus der Gebrüder Przyby!a
„Zum Hl. Nikolaus“ und „Zum Hl. Christophorus“
Pfarrkirche St. Johannis (1589) - mit einer der ältesten Orgeln Polens
ehem. Getreidespeicher (16. Jh.)
ehem. koscheres Schlachthaus auf dem Kleinen Markt
- 19 -
ehem. Synagoge (1677)
Klagemauer am jüdischen Friedhof
- aus Bruchstücken von Grabsteinen,
die die Deutschen für die Pflasterung
von Straßen benutzt hatten -
einige Grabsteine, die unzerstört blieben
Auf der Rückfahrt von Lublin nach Krakau wurde noch eine Pause eingelegt, und zwar in
Sandomierz an der Weichsel mit seinem intakten mittelalterlichen Stadtbild. Das fruchtbare Schwemmland am Zusammenfluss von Weichsel und San mit seinen Obstplantagen,
auf denen Äpfel, Kirschen, Pfirsiche und Aprikosen wachsen, oft auch „Garten Polens“ genannt, hat in diesem Jahr sehr unter dem Hochwasser gelitten. Glücklicherweise liegt die
Altstadt auf einem Bergrücken, also vor jeglichem Hochwasser geschützt.
Sandomierz
- 20 Schon im 12. Jahrhundert war der Ort Zentrum eines kleinpolnischen Herzogtums und
wurde daher häufig von polnischen Königen besucht. Die Stadt erlebte vor allem im 15.
und 16. Jahrhundert eine Blütezeit durch das Handwerk und den Getreidehandel auf der
Weichsel.
Überrest der von König Kasimir III. gestifteten Burganlage
Opatower Tor
Rathaus
- im 16. Jh. mit Attika und Sonnenuhr verziert -
ehem. Kollegiatskirche - seit 1818 Kathedrale
eines der schönen Bürgerhäuser
am Marktplatz - heute Postamt -
ehem. Synagoge (17. Jh.)
- 21 Eine organisierte jüdische Gemeinde bestand seit dem 14. Jahrhundert; einige Mitglieder
dieser Gemeinde bewohnten die schönen Bürgerhäuser am Marktplatz. Wenige Meter vom
Markt entfernt wurde im 17. Jahrhundert die Synagoge gebaut.
Als die Stadt 1939 von den Deutschen eingenommen wurde, lebten dort 2.500 Juden. Es
starteten sofort die gleichen Aktionen wie in den anderen Städten. In dem kleinen Ghetto
der Stadt wurden auch die Juden der Umgebung untergebracht, so dass es bald über
5.000 waren. Im Oktober 1942 wurden fast alle von ihnen in Bel"ec umgebracht. Danach
kamen noch ca. 7.000 Juden aus der weiteren Umgebung und aus dem Reich nach Sandomierz. Im Januar 1943 wurde das Ghetto endgültig aufgelöst; 1.000 Juden wurden in
ein Arbeitslager der IG Farben in Skar"ysko-Kamienna nördlich von Kielce gebracht und
kurz darauf in einem nahe gelegenen Wald erschossen. Die anderen 6.000 Juden kamen
ins Vernichtungslager Treblinka.
Und was erinnert heute an die jüdische Geschichte der Stadt? -- Das von den Deutschen
verwüstete Gebäude der Synagoge wurde in den 70er Jahren wieder hergestellt und beherbergt seitdem eine Außenstelle des Staatsarchivs Kielce, und auf dem zerstörten jüdischen
Friedhof befindet sich ein aus Grabsteinresten bestehendes Mahnmal.
----------------------------------------Der Besuch der einzelnen Orte unter Berücksichtigung der besonderen Thematik dieses
Reiseprojekts wird jeden Teilnehmer sicher noch eine lange Zeit beschäftigen.
Ganz herzlich sei dem Ehepaar Dr. Kreisel und Herrn Plachetta gedankt, die mir ihre CDs
mit sehr vielen schönen Fotos geschickt haben, von denen ich gern einige in diesem
Bericht untergebracht habe.
Nürnberg, im November 2010
Joachim Bauerschäfer
[email protected]
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