Der Freihandel Amerikas Hans-Joachim Stadermann Berlin Mittwoch, 12. April 2017 Bologna 2012 5 1. Vorwort D ieses Büchlein wird dem Leser eine Reihe ungewöhnlicher Ansichten über die ihm vertraute Art, die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa zu sehen, vorführen. Missverständnisse zu vermeiden, ist die Aufgabe dieses für so kurze Publikationen sonst nicht üblichen Vorwortes. Die Forderung nach Freihandel ist eine der ältesten im Forderungskatalog der Wirtschaftspolitik. Älter ist nur die entgegengesetzte nach einem Zollschutz. Zölle führen entschieden einfacher als Steuern zu Staatseinnahmen. Sie werden deswegen gegenüber der Einführung von Steuern in Wirtschaftsräumen bevorzugt, in denen die Infrastruktur für eine effiziente Steuererhebung fehlt. Entsprechend groß ist die Zahl der Theoretiker, die nachgewiesen haben, dass Zölle die Konsumenten nur scheinbar belasten. Landesherren, die sie einnehmen, geben sie nämlich auch wieder aus, sie sparen nicht, sondern recyclierten der Bevölkerung die Einnahmen mit ihren Ausgaben. Um den Unfug zu erkennen, kann die Vorstellung dienen, Ihr Nachbar schlüge Ihnen vor, Sie sollten ihm am Monatsanfang die Hälfte Ihres Monatseinkommens abtreten. Sie blieben dabei schadlos, weil Sie alles zurückerhielten, wenn sie die Gartenarbeiten auf seinem Grundstück übernähmen. 6 Der Freihandel Amerikas Von derartigen Beiträgen zur „Wissenschaft“ von der Wirtschaft abgesehen, schadet es nicht, zu Beginn dieses Textes auf einen weiteren Punkt hinzuweisen: Vollkommener Freihandel ist denkbar, aber er ist nicht praktikabel. Er schlösse unbehinderten Import und Export von Waffen, Munition, Rauschgiften usw. mit ein. Nur wenige Menschen würden das als vernünftig ansehen. Jenseits dieser Einschränkung aber werden die meisten Ökonomen sich für Freihandel aussprechen. Der nachfolgende Text stellt diese Überzeugung nicht infrage. Er behandelt aber die Bedingungen, die erfüllt sein müssten, damit Freihandel zu guten Ergebnissen für die Allgemeinheit führen kann. Soviel sei vorab gesagt: In der erlebbaren Wirtschaftswirklichkeit sind diese Bedingungen weder für die Gegenwart erfüllt, noch sind sie jemals in früherer Zeit für den politische Grenzen überschreitenden Wirtschaftsverkehr erfüllt gewesen. Viele Verstöße können entdeckt werden. Hier wird einer herausgehoben. Er verdient diese Sonderbehandlung gewiss. Es sind die mit eigens dazu geschaffenen Institutionen inszenierten Blockaden gegen den funktionstüchtigen Wettbewerb, ohne den Freihandel rein gar nichts zur Förderung des Wohlstands aller Nationen leisten kann, sondern den Reichtum Weniger mit dem Elend Vieler verbindet. Beschrieben werden in den nachfolgenden Abschnitten Aspekte der Theorie der Außenwirtschaft auf der Grundlage monetärer und damit nominalökonomischer Theorie der Wirtschaft. Zuerst wird darauf hingewiesen, dass es keine Wirtschaft frei von Ordnung geben kann. Darauf wird am Beispiel der vom Internationalen Währungsfonds (IWF) von seinen Mitgliedsländern eingeforderten sogenannten guten Regierungstätigkeit ein Paradox gezeigt. Die Propagandisten des „Freihandels“ sind sicher, der von Staatsintervention freie Handel könne selbst nicht ohne Vorwort Staatsintervention entstehen. Sie halten ein Freihandelsabkommen deswegen für ebenso nötig wie eine nach ihrer Vorstellung gut geordnete Regierungstätigkeit. Die Grundsätze hierfür kommen heute aus den Vereinigten Staaten von Amerika nach Europa zurück. Denn dort ist die Lehre als Neoklassik vor knapp 150 Jahren durch Introspektion ̶ also nicht durch Erfahrung ̶ in Lehrbücher gekommen. Neoklassik kann entsprechend in dem hier interessanten Zusammenhang gar nichts leisten. Niemand tauscht auf Export- und Importmärkten Güter zur subjektiv optimalen Bedürfnisbefriedigung privater Haushalte. Auf den folgenden Seiten ist die Aufmerksamkeit auf institutionell bewirkte Umverteilungen und Übertragungen von fälligen und noch nicht fälligen Forderungen und Verbindlichkeiten gerichtet und zwar zwischen Akteuren aus unterschiedlichen Währungsräumen. Die Neoklassik wird behandelt wie eine alte Brille: Man wirft sie nicht weg, verstaut sie aber in einem Schubfach ganz weit hinten. Jede Wirtschaft hat eine Ordnung, aber keine Ordnung hat Ewigkeitswert. Die „Wirtschaft“ ändert sich, auch um Ordnungen zu erodieren. Bestehender Wettbewerb verliert seine Wirkung durch technische und organisatorische Änderungen in der Produktion. Dies und anderes fordert eine dauernde Überwachung und gegebenenfalls Veränderung der bestehenden Ordnung, wenn ihre Wirkung erhalten bleiben soll. Ist der Wettbewerb nicht mehr funktionstüchtig, muss er auf einem höheren Niveau durch Neuordnung wiederhergestellt werden. Wettbewerbsverzerrung und aufholende Rückgewinnung des Wettbewerbs sind die Bedingung wirtschaftlicher Entwicklung. Wo durch Blockade dieser „Mechanik“ der Wettbewerb dauerhaft verfälscht wird, stellen sich regelmäßig Stagnation und wirtschaftlicher Abstieg ein. 7 8 Der Freihandel Amerikas Die Ordnung der Außenwirtschaftsbeziehungen ist rund um den Erdball, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs von den Vereinigten Staaten von Amerika determiniert worden. Care und das Europäische Wiederaufbauprogramm (ERP) werden gewöhnlich als Wohltätigkeitsveranstaltungen verstanden. Sie hatten anfangs in Europa praktisch die Aufgaben der heutigen Welthungerhilfe und die Projektförderung der Weltbankgruppe übernommen. Tatsächlich waren sie nur die Schuhe in der europäischen Tür, die die Länder Westeuropas für die Neuordnung ihrer Wirtschaft öffneten. In der Gegenwart sind der Internationaler Währungsfonds, die Weltbankgruppe und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich die dominanten Elemente dieser Ordnung. Es soll gezeigt werden: Diese Elemente bestimmen nicht nur den Ablauf dieser Beziehungen, sondern sie bestimmen sie auf eine eindeutig und einseitig das Interesse von Wall StreetBanken berücksichtigenden Art und Weise, nämlich indem sie die Wall Street-Banken und damit den bedeutendsten Teil des Dienstleistungssektors der Wirtschaft der Vereinigten Staaten von Amerika weitgehend von Wettbewerb freihalten. Die Relevanz dieser Behauptung hängt − so kann es wohl gesagt werden − von der Qualität der „Beweismittel“ ab. Wunderbar ist es, wenn der Autor einer solchen These über zuverlässige Dokumente oder Zeugen verfügt. Wenn nach dem Urteil der Aufsichtsbehörde der rund um die Erde wichtigste Zinssatz, der unter Londoner Banken angebotene Zins (LIBOR) oder der Preis des Goldes jahrelang von einer Handvoll Banken in Londoner Hinterzimmern bestimmt wurde, Strafzahlungen verhängt und akzeptiert wurden, gibt es eine nur ausnahmsweise bestehende Sicherheit: Dieser Zins und der Goldpreis wurden nicht „vom Markt“, sondern nur von dem Interesse in einem engen Bankoligopol diktiert. Vorwort Eher selten ergeben sich die Argumente der Thesen aus derart präzise dokumentierten Handlungen. Der Autor dieser Zeilen war nicht in „Hinterzimmern“ anwesend, in denen der Umgang mit den wirtschaftlichen „Tatsachen“ vereinbart wurde. Ihm wurden auch keine Dossiers von als vertrauenswürdig angesehenen Whistleblowern zugesteckt. Kann unter diesen Umständen ein so gravierender Vorwurf, wie er hier am Ende erhoben wird, glaubwürdig werden? Er kann es sehr wohl, weil die Institutionen Strukturen haben, die bestimmten Handlungen bestimmte Ergebnisse zuzuordnen erlauben. Diese wiederum können bestimmbaren Interessen innerhalb oder auch außerhalb der Institutionen dienen. Die Frage: „Wem nutzt es?“, führt den Forscher nicht immer aber doch in der Mehrzahl der Fälle auf den richtigen Weg. Manchmal ist es auch sinnvoll, diese Frage umzudrehen. So etwa kann gefragt werden, wozu die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sonst noch dienen könnte, wenn sie nicht der Ort ist, in dem ein Kartell von Zentralbanken, Banken und Bankaufsichtsbehörden sich ungestört zu verbraucherfeindlichen Absprachen trifft und deren Grundlagen auf Kosten der Allgemeinheit erforscht? Der Autor dieser Zeilen hat sich bemüht, die Argumentation ganz und gar auf Institutionen zu beschränken. Personen spielen keine bedeutende Rolle, auch wenn der Mensch, wie es heißt, im Mittelpunkt steht. Es wird unterstellt, dass das laufende Verhalten der Menschen durch Änderungen der Institutionen beeinflusst werden kann und wird. Den Menschen selbst zu verändern, wird dagegen als nur selten von Erfolg gekrönte Möglichkeit betrachtet. Schwerpunkt dieses Textes sind Außenwirtschaftsbeziehungen. Das ist in einer „globalisierten“ Wirtschaft offenbar ein 9 10 Der Freihandel Amerikas schwieriges Geschäft. Wenn die Waren auf den Märkten sich aus Zutaten aus aller Herren Länder zusammensetzen, fällt es schwer, Produkte einem bestimmten Land zuzuordnen. Das Siegel „Made in Germany“ signalisierte einst eine im Vergleich mit den Produkten anderer Herkunftsländer hohe Qualität des damit ausgezeichneten Erzeugnisses. Es wurde dieser Vorsprung durch die im Ursprungsland bestehende Ordnung der Wirtschaft erklärt. Das erforderliche Fertigungsgeschick der Fachkräfte war in diesem Zusammenhang ein wichtiger Punkt, der sich nicht zuletzt als Ergebnis staatlicher Regulierung im Ausbildungssektor ergeben hatte. Heute bedeutet „Made in Germany“ oft nicht viel mehr als „verpackt in Deutschland“ und zuweilen nicht einmal das. Es wäre aber ein Irrtum, zöge man daraus der Schluss, eine vollständig globalisierte Wirtschaft, bedeutete das Ende der Außenwirtschaft und ihrer besonderen Theorie. Die Außenwirtschaft sortiert sich sozusagen neu. Je mehr alles in immer kleinere Werkstücke zersplittert in aller Herren Länder produziert werden, desto mehr zentralisiert sich die Finanzierung der sie auslösenden Produktionsprozesse. Außenwirtschaft beschreibt dann am Ende nur den Zusammenhang zwischen dem Finanzzentrum und den vielen Produktionsstandorten. Nicht übersehen werden darf dabei, dass sich die Produktion aus zwei grundsätzlich unterschiedlichen Arten von Gütern zusammensetzt: Es sind dies für die Verteilung mittels Ressourcenund Gütermarktpreisen mit Überschusseinkommen hervorzubringenden und abzusetzenden Güter. Diese werden zum Gesamtprodukt durch nach politischen Entscheidungen erzeugte „öffentliche Güter“ ergänzt, die zum freien Konsum angeboten o- Vorwort der durch Zuteilung den Konsumenten verfügbar gemacht werden. Finanziert werden die ersteren durch private Investoren und letztere durch öffentliche Einnahmen wie Steuern, Abgaben und Zölle es sind. Sofern die öffentlichen Haushalte mit ihren Ausgaben deckenden gesetzliche Einnahmen versorgt sind, handeln sie autonom oder können sie autonom handeln. Das heißt, sie können eine Wirtschaftspolitik nach eigenen Vorstellungen auch gegen die Absichten der „Wirtschaft“ anstreben und durchsetzen. Wo dies geschieht, sprechen die Investoren, die sich selbst als die Inkarnation der „Wirtschaft“ verstehen, von Regulierung und der Behinderung der „freien“ Marktwirtschaft. Sie kennen aber auch den Ausweg aus dieser für sie unangenehmen Lage. Die öffentlichen Haushalte müssen ihre Ausgaben über ihre gesetzlichen Einnahmen steigen lassen. Wo dies geschieht, werden sie wie Unternehmen von Finanzierung abhängig. Anders als Steuern können Finanzierungen nicht durch Gesetz erzwungen werden. Finanzierung ist ein Geschäft, das nur stattfindet, wo sich für den Investor ein Vorteil damit bewirken lässt. Das bedeutet mehr als Zinsen zahlen müssen. Niedrige Steuern für die „Wirtschaft“ und Deregulierung sind sofort auf der Tagesordnung. Nicht jede Institution muss dem zum Opfer fallen. Die folgenden Seiten handeln ganz überwiegend von jenen die ausdrücklich für die Investoren geschaffen wurden, obwohl das Publikum sie als wohltätige Organisationen wahrnimmt. Die prominentesten unter ihnen sind der Internationale Währungsfonds, die Weltbankgruppe und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Die Hauptaufgabe der beiden ersteren besteht beispielsweise darin, Länder, die keine Kreditfähigkeit haben, schuldfähig zu 11 12 Der Freihandel Amerikas machen. Das Geschäftsfeld einer dominanten Bankengruppe besteht gerade darin, die fehlenden Kreditsicherheiten dieser Länder durch Verbindlichkeiten öffentlicher Haushalte zu ersetzen. Diese Banken versichern den wirtschaftlich bisher wenig entwickelten Ländern, sie könnten durch Verschuldung zur Entwicklung ihres Wirtschaftspotentials gelangen, wofür es keine Beispiele in der Wirtschaftsgeschichte gibt. Es ist auch unmöglich, wenn Keynes‘ Gleichung I = S richtig ist und nichts spricht dagegen. Denn die negative Leistungsbilanz, die sie Schulden finanzieren bedeutet in der Regel, dass das Land mehr konsumiert als es produziert. Es spart also nicht, sondern es entspart und konsequenterweise desinvestiert es, statt zu investieren. Ein Land, das sich entwickeln will, muss sein Gleichgewicht in der Leistungsbilanz, und zwar über die Handelsbilanz anstreben und realisieren. Dagegen spricht nicht, dass die Vereinigten Staaten von Amerika auch ein Handelsbilanzdefizit in der Bilanz haben. Dieses wird durch einen Dienstleistungsüberschuss mehr als nötig ausgeglichen. Sie zeigt nur an, welche Gütermengen die Vereinigten Staaten von Amerika mit den in der Fremde erzielten Überschusseinkommen zum Konsum in das Land holen können. Was hier Wirtschaftsmacht signalisiert, ist bei den Schuldnerländern der Ausdruck von Schwäche. Ihr Handelsbilanzdefizit wird nicht durch Dienstleistungen vermindert. Die Leistungsbilanz verschlechtert sich vielmehr durch die abfließenden Überschusseinkommen weiter. Es bliebe am Ende ein Rätsel, gäbe es nicht auch die Gruppe der Länder, die Handelsbilanzüberschüsse mit einer negativen Bilanz bei den Dienstleitungen erwirtschaften. Sie erzeugen die Gütermenge, die in den Vereinigten Staaten von Amerika das aus Vorwort allen Himmelsrichtungen einströmende Überschusseinkommen konsumieren kann. 13 15 2. Freihandel ist eine Idee, kein Handlungskonzept für die Praxis F ast Jedem, der den Begriff Freihandel benutzt, scheint völlig klar zu sein, was darunter zu verstehen ist. Das aber erweist sich in den meisten Fällen erstaunlicherweise als Irrtum. Wer über Freihandel nachdenkt, sieht ihn 200 Jahre nach David RICARDOS „Grundsätzen“ oft noch genau wie der Es war einmal …* 16 Der Freihandel Amerikas Klassiker als einen Zustand an, in dem keine Zölle den grenzüberschreitenden Warenverkehr behindern. Das ist nicht nur erstaunlich, weil in der außenwirtschaftspolitischen Praxis, jenseits der Agrarzölle, Zölle auf Handelswaren nur noch eine verhältnismäßig untergeordnete Rolle spielen. Mehr noch erschreckt, dass die steigende Bedeutung des Finanzmarktgeschehens, also der inzwischen bedeutendsten, wenn nicht gar eigentlichen Außenwirtschaftsaktivität, aus der Debatte ausgeblendet wird. Sie wird der für die korrekte Beurteilung des Geschehens notwendigen Aufmerksamkeit regelrecht entzogen. Diese Aktivitäten werden teils im Saldo der Kapitalbilanz verborgen, teils als Einkommen maskiert, in die Dienstleistungsbilanz eingestellt. Unsichtbar vollzieht sich dann die Preisbildung für alle außenwirtschaftlichen Finanzmarkt-Aktivitäten. Der Saldo der Kapitalbilanz erscheint als bloßer Reflex des sie determinierenden Standes der Leistungsbilanz. Im Ergebnis werden damit die grenzüberschreitenden Wirtschaftsaktivitäten, die den Charakter einer Geldwirtschaft determinieren, nicht berücksichtigt. In den Köpfen „tauschen“ die Haushalte munter „3 Scheffel Korn gegen 7 Ellen Leinwand“. In der erlebbaren Wirtschaftswirklichkeit entscheiden die Akteure im Finanzmarkt als Investoren durch die Quantität und die mehr oder weniger Beschäftigung von Naturnutzungen und Arbeitsleistungen verändernde Qualität ihrer anationalen Investitionen darüber, was in „ihrem“ − gegen nationale Gesetzgebung weitgehend unempfindlichen − Wirtschaftsraum für den Konsum und den Export und vor allem, mit welchen Kosten und Überschuss produziert werden kann. Auch hier ist die Rede vom freien Markt. Nicht übersehen werden darf: Die Bedingungen des freien Freihandel ist eine Idee, kein Handlungskonzept für die Praxis Marktes sind in einem jeden nationalen Gesetzgebungsraum durch eine Ordnung der Wirtschaft gesetzt. Diese Ordnungen sind in den Gesetzgebungsräumen durch Überlieferung unterschiedlich. Allgemein werden sie als Korrektur der Kräfte am sogenannten freien Markt intendiert. Sie sollen die Ergebnisse von staatlichen Eingriffen freier Konkurrenz mit der im Gesetzgebungsraum herrschenden Vorstellung von Gerechtigkeit vereinbar machen. Als Begründung der Freihandelsideologie dient die umgekehrte Annahme: Wo die Regierungen auf den Eingriff in das Marktgeschehen verzichten, kann niemand sonst vergleichbaren Zwang auf die Verteilungslösung ausüben. Alle Verteilung wird nur durch Verträge geregelt. Niemand kann gezwungen werden, einen Lohn zu akzeptieren, der ihm nicht die Arbeitslast ausgleicht. Diese Annahmen werden nicht durch einen wie auch immer hergestellten Beweis mit Hilfe der im Zentrum der Neoklassik stehenden Wertlehre gestützt. Es stützt vielmehr das, was nur eine Unterstellung oder wie der Neoklassiker sagen würde, eine Gleichgewichtsbedingung ist, einen Umkehrschluss. Es heißt dann, wenn ein Lohn zu einer Beschäftigung führt, dann versorgt er offensichtlich den Arbeitsleistung Anbietenden mit einer Gütermenge, deren subjektiver Grenznutzen das im Einzelfall das davon verursachte Grenzleid ausglicht. Gesetzt wird wieder, was zu beweisen gewesen wäre. Um solchen Unfug nicht auch hier zu erliegen, sind einige Überlegungen zur Allgemeinen Theorie der Wirtschaft nötig, ehe das Freihandelsthema wieder aufgegriffen wird. Ehe nach der Überlieferung der Zorn Gottes Eva und Adam aus dem Paradiesgarten vertrieben hat, lebten beide im Überfluss. Knappheit von Gütern, heute oft vielleicht mehr durch Konsum- 17 18 Der Freihandel Amerikas Phantasien als durch nackte Not verursacht, zwingt die Menschheit seither zur Wirtschaft. Da Güter nun nur noch im Schweiße des Angesichts hervorzubringen sind, kann, ja muss Ordnung Erleichterung bringen. Ordnung muss spätestens herrschen, wenn nicht alle „schwitzen“ wollen und einige sich von der Arbeit der anderen mit Gütern versorgen lassen, weil sie besonderen Beschäftigungen nachgehen, die keine handelbaren Güter hervorbringen. Unabhängig von dieser Gruppe gilt: Nie werden alle Mitglieder einer Gesellschaft arbeiten, immer werden einige noch nicht oder nicht mehr arbeiten. Gewalt und Überzeugungskraft sind die Wegbereiter der Ordnung. Von Anfang an begleitet sie die Verteilungsfrage. Es werden sogenannte natürliche Verteilungen mit Wirtschaftstheorien gesucht, gefunden und reklamiert oder abgewiesen. Diese entsprechen meistens den Vorstellungen jener, die nicht „schwitzen“ wollen. Dass sie sich auf natürliche Weise ergeben, kann deswegen nicht erwartet werden. Die, die Güter für alle unmittelbar produzieren, ringen mit denen, die „anderes“ zu tun haben, um die konkrete Verteilung, wie um deren Formulierung in der Ordnung. Dieses Ringen findet in mehr oder weniger zivilisierter Form statt. Die Ökonomen nennen es Wettbewerb oder Konkurrenz. Keine Ordnung der Wirtschaft ist seit der „Vertreibung aus dem Paradies“ ohne Vorläufer. Deswegen ist jede Änderung eine Verzerrung des bis dahin bestehenden Wettbewerbs. Es hängt auch von der Ausgangssituation ab, ob sie in den Augen eines Betrachters als Wohltat oder Plage aufgefasst wird. Offensichtlich darf sie aber nicht nur von der Ansicht der Betrachter abhängen, soll die Ordnung nicht beliebig und damit unnötig werden. Freihandel ist eine Idee, kein Handlungskonzept für die Praxis Als Annäherung mag hier die Tatsache dienen, dass jede neue Ordnung den Wettbewerb innerhalb der auf der Erde wirtschaftenden Menschheit und zu allem was auf dem Planeten neben ihr lebt, ändert. Der Wettbewerb zwischen den Einzelmenschen ändert sich durch die handelnden Menschen, der zwischen ihnen und den anderen Lebewesen findet für die Behandelten statt. Das heißt Möglichkeit zur Mitwirkung für die Ersteren und nach dem Stand der Dinge keine Mitwirkungsrechte für Letztere. Auch das ist keine Konstante. George Washington, der großen Anteil an der „Menschwerdung“ der Sklaven in Amerika hatte, hielt als Pflanzer selber auch welche. Ganz konsequent angewendet, hieße das: Jeder wirtschaftende Mensch hat das Mitwirkungsrecht an allen bestehenden Ordnungen der Wirtschaft. Da ist man der französischen Menschenrechtsdeklaration und auch den Neoklassikern schon sehr nahe, nämlich auf einem hohen Niveau der Abstraktion oder im Lande Nirgendwo. Recht kommt aber erst auf, wo Verantwortung besteht. Das der Mitwirkung bleibt in einer jeden Ordnung den Menschen vorbehalten, die dort bereits Verantwortung tragen können oder es wollen und dazu fähig sind, sie später zu übernehmen. Die Beliebigkeit des Ursprungs der Ordnung erhält dadurch eine Grenze. Sie bestimmt, wer wem was ordnet. Unbestimmt bleibt aber die Bedeutung des Begriffs Verantwortung. Die Wirtschaftsordnung der demokratischen Gemeinwesen wäre damit immerhin beschreibbar als eine, die durch Verantwortung in dem Wirkungsbereich der Ordnung tragende Menschen nach ihrem ̶ innerhalb gegebener Umstände ̶ freien Willen geschaffen wird. Dabei sind die gegebenen Umstände als jeder Einflussmöglichkeit entzogene Erscheinungen zu verstehen. Je genauer die Abgrenzung gezogen scheint, desto weiter wird 19 20 Der Freihandel Amerikas sie aber an anderen Stellen. Der Wirkungsbereich einer Ordnung wird irgendwo auch immer planetarisch sein und wird sich kaum jemals auf eine Firma Mayer& Co. KG Verwaltungsgesellschaft mbH begrenzen lassen. Es wird daher immer eine Vielzahl Ordnungen denkbar bleiben. Da aber in einem Wirtschaftsordnungsraum nur eine Ordnung wirksam werden kann, bleibt Raum für Diskussionen und noch die Suche nach dem Weg, auf dem diese wirksam werden. In einer Demokratie muss es nicht die Aufgabe der Volksvertretung sein, über die Wirtschaft der Menschen Beschlüsse zu fassen. Dort aber, wo Wirtschaft Privatangelegenheit ist, muss die Ordnung der Wirtschaft ein unaufhebbares Recht der definitionsgemäß verantwortlich handeln könnenden Gesamtbevölkerung und ihrer Vertretung in Parlamenten sein. Insbesondere gilt das bezogen auf den Grad der Regulierung oder des Einflusses auf die wirtschaftlichen Entscheidungen der Investoren. Die Investoren können jedoch, wenn sie in verschiedenen Gesetzgebungsbereichen aktiv sein können, ihrerseits die Gesetzgeber einer Konkurrenz aussetzen. Sie haben meist mehrere Standorte zur Auswahl und entscheiden sich für den, wo ihnen unter sonst gleichen Bedingungen zum Beispiel am wenigsten Steuern und Gebühren abgefordert werden und sie die höchsten Subventionen erhalten. Über längere Fristen kann deswegen eine vereinheitlichende Anpassung aller Ordnungen auf einem niedrigen Niveau der Intervention erwartet werden. Die Investoren und ihre Vordenker nennen das Ergebnis unbeschränkter Konkurrenz freie Wirtschaft. Sie verbinden damit die Vorstellung, das die von Interventionen freie Wirtschaft eine für jedermann freie Wirtschaft sei. Es wird im Verlauf dieser Ab- Freihandel ist eine Idee, kein Handlungskonzept für die Praxis handlung deutlich werden, dass dies nicht nur eine starke, sondern eine fraglos unzulässige Annahme ist. Dies jedenfalls, wenn die erlebbare Wirtschaftswirklichkeit untersucht wird. Die Art und Weise, wie die Wirtschaft geordnet ist, entscheidet wesentlich über dien Grad des Wettbewerbs, der unter den Investoren und zwischen den Investoren in produzierte oder produzierbare Produktionsmittel und den Anbietern der reproduzierbaren Ressourcen der Produktion, also der Naturnutzungen und der Arbeitsleistungen, herrscht. In der ökonomischen Literatur wird regelmäßig „vollkommener“ Wettbewerb unterstellt. Vollkommener Wettbewerb soll heißen, die Marktteilnehmer müssen die bestehenden Marktpreise als für sie gegeben anerkennen. Ein Gleichgewicht ergibt sich allein aus den Anpassungen der Mengen an den Preis. Das ist für eine Wirtschaftstheorie, die den Anspruch hat, eine Preistheorie zu sein, ein recht merkwürdiger Ansatz. Was ist das für eine Erklärung des Preises, in der der Preis bereits als gegeben in den Bedingungen existiert? Keiner der Heroen der neoklassischen Theorierevolution − außer Léon Walras − hat danach gefragt, wer denn eigentlich die Preise gesetzt hat. Zimperlich war sein Vorschlag nicht: Die Preise gibt den Wirtschaftern eine Art Vater im Himmel bekannt. Vielleicht geht es aber auch anders? Angenommen, der vollkommene Wettbewerb herrsche auf den Märkten, wenn alle Teilnehmer am Marktgeschehen die Angebots- und Nachfragepreise für die in ihrer Verfügung befindlichen oder gewünschten Naturnutzungen, Arbeitsleistungen und Güter aufgrund individueller Empfindungen und Überlegungen sich bilden, ohne Absprachen mit anderen getroffen zu haben. Die Preise würden auf den Märkten dann nicht einheitlich sein. Auf jedem Wochenmarkt ist 21 22 Der Freihandel Amerikas es genauso. Um den Anforderungen der Modellwelten zu genügen, könnte ein Einheitspreis aus der Vielzahl der Preise wie bei einem Tenderverfahren gebildet werden. Die Angebots- und Nachfragemengen würden nach den individuellen Preisvorstellungen in eine Reihe gebracht und der Marktpreis durch den Punkt bestimmt, in dem die Nachfragemenge der Angebotsmenge entspricht. Zu einem einheitlichen Preis führt das niederländische Versteigerungsverfahren. Wo es angewendet wird, bestimmt der letzte Umsatz der die Angebots- und die Nachfragemenge gleich groß werden lässt, den Preis für alle, die zum Zuge kommen. Für die sogenannte kurze Frist könnte die Einheitspreisbildung aufgrund des amerikanischen Versteigerungsverfahrens als realistischer angenommen werden. Bei dem amerikanischen Verfahren muss ein jeder, der mit seinem Angebot oder seiner Nachfrage zum Zuge kommt, den Preis, den er individuell angeboten oder nachgefragt hat, auch zahlen oder als Zahlung akzeptieren. Beide Versteigerungsverfahren haben wenig mit der erlebbaren Wirtschaftswirklichkeit zu tun. Es sind Ideen, die die von der Neoklassik produzierten Widersprüche im Kopf der Ökonomen auflösen sollen. Wer wissen will, was tatsächlich auf Märkten passiert, sollte Wertpapierbörsen studieren. Das 2014 bei Norton erschienene Buch von Michael Lewis, Flash Boys, kann dabei sehr hilfreich sein. Er vermittelt realistische Einsichten über eine Revolte, die an der Wall Street durch die Implementierung des Hochfrequenzhandels ausgelöst wurde. Wer in wenig nachdenken will, kann vergleichbare Erfahrungen selber im Internet machen, in- Freihandel ist eine Idee, kein Handlungskonzept für die Praxis dem er versucht, den Kurs eines bestimmten Wertpapiers zu erfahren. Schnell wird dann klar, dass es mehrere Wertpapierhändler gibt, die ein und das gleiche Papier zeitgleich zu jeweils unterschiedlichen Kursen anbieten oder nachfragen. Keineswegs ist es so, dass etwa wie an der Londoner Börse zur Zeit der Königin Victoria eine zentrale Börse alle nachgeordneten Plätze im Land durch einen täglichen Schlussverkauf zum Einheitskurs führt. Genau das Umgekehrte ist heute die Regel. Es versuchen die Händler im Zentrum die Zahl der Plattformen, auf denen im Internet gehandelt wird, zu erhöhen und so die Zahl der zeitgleich divergierenden Kurse zu vermehren. Gerade die existierenden und unendlich fortbestehenden Unterschiede der Kurse sind die Quelle der gewöhnlich als unangemessen hoch eingeschätzten Einkommen der Hochfrequenzhändler. Die Hochfrequenzhändler kämpfen um einen Milliardstel-Sekunden-Vorsprung ihrer Orders vor denen der Konkurrenz mit dem Einsatz von DollarMilliarden für bessere Hardware und Software. Mit der besseren technischen Ausstattung „überholen“ ihre Aufträge die langsameren Orders beim Zurücklegen des Weges vom Computer des Nutzers zum Computer des Händlers und gewinnen dabei die Zeit und die Kenntnisse, die ihren Computerprogrammen erlauben, mit oft sehr großen Angebots- und Nachfrageveränderungen zielgerichtet die Kurse auf den Handelsplätzen zu ihren Gunsten zu verändern. Dabei wird der größte Teil dieser kursverändernden Orders tatsächlich gar nicht ausgeführt, sondern nach wenigen Sekunden storniert. Möglich wird das durch die regelmäßig nicht vom Auftragsvolumen abhängende, sondern für jede Order gleichhohe Stornogebühr. Je größer der stornierte Auftrag ist, desto mehr hat er für die Sekunden oder Sekunden- 23 24 Der Freihandel Amerikas bruchteile, die er bestand, die Kurse verändert und die Stornogebühr zur vernachlässigbaren Belastung schrumpfen lassen. Es heißt, im Hochfrequenzhandel liege der Anteil nicht ausgeführter Aufträge an deren ursprünglichem Volumen bei über 70 %. Die hohe Geschwindigkeit und die riesige Rechenleistung ihrer Anlagen, erlauben es den mit Hochfrequenz am Börsengeschehen Teilnehmenden auch Informationen über die anderen Teilnehmer zu sammeln, zu speichern und auszuwerten. Auf diese Weise können sie das wahrscheinliche Verhalten ihrer Wettbewerber prognostizieren. Verkürzend gesagt: Sie wissen eher als die Betroffenen selbst, wann diese kaufen oder verkaufen werden und in welcher Menge und Losgröße die Orders am Markt auftreten werden. Rund um den Erdball verfügen nur sehr wenige Banken über so hochgerüstete Rechenanlagen. Man kann die richte Zahl nicht kennen. Die Banken treten nicht unter ihrem Namen auf, sondern sie greifen aus sogenannten Darkrooms anonym in den Markt ein. Umso größer ist dann die Überraschung privater Haushalte, wenn sie sich noch nicht einmal gegen die gröbsten Angriffe durch angepasstes, das Risiko begrenzendes Verhalten geschützt haben. Orders mit der Anweisung „billigst“ oder „bestens“ können dann selbst bei den dort üblichen Auftragsvolumen schnell zu Verlusten von mehreren tausend Euro führen. Selbst, wo durch Limitierung und Terminierung und durch splitten der Orders der Markt mit Vorsicht betreten wird, ist ein Verlust durch die Aktivitäten der Hochfrequenzhändler nicht mehr zu vermeiden. Die Regel ist: Die Käufer kaufen teurer und Freihandel ist eine Idee, kein Handlungskonzept für die Praxis die Verkäufer verkaufen billiger, als es ohne das Dazwischentreten der Hochfrequenzhändler geschehen wäre. Die Differenz mag auf den Kurs nur wenige Cent ausmachen. Da es aber Milliarden von Cents pro Börsentag sind, ist das „Einkommen“, das von den Flash Boys abgeleitet wird, ohne dass sie den Käufer oder dem Verkäufer der Wertpapiere einen Dienst erweisen, ungeheuerlich. Lewis bezeichnet den Vorgang als Raub der Ersparnisse der Börsennutzer. Die Kursunterschiede auf Börsenplätzen, ebenso wie die unterschiedlichen Preise auf Gütermärkten sind im Zeitablauf stabil. Sie können am Markt öffentlich werden, ohne dass sich etwas ändert. Nichts garantiert, dass in der nächsten Preisbildungsrunde ein weniger divergierendes Ergebnis daraus resultierte. Die Bedingung dafür wäre die bereits von den Klassikern Adam Smith und David Ricardo gemachte Unterstellung, dass sich sonst nichts ändert. Noch bei Léon Walras finden auf den Marktplätzen zur Entdeckung des Gleichgewichtspreises nur Wiederholungen der vorherigen Preisbildungsversuche statt. In der erlebbaren Wirtschaftswirklichkeit gibt es keine tatsächlichen Wiederholungen. Unter der angenommenen Konkurrenzbedingung wird es immer wieder bei mit Unsicherheit zu treffenden Marktentscheidungen zu uneinheitlichen Preisen kommen. Das mag die Schönheit der Grafiken in Lehrbüchern verletzen, macht aber die Theorie, die das berücksichtigt, gebrauchstüchtiger. Es gibt keinen Weg von der falschen Unterstellung zum richtigen Resultat. Transaktionen bei unterschiedlichen Preisen auf einem Markt verletzen die Ratio des Modells nicht, da die Suche nach dem Gleichgewichtspreis Kosten verursacht. Angenommen, zwei 25 26 Der Freihandel Amerikas Marktteilnehmer hätten bezüglich der Preissuche entgegengesetzte Einkaufsgewohnheiten. Einer soll sich stets für den ersten ihm genannten zum Kauf oder Verkauf entscheiden oder den Markt ohne Kaufvertrag verlassen. Der zweite soll zuerst den ganzen Markt ablaufen und alle Preise vergleichend notieren, um dann die richtige Wahl zu treffen und den günstigsten zu wählen. Beide Marktbesucher gehen dadurch ein jeweils anderes Risiko ein. Der erste hätte wahrscheinlich ein vorteilhafteres Geschäft machen können, wäre er bereit gewesen, mehr Informationen vor dem Kauf zu sammeln. Der zweite läuft das Risiko, das alles ausverkauft ist, bevor er seinen Rundgang abgeschlossen hat. Der eine Preis für das eine Gut ist sicher die eleganteste aller denkbaren Lösungen der Marktpreissuche. Schade nur, dass sie als adäquate Handlungsanweisung nur für die kleinen Wochenmärkte Geltung hat, die zu Lebzeiten unserer Urgroßmütter auf den Plätzen vor dem Rathaus existierten. Lehrbücher mit diesen Beschränkungen sind für die Jugend gefährlich. Es sollte mit ihnen so verfahren werden, wie der Großvater mit Casanovas Erinnerungen umging: Verstecken wir sie in dem obersten Regal des Bücherschranks, wo Minderjährige sie nicht erreichen können. Gleiches gilt für die überflüssige Annahme, Märkte müssten im Gleichgewicht geräumt sein. Der Markt muss das gerade nicht, jedenfalls nicht in dem von den Klassikern und Neoklassikern angenommenen Weise. Der Angebotspreis eines Gutes kann − ungeachtet einer aktuell nicht ausreichenden Nachfrage − durch die Aktivitäten hinzutretender, anders motivierter Akteure stabilisiert werden. Zum Beispiel kann ein um ein zufriedenstellendes Einkommens- oder Beschäftigungsniveau bemühter öffentlicher Freihandel ist eine Idee, kein Handlungskonzept für die Praxis Haushalt, das Überangebot quasi in der Schwebe halten, indem er es als Zwangsersparnis aufspeichert. Die Beispiele aus der erlebbaren Wirtschaftswirklichkeit sind aber viel spektakulärer als es sich die Phantasie eines Neoklassikers ausmalen kann. Hier sollen zwei bedeutende aus dem reichlichen Vorrat herausgegriffen werden. Die aktuelle Agrarpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika liefert das eine, die Zulassung von Gewerkschaften im Deutschland des 19. Jahrhunderts das andere. Die Zulassung der Gewerkschaft der Buchdrucker als Vertretung der Arbeitnehmerinteressen gegenüber ihren Unternehmern im Königreich Sachsen im Jahre 1866 war aus Sicht der Unternehmer, wie ihre Verbandsvertreter wissen ließen, ein unumkehrbarer Schritt zum endgültigen Zusammenbruch des Wirtschaftssystems. Die Arbeitsbevölkerung sah darin einen Beitrag, die von den Wohlstandssteigerungen infolge des technischen Fortschritts sich − wie es heute heißt − abgehängt fühlenden Anbieter der Arbeitsleistungen wieder daran teilhaben zu lassen. Tatsächlich fühlten die Arbeiter die Schlechterstellung nicht nur, der Fortschritt hatte sie relativ schlechter gestellt. Sie reklamierten das Recht, sich zu kartellieren, weil die Unternehmer im Markt für Arbeitsleistungen lange zuvor bereits ihre Interessen ebenso in Verbänden organisiert hatten. Dadurch war eine Situation entstanden, in der die Anbieter von Arbeitsleistungen allem Fortschritt in der Produktion zum Trotz mit ihren Löhnen auf ein Niveau fixiert waren, das die Klassiker und auch vor ihnen schon Anne Robert Turgot als Reproduktionslohn beschrieben hatten. Ein Urteil über Wettbewerbsverzerrungen sollte bei alle dem nicht vorschnell gefällt werden. Temporäre Verzerrungen des Wettbewerbs müssen möglich sein, wenn Fortschritt überhaupt 27 28 Der Freihandel Amerikas stattfinden soll. Sie liefern den Anreiz meist kostspielige Neuerungen in die erlebbare Wirklichkeit umzusetzen. Das gilt nicht nur für Investoren. Alle müssen die Kosten einer Innovation als „Extraeinkommen“ erwirtschaften können. Auch die Anbieter der Arbeitsleistungen müssen das. Andernfalls können sie sich nicht für eine anspruchsvoller werdende Nachfrage qualifizieren. Entscheidend aber ist, dass der faire Wettbewerb auf einem dann höheren Niveau wieder mit nachholende Anpassung erreicht werden kann. Wo dies durch intentionelle Vorkehrungen praktisch ausgeschlossen ist, wird weiter unten nicht mehr von Verzerrungen, sondern von Verfälschung des Wettbewerbs gesprochen, Den Zusammenbruch des zinsgesteuerten Wirtschaftssystems hat die Neuordnung des Arbeitsmarkts durch die allgemeine Zulassung von Gewerkschaften nicht bewirkt. Heute erwarten ihn nur noch wenige in naher Zukunft. 1870 taten es fast alle. Das weist darauf hin, wie nützlich eine derartige, die Zeitgenossen oft verschreckende Veränderungsmöglichkeit für den Bestand von Wirtschaftssystemen ist. Das Kartell von Gewerkschaften und Unternehmerverbänden verminderte den Angebotsdruck auf dem Arbeitsmarkt. Die neue Technik in den Industrien hatte in der Fabrik bisher nicht beschäftigbare Frauen und Kinder für die körperlich leichteren Arbeiten als Potential erschlossen. Der Kampf um den 8-Stunden-Tag begann als eine Antwort darauf. In wenigen Jahren war Kinderarbeit beseitigt und die Freihandel ist eine Idee, kein Handlungskonzept für die Praxis Schulpflicht eingeführt. Es hatte aber auch die Industrie die Antwort gefunden. Sie begegnete den steigenden Löhnen mit erneut verbesserter Technik. So konnten die Arbeitskräfte leistungsfähiger gemacht werden und den steigenden Löhne folgten wieder steigende Gewinne. Der Wettbewerb war auf höherem Niveau wieder funktionstüchtig. Wo es an diesem Wettbewerb fehlt, muss er auf einem höheren Niveau wiedereröffnet werden können, wenn das Scheitern der Wirtschaft vermieden werden soll. In der Mitte Europas stieg die Wirtschaft des Reichs steil auf und übertraf zum Ende des 19. Jahrhunderts selbst Großbritanniens Industrien im Können und in der Leistungskraft. Die Agrarpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika liefert das zweite Beispiel für ein nicht nur denkbares, sondern praktiziertes Gleichgewicht. Die Politik, die permanent die Subventionspolitik der Europäischen Union kritisiert hat, stabilisiert selbst ebenso die Agrarpreise zu Gunsten der Landwirte. Es geschieht, indem die öffentlichen Haushalte die Nachfrage erhöhen. Sie kaufen Getreide und werfen es zum Beispiel aus Flugzeugen über den Hungergebieten Afrikas ab, und weg ist es! Ganz ohne die hohen Lagerkosten, die früher mehr noch als heute den Europäern entstanden, wenn Getreide, Zucker, Rindfleisch, Schweinefleisch, Milch und Butter aus dem Markt genommen wurden, um die Garantiepreise zu stützen. Jeder Versuch, diese Lebensmittel außerhalb der Europäischen Union auf dem Markt anzubieten, wurde von den Vereinigten Staaten von Amerika keineswegs als Belebung der Konkurrenz auf dem freien Markt begrüßt, sondern als feindlicher Akt aufgefasst, der prompt mit regelrechtem Handelskrieg beantwortet wurde. 29 30 Der Freihandel Amerikas Das Abwerfen von Getreide über Afrika ist auch weniger Hilfe für die betroffenen Gebiete als es scheint. Es hebt der Absicht entsprechend den Preis des Getreides in den Vereinigten Staaten von Amerika, zugleich aber hindert der vorgebliche Kampf gegen den Hunger das Entstehen und die Aufrechterhaltung einer afrikanischen Getreideproduktion. Das geschieht, wenn die Mengen ausreichend groß sind, um dort den Preis des Getreides unter die afrikanischen Kosten der Produktion fallen zu lassen. Auch, wo der Agrarüberschuss nicht im Himmel über Afrika entsorgt, sondern auf dem Landweg in Lager gelangt und dort verteilt wird, ist das mit negativen Begleiterscheinungen verbunden. Aus der Kampagne gegen den akuten Hunger wird regelmäßig ein permanentes Lager. Statt der Rückkehr der Hilfsbedürftigen in Siedlungen sammeln sich in den Lagern immer mehr Menschen, wo Nahrung ohne Arbeitseinsatz zugeteilt wird. Böden, auf denen lohnende Agrarproduktion möglich wäre, bleiben wegen der abgewanderten Arbeitskraft unbestellt. In der Entwicklungshilfepolitik nennt die Fachwissenschaft das Welthungerhilfe. Es dient aber vorrangig der Absicht, hohe Agrarpreise in den Vereinigten Staaten von Amerika zu stabilisieren und ist ein grober, die Landwirtschaft von wirtschaftlich schwach entwickelten Ländern schlechter stellender und regelmäßig ruinierender Eingriff in den Wettbewerb. Mit ähnlichen Wettbewerbsverzerrungen sind die Länder Mittelamerikas, die bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts Selbstversorger ihrer Hauptgetreidearten waren, zu Maisimporteuren der Vereinigten Staaten von Amerika geworden. Das Argument, es sei für diese Länder nützlich gewesen, den relativen Kostenvorteil der US-Getreideproduktion zu genießen, sticht hier nicht. Die Ruinierung der Freihandel ist eine Idee, kein Handlungskonzept für die Praxis Getreideerzeugung in der Mitte des Doppelkontinents war nicht das Ergebnis von günstigeren Marktpreisen in den Vereinigten Staaten von Amerika. Sie war die Folge der Überflutung der Länder mit durch Subvention verursachten Überschussmengen zum Nullpreis. Gegen Getreide zum Nullpreis kann niemand mit Erfolg konkurrieren. Die einzige Erwerbstätigkeit, die es auslöst ist die Verschiebung eines bedeutenden Teils auf den Schwarzmarkt. Die Wiederherstellung eines fairen Wettbewerbs auf höherem Niveau unterbleibt. Statt vom Wettbewerb zu höherer Leistung angetrieben zu werden, fällt die Wirtschaft in Stagnation und macht Rückschritte in der Wohlfahrtsentwicklung mit einer steigenden Passivierung der Leistungsbilanz. Wenn ein Land noch nicht für die weiter unten beschriebenen subprime-security-Kredite aus den Vereinigten Staaten von Amerika reif ist, kann dieses Defizit nur durch Auswanderung eines Teils der Bevölkerung ausgeglichen werden, die die Konsumgüternachfrage im Inland absenkt und zum Beispiel in Deutschland zu Übertragungen, auch von im Einwanderungsland gezahlten Sozialleistungen, der Auswanderer an Zurückbleibende führt. Wie auch immer die Ungleichheit der Marktpreise im Gleichgewicht gehalten werden mögen, sie bleibt für den Betrachter im Widerspruch zum „Gesetz des einen Preises“, das postuliert, es könne in einem Markt nur einen Preis für ein und das gleiche Gut geben. Jede Abweichung davon müsste ein Ungleichgewicht auf dem Markt bedeuten, so lange die Kosten der Suche nach den bestehenden Preisdifferenzen geringer sind als der Arbitragegewinn, der durch Kaufen am billigsten gekannten Platz und Verkaufen auf dem teuersten entsteht. Die neoklassischen Haushalte können dies aber nicht. Sie können die Preisunterschiede nicht 31 32 Der Freihandel Amerikas kennen, sonst würden sie ja von Anfang an die Gleichgewichtspreise und keine anderen anbieten oder fordern. Von der Neoklassik wird das Problem nicht aufgelöst. Sie lässt es gegen die Vernunft und gegen die Erfahrung verschwinden, indem sie jeden Marktteilnehmer mit vollständiger Information ausstattet. Je besser die Information ist, desto weiter entfernt sich der Leser allerdings der erlebbaren Wirtschaftswirklichkeit. Mit anderen Worten: Die „freie“ Marktwirtschaft ist ein Konzept oder Gedankenspiel. Es ist eine Täuschung der naturgemäß schlecht informierten und nicht fachkundigen Öffentlichkeit, die die denkbare und die erfahrbare Welt nicht unterscheidet und so Trugschlüsse verursacht. Mehr noch geschieht es, wenn die Erstere − zum Beispiel für die „Neue Soziale Marktwirtschaft“ − zur Erklärung oder Beurteilung tatsächlicher Wirtschaftsvorgänge genutzt wird. Diese Anmerkungen zur Allgemeinen Theorie der Wirtschaft sollten genügen, um eine eigene Vorstellung zu entwickeln, dass es in der vorherrschenden Lehre keine überzeugenden Nachweise für eine Neigung der Marktkräfte zu einem neoklassisch zu verstehenden Gleichgewicht gibt. Die Gleichgewichtsbedingungen für die Existenz und die Stabilität sind in der erlebbaren Wirtschaftswirklichkeit keine Bedingung des dauerhaften Bestandes von Ordnungen der Wirtschaft mit zum Beispiel konkreten Verteilungsergebnissen. Umgekehrt ist nicht alles schon gerecht, was Bestand hat. Der Freihandel Amerikas war seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs stabil. Der nachfolgende Text soll Freihandel ist eine Idee, kein Handlungskonzept für die Praxis zeigen, dass es nicht ein neoklassisches Gleichgewicht war, das dies bewirkte. 33 35 3. Über „gute Regierungstätigkeit“, Ordnung und Barbarei D em Publikum der Propagandisten der „freien“ Marktwirtschaft wird dennoch weit mehr zugemutet, als es im vorigen Kapitel bereits berichtet worden ist. Der freie Markt kann nach ihrer Auffassung offensichtlich nicht durch seine Selbststeuerungskräfte gefördert und gesichert werden. Vielmehr sei „gute Regierungstätigkeit“ wie bei Jean Baptist SAY vonnöten, um die „natürliche“ Ordnung mit Reformen gegen das uneinsichtige Publikum durchzusetzen. Warum lacht eigentlich niemand? Das Wort Freihandelsabkommen ist doch ein Witz! Die gute Regierungstätigkeit ist jene, die von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika praktiziert wird. Diese Regierung scheint aber bei ihren Entscheidungen offensichtlich nicht mehr so frei zu sein, wie sie es müsste, um nur ihren eigenen Vorstellungen Gesetzeskraft zu verleihen. Sie muss für unvoreingenommene Beobachter unter den Einfluss der ihr Kredit geben und verweigern könnenden Banken und hier insbesondere des Marktmachers ihrer verbrieften Staatsschulden gekommen sein. Unerklärlich bliebe sonst, warum von ihr so viele und so energisch Ziele verfolgt werden, die unübersehbar das anstreben, was der Hochfinanz in der Wall Street guttut. 36 Der Freihandel Amerikas Wahrscheinlich führten die Kosten zahlreicher Kriege, zu einer Verschuldung des Finanzministeriums, deren Nichtrefinanzierbarkeit die Haushaltspolitik des Finanzministers in ein Chaos stürzen würde. Man lehnt sich also nicht zu weit aus dem Fenster mit der These, es sei nicht die Tätigkeit der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, die widerspruchslos von den zur Verschuldung beim IWF drängenden Schuldnerländern nachvollzogen werden soll. Es sind Interessen der Akteure der Hochfinanz im Finanzzentrum der Vereinigten Staaten von Amerika die mit der Institution IWF umgesetzt werden. Das ermöglicht das auf Seite 40 erwähnte privilegierte Stimmrecht des Gouverneurs der Vereinigten Staaten von Amerika in dieser Institution. Es lässt keinen Beschluss im Gouverneursrat und im Direktorium zu, dem die Vereinigten Staaten von Amerika nicht zustimmen. Bezeichnenderweise sind die „Grundsätze guter Regierungstätigkeit" auch nicht im Senat oder Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika erörtert und gar beschlossen worden. Sie sind vermutlich ein Produkt der komplexen Dreiecksbeziehung, die sich zwischen den öffentlichen Haushalten und dem Zentralbanksystem in Washington einerseits und dem Finanzzentrum in der New Yorker Wall Street andererseits gebildet hat. Die planetarische Exekution dieser Grundsätze gibt jedem Mitglied des IWFs eine politische Infrastruktur, wie sie in den Vereinigten Staaten von Amerika besteht. Es ist der IWF, der den an die 10 Gebote erinnernden Katalog in die Welt gebracht hat. Er kontrolliert auch dessen Umsetzung in die Politik der Mitgliedsregierungen bei der Gewährung von Krediten. In diesem Zusammenhang wird oft gefordert. es sollten Ross und Reiter genannt werden. Thomas Frank hat es vor kurzem mit seinem Buch „Listen, Liberal: Or: What happend to the Party of Über „gute Regierungstätigkeit“, Ordnung und Barbarei the People“ getan und den Clintons vorgeworfen, sie hätten vor allem das Interesse Hochfinanz vertreten und ihr Handeln an diesem ausgerichtet. Stimmen wird das schon, oder auch nicht. Mein Interesse ist nicht das Auslösen einer Hetzjagd auf Personen. Mein Anliegen ist die falsch geordnete Institution zu entdecken, um dort im Grunde unerträgliche Zustände verbessernd zu verändern. Menschen kann man für unrechtes Handeln verachten, bestrafen usw., aber verändern kann man sie eher nicht. Institutionen können aber ohne Zweifel von der Straße und aus den Volksvertretungen heraus verändert werden. Daher ist es wichtiger, sie und nicht (nur) die darin handelnden Personen zu studieren. Griechenland wird einem Verfahren zur Rettung der Aktiva seiner inzwischen öffentlichen Gläubiger seit Jahr und Tag ausgesetzt. Weiter unten wird deutlich werden, dass der IWF keine Einrichtung zur allgemeinen Unterstützung von in Leistungsbilanzschwierigkeiten geratenen Mitgliedsländern ist. Vielmehr sichert er die Interessen des US-Haushaltsfinanzsektors, des USZentralbanksystems und der privaten die Interessen der Wall Street-Banken, indem er diese vor der Konkurrenz der Freihandelspartner schützt. Bei der Krise infolge der Überschuldung Griechenlands will der IWF mitbestimmen, weil insbesondere eine New Yorker Großbank und von dieser Bank finanzierte Hedge-Fonds Großgläubiger des Landes waren. Dies, obwohl sich zeigen lässt, dass gerade diese Akteure Griechenland mit expandierenden Krediten direkt in den Zustand kurz vor der Zahlungsunfähigkeit geführt haben. Den Beistand sollen aber nach der Auffassung des IWFs die Überschussländer des Eurosystems ganz allein leisten, 37 38 Der Freihandel Amerikas und zwar so vollständig, wie es für die Auszahlung fällig werdender Anleihen, die aus dem Finanzzentrum New Yorks finanzierte Institute mit fast neoklassischer Information im Crash der Anleihen des Landes zu abenteuerlichen Tiefstpreisen angekauft haben, zum Nominalwert ausgezahlt werden können. Soweit wie das Land selbst für seine Schulden einstehen muss, durchläuft es ein feststehendes Programm. Sein Ablauf ist mit drei Schritten zu beschreiben: Das Kredit bei dem Internationalen Währungsfonds beantragende Land, muss erstens eine Absichtserklärung (letter of intent) abgeben, wie und in welchen Zeitabschnitten es seine Schwierigkeiten einer Lösung zuführen will. Eine freie Wahl hat es dazu freilich nicht. Es läuft in der Regel darauf hinaus, dass der IWF zweitens die öffentlichen Ausgaben des den Antrag stellenden Landes zu vermindern sucht. Das wird fälschlicherweise mit Sparen bezeichnet. Wenn eine Schule nicht renoviert wird, Erhaltungsausgaben für Straßen nicht erfolgen, dann wird jedoch nicht gespart, sondern nur weniger ausgegeben. Als Folge einer Ersparnis gelangt man in den Besitz eines Vermögenswertes. Es wird somit ein Aktivtausch vollzogen. Die Folge einer Minderausgabe ist eine Verkürzung der Bilanz. In der Praxis bedeutet das „Sparen“ die Entlassung von Arbeitskräften bei öffentlichen Stellen, die Kürzung von Sozialleistungen und den Verfall von öffentlicher Bausubstanz. Tatsächlich wird aber nicht weniger ausgegeben, sondern es findet auch hier ein Tausch von Passiva statt. Geld wird, statt in die Infrastruktur investiert oder für Soziales ausgegeben zu werden, für Forderungen der Gläubiger verwendet. Drittens werden noch im öffentlichen Besitz befindliche Vermögenswerte erfasst. Das sind zum Beispiel Gewinn abwerfende Über „gute Regierungstätigkeit“, Ordnung und Barbarei Hafenanlagen, Flughäfen, Eisenbahngesellschaften, Versorgungsbetriebe usw. Es wird für diese Vermögenswerte die Bereitschaft der Regierung zur Privatisierung erwartet. Es wird langsam deutlich: Der IWF ist eine der Institutionen, mit denen die Akteure des Banken- und Haushaltsfinanz-Komplexes der Vereinigten Staaten von Amerika ihre den Wettbewerb blockierenden außenwirtschaftlichen Ziele verwirklichen. Bei seiner Gründung in Bretton Woods im Jahre 1944 haben 46 vom Weltkrieg mehr oder minder verwüstete und finanziell ruinierte Staaten vor allem Westeuropas diese Möglichkeit geschaffen, indem sie nahezu unglaubliche Zugeständnisse an die große Gläubigernation machten. Sie taten es in der Hoffnung, amerikanischen Kredit für den Wiederaufbau zerstörter Städte und die Modernisierung ihrer durch unterlassene Reinvestition erbärmlichen Industrien zu erhalten, ohne sofort dafür Konsumverzicht leisten zu müssen. Ganz ungewöhnlich war die Entlassung der zum Leitwährungsanbieter bestimmten Führungsnation aus der Verpflichtung, die Stabilität des Wechselkurses seiner Währung durch entsprechende Geldmarktgeschäfte (damals waren das Diskontgeschäfte) und notfalls durch ergänzende Interventionen am Devisenmarkt zu sichern. Vielmehr verpflichteten sich die anderen Mitglieder des Systems dazu, unbeschränkt US-Dollar oder Dollar-Guthaben mit ihrer eigenen Währung anzukaufen oder umgekehrt mit von ihnen in der Währungsreserve gehaltenen Dollar oder Dollar-Guthaben ihre eigene Währung zur Kursstabilisierung aus dem Markt zu nehmen. Dazu mussten sie Dollarvermögen − überwiegend in US-Staatspapieren − in der Devisenreserve halten und so zu einem nicht unerheblichen Teil die niedrig ver- 39 40 Der Freihandel Amerikas zinsten Staatsschulden der Vereinigten Staaten von Amerika finanzieren. Sie hatten damit zugleich die Kompetenz über ihre Geldpolitik und im strengen Sinne auch über ihre Finanzpolitik verloren. Selbst, wenn sie es gewollt hätten, konnten sie nicht mehr mit hartem Geld gegen den Dollar konkurrieren, aber auch nicht, falls sie es für richtig empfunden hätten, eine Politik des leichten Geldes im Verhältnis zur Geldpolitik des Zentralbanksystems der Vereinigten Staaten von Amerika verfolgen. Sie waren mit ihrer Währung über den fixen Wechselkurs in einem Kartell an den Dollar gefesselt. Zu den übernommenen Pflichten gehörte auch eine Regel für das Stimmrecht in den Gremien des IWF, das sich aus den von den Mitgliedsländern gehaltenen Kapitalanteilen ergeben sollte. Das Kapital war zu 25% in Gold oder US-$ und zu 75% in der Währung des Mitgliedslandes einzuzahlen. Der IWF gelangte so in den Besitz aller Währungen seiner Mitglieder und beachtlicher Dollarbestände aus deren Währungsreserven. Aber nur wenige der eingelieferten Währungen waren frei konvertierbar. Sie im Kreditverkehr zu verwenden, war nicht möglich, weil sie zur Tilgung von Schulden aus den Importgeschäften nicht akzeptiert wurden. zur Verschuldung bereiten Nationen möglichst große Leistungsbilanzdefizite mit Kredit in der Form von Ziehungsrechten finanzieren zu können, musste der große Gläubiger einen großen Kapitalanteil halten. Mit etwas mehr als 17% betrug er dann auch ein Vielfaches der Beiträge anderer Mitgliedsländer. Seine Wettbewerbswirkung ergibt sich aus dem Zusammenhang mit einem Quorum, das für Beschlüsse des Gouverneursrats und des Direktoriums eine Mehrheit von 85% der Stimmen einfordert. Im IWF konnte und kann nach wie vor kein Beschluss gefasst werden, dem die Vereinigten Staaten von Amerika nicht zustimmen. Über „gute Regierungstätigkeit“, Ordnung und Barbarei Ursprünglich wurden die Kapitalanteile nach der globalen Bedeutung der Wirtschaft des Mitgliedslandes bestimmt. Mit dem allgemein kräftigen Wirtschaftswachstum der Nachkriegsjahrzehnte hatten mehrere Mitgliedsländer die Absicht, ihre Mitspracherechte im IWF zu steigern. Sie wollten dazu ihren Kapitalanteil an ihre gewachsene Wirtschaftskraft anpassen. Auch die Länder, die sich neu um eine Mitgliedschaft bewarben, sehen sich oft mit nach ihrer Meinung zu niedrigen Kapitalanteilen aufgenommen. Da die Vereinigten Staaten von Amerika durch korrekte Bewertung entweder ihre Privilegierung in Abstimmungen verloren hätten oder den eigenen Kapitalanteil entsprechend hätten erhöhen müssen. Sie unterdrückten Anträge, die die Relationen der Stimmen der Mitglieder im Gouverneursrat geändert hätten. Es blieb alles beim Alten. Da der Dollar zu dieser Zeit heftigen Kursschwankungen ausgesetzt war, wurde die Recheneinheit SZR durch einen Währungskorb gebildet. Neben den Dollar traten 4 weitere Währungen als Korbwährungen an. Der Kurs des Korbes wird, nachdem er einmal durch die festen Anteil der einzelnen Währungen am SZR-Korb für mindestens 5 Jahre festgesetzt wurde, nach den sich ändernden Wechselkursen seiner Anteile berechnet. Der Anteil der einzelnen Länder an den frisch geschaffenen SZRMenge wird Schuldnerquote genannt. Dies geschieht abgrenzend gegen die Gläubigerquote, die den Überschussländern zusätzlich zur Schuldnerquote zugeteilt wird. Die Schuldnerquote bestimmt den potentiellen Kredit, den ein Land beim IWF erhalten kann. Die Gläubigerquote begrenzt die Menge der SZR, die ein Gläubigerland gegen Korbwährung zusätzlich zu seinem Kapitalanteil übernehmen muss, wenn der IWF sie ihm, um seine Liquidität in konvertierbarer Währung zu erhalten, zuteilt. 41 42 Der Freihandel Amerikas Das ist eine zufriedenstellende Lösung für die Vereinigten Staaten von Amerika, weil das geringe Eigenkapital im IWF nicht als Beschränkung der Aktivitäten wirkt. Braucht der Fonds mehr konvertierbare Zahlungsmittel, kann er sie durch einen Beschluss des Gouverneursrats in Form von SZRen offensichtlich selbst hervorbringen und bei Bedarf nach dem Kapitalanteil aufgeschlüsselt auf die Mitglieder zum Ausgleich der defizitären Leistungsbilanz verteilen. (Tatsächlich hätten die Importe mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht stattgefunden, wenn Zahlungen erst zu diesem späten Zeitpunkt möglich wären. Die Importe werden aber gewöhnlich Zug um Zug bezahlt. Es geschieht mit dem Kredit der vor dem Wettbewerb anderer Banken durch die ihnen Sicherheit produzierende Aktivität des Währungsfonds geschützten Wall Street Banken. Eine Bank, die einen derartigen Quasi-Garantiegeber nicht hat, könnte so ein Geschäft nicht wagen. Der Währungskorb des IWFs enthält zurzeit fünf Währungen, das sind der US-Dollar, der Euro, das britische Pfund, der japanische Yen und der chinesische Yuan (Renminbi). Zur weiteren Verschuldung bereite Länder mit einem Leistungsbilanzdefizit können, soweit wie sie auf ihren in einer Korbwährung eingezahlten Kapitalanteil zurückgreifen, ohne Antrag ein ordentliches Ziehungsrecht ausüben. Über den gezogenen Betrag können sie als Kredit in einer Korbwährung verfügen. Nach Abschluss der Transaktion hat das ziehende Land — aus den von den Gläubigerländern aufgefüllten Reserven des IWFs — zugeführte Korbwährung auf seinem Zentralbankkonto. Der IWF hat diesen Betrag statt in einer Korbwährung in einer Landeswährung, die offenbar nicht auf Devisenmärkten handelbar ist, in seiner Reserve. Wäre sie devisenmarkttüchtig, hätte das Land nicht auf den Fonds gezogen, sondern sie auf dem Markt angeboten. Über „gute Regierungstätigkeit“, Ordnung und Barbarei Die bisher betrachtete Möglichkeit eines Ziehungsrechts ist das unbedingte Ziehungsrecht. Es steht den Mitgliedsländern Falle eines Leistungsbilanzdefizits so lange zu, wie sie dabei auf in einer Korbwährung beim IWF eingezahltes Eigenkapital ziehen. Das gehört aber längst zum Märchenstoff für alle Schuldnerländer. Sie haben als Ausdruck zunehmender Abhängigkeit vom IWF-Kredit seit Jahrzehnten bereits nur noch bedingte Ziehungsrechte. Dabei handelt es sich um ein Ziehungsrecht, erst auf einen an den IWF zu stellenden Antrag genehmigt, aber auch abgelehnt werden kann, ehe es auszuüben ist. Die bedingten Ziehungsrechte übersteigen in der Gegenwart regelmäßig das ordentliches Ziehungsrecht der Schuldnerländer um ein Vielfaches. Dies, obwohl die Konditionen des aufgrund bedingten Ziehungsrechts gewährten Kredits mit der Rate der Überschreitung des unbedingt dem Land zustehenden Betrags durch steigende Zinsen und verschärfte Auflagen härter werden. Die, so sieht es aus, gegen Unendlich wachsenden Verbindlichkeiten der Schuldner erfordern wegen des faktisch nicht zu erhöhenden Eigenkapitals des Fonds eine Alternative zu den knapp werdenden Eigenmitteln. Die Recheneinheit SZR hat diese Aufgabe bisher erfüllt und dem IWF seit dem 3. Oktober 1969 nach der Auffassung der Gläubigerländer ausreichende Expansionsmöglichkeiten geschaffen. SZRe sind allerdings kein Geld, also auch keine neue „Weltwährung“, wie es in Wikipedia unter dem Stichwort „SZR“ irrtümlich heißt. Sie sind Verbindlichkeiten des IWFs und keineswegs wie dort auch zu lesen ist, durch die Währungen der Gläubigerländer, sondern mit den von den Schuldnerländern hinterlegten nicht konvertierbaren Währungsbeständen, „gedeckt“. Hier von einer Deckung zu sprechen ist freilich recht mutig. Der 43 44 Der Freihandel Amerikas Marktwert dieser Sicherheiten liegt nicht weit vom Nullpunkt entfernt. Der Gouverneursrat könnte unter diesen Umständen nur bedingt dem IWF eine unbeschränkte Menge SZR durch Beschlüsse neu verfügbar machen. Die Bedingung besteht in der Bereitschaft der Gläubigerländer, SZR ungeachtet ihrer im Ernstfall sehr wahrscheinlichen Wertlosigkeit als vollwertige Währungsreserve in der Bilanz ihrer Zentralbanken anzusehen. Dies vorausgesetzt also, könnten auf die Gläubigerländer und auf die Schuldnerländer des Fonds nach dem Kapitalschlüssel verteilt werden. Teilte der IWF tatsächlich die SZR einem oder mehreren der Gläubigerländer zu, dann stellten diese die zugeteilten SZR als Devisen, also als Forderung gegen Fremde, hier konkret gegen den IWF, in die Währungsreserve ihrer Zentralbank ein. Am Ende des Vorgangs hielten die Gläubigerländer die SZR, der Währungsfonds die nicht devisenmarkttüchtige Währung des Schuldnerlandes und das Schuldnerland würde sein Leistungsbilanzdefizit mit der erhaltenen Korbwährung durch Zahlung an Export-Überschussländer ausgleichen können. Eine Deckung der in ungedeckte Währung gewandelten SZR ist nirgends zu sehen. Das Gläubigerland hat seine Verpflichtung erfüllt und muss darüber hinaus nichts leisten. Das Geld, das sie dem IWF in der Form von Korbwährungen gegen SZR übertragen haben, haben die Schuldnerländer von US-Dollar-Schulden bei den Wall Street Banken befreit und es ist nicht zu erkennen, wie aus den nicht konvertierbaren „Papiergeld“ jemals konvertierbares Geld werden könnte. Das bedeutet: 1. SZR sind kein Geld, sie sind außerhalb des vom IWF und den Zentralbanken seiner Mitgliedsländer gebildeten Kreislaufs einer Marktbewertung unterliegende Forderungen auf Geld. Sie Über „gute Regierungstätigkeit“, Ordnung und Barbarei werden deswegen nur als Reserveguthaben und nur bei dem Währungsfonds oder bei den Zentralbanken seiner Mitgliedsländer als Verrechnungsmittel und nicht als Zahlungsmittel, wie sie für Transaktionen außerhalb des Systems benötigt werden, gehalten. 2. Als Forderungen auf Geld sind SZR in einer von fünf Korbwährungen zu nominieren. Sie können aber eine Geldschuld nicht tilgen. Wer SZR akzeptiert, nimmt sie „an Zahlungs Statt“ an. Er hält dann eine Forderung gegen den IWF in Händen. Bisher ist die Kreditgewährung des IWFs noch nie infolge seines als unzureichend angesehenen Eigenkapitals an eine Grenze gestoßen. Dass eine schier endlos erscheinende Liquidität dem Fonds erlaube − wie manche Ökonomen glauben − das globale Engagement stets den Anforderungen entsprechend zu expandieren, kann, wenn die zwei Punkte zutreffen, nicht weiter angenommen werden. Deswegen wird weiter unten auf diesen Punkt zurückzukommen sein. Der Ausgangpunkt zu dem soeben beendeten Gedankenausflug war der Beschluss über „gute Regierungstätigkeit“. Ihn haben sicher die Koryphäen in Denkfabriken des New Yorker Finanzzentrums ausgedacht. Er sichert den Wall Street-Banken jedenfalls den wirksamen Einsatz der mit Hilfe der IWF-Mitglieder bereitgestellten Liquidität zur Gewinnung von Abhängigkeit und Einfluss in den Schuldnerländern des Fonds auf Kosten der Exportüberschussländer. Nur oberflächlich läuft es darauf hinaus, dass sich Akteure des Finanzzentrums des Planeten Erde in jedem x-beliebigen Lande so leicht zurechtfinden, wie sie es in den heimischen Shopping Malls gewöhnt sind. KFC, McDonald, der polnische Bäcker usw. 45 46 Der Freihandel Amerikas finden sich in Houston und in Chicago, in LA wie in NY immer auf dem gleichen Platz. Erst die unveränderliche Ordnung lässt die Mall zu dem Shopping-System werden, das sie ist. Warum sollte eine solche Ordnung nicht auch für die Funktionszusammenhänge der Regierungstätigkeit hergestellt werden können? Weniger oberflächliche Betrachtungen lassen aber vor allem einen Zusammenhang zwischen der Ordnung des öffentlichen Haushaltsystems mit seinen Beziehungen zum Finanzzentrum einerseits und den darin bestehenden Entscheidungsgewalten und Einflussmöglichkeiten andererseits erkennen. Das erlaubt, die Zusammenarbeit des Währungsfonds mit von seinem Kredit abhängig gewordenen Mitgliedsländern zu standardisieren. Ganz gleich, ob Burkina Faso, Süd Sudan, Somalia oder Nigeria beraten wird, die Absichtserklärungen zu ihren Anträgen, ähneln sich wie ein Ei dem anderen. Selbst die landesspezifischen Lagebeurteilungen unterscheiden sich kaum. Es gab sogar den Fall, dass in textidentischen Berichten nur der Name des Staates abgeändert worden war. Das ist aber nicht so, weil die Berater des IWFs keine ernsthaften Untersuchungen betreiben, wie es oft vermutet wird. Die Schuldnerländer sind tatsächlich ähnlich strukturiert und zwar durch Anpassung an die Bedingungen der Kreditgewährung des Internationalen Währungsfonds. Wirtschaftsgebiete, die eine Mitgliedschaft im IWF nicht wünschen oder sich als Mitglieder den vom in dessen Gremien ausgeübten Eingriffen in ihre Souveränität widersetzen, werden als Schurkenstaaten klassifiziert und können wie die Barbaren im alten Rom nicht eine Behandlung durch die Administration der Vereinigten Staaten von Amerika beanspruchen, wie sie unter zivilisierten Staaten üblich ist. Über „gute Regierungstätigkeit“, Ordnung und Barbarei Die Neoklassik weiß nichts davon. Ihre Haushaltsvorstände tauschen Brot gegen Wein auf virtuellen Punktmärkten sozusagen unter Laborbedingungen im Nirgendwo. Das ist bezogen auf die erlebbare Wirtschaftswirklichkeit völlig nutzlos. Wirtschaftstheorie sollte sich stattdessen mit den Märkten in der erlebbaren Wirtschaftswirklichkeit beschäftigen. Dazu gehört auch, sich mit dem Verhalten der führenden Wirtschaftsmacht auseinanderzusetzen. Das wird jedem, der guten Willens ist, die Wettbewerb unterdrückenden Praktiken im Finanzzentrum der Vereinigten Staaten von Amerika − die der Gegenstand nun folgender Abschnitte des Textes sind − unübersehbar machen. Es ist ein Skandal erster Ordnung, dass die nahezu 200-jährige Vorherrschaft des klassischen und neoklassischen NirgendwoAnsatzes in der Lehre von der Wirtschaft an den Hochschulen in aller Welt fast widerstandslos möglich war. Eine angemessene Theorie von der Wirtschaft hat nicht eine vollkommene Konkurrenz als Bedingung ihres Gleichgewichts. Entsprechend kennt sie keine freie Wirtschaft. Alle Wirtschaft ist geordnete Wirtschaft. Sie verleiht Rechte an jene, die Pflichten zu übernehmen bereit sein müssen. Die Suche nach der angemessenen Ordnung, ist ein Entdeckungsprozess, der ein Gleichgewicht zwischen Rechten und Pflichten einzurichten beabsichtigt. Entdeckt werden soll nicht, was die Anhäufung der Rechte bei Wenigen und der Pflichten bei den Vielen begünstigt. Anzustreben wäre eine Ordnung, die Rechte in Abhängigkeit von einer vom Leistungsvermögen relativierten Leistung ausgleicht. Die Wälder ganzer Kontinente waren abzuholzen, um das Papier zu produzieren, aus dem die Weisheit mit Druckerschwärze allen Menschen, die guten Willens sind, in Büchern hätte zur 47 48 Der Freihandel Amerikas Kenntnis gebracht werden können. Hätte, ja hätte vielleicht, hätten die Bücher nicht mit dem Staub der Jahrzehnte bedeckt wie Ziegelsteine auf Bücherregalen gestanden, ehe sie von den Erben ins Antiquariat verscheucht worden sind. Vielleicht war das aber auch ein Glück. Wer weiß? Man macht sich ja keine Vorstellung davon, was so ein nach Gerechtigkeit suchender Mensch sich alles als Naturgesetz ausdenkt. Leider ist die ungeordnete Wirtschaftsgesellschaft ein Widerspruch in sich und damit keine Alternative. Ungeordnet ist nicht die freie Wirtschaft, sondern der „Wilde Westen“. Wo die Ordnung fehlt oder eine bestehende nicht durchgesetzt werden kann, geht man gewöhnlich mit dem Colt zum Brötchen holen. 49 4. Wechselnde Regierungen, bleibende Freihandelsirrtümer F reilich gibt es mehr oder weniger gut geordnete Wirtschaftsräume. Dass eine Ordnung schon lange ohne Änderungen besteht, muss kein Gütebeweis sein. Eine den Buchstaben nach unveränderte Wirtschaftsordnung ändert ihre Wirkung durch die Entwicklung der Wirtschaft. Soll sie unverändert wirken, muss sie ständig an die Entwicklung der Wirtschaft angepasst werden. Das Motiv der Veränderung wirtschaftlicher Vorgänge besteht aber häufig darin, eine durch Ordnung geschaffene Restriktion, die bestimmtes Handeln hervorbringen oder unterdrücken soll, durch Gegenmaßnahmen wirkungslos zu machen. Dies Motiv ist am stärksten dort, wo ein durch Institutionen erzeugter Wettbewerb zugunsten der Betreiber des Vorgangs verzerrt oder aufgehoben werden kann. Auch die Absicht, Konkurrenten einem schärferen Wettbewerbsdruck auszusetzen, ist ein häufiger Antrieb zu Veränderungen der laufenden technischen und organisatorischen Wirtschaftsvorgänge. Die angemessene Theorie der Wirtschaft muss das erkennen. Sie könnte dazu den Wettbewerb als relativen Wettbewerb, wie er im Verhältnis ökonomischer Kennziffern zu entdecken ist, zum Ausgangspunkt der Überlegungen nehmen. Wenn in Deutschland das Verhältnis von „Lohn und Profit“ 70:30 vor etwa 40 Jahren war und heute annähernd 60:40 ist, dann 50 Der Freihandel Amerikas sollte gesagt werden können: Der Wettbewerbsgrad zwischen „Arbeitern und Kapitalisten“ ist zu Lasten der „Arbeiter“ in diesem Wirtschaftsraum verschärft worden. So einfach ist ein Urteil über die tatsächliche Verteilung des Sozialproduktes aber nicht zu haben. Das hat PIKETTI mit seinem etwas vorschnell allgemein gelobten Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ auch erfahren müssen. Zahlreiche Akte der Sekundärverteilung machen den Vorgang unübersichtlich. Mit ähnlicher Unschärfe kann auch der zwischen den Wirtschaftsräumen existierende Wettbewerbsgrad und seine Veränderung zum Beispiel nur aus Kennziffern der Kapitalbilanz ermittelt werden. Die externen Verbindlichkeiten und die komplementären externen Forderungen liefern hier relevante aber auch nicht immer widerspruchsfreie Daten. Freilich wird ohnehin die Erwartung, diese Werte absolut oder in ihrer prozentualen jährlichen Veränderung bis in die dritte Stelle hinter dem Komma erfassen und ablesen zu können, weder erfüllt werden, noch notwendig sein. Es wird aber hoffentlich ein Urteil darüber möglich, ob Anstrengungen der Banken im New Yorker Finanzzentrum der Vereinigten Staaten von Amerika dabei sind, den Wirtschaftsraum Planet Erde im Namen des Freihandels mit institutionell abgesicherter Gewalt zu dominieren. Hier wird behauptet, es könne genügend sicher nachgewiesen werden, dass dies seit dem Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart zutreffend ist. Es ist Aufgabe des Lesers zu prüfen, ob das auch von ihm nachvollzogen werden kann. Das Ausmaß, in dem das Finanzzentrum der Vereinigten Staaten von Amerika sich nach dem Zweiten Weltkrieg vor dem Wettbewerb des Auslandes mit der Gründung von dem Freihandel angeblich dienenden Institutionen geschützt hat und weiter Wechselnde Regierungen, bleibende Freihandelsirrtümer schützt, ist auf jeden Fall beeindruckend. Dies umso mehr, weil es nahezu unbeachtet blieb. Es wurden die für die Wirtschaft der Vereinigten Staaten von Amerika bedeutenden fremden Märkte für die eigene Wirtschaft erschlossen, ohne selbst von Konkurrenz bedrängt zu werden. Die 70-jährige Geschichte liefert überzeugende Beispiele dafür, dass was die Wirtschaft der Vereinigten Staaten von Amerika lenkenden Akteure in den Großbanken des New Yorker Finanzzentrums unter Freihandel verstehen, in Wahrheit ein Finanzkrieg mit mehreren Feldzügen und Schlachten gegen das westliche Europa gewesen ist. Es gehört zu den Ergebnissen des Zweiten Weltkrieges, dass er den Wirtschaftsraum des Finanzzentrums der Vereinigten Staaten von Amerika explosionsartig gerade so vergrößerte, wie er den der europäischen Staaten kleiner und unbedeutender werden ließ. Die dazu passende Infrastruktur zu schaffen, war naturgemäß die Aufgabe des einzigen wirklichen Siegers unter den westlichen Alliierten. Damals wie heute propagierte die US-Politik, der Neubeginn erfordere die Abkehr von der Politik staatlicher Interventionen in die Wirtschaft und Freihandel zwischen den Nationen. Der erste Schritt hierzu sollte ein „Freihandelsabkommen“ sein. Das „Abkommen über Zölle und [grenzüberschreitenden] Handel“ (GATT) wurde 1946 in Genf ausgehandelt. Nach dem Krieg war der Widerstand gegen die Forderungen nach Freihandel in Europa und gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika sehr gering. Die bedeutendsten europäischen Nationen, Frankreich und Großbritannien, waren an Importen mehr interessiert als am Export ihrer knappen Güter. Dass Importüberschüsse Verschuldung und Abhängigkeit vom Gläubigerland mit sich bringen würden, fand kaum Beachtung. Zu groß 51 52 Der Freihandel Amerikas war der Konsumverzicht der letzten Jahre des Krieges gewesen. Das sollte so schnell wie möglich kompensiert werden. Wahrscheinlich machte dieser Wunsch unvorsichtig. Jedenfalls ist das GATT-Abkommen offenbar übereilt eingeführt worden. Es wurde nur mit dem die Mitgliedsländer zur Durchführung von periodischen „Zollrunden“ verpflichtenden Teil, und zwar ehe die Mitgliedsländer das Abkommen ratifiziert hatten, „provisorisch“ exekutiert. In einer jeden dieser Zollrunden sollten jeweils alle Zölle um einen einheitlichen Prozentsatz von jedem GATTMitgliedsland gesenkt werden. Zur allgemeinen Überraschung wurde das Abkommen dann aber von den Vereinigten Staaten von Amerika, die das Handelsabkommen eingefordert hatten, nicht ratifiziert. Es ist somit in der Nachfolge das Abkommen, ohne die führende Nation zu den gemachten Zugeständnissen zu verpflichten, dauerhaft provisorisch angewendet worden. Verwaltet wird dieses Provisorium von einer in Genf angesiedelten Miniinstitution mit dem beeindruckenden Namen World Trade Organisation (WHO). Der Personalbestand lag Jahrzehnte bei weniger als 30 Angestellten. Dessen ungeachtet konnten in den „Zollrunden“ periodisch das ablenkende Freihandelstheater aufgeführt werden und angezeigten Verstößen gegen die Regeln des Abkommens nachgegangen werden. Manch einer mag den Ausdruck Freihandelstheater als unpassend erscheinen. Deswegen muss seine Anwendung vielleicht begründet werden. Auf gewaltigen Tagungen wird in diesen Zollrunden um Bruchteile von Prozenten über Zölle auf Güter überwiegend des gehobenen Bedarfs verhandelt. Fest wie Felsen im Meer stehen aber die Zollmauern und anderen Einfuhrbeschränkungen für Agrar- Wechselnde Regierungen, bleibende Freihandelsirrtümer produkte. Nur mit diesen aber haben die Länder, deren Verschuldung von aller Welt beklagt wird, eine realistische Chance ihre Defizite abzubauen. Nämlich, weil sie in der erforderlichen Qualität fraglos produziert werden können und in der Produktion auch ausreichende Einkommen für die Produzenten entstehen. Die Agrarproduktion schlüge zwei Fliegen mit einer Klappe: sie steigert die inländische Wohlfahrt und erlaubt den langfristigen Ausgleich der Leistungsbilanz. Das aber müssen die Wall Street-Banken fürchten, wie der Teufel das Weihwasser. Entschuldung der Schuldner wäre sozusagen der größte anzunehmende Unfall im Kreditgeschäft. Sie würde die wirtschaftliche Unabhängigkeit der von den Kolonialmächten in die politische Selbständigkeit entlassenen Länder bedeuten. Damit sollte niemand rechnen, der im Kopf die c. p.-Klausel behalten will. Die Erfahrung mit der Geldwirtschaft spricht einfach dagegen. Was lässt sich aus diesen Beispielen für die Gegenwart lernen? Die TTIP-Verhandlungen werden fast nach dem gleichen Muster wie die zum GATT geführt. Geheimhaltungsversuche verhindern, ihren Charakter der breiten Öffentlichkeit erkennbar zu machen. Wesentliche Determinierungen der Zollgrenzen überschreitenden Wirtschaftsaktivitäten werden in der Europäische Union der Hoheit der Nationalstaaten entzogen und der Union zugewiesen. Das erlaubt die Lobbyarbeit für die Wall Street-Banken zu konzentrieren. Dem Chlorhähnchen muss nicht mit fast 30 Staaten die Zollschranke geöffnet werden. Es fehlt nur noch Externalisierung der mit der Beeinflussung verbundenen Verwaltungskosten in eine neutral erscheinende Institution. Nach dem Vorbild der WHO könnte sie Transnational Trade and Investment Organisation (THIO) heißen. 53 54 Der Freihandel Amerikas Eine harmlos auftretende THIO würde dann mit der Europäischen Union die Verhandlungen führen. Zuständiger Ansprechpartner wäre der Europäische Rat. In diesem gibt es überwiegend Nationen, die Leistungsbilanzdefizite und deren Finanzierung durch „Kapitalimporte“ nicht scheuen. Bei der bestehenden Abstimmungsregel (ein Land, eine Stimme) werden von der Europäischen Union regelmäßig die Interessen der Defizitländer eine Mehrheit im Europäischen Rat haben. Die Überschussländer haben Erfahrung genug mit dem Eurosystem und der Europäischen Zentralbank sammeln können. Übermut tut selten gut. Die Europäer hätten sich auch darauf einstellen müssen, dass sich die Zugeständnisse, die ihnen ihr atlantischer Partner machen wird, um das bisher Erreichte provisorisch in Kraft zu setzen, nicht real geworden wären, weil die Vereinigten Staaten von Amerika eventuell auch diesmal das Abkommen nicht ratifiziert hätten. Im konkreten aktuellen Fall hätte der bevorstehende Wechsel im Präsidentenamt die passende Gelegenheit hierzu geboten. Beide Kandidaten hatten sich bereits im Wahlkampf kritisch zum Verhandlungsergebnis geäußert. Statt sich aber in umständliche Neuverhandlungen zu begeben, wäre die Nichtratifizierung erneut attraktiv für die Vereinigten Staaten von Amerika gewesen. Wieder hätten sie alles „provisorisch“ bekommen und gäben nichts dafür gegeben. 55 5. Der Finanzkrieg um Westeuropa D ie in Europa in den letzten Jahrhunderten geführten Kriege werden allgemein auch nach dem Zweiten Weltkrieg unverändert wie die Kriege der Könige des Absolutismus als rein politische Ereignisse verstanden. Es sind dann von Personen und ihren persönlichen Interessen geleitete Kämpfe um Land und Leute. Sie finden in der Regel mit der Absicht statt, um die Herrschaft konkurrierende Landesherren oder Thronfolger „auszuschalten“. Damit wird ein wesentlicher Aspekt unterbelichtet: Ein von den Interessen eines gleichzeitig die Funktion des obersten Kriegsherrn und des Königs ausübender Landesherr entscheidet heute nirgendwo mehr über Krieg und Frieden. Das folgt aus der Bürgerlichen Revolution Frankreichs. Deren Kern besteht darin, die Bewirtschaftung von natürlichen Ressourcen und Arbeitsleistungen der politischen Herrschaft zu entziehen und der Geldwirtschaft zu unterwerfen. Damit waren in Nachfolge die überlieferten Gedanken über die Gründe von Kriegen obsolet geworden. Die Begründungen waren, wie es richtig mit dem heute so oft wie falsch benutzten modischem Ausdruck gesagt werden kann: Sie waren postfaktisch geworden. William Shakespeare konnte McBeth noch glaubwürdig durch die ihm von seiner Gattin empfohlene Ermordung des rechtmäßigen Thronfolgers unglücklich Scheitern lassen. Sich vorzustellen, Frau Merkel könnte auf Anraten ihres Gemahls die Ermordung des Martin Schulz planen, ist absolut lächerlich. Aber wenn es um 56 Der Freihandel Amerikas die Eroberung von einer Vorherrschaft in Kreditmärkten, Ressourcen, Arbeitsmärkten und Gütermärkten geht, dann hat die postfaktische Diskussion unverändert einen hohen Stellenwert. Angemessen wäre dagegen eine alternativfaktische Betrachtung. Das wäre eine, die im nicht mehr royal dominierten Zeitalter dieses nicht so irrtümlich wie stillschweigend als fortbestehend unterstellt. Was fehlt, ist die klare Beschreibung der nun nicht royalen Interessen und die Benennung ihrer Vertreter in der bürgerlichen Gesellschaft. Die alternativfaktische Begründung der dadurch entstandenen neuen Ordnung der Institutionen, wäre dann aufzudecken. Ein Versuch in dieser Richtung die Gesellschaft auszuleuchten, wird hier im Bereich der Außenwirtschaftsbeziehungen der Vereinigten Staaten von Amerika gemacht. Dabei zeigt sich: Die bedeutenden neu eingeführten Institutionen der transkontinentalen Wirtschaftsbeziehungen, sind nicht die im GATT ausgehandelten Freihandel angeblich sichernden. Es sind vor allem Hilfe suggerierenden wie Care und das sogenannte Europäische Wiederaufbauprogramm (ERP). Sie wurden mit Ausnahme der Regierung der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken vom Publikum in allen daran teilnehmenden Nationen überwiegend als Geschenke spendende Einrichtungen angesehen. Das ERP-Programm wurde mindestens wie andere US-Programme ̶ vor allem in dem noch besetzten und daran zuerst nicht beteiligten Deutschland − als Wende in der Besatzungspolitik zum für die Europäer Besseren bewertet und somit positiv beurteilt. Daran hat sich auf eine bemerkenswerte Weise bis zum heutigen Tag wenig geändert. Anders kann es kaum erklärt werden, dass Der Finanzkrieg um Westeuropa Menschen, die zweifelsfrei keine bösen Absichten haben, immer wieder in Notsituationen für davon betroffene Länder einen Marshall-Plan für eine nachhaltige Verbesserung der Lage einfordern, wie es jüngst auch wieder für die Maghreb-Staaten getan wurde. Aus dem folgenden Text soll deutlich werden, dass derartige Programme nur der Absicherung von privaten Krediten durch öffentliche Stellen dienen. So kann eine dominante Gläubigernation in den Kreditmarkt von Ländern expandieren, in denen es zur Verschuldung bereiten privaten Wirtschaftern an Sicherheiten für den von ihnen erwünschten Kreditgewährungen fehlt oder wo die vorhandenen Sicherheiten unterwertig sind oder zu werden drohen. Dabei wird regelmäßig, statt des sich Verschuldenden privaten Wirtschafters, die Gesamtbevölkerung des Wirtschaftsraumes für dessen Schuld in eine gemeinschaftliche Haftung gezwungen. Ganz ohne Kritik ist das Europäische Wiederaufbau-Programm auch nicht geblieben. Als abweichend vom allgemeinen Jubel fiel zum Beispiel eine Äußerung von Hans SCHLANGE-SCHÖNINGEN auf. Er war Mitbegründer der CDU. Von 1946 bis 47 war er in Holstein Mitglied des Zonenbeirats der britischen Besatzungszone. Von 1947 bis 1949, hatte er das Amt eines Direktors für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in den beiden zum Vereinigten Wirtschaftsgebiet zusammengeschlossenen amerikanischen und britischen Besatzungszonen. In dieser Funktion behauptete er, die Amerikaner hätten Hühnerfutter als Lebensmittelspenden geschickt und es sich teuer bezahlen lassen. Das war zum Teil eine Unkenntnis transatlantischer Unterschiede. Man hatte Korn erbeten und dabei an Roggen gedacht. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist Korn aber Mais, den man hierzulande bis dahin 57 58 Der Freihandel Amerikas nur in der als Futtermittel dienenden Variante mit sehr harten, zum Genuss des Menschen ungeeigneten Körnern kannte. Die Behauptung, dass die Spende teuer gewesen sei, hat den Direktor aber 1949 das Amt gekostet. Der erste Bundeskanzler, Konrad ADENAUER, schickte ihn 1950 „in die Wüste“ als er ihn als Generalkonsul nach London sandte. Das ERP-Programm war jedoch aus der Sicht der ihren Kredit expandierenden Banken keineswegs als Hilfe zur Stärkung der Konkurrenzfähigkeit der europäischen Industrien intendiert. In erster Linie war das ERP, wie hier gezeigt werden soll, ein Feldzug im Finanzkrieg um den westeuropäischen Kreditmarkt. Die New Yorker Großbanken hätten sich den Kreditmarkt für Unternehmen auf dem westeuropäischen Kontinent nicht vergleichbar leicht durch Ausschluss der lokalen Kreditinstitute vom Markt unterwerfen können. Es ist auch nicht überall vollkommen gelungen. Die nationalen Kreditmärkte Europas unterschieden sich anfangs und mussten, um von der Wall Street Hochfinanz mit geringstmöglichem Einsatz von Energie und Ressourcen erobert werden zu können, an die amerikanischen Rahmenbedingungen im Namen der Handelsfreiheit angepasst werden. Das geschah am intensivsten und insbesondere schon im von den Westalliierten noch besetzten Deutschland. Ungefähr ein Jahr vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde in der von der britischen und der amerikanischen Besatzungszonen gebildeten Bizone die Deutsche Mark als ein an den Dollar mit einem festen Wechselkurs gekettetes gesetzliches Zahlungsmittel aus- Der Finanzkrieg um Westeuropa gegeben. Oberflächlich betrachtet, geschah damit das, was regelmäßig in besetzten Gebieten geschieht. Die von der deutschen Besatzung den Polen oktroyierte Zloty-Währung kann dafür ein Beispiel liefern. Die neue Währung nimmt den Besetzten die monetäre Autonomie und erlaubt es den Besatzern, die Besetzten und die Besatzer monetär unterschiedlich zu behandeln. Der Geltungsbereich des Zahlungsmittels war durch den des Kontrollratsgesetzes bestimmt. Es wurde mit dem Besatzungsrecht gesetzliches Zahlungsmittel in der Bizone. Diese wurde mit der nachträglichen Zuweisung einer eigenen Besatzungszone an das nach dem Völkerecht, wegen des 1942 mit dem Nazireich geschlossenen Waffenstillstandsabkommens nicht zu den Siegern des Zweiten Weltkrieges zählenden Frankreich im bis dahin amerikanisch besetzten Südwesten Deutschlands zur Trizone deklariert. Das Zahlungsmittel trug zwar den Namen Deutsche Mark, war aber ohne jeden Bezug zu den Gesetzen des besiegten Reichs und der darin kursierenden Reichsmark. Ebenso wenig bestand eine Beziehung der neuen Währung zu der ReichsmarkEmittentin, der Reichsbank. Insoweit führt die in Deutschland übliche Benennung dieses Vorgangs mit dem Namen Währungsreform in die Irre. Es wurde keine bestehende Währung reformiert. Es war eine von den Vereinigten Staaten von Amerika aus- 59 60 Der Freihandel Amerikas gehende Repudiation der Reichsbankwährung und die Implementierung eines von der Reichsmark unbeeinflussten anderen gesetzlichen Zahlungsmittels auf anderer Rechtsgrundlage. Die Deutsche Mark kam durch Landeszentralbanken in die Zirkulation. Diese funktionierten wie ein Currency Board. Die nach Besatzungsrecht gegründeten öffentlichen Haushalte der durch Dezentralisierung neu zugeschnittenen Länder der Trizone erwirtschafteten Einnahmen erst in Alliierte Militär-Marknoten, später in US-Dollar und Britischen Pfund. Sie erhielten sie für die den alliierten Streitkräften erbrachten Leistungen. 50 Reichsmark 1933, gesetzliches Zahlungsmittel bis16. Juni 1948, Motiv: David Hansemann, Gründer der Deutschen Bank, Quelle Bundesbank, Foto HJS Über die Landeszentralbanken gelangten diese Devisen zu der aus der Devisenabrechnungsstelle der britischen und amerikanischen Streitkräfte heraus in Frankfurt am Main als Tochter der Landeszentralbanken gebildeten „Bank deutscher Länder“. Diese Der Finanzkrieg um Westeuropa Bank hatte die Deutsche Mark in Form von Noten zugewiesen erhalten und konnte damit bei ihr gehaltene Guthaben des Militärgelds und die dieser Zirkulation entzogenen Bargeldströme den Landeszentralbanken in DM-Guthaben oder DM-Noten konvertieren. Der Legende nach war es Ludwig Erhard, der den Deutschen die Währung reformierte. Die Noten dieser Bank waren aber, wie die Deutsche Bundesbank 1967 in einem Bildband (Die Noten der Deutschen Bundesbank) zutreffend berichtet, in den Vereinigten Staaten von Amerika hergestellt und ohne Mitwirkung deutscher Stellen zirkuliert worden. Der ersten Ausgabe fehlten daher sämtliche, die Herkunft ausweisenden Angaben, wie der Name des Emittenten, der Ort und das Datum der Ausgabe. Die Noten trugen auch keine Unterschrift der Bankdirektoren. Allein die Seriennummer (siehe S. 16) verlieh den Scheinen das typische Merkmal eines Zahlungsmittels. Banknoten waren es aber nicht, wenngleich es darauf stand. Unter die Bevölkerung kam es nicht wie Zentralbankgeld, sondern so wie es für die Mitspieler des Brettspiels Monopoly geschieht: durch Verteilung nach einer Spielregel. Es gab nur Zuteilungen des neuen Zahlungsmittels pro Kopf der Bevölkerung, je Arbeitskraft in den Unternehmen, je Kreditinstitut und je öffentlichen Haushalt. Die meisten Menschen in Deutschland hatten 1948 noch nie einen US-Dollar gesehen. Ihnen wäre sonst aufgefallen, dass Format und Design des gesetzlichen Zahlungsmittels den Dollar-Noten der Vereinigten Staaten von Amerika sehr ähnlich waren. Das änderte sich mit der ersten Banknote, die die Bank deutscher Länder selbst herstellen ließ. Es war die 5 DM-Note der 61 62 Der Freihandel Amerikas zweiten Ausgabe. Interessant ist dabei das Motiv auf der Vorderseite. Auch die Zentralbank dachte in Übereinstimmung mit großen Teilen der Bevölkerung nach dem verheerenden Krieg europäisch. Die erhoffte Kooperation der Europäer zur Sicherung eines Gewichts auf dem Erdkreis zwischen den beiden Großmächten kam offenbar nicht zustande. Die Noten der Bundesbank tragendem entsprechend wieder ein deutsches Gesicht. Die Zentralbank positioniert sich mit der Deutschen Mark allein auf Konfrontationskurs zum US-Dollar. 5 Deutsche Mark, II. Ausgabe, Vorderseite, Europa und der Stier, Quelle Bundesbank, Foto HJS Die Folge der Regulierung der Geldversorgung der Wirtschaft über ein Currency Board ist bei einer Währung mit fixem Wechselkurs eine Einschränkung der monetären Unabhängigkeit der Emissionsbank. Sie kann entweder: 1. ihr Geldangebot sozusagen 1: 1 an dem Devisenzustrom ausrichten. Es ist dann durch die Ausgaben der Militärbehörden determiniert. Mit anderen Worten: Die Emissionsbank verzichtet auf eine eigene Geldpolitik. Sie kann: Der Finanzkrieg um Westeuropa 2. sich in der Fremde und in fremder Währung verschulden, indem sie mehr Importe als Exporte nicht durch autonome Kapitalexporte konterkariert. Die Devisen müssen dann bewirtschaftet werden. Exporteure liefern Devisen ab. Importeuren werden sie auf Antrag „zugeteilt“. Es verbleibt eine Devisenlücke, die nur durch den Verkauf von Vermögenswerten an Fremde geschlossen werden kann. Diese Transaktion heißt aus unerfindlichen Gründen Kapitalimport, obwohl das Kapital offenkundig das Land verlässt. Vor einem derartigen Geschäft gibt es einen wirksamen Schutz. Die zur Verschuldung in fremder Währung bereit sind, sind selten kreditfähig. Sie haben in der Regel keine Sicherheiten. Das bedeutet, sie finden keine Gläubiger. Mehr noch als die verhinderten Schuldner betrübt das die nicht zum Zuge kommenden Gläubiger. Sie suchen deswegen die unzulängliche private Verschuldungsbereitschaft mit einer Verpflichtung öffentlicher Stellen aufzubessern. Der hier noch folgende Text versucht, das an Beispielen deutlich zu machen. Dadurch soll das eiskalte Geschäft verstehbar werden, das sich − die Armen und ihnen wirklich Wohlgesonnenen verspottend − als mildtätige Hilfe zur wirtschaftlichen Entwicklung maskiert. Wehrlos sind die kollektiv bewirtschafteten Opfer des „freien Marktes“ nicht. Sie müssen Ersparnis bilden. Dazu brauchen sie kein Sparschwein, sondern eine funktionstüchtige Zentralbank. Die Deutsche Bundesbank lieferte mit ihrer konsequenten Politik des Reexports von Kapitalimportüberschüssen die Blaupause für eine erfolgreiche, der destabilisierenden Herausforderung des Kartells amerikanischer Banken gerecht werdenden Antwort. In den vier einem fast fünfzig Jahre andauernden Finanzkrieg zeigte sie, was mit stabilem Geld möglich ist. Sie zeigte aber eben auch, 63 64 Der Freihandel Amerikas dass es unmöglich einen Erfolg für eine mit nur wenigen sich anschließenden europäischen Zentralbanken geben kann. Wenn die Mehrheit der europäischen Zentralbanken in einer Schar stabilophober, mit Schulden finanzierten Importüberschüssen sich das politische Leben in der Gegenwart leichtmachenden Regierungen und ihnen folgenden Instituten besteht, ist Scheitern unvermeidbar. Immerhin hat die Bundesbank aber keine Niederlage im Geldmarkt erlebt. Ihre Gegner mussten die Deutsche Mark, die als Besatzungsgeld in Deutschland eingeführt, aber zu einer fraglos stabilen Währung in Konkurrenz zum US-Dollar entwickelt wurde, erst abschaffen und ihre Emittentin, die Deutsche Bundesbank, mit den Mehrheiten im Europäischen Zentralbank-Rat wehrlos machen, bevor sie ihr eine Romanisierung der Geldpolitik aufzwingen konnten. Nach diesem Vorgriff auf die Gegenwart, blicken wir nun wieder auf den Anfang der seit dem Goldstandard erfolgreichsten deutschen Währung zurück. Offiziell außer Kraft gesetzt wurde die Reichsmark nicht. Allein nach der Logik beurteilt ist damit die Reichsmark heute als Währung des Deutschen Reichs immer noch so präsent, wie es die Aktien der Eisenbahnlinien von Deutsch Ostafrika und der Oberschlesischen Bergwerke sind. Jeder, der Spaß daran hat, kann auf ihre Wiederkehr so hoffen, wie auf das Auftauchen von Kaiser Friedrich II. Barbarossa aus dem Kyffhäuser. Zumindest bis dahin gilt: Alle in Reichswährung bestehenden Nominalschulden wurden 1948 nach der Sachlage in dem Sinne annulliert, dass sie in dem neuen gesetzlichen Zahlungsmittel uneinlösbar wurden, da kein allgemeiner Wechselkurs zur Reichsbankwäh- Der Finanzkrieg um Westeuropa rung existierte. Weiter zirkulierende Noten der Reichsbank wurden noch nicht einmal in offiziellen Umtauschaktionen sicher einer Ausbuchung und Vernichtung zugeführt. Beispielsweise konnten in einer auf 500 RM pro Person begrenzten Menge in Reichsmark bestehende Bankguthaben und Bargeld offiziell im Verhältnis 1/10 umgetauscht werden. Der große Zahlungsmittelmangel führte zu einer aber unter Umständen zur Rezyklierung von Reichsbanknoten. Vielerorts hatte es bereits wieder wie nach der großen Inflation von 1923 lokale Notgeldemissionen gegeben. Es wurde ihren Haltern überlassen, sie nach Belieben für private Umsätze als Substitut der neuen Währung zu benutzen, wenn jemand bereit war, sie für Zahlungen zu akzeptieren. In diesen Transaktionen bildete sich das Verhältnis 1 DM/10 RM in der Übergangsphase heraus, in der noch eine unzureichende Menge der neuen Zahlungsmittel in der Zirkulation war. Der Notenmangel hat auch die Besonderheit der von Otto Steiger im New Palgrave beschriebenen „Zigarettenwährung“ ausgelöst. Notgeld 1948, Quelle Deutsche Bundesbank, Foto HJS 65 66 Der Freihandel Amerikas Öffentliche Haushalte und Unternehmen, die Zahlungen nur in der neuen Währung akzeptierten, waren damit von allen Geldschulden frei. Ihre Forderungen waren aber auch untergegangen. Deswegen brauchten Unternehmen und öffentliche Haushalte unmittelbar Kredit. Den Unternehmen fehlten hierzu die Sicherheiten, ohne die sie keinen Bankkredit erhalten konnten. Das ERP konnte dem abhelfen. Es verwandelte sozusagen private in öffentliche Schulden. Transformation privater Schulden in Staatsschulden (ERP) und zurück Privat US-Bank $ $ US-Secretary of Finance Staat KfW Privat DM DM DM DM $ BMF $ USZentralbank $ $ Bank deutscher Länder DM Unternehmen Die Unternehmen verschuldeten sich in dem neuen deutschen Geld bei der frisch gegründeten Kreditanstalt für den Wiederaufbau (KfW). Sie mussten dort einen Antrag für ein Projekt geneh- Der Finanzkrieg um Westeuropa migen lassen. Ausleihen konnte die KfW, was sie von ihrem Eigentümer, dem Finanzminister (BMF), für die Dollarbeträge erhielt, die dieser von dem Secretary of Finance der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika geliehen und der Bank deutscher Länder als Bestandteil der Währungsreserve eingeliefert hatte. Der amerikanische Finanzminister hatte sich diese Dollar am Ende von den Großbanken geliehen. Indirekt waren diese die Gläubiger der deutschen Unternehmer und deren fehlende Sicherheiten wurden durch die Haftpflicht des Staates ersetzt. ERP gewährte also 1948 Kredit nach einem Verfahren, das dem der Weltbank heute ähnelt. Es ist ein zentraler öffentlicher Haushalt im Grunde der Bürge des Kreditnehmers mit unzureichenden Sicherheiten. Einzelne Bankinstitute hatten diese Überwälzung des Kreditrisikos auf sich nicht entziehen könnende Dritte, wie es die Steuerzahler eines Landes sind, schon in der Zwischenkriegszeit in Deutschlands erster Republik erprobt. Nach der Weltwirtschaftskrise wurde der untersicherte Kredit als wesentlich zur Instabilität der Wirtschaft beitragendes Instrument eingeschätzt und verboten. Der Unterschied zu in der Gegenwart vorkommenden Krediten, die direkt an den Kreditnehmer ungeachtet seiner nur unterwertigen Sicherheiten (subprime securities) gewährt werden, besteht in der vorab geleisteten bürgschaftsähnlichen Haftungszusage. Kredite mit unterwertigen Sicherheiten brauchen keine vorab zu gebende Versicherung. Sie werden vergeben, wenn der Kreditgeber „sicher“ ist, dem Kreditnachfrager dann, wenn ihm 67 68 Der Freihandel Amerikas Zahlungsunfähigkeit droht, Dritte nachträglich zu Beistand gezwungen werden können. Einer der ersten spektakulären Fälle, war die Abwendung des Konkurses der beiden großen Bausparkassen Freddie Mac und Fannie Mae in den Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 2008. Zwei Großbanken waren bedeutende Aktionäre dieser Institute. Lehman Bros. ist daran gescheitert. Goldman Sachs hat sie unbeschadet überstanden. Beide Banken unterschieden sich darin, dass die Lehman Bros. keine wesentlichen Bestände an Zero Bonds in ihrem Portfolio hatten, während Goldman Sachs als Marktmacher dieser Papiere Einfluss auf deren Kurs nehmen konnte. Unmittelbar nach dem Lehman Bros die Türen für immer schloss, erklärte der Finanzminister seine Absicht, den Zusammenbruch der beiden Bausparkassen mit öffentlichen Mitteln abzuwenden. Acht Milliarden Dollar Steuergelder sind dafür aufgewendet worden. „Gerettet“ wurden die Institute nicht wegen der vielen Arbeitsplätze, die bei einem Zusammenbruch verloren gegangen wären oder wegen der sonst vom Untergang bedrohten Ersparnisse von Haushalten. Gerettet wurde viel eher, weil der Marktmacher die Refinanzierung der Haushaltsdefizite der Regierung erheblich erschweren konnte. Denn zum untersicherten Kreditgeschäft gehören immer drei Parteien: ein Gläubiger, ein Schuldner und einer, der liquide ist, aber in Schwierigkeiten kommt, wenn er nicht dem Gläubiger die Aktiva rettet. Das ERP schuf Sicherheit auch nur für die Wall Street-Banken in New York und für sonst niemand. Keine Bank konnte das für sie unauflösbare Problem der fehlenden Sicherheiten auf vergleichbare Weise lösen. Sie hätten nur zuschauen können, wie die amerikanischen Banken sich als erste Kreditgeber ein gewaltiges Der Finanzkrieg um Westeuropa Tortenstück aus dem Kreditmarkt herausschnitten. Das Risiko dieser Mittelstandskredite war für die Banken tatsächlich 0,00%. Wurden die Kredite nicht wie vorgesehen getilgt, erwirtschaftete die KfW einen Verlust. Verlor sie ihr Eigenkapital, musste der deutsche Finanzminister es ersetzen. Selbst die Zahlungsunfähigkeit der deutschen Regierung, störte den ruhigen Schlaf der Wall Street-Banker nicht. Abschreiben mussten im Fall der Fälle nicht die Bank, die den Kredit gewährt hatte. Das hätte im Finanzministerium geschehen müssen. Der Expansion des New Yorker Finanzzentrums nach Europa hätten die europäischen und gegebenenfalls auch andere Banken nur zuschauen können, hieß es hier eben. In der Tat hätten sie das nur, denn das Geschäft blieb unentdeckt. In den Augen der Europäer war das ERP eine reine Staatstätigkeit. Faktisch war damit ein großer Bereich des westeuropäischen Marktes für Unternehmenskredite dem Wettbewerb auf den Finanzmärkten vollständig entzogen. Dies weil die US-Banken faktisch Aktiva tauschen. Sie halten statt der dem Risiko ausgesetzten Forderungen gegen Unternehmen in Europa, Forderungen gegen zentrale öffentliche Stellen in den Vereinigten Staaten von Amerika. Diese gelten als nicht ausfallgefährdet. Das bedeutet: Sie müssen in der Bilanz der Bank nicht als Risikoaktiva eingestellt werden und erfordern keine Deckung mit Eigenkapital, sei es − wie früher − nach Regeln, die sich die Bank selbst gegeben hatte oder − wie heute − wo global einheitliche Bestimmungen durch die Bankgesetzgebung im jeweiligen Wirtschaftsraum vorgeschrieben sind. Im nächsten Kapitel wird gezeigt, dass die daraus folgende Ände- 69 70 Der Freihandel Amerikas rung des Verhältnisses von risikobehaften und risikofreien Forderungen das Volumen der möglichen Kreditgewährungen verändert. Es ist heute die Weltbank die Institution, die die Funktion des ERP-Programms rund um den Erdball ausgeweitet anbietet. Die Gründung der Weltbank ging ohne große Diskussionen im Schatten der IWF-Verhandlungen über die Bühne. Wen wundert es, wenn der Sinn der Institution kein anderer ist, als der, öffentliche Haushalte und Unternehmen, die wegen der ihnen fehlenden Sicherheiten für Banken nicht kreditfähig sind, mit institutionell erzeugten Haftungspflichten Dritter direkt oder indirekt über den IWF oder das Finanzministerium in Washington zu sicheren Schuldnern für Wall Street-Banken zu machen und keine Konkurrenz für das Finanzzentrum in New York vergleichbar zu begünstigen. Die Weltbank ist wie der IWF eine UN-Organisation. Sie besteht als Weltbankgruppe aus fünf selbständigen Organisationen. Der Einfachheit halber beschränkt sich der Text auf die Tätigkeit der eigentlichen Entwicklungsbank. Ihr Name ist „Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“ (IBRD). Das erinnert daran, dass sie ursprünglich dem Wiederaufbau Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg dienen sollte. Die Aufgabe, die sie erfüllt, ist die der KfW im ERP des Nachkriegsdeutschlands ähnlich. Die Mitgliedsländer, aber auch private Projekte planende Einzelpersonen aus diesen Ländern stellen bei der IBRD Anträge auf Fördermittel für konkrete Projekte. Sie tun es, weil die öffentlichen Stellen der Schuldnerländer nicht fördern können. Sie verfügen über keinen Staatsschatz, auch nicht in der Form von liquidierbaren Beteiligungen an öffentlichen Vermögenswerten. Sie Der Finanzkrieg um Westeuropa haben auch keinen Kredit bei Banken, weil Kreditbanken ohne Sicherheiten keine Kredite gewähren. Wie der IWF die in staatliche Verbindlichkeiten konvertierten Schulden privater Unternehmen indirekt mit dem ERP für den Kredit der Wall Street-Banken tauglich gemacht hat, erschloss die Weltbankgruppe komplementär hierzu die Verschuldungsneigung eigentlich nicht kreditwürdiger zentraler öffentlicher Stellen wirtschaftlich weniger entwickelter Länder ebenso als alleiniges Geschäftsfeld für die Wall Street. Da enden aber die Gemeinsamkeiten. Mit dem ERP gab es für Deutschland einen erfolgreichen Wiederaufbau. Es ist keinem anderen Land ein vergleichbarer Aufschwung gelungen. Weder in den nach dem Zweiten Weltkrieg das Instrument nutzenden anderen europäischen Ländern, noch in den heutigen „aufstrebenden Volkswirtschaften“ konnte eine derartige Entwicklung wiederholt werden. Lange suchen kann der, der eine nachhaltige Verbesserung im Sinne einer aufholenden Entwicklung entdecken will. Deren Merkmal wäre eine bessere Beschäftigung der im Lande verfügbaren Ressourcen. Er wird sie nirgends finden. Viel spricht dafür, dass das euphorisch Wirtschaftswunder genannte deutsche Ergebnis ein Unglücksfall war. Im New Yorker Finanzzentrum war es bestimmt anders vorgesehen. Den Standardfall kann man am ehesten an den Ländern Frankreich und Großbritannien studieren. Der markanteste Unterschied zwischen Deutschland und diesen beiden Ländern besteht im Umgang mit der Fremdwährung, die durch Fördermittel in das Land gekommen ist. Es ist die landestypische Geld- und Devisenpolitik der Empfängerländer, die 71 72 Der Freihandel Amerikas über Erfolg und Scheitern entscheidet. Die durch Kredit der Zentralbank zufließenden Devisen in der Devisenreserve konnten in Form von liquiden und auf Dollar lautende Staatspapiere der Vereinigten Staaten von Amerika gehalten oder Inländern für Investitionen ausgeliehen und unter Umständen von diesen für Konsumvorgänge ausgegeben werden. Solange Kredite zurückgezahlt werden müssen, sind hierfür ausreichende Devisenbestände in der Währungsreserve der Zentralbank aufzubauen. Für den Konsum von Importgütern ausgegebene Fremdwährung kann nicht ein zweites Mal der Zahlung dienen. Wo Konsum finanziert wurde, können die Auslandsschulden nicht mehr problemlos getilgt werden. Selbst für den Fall einer Investition mit Importgütern trifft das auch dann zu, wenn sie nicht den Verbindlichkeiten aus dem Kapitaldienst genügenden Überschuss entstehen lässt und entsprechend nur unzureichend Devisen durch Exporte der Produkte rückgewonnen werden. Nicht erst die Bundesbank, sondern bereits die Bank deutscher Länder emittierte neues Geld nur im Gleichschritt mit erhöhten Exportüberschüssen, die von den Besatzungsmächten oder aus dem Ausland gewonnen wurden. Obwohl für die DM anfangs noch keine freie Konvertierbarkeit bestand, hätte die Bank deutscher Länder jeden zur Einlösung in Dollar anzufordernden Betrag ohne Probleme bedienen können. Insbesondere konnte sie jede Rückzahlung von ERP-Krediten in Dollar erfüllen. In heutigen Schuldnerländern, ist das nicht zu sehen. Sie bedienen fällige Verbindlichkeiten durch expandierende Verschuldung. Das erlaubt, den Zwang zur Steigerung von Exporten zu verdrängen, setzt aber eine Institution wie den IWF als Kreditgeber voraus. Der Finanzkrieg um Westeuropa Dieser muss eigentlich unbeteiligte Dritte Stellen veranlassen können. Eine im uneingeschränkten Wettbewerb stehende Bank könnte so nicht überleben. Anfangs schien das für die Schuldner angenehm. Es führte aber dazu, dass niemand mehr Sicherheiten einzusetzen bereit war. Es ist wahrscheinlich die mit Projekten ohne Sicherheiten mögliche Geschäftstätigkeit ein Grund, weswegen es diesen Ländern weniger tatsächliche Investoren und Unternehmer gibt, als sie anderenorts zu finden sind. Fehlende Sicherheiten können dort nur durch genauere Information ersetzt werden. Ernst zu nehmende Berichte behaupten, ein Unternehmer müsse in Brasilen 80% seiner Arbeitszeit auf das Sammeln von Informationen, insbesondere über die Zahlungsfähigkeit seiner Geschäftspartner, verwenden. Da bleibt nicht viel für eine Unternehmertätigkeit übrig. Statt den Dollarzustrom aus Krediten in der Reserve zu halten und ihre Kreditgewährungen nur in inländischem Geld zu gewähren, gaben auch die Zentralbanken Frankreichs und Großbritanniens nach dem Kriege diese für Importe heraus und haben sie nicht durch autonome Kapitalexporte der Zentralbank wieder aufgefüllt. Sie hatten damit regelmäßig − so, wie es heute die Schuldnerländer auch tun − der herrschenden Oberschicht Devisen verschafft, die für den Import von Luxusgütern verwendet wurden. Zins und Tilgung passivierten die Leistungsbilanz und führten zu Ziehungen auf den IWF, wenn ein Leistungsbilanzdefizit entstand. Die stark unterschiedliche Wirtschaftsentwicklung dieser beiden Länder im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland findet darin eine Erklärung. Das Verhalten der Briten und 73 74 Der Freihandel Amerikas Franzosen hat den Banken in der Wall Street gut gefallen. … und wenn sie noch nicht pleite sind, gefällt es ihnen heute noch. 75 6. Die BIZ als Vatikan der Geldwirtschaft D ie Bank für Internalen Zahlungsausgleich (BIZ) bestand am Ende des Zweiten Weltkriegs bereits. Sie war 1930 in der neutralen Schweiz, in Basel, zur Abwicklung deutscher Kriegsschulden als sogenannte Reparationsbank gegründet worden. Heute erwecken Ökonomen zuweilen den Anschein, sie sei die Bank oder gar Zentralbank der Zentralbanken. Ein Mandat hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich dafür nicht. Sie ist aber auch keine Bank in dem üblichen Sinne. Bemerkenswerter Weise unterliegt sie nicht dem schweizerischen Recht: wenngleich sie in der Schweiz ihren Hauptsitz hat, hat sie den Status einer internationalen Organisation. Als solche versteht sie sich selbst als am Gemeininteresse orientierte Einrichtung und gibt die Finanzmarktsicherheit als Betätigungsfeld an, ohne dabei klarzustellen, an wessen Sicherheit da gedacht wird. 76 Der Freihandel Amerikas Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (Foto Wladislaw Sjoka, www.sjoka.photo) Da es nicht so sehr darauf ankommt, was einer über sich selbst sagt, als darauf, was er tut, soll hier nicht weiter vertieft werden, ob sich die BIZ tatsächlich unter Hintanstellung reiner Bankinteressen um die Sicherheit des globalen Finanzsystems sorgt oder eher nicht. Konkret hat der Ausschuss bisher aber, ganz wie es seine Kritiker erwarten, einen noch viel engeren Wirkungskreis Die BIZ als Vatikan der Geldwirtschaft erkennen lassen. Die Arbeit im Ausschuss ist nicht auf ein allgemeines Bankinteresse ausgerichtet. Sie verfolgt deutlich das Ziel, den institutionellen Schutz der Banken im Finanzzentrum der Vereinigten Staaten von Amerika vor einer Konkurrenz aus dem Ausland im Focus. Der Basler Ausschuss versuchte erstmals mit dem „Basler Akkord“ genannten Beschluss (Basel I) allgemeinverbindliche feste Regelungen zur Abdeckung von Risikoaktiva von Banken mit deren Eigenkapital zu finden. Bis dahin haben Banken die Risiken, die ihr Geschäft mit sich brachte, auch nicht ignorieren können. Sie haben individuell ihre als risikoreich eingeschätzten Aktiva bewertet und angeblich nach einer aus der Erfahrung gewonnenen Regel mit Eigenkapital gegen denkbare Verluste gesichert. In der Praxis wurde in Deutschland eine 3%-Deckung für alle Aktiva in der Bilanz als ausreichend angesehen. Nach Basel I wurde einheitlich von allen dem Internationalen Währungsfonds beigetretenen Ländern ein Bankgesetz gefordert, das 4% Eigenkapital auf alle Risikoaktiva vorsah. n Zusammenhängen unter Bankern. Dass sie es hätten, ist in der Gegenwart ein mehr oder weniger frommer Wunsch. Wieso also sollten private Banken, die erkennbar für sie nicht dienliche Forschung in einer gesamtwirtschaftlichen Ideenschmiede unterstützen? Ein „objektives“ Ergebnis, das alle Betroffenen zufriedenstellt, kann es nicht geben. Die komplementären, von Risiken freien Aktiva waren nach dieser Vorstellung die Ausleihungen an zentrale öffentliche Stellen, die als sichere Forderungen eingeschätzt und mit einer 0%Deckung in der Bilanz standen. Das traf alle Banken scheinbar 77 78 Der Freihandel Amerikas gleichermaßen. Tatschlich hatten die privaten Großbanken in Deutschland auch noch nach dem Krieg ̶ ganz ihrer Tradition entsprechend ̶ vor allem die Großindustrie finanziert. Zumindest eine prominente Großbank war am Ende des 19. Jahrhunderts von einem Großindustriellen gegründet worden. Die amerikanischen Großbanken hielten dagegen immer mehr Forderungen gegen öffentliche Stellen. Das war die Folge der Kriegskosten. Die Vereinigten Staaten von Amerika befanden sich nach dem Weltkrieg II unablässig im Kriegszustand. Auf den Sieg über das Deutsche Reich folgten Japan, Korea, Philippinen, Vietnam, Iran. Kuweit, Irak und Somalia als Kriegsschauplätze. Mehrere kleinere Scharmützel wie im Libanon, Libyen wären zu ergänzen. Es kann bestenfalls spekuliert werden, welchen Anteil davon als Beistandskosten auf die Verbündeten überwälzt oder als Befreiungskosten den Befreiten aufzuerlegen waren. Insgesamt wuchsen die Schulden der zentralen öffentlichen Haushalte mit einer Beschleunigung, die seit dem amerikanischen Bürgerkrieg im 19.Jahrhundert ohne Beispiel ist. Es sind die US-Banken, die mit Anleihen und Krediten einen für europäische Banken nicht üblichen Bestand an „Staatsschulden „in ihrem Portfolio halten. Der Welt größte Wirtschafts- und Militärmacht wird in wenigen Wochen einen Schuldenstand von 20 Billionen, also 20.000 Milliarden US-Dollar und damit eine Staatsschuldenquote von 180% erreichen. Basel I bedeutete unter diesen Umständen, dass ein großes Volumen der Aktiva von Geschäftsbanken überhaupt nicht mit Eigenkapital gedeckt werden musste. Das Gegenteil traf auf deutsche Banken zu. Basel I verzerrte den Wettbewerb zwischen den Banken zugunsten der amerikanischen Geldhäuser. Die BIZ als Vatikan der Geldwirtschaft Der Anstieg der Schulden zentraler öffentlicher Stellen, hat den Vorteil der US-Banken geringer werden lassen. Als Finanzminister Waigel den Maastricht-Vertrag mit den EURO-Kandidaten aushandelte, betrug die Schuldenquote ungefähr 35%. Sie ist zwischenzeitlich auf über 90% gestiegen. Durch stark steigende Steuereinnahmen ist sie nun wieder gegen 80% gesunken. Aber der Schuldenanstieg genügte den hiesigen Banken, den Wettbewerbsnachteil spürbar zu verringern, indem die öffentliche Schuld erheblich mit kein Eigenkapital zur Deckung erfordernden Bankkrediten bedient wurden. Es wurde Zeit, dass im Basler Turm über Basel II nachzudenken. In der Praxis hatte sich angeblich gezeigt, dass ein einheitlicher Satz für alle Risikoaktiva ein so nicht erwartetes Ergebnis brachte: Die Banken zogen hohe Erträge versprechende Aktiva mit hohen Risiken allen anderen Forderungen vor. Das Risiko einer Finanzmarktstörung war deswegen mit Basel I gestiegen, statt zu sinken. Nun ist ein Bankrisiko anders als Milch und Holz nicht mit einem Hohlmaß oder einem Zollstock gemessen werden. Die Aktiva haben keinen Wert, sondern sie werden bewertet und Wahrscheinlichkeiten des Ausfallens werden mit Erfahrungen aus der Vergangenheit als in der Zukunft ebenso gültig unterstellt. Es ist ein Verfahren, mit dem Sterbetafeln in Versicherungen für eine hinreichend große Bevölkerung errechnet werden können. Mit ihm kann aber nicht den Sterbetag des Emil Müller, dessen Alter auf 50 Jahre geschätzt wird, bestimmen. Dennoch wurden unzureichende Bewertungsmethoden immer weiterverwendet. Vergessen war schon wieder die Ratlosigkeit der Bankdirektoren, als sie nicht mehr sagen konnten, wie groß ihre Verluste waren. Die Bewertung ihrer Aktiva brachte 79 80 Der Freihandel Amerikas von Tag zu Tag immer wieder andere Ergebnisse. Ein Wirtschaftsprüfer, einer der ganz großen, hatte wenige Tage, bevor Lehmans Bros. Von der Bankaufsicht geschlossen wurde, dem Bankhaus Bestnoten gegeben. Nun aber wussten die US-Großbanken im Bankenausschuss der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ganz genau, dass die europäischen Kreditinstitute mit der von ihnen praktizierten Bewertung ihrer Aktiva systematisch höhere Risiken eingingen, als es die Geldhäuser in den Vereinigten Staaten von Amerika typischerweise tun. Das derzeit noch geltende Abkommen Basel II sieht infolgedessen unterschiedliche Deckungsraten für unterschiedlich bewertete Risiken vor. Kreditinstituten bis zu einer mittleren Größe werden die Aktiva von der Bankenaufsicht extern bewertet. Großbanken wurde dagegen unverändert das Recht zugestanden, ihre Risiken intern zu bewerten. Sofort kam seitens der US-Banken ein neuer Vorwurf auf. Die internen Bewertungen europäischer Banken seien intransparent und führten im Ergebnis zu Eigenkapitalraten, die dem tatsächlichen Risiko nicht genügten. Die US-Interessenvertreter im Bankenausschuss suchten nun insbesondere die Regeln für die interne Bewertung von Risikoaktiva so zu bestimmen, dass deren Halter systematisch schlechter gestellt werden. Das geschah, wenn man den Äußerungen aus der Wall Street vertraut, allein in der permanenten amerikanischen Sorge um die offenbar nur von Banken außerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika gefährdete Finanzmarktstabilität. Die Aufmerksamkeit konzentrierte sich schon bald auf die von traditionellen Vermögenswerten abgesonderten Derivate, die Die BIZ als Vatikan der Geldwirtschaft fast ausschließlich europäische Banken unter ihren Risiko-Aktiva in der Bilanz hielten. Deren Bewertung in der Bilanz sei ̶ wie betont wurde ̶ intransparent. Das konnte in der Tat nicht geleugnet werden, es gälte vor allem, sofern sie derartige Werte gleichermaßen gehalten hätten, ebenso für die US-Banken und schien derart nicht nur plausibel, sondern auch gerecht zu sein. Es werden dafür von Seiten Amerikas Deckungsraten bis zu 100% gefordert. „Chapeau!“ könnte man sagen, endlich könne gehofft werden, dass diese in der Finanzkrise so verhängnisvoll gewesenen kunterbunt zusammengefügten Vermögenspäckchen durch Kosten wieder ausgebremst würden. Das war eine Fehleinschätzung. Die höheren Kosten belasteten die US-Banken gar nicht, weil diese anders als ihre europäische Konkurrenz derartige Wertpapiere nicht in ihren Bankbilanzen haben. Sie haben sie und ihre Risiken in ihnen gehörende Hedge-Fonds ausgelagert. Dort besteht keine Verpflichtung, Eigenkapital für Risiken vorzuhalten. Hedge-Fonds sind keine Banken und unterliegen entsprechend auch keiner Bankenaufsicht. Naturgemäß verschwinden Risiken nicht dadurch, dass sie auf andere Konten umgebucht werden. Insofern wird eine Bank vom Untergang eines ihr gehörenden Hedge-Fonds auf ähnliche Weise betroffen sein, wie es für den Verlust ihrer in der Bilanz stehenden Forderungen anzunehmen gewesen wäre. Das wäre nur dann nicht so, wenn dieser Finanzmarktschrott voll und ganz wie beabsichtigt dem Publikum in das Portfolio beraten werden konnte. Wenn den Banken der Vereinigten Staaten von Amerika in der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich eine Andersbehandlung beider Forderungsvarianten in den Basel III-Verhandlungen zugestanden wird, bestätigte dies den Verdacht, 81 82 Der Freihandel Amerikas dass zwischen den amerikanischen und den europäischen Banken, gerade gezeigt wurde, kein freier Wettbewerb besteht, und das Interesse der Banken der Vereinigten Staaten von Amerika womöglich nicht in der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich die Diskussion dominieren. Was so deutlich Gleiches ungleich behandelt belässt, überzeugt nicht sofort alle davon Betroffenen, mit der Bemühung im Ausschuss auch die richtige Lösung gefunden zu haben. Ist es nur ein Gag, wenn hier steht, dass die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich der Vatikan der Geldwirtschaft ist? Es sollte zumindest nicht als Spaß aufgefasst werden. Die Institution selbst sieht sich naturgemäß als einen Ort, an dem das wirtschaftlich Vernünftige, ohne von Vorurteilen fehlgeleitet zu sein, in der Diskussion der beteiligten Sachverständigen erarbeitet wird. Dazu sieht sich die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich als prädestiniert an, weil in dem Ausschuss keine Kampfabstimmungen stattfinden und es auf Mehrheiten nicht ankommt. Es ist aber in jedem Fall eine Übereinkunft am Ende erforderlich. Eine gemeinsame, „wissenschaftlich“ begründete Auffassung der Sachverständigen muss das Ergebnis sein. Alles andere würde kaum sichern, dass die nationalen Gesetzgeber einheitliche Bankgesetze beschließen. Die Interessenvertreter der US-Banken müssen deswegen zur „Aufklärung“ in den nationalen Parlamenten und Regierungen, lange bevor diese überhaupt an die entsprechenden Gesetze denken, Entscheider mit Informationen versorgen. Sie können dabei die Ergebnisse der Basler Forschung vorwegnehmen. Das ist möglich, weil ihre Interessen die Forschung determinieren und nicht, wie es sein sollte, umgekehrt geforscht wird, um zu wissen, Die BIZ als Vatikan der Geldwirtschaft was getan werde muss. Später dann können sie den Nachweis erbringen, mit ihrem Interventionsbegehren auf dem richtigen Weg zu sein. Das erfolgt so früh, damit die Regierenden ihre Minister und Parlamentarier zum richtigen Zeitpunkt zum Thema über den „Sachverhalt“ aufklären können. Zu diesem Zeitpunkt werden dann maßgeschneiderte Aufsätze im Turm zu Basel fertig erstellt sein, die den Eindruck, „state of the art“ darzustellen, erwecken sollen. Spätestens jetzt wird verständlich, warum die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich so viel Personal beschäftigt. Für den Finanzkrieg spendieren sich ihre privaten Betreiber von Geschäftsbanken ein sie nichts kostendes stehendes Heer von abhängigen Finanzökonomen, die auf die Wall Street-Wahrheit eingeschworen sind. Damit sind die dominanten Banken von Anfang an gut vorbereitet, den wissenschaftlichen parlamentarischen Diensten wie auch den Hochschulen rund um den Globus Analysen für aktuell aufkommende Fragestellungen zu liefern. Sie können diese zu einem Zeitpunkt liefern, zu dem die Fachwissenschaft an den Hochschulen womöglich noch gar nicht registriert hat, dass ein Problem existiert, das einer Forschungsanstrengung würdig ist. Die Folge davon ist ein Basler Kanon. Konkurrierende Ansätze können erst erscheinen, wenn alles bereits entschieden ist. Parlamentarier und Regierungen haben, wenn sie entscheiden müssen, keine Alternative zu den in Basel eigens für sie vorgefertigten Entscheidungsgrundlagen. Wen wundert es da noch, wenn ein vermeintlich volkswirtschaftliches, die politischen Entscheidungen begründendes Interesse so wunderbar mit dem Interesse der bedeutendsten Banken auf dem Erdball deckungsgleich ist? 83 84 Der Freihandel Amerikas Am leichtesten gelingt die Überzeugungsarbeit der Banken bei den Vertretern aus den Ländern, in denen eine Refinanzierung öffentlicher Haushalte direkt oder indirekt über den Internationaler Währungsfonds von Entscheidungen im US-Finanzzentrum abhängt. Es dauert dennoch viele Jahre, ehe allen Beteiligten die „Grundsätze der Sicherheit im Finanzmarkt“ einleuchten und sie dann die nationalen Gesetze auf den Weg gebracht haben. Am Ende des Verfahrens werden viele erfahren haben, dass, wenn in „freien“ Märkten ungleich große Marktteilnehmer aufeinandertreffen, nicht Lösungen gefunden werden, die der vollkommene Wettbewerb in den Lehrbüchern verspricht. Im Kartell gibt es Zentralbanken und Großbanken, die Bündnisse miteinander abschließen können und über nationale Grenzen hinweg mehr oder weniger Einfluss auf die Gesetzgebung demokratischer Parlamente ausüben können. Aber es gibt heute sogar noch eine planetarisch bedeutende Zentralbank, der Banken mit „systemischer“ Bedeutung zwangsweise als Mitglieder angehören, was deren Zusammenwirkung gegen Fremde erleichtert. Diese Zentralbank ist das Federal Reserve System (Fed) der Vereinigten Staaten von Amerika. Um Missverständnissen vorzubeugen, ist noch eine Ergänzung nötig: Nicht das Fed wird vom Gesetz gezwungen, Geschäftsbanken als Mitglieder aufzunehmen. Banken von einer bestimmten Größe an sind verpflichtet, Mitglieder des Fed zu werden. Diese Zwangsmitglieder befinden sich im New Yorker Finanzzentrum. Es bedarf keiner besonderen Mühe, um zu verstehen, dass der Schutz der Banken im Finanzzentrum des Erdballs vor jedem Die BIZ als Vatikan der Geldwirtschaft Wettbewerb unter diesen Umständen vordringliche Aufmerksamkeit genießt. Dass es die Sorge, den Freihandel zu stärken ist, kann mit gutem Grund bezweifelt werden. Basel I bis Basel III sind Produkte der Absprache, die jedes Institut, das eine Bank sein will, daran hindert, die „risikofreudigen“ US-Banken mit solide bewerteten und ausschließlich mit erstklassigen Vermögenswerten gesicherten Kreditgeschäften einem Wettbewerb aus einem relativ kleineren Eigenkapital heraus auszusetzen, als es den US-Großbanken für ihre Transaktionen auch deswegen als unverzichtbar erscheint, weil die wirklich risikoreichen Geschäfte in Hedge-Fonds ausgelagert werden, die keine Banken sind und deswegen weder mit Eigenkapital der Bank hinterlegt werden müssen, noch der Bankenaufsicht unterliegen. Es sollten auch keine Missverständnisse darüber bestehen, was Eigenkapital in einer Bank ist. Für die Bank ist das Eigenkapital eine in der Bilanz als Verbindlichkeit in Geld ausgewiesene, auf einen Stichtag bezogene Bestandsgröße. Ist die Bank eine juristische Person, zum Bespiel eine GmbH oder Aktiengesellschaft, entsteht ihr diese Verbindlichkeit, wenn Anleger Geld oder in Geld bewertete Sachgüter der Gesellschaft als Eigentum übertragen. Für den üblichen Fall der Aktiengesellschaft erhalten die Anleger im Primärhandel der Börsen Aktien oder Anrechte auf diese, die sie anteilig am Gewinn und Verlust der Gesellschaft teilhaben lassen. Das eingezahlte Eigenkapital fließt in die Kasse der Bank. Seine Bestimmung ist aber nicht, die allgemeine Liquidität der Bank zu erhöhen, sondern den Gläubigern der Bank als Haftungsmittel für den Fall zur Verfügung zu stehen, in dem die Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten nicht aus den tagtäglichen Umsät- 85 86 Der Freihandel Amerikas zen befriedigen kann. Haftungsmittel müssen jederzeit verfügbar, also hochliquide sein, aber deswegen nicht gleich als Kasse gehalten werden. In der Regel sind es Vermögenswerte, für die es laufende Marktpreise gibt. Werden die Haftungsmittel zum Beispiel in der Form von Wertpapieren gehalten, so müssen diese jederzeit in Geld konvertierbar sein. Das gilt für Geldmarktpapiere. Sie werden unter Banken und zwischen Banken und der Zentralbank banktäglich auf dem Geldmarkt gegen Geld gehandelt. Es sind vor allem die Anleihen zentraler öffentlicher Haushalte, die von der Zentralbank auf eigene Rechnung outright angekauft oder als Sicherheiten im Kreditgeschäft mit ihren Geschäftspartnern akzeptiert werden. Als Sicherheit bei der Zentralbank anerkannt zu sein, ist für einen Vermögenswert annähernd gleichbedeutend mit „so gut wie Geld“ zu sein. Banken halten daher einen erheblichen Teil des Eigenkapitals in dieser Form. Das heißt: in der Bilanz steht dann dem Passivposten „Eigenkapital“ ein auf Rechnung der Bank erworbener Aktivposten „Wertpapiere“ gegenüber. Der Einfachheit halber soll für den Augenblick vereinfachend das gesamte Eigenkapital in dieser Form gehalten werden. Wenn vom Eigenkapital einer Bank und seiner notwendigen Höhe gesprochen wird, dann geht es um diesen Posten in der Bilanz der Banken. Wie hoch er sein soll, ist theoretisch leicht zu sagen: Er muss im Notfall den größten denkbaren Verlust aus dem tagtäglichen Geschäft der Banken ausgleichen können, ohne dass dadurch die Bank insolvent würde. Das freilich ist leicht gesagt, aber schwer zu bestimmen. Die tagtäglichen Geschäfte einer Bank sind unterschiedlich vor allem Die BIZ als Vatikan der Geldwirtschaft mit Bezug auf die mit ihnen verbundenen Risiken. Die soeben genannten von zentralen öffentlichen Stellen emittierten Geldmarktpapiere gelten als von Risiken frei. Das stimmt zwar nicht, es soll aber als die herrschende Ansicht für den Augenblick anerkannt werden. Als relativ sicher gelten auch durch Hypotheken und Grundschulden gesicherte Immobilienkredite. Zwar hat sich die Erkenntnis Bahn gebrochen, dass die Annahme, die Preise von Immobilien könnten nur steigen und nicht fallen, die bis in die 80er Jahre als unumstößliche Gewissheit galt, ein Vorurteil war. Für die hier verfolgte Absicht kann auch davon abgesehen werden. Kredite an Unternehmen und private Haushalte gelten, was die mit ihnen verbundenen Risiken anbelangt, als der Standard. Insbesondere Großbanken halten unter ihren Aktiva gewöhnlich zahlreiche Derivate der genannten Risikoaktiva. Sie entstehen, indem die Risiken von den Erträgen der Forderungen getrennt gehandelt werden. Wem eine Verbindlichkeit auf Termin fällig wird, muss das zur Tilgung der Vertragsschuld erforderliche Geld nicht über die gesamte Frist als Kasse ertragslos halten. Ein spätestens zum Termin fälliger Vermögenswert kann erworben werden, um in den Genuss der Überschusseinkommen die er trägt, zu kommen. Das ist möglich, wenn und weil das bei dem Kauf als Differenz zwischen dem aktuellen Terminkurs und Kassakurs am Tag der Fälligkeit entstehende Risiko durch den Kauf eines Derivates kompensiert werden kann. Im Lehrbuch trifft der Nachfrager auf dem Markt auf einen Anbieter, der sich in der entgegengesetzten Lage befindet. Er hat auf Termin einen Vermögenswert verkauft, ohne diesen zu besitzen. Damit dieser Leerverkauf ihm kein Kurrisiko entstehen lässt, sichert er sich den Vermögenswert zum Terminkurs und kann diesen, falls der Kassakurs bei Fälligkeit niedriger ist, erhält er genau das Geld, das die Differenz von Termin- und Kassakurs auf 87 88 Der Freihandel Amerikas den Nullwert bringt, aus seiner Transaktion mit dem Derivat. Die Existenz von Derivaten erscheint als eine Kreditversicherung, als ein Risiko verminderndes Instrument. So weit Lehrbuch, so gut. Mit der erlebbaren Wirtschaftswirklichkeit hat das wenig zu tun. Niemals trifft hier der Anbieter oder der Nachfrager der Derivate auf dem Markt seinen Kontrahenten direkt. Dabei sollte man annehmen dürfen, das Internet könnte das leicht ermöglichen. Ein Händler bemüht sich aber auch dort, Käufer und Verkäufer gerade zu trennen. Das führt zu Kursen, die für den Käufer und den Verkäufer nachteilig im Verhältnis zum Gleichgewichtspreis, der bei funktionstüchtigem Wettbewerb sich ergeben hätte. Hier ist nicht der Platz, diese Spur weiter zu verfolgen. Es kann nur auf Michael Lewis in der Literaturliste erwähnte Untersuchung der Flash Boys hingewiesen werden. Nicht verzichtet werden soll aber auf die wenigstens kurze Darstellung der unter verfälschtem Wettbewerb möglichen Machenschaften zur gezielten Steuerung der Schuldnerländer durch die Großbanken. Eine ergibt sich auch aus der Spaltung von Vermögenswerten in den Forderungsteil und ein den Ausfall versicherndes Derivat. Diese Derivate können nicht nur von denen gekauft werden, die die komplementären Forderungen und Verbindlichkeiten besitzen, sondern jeder kann sie erwerben, ohne begründen zu müssen, zu welchem Zweck sie ihm dienen sollen. Ist der Nachfrager ein Fonds, der von seinen Eigentümern reichlich mit Liquidität ausgestattet wird, so kann er durch die Nachfrage nach beispielsweise den Verlust versichernden Derivats eines hinreichend hoch verschuldeten Landes deren Kurs in Die BIZ als Vatikan der Geldwirtschaft die Höhe treiben. Der steigende Preis drückt aus, so sollte angenommen werden können, dass eine störungsfreie Rückzahlung am Markt als unwahrscheinlicher eingeschätzt wird. Tatsächlich hat sich mit Bezug auf diesen Punkt aber überhaupt nichts geändert. Das Fallen des Preises des betroffenen Vermögenswertes kann derart von einem im Geld schwimmenden Fonds regelrecht gesteuert werden. Das pünktlich vor den nächsten Fälligkeiten wiederkehrende Problem drohender Zahlungsunfähigkeit liefert ein Beispiel dafür, wie ein Schuldner gezielt in eine Lage gebracht wird, in der er Ansprüche auf Beistand von unbeteiligten Dritten geltend machen kann, mit dem seine Gläubiger befriedigt werden. Derartige Innovationen im Finanzmarkt wirken oft destabilisierend. Auch wenn sie nur an Dritte verkauft werden. Deren Risiken sind mit äußerster Vorsicht zu bewerten. Sie werden nämlich aus Vermögenswerten mit unterschiedlichen Risiken abgeleitet. Da für die in Hedge-Fonds ausgelagerten und deswegen nicht minder intransparenten Derivate der US-Großbanken nicht anderes gilt, besteht infolge dieses Vorsorgemangels die ganz und gar gleiche Gefahr für die Sicherheit der Banken im Finanzzentrum der Vereinigten Staaten von Amerika, wie sie dort für Europa gesehen wird. Wird dessen ungeachtet der Ist-Zustand in Basel III fortgeschrieben, so handelt es sich um eine Verfälschung des Wettbewerbs auf dem globalen Finanzmarkt zu Gunsten der Banken der führenden Wirtschaftsmacht auf dem Globus. Aus der Gesamtheit der Aktiva in der Bilanz einer Bank und der anteiligen Zuordnung der Vermögenswerte zu den unterschiedlichen Risikoklassen soll das zur Abdeckung der Risiken erforderliche Eigenkapital errechnet werden können. Angenom- 89 90 Der Freihandel Amerikas men, der Prozentsatz, der für mit durchschnittlichen Risiken verbundene Aktiva vorgeschrieben ist, sei 8% und die Bilanz summiere sich auf 50 Mrd. Euro. Davon soll der Anteil der Geldmarktpapiere, einschließlich der als Eigenkapital gehaltenen, 20 Mrd. Euro betragen, der der Hypothekenkredite auf 10 Mrd. Euro sich belaufen, Kredite für Unternehmen und private Haushalte in Höhe von 10 Mrd. Euro in den Büchern stehen und 10 Mrd. Euro sollen Derivate sein. Für die nicht als Risikoaktiva angesehenen Geldmarktpapiere würde keine Deckung mit Eigenkapital erforderlich sein. Für die Hypothekenkredite wird eine Deckung mit 50% der normalen Rate als ausreichend angesehen, weil Fall einer Störung des Kapitaldienstes der Fehlbetrag als aus der zu verwertenden Immobilie rückgewonnen werden kann. Das gilt weiter als unumstößliche Wahrheit, obwohl die Finanzkrise 2008 von einer Bausparkassenkrise ausgelöst wurde. (Siehe S.: 68) Die Kredite an Haushalte und Unternehmen sollen mit 100% der Normalrate gedeckt werden. Großbanken haben die Option den Prozentsatz der Normalrate den für Außenstehende schwer abzuschätzenden erforderliche Prozentsatz der Normalrate selbst zu bestimmen. Für das Beispiel soll er mit 150% als angemessen angenommen werden. Tatsächlich tobt um die gebotene Rate der Deckung der Derivate eine nur als Schlacht im Finanzkrieg zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und den Ländern der Europäischen Union zu verstehender jahrelanger Streit. An dieser Stelle wird er übergangen. Ein nur illustrierendes Zahlenspiel demonstriert rechnerisch, wie die Höhe des Eigenkapitals bestimmt wird. Ist 8% die Normalrate, dann sind auf die hypothekarisch gesicherten Aktiva 4, auf die Kredite an Unternehmen und Haushalte Die BIZ als Vatikan der Geldwirtschaft 8 und auf die Derivate 15% Eigenkapital zu halten. Das ergibt in der Summe 400 Mio. Euro für die Hypothekenkredite, 800 Mio. für die Kredite an Unternehmen und Haushalte und 1,5 Mrd. Euro für die Derivate, also müssen insgesamt mindestens 2,7 Mrd. Euro in hochliquiden Geldmarktpapieren von der betrachteten Bank unter ihren Aktiva gehalten werden, um die Eigenkapitalanforderung zu erfüllen. Inwiefern dieser Posten die Bankgeschäfte behindert oder einschränkt ist einer der Streitpunkte zwischen den Aufsichtsbehörden und den Banken. Es gibt hier aber keine für alle Banken gleiche Auswirkung. Je nachdem sich die Risikoaktiva der Geldinstitute zusammensetzen, wird Einschränkung der Bankaktivität kleiner oder größer sein. Die relative Größe des Eigenkapitals zu den Risikoaktiva beschränkt die Aktivitäten selbst der allergrößten US-Banken nicht bedeutend, wenn sie im Bankgeschäft wie ein Marktmacher für die Schulddokumente des Finanzministers fast ausschließlich dessen Verbindlichkeiten als Aktiva halten. Diese gelten, wie gerade schon erwähnt, ungeachtet der prekären Lage selbst der zentralen öffentlichen Haushalte der Vereinigten Staaten von Amerika nicht als Risikoaktiva und erfordern daher keine Deckung. Etwas weiter oben im Text wurde schon gezeigt, warum US-Banken besonders hohe Bestände an Bonds des US-Finanzministers halten (Siehe Seite 95). Die diese Werte haltenden USBanken können sie bei Bedarf im Zentralbanksystem als Sicherheit einliefern und so fast jederzeit zu Kasse machen. Wie zuverlässig sie dies können, hängt nicht zuletzt davon ab, welchen Einfluss sie erforderlichenfalls auf das Finanzministerium ausüben könnten. Nur um eine Vorstellung zu gewinnen: In den beiden Amtszeiten Barak Obamas ist die Bundesschuld der Vereinigten Staaten von Amerika um 60% gestiegen, nämlich von 60% des BIP auf fast 100%. Finanzielle Unabhängigkeit sieht anders aus. 91 92 Der Freihandel Amerikas Auch die Verschuldung der Vereinigten Staaten von Amerika im Ausland ist seit der Finanzkrise des Jahres 2008 beachtlich an. Die Grafik (Quelle FAZ 5. 3. 2017) bleibt in ihrer Aussage undeutlich. Es gibt auch Schuldner von US-Dollars, die nicht Inländer in den Vereinigten Staaten von Amerika sind. Die Darstellung ist entsprechend nur als Illustration des Vorgangs zu verstehen und sollte nicht 1:1 als Aussage über den Ist-Zustand aufgefasst werden. Ist die finanzielle Unabhängigkeit erst dahin, dann schicken die Banken auch gern ihre Vertrauensleute direkt in die Schaltstellen der Macht. Dass es ihnen dabei nicht darauf ankommt, welche Regierung sie damit beraten demonstriert der gerade eingetretene Präsidentenwechsel in den Vereinigten Staaten von Amerika. Während des Wahlkampfs präferierte die Bankenwelt das Ehepaar Clinton. Vier der nahezu zuerst bestimmten Kabinettsmitglieder und Berater des nicht erwarteten Wahlsiegers können sich auf eine intensive Wall Street-Erfahrung berufen. Es werden am Ende sicher noch mehr sein. Von Freihandel und Wettbewerb ist nicht die Rede. Die BIZ als Vatikan der Geldwirtschaft Zweifel sind auch bezogen auf die Hoffnung, die Aktivtäten im Bankenausschuss der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich brächten mehr Stabilität in den Finanzmarkt, berechtigt. Die gefährlichen Aktiva der Banken in den Vereinigten Staaten von Amerika sind nicht geringer geworden. Es genügte den Banken in der Wall Street, sie aus der Bilanz verschwinden zu lassen. Sie wurden schon vor der jüngsten Finanzkrise fein zergliedert in die eigentliche Anleihe und ein gesondertes Wertpapier, das das Risiko abdeckt. Käufer dieser Papiere sind angeblich die Halter der vom Rückzahlungsstörungen betroffenen Forderungen. Je wahrscheinlicher eine Störung ist, desto mehr Halter wollen sich durch den Kauf des den Verlust ausgleichenden Papieres schützen. Es steigt dadurch sein Kurs. Er steigt möglicherweise bis auf 100% des Wertes der Forderung, dann, wenn alle Halter erwarten, keinerlei Rückzahlung mehr zu erhalten. Das hört sich wie eine Kreditausfallversicherung an, die es auf dem Markt schon lange gibt. Der Unterschied besteht darin, diese Papiere auch kaufen zu können, wenn man keine der damit zu versichernden Forderungen besitzt. Das führt dazu, sie für Wetten gegen den Emittenten nutzen zu können. Die steigende Nachfrage lässt, den Kurs steigen und damit für den Emittenten den Zinsaufschlag für Refinanzierungen ansteigen, weil der höhere Zins als höheres Risiko aufgefasst wird. Für Griechenland lässt sich gut zeigen, dass es genau diese Transaktionen waren, die das Land in die Krise gestürzt haben. Kann der Bankenausschuss allein den Schleier des Mystischen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich lüften? Wohl kaum. Die Regelmäßigkeit, mit der die Spitzenkräfte der Großbanken in Basel mit dem Führungspersonal der wichtigsten Zentralbanken und der Bankenaufsichtsbehörden konferieren, 93 94 Der Freihandel Amerikas deutet darauf hin, dass der Turm zu Basel ein ganz besonderer, der Absprache der Steuerungsmaßnahmen der Geldwirtschaft dienender Ort sein muss. Die Diskrepanz zwischen Ressourcen und erklärter Leistung könnte schnell geschlossen werden, indem sie einen Namen erhält, der der Fantasie genügend Raum belässt. Nennt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich doch einfach den Vatikan der Geldwirtschaft. Die Kurie bilden mit Erzbischöfen, Bischöfen und Kardinälen die Leitungen der Zentralbanken, Banken und Aufsichtsbehörden. Das Ringen um Basel III könnte dann auf einem Konzil von Dingsbums stattfinden. Das gäbe ihm sicher mehr Gewicht und befreite von dem Vorwurf, die Hinterzimmer des zylindrischen Bauwerks wären Darkrooms. Untersicherte Kredite und Wettbewerb 7. Untersicherte Kredite und Wettbewerb D urch den Kauf der ähnlich wie in den Ländern mit „aufstrebenden Volkswirtschaften“ vermehrten Schulden zentraler öffentlicher Haushalte können die Banken im New Yorker Finanzzentrum indirekt den Kredit mit subprime securities auf die große Schar der Schuldner ausweiten, die alle anderen Banken meiden müssen. Werden vom Internationalen Währungsfonds dem Bundesreservesystem (Fed) Sonderziehungsrechte zugewiesen, weil ein Schuldnerland Probleme mit der „Rettung“ fällig gewordener Aktiva seiner US-Gläubiger hat, ist die abschließende Tilgung am Geld bisher noch nie gescheitert. Es war stets möglich, fällige Zahlungen durch noch nicht fällige zu ersetzen. Das US-Reserve System kann keinen Dollarmangel haben. Allerdings kann eine steigende Emission mit unerwünschtem Abwertungsdruck für den Wechselkurs des Dollars verbunden sein. Die Dollardominanz aufrecht zu erhalten, machte es dann erforderlich, durch gutachterlichen Einfluss von hier und da etablierten Denkfabriken auf die Finanzpolitik der Länder konkurrierender Währungen eine Schuldenexpansion auszulösen. Das freilich ist ein nur langsam wirkender Vorgang. Ehe sich ein, die Mehrheit der Banker im Finanzzentrum der Vereinigten Staaten von Amerika zufriedenstellender Wechselkurs sich gebildet hat, kommt es über mittlere Fristen zu teils heftig schwankenden Kursen. Für deren Verursacher ergeben sich dann viele Chancen, auf den Anstieg und den Abstieg des Dollarkurses Wetten am Devisenterminmarkt abzuschließen. 95 96 Der Freihandel Amerikas Kompensiert das Fed von Anbeginn den Ankauf von SZR durch seine sonstige Geldpolitik, kann dieser Umweg zurück zum erwünschten Wechselkurs vermieden werden. Auch das wird dem Finanzminister der Vereinigten Staaten von Amerika keine Sorgen bereiten, weil die New Yorker Großbanken jederzeit mit Zero Bonds gut versorgt sind. Diese werden bei knapper Kasse, statt im Banktresor zu liegen, bei dem Zentralbanksystem refinanziert. Die Bank nutzt sie dann als Sicherheit bei dem Fed. In der Regel geschieht das in repurchase-Verträgen. Die Wertpapiere tragen ihren Eigentümern auf diese Weise unverändert marktübliche Zinsen, obwohl die Guthaben auf den Zentralbankkonnten der Banken expandieren, nur weil sie in einem anderen Tresor liegen. Mit dem neuen Geld können auch neue Zero Bonds erworben werden, falls ein Kreditbedarf im Finanzministerium dadurch entsteht, dass die Transaktion zu einer nachlassenden Wirtschaftsaktivität und zu ungenügend steigenden Steuereinnahmen der Zentralregierung führt. Tatsache ist aber auch, dass die US-Bonds regelmäßig niedrigere Renditen haben, als viele andere Anlagemöglichkeiten. Das hat den rationalen Grund, dass sie eine größere Marktgängigkeit als andere Papiere haben und weniger unsicher als die im Markt mit größeren Renditen verfügbaren Papiere. Das aber ist für die Wall Street-Banken schon fast unbedeutend. Sie haben grundsätzlich mit ihren Einflussmöglichkeiten auf das US-Finanzministerium für die untersicherten Aktiva ihrer Schuldner im Notfall Beistand von kreditfähigen Schuldnern oder können die Bereitstellung neuer SZR (über die hier beschriebenen Institutionen) erzwingen. Untersicherte Kredite und Wettbewerb Vor diesem Hintergrund kann der Markt für sonst nicht kreditfähige Schuldner für die New Yorker Hochfinanz in abenteuerliche Höhen geschraubt werden. Es sind regelmäßig die öffentlichen Haushalte von Ländern, denen eine nachholende Entwicklungsmöglichkeit nachgesagt wird, die sich im Focus der Wall Street-Banken befinden. Bis jetzt ist aber noch kein Fall bekannt geworden, in dem sich ein Land ohne eigene Ersparnisse erfolgreich Investitionen und damit ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum finanziert hat. Tatsache ist dagegen, dass sich das aus „Kapitalimport“ erwartete Wachstum immer wieder als unerreichbar erweist. Brasilien ist ein trauriges Beispiel für den Regelfall im Zwanzigsten Jahrhundert. In Meyers Lexikon von 1900 wird unter dem Stichwort Brasilien die Meinung vertreten, das Land würde schon bald den wirtschaftlichen Rang der alten europäischen Industrienationen erreichen und diese mit dem Wachstum seiner Wirtschaft alsbald überholen. Mindestens dreimal gab es bisher Anläufe zu dem erhofften Überholmanöver. Ein „take off“ ist stets unterblieben. Ähnliches kann über Argentinien berichtet werden. Kaum zu glauben ist, dass es das viertreichste Land auf Erden in den Jahren zwischen den Weltkriegen war, als die kriegführenden Länder, durch eine Umkehr ihrer Handelsbilanz-Salden Ersparnisse für Argentinien und anderer neutraler Staaten bewirkten. Zu diesen zählt auch Uruguay, das bis in die 60er Jahre die Schweiz Südamerikas genannt wurde. Die rege Investitionstätigkeit mit „Kapitalimporten“ ist nicht der Reflex auf die Erwartung eines erfreulichen Wirtschaftswachstums. Die Investitionen finden ungeachtet ihrer womöglich völligen Sinnlosigkeit statt. Ein ausbleibender Rückfluss der investierten Mittel durch Kapitaldienst wird mit gutem Grund 97 98 Der Freihandel Amerikas dann aus Beistandsleistungen oder erhöhten Ziehungsrechten beim IWF erwartet. Die Bedingung dafür ist freilich, dass die Kapitalexporteure in der Wall Street, einen ausreichend großen Bestand an US-Bonds halten, auf dessen Refinanzierung der Finanzminister der Vereinigten Staaten von Amerika angewiesen ist. Lässt er sich davon allein nicht beeindrucken, werden mit Leerverkäufen dieser Papiere deren Kurse gesenkt, also die Renditen erhöht, was mit anderen Worten höhere Zinsen bei der Refinanzierung des öffentlichen Haushaltes bedeutet. Das hieße aber, dass der Vorteil, den die Hochfinanz in den Vereinigten Staaten von Amerika dadurch genießt, dass sie untersicherten Kredit auf einem nur für sie existierenden, von jedem Wettbewerb freien Markt anbieten kann, auf dem ganz normalen Markt für Kredit und Kapital zum Teil wieder verloren ginge. Es können die US-Großbanken zu hohen Zinssätzen dort risikoarm ausleihen, wo Banken ohne Einfluss auf das US-Finanzministerium unmöglich mit ihnen konkurrieren können. Sie müssen zu diesem Zweck zwar einen relativ großen Anteil ihrer Mittel in Bonds mit niedriger Rendite halten. Dagegen könnten, wenn diese Annahme zuträfe, die einflussarmen Banken einen größeren Teil ihrer Investitionsmittel im Kreditmarkt mit prime securities und entsprechend kleinerem Risiko ausleihen. Ein derartiger marktmäßiger Ausgleich sollte nicht überschätzt werden. Zwei Tatsachen verhindern das. Die Großbanken in New York haben die Risiken ihrer Aktiva aus der Bilanz verdrängt. Das geschah, indem sie erstens die Risiken von den Forderungen getrennt verbrieft und für sie einen besonderen Untersicherte Kredite und Wettbewerb Markt geschaffen haben. Zweitens verfügen diese Banken mit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich eine Institution, die sich mit ihren turnusmäßigen Konferenzen für Absprachen zu einem gemeinsamen Vorgehen hervorragend eignet. Die Bankenleitungen treffen sich alle zwei Monate in Basel bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Wo die Absprache gelingt ist der erforderliche Einsatz für das einzelne Institut relativ gering, während die Wahrscheinlichkeit, auf die öffentlichen Stellen wirksamen Einfluss ausüben zu können, steigt. Diese Konstellation erklärt, warum die US-Banken im Bankenausschuss der Basler BIZ so unnachgiebig auf Erhöhung der für Derivate vorgeschriebenen Deckung mit Eigenkapital dringen. Sie zwingen Europas Banken damit, einen höheren Anteil an zur Deckung genutzten refinanzierungsfähigen, aber niedriger als ihre bisherigen Ausleihungen verzinsten Staatspapiere zu halten. Ihre vorsorgliche Bemühung um die Sicherheit des Finanzsystems, ist nur der Versuch, da wo sie sich selbst nicht besserstellen können, ihre Konkurrenten institutionell schlechter zu stellen. Wo dies nicht gelingt, sehen die Banken an der Wall Street den Dienstleistungsfreihandel durch staatliche Regulierung behindert und fordern, die Hindernisse ihrer Diskriminierungen durch eine Rückkehr zum amerikanischen Freihandel, also zum Recht auf Dominanz im globalen Kreditmarkt festzuschreiben. Die periodische Wiederkehr der großen Finanzkrisen lässt vermuten: Das, was Einkommen und Vermögen der betroffenen Volkswirtschaften zerstört, muss für einen Teil der Akteure auch Vorteile bringen. Das muss jedenfalls für die Finanzinvestoren und den Fondsmanagern angenommen werden. Anderenfalls sollte man annehmen, sie seien unfähig aus Schaden klug zu werden. Zwar gilt nicht grundlos die Weisheit, Dummheit schützt vor 99 100 Der Freihandel Amerikas Reichtum nicht, als empirisch abgesichert. Die Kette der periodischen Krisen braucht aber eine systematische, weniger vom Zufall abhängige Erklärung. Schadensunempfindliche und dabei außerordentlich hohe Einkommen für Finanzinvestoren der Hochfinanz sind durchaus typisch selbst für die größten Finanzkrisen. Der Anreiz zur Inszenierung eines für die meisten Beteiligten verhängnisvollen Geschehens besteht offenbar permanent. Er wird nur gelegentlich durch Gesetzgebung im Gefolge der Krisen unterdrückt. Früher oder später werden derartige Verbote, zum Beispiel im Namen des Freihandels, immer wieder außer Kraft gesetzt. Es geschieht mit neoklassischen und damit falschen Begründungen. Der zyklischen Regulierung der nach den Krisen stets eingeführten gesetzlichen Hemmnisse, fehlte es ganz und gar an einer theoretischen Begründung. Mehr oder weniger war es ein Aktionismus, der die Handlungsfähigkeit der jeweiligen Regierung beweisen sollte. Der Gesetzgeber beabsichtigte dann vorgeblich, an dem Geschäft der Finanzinvestoren überhaupt nicht beteiligte Bevölkerungsteile davor zu schützen, ohne ihr eigenes Zutun und ohne Unheil abwenden zu können, wirtschaftlich ruiniert zu werden. Die Dummheit bliebe aber der Motor der Entwicklung. Es überzeugt die Variante, die zum dummen Investor alternative Dummheit des Interventionsstaates die neoklassischen Befürworter der „freien“ Wirtschaft weit mehr. Für weniger mit Vorurteilen zufriedenzustellenden Beobachter wird die Annahme, der Gesetzgeber sei dumm, nicht mehr Überzeugungskraft haben, als die alternative Unterstellung. Beide Unterstellungen nehmen ohne guten Grund einen Zyklus‘ der Dummheit als Untersicherte Kredite und Wettbewerb Konstante an. Das wäre in Anlehnung an Immanuel Kant als Verharren in einer selbstverschuldeten Unmündigkeit zu verurteilen und damit änderbar. Die in der europäischen Wirtschaftsgeschichte protokollierte Vielzahl dieser Krisen und der immer dabei deutliche Zusammenhang mit Aktivitäten der Hochfinanz legt eine Beurteilung dieses Krisentyps mit den Instrumenten der nominalen Theorie der Geldwirtschaft nahe. Die den Ablauf des Wirtschaftsgeschehens konterkarierenden Aktivitäten der Finanzinvestoren verstehen sich damit nicht weiter als Annäherungen an die optimale Ressourcenallokation. Es wird deutlich, dass man sie auch und zwar überzeugender als Raubzüge in einem Finanzkrieg verstehen kann. Zu den beiden Südamerika-Krisen ließe sich noch die ganz ähnlich abgelaufene Finanzkrise Ägyptens am Ende des 19. Jahrhunderts hinzufügen. Um den Sitz der Hochfinanz konkurrierten in der Nachfolge erst Venedigs und dann Amsterdams zu der Zeit noch Paris und London. Die endgültige Führung übernahm London als Erbe der Vorrangstellung Amsterdams vor Paris wahrscheinlich infolge der zu dieser Zeit eintretenden Zahlungsunfähigkeit Ägyptens. Das formal zum Osmanischen Reich gehörende, aber von − sich zuerst sogar gegenseitig bekämpfenden − französischen und britischen Truppen besetzte Land wurde zum Ende des 19. Jahrhunderts britisches Mandatsgebiet. Ägypten war bei alledem in untersicherten Auslandsschulden so versunken, wie es die Pyramiden im Sand der Wüste waren, ehe die Europäer sie ausgegraben hatten. Die ägyptische Krise konnte noch nicht mit einer Institution wie dem IWF „gelöst“ werden, dass fällige Schulden bei den Banken in noch nicht fällige Verbindlich- 101 102 Der Freihandel Amerikas keiten transformiert wurden. Deswegen wurden sie als Eigentum den Banken durch eine vom britischen und französischen Staat ausgeübte Zwangsverwaltung der Finanzen Ägyptens „gerettet“ (wie es heute heißen würde). Auch in der Gegenwart fehlt es nicht an Ländern, die von einer vergleichbar schweren Krise bedroht werden. Vieles deutet darauf hin, dass die Türkei als Kandidat infrage kommt. Der Auslöser ist, dass anfangs nicht nur für Unternehmen plündernde Finanzinvestoren abenteuerliche Umverteilungen des Sozialprodukts zu ihrem Vorteil auslösen, sondern auch beeindruckende Einkommenserhöhungen von im Staatsauftrag und unmittelbar im Staatsdiensten tätigen Projektemachern und den davon profitierenden Unternehmern über längere Zeiträume aus dem SZR-Zustrom erzielt werden. Mit Bezug auf das zuerst genannte Beispiel Brasilien lässt sich gut beobachten, das für Investitionsentscheidungen oft keine Bedarfsprüfung durch den Investor erfolgt. Vielmehr scheint die Produktion von konsumierbaren Gütern gar nicht in deren Absicht zu liegen. Die Bedarfsprüfung erfolgt im Rahmen der Antragstellung bei der Entwicklungsbank durch diese. Eine hier möglicherweise entdeckte ex ante-Brauchbarkeit hat zwar eine nur geringe Überzeugungskraft. Wo aber der Mittelabfluss für die Entwicklungsanstrengungen nicht anders gesichert werden kann, muss dies eben genügen. Anders als in Unternehmen, wo auch nur begrenzte Einsichten in das, was Zukunft genannt wird, besteht, findet für die geförderten Projekte keine ex post Begutachtung statt. Der Ordner wird geschlossen, wenn die letzte Rate der Förder- Untersicherte Kredite und Wettbewerb mittel abgerufen ist. Es ist denkbar, dass dieser frühzeitige Abschluss viel zu dem immer wieder laut gelobten Erfolg der Förderinstitutionen beiträgt. Ein Phänomen fällt bei Besichtigung von Projekten besonders auf: Viele haben eine nur kurze Lebensdauer. Die durch Fördermittel aus Washington angeregten wirtschaftlichen Aktivitäten dauern so lange an, wie die Weltbank Dollarströme für die von ihr geförderten Projekte bis zu deren Fertigstellung in das Land lenkt. Ein steigendes Volumen von Projekten wirkt dann wie ein Schneeballsystem belebend auf die Wirtschaft. Es entsteht oft ein erfreulich erscheinender Anstieg der Wirtschaftstätigkeit. Ist ein Projekt aber abgeschlossen und nimmt zum Beispiel die ihm bestimmte Produktion öffentlicher oder privater Güter auf, dann strömt, wenn dabei überhaupt Erlöse anfallen, ausschließlich inländische Währung in die Kasse. An der heimischen Währung besteht für die in leitender Position wirkenden „Staatsdiener“ in diesen Ländern kein Mangel. Es gilt als normal, wenn sie sich für ihre Aktivitäten bei der Staatsbank Mittel beschaffen. Mit der inländischen Währung kann niemand direkt Luxusgüter importieren oder auch nur auf dem Inlandsmarkt beschaffen. Es ist auch sehr selten möglich, auf dem regulierten Devisenmarkt Dollar zum offiziell verordneten Wechselkurs zu erhalten. Ein Schwarzmarkt deckt dort den Bedarf nach fremden Geld zu exorbitanten Kursen. Das lässt das Interesse der Projektemacher an fertiggestellten Projekten absterben. Sie suchen mit ihrer ganzen Energie neue Projekte, die wieder Dollar fließen lassen. So findet man zum Beispiel in Brasilien immer wieder Institutionen, die öffentliche Güter produzieren sollten und kaum, dass ihre Bauwerke errichtet waren, aufgegeben wurden. Ihr Schicksal war besiegelt, als die Verfügung über 103 104 Der Freihandel Amerikas Devisen schaffenden Fördermaßnahmen abgeschlossen war. Sie existieren nur noch auf dem Kunstdruckpapier der Entwicklungsberichte. Bauten, die errichtet wurden, holt sich die Natur zurück, indem sie diese überwuchert, sofern sie nicht als Wohngelegenheiten für Unbehauste genutzt werden können. Die Weltbank erscheint bei alle dem als sehr erfolgreiche Institution der Entwicklungshilfe. Sie kämpft seit ihrer Gründung gegen die Armut in den wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern. Zumindest die Existenz der Weltbank ist damit gesichert. Denn bisher geschah es scheinbar ohne überzeugenden Erfolg. Wie sollte es anders zu verstehen sein, wenn sie soeben dabei ist, ein neues Programm, das die Zahl der Menschen, die weniger als 2 Dollar pro Tag zu ihrer Verfügung haben, nunmehr bis 2030 wesentlich zu reduzieren, geeignet sein soll. Das zur Schau gestellte Selbstvertrauen ist umwerfend. Es sei nur daran erinnert: Früher galt als arm, wer täglich einen Dollar für sich hatte. Heute sind es zwei Dollar. Was werden wohl im Jahre 2030 zwei Dollar auf den Märkten der in Armut lebenden Menschen bedeuten? An Projekten besteht anscheinend kein Mangel. Von deutschen Entwicklungshilfe-Organisationen hört man Anderes: Es ist danach unmöglich das Geld, das für diesen Zweck in Deutschland bereitsteht, vollständig auszugeben, weil es an Erfolg versprechenden Projekten fehlt. Ohne oder ohne gute Sicherheiten leihen zu können, ist dessen ungeachtet eine starke Versuchung für die Regierungen der Länder mit „aufstrebenden Volkswirtschaften“. Die Projektemacher sind sich ihrer Lage dabei sehr wohl bewusst: Sie sind auch sicher, dass nicht sie, sondern andere durch institutionelle Gewalt Untersicherte Kredite und Wettbewerb gezwungen werden können, für ihre vergeudeten Verbindlichkeiten aufzukommen. Von der Last betroffen ist vor allen Dingen die Bevölkerung dieser Schuldnerländer. Sie müssen über Steuern und Abgaben für das aufkommen, was das Leben in der Oberschicht der Gesellschaft angenehm macht. So hart dies für die betroffene Bevölkerung auch sein mag, wird dadurch keine Entschuldung erreicht. Erstaunlich ist, wie selten das Interesse an der Aufdeckung des Grundes besteht, weswegen, statt einer Entschuldung eine permanente Steigerung der Schulden dieser „aufstrebenden Märkte“ registriert wird. Was bedeutet es, wenn der IWF und die Weltbank darauf hinweisen, dass sie in den sieben Jahrzehnten ihres Bestehens keine Forderungen abschreiben mussten. Infolgedessen haben auch die Wall Street-Banken den Kapitaldienst vollständig geleistet bekommen. Es heißt jedoch nicht, dass die Verträge von ihren Schuldnern ordnungsgemäß durch Tilgung erfüllt worden sind. Weit eher muss es so verstanden werden, dass die Nettoeinzahler des IWFs durch Zuweisung von Sonderziehungsrechten ihre zuvor in Gold und Devisen bestehenden Währungsreserven dem IWF ausgeliefert und im Gegenzug immer mehr SZR thesauriert haben. Bisher konnte der IWF sich noch immer Geld in den Korbwährungen US-Dollar, UK-Pfund, EURO, Japan Yen durch Zuweisung von SZR an die Überschussländer verschaffen, die zum Ausgleich der Leistungsbilanzdefizite der Schuldnerländer ausreichten. Mit dem chinesischen Yuan wird zwar erstmals durch Zuweisung von SZR an die Chinesische Volksbank eine Währung in die IWF-Reserve kommen, die keine Emission einer Zentralbank, sondern einer Staatsbank ist und in nur eingeschränkt konvertierbaren Staatsbanknoten besteht. ob das die Liquidität des 105 106 Der Freihandel Amerikas IWFs bedroht, hängt davon ab, ob die Überschussländer sich von den Defizitländern die Exporte auch in Yuan bezahlen lassen. Solange die Volksrepublik China selbst das Wirtschaftswachstum vorbildlich mit Exporterfolgen weiterfinanziert und die YuanWährung als die Forderungen der chinesischen Wirtschaft endgültig tilgendes Zahlungsmittel akzeptiert, wird daraus wahrscheinlich kein Problem für die Liquidität des Internationaler Währungsfonds entstehen. Das kann von einer durch Beschluss der Generalversammlung des Internationalen Währungsfonds ermöglichten Erhöhung der Liquidität selbst nicht gesagt werden. Auf eine Erhöhung der Gläubigerquote, nach der die Zuweisung von scheinbar beliebig vermehrbaren SZR an die Zentralbanken der Überschussländer realisiert wird, kann der IWF nicht verzichten. Es ist eben das SZR kein Geld und schon gar nicht eine neue Weltwährung. Der Internationale Währungsfonds kann nur die Gläubigerländer verpflichten, Geld gegen SZR zu emittieren und ihm damit einen Teil des Zentralbankgeldes für eine primäre Zirkulation nach den Vorstellungen des Fonds zu überlassen. Die Bedeutung dieser Tatsache ist bisher ignoriert worden. Das Entsetzen über die Folge der perpetuierlich mit steigenden Gläubigerquoten akkumulierten SZR, die als Hinterlegung der Zentralbankemission anstelle der Geldmarktpapiere der sonstigen Geschäftspartner der Zentralbanken in der Bilanz stehen, wird beachtlich ausfallen. Der bereits erheblich verfälschte Wettbewerb unter den Finanzzentren und den darin existierenden Banken, wird umso mehr beschleunigt werden, je kleiner der Anteil der heimischen Geschäftspartner an der Primärzirkulierung Untersicherte Kredite und Wettbewerb des heimischen Zentralbankgeldes wird: Wie auch immer der Zusammenhang zwischen der Zentralbankgeldmenge und der Möglichkeit, das Kreditgeschäft der Geschäftsbanken zu gestalten angenommen wird, kann nicht mit gutem Grund auf eine Folgenlosigkeit gehofft werden. Die Banken verlören sehr wahrscheinlich für den Teil der Zentralbankgeldmenge, den der Internationale Währungsfonds erstmals zirkuliert, die Kontrolle über die Ausweitung des Kredits durch Transaktionen, die früher unter dem etwas unscharfen Begriff „Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes“ zusammengefasst wurden. Die Verachtung, der die Quantitätstheorie ausgeliefert wurde, hat zum Verlust dieses Denkinstruments geführt. Ein Ersatz für den im Denken nicht mehr vorhersehbar bestehenden Zusammenhang zwischen dem Geld und den Gütern ist der Schule bislang nicht verfügbar. Fassungslos verfolgten die neoklassischen Ökonomen die Beschleunigung der Notenemission. An die Stelle der früheren Inflationsfurcht ist über mehr als eine Dekade die Furcht getreten, ein Inflationsziel von 2% nicht erreichen zu können. „Immer feste druff“ scheint die finale Zentralbankweisheit zu sein. Als Milliarden nicht mehr helfen, sollten es die Billionen richten. Brachten die Billionen die Preise nicht in die Höhe, dann mussten es eben Billiarden sein. Kein Gedanke wurde darauf verschwendet, woher die guten Vermögenswerte kommen sollten, die im Gegenzug dazu bei den Emissionsbanken zu hinterlegen sind. Wenn die Kreditnachfrage der Banken der Zentralbank nicht genügend zur Hinterlegung geeigneter Papiere zuströmen lässt, dann tätigt sie die nötigen Ankäufe outright. Markt und Zentralbankgesetz waren gestern. Schadet dem Publikum überhaupt nichts, warum erhöht denn keiner die Preise? 107 108 Der Freihandel Amerikas Es müssen bei alle dem in den Bilanzen der Zentralbanken von Gläubigerländern die SZR-Bestände gerade so schnell wie die Ziehungsrechte, die Länder mit einem Defizit in der Leistungsbilanz im IWF haben, zunehmen. Nur dann kann jede durch Importüberschuss entstehende und als Nettoforderung gegen die Exportüberschussländer fällig werdende Verbindlichkeit der Schuldnerländer in eine noch nicht fällige reibungslos durch weitere Schuldenexpansion überführt werden. Da faktisch die Forderungen der Überschussländer simultan mit den Verbindlichkeiten der komplementären Ländergruppe entstehen, könnte angenommen werden, die Menge der vom IWF den Gläubigern zuzuteilenden SZR sei tatsächlich unbegrenzt. Jede Schuldenerweiterung erhöht den Defizitländern aber auch die zu zahlenden Zinsen. Die Zinseinnahmen der New Yorker Großbanken aus Überbrückungskrediten oder aus den Kreditierungen des Finanzministeriums steigen zwar ebenso mit. Spätestens aber, wenn die Zinsen den gesamten Exporterlös der Schuldnerländer verschlingen, wird es selbst dem IWF und der Weltbank unmöglich werden, weiteren Kredit als eine Lösung anzusehen. SZR werden heute noch als besonders sichere Vermögenswerte. Das ist zum größten Teil der Ignoranz des Unterschiedes von Geld und Vermögen geschuldet. Der Internationale Währungsfonds wird als ein Gläubiger angesehen, obwohl seine Forderungen nur durchlaufende Posten sind. Der Fehler, das zu übersehen, führt zu der Ansicht, die den Kredit erhaltenden Schuldnerländer wären die Schuldner des IWF. Die Schuldnerländer und die Gläubigerländer haben aber mit der Hilfe des IWFs nur einen Aktivtausch im einen und einen Passivtausch im Untersicherte Kredite und Wettbewerb anderen Fall vollzogen. Die Vermögensposition des Fonds bleibt von dieser Transaktion unberührt. Die Schuldnerländer sind ursprünglich Schuldner privater Unternehmen aus der Überschussländern, die ihnen mehr Importgüter verfügbar machen, als sie durch ihren Export ausgleichen, obwohl diese keine Sicherheiten dafür stellen. An die Stelle der Sicherheiten treten Beistands- oder Haftpflichten zentraler öffentlicher Stellen in den Gläubigerländern direkt und indirekt über in deren Eigentum befindliche Institutionen. Mit anderen Worten: Es haften öffentliche Haushalte der Gläubigerländer oder die Haushalte der von ihnen finanzierten übernationalen Organisationen. Der Internationale Währungsfonds ist eine solche Organisation und zwar die mit Abstand bedeutendste. Was also sind es für Aktiva, die in den Tresoren des IWFs liegen? Es sind zweifelsohne in SZR nominierte Forderungen gegen die Schuldnerländer des Internationaler Währungsfonds. Der IWF hat sie aber im Gegenzug von nach dem Umtauschkurs gleichgroßen Einzahlungen in der Landeswährung des ziehenden Schuldners erhalten. Deswegen ändert sich konsequenterweise auch die buchhalterische Vermögensposition des Internationalen Währungsfonds durch die Ziehung nicht. Das erfolgreiche Ziehen auf den Fonds lässt zwar den Schuldnerländern eine Verpflichtung entstehen. Sie müssen die von ihnen infolge von SZR-Ziehungen in einer nicht im Währungskorb enthaltenen Währung eingezahlten Beträge „irgendwann“ einlösen. Nur von dem als Anteil am Eigenkapital des Fonds eingezahlten Devisen ist das nicht nötig. Um mit einer Korbwährung einlösen zu können, müssen die Schuldner, deren Währung keine Korbwährung ist, Devisen, das heißt Exportüberschüsse erwirtschaften. So weit so gut. Es könnte gesagt werden: Dann exportiert mal schön! 109 110 Der Freihandel Amerikas Aus diesen Überlegungen folgt: SZR sind nicht durch die Reserven der Gläubigerländer gedeckt, wie es oft unterstellt wird. Sie sind auch nicht aus eigener Kraft „sicher“. Eine Sicherheit besteht nur dort, wo die Gläubigernationen vom Internationaler Währungsfonds fraglos gezwungen werden können, im Rahmen der Gläubigerquote, stets weitere Devisen oder eigene Währung, wenn diese als Korbwährung eingestuft ist, für zugewiesene SZR einzuzahlen. Devisen lassen sich jedoch, wie soeben gezeigt wurde, − anders als das elastische SZR-Angebot − nur durch Exportüberschüsse vermehren. Die Schuldnerländer brauchen also Exportüberschüsse, um ihre in Landeswährung dem IWF überstellte „Sicherheiten“ wieder auszulösen. Die Gläubigerländer brauchen sie, um dem IWF weitere Liquidität zu sichern. Zur Erinnerung: Fast alle Länder der auf der Erde sind Mitglieder des IWFs. Nicht nur buchhalterisch entsteht daraus ein Dilemma. Unter den Mitgliedern des IWFs können nicht alle einen Exportüberschuss haben. Die Überschüsse der Einen sind, wenn eins und eins zwei bleibt, die Defizite der Anderen. Die Schuldnerländer müssen Schuldner bleiben, um in der Gegenwart weiter ihre Schulden expandieren zu können. Die Exportüberschüsse der Gläubigerländer sind zwar nur zum Teil die Importüberschüsse der Schuldnerländer. Es besteht sogar ein nicht zu vernachlässigender quantitativer Unterschied zwischen den Überschüssen der Exportländer und den Defiziten der Schuldnerländer. Die Überschüsse, die in Schuldnerländern durch die Bewirtschaftung der Ressourcen Natur und Arbeitsleistungen entstehen, strömen nach dem Land, in dem die Banken der Gläubiger ihren Sitz haben. Diese Transfers steigen zuweilen über längere Perioden. Die Verschuldung dieser Länder steigt aber Untersicherte Kredite und Wettbewerb auch und zwar regelmäßig schneller als die Überschüsse. Statt sich durch Kapitaldienste zu entschulden, sinkt diese Ländergruppe immer tiefer in das vom IWF und der Weltbank spendierte Defizit. Genau das ist es auch, was dem Finanzzentrum in New York Freude bereitet. Die Entschuldung aller Schuldner ist für Banken ganz allgemein ein Horrorszenarium. Die Entschuldung der mit untersicherten Krediten ausschließlich von den Wall Street-Banken einer lohnenden und nahezu risikofreien Bewirtschaftung zu unterwerfenden „aufstrebenden Volkswirtschaften“ wäre für das Finanzzentrum in jedem Fall ein Problem. Da die „Finanzdienstleistungen“ für die Vereinigten Staaten von Amerika nicht nur ein großer, sondern der größte Posten in der Leistungsbilanz sind, wäre die Entschuldung der Schuldnerländer eine ernst zu nehmende Katastrophe. Es wäre vorhersehbar ein Leistungsbilanzausgleich nur durch eine radikale Senkung der Konsumquote möglich. Die Vereinigten Staaten von Amerika blieben das reichste Land der Welt, aber es gelänge nicht mehr, auch Schichten mit geringeren Einkommen aus den in fremden Wirtschaftsräumen abgeleiteten Überschüssen mit billigen Gütern zu versorgen. Der ganze in der Fremde erwirtschaftete Überschuss würde schon bald bestenfalls das Leben der Oberschicht angenehm machen und auch das mit abnehmender Tendenz. Unterschätzt werden darf auch nicht die Wirkung der absoluten Verminderung des Inländereinkommens durch die in Gedanken wundersam erfolgreich aufstrebenden Märkte in „Schwellenländern“. Für private und öffentliche Haushalte öffnet sich dann eine Schere zwischen den durch höhere Einkommen in der Vergangenheit bestimmten Ausgaben und den von Einkommens- 111 112 Der Freihandel Amerikas verlusten geprägten aktuellen Haushaltseinnahmen. Notverkäufe von Vermögenswerten können das Konsumniveau für eine eher kurze als lange Frist stabilisieren. Sie ließen jedoch die Preise von Vermögenswerten sehr wahrscheinlich mit der dort üblichen Überreaktion nicht nur sinken, sondern regelrecht abstürzen. Damit stiege die Untersicherung des Kredits an. Anders als die Wall Street-Banken müssten die Banken, die keinen Einfluss auf die Finanzpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika haben, eine Aufstockung der Sicherheiten für die Außenstände von ihren Schuldnern fordern. Das kann jedoch unter den angenommenen Umständen kaum zum Erfolg führen. Deswegen müssten diese Banken die Kredite ihrer Kunden kündigen, um ihre Risiken aus dem Kreditmarkt angemessen zu begrenzen. Unternähmen sie diesen Schritt, kämen sie mit ihrem Sicherheitsstreben jedoch keineswegs zum Ziel. Die meisten ihrer Schuldner könnten derartigen Forderungen nicht nachkommen und müssten ihr Unternehmen schließen. Rasch stiege auch die Zahl der zahlungsunfähig werdenden privaten Haushalte. Vieles änderte sich dadurch in der Zukunft, aber so lange Geldwirtschaft besteht, wird es Gläubiger und Schuldner geben. So wie die planetarische Wirtschaft durch die Vereinigten Staaten von Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg geordnet wurde, gibt es nur wenig Anzeichen dafür, dass die Schuldner von heute nicht auch die von morgen sein werden. Vorerst gibt es keinen Grund, die Hindernisse eines der Menschheit insgesamt und nicht nur einer Oberschicht in ein paar Dutzend Ländern zu wünschenden angenehmen Lebens weiter zu suchen. Die vorherrschende Vision wirtschaftlicher Entwicklung ignoriert dabei Untersicherte Kredite und Wettbewerb aber die alarmierenden bisherigen Erfahrungen aus den sogenannten Entwicklungsländern. Sie geht unverändert davon aus, das utilitaristische Ziel Jeremy Benthams, „das größte Glück der größten Zahl“ durch Fremdverschuldung erreichen zu können. Sie nährt die Illusion, der Süd Sudan könne sich mit dem Kredit aus der Wall Street zu einem Texas Afrikas entwickeln. Tatsächlich aber mobilisiert diese „Hilfe“ nur die Ressourcen Natur und Arbeit für die Steigerung der Konsummöglichkeiten einer kleinen Oberschicht in diesen Regionen der Erde. Der Löwenanteil geht als Überschusseinkommen in die Gläubigerländer und allen voran in das Finanzzentrum der Geldwirtschaft in New York. Die Menschen, die guten Willens sind, überschätzen die Möglichkeiten, wenn sie glauben, erfolgreicher als die bisherigen „Entwicklungshelfer“ sein werden. Das, was sie vorfinden, halten sie für das Ergebnis der von ihren Vorgängern begangen Fehler. Es ist aber das, was sie vorfinden, das stabile „Gleichgewicht“ der Geldwirtschaft. Was immer Hilfe ändert, wird nichts die Rückkehr zu diesem Gleichgewicht verhindern. Es gibt nur einen Ausgang aus der Bewirtschaftung durch Fremde: Es ist der Schuldenabbau und die Bildung eigener Ersparnisse. Es gibt keine Entwicklungshilfe. Kein Land hat sich anders entwickelt als durch Investition aus eigener Kraft. Das ist schwer einzusehen für die, die nichts aus der Geschichte lernen. Denn hier wird die Unfähigkeit der Menschen, in die Zukunft zu sehen problematisch und das, obwohl alle Folgen unseres Denkens und Tuns genau dort sich ereignen werden. Der Mangel an Voraussicht wird das Fortbestehen der aktuellen Ordnung der Wirtschaft und ihrer Institutionen weiter stabilisieren. Es wird nicht die Einsicht in die eine Entwicklung verhindernde Funktion von Weltbank, Internationaler Währungsfonds und 113 114 Der Freihandel Amerikas Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sein, die sie scheitern lassen. Sie werden an ihren eignen Grenzen scheitern. Es ist die Frage, wie lange der Internationale Währungsfonds seine auf dem Kopf stehende Schuldenpyramide in Jahren und Tagen gemessen noch expandieren kann, nicht zuverlässig zu beantworten. Ein unüberbrückbarer Mangel an Korbwährungen muss auf absehbare Zeit nicht eintreten. Die SZR akkumulierenden Zentralbanken der Überschussländer haben neben den gestiegenen SZR noch andere Devisen in der Währungsreserve die sie durch SZR ersetzen können. Wenn es nach der Vorstellung der führenden Wirtschaftsmacht geht, wird das auch so geschehen. Zumindest vorläufig muss in dem sehr wahrscheinlichen Fall, dass die Schuldnerländer weiter ihre Defizite expandieren, nicht mehr als ein Beschluss im IWF herbeigeführt werden, der ihre Ziehungsrechte erhöht. Den Gläubigerländern wird dadurch weiter das Doppelte ihres Anteils als Gläubigerquote eingebucht, die dem IWF neue SZR gegen Devisen zuzuteilen ermöglicht. An Antragstellern und an der für diesen Beschluss nötigen Stimmen wird es im Gouverneursrat nicht fehlen, denn die Vereinigten Staaten von Amerika werden unter ihnen sein. Dem Wunsch, durch Beschluss neue SZR zu schaffen und nach dem Schlüssel der Kapitalanteile auf die Mitglieder des IWFs zu verteilen, fand bisher stets die 85% Mehrheit, wenn auch anscheinend gut beratene Gläubigerländer ihn unterstützten. Der Wunsch, so fortzufahren, wird auch hartnäckig von den heutigen Entscheidern verteidig. Die Zeit, in der allein das Wünschen schon geholfen hat, ist aber vielleicht vorbei. Eventuell Untersicherte Kredite und Wettbewerb kommt einmal jemand abseits von der Wall Street darauf, was es bedeutet, dass die Exportüberschüsse der Nettoeinzahler des Fonds viel, ja sehr viel größer sind, als die Leistungsbilanzdefizite der „aufstrebenden Märkte“. Er wird dann auch entdecken, dass die Vereinigten Staaten von Amerika wie ein „schwarzes Loch“ im globalen Gütermarkt wirken. Allerdings wird es erst nach dem Studium der Zahlungsbilanz der Länder erkennbar. Ein im Verhältnis zu anderen Ländern sehr großer Anteil der als Dienstleistungen deklarierten Einkommensströme fällt sofort auf. Es sind überwiegend nicht die Überschüsse aus der Bewirtschaftung fremder Naturressourcen und Arbeitsleistungen die hier aggregiert sind. Nicht um Zinseinkommen auf Fremden verfügbar gemachte Ersparnis oder Profite aus einer im Ausland betriebenen Güterproduktion handelt es sich hierbei. Die Quelle so kräftig sprudelnder Einkommen sind Fusionen und Ankäufe (Mergers and Acquisitions) von Unternehmen. Ersparnisse werden mit diesen Vorgängen aus aller Welt nach den Vereinigten Staaten von Amerika getragen. Kurzfristig nur ist der geplante Eigentumserwerb. Das Abstoßen des Anlag ist das, was die meiste Aufmerksamkeit erfährt. Die zwischen Erwerben und Abstoßen liegende Zeit dient dazu, möglichst viel Eigenkapital durch Fremdkapital zu ersetzen und die dadurch entstehenden Buchgewinne auszuschütten. Nur scheinbar geht es bei diesen sogenannten Finanzinvestitionen um gewöhnliche Investitionen zur Errichtung von Profit abwerfenden Anlagen. Untypisch sind diese Transaktionen, weil die Fusionierer und Käufer meistens gar nicht an der Produktion interessiert sind und gewöhnlich auch nicht über Fachkenntnisse verfügen, mit deren Hilfe sie die notwendigen Entscheidungen dazu treffen könnten. 115 116 Der Freihandel Amerikas Investitionen, also Vergrößerungen oder Verbesserungen der Produktionsanlage führt der Finanzinvestor nicht durch. Das hindert ihn nicht, sie für den Fall, dass ihm dadurch öffentliche Mittel zuströmen, zuzusagen. Begrenzten Arbeitsplatzerhalt zuzusichern, fällt ihm nicht schwer. Er nutzt derartige unverbindlich bleibenden Zusagen, um in der Öffentlichkeit, bei Politikern und bei den Gewerkschaften einen guten Eindruck zu machen. Zwei gewöhnlich mit Aktientausch fusionierte oder zu einem symbolischen Preis gekauften Unternehmen sind am Ende nur noch Schatten ihrer selbst. Der Leistungsbilanz der Vereinigten Staaten von Amerika tut sie aber gut. Die riesige Menge der nicht von den Schwellenländern importierten Exportgüterüberschüsse, werden damit nach Amerika gelenkt. Das US-Handelsdefizit Jan. - Nov. 2016 Milliarden USD Vereinigte Staaten von Amerika 478 China 319 Japan 62 Handelsdefizit Überschussländer Untersicherte Kredite und Wettbewerb Deutschland 60 andere 37 478 478 Eine ungefähre Vorstellung der Größenordnung lassen die von Bloomberg gelieferten und in der FAZ vom 1. Februar 2017 rapportierten Zahlen des US-Census-Büros zu. Die nachfolgende Tabelle stellt sie zusammen. Das Ausmaß des Gütertransfers aus den Überschussländern in die Vereinigten Staaten von Amerika ist jedoch weit größer, als hier ausgewiesen. Das Defizit in der Tabelle ergibt sich, wenn die Übertragungen von Vermögenswerten, die ohne eine Kooperation der Wall Street-Banken mit dem Internationaler Währungsfonds und den zentralen öffentlichen Stellen der US-Regierung, vor allem des Finanzministeriums und des US-Zentralbanksystems schwer vorstellbar wären, nicht gesondert betrachtet werden. Dass dazu die Rettung genannte Erzwingung von Beistandsleistungen an zahlungsunfähige Schuldnerländer von US-Banken in den Überschussländern als ein Import von Dienstleistungen verstanden werden müsste, zeigt die in der Außenhandelsstatistik der Vereinigten Staaten von Amerika offenbarte Hybris. Um eine vergleichbare Anmaßung zum Beispiel zu finden müsste man auf im Strafgesetz beschriebene Sachverhalte zurückgreifen. Es ist, als forderte ein Betrüger die Anerkennung der Beute als Einkommen seiner betrügerischen Machenschaften. Die Allgemeinheit solle seine Anstrengungen für ein von ihm produziertes interaktives Abenteuer als Leistung mit Unterhaltungswert auffassen, wie sie das Opfer alternativ im Kino konsumieren 117 118 Der Freihandel Amerikas könne. Die Allgemeinheit, wie auch immer sie ihre Meinung äußerte, unterscheidet klar Tätigkeiten, die ein Einkommen auf Märkten erzielen als Leistungen und womöglich sehr anstrengenden Betätigungen, die zu keinem Markteinkommen führen. Wenngleich es sich um subjektive Vorstellungen handelt, sind es nicht nur Ideen von Gut und Böse, die hierbei unterschieden werden. Ein Beispiel sei dafür erlaubt. So behauptet ein Schuhmacher mit Recht, ein Einkommen für ein Paar vom ihm veräußerten Schuhe bekommen zu haben. Hätte er die in ihnen enthaltenen Naturnutzungen und Arbeitsleistungen nicht für die seinem Abnehmer gelieferten Schuhe verwendet, hätte er sie auf einem Markt anderen Schuhnachfragern anbieten können. Das trifft beispielsweise für die zur Ableitung des Eigenkapitals von allein zu diesem Zweck kurzfristig durch Fusion oder Ankauf angeeigneten Unternehmen zu machenden Anstrengungen nicht zu. Nicht durch ein offenes Angebot auf einem Markt, nur durch Vortäuschung einer anderen als der von ihm ausgeübten Tätigkeit kann der Betrüger immer wieder Opfer finden. Für den Preis des einer Unternehmung betrügerisch zu erzeugenden Schadens gibt es keinen Markt. Offen auftretende Käufer für die Möglichkeit, die als Eigenkapital einer Unternehmung dienenden Vermögenswerte zu verkaufen und sie zur Fortsetzung der Produktion zurückzuleasen, stille Reserven aufzulösen oder anderweitiges Eigenkapital der Unternehmung durch Fremdkapital zu ersetzen und die Liquidität als Gewinn aus diesen Aktivitäten auszuschütten, gibt es nicht. Dieser Sachverhalt signalisiert, dass die Allgemeinheit in der Ausplünderung von Unternehmen keine Einkommen erzeugende Leistung erkennt. Es stände der Handelsstatistik gut zu Gesicht, diesem Beispiel zu folgen. Untersicherte Kredite und Wettbewerb Die Wirtschaft ist nicht nur in den hoch entwickelten Ländern komplex. Nicht nur hierzulande lassen falsch abstrahierende Modelle zu, sozial unangemessenes und unmoralisches Verhalten von Sozialprodukt vernichtenden und ohne berechtigende Gründe Vermögenswerte aneignenden Akteuren als Optimierung der Ressourcen darzustellen. Das geschieht nicht nur in seltenen Fällen, sondern kann als Regelfall für die Wahrnehmung der Wirtschaftsbeziehungen, die hoch entwickelte Industrienationen zu den industriell weniger entwickelten Ländern unterhalten. Es gilt im noch viel stärkerem Maße für den geldwirtschaftlichen Kern aller Güterproduktion in der Geldwirtschaft: für das Begreifen des Finanzmarktgeschehens. Die in der neoklassischen Theorie zu Finance vertrocknete Theorie öffentlicher Finanzen und Unternehmensfinanzierung verwechselt die Herausforderung, den Völkern des Planeten Erde durch Wirtschaft zu dienen, mit der Rechenaufgabe, wie werde ich Millionär, und zwar auf dem schnellsten Wege. Die Lösung ist: Verleihe Geld an die, die keinen Kredit haben und sorge dafür, dass sie nichts zurückzahlen müssen, weil andere für sie ohne zugestimmt zu haben, für diese Schulden haften. Niemals werden die Ressourcen des Erdballs sinnloser vergeudet werden, als es auf diese Art garantiert wird. Leider ist für die Rechenaufgabe auch die richtige Lösung: Nie werden schneller „Millionäre“ gebacken. In Umkehrung einer sozialistischen Maxime sichert dieses Verfahren das „größte Glück der kleinsten Zahl“. Es ist fast nicht zu glauben, aber ohne die verschuldungsbereiten und durch den Internationalen Währungsfonds verschuldungsfähig gemachten „Entwicklungsländer“ wäre die gigantische Sekundärverteilung der planetarischen Güterproduktion nicht (so) möglich. Der IWF wird solange seine Mitgliedsländer 119 120 Der Freihandel Amerikas auf ihrem Platz in der planetarischen Wirtschaft halten und sie ordnen wie eine Sekundärverteilung der auf dem Globus angesammelten Währungsreserven in der jetzt üblichen Form fortgeführt werden kann. Er wird aber nicht länger Vermögenswerte und Devisen nach den Vereinigten Staaten von Amerika saugen, als ausreichende Überschüsse dafür in Ländern mit einer positiven Handelsbilanz erzeugt werden. Und wenn sich das nicht ändern wird, so wird es enden, wenn in den Tresoren aller anderen Zentralbanken sich nur noch SZR-Forderungen gegen den Internationalen Währungsfonds befinden. Um diese Umverteilung des Reichtums weiter und weiter fortsetzen zu können, ist erforderlich, dass die Nettogläubiger des IWFs die Devisenbestände in ihrer Währungsreserve, die nicht in SZR bestehen, immer wieder durch Kapitalexport ergänzen können. Sie fragen dazu gewöhnlich auf Dollar lautende Zero-Bonds des Finanzministeriums der Vereinigten Staaten von Amerika auf dem Rentenmarkt mit ihrer frei konvertierbaren Landeswährung nach. Angeboten werden diese unter Umständen im Zuge einer Versteigerung vom Finanzministerium oder von den Banken im Finanzzentrum der Vereinigten Staaten von Amerika. Den Anbietern strömt dabei Dollar-Liquidität zu, die Hand in Hand zu der entsprechend steigenden Verbindlichkeit der Schuldnerländer und der im Gleichschritt wachsenden Exporte aus den Gläubigerländern in die Schuldnerländer lenkt. In den Gläubigerländern stellt sich das als eine Verminderung der Konsummöglichkeiten der Inlandsbevölkerung durch in der Währungsreserve gehortete Zwangsersparnisse dar. Wahrgenommen wird das spätestens, wenn verantwortungsvoll handeln wollende Zentralbanken die Erhöhung ihrer Geldmenge zum Ankauf von Devisen Untersicherte Kredite und Wettbewerb durch kompensierende Einschränkungen bei ihren Geldmarktgeschäften ausgleichen. Nur scheinbar besser ist es für die Großbanken in New York, wenn die Gläubigerländer anfangen, die Mittel zum Erwerben der zugeteilten SZR zu leihen. Sie ersetzen dann Exportüberschüsse durch Kapitalimporte, das heißt: durch den Verkauf von Vermögenswerten an Fremde, wie man nicht aufhören sollte, statt „Kapitalimport“ zu sagen (Siehe S. 63). Im New Yorker Finanzzentrum würde der Vermögensbestand zunehmen, aber die konsumierbare und investierbare Gütermenge abnehmen. Die Wall Street-Banken würden damit Ersparnisse in den Vereinigten Staaten von Amerika durch Konsumverzicht erzwingen und entsprechend bewirken, dass ein in Gütermengen ausdrückbares Leistungsbilanzdefizit sich in Richtung auf das Gleichgewicht bewegt. Das hätten die Amerikaner auch ohne IWF gekonnt. Es ist mutig anzunehmen, dass daran ein Interesse in dem führenden Wirtschaftsraum des Planeten Erde besteht. Realistisch ist es keinesfalls. Die Institutionen zur Ordnung der planetarischen Wirtschaft sind auf Umverteilung ausgerichtet, nicht auf einen Zahlungsbilanzausgleich, wie er sich aus funktionstüchtigem Wettbewerb ergäbe. Wo der Liquiditäts-Zufluss in den Schuldnerländern temporär unzureichend ist, können diese auf der Grundlage von beim IWF zwar beschlossenen, aber noch nicht ausgezahlten SZR, überbrückende Kredite erhalten. SZR-Ansprüche wirken bei Wall StreetBanken, die Einfluss auf das Finanzministerium haben, aber auch nur bei diesen, so als hätten die Schuldnerländer erstklassige Sicherheiten in den Händen. Dies eben aber nur so lange, wie eine weitere Akkumulation von SZR in den Währungsreserven der 121 122 Der Freihandel Amerikas Gläubigerländer möglich ist. Nach ernst zu nehmenden Schätzungen ist dieser „Direktkredit“ aber gewöhnlich um ein Vielfaches höher als ihre noch nicht ausgenutzten Ziehungsrechte bei dem IWF. Das langwierige Verfahren der Leistungsbilanzdefizitfinanzierung hat dadurch sicher keine Beschleunigung erfahren. Es ist zum Geschäftsfeld der Wall Street geworden. Damit gilt: Je länger, je lieber. Selbstverständlich treffen die dort aktiven USBanken auf keinen Wettbewerb von Kreditinstituten aus anderen Ländern. Banken, die nicht einen ausreichenden Einfluss auf den, die Geschäfte der Weltbank und des IWFs in letzter Instanz mit seinem privilegierten Stimmrecht bestimmenden Finanzminister der Vereinigten Staaten von Amerika haben, die Expansion ihres Kreditgeschäftes auf Ausleiher ohne gute Sicherheiten unmöglich. Man wird sich kaum irren, wenn angenommen wird, die Kreditvergabe an die Schuldnerländer des IWFs hänge in erster Linie von den Interessen New Yorker Banken ab und nicht so sehr von den Absichten in den nach wirtschaftlicher Entwicklung strebenden Ländern der sogenannten „Dritten Welt“. Die Bevölkerung der Länder, aus denen die Güter kommen, die nominal in den Salden der akkumulierten Schulden ausgedrückt werden, könnte insgeheim in die Umverteilung einwilligen, weil sie diese als eine ausgleichende Gerechtigkeit für das, den heutigen Schuldnerländern in der Kolonialzeit zugefügte Leid auffassen. Überzeugend wäre dies nicht. Es gibt keine erkennbaren Zusammenhänge zwischen dem Ausmaß erlittener Leiden und der Verteilung der vom Defizit gesteuerten Gütermengen. Vor allem ist das bedeutendste Defizit das der Vereinigten Staaten von Amerika, das die Zinseinnahmen der Eigentümer New Yorker Untersicherte Kredite und Wettbewerb Großbanken darstellt, die kaum die richtige Adresse für Spenden sind. Gleichgültig könnten die Menschen in den Exportüberschussländern vielleicht sein, wenn irgendwann eine Rückzahlung, vielleicht gar mit Zinsen ihnen die entführten Güter zurückbrächte. Das ist aber nicht zu erwarten. Nur der ununterbrochene Zustrom eines ausreichenden Nettokredits verschleiert die vielfach bereits aus einer Überschuldung entstandene Zahlungsunfähigkeit. Ohne beim IWF den für die Wall Street-Hochfinanz fraglos in Szene zu setzenden Beistand, spräche jeder aufmerksame Beobachter von Konkursverschleppung, wie es der für Finanzen zuständige Redakteur der FAZ Gerald Braunberger bereits mit Bezug auf Griechenland getan hat. Zum Abschluss sei noch darauf hingewiesen: Die Möglichkeit Schuldner mit schlechten Sicherheiten einzusetzen, um ihnen zu Beistand verpflichte erstklassige Schuldner zu bewirtschaften, ist nicht auf Entwicklungsländer beschränkt. Die Chance dazu besteht überall, wo wirtschaftlich unterschiedlich leistungsstarke Länder sich auf eine Weise verbinden, die ihnen Beistandspflichten entstehen lassen. IWF und Weltbank sind die herausragenden und permanent geeigneten Institutionen für die fremde Kassen leerenden Feldzüge im Finanzkrieg der Hochfinanz New Yorks gegen die amerikanische Gesellschaft und den Rest der Welt. Streng betrachtet können das nur Insider mit Bestimmtheit behaupten. Was aber jeder, der es will, sehen kann, sind die Organisationen und die Strukturen, in denen die Entscheidungen der Weltbankgruppe, des IWFs, des Finanzministeriums und des 123 124 Der Freihandel Amerikas Zentralbanksystems in den Vereinigten Staaten von Amerika gefällt werden. Daraus lassen sich die Personen bestimmen, die Entscheidungen vorbereiten und Informationen brauchen, die nicht nur die „Denkfabriken“ des Finanzzentrums in New York liefern und damit den Bemühungen in den öffentlichen Stellen von Anfang an eine Richtung geben können, die externen Interessen folgt. Dabei verdunkelt die räumliche Entfernung zwischen der Ideenschmiede und ihrem Auftraggeber, der sie oft großzügig finanziert oder über sieben Ecken gar Eigentum an ihr hält, oft den engen Zusammenhang der Institutionen. Am Beispiel der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich war das zu studieren. Eine kritische Analyse ihrer Veröffentlichungen und ihres Auftretens in der Öffentlichkeit bestätigen: Die hier gegebene Bezeichnung der Einrichtung als „Vatikan der Geldwirtschaft“ ist kaum eine Übertreibung. Die Fernsteuerung demokratischer Gremien hat ohne Zweifel zugenommen. Neben der „Beratung“ bei der Lösung von Aufgaben sind immer öfter sogar die Themen nicht aus dem Parlament oder der Regierung in die Ministerien gelangt. Von PR-Kampagnen in der veröffentlichten Meinung verstärkt liefern sie die Berater immer öfter ihre Ideen direkt ins Haus. Ob sich die öffentlichen Haushalte mehr oder weniger verschulden sollen, gehört ganz sicher zu diesen extern oft zyklisch loszutretenden Themen. Was ein Ministerium tun muss, tun kann oder wissen sollte, wissen die Akteure des Internationalen Währungsfonds und der Weltbankgruppe auf diese Weise gewöhnlich aus der gleichen Quelle und früher als das zuständige Parlament. Das Beste daran ist natürlich, dass tuto il mondo glaubt, der Minister selbst oder Untersicherte Kredite und Wettbewerb zumindest sein Staatssekretär hätten eine Idee gehabt. Eine besonders elegante Lösung gibt es für Frage, wer die Kosten für die Privaten Institute trägt, die die Verbandsweisheiten produzieren. Beispielhaft wird das Finanzproblem im dem, der Ministerin für Verteidigung unterstellten und in Koblenz angesiedelten Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr gelöst. Zwar ist es hier nicht das Finanzzentrum, das das Problem löst, sondern es sind Unternehmensberater, aber das Vorgehen kann als Illustration auch im Finanzsektor dienen. Das Bundesamt beschäftigt tausende von beamteten Mitarbeitern. Nach der veröffentlichten Meinung ist es diesem, möglicherweise durch eine sogenannte Sparpolitik zu stark ausgedünnten Heer von Arbeitskräften aber nicht mehr gelungen, die Ausrüstung der Bundeswehr wirtschaftlich zu steuern. Der zuständige Staatssekretär wurde deswegen gegen eine Staatssekretärin ausgetauscht. Diese hat zuvor Beratungserfahrungen bei einem großen Unternehmensberater gesammelt. Ihr Engagement führte zu einer Vorlage im Parlament, die in den nächsten Jahren 100 Millionen Euro für Beratungsleistungen von drei Beratern vorsieht, unter denen auch jener ist, der zuvor der Arbeitgeber der Staatssekretärin war. Die Koblenzer Behörde hatte schon einmal im Verdacht gestanden, nur sich selbst zu verwalten. Vielleicht wird das bald wieder so sein. Sicher wird die Ministerin sich daher schon bald den richtigen Weg mit „neutralen Gutachten“ zeigen lassen. Am Ende wird sie sogar glauben, es wären ihre Ideen, die das Ministerium bewegen. Sehr wahrscheinlich werden öffentliche Stellen heute viel 125 126 Der Freihandel Amerikas mehr durch extern erarbeitete „wissenschaftliche“ Informationen als durch die traditionelle Weise, finanziellen Druck zu erzeugen, gelenkt. Daneben schafft sich aber zum Beispiel das Finanzzentrum in der Wall Street auch vorübergehende Chancen und erweitert sich, analog zu dem hier skizzierten Vorgehen, mit dem Wettbewerb nicht ausgesetzten Expansionen sein Kreditgeschäft dauerhaft auf Kosten Dritter. Hierzu muss untersucht werden, wo Haftungsmöglichkeiten von Gläubigern kreiert werden können. Niemand hätte Griechenland Kredit in dem Maß gewährt, wie es eine offenbar ihre Einflussmöglichkeiten richtig einschätzende New Yorker Bank getan hat. Sie war sich sogar sicher, dass das Land Mitglied im Eurosystem werden würde, als der deutsche Finanzminister das noch vollkommen ausschloss. Was konnte diese Bank wissen, was der Hüter der deutschen Steuerkasse nicht wusste? Feststellen kann jeder Beobachter auch, dass das Problem Griechenlands in der Wahrnehmung vom Syrienkrieg und dem Flüchtlingsstrom verdrängt aber sonst nicht vermindert wurde. Etwas hat sich jedoch verändert. Der Gläubiger der meisten nach wie vor hochgefährdeten und mit keinen erstrangigen Sicherheiten vom Schuldnerland gedeckten Schulden sind nicht mehr eine Bank und von ihr finanzierte Hedge-Fonds. Eigentümer sind öffentlichen Haushalte der Überschussländer in der Euro-Zone. Zu hoffen ist, der Leser kann nach diesen wenigen Seiten bereits verstehen, wie die hier behandelten Institutionen als eine Gesamtheit zusammenwirken. Er sähe dann, wie es dem Finanzzentrum in den Vereinigten Staaten von Amerika gelingen kann, Untersicherte Kredite und Wettbewerb mit dieser vor Wettbewerb schützenden Infrastruktur, die Naturressourcen und die Arbeitsleistungen grenzenlos auf dem Erdball einer Bewirtschaftung zu unterwerfen, die immer mehr und immer größere Anteile des Sozialprodukts ableiten könnte. Unterstellt, die Banken in New York sähen dies auch und verhielten sich so. Dann werden sich viele freuen, dass ausgerechnet in Deutschland, wo der Finanzminister eine Schlacht um die griechischen Schulden verloren hat, hohe Beschäftigtenzahlen festgestellt werden können. Es wird auch stolz darauf verwiesen, dass das Einkommen nach einer längeren Phase der Verminderung wieder steigt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! Zu Freude gibt beides aber keinen Anlass. Nie zuvor haben, worauf Dr. Ulf Heinsohn mich schon vor Jahren in einem Gespräch aufmerksam gemacht hat, in Deutschland so viel Selbständige und unselbständig Beschäftigte, arbeiten müssen, um ihren bereits erreichten Lebensstandard weiter aufrecht erhalten zu können. Es steigt in der Tat das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Bei dem Jubel darüber wird aber übersehen, wessen Einkommen steigt. Als Folge der Bewirtschaftung durch Fremde fließen immer größere Anteile des Inlandsproduktes über öffentliche Ausgaben an Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt nicht im Inland haben. Es steigt das Inlandseinkommen BIP aber nicht das Inländereinkommen. Die Eigentümer der Wall Street-Banken sind es, die den mit Steuern und Gebühren in Europa abgeschöpften Zuwachs des „Volkseinkommens“ als Bewirtschaftungsüberschuss realisieren. Sie erhalten ihn in der Form von außerordentlich hohen Zinsen aus risikoreich nur erscheinenden Bankgeschäften. Aus Zinsen also, die nur aus Übertragungen aus zum Beistand zwingbaren Ländern gezahlt werden können. Gespeist werden diese Transfereinkommen und der dazu nötige Liquiditätszustrom durch Übertragungen an die Weltbank und den IWF. Diese 127 128 Der Freihandel Amerikas bekämpfen nach ihrer Behauptung die Armut auf dem Erdball. Es ist schwer zu glauben, dass bei Kenntnis der Sachverhalte aus erster Hand jemand entgehen kann, was dort geschieht. Wenn jemand der sich professionell mit den Vorgängen in diesen Institutionen befasst, nicht sieht, dass eine Gruppe von Banken sich diese allseits als wohltätig angesehenen Institutionen mit einem komplexen Netz von durch Verschuldung geschaffenen Abhängigkeiten und Einflussmöglichkeiten unterwerfen kann, dann muss die benutzte Theorie die falsche Brille für die Wahrnehmung der Wirtschaft sein. Dies umso mehr, als die, die den Einfluss ausüben, nicht mehr im dunklen Bereich der Wirtschaft agieren. Sie schicken ihre Agenten hemmungslos ganz offen in die Regierungen und Parlamente. Sie lassen sie Staatssekretäre oder gar Minister und Regierungschefs werden. Nur ein Neoklassiker kann die Gutachten, die in von der Hochfinanz finanzierten „Denkfabriken“ entstehen, als ein Ringen um Aufklärung ansehen. Sie bezeichnen damit als optimale Ressourcenallokation, was in den Augen eines die Gleichgewichtsbedingungen des Modells anders bestimmender Beobachters mit gleichem Recht auch als Raub bezeichnet werden kann. Sie munitionieren nichts investierende Finanzinvestoren mit Propagandalehren von der angeblich marktgesteuerten „freien Wirtschaft“, während sich diese hinter den Wettbewerb verfälschenden Institutionen verschanzen und sich jedem Wettbewerb entziehen. Der Markt, dessen Walten sie nur zu exekutieren behaupten, trifft gar keine Entscheidungen. Entschieden wird von den Akteuren auf Märkten, und zwar mit einer als Naturgesetz maskierten, durch verfälschten Wettbewerb institutionalisierten Gewalt. Sie erlaubt ihnen, sich in dem Gefühl des Gerechten zu sonnen Untersicherte Kredite und Wettbewerb und dabei die Wirtschaft rund um den Globus zu ruinieren. Sie tun es mit Ausschüttungen von Scheingewinnen aus Desinvestitionen des in Jahrzehnten gewachsenen Eigenkapitals der in ihrer Obhut befindlichen Unternehmen. Sie wandeln vor den von der Neoklassik getrübten Augen der Schulökonomen öffentliche Vermögen in privaten Reichtum. Es geschieht, indem sie Szenarien im Rahmen bestehender institutioneller Strukturen nutzen, um Verpflichtungen zu Beistand oder Mithaftung gegenüber andernfalls unmittelbar zahlungsunfähig werdenden Schuldnern konstruieren. Dies geschieht zur Überraschung der damit konfrontierten Gläubigerländer, die sich durch die Verträge vor solchen Forderungen geschützt glauben. Plötzlich liest man die Verträge anders und findet in der Tat, das in ihnen derartige Pflichten für den Ausnahmefall durchaus von einer die Weisheit des Marktes exekutierenden Macht vorsorglich in den Text eingefügt wurde. Während die öffentlich Meinung sich über angebliche Vertragsbrüche aufplustert, verhandeln die Banken mit den Gläubigerländern längst über die Höhe der herauszupressenden Haftungsmittel für die Überwindung einer von ihnen selbst herbeigeführten Zahlungsunfähigkeit eines Schuldnerlandes. In der Öffentlichkeit predigen sie weiter „Freihandel“, transferieren aber die geretteten Aktiva gegen Kasse in öffentliche Haushalte. Der Triumpf des Unanständigen wird vielleicht erneut unentdeckt bleiben. Die Regierungen der abkassierten Länder gießen Baldrian in alle Nachrichtenkanäle. Sie besänftigen die Empörten, indem sie ihnen eine gerade moderne Datenbrille auf die Nase setzen. Dann kann die weitsichtige Regierung in Bund, Ländern und Gemeinden ihr Handeln − vielleicht mit einer in Wolfsburg erprobten Software − besser verdeutlichen. Jeder, der nicht Wutbürger, also ein Dummkopf, den man in die rechte Ecke stellen muss, bleiben will, wird bei diesen Aussichten schon bald 129 130 Der Freihandel Amerikas wieder blind sein für die unüberwindliche und daher unfaire Wettbewerbsverfälschung, die die komplementären Aktivitäten zur Rückgewinnung von Wettbewerb auf einem höheren Niveau dauerhaft unterbindet. Eine Wahrnehmung davon kommt nicht mehr auf. Behinderungen des Außenwirtschaftsverkehrs ergeben sich endlich wieder nur aus Zöllen und eventuell aus nationalen Vorschriften, die die bei der Herstellung der Produkte verwendeten Ressourcen und deren Verarbeitung zu Gütern und Dienstleistungen betreffen. Wer ein Verbot, das Wachstum von Rindern mit Hormonen zu beschleunigen, fordert, ist ein Handelsbeschränkungen befürwortender Merkantilist und gibt sich damit als rückständiger Anhänger überlieferter Irrtümer zu erkennen. Wer „Chlorhähnchen“ und „Hormonrinder“ nicht essen will, kann ja auf genetisch veränderten Mais und Soja zurückgreifen. Ausweichen kann diesen dann bald überall enthaltenen Grundnahrungsmitteln ohnehin niemand. Noch finden diese Lebensmittel in der sogenannten öffentlichen Meinung große Beachtung. Diese Posten sind tatsächlich nicht unbedeutend in den Handelsbilanzen der Länder der Europäischen Union mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Sie werden aber von den Transaktionen in den Dienstleistungsbilanzen, vor allem durch Aktivitäten von Banken und Versicherungen bei weitem übertroffen. Diese aber sind es, die im Namen des amerikanischen Freihandels die konstante Aufmerksamkeit verdienen. Die Schulökonomik konnte und kann sie aber nicht sehen. Beim Publikum fanden sie deswegen nie eine angemessene Beachtung. Untersicherte Kredite und Wettbewerb Wenn die Vereinigten Staaten von Amerika Freihandel für Dienstleistungen einfordern, denken viele Zeitgenossen an Friseure, Zimmermädchen und Kellner in Hotels, deren Leistungen sie in den Urlaubswochen genießen. Was tatsächlich von den Vereinigten Staaten von Amerika gefordert wird, ist nichts weniger als das. Nicht stattfinden sollen staatliche Eingriffsakte in den Bankensektor. Verhindert werden soll in diesen Ländern auch die Direktfinanzierung öffentlicher Stellen durch die Zentralbank. Das ist eigentlich auch richtig. Nur profitieren ohne funktionstüchtigen Wettbewerb die diese Grundsätze respektierenden Länder nicht davon. Sie wenden sich nur vom Inflationsteufel ab, um vom Verschuldungsbeelzebub bewirtschaftet zu werden. Die „gute“ Politik macht die Schuldnerländer noch abhängiger vom IWF und damit von Wall Street-Banken. Beachtet werden sollte auch, dass die Gläubigerländer neues Geld in die Zirkulation bringen, wenn sie SZR zugeteilt bekommen. Auch, wenn die quantitätstheoretischen Zusammenhänge zurzeit nicht hoch im Kurs stehen, sollten sie als Möglichkeit nicht ganz übersehen werden. Bliebe die externe Neuemission unkompensiert durch eine interne Minderemission, erfüllte sich auch ein Ziel der Zentralbankpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika. Die SZR-Bestände in den Währungsreserven der diese Recheneinheit des IWFs vermehrt akkumulierenden Länder, würden gleichschrittlich mehr Geld emittieren. Ländern gegenüber, die dies nicht tun, müsste das zu einer Abwertung führen und erlaubte den Vereinigten Staaten von Amerika, die Dollarwährung weiter zu verwässern, ohne ihre Dominanz als Leitwährung zu gefährden. Die SZR-Zuweisung leistet dann einen „Stabilitätsbeitrag“ für die durch die steigende öffentliche Verschuldung permanent in Abwertungsgefahr befindliche US-Währung. 131 132 Der Freihandel Amerikas Wachsender Wohlstand ergibt sich nur aus den Chancen eines steigenden Vermögens einer sich entwickelnden Wirtschaft. Wer externe Schulden macht, verkauft − anders als es das Wort Kapitalimport suggeriert − Vermögenswerte an Fremde. Häufig geschieht es in Gestalt des Verkaufs noch nicht fälliger Staatspapiere. Im günstigsten der denkbaren Fälle führt das auf ein +/Nullergebnis. Dann nämlich, wenn die Verschuldung vollkommen der Import substituierenden oder Export steigernden Investition diente. Das Nullprodukt ist auch das Ergebnis einer Nullproduktion. Da, wer nichts tut, auch keine Fehler macht, wäre bei funktionstüchtigem Wettbewerb der Produktion eines Nullproduktes mit Schulden das Nichtstun gewiss vorzuziehen. Dennoch kann genau das Gegenteil in den Schuldnerländern beobachtet werden. Das ist so, weil die Kosten der Verschuldung unter den bestehenden Bedingungen des „real existierenden“ Wettbewerbs nicht von denen getragen werden müssen, die den Ertrag aus der Realisierung erhalten. Während die Devisen aus den Projekten der Oberschicht das süße Leben ermöglicht, ist es die Masse der Steuern und Gebühren entrichtenden Bevölkerung, auf die die Lasten bis zur Grenze ihrer Schulden-Tragfähigkeit überwälzt werden. Der Anteil, der ihnen nicht auferlegt werden kann, weil Lastenerhöhungen über eine zwar nicht im Voraus zu erkennende, aber existierende Grenze hinaus die Gesellschaft destabilisierte. Die „gute Regierungstätigkeit“ liefert der Politik des Schuldnerlandes die moralische Aufrüstung, dicht an diesen Grenzwert heranzukommen. Überzeugender wäre freilich die Einforderung „guter Regierungstätigkeit“ bei Kreditexpansionen in den Schuldnerländern, Untersicherte Kredite und Wettbewerb wenn auch das US-Zentralbanksystem keine als Refinanzierungen von Vermögenswerten verkleidete Direktfinanzierung des amerikanischen Finanzhaushalts ausführte. Es könnte so der Geldschwemme ein Ende gesetzt werden, die die Fortführung des „westlichen“ Wirtschaftssystems als Geldwirtschaft inzwischen ernsthaft bedroht. So aber verstärkt sich der erwähnte Eindruck, mit TTIP sollte die Abhängigkeit von den amerikanischen „Freihandelsinstitutionen“ und somit von den Wall Street-Banken gesteigert werden. Der Anspruch, den IWF und Weltbank erheben, nämlich die Wohlfahrt ihrer Mitgliedsländer durch ihnen ermöglichte Verschuldung steigern zu können, kann nicht erfüllt werden. Tatsächlich aber führen sie die Wirtschaft der von ihnen betreuten Länder, die mit gutem Grund keinen Kredit haben, in eine Abhängigkeit zu US-Banken. Die inländische Ersparnis wird durch den Kapitaldienst an Fremde aufgezehrt und damit muss das inländische Wachstum der Wirtschaft früher oder später gegen Null sinken. Alles, was wächst und sich entwickelt, gehört Fremden. Alle Überschüsse gehen an die Wall Street-Banken. Ohne die institutionelle Verfälschung des Wettbewerbs durch IWF und Weltbank wäre das nicht möglich geworden. Die beiden Institutionen sind nichts anderes als die Instrumente des New Yorker Finanzzentrums zur Bewirtschaftung der in Rückständigkeit gehaltenen Ländergruppe. TTIP ist nicht real geworden. Es wird erneut mit anderem Namen auftauchen. Aufmerksamkeit ist weiter nötig, wo „Freihandel“ kein Freihandel ist. Man möchte in Anlehnung an Umberto Eco zu diesem Stichwort sagen: Der Name des Freihandels ist nicht der Freihandel. 133 135 8. Ein Trump-Nachwort W enige Wochen hat die auf Erden führende Handelsnation einen neuen Präsidenten und diese Wochen genügten, um die Ordnung der globalen Wirtschaftsbeziehungen zumindest in der medialen Wahrnehmung kräftig zu erschüttern. Nichts wird mehr sein wie es war, heißt es nun bei jeder Gelegenheit. Allerdings scheinen die Vorstellungen von dem was kommt, zwar dick gesät, aber nur dünn aufgegangen zu sein. Pacta sunt servanda war gestern. Das mag für manchen überraschend sein, aber wie weiter oben auf Seite 52 zu lesen war, ist das Ignorieren von bestehenden Handelsvereinbarungen durchaus kein einzigartiges Ereignis in der neueren Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika. Dass der Finanzminister der Vereinigten Staaten von Amerika als Erstes auf der ersten G 20-Konferenz verkündete, ihn interessierten die für den „Freihandel“ bisher beschlossenen Verträge nicht, hätte weniger Erstaunen ausgelöst, wenn die 19 Finanzminister der 20 größten Industrieländer der Erde der Vorgeschichte der US-Freihandelsbestrebungen etwas Interesse gewidmet hätten. Dies wäre umso mehr nötig gewesen, als der neue Herr im Weißen Haus schon im Wahlkampf unmissverständlich verkündet hatte, die bisherigen Ergebnisse der Verhandlungen zu einer „Transatlantischen Freihandels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP) führten nicht zu einem „fairen Freihandel“. Sie setzten vielmehr die überkommenen Beziehungen fort, die systematisch zu einer Benachteiligung seines Heimatlandes geführt hätten. Es genügte ihm hierfür als 136 Der Freihandel Amerikas Bestätigung schon ein Hinweis auf den Stand der Handelsbilanzen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und den Exportüberschussländern China, Japan und Deutschland. Die Verengung des Arguments auf die Handelsbilanz ist kein Zufall. Sie erlaubt, die Diskussion auf die Agrar- und Industrieprodukte zu beschränken, also die „Dienstleistungen“ und Übertragungen und damit den hier gewöhnlich für die Vereinigten Staaten von Amerika bestehenden Leistungsbilanzüberschuss zu ignorieren. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Aber könnten nicht China, Japan und Deutschland mit dem gleichen Recht behaupten, die derzeitige Ordnung führe in den Unterposten ihrer Leistungsbilanz zu noch größeren Defiziten in ihrer Dienstleistungs- und Übertragungsbilanz? Dafür könnte es, wenn der amerikanische Präsident recht hat, nur eine Erklärung geben: Es besteht eine Benachteiligung durch die aktuellen Handelsverträge! Es bliebe allerdings die Merkwürdigkeit, dass alle Beteiligten aus den bestehenden Verträgen nur Nachteile realisieren und niemand einen Vorteil daraus zieht. Es sei zur Auflösung dessen, was ein Widerspruch zu sein scheint, an das erinnert, was zu den Defiziten und Überschüssen in der Leistungsbilanz im Kapitel 7 zu lesen war. Das Handelsbilanzdefizit ergibt sich nicht, wie Präsident Trump behauptet, aus einer Politik der Unterbewertung der Währung Chinas. Erst recht ergibt sie sich nicht aus einer Unterbewertung des Euros, die nach seiner Meinung die Deutsche Bundesbank der EZB aufzwänge. Der Stand er Handelsbilanz ist das Ergebnis der Ordnungspolitik der Vereinigten Staaten von Amerika. Nämlich ist er Ausdruck davon, dass mit der hier beschriebenen Ordnung für nicht auf dem Markt erbrachte Leistungen Vermögensbestände Ein Trump-Nachwort aus aller Welt in die Vereinigten Staaten von Amerika ohne Gegenleistung als Überschüsse aus „Dienstleistungen“ abgeleitet werden. Zu diesen müssen institutionell erzwungene Übertragungen für die Mitgliedschaft und die Beistandsleistungen, die dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbankgruppe und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zu leisten sind, addiert werden. Tatsächlich existiert das Defizit in der Zahlungsbilanz auch gar nicht. Es ist buchhalterisch auch nicht möglich. Die Gegenbuchung findet, wer an der richtigen Stelle sucht. Der vermeintliche Überschuss wird durch die Forderungen, die die Zentralbanken der Handelsgüternettoexporteure hauptsächlich, aber nicht nur beim Internationalen Währungsfonds akkumuliert haben, buchhalterisch ausgeglichen. Diese Guthaben können jedoch bezogen auf ihren Marktwert nicht einmal als dubiose Forderungen angesehen werden. Sie haben keinen Wert und werden niemals zurückgezahlt. Die Illusion, die Schuldnerländer des Internationalen Währungsfonds könnten irgendwann, irgendwie und irgendwo diesen in Billionen SZR gemessenen Schuldenberg abtragen, ist nur aufrechtzuerhalten, weil SZR nicht auf dem Markt gehandelt werden. Sonderziehungsrechte zirkulieren nur zwischen dem Internationaler Währungsfonds und dessen Mitgliedszentralbanken. Sie sind Forderungen der Exportüberschussländer gegen den Internationalen Währungsfonds. Sie haben sie durch „Zuteilung“ erworben. Für den Fonds sind es in den Korbwährungen nominierte Verbindlichkeiten gegenüber dieser Ländergruppe. Das buchhalterische Vermögen zu deren Ausgleich in der Bilanz bilden die Bestände an Währungen der Schuldnerländer des IWFs, die sie bei ihren SZR-Ziehungen auf den Fonds nach einem internen Wechselkurs einliefern. Buchhalterisch befinden sie sich somit nicht in der Position eines Nettoschuldners. Der Internationaler Währungsfonds kann von ihnen nur fordern, dass sie Ihre Einzahlungen in ihrer eigenen 137 138 Der Freihandel Amerikas Währung wieder durch Einzahlungen von Korbwährungen auslösen. Solange dies nicht geschieht, besteht das Vermögen, mit dem der Fonds den Haltern der SZR haften kann, nur in den Beständen der Schuldnerwährungen. Diese unterscheiden sich zwar in vieler Hinsicht, es ist ihnen aber allen gemein, auf Devisenmärkten nicht gehandelt zu werden. Sie haben keinen Marktwert und wären im Fall des Falles in der Bilanz des Fonds mit der Wert Null auszuweisen. Wie auf Seite gezeigt wurde, werden in den Bilanzen der Zentralbanken sukzessiv die Gold- und Devisenbestände der Währungsreserve substituiert. Die Bedeutung dieses Austauschs ist bislang genauso übersehen worden, wie es im Eurosystem mit den Ausgleichsposten für die Leistungsbilanzdefizite der Schuldnerländer bei der Europäischen Zentralbank geschah. In diesem Fall hat es ein böses Erwachen anlässlich der Zahlungsschwierigkeiten Griechenlands gegeben. Kaum auszudenken, wie die Finanzmärkte, die dieser Zwerg erschüttert hat, reagieren, wenn der Internationale Währungsfonds den Gläubigerstaaten keine weiteren Sonderziehungsrechte mehr zuteilen kann, weil ihre gesamten Währungsreserven nur noch aus SZR besteht. Länder, deren Währung heute dank üppiger Währungsreserven als gesichert gilt, würden schlagartig allesamt in einen Zustand fallen, der dem der heutigen Länder Lateinamerikas gliche. An Freihandel wäre dann überhaupt nicht mehr zu denken. Devisenzwangswirtschaft träte an die Stelle der freien Konvertibilität der Währungen, Devisenerlöse aus Exportgeschäften wären bei der Zentralbank zu ihrem größten Teil abzuliefern und dem Einlieferer zu einem Zwangskurs in heimischer Währung Ein Trump-Nachwort gutgeschrieben. Importe wären zu genehmigen und die dafür erforderlichen Devisen erhielten die Antragsteller von den unvermittelt zu Staatsbanken transformierten Zentralbanken behördlich zugeteilt. Die Trump’sche Störung der bestehenden Ordnung der Wirtschaft wird, wenn sie die vom ihm intendierten Veränderungen tatsächlich auslösen kann, für einige Überraschungen sorgen. Wenn es damit gelänge, die Leistungsbilanzen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und den notorischen Überschussexporteuren in Richtung auf das hin zu bewegen, was derzeit als fairer Handel bezeichnet wird, würden die Gütermengen, die jetzt als Handelsbilanzdefizit in die Vereinigten Staaten von Amerika abgezogen werden, als Konsumgüterangebot ausfallen. Die dortigen Preise würden ansteigen und mit ihnen später wahrscheinlich auch die Nominaleinkommen. Die umgekehrte Neigung wird Ostasien und in Europa, nicht nur in Deutschland auftreten. Die Preise werden dort mindestens stabil bleiben. Das höhere aus den in das Inland gewendeten Exportüberschüssen stammende Güterangebot wird für zusätzliche Investitionen und steigenden Konsum im Inland auf die Märkte drängen. Mögen die Nominallöhne auch sinken, der Wohlstand wird mit der verfügbaren Gütermenge auch für Lohn- und Gehaltsempfänger steigen. Die Annäherung der Leistungsbilanzsalden an den Nullsaldo bedeutet auch schrumpfende Salden in den Kapitalbilanzen. Das heißt: Die Gläubigerposition der Vereinigten Staaten von Amerika wird geschwächt, die Chinas und einiger europäischer Länder gestärkt. Die Bedeutung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds nehmen ab. Würde der Leistungsbilanzsaldo zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Rest der 139 140 Der Freihandel Amerikas Welt gar auf die Null sinken, fiele das Geschäftsfeld für diese Institutionen vollkommen weg. Der Himmel auf Erden wird sich deswegen nicht gleich einstellen. In dem Wall Street-Banken werden einige Schreibtische frei, an denen der Güterreichtum des Erdballs bislang nicht durch Investitionen erhöht, sondern durch Wettbewerbsverfälschung umverteilt wurde. 9. Literatur U. ECO, Der Name der Rose, München: Hanser, 1962 (letzter Satz). T. FRANK, Listen Liberal, Or What Ever Happened to the Party of the People, Henry Holt & Co., McMillan, 2015 M. LEWIS, Flash Boys — A Wall Street Revolt, New York, Norton Company 2014. D. RICARDO, On the Principles of Political Economy and Taxation (1817, 18213), The Works and Correspondence of David Ricardo, Vol. I, P. Sraffa (ed.), Cambridge: University Press, 1951. Ch. 7. J. B. SAY, Traité d’économie politique, (1803), H. Say, éd., Paris: Guillaumin, 1841. A. SMITH, An Inquiry into the Nature and the Causes of the Wealth of Nations, London: George Routledge & Sons, 1908. H-J. STADERMANN, Der stabile Euro und seine Feinde, Marburg: Metropolis, 2014. Literatur A. R. J. TURGOT, Réflexions sur la formation & la distribution des richesses, Paris : Lacomdi, 1769. L. WALRAS, Éléments d'économie politique pure ou théorie de la richesse sociale. Lausanne: Corbaz et al. 1874 100 Deutsche Mark, Serie I, 1948, Vorder- und Rückseite, Quelle BBk, Foto HJS 141 143 10. Inhalt Vorwort.......................................................................................................................... 5 Freihandel ist eine Idee, kein Handlungskonzept für die Praxis .......... 15 Über „gute Regierungstätigkeit“, Ordnung und Barbarei........................ 35 Wechselnde Regierungen, bleibende Freihandelsirrtümer ................... 49 Der Finanzkrieg um Westeuropa...................................................................... 55 Die BIZ als Vatikan der Geldwirtschaft........................................................... 75 Untersicherte Kredite und Wettbewerb ........................................................ 95 Ein Trump-Nachwort .......................................................................................... 135 Literatur ................................................................................................................... 140