_______________________________________________________ DEUTSCH-POLNISCHE GESELLSCHAFT IN FRANKEN E. V. TOWARZYSTWO NIEMIECKO-POLSKIE WE FRANKONII _______________________________________________________ «Unsere Reise in den Südosten Polens – auf den Spuren des Judentums» - vom 31. August bis 9. September 2010 An den einzelnen Stationen dieses Reiseprojekts, an dem 32 Personen teilgenommen haben, wurden nicht nur Schlösser, Kirchen und Marktplätze besichtigt sondern vor allem auch diejenigen Stätten aufgesucht, die an die jüdische Geschichte und Kultur sowie an ihr jähes Ende erinnern. Erste und letzte Station war Nürnbergs Partnerstadt Krakau, in der sich unsere Gruppe nach der Besichtigung der Innenstadt mit seinem großen Hauptmarkt, den Tuchhallen, dem Collegium Maius der Jagiellonen-Universität und mehreren bedeutenden Gotteshäusern, wie der Marienkirche und der Kirche des Franziskanerklosters, vor allem dem Stadtteil Kazimierz widmete, der unter König Kasimir III. als selbständige Stadt zur Ansiedlung der aus Westeuropa vertriebenen Juden gegründet worden war. Kraków Wawel-Kathedrale Wawel (1030 - 1596 königliche Residenz) Arkadenhof des Schlosses -2- Marienkirche (1335 gestiftet) Hochaltar von Veit Stoß (1477 - 1489) Tuchhallen auf dem Hauptmarkt (erster Bau im 14. Jh., Umbau im 19. Jh.) Franziskaner-Kloster (1255 gegründet) „Gott, der Vater - es werde Licht!" Jugendstil-Kirchenfenster von Stanis!aw Wyspia"ski -3- Collegium Maius - das älteste Gebäude der Jagiellonen-Universität - gegründet 1364 In Kazimierz gibt es heute wieder sieben Synagogen. Die älteste wurde bereits zum Ende des 15. Jahrhunderts gebaut; es handelt sich um die „Alte Synagoge“, in der sich heute die jüdische Abteilung des Historischen Museums der Stadt Krakau befindet. An der ulica Szeroka, der Breiten Straße, die eigentlich ein Platz und das Zentrum des jüdischen Kazimierz ist, befindet sich die um 1550 erbaute „Remuh-Synagoge“, die auch heute noch als Gotteshaus dient. Hinter ihr liegt der jüdische Friedhof aus dem Jahre 1551, der älteste der Stadt, mit zahlreichen künstlerisch wertvollen Grabsteinen. Hier wird vor allem das Grab des Erbauers der Synagoge, Rabbi Moses Isserles, von Juden aus aller Welt besucht. Seit 1800 wird der Friedhof nicht mehr für Begräbnisse genutzt. Die besonders schöne „Tempel-Synagoge“ ist die jüngste in Kazimierz; das 1860 durch die ‚Fortschrittlichen Israeliten’ erbaute Gotteshaus war Zentrum der jüdischen Intelligenz. Im Jahre 1867 wurde Kazimierz nach Krakau eingemeindet. 1941 wurden die Krakauer Juden gezwungen, in das Ghetto umzuziehen, und zwar in den auf der anderen Seite der Weichsel gelegenen Stadtteil Podgórze. Ein Denkmal zu Ehren der 65.000 Krakauer Juden, die im Holocaust ums Leben kamen, steht im Zentrum von Kazimierz, in der Mitte der ulica Szeroka. Alte Synagoge (15. Jh.) - heute Museum -4- Remuh-Synagoge (1550) Remuh-Friedhof Tempel-Synagoge (1860) In den letzten zwanzig Jahren hat sich das traurige Kazimierz enorm entwickelt; Museen, Galerien, Cafés und Restaurants mit jüdischer Küche und Klezmer-Musik wurden eröffnet. Der Abend im „Klezmer Hois“ war ein besonders schöner Abschluss dieses Tages. Klezmer Hois Von Krakau aus ging es ostwärts zu den in den letzten Jahren gut restaurierten Städten Tarnów und Rzeszów, in denen auch bewusst auf Spuren der jüdischen Vergangenheit hingewiesen wird. -5In unmittelbarer Nähe des Marktplatzes von Tarnów mit seinem schönen Rathaus aus dem 15. Jahrhundert, das mit backsteinernen Renaissance-Attiken geschmückt ist, zahlreichen Bürgerhäusern und der gotischen Basilika St. Maria, die seit 1785 Kathedrale ist, liegt das ehemalige jüdische Viertel, das fast unzerstört geblieben ist; von der großen Synagoge ist jedoch nur noch die Bimah erhalten. 1939 hatte die Stadt etwa 56.000 Einwohner, von denen die Hälfte Juden waren; nur wenige von ihnen konnten den Holocaust überleben. Die meisten kamen im Vernichtungslager Bel#ec und in Auschwitz ums Leben, aber auch in der Stadt selber wurden Tausende erschossen. Im Regionalmuseum am Markt gibt es eine Abteilung über die Geschichte der Juden von Tarnów. Besonders erwähnenswert ist auch das Ethnografische Museum, in dem ausschließlich die Geschichte und Kultur der Sinti und Roma in Polen präsentiert werden, und somit auch das Schicksal von etwa 50.000 Zigeunern, die wie die Juden in Auschwitz, Be!#ec und Sobibór ermordet wurden. Tarnów Marktplatz mit Rathaus (15. Jh.) Basilika St. Maria - seit 1785 Kathedrale Regionalmuseum mit einer Abteilung über die Geschichte der Tarnower Juden -6- Bimah der ehem. „Alten Synagoge“ ulica $ydowska (Judengasse) In Rzeszów, der Hauptstadt der Wojwodschaft Podkarpackie (Vorkarpatenland), deren Gebäude in den letzten Jahren sehr gut restauriert und renoviert wurden, ist das jüdische Viertel nicht mehr vorhanden, allerdings wurden die Gebäude von zwei Synagogen in den 60er Jahren wieder aufgebaut, und ein Gedenkstein für die Nazi-Opfer befindet sich auf dem ehemaligen alten jüdischen Friedhof, dessen Grabsteine zur Straßenpflasterung verwendet wurden. Von den einst 15.000 Juden haben 100 den Holocaust überstanden. Rzeszów ehem. Altstädtische Synagoge Lubomirski-Schloss Rathaus ehem. Neustädtische Synagoge -7Wenige Kilometer östlich liegt das Städtchen !a"cut mit einem der schönsten Schlösser Polens, das von 1629 bis 1642 erbaut wurde und in dem die Fürsten Lubomirski und Potocki residierten. Am Rande des Schlossparks steht eine kleine Synagoge, ein Barockbau, der 1761 eine Holz-Synagoge ersetzte. Dass diese Synagoge den 2. Weltkrieg einigermaßen unbeschadet überstand, hat sie dem letzten Fürsten Alfred Potocki zu verdanken. Kurz bevor er 1944 aus !a"cut flüchtete, sah er, dass sie in Flammen stand, und bat deutsche Soldaten, sie zu löschen, was diese auch taten. Dies war möglich, weil bekannt war, dass preußisches Blut in seinen Adern floss, da seine Mutter aus dem Hause Hohenzollern stammte. Die Synagoge zählt heute zu den schönsten in Polen. !a"cut Schloss !a"cut Schlosspark die Synagoge von !a"cut - mit pastellfarbenen Fresken ausgemalt -8Etwa 20 km vor Zamo#$ liegt das Städtchen Szczebrzeszyn; jeder Pole kennt diesen Namen und zitiert sofort die erste Zeile eines Gedichts von Jan Brzechwa, die gleichzeitig veranschaulicht, wie schwer es doch ist, die polnische Sprache zu erlernen, vor allem die Vielzahl von direkt aufeinander folgenden Konsonanten auszusprechen. Dieser Zungenbrecher „W Szczebrzeszynie chrz%szcz brzmi w trzcinie“ bedeutet etwa: „In Szczebrzeszyn tönt der Käfer im Schilfrohr“. Am Rande der Stadt steht dem Dichter zu Ehren ein kleines hölzernes Denkmal, das einen Geige spielenden Käfer in der Nähe einer Quelle darstellt. Vor dem 2. Weltkrieg lebten in Szczebrzeszyn ca. 4.000 Juden, was 40 % der Stadtbevölkerung ausmachte. Im August und Oktober 1942 wurden etwa 2.000 von ihnen nach Bel&ec abtransportiert. Etwas später fand die Liquidierung der anderen 2.000 Juden der Stadt auf dem jüdischen Friedhof statt. Die im 17. Jahrhundert errichtete Synagoge diente den Juden der Stadt als Gotteshaus bis 1940, als sie von den Deutschen niedergebrannt wurde. Von 1957 bis 1963 wurde sie wieder aufgebaut; in ihr befindet sich ein Saal für Konzerte und Theateraufführungen. 1991 wurde eine Tafel angebracht, mit Informationen in hebräischer, jiddischer und polnischer Sprache. Das Gebäude ist gerade renoviert worden; seit einigen Wochen befindet sich im Eingangsbereich eine kleine Ausstellung über die Geschichte der Synagoge. Szczebrzeszyn Geige spielender Käfer ehem. Synagoge Eine wichtige Station der Reise ist die Stadt Zamo#$, die sich im 16. Jahrhundert Jan Zamojski, reicher Magnat, Großkanzler des Königreichs, im italienischen Renaissance-Stil erbauen ließ, was ihr auch die Bezeichnung ‚Padua des Nordens’ einbrachte. Offiziell wurde sie nach ihm Zamo#$ genannt. Kurz danach erhielten Juden das Wohnrecht in der Stadt und die Genehmigung zum Bau einer Synagoge. 1989, nach der Wende, wurde Marcin Zamojski, 17. Graf im Stammbaum seiner Familie, zum Bürgermeister gewählt. Er engagierte sich sofort dafür, dass seine Stadt auf die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO gesetzt wurde. -9Im Zentrum liegt der Große Markt mit seinem Rathaus, das mit seiner Freitreppe und dem hohen Turm einen imposanten Eindruck macht. Der Platz ist von meist zweistöckigen Arkadenhäusern gesäumt, in denen einst Kaufleute wohnten, die aus fernen Ländern wie Armenien, Griechenland, Italien oder Schottland stammten. Die reich dekorierte Synagoge liegt nicht weit vom Markt entfernt; sie diente seit den 50er Jahren als Bibliothek, wurde vor kurzem der jüdischen Gemeinde zurück gegeben, wird momentan restauriert und soll demnächst ein Jüdisches Kulturzentrum sowie ein Museum für die Geschichte der Juden in der Gegend von Zamo#$ beherbergen. Zamo#$ Armenische Bürgerhäuser am Großen Markt Rathaus am Großen Markt ehem. Kollegiatskirche - seit 1992 Kathedrale - 1939 betrug die Einwohnerzahl von Zamo#$ 28.873, davon 12.531 Juden. Im September wurde die Stadt von deutschen Truppen besetzt, zwölf Tage später von russischen. Bevor im Oktober die Deutschen zurück kamen, hatten mehrere tausend Juden die Stadt mit den Russen verlassen. Doch es wurden dann Tausende von Juden aus dem Warthegau nach Zamo#$ gebracht, später auch aus Westfalen und Böhmen. - 10 - ehem. Wohnsitz des Rabbiners ehem. Synagoge (gerade außen frisch renoviert) Neben der „Aktion Reinhardt“, die im gesamten Generalgouvernement die totale Vernichtung der jüdischen Bevölkerung zum Ziel hatte, wurde 1942 und 1943 in der Region von Zamo#$ auch noch die „Aktion Zamo#$“ durchgeführt; es wurden also aus den kleinen Orten der Region und aus der Stadt insgesamt 120.000 Polen umgesiedelt, teils nach Osten teils ins Reich zur Zwangsarbeit, viele auch nach Majdanek und nach Auschwitz gebracht. Auf diese Weise wurde Platz für zwangsumgesiedelte Volksdeutsche geschaffen; die Region wurde „germanisiert“. Als dann Zamo#$ „judenfrei“ und fast auch „polenfrei“ war, schlug Odilo Globocnik vor, die Stadt „Himmlerstadt“ zu nennen, doch Himmler nahm dieses Geschenk nicht an, da zu diesem Zeitpunkt noch keine Stadt nach dem Führer benannt war; daraufhin erhielt Zamo#$ den Namen „Pflugstadt“. Auf dem Besichtigungsprogramm stand vor allem das Rotunde-Mausoleum, denn in dieser Befestigungsanlage waren ab 1940 zunächst Angehörige der polnischen Intelligenz und Personen des öffentlichen Lebens untergebracht, von denen auch die meisten erschossen wurden. Die Rotunde diente dann als Durchgangslager, später auch als Vernichtungslager für die jüdische Bevölkerung. Die Zahl der Toten belief sich insgesamt auf etwa 6.000 bis 8.000. Weitere 6.000 wurden nach Bel&ec gebracht. Rotunde-Mausoleum - 11 - Teil des Friedhofs an der Rotunde mit Gräbern ermordeter polnischer Bürger Gräber ermordeter Juden Etwa 20 Kilometer nördlich von Zamo#$, an der Straße nach Lublin, liegt das kleine Städtchen Izbica, das bis zum Ersten Weltkrieg 100 % und in der Zwischenkriegszeit 90 % jüdisch war. Es gab hier eine Synagoge, aber keine Kirche. Übrigens hat Izbica bis heute keine Kirche, wahrscheinlich als einziger Ort in Polen. 1939 lebten dort etwa 3.000 Juden. Kurz nach der Okkupation wurde Izbica wegen seiner günstigen Lage zum Konzentrationslager bzw. Transitghetto; es wurde zum größten Durchgangsghetto im Lubliner Distrikt, denn es lag an der Bahnlinie, die Transporte nach Bel&ec und nach Sobibór ermöglichte. Sofort nach Inbetriebnahme des Vernichtungslagers Bel&ec im März 1942 erreichten die ersten Deportationszüge aus dem Deutschen Reich das Ghetto von Izbica, davon allein mit etwa 1.000 Juden aus der Gegend von Würzburg und aus Nürnberg, und einen Monat später noch einmal mit etwa 1.000 Juden aus Nürnberg. Von März bis Juni 1942 sollen insgesamt 17.000 Juden aus Westeuropa dorthin deportiert worden sein. Viele von ihnen waren nicht an die primitiven Lebensbedingungen gewöhnt und sind daher schon in Izbica an Erschöpfung, Hunger und Krankheiten gestorben. Neben den Transporten in die Vernichtungslager führte die SS auch in Izbica Massenhinrichtungen durch, so zum Beispiel am 2. November 1942, als etwa 2.000 Juden auf dem jüdischen Friedhof erschossen wurden. Dieser wurde während des Krieges völlig verwüstet, und die Grabsteine wurden dazu benutzt, um einen Gestapo-Posten zu bauen. Auf dem Friedhof sind nur drei Originalgrabsteine erhalten geblieben. Am Mittelweg steht ein Denkmal zum Andenken an alle in Izbica ermordeten Juden. Seit 2006 befindet sich dort auch ein Gedenkstein der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland; in drei Sprachen wird auf ihm an eines der unglaublichsten Verbrechen während der Zeit der deutschen Besatzung erinnert, und zwar an die Errichtung eines Gestapogefängnisses mit jüdischen Grabsteinen. - 12 Am Ortsausgang in Richtung Lublin befindet sich seit Mai 2007 ein Gedenkstein; auf ihm ist in Polnisch, Deutsch, Englisch und Hebräisch zu lesen: "Im Gedenken an die jüdischen Opfer des Holocaust. Gewidmet von Gemeinden in Franken". Für wie viele Menschen Izbica Durchgangsstation in die Todeslager war, ist nicht genau bekannt; mehrfach wird die Zahl 26.000 genannt. Von der ursprünglichen jüdischen Bevölkerung der Stadt sollen 14 Personen am Leben geblieben sein. Izbica ehem. jüdische Häuschen am Markt und in der Hauptstraße Denkmal zum Andenken an alle in Izbica ermordeten Juden Gedenkstein der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Mahnmal aus Bruchstücken der Grabsteine Gedenkstein der Gemeinden in Franken - 13 Die wichtigste Station der Reise ist Lublin, einst auch als „Jüdisches Oxford“ berühmt; dort bestand schon im 16. Jahrhundert die „Yeshiva“, eine Talmud-Hochschule, Vorläufer der später errichteten Hochschule zur Ausbildung von Rabbinern und anderen Gelehrten, und es gab einst 35 Synagogen für etwa 43.000 Bürger jüdischen Glaubens. Die im 12. Jahrhundert gegründete Stadt wurde 200 Jahre später von König Kasimir III. stark gefördert, so dass sich Handel und Handwerk entfalten konnten. Bekannt wurde die Stadt vor allem durch die „Lubliner Union“, in der 1569 Polen und Litauen vereint wurden. Damals nahm Lublin einen rasanten Aufschwung, da sich dort die zentralen Handelsrouten kreuzten und somit Russen, Tataren, Türken, Italiener, Deutsche, Ungarn, Armenier und natürlich auch zahlreiche Juden in die Stadt kamen. Wohlhabende Kaufleute ließen sich am Marktplatz Bürgerpaläste erbauen. Am 2. September 1939 fielen die ersten Bomben auf Lublin, 16 Tage später marschierte die Wehrmacht ein. Im Jahr 1941 wurden die jüdischen Bewohner in einem Ghetto zusammengepfercht und wenig später in die Lager Majdanek und Bel!ec deportiert. Seit kurzem gibt es mehrere interessante Touristenwege durch die Stadt, so auch einen, der auf die große jüdische Vergangenheit aufmerksam macht, nämlich den „Weg des Erbes der Lubliner Juden“ mit 13 Stationen. Sehenswert ist natürlich die Altstadt, die man von Westen kommend durch das Krakauer Tor betritt, mit ihren winkligen Gassen, dem Marktplatz mit Gebäuden der „Lubliner Renaissance“, der Kathedrale, zahlreichen sehenswerten Kirchen und vor allem der gotischen Schlosskapelle mit ruthenisch-byzantinischen Fresken aus dem Jahr 1418. Lublin Straße der Krakauer Vorstadt Blick über die Altstadt Neues Rathaus - 14 - Krakauer Tor (1341) Kathedrale von 1600 - im 19. Jh. verändert Gebäude der „Lubliner Renaissance“ am Marktplatz Wehr- und Wohnturm der Burg (13. Jh.) „Brama Grodzka“/Burgtor - Kulturzentrum - Neugotisches Schloss - heute Lubliner Museum Schlosskapelle zur Heiligen Dreifaltigkeit - Ruthenisch-byzantinische Fresken - von 1418 - 15 Schöner Abschluss des ersten Tages in Lublin war ein Abendessen im „Mandragora“, einem der besten Restaurants mit jüdischer Küche in Polen. Auf dem Programm des folgenden Tages stand der Besuch des Kulturzentrums „Brama Grodzka Teatr NN“ (im Burgtor), in dem man jetzt mit einem neuen Projekt über die Geschichte ausgewählter Häuser in den ehemaligen Straßen des jüdischen Viertels und ihrer Bewohner mit historischen Fotos und anderen Dokumenten beschäftigt ist. Besonders sehenswert ist ein maßstabsgetreues Modell der Altstadt und des jüdischen Stadtviertels, das sich rund um die Burg erstreckte. Übrigens heute befinden sich rund um die Burg nur noch Grünflächen und ein großer Parkplatz. Modell der Altstadt und des jüdischen Viertels rund um die Burg (Stand: 1939) Der Besuch des Konzentrationslagers Majdanek, am Stadtrand von Lublin gelegen, konfrontierte die Reisegruppe mit dem grausamsten Teil des Holocaust. Das Lager hatte von Oktober 1941 bis Juli 1944 drei Funktionen; es diente zunächst als Haftstätte für sowjetische Kriegsgefangene und Bürger von Lublin, dann als Konzentrationslager und schließlich als Vernichtungslager. Am 3. und 4. November 1943 wurden dort im Rahmen der „Aktion Erntefest“, wie der Abschluss der „Aktion Reinhardt“ genannt wurde, 18.000 jüdische Häftlinge erschossen. Insgesamt ließen in Majdanek etwa 60.000 Juden und 20.000 Personen anderer Nationalitäten, größtenteils Polen, ihr Leben. Seit November 1944 besteht das „Staatliche Museum Majdanek“ und ist somit die älteste Gedenkstätte Europas auf dem Gelände eines ehemaligen deutschen Konzentrationslagers. - 16 Die Gruppe verbrachte über drei Stunden auf dem Gelände des Konzentrationslagers; die Führung erfolgte durch Herrn Wies"aw Wysok, den Leiter der pädagogischen Abteilung des Museums. der Rest der einst 70 Baracken Denkmal des Kampfes und Martyriums Krematorium Mausoleum mit der Asche der Ermordeten Auf dem Weg zur „Yeshiva“, nördlich der Innenstadt, liegen die jüdischen Friedhöfe. Gedenkstätte am Neuen Jüdischen Friedhof Als Umzäunung dienen symbolische Grabsteine. - 17 Das große Gebäude der Talmud-Hochschule „Yeshiva“, das erst 1930 offiziell eröffnet worden war, wurde nach dem Einmarsch der deutschen Truppen beschlagnahmt und u. a. als Lazarett genutzt. Nach dem Krieg war dort die Medizinische Fakultät der Universität Lublin untergebracht. Erst vor kurzem wurde das Gebäude an die jüdische Gemeinde zurück gegeben. In der Aula befindet sich seit kurzem ein Gebetssaal und in den angrenzenden Räumen eine Ausstellung über die Geschichte der „Yeshiva“. Geplant ist weiterhin die Einrichtung eines jüdischen Kulturzentrums und eines Hotels. Foto von der Eröffnung der „Yeshiva“ von 1930 Mittlerer Teil des Gebäudes - jetzt wieder mit der Originalbeschriftung - Ein Ausflug führte die Gruppe auch in das an der Weichsel gelegene Städtchen Kazimierz Dolny, ein bis zum 18. Jahrhundert wichtiger Umschlagplatz für das weichselabwärts verschiffte Getreide; einige der einst 50 Getreidespeicher muten wie Paläste an. Zum Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten Sommerfrischler und viele Künstler aus Warschau und Lublin den Charme des Städtchens. Etwa 3.000 Juden, die Hälfte der Bevölkerung, wurden 1942 von den Deutschen ermordet, die Stadt völlig zerstört. Am jüdischen Friedhof erinnert eine Klagemauer an die Opfer; sie besteht aus Bruchstücken von den Grabsteinen, die 1940 heraus gerissen worden waren, um Straßen zu pflastern. Kazimierz Dolny - 18 1945 war das Städtchen ein Trümmerhaufen; in der Mitte der 50er Jahre wurde es originalgetreu wieder aufgebaut und gilt seitdem als eine der „Perlen der Renaissance“. Haus der Familie Celej Doppelhaus der Gebrüder Przyby!a „Zum Hl. Nikolaus“ und „Zum Hl. Christophorus“ Pfarrkirche St. Johannis (1589) - mit einer der ältesten Orgeln Polens ehem. Getreidespeicher (16. Jh.) ehem. koscheres Schlachthaus auf dem Kleinen Markt - 19 - ehem. Synagoge (1677) Klagemauer am jüdischen Friedhof - aus Bruchstücken von Grabsteinen, die die Deutschen für die Pflasterung von Straßen benutzt hatten - einige Grabsteine, die unzerstört blieben Auf der Rückfahrt von Lublin nach Krakau wurde noch eine Pause eingelegt, und zwar in Sandomierz an der Weichsel mit seinem intakten mittelalterlichen Stadtbild. Das fruchtbare Schwemmland am Zusammenfluss von Weichsel und San mit seinen Obstplantagen, auf denen Äpfel, Kirschen, Pfirsiche und Aprikosen wachsen, oft auch „Garten Polens“ genannt, hat in diesem Jahr sehr unter dem Hochwasser gelitten. Glücklicherweise liegt die Altstadt auf einem Bergrücken, also vor jeglichem Hochwasser geschützt. Sandomierz - 20 Schon im 12. Jahrhundert war der Ort Zentrum eines kleinpolnischen Herzogtums und wurde daher häufig von polnischen Königen besucht. Die Stadt erlebte vor allem im 15. und 16. Jahrhundert eine Blütezeit durch das Handwerk und den Getreidehandel auf der Weichsel. Überrest der von König Kasimir III. gestifteten Burganlage Opatower Tor Rathaus - im 16. Jh. mit Attika und Sonnenuhr verziert - ehem. Kollegiatskirche - seit 1818 Kathedrale eines der schönen Bürgerhäuser am Marktplatz - heute Postamt - ehem. Synagoge (17. Jh.) - 21 Eine organisierte jüdische Gemeinde bestand seit dem 14. Jahrhundert; einige Mitglieder dieser Gemeinde bewohnten die schönen Bürgerhäuser am Marktplatz. Wenige Meter vom Markt entfernt wurde im 17. Jahrhundert die Synagoge gebaut. Als die Stadt 1939 von den Deutschen eingenommen wurde, lebten dort 2.500 Juden. Es starteten sofort die gleichen Aktionen wie in den anderen Städten. In dem kleinen Ghetto der Stadt wurden auch die Juden der Umgebung untergebracht, so dass es bald über 5.000 waren. Im Oktober 1942 wurden fast alle von ihnen in Bel"ec umgebracht. Danach kamen noch ca. 7.000 Juden aus der weiteren Umgebung und aus dem Reich nach Sandomierz. Im Januar 1943 wurde das Ghetto endgültig aufgelöst; 1.000 Juden wurden in ein Arbeitslager der IG Farben in Skar"ysko-Kamienna nördlich von Kielce gebracht und kurz darauf in einem nahe gelegenen Wald erschossen. Die anderen 6.000 Juden kamen ins Vernichtungslager Treblinka. Und was erinnert heute an die jüdische Geschichte der Stadt? -- Das von den Deutschen verwüstete Gebäude der Synagoge wurde in den 70er Jahren wieder hergestellt und beherbergt seitdem eine Außenstelle des Staatsarchivs Kielce, und auf dem zerstörten jüdischen Friedhof befindet sich ein aus Grabsteinresten bestehendes Mahnmal. ----------------------------------------Der Besuch der einzelnen Orte unter Berücksichtigung der besonderen Thematik dieses Reiseprojekts wird jeden Teilnehmer sicher noch eine lange Zeit beschäftigen. Ganz herzlich sei dem Ehepaar Dr. Kreisel und Herrn Plachetta gedankt, die mir ihre CDs mit sehr vielen schönen Fotos geschickt haben, von denen ich gern einige in diesem Bericht untergebracht habe. Nürnberg, im November 2010 Joachim Bauerschäfer [email protected]