Die europäische Staatsschuldenkrise: Zur Rolle der einheitlichen

Werbung
Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Arts in Politikwissenschaft
Die europäische Staatsschuldenkrise:
Zur Rolle der einheitlichen Geldpolitik bei mangelnder
Konvergenz in der Europäischen Währungsunion
Masterarbeit
am Lehrstuhl für Internationale Politik
der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät
der Universität Potsdam
Erstgutachter:
Prof. Dr. Harald Fuhr
Zweitgutachter:
Prof. Dr. Heribert Dieter
Vorgelegt von:
Maria Krummenacher
Plesser Straße 12
12435 Berlin
Matrikelnummer: 762039
E-Mail:
[email protected]
Potsdam, den 23. Januar 2014
Zusammenfassung
In dieser Masterarbeit wird die Rolle der internationalen Finanzkrise und der einheitlichen
EZB-Geldpolitik beim Ausbruch der Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland untersucht. Es wird gezeigt, dass für das Funktionieren einer Währungsunion mit einer einheitlichen Geldpolitik eine konvergente Entwicklung der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten notwendig ist. Kennzeichnend für die Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands
war ihre fehlende Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt. Dadurch waren die geldpolitischen Entscheidungen der EZB für die wirtschaftlichen Entwicklungen in Griechenland
und Irland nicht angemessen und haben die beiden Länder destabilisiert. Durch die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise, die als exogener Schock mit asymmetrischen
Auswirkungen auf die Eurozone beschrieben werden kann, wurden die Defizite der griechischen und irischen Volkswirtschaft aufgedeckt. In einer kontrafaktischen Analyse wird für
Griechenland und Irland jeweils ein Szenario durchgespielt, in dem die Länder nicht Mitglieder einer sonst kompletten Europäischen Währungsunion (EWU) sind und in dem sie
dem Euro mit ihren nationalen Währungen und einer autonomen Geldpolitik gegenüberstehen. Auf Grundlage der hypothetischen wirtschaftlichen Entwicklung mit einer eigenen
Geldpolitik wird für Griechenland die Schlussfolgerung gezogen, dass die nationalen wirtschaftlichen Entwicklungen und politischen Entscheidungen zwischen 2000 und 2010 das
Land auch mit von der Geldpolitik der EZB abweichenden Entscheidungen destabilisiert
und zum Ausbruch der internationalen Finanzkrise in eine verletzliche Position gebracht
hätten. Die einheitliche Geldpolitik der EZB auf die durch fehlende Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt gekennzeichnete griechische Volkswirtschaft ist also im Falle Griechenlands nicht ursächlich für die Staatsschuldenkrise. Irland demgegenüber wurde von einer
komplexen, von wechselseitigen Beziehungen geprägten dreifachen Krise getroffen. Einer
Bankenkrise, einer Immobilienkrise und einer Staatsschuldenkrise. Die kontrafaktische
Analyse führt zu dem Schluss, dass sich Irland aufgrund seiner soliden Haushaltslage und
einem starken Exportsektor ohne EWU-Mitgliedschaft wahrscheinlich weit weniger stark
destabilisiert hätte und damit von der internationalen Finanzkrise auch weniger hart getroffen worden wäre. Für Irland wird der Schluss gezogen, dass die einheitliche Geldpolitik der
EZB auf die durch fehlende Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt gekennzeichnete irische Volkswirtschaft eine wesentliche Rolle beim Ausbruch der Staatschuldenkrise gespielt
hat.
II
Abstract
This master thesis will analyze the role of the international financial crisis and the single
monetary policy of the European Central Bank on the outbreak of the sovereign debt crises
in Greece and Ireland. For a monetary union to work flawlessly an economic convergence
between the member states is required. In the cases of Greece and Ireland this convergence
is lacking and therefore the single monetary policy is not fitting the economic needs of
these two countries. The effects of the international financial crisis, which can be described
as an exogenous and asymmetric shock on the euro area, disclosed the deficits of the Greek
and Irish economy. In a contrafactual analysis, Greece and Ireland will be presented as nonmembers of the European Monetary Union (EMU) with national currencies and an autonomous monetary policy. This thought experiment allows to sketch a hypothetical development of the Greek and Irish economy on the condition that the two countries were not
members of the EMU. For Greece the contrafactual analyses shows that the monetary policy, given the destabilizing economic developments and political decisions between 2000
and 2010, was not the cause of the Greek debt crisis. Even with a national currency and an
autonomous monetary policy, Greece probably would have been in a very fragile position
when the international financial crisis hit. Ireland on the other hand, was struck by a complex, threefolded crisis. A banking crisis, a real estate crisis and a sovereign debt crisis. The
contrafactual analysis shows that Ireland, given the sound public finances and the strong
export sector, might have been less destabilized by the international financial crisis without
EMU-membership. The conclusion is that the single monetary policy of the ECB played an
essential role in the outbreak of the Irish sovereign debt crisis.
III
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung .............................................................................................................. II Abstract ..............................................................................................................................III Inhaltsverzeichnis ..............................................................................................................IV Abbildungsverzeichnis .................................................................................................... VII Tabellenverzeichnis ........................................................................................................VIII Abkürzungsverzeichnis .....................................................................................................IX 1. Einleitung ......................................................................................................................... 1 1.2 Motivation und Herleitung der Fragestellung ............................................................. 1 1.2 Thesen, Methoden und Struktur .................................................................................. 3 2. Forschungsstand .............................................................................................................. 8 2.1 Theoretischer Hintergrund........................................................................................... 8 2.2 Evidenz aus 13 Jahren Europäische Währungsunion ................................................ 11 2.3 Einsicht in die Notwendigkeit von Reformen ........................................................... 13 2.4 Fazit ........................................................................................................................... 14 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion ........................................................ 16 3.1 Wirtschaftspolitik und Geldpolitik in der Währungsunion ....................................... 16 3.1.1 Wirtschaftspolitik in der Währungsunion und den EU-Mitgliedstaaten ........ 17 3.1.2 Die Geldpolitik der EZB und Auswirkungen auf die Volkswirtschaften der
EWU-Mitgliedstaaten..................................................................................... 18 3.2 Der Vertrag von Maastricht....................................................................................... 22 3.2.1 Die Konvergenzkriterien ................................................................................ 22 3.2.2 Kritik an Ausgestaltung und Operationalisierung .......................................... 25 3.3 Stabilitäts- und Wachstumspakt ................................................................................ 28 3.3.1 Vorgaben und Sanktionen .............................................................................. 29 3.3.2 Kritik an Ausgestaltung und Operationalisierung .......................................... 30 3.4 Fazit ........................................................................................................................... 31 4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock .................................................. 32 4.1 Hintergründe.............................................................................................................. 32 4.2 Auswirkungen auf die EWU-Mitgliedstaaten ........................................................... 35 IV
4.3 Fazit ........................................................................................................................... 37 5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland........................ 39 5.1 Preisstabilität ............................................................................................................. 41 5.2 Budgetdefizit ............................................................................................................. 43 5.3 Schuldenstand............................................................................................................ 46 5.4 Langfristige Zinssätze................................................................................................ 48 5.5 Fazit ........................................................................................................................... 49 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland ..................................................... 51 6.1 Griechenland in den Jahren 1999 bis 2010................................................................ 52 6.1.1 Entwicklung der griechischen Wirtschaft....................................................... 52 6.1.2 Auswirkungen der einheitlichen Währung und Geldpolitik auf die griechische
Wirtschaft ....................................................................................................... 55 6.1.3 Wie hätte eine alternative Geldpolitik für Griechenland aussehen können?.. 56 6.2 Irland in den Jahren 1999 bis 2010............................................................................ 59 6.2.1 Entwicklung der irischen Wirtschaft .............................................................. 59 6.2.2 Auswirkungen der einheitlichen Währung und Geldpolitik auf die irische
Wirtschaft ....................................................................................................... 64 6.2.3 Wie hätte eine alternative Geldpolitik für Irland aussehen können?.............. 66 6.3 Fazit ........................................................................................................................... 67 7. Synthese und Beantwortung der Fragestellung.......................................................... 71 8. Fazit und Empfehlungen............................................................................................... 76 8.1 Reformen seit 2011.................................................................................................... 76 8.2 Wie weiter?................................................................................................................ 80 9. Literatur- und Quellenverzeichnis............................................................................... 81 A. Anhang...........................................................................................................................XI A.1 Operationalisierung der Konvergenzkriterien .......................................................... XI A.1.1 Preisstabilität.................................................................................................. XI A.1.2 Öffentliches Budgetdefizit............................................................................. XI A.1.3 Öffentlicher Schuldenstand ........................................................................... XI A.1.4 Langfristige Zinssätze.................................................................................... XI A.2 Datensätze für die quantitative Analyse der Konvergenzkriterien ..........................XII A.2.1 Preisstabilität.................................................................................................XII V
A.2.2 Öffentliches Budgetdefizit.......................................................................... XIV A.2.3 Öffentlicher Schuldenstand ........................................................................ XVI A.2.4 Langfristige Zinssätze...............................................................................XVIII A.3 Datensätze für Refinanzierungssätze EZB und nationale Refinanzierungssätze vor
dem Eurobeitritt ......................................................................................................XX
Eigenständigkeitserklärung........................................................................................XXI
VI
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Fiskal- und Wirtschaftspolitische Kompetenzverteilung im
Mehrebenensystem der EU ........................................................................... 18
Abbildung 2: Entwicklung der Preisstabilität ..................................................................... 41 Abbildung 3: Entwicklung des öffentlichen Budgetdefizits 1998-2010............................. 43 Abbildung 4: Entwicklung des öffentlichen Budgetdefizits 1998-2009............................. 44 Abbildung 5: Entwicklung des öffentlichen Schuldenstandes............................................ 46 Abbildung 6: Entwicklung der langfristigen Zinssätze....................................................... 48 VII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Inflation.............................................................................................................XII Tabelle 2: Abweichung der Inflation Griechenlands und Irlands......................................XII Tabelle 3: Inflation der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Berechnung des Durchschnitts
........................................................................................................................ XIII Tabelle 4: Budgetsaldo in Prozent des BIP ..................................................................... XIV Tabelle 5: Abweichungen des Budgetsaldos Griechenlands und Irlands vom
Eurozonendurchschnitt ................................................................................... XIV Tabelle 6: Budgetsaldo der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Berechnung des
Durchschnitts ................................................................................................... XV Tabelle 7: Öffentlicher Schuldenstand ............................................................................ XVI Tabelle 8: Abweichungen des Schuldenstandes Griechenlands und Irlands vom
Eurozonendurchschnitt ................................................................................... XVI Tabelle 9: Öffentlicher Schuldenstand der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Berechnung
des Durchschnitts...........................................................................................XVII Tabelle 10: Langfristige Zinssätze.................................................................................. XVIII Tabelle 11: Abweichungen der langfristigen Zinssätze Griechenlands und Irlands vom
Eurozonendurchschnitt ................................................................................ XVIII Tabelle 12: Langfristige Zinssätze der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Berechnung des
Durchschnitts .................................................................................................. XIX Tabelle 13: Nationaler Hauptrefinanzierungssatz vor dem Eurobeitritt............................. XX Tabelle 14: EZB Hauptrefinanzierungssatz........................................................................ XX VIII
Abkürzungsverzeichnis
AEUV
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
AfD
Alternative für Deutschland
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BSP
Bruttosozialprodukt
CDO
Collateralized Debt Obligation
engl.
englisch
ESZB
Europäisches System der Zentralbanken
EU
Europäische Union
EuGH
Gerichtshof der Europäischen Union
EWS
Europäisches Währungssystem
EWU
Europäische Währungsunion
EWWU
Europäische Wirtschafts- und Währungsunion
EZB
Europäische Zentralbank
Fed
Federal Reserve
HVPI
Harmonisierter Verbraucherpreisindex
IWF
Internationaler Währungsfonds
MTO
Medium-term budgetary objective
NAMA
National Asset Managament Agency
OCA
Optimal Currency Area
SGP
Stability and Growth Pact
SWP
Stabilitäts- und Wachstumspakt
TSCG
Treaty on Stability, Convergence and Governance
IX
vrgl.
vergleiche
X
1. Einleitung
1. Einleitung
1.2 Motivation und Herleitung der Fragestellung
Im Januar 1999 vollendeten 11 Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) die über Jahrzehnte vorbereitete monetäre Integration in Europa mit dem Eintritt in einen gemeinsamen
Währungsraum. Griechenland folgte als 12. Gründungsmitglied wenige Monate später. Der
Beitritt zur Währungsunion bedeutete die Aufgabe der nationalen Autonomie über die Geldpolitik und das Wegfallen der Wechselkurse zwischen den Mitgliedstaaten. Die Geldpolitik
wurde an die neu geschaffene Europäische Zentralbank (EZB) übertragen, welche in Zukunft
einheitliche geldpolitische Entscheidungen für das gesamte Euro-Währungsgebiet treffen und
umsetzen sollte. Die Mitgliedstaaten waren zu diesem Souveränitätsverzicht bereit, da zahlreiche Vorteile aus der monetären Integration erwartet wurden: die Stabilisierung der Volkswirtschaften durch den Wegfall von Wechselkursanpassungen und Spekulationen, die Stimulierung des Warenhandels und der Direktinvestitionen, verbesserte Preistransparenz und dadurch die Stärkung des Wettbewerbs zwischen den teilnehmenden Staaten und schließlich ein
Vertrauensbonus auf den Finanzmärkten, der sich in niedrigeren Zinsen auf Staatsanleihen
ausdrücken sollte (Ohr 2007: 109; Sinn 2012: 6). Mit einer einheitlichen Geldpolitik waren
jedoch auch Gefahren verbunden. Ökonomische Schocks, die das Währungsgebiet in asymmetrischer Weise treffen, können durch eine an Durchschnittswerten aller Mitgliedstaaten
ausgerichtete Geldpolitik nicht abgefedert werden. Da die einheitliche Geldpolitik der EZB
nicht mehr auf Schwankungen der nationalen Inflationsraten reagieren kann, wurde eine möglichst ausgeprägte Konvergenz der Volkswirtschaften der zukünftigen Eurostaaten angestrebt.
Dazu waren bereits 1992 im Vertrag von Maastricht vier verpflichtende Konvergenzkriterien
festgeschrieben worden. Für einen Beitritt zur Währungsunion waren Preisniveaustabilität,
Haushaltsstabilität, Wechselkursstabilität und Stabilität der langfristigen Zinssätze Voraussetzung. Tatsächlich erfüllten jedoch nur 5 der 12 Gründungsmitglieder alle vier Konvergenzkriterien. Die anderen 7, unter ihnen Deutschland, wiesen Staatsschulden aus, die über den geforderten maximal 60% des Bruttoinlandproduktes (BIP) lagen (Darvas 2010: 207). Den deutlich divergierenden Schuldenquoten sollte mit dem nach dem Beitritt zur Anwendung kommenden Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) Rechnung getragen werden. Zuwiderhandlungen gegen den Pakt sollten mit Sanktionen belegt werden, die Aufsicht darüber wurde bei
der Europäischen Kommission angesiedelt. Eine anerkannte Schwäche des SWP besteht bis
heute darin, dass die Entscheidung über die Verhängung einer Strafe beim Ministerrat der EU
(genauer beim Ecofin-Rat) liegt. Die Minister der Eurostaaten sind somit für ihre eigene Be1
1. Einleitung
strafung zuständig, was eine starke Versuchung darstellt, in Fällen des Vertragsbruchs Milde
walten zu lassen. So wurden denn auch auf starken politischen Druck hin keine Sanktionen
gegen Deutschland und Frankreich verhängt, obwohl beide Staaten in den Jahren 2002 und
2003 die Budgetdefizitgrenze von maximal 3% des BIP überschritten hatten. So wie bei der
Gründung der Währungsunion die Konvergenzkriterien gedehnt wurden, so blieb der SWP
ein zahnloser Tiger (Schmid et al. 2006: 253). Viele Kommentatoren sind sich heute einig,
dass die Errichtung der Europäischen Währungsunion eine in erster Linie politische Entscheidung war und die ökonomischen Vorbehalte wenig Gewicht hatten (vrgl. u. A. Abelshauser
2010; Kirsch 2010; Sinn 2012). Es herrschte ein „Primat der Politik gegenüber den ökonomischen Gesetzen“ (Sinn 2012: 5-6). Warnungen von Ökonomen vor einer verfrühten Einführung des Euro blieben unbeachtet (vrgl. Kirsch 2010). Stattdessen wurden die Konvergenzkriterien und der SWP verabschiedet. Sie sollten sicherstellen, dass die bei der Errichtung der
Europäischen Währungsunion (EWU) vorhandenen Unterschiede der Volkswirtschaften der
Mitgliedstaaten sich im Laufe der Jahre angleichen. Eine der zentralen Fragen dieser Arbeit
wird sein, ob sich diese Konvergenz eingestellt hat und was daraus für die Funktionsweise der
EWU folgt.
2010 brach mit dem drohenden Staatsbankrott Griechenlands die europäische Schuldenkrise
aus. Innerhalb kürzester Zeit stiegen die Zinsen auf Staatsanleihen zahlreicher Eurostaaten in
nie dagewesene Höhen (vrgl. Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013) und neben Griechenland gerieten auch Irland, Portugal, Spanien und zuletzt Zypern in Zahlungsschwierigkeiten.1 Die Ursachen der einzelnen Krisen sind mannigfaltig und lassen sich nicht auf einige
wenige Faktoren zurückführen. Trotzdem schienen vor allem in der Anfangszeit der Staatsschuldenkrisen ab 2010 in der öffentlichen Meinung in Deutschland zwei Standpunkte vorzuherrschen: Auf der einen Seite wurden die Krisenstaaten selbst für ihre missliche Lage verantwortlich gemacht. Sie hätten in den ersten zehn Jahren ihrer EWU-Mitgliedschaft über ihre
Verhältnisse und letztlich auf Kosten der Gemeinschaft gelebt.2 Auf der anderen Seite wurde
die internationale Finanzkrise als Sündenbock bemüht. Nach dieser Lesart waren es die außer
Kontrolle geratenen Finanzmärkte und Bankensektoren, die über spill over-Effekte die Realwirtschaften der einzelnen Länder dermaßen destabilisiert hatten, dass Staatsbankrotte droh-
1
Der Begriff Zahlungsschwierigkeit wird in Anlehnung an Gablers Wirtschaftslexikon als „der vorübergehende
Mangel an liquiden Mitteln für die Erfüllung von fälligen Verpflichtungen definiert“ (Gablers Wirtschaftslexikon Online, Zahlungsschwierigkeit 2014).
2
Vrgl. dazu Bloed/Voss 2010; ZEIT Online 26.07.2012; ZEIT Online 23.01.2012; Seewald 2010.
2
1. Einleitung
ten.3 Beide Standpunkte haben den Vorteil, dass jeweils Andere für die Probleme der Eurozone verantwortlich gemacht werden. Ein Unbehagen gegenüber diesen Positionen ist der Ausgangpunkt dieser Masterarbeit. Angesichts der schon in den 1990er Jahren vorgebrachten
Vorbehalte gegenüber der Architektur der EWU scheint es zu kurz zu greifen, Verwerfungen
vom Ausmaß der europäischen Schuldenkrise einzig auf nationale Fehlentscheidungen und
einen exogenen ökonomischen Schock zurückführen zu wollen. Deshalb wird hier untersucht,
welche Rollen die internationale Finanzkrise und die Architektur der EWU für den Ausbruch
der europäischen Staatsschuldenkrise gespielt haben. Die zu beantwortende Fragestellung
lautet:
Welche Aspekte der Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland lassen sich
auf die internationale Finanzkrise zurückführen und welche sind der Wirkung der
einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die durch fehlende Konvergenz gekennzeichneten Volkswirtschaften geschuldet?
Um die europäische Staatsschuldenkrise in ihrer Gänze zu fassen, müsste die Untersuchung
für alle Staaten der Eurozone durchgeführt werden. Dies ist aufgrund des beschränkten Umfangs einer Masterarbeit nicht möglich. Deshalb wird die Untersuchung auf zwei Mitgliedstaaten der EWU – Griechenland und Irland – beschränkt. Die Fallauswahl wird im folgenden
Kapitel 1.2 begründet.
1.2 Thesen, Methoden und Struktur
Die Fragestellung setzt sich aus drei Aspekten zusammen und muss in überprüfbare These
übersetzt werden. Der erste Aspekt befasst sich mit der internationalen Finanzkrise. Es wird
gefragt, wie sich die internationale Finanzkrise auf die Eurozone ausgewirkt hat. Der zweite
Aspekt befasst sich mit der Frage, ob sich die Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands
tatsächlich nicht konvergent zum Rest der Eurozone entwickelt haben. Und der dritte Aspekt
bezieht sich auf die Auswirkungen der einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die griechische
und die irische Volkswirtschaft. Jedem Aspekt der Fragestellung wird eine These zugeordnet,
die in einem eigenständigen Kapitel (Kapitel 4, 5 und 6) untersucht wird.
These 1: Die internationale Finanzkrise lässt sich als exogener Schock auf die Europäische
Währungsunion beschreiben.
3
Vrgl. dazu Neubäumer 2011, Kaiser 2011.
3
1. Einleitung
These 2: Die erhoffte Konvergenz der Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands zum
Durchschnitt der Eurozone hat sich in den ersten zehn Jahren des Bestehens der
EWU nicht eingestellt.
These 3: Die Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland sind entstanden aus dem exogenen Schock der internationalen Finanzkrise auf die durch fehlende Konvergenz
zum Eurozonendurchschnitt und eine einheitliche Geldpolitik charakterisierten
Volkswirtschaften.
Hintergrund von These 1 ist die Annahme, dass die internationale Finanzkrise nicht der Ursprung der europäischen Staatsschuldenkrise war. Vielmehr hat die von den USA ausgehende
Finanzkrise die Eurozone als exogenen Schock getroffen und die Instabilität der Volkswirtschaften einzelner Mitglieder – in dieser Arbeit Griechenlands und Irlands – offengelegt. Die
Überprüfung von These 1 verlangt die Ausleuchtung der Hintergründe der internationalen
Finanzkrise sowie deren Auswirkungen auf die Eurozone. Zudem wird der Begriff „exogener
Schock“ definiert und anhand der Definition die These überprüft.
These 2 behandelt die Konvergenz der Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands zum
Durchschnitt der Eurozone. Der Wunsch nach Konvergenz in der EWU ist ausgedrückt in den
Konvergenzkriterien des Vertrages von Maastricht sowie im SWP. Die Operationalisierung
der Kriterien folgt dem im Vertrag zur Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Artikel
126 und 140 sowie in den dazugehörigen Protokollen 12 und 13 festgelegten Vorgehen der
Europäischen Kommission und der EZB. Zur Überprüfung von These 2 wird mit Zeitreihendaten von Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Kommission, die Entwicklung
der Kriterien in Griechenland und Irland sowie die Durchschnittswerte der Eurozone von
1998 bis zum Ausbruch der europäischen Staatschuldenkrise beschrieben. Der Beginn der
Staatsschuldenkrise wird festgelegt auf den 23. April 2010, als Griechenland als erstes Land
der Eurozone um Finanzhilfen der Europäischen Union (EU) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) bitten musste. Eine Analyse der Daten erhellt die wirtschaftliche Entwicklung der ausgewählten Krisenländer und zeigt, ob sich ihre Volkswirtschaften konvergent
oder divergent zum Rest der Eurozone entwickelt haben. Die Länderzahlen den Durchschnittswerten der Eurozone gegenüberzustellen ergibt ein einfaches Maß für Konvergenz.
Das Maastricht-Kriterium der Wechselkursstabilität wird nicht betrachtet, da es sich dabei um
Werte handelt, die vor dem Beitritt eines Landes zur Währungsunion zustande kommen. In
dieser Arbeit interessiert jedoch, ob eine konvergente Entwicklung nach Beitritt stattgefunden
4
1. Einleitung
hat. In Kapitel 3 werden die Konvergenzkriterien und der SWP detailliert beschrieben. Zudem
wird die Operationalisierung durch die Europäische Kommission und die Anwendung auf
Beitrittskandidaten zur EWU kritisch betrachtet. Aus der Kritik wird unter Anderem folgen,
dass die Maastrichter Konvergenzkriterien möglicherweise nicht valide sind. Dass sie also
nicht das messen, was sie eigentlich messen sollen – die wirtschaftliche Konvergenz der Mitgliedstaaten der Eurozone. Trotz dieses Befundes soll das Vorgehen der Kommission bei der
Beurteilung eines Beitrittskandidaten zur EWU nicht ignoriert werden, weshalb These 2 in
Kapitel 4 anhand der Konvergenzkriterien des Vertrages von Maastricht untersucht wird. Für
die Überprüfung von These 3 in Kapitel 6 wird der Kriterienkatalog für die Betrachtung der
wirtschaftlichen Entwicklung Griechenlands und Irlands allerdings um in der Literatur gebräuchliche Indikatoren erweitert. Dazu gehören unter Anderem das BIP pro Kopf, die Arbeitslosenquote und die Leistungsbilanz. Jeder Indikator misst jeweils einen speziellen Aspekt
einer Volkswirtschaft.
These 3 bringt die Annahmen der Thesen 1 und 2 zusammen und stellt einen kausalen Zusammenhang zwischen der fehlenden Konvergenz der Volkswirtschaften Griechenlands und
Irlands zum Eurozonendurchschnitt, der einheitlichen Geldpolitik und der Staatsschuldenkrise
in diesen beiden Ländern her. Hintergrund des Kausalmechanismus ist, dass die Mitgliedsstaaten einer Währungsunion ihre geldpolitische Gestaltungsmacht aufgeben und eine zentralisierte Geldpolitik, wie sie die EZB betreibt, nicht auf spezifische Entwicklungen in den einzelnen Ländern reagieren kann. Deshalb ist eine konvergente Entwicklung der Volkswirtschaften innerhalb einer Währungsunion Voraussetzung für deren Funktionieren. Die internationale Finanzkrise wird in These 3 als exogener Schock miteinbezogen, der die Instabilität
der griechischen und irischen Wirtschaft offengelegt hat. Um These 3 zu überprüfen, werden
drei Untersuchungsschritte durchgeführt: Erstens wird die wirtschaftliche Entwicklung in
Griechenland und Irland zwischen 1999 und 2010 in einer möglichst dichten Beschreibung
nachvollzogen. Zweitens werden darauf aufbauend die Auswirkungen der einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die beschriebene wirtschaftliche Entwicklung aufgezeigt. Und drittens
wird ein Gedankenexperiment in Form einer kontrafaktischen Analyse durchgeführt, welches
die hypothetischen Auswirkungen einer alternativen Geldpolitik auf die beiden Volkswirtschaften herausarbeitet. Es wird eine Situation imaginiert, in der Griechenland und Irland
nicht Mitglieder der Eurozone sind und ihre nationalen Währungen behalten haben. In dieser
hypothetischen Welt wird überlegt, wie eine alternative Geldpolitik für Griechenland und
Irland hätte aussehen können und welche Effekte sie im Hinblick auf die Staatsschuldenkrisen
5
1. Einleitung
gezeigt hätte. Es ist wichtig zu betonen, dass mit dem Gedankenexperiment keine wissenschaftliche Evidenz geschaffen wird und die Interpretation der Ergebnisse mit Umsicht zu
erfolgen hat. Um die Auswirkungen einer autonomen Geldpolitik und einer nationalen Währung auf die wirtschaftliche Entwicklung der beiden Länder zweifelsfrei abzuschätzen, müssten alle anderen Einflussfaktoren im beobachteten Zeitraum konstant gehalten werden. Dazu
gehören zum Beispiel Regierungswechsel, Entwicklungen auf dem Weltmarkt, europapolitische Entscheidungen, gesellschaftliche Entwicklungen und so weiter. Dies ist aus nachvollziehbaren Gründen hier nicht möglich. Trotzdem wird sich zeigen, dass ein Gedankenexperiment basierend auf den Fakten der Untersuchung der wirtschaftlichen Entwicklung sowie
dem Wissen um die Funktionsweise der Geld- und Währungspolitik wertvolle Erkenntnisse
für die Beantwortung der Fragestellung liefert. In der Synthese (Kapitel 7 werden die drei
Thesen und die Ergebnisse ihrer Untersuchung zusammengebracht und die Fragestellung beantwortet.
Die Fallauswahl für Irland und Griechenland wird folgendermaßen begründet: Griechenland
und Irland haben beide eine Staatsschuldenkrise erlebt, welche ohne Finanzhilfen der EU und
des IWF zu einem Staatsbankrott geführt hätten. Kapitel 6 wird zeigen, dass die wirtschaftliche Entwicklung der griechischen und irischen Volkswirtschaft sehr unterschiedlich verlaufen
ist. Als deutlichster Ausdruck dieses Unterschiedes sind die Staatsschulden und das Budgetdefizit zu nennen, welche im Fall von Griechenland stets weit über dem Eurozonendurchschnitt lagen, während Irland bis zum Ausbruch der Krise eine im Vergleich sehr niedrige
Staatsschuldenquote und einen ausgeglichenen Haushalt aufwies. Damit ist die Varianz auf
einem wesentlichen Einflussfaktor für den Ausbruch der Staatsschuldenkrisen gegeben.
Gleich ist demgegenüber die einheitliche Geldpolitik der EZB, deren Auswirkungen auf die
wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands und Irlands untersucht wird. Die Überprüfung von
These 1 in Kapitel 4 wird außerdem zeigen, dass die internationale Finanzkrise als exogener
Schock auf Griechenland und Irland beschrieben werden kann, womit ein zusätzlicher Faktor,
der den Ausbruch der Schuldenkrisen beeinflusst hat, für beide Länder gleich ist. Ein weiterer
Grund für die Wahl von Griechenland und Irland ist die Tatsache, dass sie die beiden ersten
Länder waren, die Finanzhilfen der EU und des IWF in Anspruch nehmen mussten. Bei den
später folgenden Ländern Spanien, Portugal und Zypern hätten zusätzlich Ansteckungseffekte
der griechischen und irischen Krisen betrachtet werden müssen. Selbstverständlich schränkt
die Fallauswahl die Generalisierbarkeit der Ergebnisse der Untersuchung ein. Es kann von
Griechenland und Irland nicht auf die gesamte Eurozone geschlossen werden.
6
1. Einleitung
Die Masterarbeit ist wie folgt strukturiert: Im folgenden Kapitel 2 wird ein Überblick über
den Forschungsstand, der sich mit der Frage von Konvergenz und Divergenz von Volkswirtschaften in einer Währungsunion befasst, gegeben. Es werden die Positionen der Ökonomisten und Monetaristen vorgestellt und auf die Errichtung der EWU angewandt. In einem zweiten Schritt wird die Entwicklung der Positionen seit 1999 nachgezeichnet und die daraus folgenden Forderungen für die zukünftige Ausgestaltung der Eurozone dargelegt. Die Positionen
werden in der ganzen Arbeit Erwähnung finden. Kapitel 3 gibt einen Überblick über die Ausgestaltung und Wirkungsweise der Wirtschafts- und Währungspolitik in der EWU. Dazu gehört die Koordination der Wirtschaftspolitiken im Hinblick auf gesamteuropäische Ziele sowie die Auswirkungen der einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die Eurostaaten. Aus diesen
Punkten wird die Einsicht in die Notwendigkeit der Kriterien des Maastricht-Vertrages von
1992 für den Beitritt zur Währungsunion abgeleitet und dessen Ausgestaltung sowie die Kritik daran analysiert. In gleicher Weise wird mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt von
1997 verfahren. In Kapitel 4 wird der erste Teil der Fragestellung, ausgedrückt in These 1,
bearbeitet. Kapitel 5 widmet sich These 2 und damit der Frage, ob sich die Volkswirtschaften
Griechenlands und Irlands konvergent oder divergent zum Eurozonendurchschnitt entwickelt
haben. In Kapitel 6 wird These 3 nach dem oben beschriebenen Vorgehen bearbeitet. In Kapitel 7 werden in einer Synthese die Ergebnisse der drei Thesen zusammen gebracht und die
Fragestellung beantwortet. Kapitel 8 schließt die Arbeit mit einem Blick auf die seit 2011
unternommenen Reformen in der EWU ab, stellt sie den in der Arbeit gefundenen Ergebnissen gegenüber und fügt diese in den Forschungsstand ein. Zusätzlich werden auf Grundlage
der Erkenntnisse konkrete Politikempfehlungen für die zukünftige Ausgestaltung der EWU
formuliert.
7
2. Forschungsstand
2. Forschungsstand
In diesem Kapitel wird die oben formulierte Fragestellung in den aktuellen Forschungsstand
eingebettet. Welche Aspekte der Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland lassen sich
auf die internationale Finanzkrise zurückführen und welche sind der Wirkung der einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die durch fehlende Konvergenz gekennzeichneten Volkswirtschaften geschuldet? Es werden dazu im folgenden Kapitel 2.1 der theoretische Hintergrund
mit der auf Robert Mundell zurückgehenden Theorie der Optimalen Währungsräume abgesteckt und die zwei Hauptstränge der Weiterentwicklung der Theorie vorgestellt. Daran anschließend wird die Weiterentwicklung der Theorie angesichts der Realität der Errichtung der
EWU und die Evidenz der ersten 13 Jahre EWU dargelegt. Daraus leitet sich die Einsicht in
die Notwendigkeit von Reformen ab. Kapitel 2 schließt mit einem Fazit, das den Forschungsstand mit den Analysen der Masterarbeit verknüpft.
2.1 Theoretischer Hintergrund
Die Fragestellung dieser Masterarbeit beschäftigt sich mit der konvergenten oder divergenten
Entwicklung der Volkswirtschaften in der EWU. Diese Überlegung geht auf eine lange Forschungstradition zurück, die mit der Theorie der Optimalen Währungsräume von Robert
Mundell 1961 ihren Anfang genommen hat. Mundells Ausgangspunkt war die mit dem System von Bretton Woods gemachte Erfahrung, dass Leistungsbilanzkrisen ein integraler Bestandteil eines internationalen Systems mit fixen Wechselkursen sind. In Reaktion darauf
sprachen sich zahlreiche Ökonomen, als berühmtester Vertreter Milton Friedman, für frei
schwankende Wechselkurse aus. Mundell hingegen wollte zeigen, dass feste Wechselkurse
oder eine einheitliche Währung unter bestimmten Bedingungen trotz der Leistungsbilanzkrisen von Vorteil sein können. Einen solchen Zusammenschluss von Ländern bezeichnet er als
Optimalen Währungsraum oder Optimal Currency Area (OCA) (Mundell 1961: 657). Die aus
seiner Sicht wichtigste Bedingung für eine OCA ist ein hoher Grad an Faktormobilität zwischen den Mitgliedern des Systems mit einer einheitlichen Währung. McKinnon (1963) und
Kenen (1969) erweitern die Kriterien eines Optimalen Währungsraums um Lohnflexibilität,
Diversifikationsgrad der Produktion, Offenheit der Volkswirtschaften und fiskalische Integration, ausgedrückt in Transferzahlungen zwischen den Mitgliedstaaten (in Bonn 2007). Die
Kriterien sollten sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten einer Währungsunion enge wirtschaftliche Beziehungen zu einander pflegen und sich in der ökonomischen und fiskalischen Struktur ähnlich sind. Je besser die Kriterien erfüllt werden, desto geringer seien die negativen
8
2. Forschungsstand
Auswirkungen von ökonomischen Schocks auf die einzelnen Volkswirtschaften (vrgl. Bonn
2007). In einem Staat mit einer nationalen Währung, reagiert die Zentralbank mit geldpolitischen Maßnahmen auf ökonomische Schocks. In einer Währungsunion wird die Autonomie
über die Geldpolitik hingegen aufgegeben und die Geldpolitik der für alle Mitgliedstaaten
zuständigen Zentralbank kann nicht mehr auf die Schwankungen der nationalen Inflationsraten reagieren. Damit stellen Schocks, welche die Mitgliedsländer in unterschiedlicher (asymmetrischer) Weise treffen, eine Gefahr für die Stabilität der Volkswirtschaften und der Währungsunion als Ganzes dar. Wie dieser Mechanismus im Detail aussieht und welche Konsequenzen er für die EWU hat, wird in Kapitel 3 dargelegt.
Von Mundell, McKinnon und Kenen ausgehend, haben sich zwei Argumentationsstränge zur
Frage der optimalen Ausgestaltung einer Währungsunion entwickelt. Auf der einen Seite stehen die sogenannten Ökonomisten. Die sie verbindende Überzeugung ist, dass für einen Optimalen Währungsraum die oben genannten Kriterien ex ante erfüllt sein müssen. Demnach
sollte eine einheitliche Währung erst nach einer weitgehend erfolgten wirtschaftlichen, fiskalischen und politischen Integration eingeführt werden. Die monetäre Union stellt dann gleichsam die Krönung der wirtschaftlichen und politischen Union dar. In Anlehnung daran wird
die Argumentation der Ökonomisten auch als Krönungstheorie bezeichnet (Bonn 2007: 227).
Die Ökonomisten interessieren sich in ihren theoretischen Überlegungen und empirischen
Untersuchungen in erster Linie für die makroökonomischen Kosten, die den einzelnen Staaten
aus der Mitgliedschaft in einer Währungsunion erwachsen. Makroökonomische Kosten resultieren aus Anpassungslasten nach Schocks mit asymmetrischen Konsequenzen (Bonn 2007:
227-229). Die Erfüllung der Kriterien für einen Optimalen Währungsraum minimiert die makroökonomischen Kosten der monetären Integration, weshalb sie vor der Errichtung der Währungsunion erfolgen sollte. Gegen diese Sichtweise regte sich ab den 1970er Jahren Widerstand. Die Anhänger dieser zweiten Argumentationslinie werden unter dem Namen der Monetaristen zusammengefasst. Sie kritisieren zwei Dinge an der Sichtweise der Ökonomisten:
Erstens würde sie die makroökonomischen Kosten einer Währungsunion überschätzen und
zweitens die mikroökonomischen Effizienzgewinne wie den Wegfall von Wechselkurskosten
und Preistransparenz vernachlässigen. Auch die Monetaristen gehen davon aus, dass gewisse
Bedingungen gegeben sein müssen, damit eine Währungsunion ohne größere Spannungen
funktionieren kann. Im Gegensatz zu den Ökonomisten sind sie jedoch der Ansicht, dass die
mikroökonomischen Effizienzgewinne und die einheitliche Währung einen Druck in Richtung
einer konvergenten Entwicklung der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten ausüben. Die Vor-
9
2. Forschungsstand
teile aus der monetären Integration werden den Handel zwischen den Mitgliedstaaten der
Währungsunion derart positiv beeinflussen, dass eine ökonomische Integration ex post aus der
monetären folgt. In Abgrenzung zur Krönungstheorie wird der Ansatz der Monetaristen auch
als Katalysatortheorie bezeichnet (Bonn 2007: 227-234).
Trotz der unterschiedlichen Überzeugung hinsichtlich des richtigen Zeitpunkts für eine monetäre Integration ist den Ökonomisten und Monetaristen die Position von der aus sie ihre Überlegungen anstellen gemeinsam. Als Vertreter der 1960er und 1970er Jahre sprachen sie über
Währungsunionen als mehr oder weniger hypothetische Gebilde, die sich aus diesem oder
jenem Set von Ländern zusammensetzten. Die neueren Strömungen der Theorie der Optimalen Währungsräume, die in den 1990er Jahren aufkamen, sahen sich mit einer ganz anderen
politischen Realität konfrontiert. Zu dieser Zeit war die Entscheidung der Errichtung einer
Europäischen Währungsunion bereits getroffen. Konsequenterweise interessieren sich die
neuen Ansätze vor allem für die Auswirkungen der Mitgliedschaft in einer Währungsunion
für einzelne Staaten und für die Union als Ganzes (vrgl. Bonn 2007). Auch hier lassen sich
zwei Argumentationslinien unterscheiden, die in der Tradition der Ökonomisten und der Monetaristen stehen. Als bedeutenden Vertreter der jüngeren Ökonomisten lässt sich Paul Krugman nennen. In einer 1993 veröffentlichten Studie stellt er die These auf, dass die zukünftige
EWU den Kriterien eines Optimalen Währungsraumes nicht entspricht und dass sich die
Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten auch nach dem Beitritt nicht konvergent zueinander
entwickeln werden. Vielmehr werde die monetäre Integration aufgrund eines unvollständigen
Wettbewerbs in der EWU zu Spezialisierungstendenzen unter den Mitgliedstaaten führen.
Langfristig mehrten sich dadurch Schocks mit asymmetrischen Konsequenzen (in Bonn 2007:
228, 236). Auf der anderen Seite haben die Monetaristen eine gewichtige Fürsprecherin auf
ihrer Seite: die Europäische Kommission. In einem Papier zur EWU von 1990 schreibt sie,
dass die Bedeutung der Mobilität von Arbeitskräften für das Funktionieren einer Währungsunion von der traditionellen OCA-Theorie überschätzt wird. „[This conclusion] appears to be
largely overstated in early formulations of the theory, at least as regards the EC“ (KOM 1990:
45). Die Europäische Kommission geht davon aus, dass die monetäre Integration verbunden
mit einer zunehmenden Handelsintensität zwischen den EWU-Staaten zu einer Beschleunigung der ökonomischen und politischen Integration führen wird (in Bonn 2007: 235). Die
Sichtweise der Kommission wurde in zwei Artikeln von Frankel und Rose (1997, 1998) theoretisch und empirisch untermauert. Frankel und Rose stellen die Hypothese auf, dass die individuelle Betrachtung der OCA-Kriterien Integrationsgrad und Ähnlichkeit der Konjunkturzy-
10
2. Forschungsstand
klen zu falschen Schlüssen hinsichtlich der Eignung eines Landes für die Mitgliedschaft zu
einer Währungsunion führt. Der Grund dafür ist, dass sich die beiden Kriterien wechselseitig
bedingen und in einer Währungsunion endogen entstehen (Frankel/Rose 1997, 1998). Frankel
und Rose unterstützen damit die als Hypothese der Endogenität der Kriterien eines Optimalen
Währungsraums bekannt gewordene Strömung der Monetaristen. Die Autoren kritisieren,
dass die Forschung die OCA-Kriterien bisher immer ex ante getestet hat. Diese Herangehensweise geht von der falschen, impliziten Annahme aus, das sich die Struktur einer Volkswirtschaft nach Beitritt zu einer Währungsunion nicht mehr wesentlich verändert. Dem halten
Frankel und Rose entgegen, dass sich Volkswirtschaften auch nach dem Beitritt weiter verändern. „The structure of these economies is likely to change in the event of EMU“ (Frankel/Rose 1997: 755). Sie testen ihre Hypothese an den bilateralen Handelsbeziehungen von 20
OECD Ländern über 30 Jahre. Den von ihnen vermutete Zusammenhang, dass intensive Handelsbeziehungen zwischen zwei Ländern zu einer Angleichung ihrer Konjunkturzyklen führen, können sie bestätigen (Frankel/Rose 1997, 1998). Aus ihren Ergebnissen schließen Frankel und Rose, dass Länder, welche der EWU beitreten, ohne die Kriterien für die Mitgliedschaft in einem Optimalen Währungsraum zu erfüllen, diese ex post erfüllen werden, da sie in
engere Handelsbeziehungen mit den anderen Mitgliedsländern treten (Frankel/Rose 1997:
754). Jarko Fidrmuc merkt an, dass die Ergebnisse von Frankel und Rose nicht unbesehen
akzeptiert werden sollten. Obwohl mehrere Studien eine Korrelation zwischen der Intensität
der Handelsbeziehungen zwischen zwei Ländern und der Angleichung der Konjunkturzyklen
feststellen können, ist die Frage nach dem kausalen Zusammenhang zwischen den beiden
Faktoren umstritten (Fidrmuc 2001: 2). Zudem hat Kenen betont, dass auch bei einer Angleichung der Konjunkturzyklen Schocks mit asymmetrischen Konsequenzen auftreten können
(in Fidrmuc 2001: 2).
2.2 Evidenz aus 13 Jahren Europäische Währungsunion
Die Diskussion zwischen den Ökonomisten und Monetaristen war noch nicht abgeschlossen,
als 1999 die Europäische Währungsunion errichtet wurde. Die Europäische Kommission im
Speziellen setzte auf die Endogenität der OCA-Kriterien. So schließt die Kommission in ihrem Bericht von 1990: „(...) asymmetric schocks in the Community, even though they exist,
are likely to diminish with the disappearance of trade barriers through the completion of the
internal market“ (KOM 1990: 147). Nun interessiert, ob die Ökonomisten oder die Monetaristen in der Entwicklung der EWU recht behalten haben. Hat sich die Eurozone gemäß der
Hypothese der Endogenität ex post einem Optimalen Währungsraum angenähert oder haben
11
2. Forschungsstand
sich Spezialisierungstendenzen herausgebildet, welche Schocks mit asymmetrischen Konsequenzen begünstigen? Die Beantwortung dieser Frage ist entscheidend für die Weiterentwicklung der EWU, die in Kapitel 8. Fazit und Empfehlungen im Zentrum steht. In der Literatur
finden sich verschiedene Zusammenstellungen der Kriterien für einen Optimalen Währungsraum, wobei jeder Autor und jede Autorin eigene Schwerpunkte setzt. Ich entscheide mich
hier für den von Bonn vorgeschlagenen Kriterienkatalog auf Grundlage von Nickel (2002) mit
der eigenen Erweiterung um Lohnflexibilität: Ein Optimaler Währungsraum zeichnet sich
demnach aus durch
1. intensive Handelsbeziehungen
2. Ähnlichkeit von Schocks und Konjunkturzyklen
3. grenzüberschreitende Arbeitskräftemobilität
4. grenzüberschreitende Lohnflexibilität
5. fiskalpolitische Transferzahlungen (nach Bonn 2007: 232).
Die Anwendung der Kriterien für einen Optimalen Währungsraum auf die ersten 13 Jahre des
Bestehens der EWU zeigt kein hoffnungsvolles Bild. Weder grenzüberschreitende Lohnflexibilität noch eine ausgeprägte Arbeitskräftemobilität haben sich in der EWU eingestellt. „Auch
wenn immer mehr EU-Bürgerinnen und -Bürger in anderen Mitgliedstaaten arbeiten, ist die
Mobilität der Arbeitskräfte in Europa im Vergleich zum Potenzial der EU zu gering und steht
in keinem Verhältnis zu dem, was man in einem echten Binnenmarkt für Arbeitskräfte erwarten könnte“ (KOM 2012: 8). In der EWU sind Arbeitnehmer stark an ihre Heimatländer gebunden und wechseln bei einem Konjunkturtief in ihrem Heimatland nicht einfach den
Wohnort innerhalb der Eurozone. Vielmehr verlassen sich die Arbeitnehmer auf die national
basierten sozialen Sicherungssysteme. Der Lohnflexibilität sind vor allem auf Grund der nationalen Gewerkschaftsmacht und der tripartiten Beziehungen in manchen Ländern (vorerst)
Grenzen gesetzt. Ferner scheinen auch eurozonenweite Transferzahlungen politisch noch
kaum durchsetzbar (vrgl. Bonn 2007: 231). Unterstützt wird diese Sichtweise von der Einschätzung der Europäischen Kommission, dass sich die Integration des Europäische Binnenmarkts verlangsamt hat und zwischen den EU-Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede in der
Integrationsdynamik bestehen. Damit verliert der gemeinsame Binnenmarkt zum Teil seine
Rolle als Motor für Wirtschaftsdynamik und Angleichung der Konjunkturzyklen (KOM 2012:
2-8; Nienhaus 2007: 652).
12
2. Forschungsstand
Ferner sind die Stimmen, welche in den Auswirkungen der internationalen Finanzkrise auf die
Eurozone und den darauffolgenden Staatsschuldenkrisen einen Beweis sehen, dass die Eurozone keinen Optimalen Währungsraum darstellt, zahlreich. So schreibt Krugman in einem
Beitrag von 2012, dass die Krise hätte vorausgesehen werden können, wären die Kriterien für
einen Optimalen Währungsraum ernst genommen worden (Krugman 2012). Und Armin
Steinbach stellt fest: „Die von vielen bei der Einführung des Euro prognostizierte Angleichung der makroökonomischen Entwicklung erweist sich heute als Illusion“ (Steinbach 2011:
399). Für Henrik Enderlein ist die Divergenz der Wachstums- und Inflationsentwicklungen
innerhalb der Eurozone gar die wichtigste Beobachtung der ersten zehn Jahre des Bestehens
der Währungsunion (Enderlein 2010: 8).4 Gibt es auch Gegenstimmen? Ja, aber sie sind sehr
leise geworden. Dullien und Fritsche nennen 2007 noch die EZB als Verfechterin der Endogenitätshypothese. Die EZB hielt zu dieser Zeit fest, dass die Divergenzen in der Eurozone
zwar hartnäckiger sind als in anderen Währungsunionen, aber nicht größer und zu einem beträchtlichen Teil der Ausdruck notwendiger Aufhol- und Anpassungsprozesse zwischen den
Mitgliedstaaten (Dullien/Fritsche 2007: 57). Letztendlich sind heute jedoch die Ökonomisten,
welche die Heterogenität der EWU bei einer einheitlichen Geldpolitik als größte Herausforderung für die Zukunft der Währungsunion sehen, in der Überzahl. Sie fordern Reformen, da sie
nicht davon ausgehen, dass sich die Divergenzen von alleine abbauen.
2.3 Einsicht in die Notwendigkeit von Reformen
Einigkeit herrscht unter den Beobachtern darüber, dass Reformen notwendig sind und manches ist von den EU-Institutionen in dieser Richtung schon unternommen worden (vrgl. Kapitel 8). Doch auch hier stehen sich zwei grundsätzliche Positionen gegenüber. Auf der einen
Seite stehen Vertreter wie die Glieniker Gruppe – ein Zusammenschluss elf deutscher Ökonomen, Juristen und Politologen –, die eine stärkere Zentralisierung, einen „Qualitätssprung
der Integration“, für die Eurozone fordern. Die Ziele sind hierbei eine Wirtschaftsregierung
mit weitgehenden Kompetenzen für die Eurozone sowie Transferzahlungen zwischen den
Mitgliedstaaten. Dies impliziert eine wesentliche Verschiebung von Souveränität auf die supranationale Ebene (Glieniker Gruppe 2013). Steinbach schlägt zudem eine eurozonenweite
Lohnkoordinierung vor. Die Lohnniveaus in den Mitgliedstaaten müssten sich sowohl am
nationalen Produktivitätsniveau als auch an der EZB-Zielinflation orientieren (Steinbach
2011: 399). Auf der anderen Seite befinden sich Vertreter wie Hans-Werner Sinn, Heribert
4
Vrgl. dazu auch: Ahearn et al. 2012, Kirsch 2010, Müller/Schmidt 2010.
13
2. Forschungsstand
Dieter und – als organisatorischer und zugleich extremster Ausdruck der Strömung – die Partei Alternative für Deutschland. Gemeinsam ist dieser zweiten Gruppe, dass sie eine stärkere
Zentralisierung der Wirtschafts- und Fiskalpolitik auf der europäischen Ebene ablehnen. Für
Hans-Werner Sinn ist die EWU in ihrer jetzigen Verfasstheit nicht reif für eine stärkere wirtschaftspolitische Zentralisierung. Beides könne es nur geben, wenn die EWU eine Nation
nach US-amerikanischem Vorbild wird. Die Bedeutung von Rechts-, Kultur-, Mentalitätsund Sprachgrenzen müssen soweit in den Hintergrund treten, dass Transferzahlungen an Mitgliedstaaten von den Bürgern und Bürgerinnen akzeptiert werden. Solange dies nicht der Fall
ist, müssten alternative Lösungen zur Zentralisierung gefunden werden (Sinn 2012: 35-36).
Dieter präsentiert 6 Reformvorschläge für die EWU, die auf dem Vertrag von Maastricht basieren und diesen weiterentwickeln. „Die Weiterentwicklung und Verschärfung der Bestimmungen des Vertrages von Maastricht würden der Heterogenität der EU besser gerecht als
eine wirtschaftspolitische Zentralisierung“ (Dieter 2012: 1). Zu den Vorschlägen gehören unter Anderem eine Ausschlussklausel für Eurostaaten, die zahlungsunfähig werden, die Option
eines freiwilligen Austritts sowie die Möglichkeit einer temporären, unilateralen Einschränkung des Kapitalverkehrs (Dieter 2012: 6). Am weitesten in ihren Forderungen geht die Partei
Alternative für Deutschland. In ihrem Wahlprogramm für die deutsche Bundestagswahl 2013
hieß es: „Wir fordern eine geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes. Deutschland
braucht den Euro nicht. Anderen Ländern schadet der Euro“ (AfD Webseite 2013). Die AfD
schlägt ein schrittweises Ausscheiden der südeuropäischen Länder aus dem Euro vor. Damit
würden die größten Spannungen in der Eurozone, die aus dem Auf- und Abwertungsbedarf
der nationalen realen Wechselkurse entstanden sind, abgebaut. Danach könnten entweder
mehrere kleine Währungsverbünde aus homogenen Staaten geschlossen werden oder alle
Länder kehrten zu ihren nationalen Währungen zurück (AfD Webseite 2013). Da für diese
Arbeit die verschiedenen Typen von Reformvorschlägen im Vordergrund stehen, werden ihre
Machbarkeit und Implikationen nicht weiter diskutiert.
2.4 Fazit
Dieses Kapitel hat einen Überblick über den Forschungsstand zur Frage von Konvergenz und
Divergenz der wirtschaftlichen Entwicklung der Mitglieder einer Währungsunion gegeben
sowie die aktuelle, durch die Staatsschuldenkrise angestoßene Debatte über die Zukunft der
Eurozone zusammengefasst. Davon ausgehend kann nun in den folgenden Kapiteln die Fragestellung anhand der drei Thesen untersucht werden. In der Fragestellung dieser Arbeit geht es
nun aber nicht bloß um die Diskussion von Divergenz und Konvergenz in der Eurozone und
14
2. Forschungsstand
die Implikationen daraus für die Treffsicherheit der EZB-Geldpolitik und die Stabilität der
Währungsunion als Ganzes. Auch die Rolle der internationalen Finanzkrise wird untersucht.
Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass es auch Wissenschaftler gibt, welche der Finanzkrise eine größere Rolle und Schuld bei der Entstehung der europäischen Schuldenkrise
beimessen. Exemplarisch sei hier Neubäumer (2011) genannt. Die Thesen, die in den folgenden Kapiteln untersucht werden, schließen jedoch an die Argumentation der Ökonomisten an,
womit der Forschungsstrang der Theorie der Optimalen Währungsräume, wie er oben beschrieben wurde, im Vordergrund steht. Kapitel 6 wird zeigen, dass sich die Finanzkrise als
asymmetrischer Schock auf die griechische und die irische Wirtschaft ausgewirkt hat. Damit
hat sich eingestellt, was von den Ökonomisten im Vorfeld der Errichtung der EWU befürchtet
wurde. Die Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands haben sich auf unterschiedliche
Wirtschafts- und Produktionsstrategien spezialisiert und wurden deshalb von der internationalen Finanzkrise in unterschiedlicher Weise getroffen.
15
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
Kapitel 3 dient dazu, die Rahmenbedingungen für die Überprüfung der Thesen abzustecken.
Es wird die Ausgestaltung und Wirkungsweise der Wirtschafts- und Währungspolitik in der
Europäischen Währungsunion dargestellt. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Zusammenspiel der europäischen supranationalen Ebene und den einzelnen Mitgliedstaaten. Dazu
gehören die Koordination der Wirtschaftspolitiken im Hinblick auf gesamteuropäische Ziele
sowie die Auswirkungen der einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die Eurostaaten. Aus diesen Punkten wird die Einsicht in die Notwendigkeit der Kriterien des Maastricht-Vertrages
von 1992 für den Beitritt zur Währungsunion abgeleitet und dessen Ausgestaltung sowie die
Kritik daran analysiert. In gleicher Weise wird mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt von
1997 verfahren. Den Abschluss des dritten Kapitels bildet eine kurze Zusammenfassung der
Ergebnisse. Da in dieser Arbeit die Entwicklungen im Vorfeld der internationalen Finanzkrise
und der europäischen Schuldenkrise im Fokus stehen, beziehen sich alle in der Folge beschriebenen Verträge, Instrumente und Maßnahmen im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) auf die Zeit vor 2011. Seit 2011 sind mehrere Reformen durchgeführt worden, auf die in Kapitel 8 eingegangen wird.
3.1 Wirtschaftspolitik und Geldpolitik in der Währungsunion
Die Idee einer europäischen Währungsunion ist entstanden angesichts des drohenden Endes
des Bretton Woods-Systems Anfang der 1970er Jahre. Der Wunsch nach einer Eindämmung
der zunehmenden Wechselkursspekulationen im Vorfeld des Zusammenbruchs führte zu einer
Diskussion über eine engere Währungskooperation zwischen den europäischen Staaten. Die
Diskussion fand im Werner-Plan von 1970, im darauffolgenden Europäischen Währungssystem (EWS) und letztendlich im Delors-Plan und dem Vertrag von Maastricht ihren Niederschlag (Ohr 2007: 106-109).
Mit der Errichtung einer Währungsunion mit einer Einheitswährung und einer einheitlichen,
zentral gesteuerten Geldpolitik waren zahlreiche Hoffnungen verknüpft: So erwarteten die
Befürworter der EWU in erster Linie die Stabilisierung der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten durch den Wegfall von Wechselkursanpassungen und Spekulationen, weiter erhofften
sie sich eine Stimulierung des Warenhandels und der Direktinvestitionstätigkeit, eine verbesserte Preistransparenz und dadurch die Stärkung des Wettbewerbs zwischen den teilnehmenden Staaten (Ohr 2007: 109). Auf der anderen Seite mahnten die Gegner einer europäischen
Währungsunion an, dass der mit einer solchen zwangsläufig einhergehende Verlust der Auto16
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
nomie über die nationale Geld- und Währungspolitik angesichts der Größe und Heterogenität
des Währungsraumes problematisch werden könnte (Ohr 2007: 109-110; vrgl. Kapitel 2).5
Damit eine einheitliche Geldpolitik für mehrere Staaten funktionieren kann, „muss gewährleistet sein, dass die ökonomischen Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern dieselbe
Geldpolitik erfordern und dass die gemeinsame Geldpolitik auch in allen Mitgliedsländern der
Währungsunion die gleichen realwirtschaftlichen Wirkungen entfaltet“ (Ohr 2007: 109-110).
Die Diskussion um die Funktionsweise der EWU und die Gegensätze zwischen den Ökonomisten und Monetaristen führten schließlich zur Verabschiedung der Maastrichter Konvergenzkriterien als Voraussetzung für den Beitritt zur Währungsunion sowie zum Stabilitätsund Wachstumspakt als deren Äquivalent für die Zeit nach dem Beitritt. Auf die beiden Verträge wird in den Kapiteln 3.2 und 3.3 detailliert eingegangen.
3.1.1 Wirtschaftspolitik in der Währungsunion und den EU-Mitgliedstaaten
Die Europäische Währungsunion zeichnet sich dadurch aus, dass einer einheitlichen, von der
EZB vorgegebenen und vom Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) implementierten Geldpolitik keine europäische Haushaltspolitik gegenübersteht (Schwarzer/Uterwedde
2002: 220). Dies kann insbesondere bei divergenten Entwicklungen der Wirtschafts- und Fiskalpolitik und der durch sie beeinflussten Konjunktur der einzelnen Mitgliedstaaten zu Spannungen im Währungsraum führen. Inflationsunterschiede können sich beispielsweise negativ
auf die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Länder auswirken, da der einheitliche Leitzinssetzung der EZB nicht angemessen auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Länder reagieren
kann. Die Einsicht in den engen Zusammenhang zwischen der Geldpolitik auf der einen und
der Wirtschafts- und Fiskalpolitik auf der anderen Seite bewog die Gründerväter der EWU
Maßnahmen zu treffen, welche die Mitgliedstaaten einerseits zu einer soliden Fiskalpolitik
bewegen und andererseits die Koordination der einzelnen Wirtschaftspolitiken ermöglichen
sollten. Während die Überwachung und Beurteilung der Fiskalpolitik mit dem SWP operationalisiert und eine zentrale Kontrollinstanz auf Ebene der EU eingerichtet wurde, verblieb die
Zuständigkeit für die Wirtschaftspolitik größtenteils in nationaler Hand. Abbildung 1 fügt die
wichtigsten fiskal- und wirtschaftspolitischen Felder in das Mehrebenensystem der EU ein.
5
Natürlich waren die Geldpolitiken auch schon vor dem 1. Januar 1999 in den meisten Teilnehmerländern nicht
mehr unabhängig, sondern innerhalb des EWS miteinander gekoppelt. Für diese Arbeit sind jedoch die Auswirkungen der Aufgabe der geldpolitischen Unabhängigkeit im Hinblick auf die europäische Schuldenkrise von
Bedeutung und weniger wann diese Aufgabe genau stattgefunden hat.
17
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
Abbildung 1: Fiskal- und Wirtschaftspolitische Kompetenzverteilung im Mehrebenensystem der EU
Eigene Darstellung nach Schwarzer/Uterwedde 2002: 202.
Die Spanne der wirtschaftspolitischen Kompetenzverteilung im Mehrebenensystem der EU
reicht vom vollständigen Kompetenztransfer auf die europäische Ebene über einen partiellen
Kompetenztransfer mit Sanktionsmöglichkeiten bis zur nationalen Zuständigkeit mit teilweiser Koordination ohne Sanktionen. Bei den für diese Arbeit interessanten Politikfeldern sind
es die Geld- und die Wechselkurspolitik, die vollständig in EU-Hand, genauer bei der Europäischen Zentralbank, liegen. Hier haben die Mitgliedstaaten ihre Autonomie an die supranationale Ebene abgegeben. Ein partieller Kompetenztransfer liegt bei der nationalen Haushaltspolitik vor. Hier haben die EU-Institutionen durch den SWP die Möglichkeit, die Mitglieder
der Eurozone bei Nicht-Beachtung der Vorgaben zu sanktionieren. Komplett in nationaler
Zuständigkeit liegen die makroökonomischen Entscheidungen, die Beschäftigungspolitik und
die Strukturpolitik. Hier sind über verschiedene Prozesse ein regelmäßiger Austausch, Koordinierung und Monitoring zwischen den EU-Mitgliedstaaten vorgesehen. Solange die einzelnen Staaten sich jedoch nicht freiwillig zu etwas verpflichten, bleiben die Prozesse aufgrund
fehlender Sanktionsmöglichkeiten ohne Folgen (Schwarzer/Uterwedde 2002: 201).
3.1.2 Die Geldpolitik der EZB und Auswirkungen auf die Volkswirtschaften der EWUMitgliedstaaten
Die Geldpolitik des Euro-Währungsraums wird von der EZB festgelegt und vom ESZB, dem
alle nationalen Zentralbanken angehören, ausgeführt. Gemäß Artikel 127 Absatz 2 AEUV hat
das ESZB vier grundlegende Aufgaben: Erstens die Festlegung und Ausführung der Geldpolitik innerhalb der Währungsunion, zweitens die Durchführung von Devisengeschäften, drittens
die Bereithaltung und Verwaltung der offiziellen Währungsreserven der Eurostaaten und vier-
18
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
tens die Förderung des reibungslosen Funktionierens der Zahlungssysteme (EZB 2011: 16).
Für mein Argument ist vor allem die Festlegung und Ausführung der Geldpolitik von Bedeutung. Das vorrangige Ziel der Geldpolitik der EZB ist die Gewährleistung von Preisstabilität
in der Eurozone.6 Entscheidend ist dabei der Durchschnittswert der nationalen Inflationsraten
aller Mitgliedstaaten. Um das Ziel der Preisstabilität zu erreichen, nutzt die EZB den sogenannten Transmissionsmechanismus der Geldpolitik. Dabei handelt es sich um einen Prozess,
mittels dessen sich geldpolitische Entscheidungen auf die Realwirtschaft und das Preisniveau
der Eurostaaten auswirken (EZB 2011: 62). Da die Zentralbank der alleinige Emittent von
Banknoten ist und die Mindestreserveguthaben der Banken im Euroraum bestimmt und hält,
besitzt sie das Monopol über das Angebot der monetären Basis. Kraft dieses Monopols ist die
EZB in der Lage, die Bedingungen am Geldmarkt zu beeinflussen und die kurzfristigen Zinssätze zu steuern (EZB 2011: 59). Die Wirkungen der geldpolitischen Maßnahmen sind jedoch
weder eindeutig abschätzbar noch unmittelbar sichtbar. Eine lange Wirkungskette, die geprägt
ist von unvorhergesehenen Reaktionen der Wirtschaftsakteure sowie internen und exogenen
Schocks, macht die Vorhersage der Wirkungsweise der Geldpolitik schwierig (EZB 2011: 6263).
Trotzdem sollen hier stark vereinfacht das wichtigste Instrument vorgestellt werden, mit dem
die EZB die Entwicklung des Preisniveaus im Euroraum steuert. Es handelt sich dabei um die
Setzung der Leitzinsen, genauer der Hauptrefinanzierungsfazilität und der ständigen Fazilitäten.7 „Am Anfang der Wirkungskette, über die sich geldpolitische Entscheidungen auf das
Preisniveau auswirken, steht eine Änderung der von der Zentralbank für ihre geldpolitischen
Geschäfte festgesetzten Leitzinsen“ (EZB 2011: 63). Um sich zu refinanzieren, fragen die
Banken im Euroraum bei der Zentralbank Geld nach. Aufgrund des Monopols auf die Schaffung von Geld kann die EZB den Preis bestimmen. Der Preis von Geld ist der zu bezahlende
Zinssatz. Über den sogenannten Zinskanal geben die Banken die Kosten, die ihnen durch die
Aufnahme des Geldes bei der Zentralbank entstehen, an ihre Kunden weiter. So ist es der
EZB möglich, einen dominierenden Einfluss auf die Geldmarktbedingungen auszuüben und
die Geldmarktsätze zu steuern (EZB 2011: 63). „Zinsänderungen wirken sich auf die Spar-,
6
Definiert wird die Preisstabilität als Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für das EuroWährungsgebiet von mittelfristig unter zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr (EZB 2011: 9).
7
Die Hauptrefinanzierungsfazilität ist der wichtigste Leitzins einer Zentralbank. Die EZB stellt zu diesem Zinssatz den Geschäftsbanken im Euroraum in einem wöchentlichen Vergabeverfahren Zentralbankgeld zur Verfügung. Mit den ständigen Fazilitäten können die Geschäftsbanken über Nacht zu einem fixen Zins bei der EZB
Geld leihen oder hinterlegen. Die EZB legt damit die Ober- und Untergrenze für das Interbankentagesgeschäft
fest (EZB 2011: 112-117).
19
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
Konsum- und Investitionsentscheidungen der privaten Haushalte und Unternehmen aus“
(EZB 2011: 64). Ceteris paribus führen höhere Zinssätze tendenziell zu einer höheren Sparquote, da die Kreditaufnahme teurer wird und gleichzeitig die Renditen von Ersparnissen
steigen (EZB 2011: 64). Das Ziel einer strafferen Geldpolitik – eine verbreitete Umschreibung für eine Zinserhöhung – ist im Normalfall eine Abkühlung der Wirtschaft. Dies kann
angesichts eines Preiswachstums, das sich nicht in entsprechenden Zuwächsen beim Output
spiegelt und damit möglicherweise ein Anzeichen für Überhitzungstendenzen und Blasenbildungen ist, angezeigt sein.
Mit dem Zinskanal des Transmissionsmechanismus der Geldpolitik im Hinterkopf kann nun
betrachtet werden, welche Auswirkungen die einheitliche Geldpolitik auf die Volkswirtschaften der einzelnen Eurostaaten hat. Entscheidend ist hierbei, dass die EZB eine sogenannte
„One size fits all“-Politik verfolgt. Unabhängig davon, wie sich das Preisniveau und die Erwartungen der Wirtschaftsakteure in den einzelnen Eurostaaten entwickeln, richtet die EZB
ihre geldpolitischen Entscheidungen an Durchschnittswerten für die Eurozone aus.8 Am Beispiel unterschiedlicher Inflationsraten lässt sich dies gut nachvollziehen: In Ländern mit traditionell höheren Inflationsraten sind die Realzinsen niedrig, was günstige Kredite und unattraktive Depositen bedeutet. Es wird viel investiert und konsumiert und der Wirtschaft kann eine
Überhitzung mit Blasenbildungen auf Teilmärkten drohen. Auf eine solche Entwicklung reagiert eine Zentralbank im Normalfall mit einer strafferen Geldpolitik und einer Erhöhung der
Leitzinsen. Das führt zu einer Verringerung des Kreditvolumens und kühlt die Wirtschaft ab.
Länder mit einer traditionell niedrigen Inflationsrate wiederum haben von Vorneherein höhere
Realzinsen, was teure Kredite und attraktive Depositen bedeutet. Die Lücke zwischen dem
potenziellen und dem tatsächlichen Wirtschaftswachstum ist groß und eigentlich wäre eine
ausweitende Geldpolitik mit Senkung des Leitzinses angezeigt. Wenn nun Hoch- und Niedriginflationsländer in einer Währungsunion zusammengefasst und einer einheitlichen Geldpolitik ausgesetzt werden, ist diese zwangsläufig für einen der beiden Typen unpassend (vrgl.
Steinbach 2011; Dullien/Fritsche 2007; Enderlein 2010). Damit die Geldpolitik der EZB tatsächlich den Bedürfnisse aller Eurostaaten gerecht wird, müssen die nationalen Inflationsraten
und Konjunkturentwicklungen ähnlich aussehen.
8
Pressemitteilung des EZB-Rates vom 13.10.1998: „The Governing Council of the ECB makes it clear that it
will base its decisions on monetary, economic and financial developments in the euro area as a whole. The single
monetary policy will adapt a euro area-wide perspective; it will not react to specific regional or national developments” (aus: Enderlein 2004: 17).
20
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
Zusätzlich zur einheitlichen Setzung der Leitzinsen wurden mit der Einführung einer gemeinsamen Währung die Wechselkurse zwischen den Eurostaaten aufgehoben. Dies ist der Argumentation von Ahearn et al. folgend eine positive Entwicklung, da die Transaktionskosten
beim transnationalen Handel geringer werden. In einer Währungsunion gibt es keine Wechselkursverluste und keine Wechselkursrisiken. Zudem können die Preise für Güter und
Dienstleistungen in zwei Ländern besser verglichen werden, was den Wettbewerb zwischen
den Produzenten erhöht (Ahearn et al. 2012: 5). Gleichzeitig bedeutet aber eine einheitliche
Währung auch die Aufgabe der Möglichkeit, nationale Währungen gegenüber Partnerstaaten
abzuwerten, womit innerhalb der Eurozone eines der traditionellen Instrumente zum Ausgleich von Ungleichgewichten zwischen Volkswirtschaften ausgeschaltet wurde (Lane 2012:
49). Ein Beispiel soll den Zusammenhang von Wechselkursabwertung und Wettbewerbsfähigkeit illustrieren: Gerät der Exportsektor eines Landes gegenüber den internationalen Handelspartnern in eine schlechte Wettbewerbsposition und ist das Land nicht in der Lage, Einfluss auf die inländischen Produktionskosten – beispielsweise mittels Lohnmäßigung oder
effizienteren Produktionsbedingungen – zu nehmen, so kann eine Abwertung der eigenen
Währung als Ventil dienen. In der Folge können die Produkte aus diesem Land auf dem
Weltmarkt günstiger verkauft werden und seine Wettbewerbsfähigkeit ist (zumindest kurzfristig) gestiegen. Für Länder, die traditionell auf einen Verlust der relativen Wettbewerbsfähigkeit ihres Exportsektors mit Wechselkursabwertungen reagiert haben, bedeutet die einheitliche Währung eine starke Einschränkung ihrer wirtschaftspolitischen Steuerungsfähigkeit (Josten 2002: 219). Josten erklärt, dass dies besonders bei Schocks mit asymmetrischen Konsequenzen ein Problem ist. Also bei Schocks, von denen die einzelnen Mitgliedstaaten der Währungsunion in signifikant unterschiedlicher Weise betroffen sind und vor denen die Ökonomisten im Vorfeld der Errichtung der EWU gewarnt haben (vrgl. Kapitel 2). In diesem Fall kann
der länderspezifische Anpassungsbedarf weder durch die Anpassung des nominalen Wechselkurses noch durch die Geldpolitik der EZB bewältigt werden (Josten 2002: 219-220).
Da die zentralisierte Geldpolitik der EZB nur dann wirklich treffsicher und wirksam sein
kann, wenn sich die Volkswirtschaften der Eurozone hinreichend ähnlich entwickeln, wurden
im Vertrag von Maastricht die sogenannten Konvergenzkriterien festgeschrieben. Nur bei
Erfüllung aller vier Kriterien sollte EU-Ländern der Beitritt zur Währungsunion gewährt werden. Im folgenden Kapitel 3.2 werden die Konvergenzkriterien beschrieben und die Kritik,
die an ihnen geäußert wurde, vorgestellt.
21
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
3.2 Der Vertrag von Maastricht
1992 wurde der Vertrag von Maastricht – dessen offizielle Bezeichnung „Vertrag über die
Europäische Union“ lautet – unterzeichnet und mit ihm die Errichtung der Währungsunion
definitiv beschlossen (Ohr 2007: 109). Bis frühestens 1997 sollten in drei Stufen die Voraussetzungen für die Errichtung und den Beitritt der EU-Staaten zur Währungsunion geschaffen
werden. Dazu gehörten die Liberalisierung des Kapitalverkehrs auf dem Gebiet der Europäischen Union, die Vorbereitung der Einführung des Euro als alleiniges Zahlungsmittel, die
Errichtung der EZB mit den entsprechenden Kompetenzen und die Verpflichtung der EUMitgliedstaaten auf Konvergenzprogramme für ihre Wirtschaftspolitiken (Gischer et al. 2012:
939-395). Hans Tietmeyer, der als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium von 1982 bis
1989 und danach 1993 bis 1999 als Präsident der Deutschen Bundesbank, eng am Prozess der
Errichtung der EWU beteiligt war, erklärt die Verpflichtung auf die Konvergenzkriterien mit
der Tatsache, dass sich „schon seit den 70er Jahren in der europapolitischen Diskussion die
Erkenntnis durchgesetzt [hatte], dass eine Währungsunion nur dann erfolgreich sein könne,
wenn zwischen den teilnehmenden Volkswirtschaften eine hinreichende und dauerhafte Konvergenz erreicht werden könne“ (Tietmeyer 2005: 243). Bei dieser Konvergenz sollte es sich
nicht um eine realwirtschaftliche Konvergenz im Sinne einer Angleichung des Wohlstandes
in den Mitgliedstaaten – beispielsweise ausgedrückt in einem ähnlich hohen BIP pro Kopf –
handeln. Vielmehr sollte neben einer hinreichenden Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten vor allem eine hinreichende „stabilitätspolitische Konvergenz“
erreicht werden. Damit war eine an weitgehend gleichen Zielen und Ergebnissen orientierte
Währungs-, Wirtschafts- und Fiskalpolitik gemeint (Tietmeyer 2005: 243-244). Auf die Ausgestaltung der einzelnen Konvergenzkriterien wird im folgenden Kapitel 3.2.1 näher eingegangen.
3.2.1 Die Konvergenzkriterien
Die Konvergenzkriterien sollen im Speziellen sicherstellen, dass die zukünftigen Partnerländer in der EWU ähnliche Inflationsraten aufweisen (Kriterium der Preisstabilität), eine nachhaltige Haushaltspolitik betreiben (Kriterium des tragbaren Defizit- und Schuldenniveaus),
sich selbst zu einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik verpflichten (Kriterium der
Wechselkursstabilität) und letztlich, dass diese nationalen Konvergenz- und Stabilitätsbemühungen von Dauer und glaubwürdig sind (Kriterium der Stabilität der langfristigen Zinssätze). Alle vier Kriterien werden mindestens einmal alle zwei Jahre oder auf Antrag eines Beitrittskandidaten zur Eurozone überprüft und daraufhin wird eine Entscheidung über die Auf22
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
nahme in die Währungsunion gefällt (Art. 140 Abs. 1 AEUV).9 In der Folge werden die vier
Konvergenzkriterien zunächst beschrieben und danach kritisch betrachtet. Die Beschreibung
der Konvergenzkriterien stützt sich auf die Vorgaben aus dem AEUV. Die genaue Operationalisierung durch die Europäische Kommission kann Anhang A.1 entnommen werden.
a) Preisstabilität
Die „Erreichung eines hohen Grades an Preisstabilität“ eines Landes wird gemessen an dessen
durchschnittlicher Inflationsrate im Vergleich zur durchschnittlichen Inflationsrate der drei
EU-Mitgliedsländer, „(...) die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt
haben“. Die durchschnittliche Inflationsrate des betreffenden Landes darf im letzten Jahr vor
der Prüfung nicht mehr als +1,5 Prozentpunkte vom Durchschnittswert der sogenannten best
performer abweichen (Protokoll 13 zum AEUV Art. 1). Mit diesem Konvergenzkriterium
sollen die Anwärter auf Mitgliedschaft in der Eurozone beweisen, dass ihre Inflationsrate
nicht komplett von derjenigen der anderen EU-Länder abweicht (Darvas 2010: 199).
b) Tragbares Defizit- und Schuldenniveau
Mit diesem Kriterium soll eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand in den
Mitgliedstaaten erreicht werden. Gemessen wird diese am Verhältnis des öffentlichen Defizits
und der öffentlichen Schulden zum BIP (Art. 140 und 126 AEUV). Die beiden Verhältniszahlen dürfen die in Protokoll 12 zum AEUV festgelegten Referenzwerte nicht überschreiten: 3
Prozent für das Verhältnis des öffentlichen Defizits zum BIP und 60 Prozent für das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstandes zum BIP. Eine Ausnahmeregelung gilt, wenn die Werte
erheblich und laufend zurückgegangen sind und einen Wert in der Nähe des jeweiligen Referenzwerts erreicht haben oder die Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wurden (Art. 126 Abs. 2 AEUV). Die Mitgliedstaaten der EU, deren Beitritt zur Eurozone noch bevor steht, sind verpflichtet, der Kommission die entsprechenden statistischen
Daten zu ihrer Wirtschaftslage zukommen zu lassen (KOM 2010a: 39). Zusätzlich zu dem
Defizit und dem Schuldenstand bezieht die Kommission für ihre Beurteilung auch Informa-
9
Wörtlich heißt es im AEUV Art. 140 Abs. 2: „Der Rat beschließt nach Anhörung des Europäischen Parlaments
und nach Aussprache im Europäischen Rat auf Vorschlag der Kommission, welche der Mitgliedstaaten, für die
eine Ausnahmeregelung gilt, die auf den Kriterien des Absatzes 1 beruhenden Voraussetzungen erfüllen, und
hebt die Ausnahmeregelungen der betreffenden Mitgliedstaaten auf“ (eigene Hervorhebung). Darin spiegelt sich
das Verständnis, dass die Mitgliedschaft in der Eurozone zwingender Bestandteil der Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist. EU-Staaten die noch nicht zur Eurozone gehören befinden sich damit in einem befristeten
Übergangsstadium und für sie gilt eine „Ausnahmeregelung“.
23
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
tionen zum Wirtschaftswachstum, der Implementierung von Wachstums- und Beschäftigungsmaßnahmen, zur fiskalischen Konsolidierung sowie „the overall quality of public finance“ mit ein (KOM 2010a: 39).
Als Kriterien für die Eröffnung eines Defizitverfahrens wurden diese beiden Referenzwerte
im SWP auch für die Zeit nach dem Beitritt zur Eurozone verbindlich gemacht. Der SWP
wird in Kapitel 3.3 vorgestellt.
c) Wechselkursstabilität
Die Wechselkursstabilität wird gemessen an der Einhaltung der normalen Bandbreite des
Wechselkursmechanismus des EWS seit mindestens 2 Jahren vor dem Stichtag der Überprüfung ohne Abwertung gegenüber dem Euro (Art. 140 Abs. 1 AEUV).10 Die normalen Bandbreiten müssen „ohne starke Spannungen“ eingehalten worden sein (Protokoll 13 zum AEUV
Art. 3). Zusätzlich zu diesem Kriterium betrachtet die Kommission die Entwicklung der
Fremdwährungsreserven, die kurzfristigen Zinssätze und die Rolle von Maßnahmen zur Stützung der nationalen Währung in den Jahren vor dem Prüfdatum (KOM 2010a: 40-41). Die
Fähigkeit eines Landes, seinen Wechselkurs in festen Bahnen zu halten, weist auf eine stabile
Wirtschafts- und Fiskalpolitik hin, die nicht auf massive, unilaterale Wechselkursänderungen
zur Erreichung ihrer Ziele angewiesen ist (Darvas 2010: 199).
d) Stabilität des langfristigen Zinsniveaus
Das Kriterium der stabilen langfristigen Zinssätze auf Staatsanleihen lässt sich als Testkriterium für die drei anderen interpretieren. Die Zinssätze werden anhand langfristiger Staatsschuldverschreibungen oder vergleichbarer Papiere gemessen (Protokoll 13 zum AEUV). Die
Berechnungsgrundlage ist der durchschnittliche Zinsgewinn der letzten 12 Monate aus Papieren mit einer Laufzeit von möglichst 10 Jahren. Als Grenzwert ist wiederum der Durchschnitt
der Sätze der drei best performer der Preisstabilität (vrgl. Kriterium a) definiert. Das Niveau
des durchschnittlichen langfristigen Zinssatzes auf Staatsanleihen eines Mitgliedslandes darf
nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem Referenzwert der drei best performer liegen. In der
Stabilität der langfristigen Zinssätze kommt nach Art. 140 AEUV die Dauerhaftigkeit der von
dem Beitrittskandidaten erreichten Konvergenz und seiner Teilnahme am Wechselkursme-
10
Die normale Bandbreite war definiert als eine Schwankung von +/-2,25 Prozent um die bilateralen Leitkurse
(Ohr 2007: 108).
24
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
chanismus zum Ausdruck. Gleichzeitig ist sie auch ein Indikator für das Vertrauen der Finanzmärkte in die Bonität eines Landes.
Nachdem in diesem und den vorhergehenden Kapiteln die Notwendigkeit einer konvergenten
Entwicklung der Volkswirtschaften in der Eurozone aufgezeigt und die Umsetzung dieser
Einsicht in den Konvergenzkriterien des Vertrages von Maastricht erläutert wurde, folgt nun
die Frage, ob die Konvergenzkriterien tatsächlich das erreichen, was sie erreichen sollen. In
Unterkapitel 3.2.2 geschieht dies zunächst theoretisch anhand einiger Überlegungen zur Ausgestaltung und Operationalisierung. In Kapitel 5 folgt dann die praktische Überprüfung mit
der Betrachtung der Entwicklung von drei der vier Konvergenzkriterien in Griechenland und
Irland und den Durchschnittswerten der Eurozone.
3.2.2 Kritik an Ausgestaltung und Operationalisierung
Als erstes fällt auf, dass die Maastrichter Konvergenzkriterien nicht den in Kapitel 2 zum Forschungsstand vorgestellten Kriterien eines Optimalen Währungsraums entsprechen. Die Konvergenzkriterien stellen Anforderungen an die einzelnen Staaten, die unabhängig von den
anderen Mitgliedern der EWU erfüllt werden müssen. Demgegenüber zielen die OCAKriterien auf die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten einer potenziellen Währungsunion. Da in diesem Kapitel die praktische Anwendung, die Implikationen für die potenziellen
Mitgliedstaaten der EWU sowie die Einhaltung der Kriterien im Vordergrund stehen, wird
darauf nicht weiter eingegangen.11 Darvas berechnet in einer Studie von 2010, dass 50 bis 60
Prozent der Eurostaaten in den Jahren 1999 bis 2008 mindestens ein Mal eines der Konvergenzkriterien missachten haben (Darvas 2010: 207). Seine Schlussfolgerung: "The countries
that have joined the euro area were judged to have achieved a high degree of sustainable convergence. The large number of violations after euro-area entry suggests that the criteria are
inadequate for judging sustainable convergence" (Darvas 2010: 208). Betrachten wir die Kritik, die an den Konvergenzkriterien geäußert wird, genauer.
Allgemein werden bei allen vier Konvergenzkriterien nicht nur die vertraglich festgeschriebenen Kriterien zur Beurteilung herangezogen, sondern zusätzlich solche, die von der Europäischen Kommission als wichtig erachtet werden. Interessanterweise ist dies vom AEUV vorgesehen, da er in Art. 140 Abs. 1 festhält, dass die Konvergenzberichte der Europäischen Kom-
11
Für eine Kritik an den Konvergenzkriterien aus der Sicht der Theorie der Optimalen Währungsräume siehe De
Grauwe 1996.
25
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
mission und der EZB auch die Ergebnisse der einzelnen Länder bei der Integration ihrer
Märkte in das Gebiet der EU, das Saldo und die Entwicklung der Leistungsbilanz sowie die
Entwicklung der Lohnstückkosten und anderer Preisindizes berücksichtigen sollen. Damit
haben Kommission und EZB einen sehr großen Spielraum bei der Beurteilung der Beitrittskandidaten für die Eurozone. Im Extremfall können sie bei jedem Land individuell und nach
unterschiedlichen Gesichtspunkten über die Empfehlung zur Aufnahme an den Ministerrat
entscheiden. Während ein gewisser diskretionärer Spielraum angesichts der Heterogenität der
EU-Volkswirtschaften angezeigt sein mag, macht es diese Praxis unmöglich, eindeutige Kriterien, an die sich alle halten müssen, zu identifizieren.
a) Preisstabilität
Zu beachten ist hier, dass der AEUV keine Aussage darüber macht, was das „beste Ergebnis“
bei der Preisstabilität bedeutet. Nach Ansicht der Europäischen Kommission ist es sinnvoll
und vertretbar, diesen Spielraum für eine fallweise Festlegung der „best performer“ zu nutzen
(KOM 2010a: 36). In den Konvergenzberichten zwischen 1998 und 2008 wurden stets die
drei EU-Staaten zur Berechnung des Referenzwertes gewählt, welche die niedrigste, nicht
negative durchschnittliche Inflationsrate aufwiesen (KOM 2010a: 36). Im Zuge der Erfahrungen mit der Finanzkrise und der europäischen Schuldenkrise wurden 2010 jedoch erstmals
auch diejenigen Staaten mit einer negativen Inflationsrate (also einer de facto Deflation) als
bestes Ergebnis in Erwägung gezogen.12 Die Begründung der Europäischen Kommission für
dieses Vorgehen kann bestenfalls als Ausnutzen des durch den AEUV gewährten Spielraums
gesehen werden. Ein kritischer Betrachter könnte der Kommission jedoch auch vorwerfen,
intransparent oder gar willkürlich zu entscheiden. Im Prinzip ändert sie aufgrund der außergewöhnlichen Ereignisse die Zielvariable, bleibt jedoch eine stichhaltige Begründung schuldig.
Für Darvas ist weiter die betrachtete Zeitspanne von einem Jahr für die durchschnittliche Veränderungsrate des Preisniveaus zu kurz. Länder, in denen eine Prüfung ansteht, könnten kurzfristige Maßnahmen treffen, um ihre Inflationsrate unter den Referenzwert zu drücken (Dar-
12
Begründung der Kommission: „At the current juncture, characterized by exceptionally large common shocks
(…), a significant number of countries face episodes of negative inflation rates (…). In these circumstances,
negative rates of inflation constitute an economically meaningful benchmark against which to assess countries´
price stability performance. (…). At the same time, excluding from the best performers a country with an average inflation rate that is distant from the euro area average inflation by a wide margin (…) seems also warranted,
as including it would severely affect the reference value and thus the fairness of the criterion” (KOM 2010a: 36).
26
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
vas 2010: 200). Abgesehen von der Tatsache, dass die EU-Institutionen die NichtMitgliedschaft von EU-Ländern in der Eurozone als vorübergehend ansehen, ist es zudem
nicht einleuchtend, wieso alle EU-Staaten und nicht nur die der Eurozone zur Berechnung des
Referenzwertes herangezogen werden. Die Konsequenz dieses Vorgehens ist, dass in allen
Konvergenzberichten seit 2000 mindestens ein Land zu den best perfomern gezählt wurde,
das nicht Mitglied der Eurozone war. In vier Fällen waren es sogar zwei (KOM 2010a: 37).
Meines Erachtens werden hierbei Äpfel mit Birnen verglichen. Wenn das Ziel des Konvergenzkriteriums Preisstabilität eine Angleichung der nationalen Inflationsraten innerhalb der
Eurozone sein soll, dann müssen potenzielle Beitrittskandidaten auch an den Raten der Eurostaaten gemessen werden. Die Preisentwicklung der EU-Staaten ohne Euro steht mit einer
eigenen Geldpolitik unter ganz anderen Prämissen (vrgl. Darvas 2010: 202-203).13
b) Tragbares Defizit- und Schuldenniveau
Darvas kritisiert am Kriterium für den öffentlichen Schuldenstand, dass der erlaubte Maximalwert von 60 Prozent des BIP willkürlich gesetzt ist. Welches Schuldenniveau für ein Land
tragbar ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die nicht in allen Ländern gleich sind (Darvas 2010: 201-202). Zusätzlich sind die tragfähigen Defizit- und Schuldenniveaus in absoluten Zahlen definiert und nicht relativ zu den Vorjahren wie die Preisstabilität und die Stabilität der langfristigen Zinssätze. Damit sagt das Kriterium nichts über die Nachhaltigkeit der
Tragfähigkeit des öffentlichen Haushalts aus (Darvas 2010: 208).
c) Wechselkursstabilität
Bei der Wechselkursstabilität wird vom AEUV und dem Protokoll 13 nicht genau definiert,
wie die Erfüllung des Kriteriums gemessen werden soll. Die „starken Spannungen“, denen der
Wechselkurs des Beitrittslandes nicht ausgesetzt gewesen sein darf, werden nicht näher operationalisiert und die zusätzlichen Beurteilungskriterien der Kommission zeigen wiederum den
Spielraum, den sich die Kommission gibt. Darvas gibt zudem zu Bedenken, dass der AEUV
bloß Währungsabwertungen als Missachtung des Kriteriums wertet. Aufwertungen scheinen
demzufolge kein Problem zu sein (Darvas 2010: 198). Das leuchtet nicht ein, da auch Aufwertungen Ausdruck von Spannungen auf eine Währung sein können.
13
Interessant ist in diesem Zusammenhang zudem, dass die durchschnittliche Inflationsrate der drei best performer zu jedem Prüfdatum unter derjenigen aller Eurostaaten lag. Wären die Beitrittskandidaten also an einem
mit der Inflationsraten der Eurostaaten berechneten Referenzwert gemessen worden, hätten sie für die Erfüllung
des Kriteriums eine höhere Inflationsrate aufweisen dürfen (KOM 2010a: 37, Tabelle 1).
27
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
d) Stabilität des langfristigen Zinsniveaus
Darvas kritisiert hier die aus seiner Sicht ungerechtfertigte Verknüpfung mit den best performern beim Kriterium der Preisstabilität. Die Stabilität der langfristigen Zinssätze gibt zwar
Aufschluss darüber, ob die Preisstabilität in einem Land nachhaltig ist, umgekehrt muss Preisstabilität aber nicht zwangsläufig mit stabilen Zinssätzen einhergehen (Darvas 2010: 204). Es
ist nicht ersichtlich, wieso für die Beurteilung der Stabilität der langfristigen Zinssätze keine
eigenen Kriterien für den Referenzwert entwickelt wurden.
Die Konvergenzkriterien sind also mit gewissen Makeln behaftet. Zudem haben sie nur Gültigkeit, solange ein Staat der Eurozone noch nicht beigetreten ist. Ist der Beitritt erfolgt, könnten sich die Länder theoretisch wieder von allen Konvergenzbemühungen verabschieden und
langfristig die Währungsunion destabilisieren. Dies war auch den Gründervätern der EWU
bewusst. Deshalb haben sie sich 1997 auf den SWP geeinigt, dem das folgende Kapitel 3.3
gewidmet ist.
3.3 Stabilitäts- und Wachstumspakt
Analog zu Kapitel 3.2 wird in diesem Kapitel zunächst die Entstehungsgeschichte des SWP
nacherzählt, darauf folgt die Erläuterung der in ihm vorgesehenen Vorgaben und Sanktionen
und zum Schluss die Kritik an seiner Ausgestaltung und Operationalisierung. Da hier die
Gründe für die Verabschiedung des Paktes sowie seine Ausgestaltung und die Kritik daran
von Interesse sind, wird auf die Reform von 2005 nicht eingegangen.
Die Nicht-Einhaltung des Kriteriums eines tragfähigen öffentlichen Defizit- und Schuldenniveaus durch sechs der elf Gründungsmitglieder der Währungsunion führte zur Verabschiedung des SWP im Vertrag von Amsterdam im Juni 1997 (Gischer et al. 2012: 399). „Wähnte
man das Ziel der Preisniveaustabilität bei der neu geschaffenen Europäischen Zentralbank in
den besten Händen, so gaben die deutlich divergierenden (...) öffentlichen Haushaltsdefizite
zunehmend Anlass zur Sorge“ (Gischer et al. 2012: 399). Die Staats- und Regierungschefs der
ersten Mitgliedsstaaten der EWU fürchteten, dass die im nationalen Kompetenzbereich
verbleibende Wirtschaftspolitik die stabilitätsorientierte Geldpolitik der EZB unterlaufen
könnte (Ohr 2007: 111). Um dieser Gefahr vorzubeugen, wurde das dritte Konvergenzkriterium aus dem Vertrag von Maastricht in den SWP gegossen und damit auch nach dem Beitritt
zur Währungsunion bindend gemacht (Ohr 2007: 111). Der SWP fordert von den Eurostaaten
in wirtschaftlich guten Zeiten einen annähernd ausgeglichenen Haushalt, damit in Zeiten grö-
28
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
ßerer Verwerfungen und Ungleichgewichte hinreichend Spielraum besteht, um die Volkswirtschaften mit nationalen Maßnahmen zu stabilisieren (Gischer et al. 2012: 399-400).
3.3.1 Vorgaben und Sanktionen
„The Stability and Growth Pact (SGP) is a rule-based framework for the coordination of national fiscal policies in the European Union. It was established to safeguard sound public finances, based on the principle that economic policies are a matter of shared concern for all
Member States” (KOM Webseite 2013a). Der SWP hat zwei Arme: einen präventiven und
einen korrektiven. Der präventive Arm besteht aus dem länderspezifischen mittelfristigen
Budgetziel (medium-term budgetary objective, MTO), auf dessen Grundlage die EUMitgliedstaaten jährlich Stabilitätsprogramme (Eurostaaten) oder Konvergenzprogramme
(EU-Staaten ohne Euro) an die Europäische Kommission übermitteln. Die Beurteilung der
Programme soll es der Kommission und dem Ministerrat ermöglichen, ein Urteil darüber zu
fällen, ob die Länder ihre mittelfristigen Budgetziele erreicht haben oder auf einem guten
Weg dahin sind (KOM Webseite 2013b). Insbesondere dürfen die Maximalwerte von 3 Prozent des BIP für das öffentliche Defizit und 60 Prozent für das Verhältnis von Schulden und
BIP nicht überschritten werden. Eine Ausnahme gilt, wenn eine außergewöhnliche Situation
festgestellt wird, die den EU-Staaten erlaubt, die Referenzwerte kurzfristig zu missachten
(Josten 2002: 225). Stellt die Kommission eine Missachtung der Vorgaben aus dem SWP fest,
stehen ihr zwei Instrumente zur Reaktion zur Verfügung: 1. Der blaue Brief, der bei drohender Überschreitung der Referenzwerte verschickt wird. Mit dem blauen Brief gibt die Kommission konkrete Empfehlung für die Haushaltskonsolidierung an den betreffenden Staat ab.
Diese Empfehlungen sind jedoch rechtlich nicht bindend und mit keinen Sanktionen verbunden (KAS Webseite 2013). Der zweite Schritt ist das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit, das gleichzeitig den korrektiven Arm des SWP bildet und eine schrittweise Korrektur des
Defizits und/oder des Schuldenstandes zum Ziel hat (KOM Webseite 2013a). Ein übermäßiges Defizit in einem EU-Mitgliedstaat muss vom Ministerrat mit Zweidrittelmehrheit auf
Empfehlung der Kommission hin offiziell festgestellt werden. Erst dann kann das Verfahren
eröffnet werden. Das betroffene Land hat dabei kein Stimmrecht (KAS Webseite 2013). Als
Sanktion sind finanzielle Strafen vorgesehen (Schmid et al. 2006: 253). Zu beachten ist, dass
die Regeln des SWP für alle EU-Mitgliedstaaten gelten, die Sanktionen jedoch nur für die
Eurostaaten verhängt werden dürfen (KOM Webseite 2013a).
29
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
3.3.2 Kritik an Ausgestaltung und Operationalisierung
Zahnloser Tiger und stumpfes Schwert – das sind die Bezeichnungen, über die man immer
wieder stolpert, wenn man sich mit dem SWP beschäftigt. Der Hauptkritikpunkt ist die Art
und Weise, wie das Defizitverfahren festgestellt und eröffnet wird. Da der Ministerrat über
die Feststellung eines übermäßigen Defizits entscheidet, sind die Regierungen der Euroländer
faktisch für ihre eigene Bestrafung zuständig (Schmid et al. 2006: 253). In den Worten Renate
Ohrs: „Potenzielle Sünder urteilen über aktuelle Sünder“ (Ohr 2007: 112). Man kann sich
leicht vorstellen, dass die Staats- und Regierungschefs im Ecofin-Rat sich mit der Verurteilung eines Partnerstaates in der Eurozone zurückhalten, um in der Zukunft gegebenenfalls
vom gleichen Wohlwollen profitieren zu können. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Zweidrittelmehrheit für die offizielle Feststellung eines Defizits eine hohe Hürde darstellt. Hans
Tietmeyer berichtet von den Sorgen der Bundesbank, die schon Mitte der 1990er Jahre aufkamen: „Schon während den Vertragsverhandlungen haben wir seitens der Bundesbank in
Gesprächen mit Minister Waigel und seinen Mitarbeitern mehrfach auf die Schwachpunkte
dieses Überwachungsverfahrens und die dabei vorgesehene Aufgabenverteilung von Kommission und Ministerrat hingewiesen. Uns war klar, dass insbesondere das komplizierte Entscheidungsverfahren im Rat voraussichtlich nur begrenzte Prophylaxe entfalten werde, insbesondere dann, wenn mehrere Mitgliedsstaaten gleichzeitig die Obergrenzen nicht einhalten
bzw. keine ausreichenden Korrekturmaßnahmen ergriffen würden“ (Tietmeyer 2005: 233234). Wie zum Beweis der Richtigkeit der Warnungen haben 2002 und 2003 die beiden größten Volkswirtschaften der Eurozone – Deutschland und Frankreich – jeweils erfolgreich die
Versendung eines blauen Briefes zuhanden der eigenen Regierungen verhindert (Schmid et al.
2006: 253). Beide Länder hatten die Maximalwerte der Neuverschuldung verletzt, doch mit
politischem Druck auf die Europäische Kommission und die anderen Eurostaaten gelang es
ihnen, Sanktionen zu verhindern (Gischer et al. 2012: 400). Josten nennt noch einen zweiten
Kritikpunkt. Der SWP würde das in der Architektur der EWU angelegte Spannungsfeld zwischen „kurzfristigen konjunkturpolitischen Anforderungen einerseits und dem langfristigen
Erfordernis einer fiskalischen Konsolidierung andererseits“ institutionell festschreiben (Josten
2002: 219). Das grundlegende Problem – das ich oben schon dargelegt habe – liegt darin, dass
die europäische Geldpolitik nicht auf spezifische konjunkturelle Entwicklungen in den einzelnen Mitgliedstaaten reagieren kann, womit diese mittels anderer Maßnahmen ausgeglichen
werden müssen. Gleichzeitig können finanz- und fiskalpolitische Schwierigkeiten in den Mitgliedstaaten negative Auswirkungen auf die stabilitätsorientierte Geldpolitik der EZB haben,
womit die Eurostaaten in der Verantwortung für gesamte Währungsunion stehen. Der SWP
30
3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion
fokussiert hier ziemlich einseitig auf die langfristige Perspektive der Haushaltskonsolidierung
und gibt den Mitgliedstaaten wenig Spielraum zur kurzfristigen Reaktion auf Konjunkturschwankungen (Josten 2002: 119).
3.4 Fazit
Kapitel 3 hat die Grundzüge der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion mit ihrer
Ausgestaltung und den Auswirkungen auf die Mitgliedstaaten der Eurozone vorgestellt und
das nötige Vorwissen und den Rahmen für die Bearbeitung der Fragestellung geliefert. Es
wurde die Geldpolitik der EZB mit dem geldpolitischen Transmissionsmechanismus dargelegt und gezeigt, wieso die Gründerväter der EWU angesichts der wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Heterogenität der Eurostaaten die Maastrichter Konvergenzkriterien und
den Stabilitäts- und Wachstumspakt für notwendig gehalten und verabschiedet haben. Die
Konvergenzkriterien und der SWP wurden analysiert und kritisch betrachtet. Es konnte gezeigt werden, dass sowohl die Konvergenzkriterien als auch der SWP mit zahlreichen Mängeln behaftet sind. Es besteht also Grund zur Annahme, dass die Kriterien nicht zu einer konvergenten Entwicklung innerhalb der Eurozone beigetragen haben. In Kapitel 5 wird diese
Annahme an Griechenland und Irland überprüft.
Im folgenden Kapitel 4 wird These 1 bearbeitet und die Hintergründe der internationalen Finanzkrise sowie ihre Auswirkungen auf die EWU untersucht. Im Zentrum steht dabei, ob sich
die Finanzkrise als exogener Schock beschreiben lässt.
31
4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock
4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock
In diesem Kapitel wird These 1 untersucht: Die internationale Finanzkrise lässt sich als exogener Schock auf die Europäische Währungsunion beschreiben. Dazu muss zum einen definiert werden, was unter einem exogenen Schock verstanden wird und zum andern müssen die
Hintergründe der internationalen Finanzkrise sowie deren Auswirkungen auf die Eurozone
beleuchtet werden.
Der Begriff „exogener Schock“ entstammt den Wirtschaftswissenschaften und beschreibt eine
Situation, in der exogene Einflussfaktoren eine Änderung der Parameter in einem ökonomischen Modell bewirken (Gablers Wirtschaftslexikon Online, Schock 2013). Exogene Schocks
werden durch unvorhergesehene Ereignisse ausgelöst und führen zu größeren Schwankungen
im Finanzsystem und in der Realwirtschaft. Solche Ereignisse können Naturkatastrophen sein,
Kriege und Revolutionen oder auch die Zahlungsunfähigkeit mehrerer großer Akteure in einem Finanzsystem (Finanzlexikon Webseite 2013). Ein exogener Schock zieht meist einen
Domino-Effekt nach sich: Zunächst sind nur wenige Marktteilnehmer betroffen, doch mit der
Ausbreitung der Schwankungen ziehen die Auswirkungen des exogenen Schocks immer größere Kreise und letztendlich sind alle Akteure betroffen (Finanzlexikon Webseite 2013). Im
Fazit zu diesem Kapitel (4.3) wird auf die Definition eines exogenen Schocks zurückgegriffen
und untersucht, ob sich die in den Kapiteln 4.1 und 4.2 beschriebene internationale Finanzkrise als exogener Schock auf die Eurozone ausgewirkt hat.
4.1 Hintergründe
Die internationale Finanzkrise hat in den USA, genauer auf dem US-amerikanischen Immobilienmarkt ihren Anfang genommen. Voraus ging ihr eine längere Phase niedriger Zinsen und
starken Kreditwachstums, das durch die Leitzinssetzung der amerikanischen Notenbank (engl.
Federal Reserve, kurz Fed) angetrieben wurde (KOM 2009: 8). Die zwischen 2001 und 2004
auf ein historisch niedriges Niveau von 1 Prozent gesunkenen Zinsen auf amerikanische
Staatsanleihen, bewegten Investoren, sich nach alternativen Anlageinstrumenten mit höheren
Renditen umzusehen. Gleichzeitig ermöglichten die niedrigen Leitzinsen den Banken eine
günstige Refinanzierung (KOM 2009: 8).
Eines der Anlageinstrumente, dessen sich in den 2000er Jahren zahlreiche Banken und professionelle Investoren bedienten, sind die sogenannten Collateralized Debt Obligations
(CDO). CDO funktionieren folgendermaßen: Eine Bank besitzt Hypotheken, die sie für die
32
4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock
Vergabe von Immobilienkrediten an private Haushalte und Unternehmen erhalten hat. Wenn
sie die Hypotheken an interessierte Investoren weiterverkaufen möchte, kann sie sie zu handelbaren Wertpapieren – den CDO – bündeln. Der Investor, der das Bündel kauft, erhält danach die Renditen aus den Rückzahlungen der Kreditnehmer, die Zinsen darauf sowie das
Eigentumsrecht an der Immobilie, sollten die Kreditnehmer zahlungsunfähig werden (Mügge
2011: 55). Entscheidend bei CDO ist, dass die enthaltenen Hypotheken in drei Gruppen mit
zunehmender Rendite und steigendem Ausfallrisiko eingeteilt werden. Die drei Gruppen werden einzeln von Rating-Agenturen bewertet und können an drei verschiedene Investoren verkauft werden. Bei der Auszahlung der Zinsen und Rückzahlungen der Kreditnehmer werden
erst diejenigen Investoren bedient, welche die sicherste Gruppe gekauft haben. Erst wenn diese vollständig ausbezahlt wurden, erhalten auch die Besitzer der beiden anderen Gruppen ihr
Geld. Bei Zahlungsausfällen treffen die Verluste damit als erstes die Investoren, welche die
risikoreichste Gruppe gekauft haben (Mügge 2011: 55-56). Sie erhalten dafür auch entsprechend höhere Zinsen. Der Clou dabei ist, dass CDO es ermöglichen, Wertpapierbündel, die
im Mittel ein durchschnittliches Ausfallrisiko haben und durchschnittliche Zinsen einbringen
in („vermeintlich“) extrem sichere Elemente auf der einen und risikoreiche Elemente auf der
anderen Seite aufzuteilen (Mügge 2011: 56). Angesichts der großen Nachfrage nach CDO
wurde der Anteil an Hypotheken von kreditwürdigen Hausbesitzern (die sogenannten prime
mortgages) auf dem US-amerikanischen Hypothekenmarkt schnell knapp. Die Banken wollten aber weiterhin vom Geschäft mit den CDO profitieren und senkten in der Folge ihre Vergaberichtlinien für Hypothekenkredite. Damit konnten nun auch wenig bis gar nicht kreditwürdige Haushalte und Unternehmen einen Hypothekenkredit aufnehmen. Oft hatten diese
Kreditnehmer keine andere Sicherheit vorzuweisen als die gekaufte Immobilie selbst. Ihre
Hypotheken erhielten den im Rahmen der Finanzkrise berüchtigt gewordenen Namen subprime mortgages. Parallel zum massenhaften Auftreten der sub-prime mortgages beschloss
die US-amerikanische Regierung unter George W. Bush im Jahr 2003 zudem, die Bedingungen für den Erwerb von Wohneigentum zu verbessern. Der „American Dream Downpayment
Act“ ermöglichte die Bereitstellung von 200 Millionen US-Dollar pro Jahr zur Unterstützung
von Familien mit niedrigem Einkommen (Bush 2003). Die Regierung unterstützte damit die
Vergabe von Hypotheken an wenig kreditwürdige Haushalte.
Mit dem neu erschlossenen Markt der sub-prime Kunden ging das Spiel mit den CDO munter
weiter (vrgl. Mügge 2011: 59). Investoren engagierten sich massiv in CDO und finanzierten
ihre Einkäufe mit Krediten. Das System der CDO basierte damit zu einem darauf, dass das
33
4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock
Risiko der gebündelten Hypotheken mit jedem Verkauf weiter verlagert und verteilt wird.14
Niemanden kümmert das hohe Ausfallrisiko der einzelnen Hypothekenkredite (KOM 2009:
13). Zum anderen wurde darauf vertraut, dass immer nur ein geringer Teil der Kreditnehmer
ihre Zahlungen einstellen und das Hypothekenbündel stets mit genügend Liquidität versorgt
wird. Wenn Kreditnehmer zahlungsunfähig werden, fällt die Immobilie in den Besitz desjenigen Investors, der die Hypothek darauf hält. Er kann die Immobilie auf dem Immobilienmarkt
verkaufen und den Gewinn daraus für sich verbuchen. Dies geht gut, solange die Nachfrage
nach Immobilien und mit ihr die Immobilienpreise steigen. Traditionell war dies der Fall
(Mügge 2011: 60). Doch zwischen 2004 und 2006 erhöhte die Fed die Leitzinsen kontinuierlich auf 5 Prozent, womit viele Hausbesitzer plötzlich mehr als das doppelte an Zinsen für
ihre Hypotheken bezahlen mussten (Global-rates.com 2013). Dies führte zu zahlreichen Zahlungsausfällen vor allem im sub-prime Markt und immer mehr Immobilien gelangten auf den
Markt. Schnell war das Angebot größer als die Nachfrage und die Preise sanken. Die Immobilienbesitzer wiederum sahen sich plötzlich in einer Situation, in welcher ihr Eigentum an Wert
verliert und die Kosten der Kredittilgung im Extrem den Immobilienwert übersteigen. Immer
mehr Kreditnehmer stellten die Hypothekenzahlungen ein oder wurden zahlungsunfähig. Die
einzelnen Teile der CDO enthielten nun nicht mehr Hypotheken mit regelmäßigen Rückzahlungen und Zinsen, sondern nur noch wertlose Immobilien. Die Investoren hatten sich aber,
wie oben erwähnt, verschuldet, um die CDO kaufen zu können und waren zur Bedienung ihrer eigenen Kredite auf die Renditen aus den CDO angewiesen. Bleiben diese aus, kommen
auch sie in Zahlungsschwierigkeiten.
Investoren und Banken waren in dieser Zeit aufgrund der massiven Anwendung von Hebelinstrumenten und Laufzeitinkongruenzen (kurzfristige Verbindlichkeiten und langfristige Einlagen) besonders verletzlich gegenüber Preisveränderungen von Vermögenswerten, sich verschlechternden Kreditbedingungen und Verwerfungen auf den Refinanzierungsmärkten
(KOM 2009: 8). Das Geschäft mit den sub-prime Hypotheken war damit ein äußerst fragiles
Gebilde, das letztlich von einer steigenden Nachfrage nach Immobilien abhängig ist. Als das
Gebilde im Verlauf der Jahres 2007 Risse bekam, nahm auf den Finanzmärkten weltweit die
Kreditvergabe ab. Erste Finanzinstitute brachen unter der Last der nun wertlosen CDO und
ihren Kreditverbindlichkeiten zusammen und das Misstrauen auf den Finanzmärkten wuchs.
14
Ursprünglich war genau dies die Intention hinter CDO. Von den Derivaten wurde erwartet, dass sie Risiken in
den Finanzmärkten verteilen und damit vor allem für Banken, die „Nervenzentren“ der Finanzmärkte, verringern
(Mügge 2011: 61).
34
4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock
Eine fatale Kombination aus Unsicherheit hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit der anderen
Finanzmarktakteure und Unsicherheit hinsichtlich der noch anstehenden Wertbereinigungen
in den fremden und eigenen Portfolios ließ die Banken extrem vorsichtig werden (Mügge
2011: 62). „When the crisis broke in the late summer of 2007, uncertainty among banks about
the creditworthiness of their counterparts evaporated (…)“ (KOM 2009: 8). In der Konsequenz fror der Interbankenmarkt ein und die Risikoprämien auf Interbankenkredite stiegen
dramatisch an. Banken sahen sich plötzlich massiven Liquiditätsproblemen gegenüber und
mit dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 begann
eine finanzielle Kernschmelze auf den internationalen Finanzmärkten (KOM 2009: 8). Panik
brach aus, Ratings fielen ins Bodenlose, das gegenseitige Vertrauen verpuffte und die Kreditvergabetätigkeit kam zum Stillstand (KOM 2009: 8). Da die Banken sich nun nicht mehr refinanzieren konnten, schränkten sie die Kreditvergabe an private Haushalte und Unternehmen
ein, was sich negativ auf die allgemeine Wirtschaftstätigkeit auswirkte (KOM 2009: 8). Durch
die massive Versorgung mit Liquidität durch die Zentralbanken der größten Volkswirtschaften inklusive der EZB gelang es, die nationalen Bankensysteme kurzfristig zu stabilisieren.
Doch aufgrund einer massiven Unterkapitalisierung waren viele Finanzinstitute nicht nur von
einer kurzfristigen Liquiditätskrise betroffen, sondern liefen Gefahr, insolvent zu werden
(KOM 2009: 10). Die amerikanische Regierung und Regierungen in Europa begannen, die
toxischen Papiere ihrer nationalen Bankhäuser aufzukaufen und in eigens dafür eingerichtete
Fonds (sogenannte Bad Banks), die meist unter Kontrolle der nationalen Bankenaufsicht
und/oder der Regierung standen, auszulagern. Banken, die der Verkauf der Papiere (zu wesentlich niedrigeren Preisen als beim Einkauf) in die Insolvenz getrieben hätte, wurden zudem
zum Teil mit staatlichen Mitteln rekapitalisiert (KOM 2009: 10). Die Kommission kommt in
ihrer Untersuchung der Krise zu dem Schluss, dass „the proximate cause of the financial crisis
is the bursting of the property bubble in the United States and the ensuing contamination of
balance sheets of financial institutions around the world“ (KOM 2009: 10). Wie sich die Ansteckung der europäischen Banken genau abgespielt hat und welche Konsequenzen die Finanzkrise für die Eurozone hatte (und noch hat), wird im folgenden Kapitel 4.2 analysiert.
4.2 Auswirkungen auf die EWU-Mitgliedstaaten
Die amerikanischen und europäischen Finanzmärkte waren zum Ausbruch der Finanzkrise
von einer tiefen Integration und Vernetzung gekennzeichnet. Vor allem die europäischen
Großbanken hatten sich zuvor stark am US-amerikanischen sub prime- und CDO-Markt beteiligt und waren abhängig von der Refinanzierung aus dem Dollarraum (Mügge 2011: 69;
35
4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock
Lane 2012: 55). Der Dominoeffekt der Ansteckung übertrug die Verluste in den USA auf die
europäischen Finanzsysteme und die europäischen Banken sahen sich plötzlich mit dem Einfrieren des amerikanischen und des europäischen Interbankenmarktes konfrontiert (KOM
2009: 24). Das systemische Risiko, das die USA und Europa verbindet, wurde im Frühling
2008 offensichtlich, als der US-Investmentbank Bear Stearns und den beiden europäischen
Finanzhäuser Northern Rock und Landesbank Sachsen kurz hintereinander die Insolvenz
drohte (KOM 2009: 9). Die Auswirkungen der Finanzkrise sahen in der Folge auf den europäischen Finanzmärkten ähnlich aus wie in den USA: Vertrauensverlust auf dem Interbankenmarkt, Rückgang der Kreditvergabetätigkeit an Banken, Haushalte und Unternehmen,
kurzfristige Liquiditätsprobleme verwandeln sich in Insolvenzkrisen und führen zum Bankrott
zahlreicher Finanzinstitute (KOM 2009: 24). Die Realwirtschaft wurde vom Zusammenbruch
der Nachfrage nach Immobilien getroffen. Der Bausektor, der sich in einigen europäischen
Ländern zu einem wichtigen Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor entwickelt hatte, musste große Verluste hinnehmen. Dies verunsicherte die Haushalte und die Unternehmen, was die
Sparquoten ansteigen und die Binnennachfrage sowie die inländische Investitionsquote sinken
ließ (KOM 2009: 24). Es folgte ein signifikanter Kapitalabfluss aus dem privaten Sektor, wovon vor allem diejenigen europäischen Staaten hart getroffen wurden, die in den Jahren vor
der Krise von einem Aufschwung im Bau- und Immobiliensektor geprägt waren (Lane 2012:
54).
Die Staatsschulden waren in Europa in den Jahren 2008 und 2009 noch kein Thema. Die Beobachter in den EU-Institutionen und einzelnen Ländern gingen von einer reinen Finanzmarkt- und Bankenkrise aus und richteten den Fokus auf die Reaktionen der EZB, die mittels
Senkung der kurzfristigen Zinssätze Liquidität in den Euroraum pumpt. Die Stützung des
Bankensektors stand im Vordergrund und einzelne Regierungen, wie diejenigen Irlands und
Spaniens, wendeten dazu große finanzielle Mittel auf (Lane 2012: 55-56). Ende 2009 trat die
Finanzkrise in Europa jedoch in eine neue Phase: in einigen Ländern der Eurozone – unter
ihnen Griechenland und Irland – übertraf die tatsächliche Schuldenquote die Prognosen und
die Steuereinnahmen fielen aufgrund der sinkenden Vermögenswerte geringer aus als budgetiert (Lane 2012: 56). Dies wirkte sich negativ auf die Haushaltslage der Eurostaaten aus und
führte zu Herabstufungen der Länder durch die Rating Agenturen. Das dadurch ausgelöste
Misstrauen in die Stabilität der betroffenen Volkswirtschaften und die Bonität ihrer Staatssektoren auf den Finanzmärkten ließen für zahlreiche Länder die Refinanzierungskosten – ausgedrückt durch die Zinsen auf Staatsanleihen – massiv ansteigen (Lane 2012: 56; Eurostat Da-
36
4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock
tensatz langfristige Zinssätze 2013). Für Griechenland und Irland wird dies in Kapitel 5.4
Langfristige Zinssätze gezeigt. Innerhalb von nur zwei Jahren (zwischen 2008 und 2010) stieg
der Jahresdurchschnitt der Zinsen auf griechische Staatsanleihen von 4,8 Prozent auf 9,1 Prozent (Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013). Griechenland war dann auch das erste
Land der Eurozone, das im Mai 2010 komplett von der Refinanzierung auf den internationalen Finanzmärkten ausgeschlossen wurde. Irland folgt als zweiter Eurostaat im November
desselben Jahres (Lane 2012: 57). Die Refinanzierungskosten für den irischen Staat lagen zu
dieser Zeit bei 5,7 Prozent (Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013). Beide Länder
mussten in der Folge mit Finanzhilfen der EU und des IWF vor dem Staatsbankrott bewahrt
werden. Neben Griechenland und Irland mussten bis zum Sommer 2012 noch zwei weitere
Staaten das Rettungsprogramm von EU und IWF in Anspruch nehmen – Portugal und Zypern.
Spanien erhielt Finanzhilfen, um seinen angeschlagenen Bankensektor zu stabilisieren. Wie
die Entwicklung in Griechenland und Irland genau ausgesehen hat und wie es in den beiden
Ländern zur Krise kam, wird in Kapitel 6 untersucht.
4.3 Fazit
Die Frage, die Kapitel 4 zur internationalen Finanzkrise zugrunde liegt, ist, ob diese als exogener Schock auf die Eurozone beschrieben werden kann. Die dazugehörige These 1 lautet:
Die internationale Finanzkrise lässt sich als exogener Schock auf die Europäische Währungsunion beschreiben. Zu Beginn des Kapitels wurde definiert, was einen exogenen Schock
auf ein System ausmacht: Er muss außerhalb des betroffenen Systems entstanden sein und
einen wesentlichen Anpassungsdruck nach sich ziehen. Des Weiteren ist charakteristisch, dass
die von einem exogenen Schock ausgelösten Schwankungen sukzessive einen Großteil der
Marktteilnehmer erfassen. Nun muss entschieden werden, ob auf Grundlage dieser Definition
die internationale Finanzkrise als exogener Schock auf die Europäische Währungsunion beschrieben werden kann.
Die US-Immobilienkrise und die dadurch ausgelösten Zahlungsausfälle und das Einfrieren der
internationalen Finanzmärkte haben das europäische Bankensystem unvorbereitet getroffen
und zu massiven Verwerfungen geführt. Zwar haben sich auch europäische Banken im CDOMarkt engagiert und damit die Risiken in die eigenen Portfolios integriert. Doch die Entscheidung, vermehrt sub prime-Hypotheken auszugeben und als CDO weiterzuverkaufen, ist auf
dem amerikanischen Finanzmarkt gefallen. Der darauf folgende Zusammenbruch der Nachfrage nach Immobilien und die Kreditkrise sind in den USA entstanden und über die eng ver-
37
4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock
netzten Finanzmärkte nach Europa und in die ganze Welt gelangt. Ob diese Entwicklung unvorhergesehen war, kann hier nicht beantwortet werden. Es ist nicht auszuschließen, dass vor
allem in den letzten Jahren vor Ausbruch der Krise Investoren die Gefahr, die in der weiten
Verbreitung von CDO liegt, erkannt haben. Entscheidend für die hier untersuchte These ist
jedoch, dass die Auswirkungen auf die Staaten der Eurozone die politischen Entscheidungsträger auf nationaler und supranationaler Ebene in ihrem Ausmaß überrascht und überfordert
haben. In ihrem Ursprung ist die internationale Finanzkrise ein Schock auf dem USImmobilienmarkt, der über komplexe Finanzmarktinstrumente und eine enge Vernetzung der
Finanzmärkte einen massiven Wirkungskreis entwickelt und zu Verwerfungen auf den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft der Eurozone geführt hat. Dies entspricht der oben
genannten Definition eines exogenen Schocks, womit These 1 angenommen werden kann. In
einem Ausblick auf Kapitel 6 kann bereits hier erwähnt werden, dass die Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung in Griechenland und Irland ergibt, dass sich die internationale Finanzkrise zudem asymmetrisch auf die beiden Volkswirtschaften ausgewirkt hat. Während in
Griechenland in erster Linie der Staat vom Einfrieren des Euro-Interbankenmarktes getroffen
wurde, war es in Irland der Bankensektor, welcher die Verwerfungen auf den Finanzmärkten
negativ zu spüren bekam. Damit fügt sich die internationale Finanzkrise in die Diskussion um
die Theorie der Optimalen Währungsräume aus Kapitel 2 ein. Für Griechenland und Irland
hat sich die von Krugman vorausgesagte Differenzierung der Wirtschaftsstrukturen eingestellt
und die beiden Länder wurden in unterschiedlicher Weise vom exogenen Schock der Finanzkrise getroffen.
Im nun folgenden Kapitel 5 wird die Entwicklung von drei der vier Konvergenzkriterien in
Griechenland und Irland und den Durchschnittswerten der Eurozone betrachtet und daraus
abgeleitet, ob innerhalb der Währungsunion in den ersten 10 Jahren ihres Bestehens eine konvergente oder eine divergente Entwicklung stattgefunden hat. Die Ergebnisse der Analyse
dienen der Untersuchung der in der Einleitung vorgestellten These 2.
38
5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland
5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland
In diesem Kapitel wird These 2 der Arbeit untersucht: Die erhoffte Konvergenz der
Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands zum Durchschnitt der Eurozone hat sich in den
ersten zehn Jahren des Bestehens der EWU nicht eingestellt. Dazu wird die Entwicklung von
drei der vier Konvergenzkriterien in den ausgewählten Ländern Irland und Griechenland
sowie der Durchschnittswerte der Eurozone betrachtet. Wie in Kapitel 3.2 zum Vertrag von
Maastricht schon erwähnt, sind für die Beurteilung der Konvergenz der Volkswirtschaften
von Beitrittskandidaten durch die EU-Institutionen die Durchschnittswerte aller EU-Staaten
entscheidend. Da ich jedoch aus den genannten Gründen denke, dass dieses Vorgehen das
Ergebnis unnötig verzerrt, verwende ich den Durchschnitt der Werte aller Eurostaaten als
Referenz.15 Die drei betrachteten Konvergenzkriterien sind die Preisstabilität, das tragbare
öffentliche Defizit- und Schuldenniveau sowie die Stabilität der langfristigen Zinssätze. Das
Kriterium der Wechselkursstabilität wird vernachlässigt, da dafür nur Werte vor dem Beitritt
eines Landes zur Eurozone zur Verfügung stehen. Operationalisiert werden die
Konvergenzkriterien analog zum Vorgehen der EU-Institutionen als Veränderung des
durchschnittlichen Harmonisierten Verbraucherpreisindex eines Jahres relativ zum 12Monatsdurchschnitt des Vorjahres in Prozentpunkten (Preisstabilität), als Differenz der
Einnahmen und Ausgaben des Staatssektors relativ zum BIP (öffentliches Defizit), als BruttoGesamtschuldenstand des Staatssektors relativ zum BIP (öffentlicher Schuldenstand) und als
Jahresdurchschnitt der Renditen auf 10-jährige Staatsanleihen (langfristige Zinssätze).16 Die
15
Die Durchschnittswerte entstammen eigenen Berechnungen auf Grundlage der Daten von Eurostat. Die
Berechnungsgrundlage waren jeweils die Werte aus allen Ländern, die zum Beobachtungszeitpunkt Mitglied der
Eurozone waren. Für die Beobachtungszeitpunkte 1998 bis 2006 sind das 12 Staaten (Belgien, Deutschland,
Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien und zusätzlich
Griechenland, obwohl dessen Beitritt erst 2000 folgte). Für den Beobachtungszeitpunkt 2007 kommt Slowenien
als 13. Mitglied hinzu, für 2008 Zypern und Malta als 14. und 15. Mitglied und ab 2009 sind es mit dem Beitritt
der Slowakei 16 Eurostaaten. Die Berechnungen erfolgten ohne Gewichtung.
16
Die Europäische Kommission und die EZB berechnen die langfristigen Zinssätze auf der Basis der Renditen,
die auf dem Sekundärmarkt erzielt werden (KOM 2010a: 42). Dies ist irritierend, da hiermit nicht der Preis gemessen wird, den Staaten für die Emission ihrer Anleihen bezahlen müssen. Dieser bildet sich auf dem Primärmarkt, wo eine größere Anzahl Käufer dem Staat als Verkäufer gegenüber stehen. Auf dem Sekundärmarkt handeln im Normalfall nur der Besitzer der Staatsanleihen (der diese auf dem Primärmarkt einem Staat abgekauft
hat) und ein interessierter Käufer miteinander. Die Zinssätze auf Sekundärmärkten sind aus zwei Gründen tendenziell verzerrt: Erstens ist die Anzahl der Marktteilnehmer geringer als auf dem Primärmarkt und zweitens
sind die Renditen eher von kurzfristigen Emotionen auf den Finanzmärkten beeinflusst. Das Vertrauen in die
Bonität des Staatsanleihen emittierenden Staates, das durch das Konvergenzkriterium der langfristigen Zinssätze
eigentlich gemessen werden sollte, ist in den Sekundärmarktrenditen nur indirekt ausgedrückt. Da in dieser Arbeit die Maastrichter Konvergenzkriterien als Grundlage für die Untersuchung der konvergenten oder divergen-
39
5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland
genaue Operationalisierung der Daten durch Eurostat kann Anhang A.1 entnommen werden.
Die Analyse der Werte zwischen 1998 und 2010 für Irland und Griechenland im Vergleich zu
den Durchschnittswerten der Eurozone erhellt, ob sich die irische und die griechische
Volkswirtschaft seit ihrem Beitritt zur EWU in den Konvergenzkriterien konvergent oder
divergent
zum
Rest
der
Eurozone
entwickelt
haben.
Die
Länderwerte
den
Durchschnittswerten der Eurozone gegenüber zu stellen, ist ein einfaches Maß für
Konvergenz. Zusätzlich werden für alle Kriterien die Differenzen zwischen den
Durchschnittswerten der Eurozonen und den Werten von Griechenland und Irland für jedes
Beobachtungsjahr berechnet. Dies lässt eine Aussage darüber zu, wie groß eine eventuell
festgestellte divergente Entwicklung gegenüber den Durchschnittswerten der Eurozone ist.
Jedes Kriterium wird in einem eigenen Kapitel analysiert. Der gesamte Datensatz sowie für
die Interpretation verwendete, zusätzliche eigene Berechnungen finden sich in Anhang A.2
Erklärungen und Interpretationen zu der Entwicklung der Werte folgen in den detaillierten
Länderbetrachtungen in den Kapiteln 6.1 und 6.2.
ten Entwicklung der Volkswirtschaften der Eurozone dienen, werden nichtsdestotrotz die von Eurostat zur Verfügung gestellten langfristigen Zinssätze auf dem Sekundärmarkt für die quantitative Analyse verwendet.
40
5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland
5.1 Preisstabilität
Abbildung 2: Entwicklung der Preisstabilität
Quelle: Eurostat Datensatz Inflation 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes
Die für die Beurteilung der Preisstabilität verwendete Maßzahl ist die Inflation definiert als
„jährliche Veränderungsrate des durchschnittlichen HVPI“. Sie beschreibt, um wie viele
Prozentpunkte sich der HVPI in einem Land zwischen Jahr t und dem Vorjahr t-1 verändert
hat. Am Beispiel von Abbildung 2 bedeutet dies also, dass die griechische Inflation von 2000
auf 2002 von 2,9 auf 3,9 Prozent gestiegen ist. Wie in Kapitel 3.2.1 zur Geldpolitik der EZB
schon dargelegt, strebt die EZB für die Eurozone eine Veränderung des HVPI von
mittelfristig nahe, aber unter 2 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr an (EZB 2011: 9). Im
beobachteten Zeitraum erreicht sie dieses Ziel strenggenommen nur einmal. Nämlich im Jahr
2010 mit einer Inflation von 1,7 Prozent. 1998 und 1999 liegt die Inflation des EuroWährungsgebietes bei 1,6 bzw. 1,5 Prozent, jedoch wurde die EWU zu dieser Zeit erst
errichtet und die Werte können somit nicht eindeutig der Wirkung der Geldpolitik der EZB
zugeschrieben werden. Für die hier untersuchten These 2 ist jedoch nicht die Preisstabilität in
der Eurozone für sich allein entscheidend, sondern ob sich die Inflation in Griechenland und
Irland konvergent oder divergent zum Eurozonendurchschnitt entwickelt hat.
41
5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland
Zwischen 1998 und 2000 ist die griechische Inflation stark gesunken und Griechenland hat
mit einer Inflationsrate von 2,1 Prozent im Jahr 1999 annähernd Preisstabilität nach
Definition der EZB erreicht. Da die durchschnittliche Inflation in der Eurozone bis 2000 auf
2,8 Prozent steigt, weist Griechenland mit einer Abweichung von bloß +0,1 Punkten fast
vollständige Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt auf. Griechenland kann diese
Konvergenz jedoch nicht beibehalten und schon 2001 nimmt die Abweichung vom
Eurozonendurchschnitt wieder zu. Die griechische Inflation steigt bis 2002 auf 3,9 Prozent,
während der Eurozonendurchschnitt um 3 Prozent schwankt. Bis 2005 entwickelt sich die
griechische Inflation annähernd parallel zur durchschnittlichen Inflationsrate der Eurozone.
Ab 2005 lässt sich wieder eine Konvergenz feststellen, die 2008 mit einer Abweichung von
+0,5 Punkten von der Eurozone endet. Ab 2008 entwickelt sich griechische Inflationsrate
wieder vom Wert für die Eurozone weg. Nach einem Einbruch auf 1,3 Prozent im Jahr 2009
steigt die griechische Inflationsrate 2010 wieder auf 4,7 Prozent, womit die Differenz zum
Eurozonendurchschnitt +3 Punkte ausmacht. Über den Beobachtungszeitraum bis zum
Ausbruch der internationalen Finanzkrise im Jahr 2008 kann man also von einer leichten
Konvergenz der Veränderung der griechischen Inflationsrate zum Eurozonendurchschnitt
sprechen. Jedoch drückt sich diese eher in der parallelen Entwicklung der Inflationsraten bei
gleichbleibender Differenz, als in einer tatsächlichen Angleichung der Werte aus.
Etwas eindeutiger präsentiert sich die Situation für Irland, wo nur in einer Phase zwischen
2003 und 2005 eine längerfristige Konvergenz stattgefunden hat. In dieser Zeit sinkt die
irische Inflationsrate von 4 auf 2,2 Prozent, während die Inflation in der Eurozone bei
durchschnittlich 2,3 Prozent liegt. Vorher – also zwischen 1998 und 2002 – hat sich die
irische Inflationsrate mit Werten zwischen 2,1 und 5,3 Prozent stark schwankend entwickelt.
Zwischen 2005 und 2008 steigt die Inflationsrate in der Eurozone auf 3,7 Prozent. Irland
macht den Aufwärtstrend mit und liegt 2008 bei 3,1 Prozent. Damit findet zwar eine mehr
oder weniger parallele Aufwärtsbewegung statt, jedoch keine Konvergenz. Wie in
Griechenland stürzt auch die irische Inflationsrate von 2008 auf 2009 ab und mündet in einer
Deflation für Irland. Anders als die griechische Inflationsrate, die bis 2010 wieder auf 4,7
Prozent
steigt,
verharrt
die
irische
Inflationsrate
im
negativen
Bereich.
Der
Eurozonendurchschnitt steigt in der gleichen Zeit wieder auf 1,7 Prozent. Über den gesamten
Beobachtungszeitraum lässt sich damit sagen, dass die Inflationsrate Irlands sich nur während
weniger Jahre ähnlich wie der Eurozonendurchschnitt entwickelt hat. Besonders für die ersten
Jahre der internationalen Finanzkrise kann zudem von einer stark divergenten Entwicklung
42
5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland
der Inflationsrate für Irland vom Durchschnitt der Eurozone gesprochen werden.
5.2 Budgetdefizit
Abbildung 3: Entwicklung des öffentlichen Budgetdefizits 1998-2010
Quelle: Eurostat Datensatz Budgetdefizit 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes
Bei der Betrachtung von Abbildung 3 scheinen sich die Budgetsaldi von Griechenland und
Irland zwischen 2000 und 2006 einigermaßen parallel zum durchschnittlichen Budgetdefizit
der Eurozone zu bewegen. Jedoch sind aufgrund des extremen Wertes von Irland im Jahr
2010 – ein Budgetdefizit von -30,8 Prozent des BIP – die Entwicklungen im oberen
Skalenbereich (-5 bis +5 Prozent) nicht gut erkennbar. Deswegen wird zusätzlich Abbildung 4
mit einem Beobachtungszeitraum von 1998 bis 2009 dargestellt.
43
5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland
Abbildung 4: Entwicklung des öffentlichen Budgetdefizits 1998-2009
Quelle: Eurostat Datensatz Budgetdefizit 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes
Auf beiden Abbildungen wird klar, dass das Budgetsaldo von Griechenland konstant negativ
ist und sich unter demjenigen des Eurozonendurchschnitts bewegt. Das griechische
Budgetsaldo reicht von -3,7 Prozent des BIP im Jahr 2000 bis -15,6 Prozent neun Jahre später.
Auch die Eurozone weist mit Ausnahme des Jahres 2000 stets ein leichtes Budgetdefizit auf.
Hinsichtlich der Richtung der Entwicklung lässt Abbildung 4 erkennen, dass das Budgetsaldo
von Griechenland in der Tendenz dem Eurozonendurchschnitt folgt, jedoch größeren
Schwankungen unterliegt. Dies ist besonders gut im Jahr 2004 erkennbar. Sowohl in
Griechenland mit -7,5 Prozent als auch in der Eurozone mit -2,2 Prozent wird ein Tiefstand
des Budgetdefizits erreicht. Im Fall von Griechenland fällt dieser aber weit größer aus. Direkt
nach dem Beitritt zur Eurozone hat eine leicht konvergente Entwicklung des griechischen
Budgetsaldos zum Durchschnitt der Eurostaaten stattgefunden. Da das Budgetdefizit in der
Eurozone bis 2003 wächst, kann Griechenland die Abweichung seines Budgetsaldos vom
Eurozonendurchschnitt verringern. Doch da Griechenland den danach einsetzenden
Aufwärtstrend des durchschnittlichen Budgetsaldos der Eurozone nicht mitmacht, entwickelt
sich das griechische Saldo bis 2006 wieder divergent zum Durchschnitt. Ab 2006 verstärkt
sich die divergente Entwicklung und findet mit einer Abweichung von -8,8 Punkten vom
44
5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland
Eurozonendurchschnitt im Jahr 2009 ihren Höhepunkt. Wie in Abbildung 3 ersichtlich,
verringert sich das Budgetdefizit Griechenlands interessanterweise zwischen 2009 und 2010
von -15,6 auf -10,7 Prozent des BIP. Da in der gleichen Zeit das Budgetdefizit des
Eurozonendurchschnitts von -6,9 auf -7,3 Prozent des BIP steigt, findet wiederum eine
konvergente Entwicklung statt. Ob dies ein einmaliges Phänomen ist oder einen Trend
darstellt, müsste die Betrachtung der Budgetsaldi ab 2011 erhellen. Für den Großteil des
beobachteten Zeitraums von 1998 bis 2010 kann jedenfalls von einer divergenten
Entwicklung des griechischen Budgetsaldos weg vom Eurozonendurchschnitt gesprochen
werden.
Irland weist bis 2007 – mit einer Ausnahme im Jahr 2002 von -0,4 Prozent des BIP – einen
Haushaltsüberschuss
auf,
womit
das
irische
Budgetsaldo
stets
über
dem
Eurozonendurchschnitt liegt. Mit dem Abbau des Budgetüberschusses von 4,7 Prozent auf
-0,4 Prozent zwischen 2000 und 2002 entwickelt sich das irische Budgetsaldo klar konvergent
zum Eurozonendurchschnitt. Wie in Abbildung 4 gut zu erkennen ist, wächst der irische
Budgetüberschuss jedoch zwischen 2002 und 2006 wieder auf 2,9 Prozent an. Das
durchschnittliche Budgetsaldo der Eurozone sinkt auf -2,2 Prozent im Jahr 2004 und steigt bis
2006 wieder leicht auf -0,6 Prozent, womit zumindest für diese beiden Jahre eine parallele
Entwicklung einsetzt. Zwischen 2007 und 2009 erlebt Irland wie Griechenland und der
Eurozonendurchschnitt einen Absturz des Budgetsaldos von über 5 Prozentpunkten – Irland
liegt nun bei -13,9 und die Eurozone fällt auf ein Allzeittief von -6,9 Prozent. Somit könnte
man hier tatsächlich von einer konvergenten Entwicklung nach unten sprechen. Dass für
Irland trotzdem über den beobachteten Zeitraum keine Konvergenz festgestellt werden kann,
sieht man an der Entwicklung ab 2002. Aufgrund der absoluten Abweichungen der
Budgetsaldi stellt sich selbst in Phasen gleichartiger Entwicklungstendenzen (2004-2006)
keine Konvergenz zwischen Irland und dem Eurozonendurchschnitt ein. Die fehlende
Konvergenz wird schließlich durch die Entwicklung des irischen Budgetsaldos zwischen 2009
und 2010 in Abbildung 3 bestätigt. Während Griechenland und der Durchschnitt der
Eurostaaten eine scheinbar positive Entwicklung durchmachen – das Defizit von
Griechenland sinkt 2010 auf -10,7 und jenes der Eurostaaten steigt nur noch leicht auf -7,3
Prozent – stürzt Irland auf -30,8 Prozent des BIP ab. Eine Erklärung für die Entwicklung des
irischen Budgetsaldos folgt in Kapitel 6.2.1.
45
5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland
5.3 Schuldenstand
Abbildung 5: Entwicklung des öffentlichen Schuldenstandes
Quelle: Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes
Abbildung 5 zeigt deutlich, dass sowohl der öffentliche Schuldenstand von Griechenland als
auch jener Irlands über einen Großteil des beobachteten Zeitraums stark vom Durchschnitt der
Eurozone abweichen. Besonders eindeutig ist die Entwicklung in Griechenland, wo nur bei
zwei Jahren eine zumindest leicht konvergente Entwicklung festgestellt werden kann. Dabei
handelt es sich um die Jahre 2002 und 2003, in denen der griechische Schuldenstand relativ
zum BIP von 101,7 Prozent auf 97,4 Prozent gesunken ist und sich damit die Differenz zum
Eurozonendurchschnitt von +40,4 auf +36,2 Prozentpunkte verringert. Doch schon im
darauffolgenden Jahr 2004 steigt die Abweichung des Schuldenstandes Griechenlands vom
Durchschnitt der Eurozone wieder auf +37,5 Punkte an. Diese divergente Entwicklung setzt
sich über den gesamten restlichen Beobachtungszeitraum bis 2010 fort und kulminiert in einer
Abweichung von +74,1 Prozentpunkten im Jahr 2010. Der öffentliche Schuldenstand
Griechenlands hat dann einen Wert von 148,3 Prozent des BIP erreicht, während der Wert für
die Eurozone bei 74,2 Prozent des BIP liegt. Für den öffentlichen Schuldenstand
Griechenlands ist damit die Beurteilung eindeutig: Es hat seit dem Beitritt des Landes zur
46
5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland
EWU keine konvergente Entwicklung zum Rest der Eurozone stattgefunden.
Für Irland präsentiert sich das Bild zumindest bis 2007 ähnlich. Auffällig ist, dass der irische
öffentliche Schuldenstand weit unter dem Eurozonendurchschnitt liegt. So sinkt er zwischen
1998 und 2007 von 53,0 auf 25,1 Prozent des BIP, womit Irland zu den Euroländern mit dem
geringsten öffentlichen Schuldenstand gehört. Der durchschnittliche Schuldenstand der
Eurozone sinkt im gleichen Zeitraum von 66,7 auf 55,7 Prozent des BIP. Irland macht den
Abwärtstrend des Schuldenstandes in der EWU mit, jedoch in wesentlich größerem Ausmaß.
Die Abweichung des irischen Schuldenstandes vom Eurozonendurchschnitt steigt zwischen
1998 und 2006 von -18,1 auf -30,6 Prozentpunkte. Da der öffentliche Schuldenstand Irlands
2007 eine Kehrtwende erlebt und von nun an rasant ansteigt – von 25,1 Prozent des BIP auf
92,1 Prozent – nähert er sich auch dem Eurozonendurchschnitt an. 2009 treffen sich die
beiden Schuldenstände mit 64,8 Prozent für Irland und 67,6 Prozent für den
Eurozonendurchschnitt, die Abweichung beträgt nur noch -2,8 Punkte. Doch schon im
darauffolgenden Jahr übertrifft der irische Schuldenstand erstmals den Durchschnitt der
Eurozone und die Abweichung steigt auf +17,9 Prozentpunkte. Für den irischen
Schuldenstand lässt sich also festhalten, dass vom Beitritt zur Eurozone bis 2006 eine
divergente Entwicklung zum Eurozonendurchschnitt stattgefunden hat. Mit dem Anstieg der
öffentlichen Schulden in Irland ab 2007 haben sich diese konvergent hin zum Durchschnitt
entwickelt, übertreffen diese aber bereits 2010, womit wieder eine Divergenz eingesetzt hat.
47
5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland
5.4 Langfristige Zinssätze
Abbildung 6: Entwicklung der langfristigen Zinssätze
Quelle: Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des
Datensatzes
Für den Jahresdurchschnitt der Renditen auf 10-jährige Staatsanleihen zeigt Abbildung 6 eine
eindeutig konvergente Entwicklung zum Eurozonendurchschnitt sowohl für die griechischen
als auch für die irischen Staatsanleihen. Besonders beeindruckend ist die Entwicklung im
Falle Griechenlands. Musste der griechische Staat 1998 noch 8,5 Prozent Rendite auf die von
ihm emittierten Anleihen auszahlen, so sank der Zinssatz mit dem Beitritt zur Eurozone auf
6,1 Prozent im Jahr 2000 und erreicht 2003 und 2004 mit 4,3 Prozent fast vollständige
Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt, der in diesen Jahren bei 4,1 Prozent liegt. Mit
Abweichungen zwischen +0,1 und +0,3 Prozentpunkten zwischen 2001 und 2008 kann
Griechenland diese Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt in den langfristigen Zinssätzen
auf Staatsanleihen halten. Mit dem Ausbruch der internationalen Finanzkrise steigen die
Renditen auf 10-jährige griechische Staatsanleihen jedoch wieder stark an und sind 2010 mit
9,1 Prozent sogar höher als vor dem Beitritt zur Eurozone. Hinsichtlich der Beurteilung der
Konvergenz lässt sich für die langfristigen Zinssätze auf griechische Staatsanleihen sagen,
dass nach dem Beitritt zur Eurozone eine konvergente Entwicklung stattgefunden hat, die
jedoch mit der internationalen Finanzkrise beendet und von Divergenz abgelöst wurde.
48
5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland
Ähnlich präsentiert sich das Bild für Irland. Die Renditen auf 10-jährige irische
Staatsanleihen entsprechen zwischen 2000 und 2007 beinahe exakt den Durchschnittswerten
für die Eurozone. Die Abweichungen schwanken zwischen -0,1 und +0,1 Prozentpunkten.
Damit lässt sich für Irland eine vollständige Konvergenz der langfristigen Zinssätze auf
Staatsanleihen zum Eurozonendurchschnitt feststellen. Anders als im Fall von Griechenland
lagen die irischen Zinssätze auch schon vor dem Beitritt zur Eurozone auf einem ähnlichen
Niveau wie der Durchschnitt der Euroländer. Ab 2008 steigen die irischen Zinssätze von 4,5
auf 5,7 Prozent an und entfernen sich damit vom Eurozonendurchschnitt. Für die letzten drei
Jahre des Beobachtungszeitraums lässt sich also auch für Irland eine Divergenz vom
Durchschnitt der Eurozone feststellen.
5.5 Fazit
Welchen Schluss lassen die oben entdeckten Muster der Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland hinsichtlich These 2 zu? Zur Erinnerung, These 2 lautet: Die
erhoffte Konvergenz der Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands zum Durchschnitt der
Eurozone hat sich in den ersten zehn Jahren des Bestehens der EWU nicht eingestellt. Die
These lässt sich auf Grundlage der beschriebenen Entwicklungen weder vollständig annehmen noch komplett verwerfen. So lässt sich zwar für Griechenland eine leichte Konvergenz
der Inflationsrate feststellen, jedoch bleiben die Differenzen zum Eurozonendurchschnitt bestehen und es lässt sich eher von einer parallelen Entwicklung sprechen. Im Fall von Irland
entwickelt sich die Inflationsrate bis auf wenige Ausnahmen divergent. Beim Budgetdefizit
weist in erster Linie Griechenland einen divergenten Trend weg vom Eurozonendurchschnitt
auf, während das irische Budgetdefizit sich zumindest teilweise konvergent entwickelt. Über
die ersten zehn Jahres des Bestehens der EWU gesehen, lässt sich aber auch für Irland keine
konsequent konvergente Entwicklung des Budgetsaldos feststellen. Eindeutig divergent präsentiert sich die Entwicklung des öffentlichen Schuldenstandes sowohl für Irland als auch für
Griechenland. Somit sind es die langfristigen Zinssätze, die als einziges der betrachteten Kriterien, die erhoffte Konvergenz zwischen den Staaten der Eurozone für Griechenland und
Irland erreicht haben. In der Summe überwiegen damit die divergenten Entwicklungen der
Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland zum Durchschnitt der Eurozone und die These kann mit Hinweis auf einzelne Einschränkungen bejaht werden.
Was bedeutet dies nun für die Treffsicherheit der Geldpolitik der EZB und die Stabilität der
EWU? In Kapitel 3 wurde dargelegt, wieso eine gewisse Konvergenz der Volkswirtschaften,
49
5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland
die sich in einer Währungsunion mit einheitlicher Geldpolitik zusammenschließen, als notwendig erachtet wird. Betrachtet man nur die Ergebnisse der Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland im Vergleich zu den Durchschnittswerten der Eurozone, so
muss hinsichtlich der Treffsicherheit der EZB-Geldpolitik für diese beiden Länder ein negatives Fazit gezogen werden. Drei der vier betrachteten Kriterien weisen eher divergente als
konvergente Entwicklungen auf. Bei der Inflationsrate, als wichtigste Zielvariable der Leitzinssetzung der EZB, wirkt sich dies besonders stark aus. Eine am Durchschnittswert der Eurozone ausgerichtete Leitzinssetzung war im beobachteten Zeitraum von 1998 bis 2010 sowohl für Griechenland als auch für Irland nicht immer angemessen und hatte damit möglicherweise nicht intendierte, destabilisierende Effekte. Das Budgetdefizit und der öffentliche
Schuldenstand sind Einflussgrößen der Wirtschafts- und Fiskalpolitik und werden von der
Geldpolitik der EZB nur indirekt beeinflusst. Ein tragbares öffentliches Budgetdefizit- und
Schuldenniveau ist Ausdruck für die Stabilität einer Volkswirtschaft und als solcher im SWP
festgeschrieben. Wenn sich die Mitgliedstaaten der Eurozone wie im Fall von Griechenland
und Irland teilweise geschehen, in ihrem Budgetsaldo und Schuldenstand zu sehr voneinander
– und damit auch vom Durchschnitt der Eurozone entfernen – so kann die Währungsunion als
Ganzes destabilisiert werden. Die langfristigen Zinssätze schließlich sollen, wie in Kapitel
3.2.1 zu den Konvergenzkriterien dargelegt, nach Art. 140 AEUV Ausdruck der Dauerhaftigkeit der erreichten Konvergenz eines Mitgliedstaates sein. Angesichts der fehlenden Konvergenz in den anderen Kriterien, scheinen die langfristigen Zinssätze kein angemessenes Testkriterium zu sein. Naheliegender ist, dass die Renditen auf Staatsanleihen das Vertrauen der
Finanzmärkte in einen Staat ausdrücken und vor allem Griechenland nach seinem Beitritt zur
Eurozone von einem auf der Stabilität anderer Mitgliedstaaten beruhenden Vertrauensbonus
profitiert hat. Wie in Kapitel 4 bereits bemerkt und in Kapitel 5.4 bestätigt, wurden die Defizite der griechischen Wirtschaft mit dem Ausbruch der internationalen Finanzkrise aufgedeckt
und die Zinsen auf Staatsanleihen stiegen stark an. Mehr dazu im folgenden Kapitel 6.
50
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
In diesem Kapitel geht es darum, die Auswirkungen der einheitlichen Geldpolitik der EZB
und der gemeinsamen Währung in der EWU auf Griechenland und Irland zu untersuchen. Die
zu überprüfende These 3 wird hier noch einmal genannt: Die Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland sind entstanden aus dem exogenen Schock der internationalen Finanzkrise auf die durch fehlende Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt und eine einheitliche
Geldpolitik charakterisierten Volkswirtschaften. Um den postulierten Zusammenhang zu untersuchen, wird eine kontrafaktische Analyse durchgeführt. Nach Winker dient die Methode
der kontrafaktischen Evidenz dazu, die Entwicklung ökonomischer Reihen unter der Annahme zu untersuchen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte wirtschaftspolitische
Entscheidung getroffen worden wäre. Da hierbei die Auswirkungen dieser Entscheidung auf
verschiedene Variablen im Fokus stehen, wird die Methode auch als Politiksimulation bezeichnet (Winker 2010: 292). In der Wirtschaftswissenschaft werden dazu ökonometrische
Modelle geschätzt, in denen einzelne Parameter gezielt verändert werden können, um die Effekte auf die interessierenden Variablen zu beobachten. In der Regel geschieht das mit einer
Computersimulation (Winker 2010: 315). Für diese Arbeit würde eine modellbasierte, computergestützte Simulation zu weit gehen und den Rahmen des politikwissenschaftlichen Ansatzes sprengen. Deshalb wird anstelle des ökonometrischen Modells ein Gedankenexperiment
entwickelt. Es wird eine Situation imaginiert, in der Griechenland und Irland nicht Mitglieder
der Eurozone sind und ihre nationalen Währungen behalten haben. Die Eurozone besteht in
diesem Szenario aus allen anderen Mitgliedern und funktioniert nach den in dieser Arbeit beschriebenen Mechanismen. In dieser hypothetischen Welt wird überlegt, wie eine alternative
Geldpolitik für Griechenland und Irland hätte aussehen können und welche Effekte sie gezeigt
hätte. Dazu wird in den Kapiteln 6.1.1 und 6.2.1 die Entwicklung der Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands zwischen 2000 und 2010 nachvollzogen, um in den Kapiteln 6.1.2 und
6.2.2 die Auswirkungen der Geldpolitik auf die beiden Länder zu untersuchen. Auf der
Grundlage der Ergebnisse dieser Kapitel wird dann in den Kapiteln 6.1.3 und 6.2.3 das hypothetische Szenario einer nationalen Währung und autonomen Geldpolitik für Griechenland
und Irland durchgespielt. Im Kapitel 6.3 wird schließlich entschieden, ob These 3 auf Grundlage der Ergebnisse der Untersuchung angenommen oder verworfen werden sollte. Es ist
wichtig zu betonen, dass mit dem Gedankenexperiment keine wissenschaftliche Evidenz geschaffen wird und die Interpretation der Ergebnisse mit Umsicht zu erfolgen hat. Um die
Auswirkungen einer autonomen Geldpolitik und einer nationalen Währung auf die wirtschaft51
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
liche Entwicklung der beiden Länder zweifelsfrei abzuschätzen, müssten alle anderen Einflussfaktoren im beobachteten Zeitraum konstant gehalten werden. Dazu gehören zum Beispiel Regierungswechsel, Entwicklungen auf dem Weltmarkt, europapolitische Entscheidungen, gesellschaftliche Entwicklungen und so weiter. Dies ist aus nachvollziehbaren Gründen
hier nicht möglich. Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass ein auf den Fakten der Untersuchung der wirtschaftlichen Entwicklung Griechenlands und Irlands sowie dem Wissen um die
Funktionsweise der Geld- und Währungspolitik basierendes Gedankenexperiment wertvolle
Erkenntnisse für die Beantwortung der Fragestellung liefern kann.
6.1 Griechenland in den Jahren 1999 bis 2010
6.1.1 Entwicklung der griechischen Wirtschaft
Die wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands nach dem Beitritt zur Eurozone im Jahr 2000
war gekennzeichnet von einem starken Wirtschaftswachstum – durchschnittlich 4 Prozent bis
2007 – und einer wachsenden Binnennachfrage (KOM 2010b: 3; Eurostat Datensatz BIPWachstumsrate 2013). Verstärkt wurde der Aufschwung durch die niedrigen Zinsen auf
Staatsanleihen nach der Euroeinführung, auf die schon in den Kapiteln 4 und 5 hingewiesen
wurde. In den niedrigen Zinsen auf Staatsanleihen drückte sich ein Vertrauensbonus aus, der
auf den Finanzmärkten von den wirtschaftlich starken Ländern der neu gegründeten Währungsunion auf die wirtschaftlich schwächeren Peripheriestaaten wie Griechenland übertragen
wurde. Traditionell drücken die Zinsen auf Staatsanleihen das Vertrauen der Märkte in die
Bonität eines Staates aus, innerhalb der EWU fand diese Differenzierung ein Ende und alle
Mitgliedstaaten konnten sich zu ähnlich günstigen Konditionen auf den Finanzmärkten Geld
leihen (vrgl. Lachman 2010: 1; Dellepiane/Hardiman 2010: 6; Nelson et al. 2011: 3). Der
griechische Aufschwung wurde begleitet von einer Ausweitung des Kreditvolumens, wobei
die Kredite in erster Linie für Konsum und inländische Investitionen verwendet wurden
(KOM 2010b: 3). Einen entscheidenden Beitrag hierzu leisteten die Leitzinsen der EZB. Zwischen 1997 und 1999 lag die Hauptrefinanzierungsfazilität Griechenlands – gesetzt durch die
damals noch autonom agierende griechische Zentralbank – stets über 10 Prozent (Eurostat
nationale Refinanzierungssätze 2013). Mit dem Beitritt zur Eurozone galten ab 2000 auch für
Griechenland die einheitlichen Zinssätze der EZB, die zwischen 2000 und 2003 von 4,75 auf
2 Prozent fielen und damit weit unter dem Wert lagen, den griechische Haushalte und Unternehmen früher für Kredite bezahlen mussten (Eurostat EZB Refinanzierungssätze 2013). Mit
der Integration der Finanzmärkte und der Liberalisierung des Kapitalverkehrs in der EWU
wurde den Kapitalzuflüssen aus dem Euroraum nach Griechenland Tür und Tor geöffnet.
52
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
Sowohl für den griechischen Staat als auch für private Haushalte und Unternehmen war die
Finanzierung über Kredite auf den Finanzmärkten nach dem Eurobeitritt sehr günstig geworden (KOM 2010b: 3). Die griechischen Regierungen nutzten das Geld unter anderem, um die
Staatsausgaben massiv auszubauen. Bis 2007 stiegen sie auf 45 Prozent des BIP, während die
Einnahmen der öffentlichen Hand zur gleichen Zeit bei nur 40 Prozent des BIP lagen (Busch
2012: 17). Schrader und Laaser halten fest, dass Griechenland seit seinem Beitritt zur Eurozone in keinem Jahr die im SWP festgeschriebenen Obergrenzen für die Staatsschulden und
das Budgetdefizit eingehalten hat (Schraader/Lasser 2010: 541; vrgl. Abbildung 3 und
Abbildung 5 in Kapitel 5). So lag das Budgetdefizit zwischen 2000 und 2008 durchschnittlich
bei -5,9 Prozent des BIP und der Schuldenstand bei 103,5 Prozent (Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013, Budgetdefizit 2013). Teilweise ist dies gegenüber den europäischen Behörden
und anderen Mitgliedstaaten verschleiert worden. Über Transferzahlungen, Subventionen,
Investitionen und steigende Sozialleistungen wurden die staatlichen Mittel in den privaten
Sektor geleitet, wo sie das Einkommen und das private Vermögen erhöhten. Dies führte wiederum zu höheren Steuereinnahmen, was das darunterliegende Problem des kreditfinanzierten
Wachstums verschleierte (IWF 2013: 4). Zwischen 2000 und 2010 stiegen in Griechenland
die Reallöhne zudem stärker als in den meisten Ländern der Eurozone, was den Binnenkonsum weiter anheizte. Doch ging dies nicht mit einem entsprechenden Anstieg der Produktivität einher und so musste sowohl der private als auch der staatliche Konsum in erheblichem
Umfang über Kapital- und Güterimporte bedient werden (Schrader/Laaser 2010: 543).
Diese Abhängigkeit von Importen drückt sich auch im Verhältnis der Warenexporte zum BIP
und in der Leistungsbilanz aus: Seit dem Beitritt zur EWU ist die Warenexportquote Griechenlands von 9 Prozent im Jahr 2000 auf 6 Prozent im Jahr 2009 gesunken (Schrader/Laaser
2010: 543). Gleichzeitig stieg das Leistungsbilanzdefizit von durchschnittlich -11,9 Prozent
zum BIP zwischen 2002 und 2006 auf -17,9 Prozent im Jahr 2008 (Busch 2012: 19). Der
Hauptgrund dafür ist, dass Griechenland auf dem Weltmarkt nicht wettbewerbsfähig war. Die
griechische Wirtschaft war gekennzeichnet durch inflexible Außenhandelsstrukturen, komplexe, den Privatsektor belastende Regulierungen, einen großen staatlichen Sektor, der große
Teile der Wirtschaft durchdringt, eine subsistenzorientierte Landwirtschaft und eine einseitige
Dominanz des Tourismussektors und des Schifftransports im Export (Schrader/Laaser 2010:
544-545; Nelson et al. 2011: 2-3; Müller/Schmidt 2010: 282). Die griechische Handelsflotte
trug 4 Prozent zum griechischen Bruttosozialprodukt (BSP) und ein Drittel zu den gesamten
Exporten bei. Mit dem Tourismus wurden sogar 18 Prozent des BSP und ebenfalls über ein
53
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
Drittel der griechischen Exporte erwirtschaftet (Müller/Schmidt 2010: 287). Ferner waren in
Griechenland Steuerhinterziehung, Schattenwirtschaft und Korruption weit verbreitet. Ein
kompliziertes Steuersystem sowie eine ineffiziente Verwaltung trugen das Ihre bei (vrgl. Axt
2010: 550-551; Nelson et al. 2011: 3; Müller/Schmidt 2010: 283-286). In Kombination mit
den steigenden Lohnstückkosten haben diese strukturellen Defizite die Wettbewerbsfähigkeit
Griechenlands erodieren lassen (IWF 2009a: 5). Der unausgeglichene Haushalt und das Leistungsbilanzdefizit führten in den ersten 10 Jahren der griechischen Euro-Mitgliedschaft zu
einem starken Anstieg der Staats- und Auslandsschulden und zu großen makroökonomischen
Ungleichgewichten zwischen Griechenland und seinen Partnerländern in der Eurozone (KOM
2010b: 6; vrgl. Abbildung 5 in Kapitel 5). Dies machte die griechische Wirtschaft anfällig für
Schwankungen auf den Kapital- und Gütermärkten. „Overall, the accumulation of macroeconomic imbalances, large stock of public and external debt, weak external competitiveness, an
unsustainable pension system, and weak institutions made Greece vulnerable to an increase of
risk aversion in the international capital markets“ (KOM 2010b: 6). Mit dem Ausbruch der
internationalen Finanzkrise und dem Einfrieren der Finanzmärkte wurden die Schwäche und
Instabilität der griechischen Volkswirtschaft offengelegt.
Wie in Kapitel 4 dargelegt, hat die internationale Finanzkrise das Vertrauen der Finanzmarktakteure erschüttert und zu einem weltweiten Einfrieren der Kreditvergabetätigkeit geführt. Da
Griechenland stark von der Finanzierung über die internationalen Finanzmärkte abhängig
war, machten sich die Turbulenzen rund um den Kollaps von Lehman Brothers schnell bemerkbar. In der Folge nahm das Vertrauen der Investoren in die Zahlungsfähigkeit des griechischen Staates rasch ab und die Zinsen auf griechische Staatsanleihen – als Ausdruck des
Risikos – stiegen an (Nelson et al. 2011: 4). Zwischen 2008 und 2010 stiegen die Refinanzierungskosten Griechenlands von 4,8 auf 9,1 Prozent und erreichten ihr Maximum damit sogar
auf einem höheren Niveau als vor dem Beitritt zur Eurozone (Eurostat Datensatz langfristige
Zinssätze 2013; vrgl. Kapitel 5). „Durch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise wurde ein
griechisches Bonitätsproblem aufgedeckt, das sowohl auf eine langjährige staatliche Misswirtschaft als auch auf nie überwundene Strukturprobleme zurückzuführen ist“ (Schrader/Laaser 2010: 546). Der Abschwung der weltweiten Wirtschaftstätigkeit als Folge der Finanzkrise wirkte sich außerdem negativ auf die einzigen im Export wettbewerbsfähigen
Dienstleistungen und wichtigen Wirtschaftsfaktoren, den Schifftransport und den Tourismus,
aus (Müller/Schmidt 2010: 287). Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die griechischen Banken von den Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten eher wenig be-
54
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
troffen waren, da sie keine toxischen Hypotheken- und CDO-Papiere in ihren Bilanzen hatten.
Der griechische Bankensektor konnte sich auf inländische Depositen und ein traditionelles
Geschäftsmodell mit eher geringem Investmentanteil mit hohem Risiko stützen (IWF 2009a:
5, 16).
Die hohen Staatsschulden und das Budgetdefizit von über 5 Prozent (vrgl. Abbildung 3 und
Abbildung 5) stellten sich angesichts der Verunsicherung auf den Finanzmärkten für Griechenland schnell als schwere Hypothek heraus (IWF 2009a: 20). Im Zuge der steigenden
Zinssätze auf Staatsanleihen und der mehrfachen Anpassung der veröffentlichten Daten zu
Schuldenstand und Budgetsaldo durch die griechischen Regierungen zogen sich zahlreiche
Investoren aus Griechenland zurück und es kam zu einem massiven Kapitalabfluss, der das
Land destabilisierte (IWF 2013: 5). Je schwieriger die Refinanzierung für den griechischen
Staat wurde, desto schlechter konnte er seine bereits bestehenden Schulden bedienen. Gleichzeitig brauchte er für seine laufenden Ausgaben Geld von den Finanzmärkten, das ihm – auch
aufgrund der mittlerweile erfolgten Herabstufung durch die großen Rating Agenturen – immer seltener gewährt wurde (Nelson et al. 2011: 4; KOM 2010b: 6). Schließlich wurde Griechenland im Jahr 2010 von den internationalen Finanzmärkten ausgeschlossen und musste,
um den drohenden Staatsbankrott zu verhindern, die EU und den IWF um finanzielle Unterstützung bitten (KOM 2010b: 8).
6.1.2 Auswirkungen der einheitlichen Währung und Geldpolitik auf die griechische
Wirtschaft
In diesem Kapitel wird untersucht, welche konkreten Auswirkungen die geldpolitischen Entscheidungen der EZB und die gemeinsame Währung in der EWU auf die griechische Wirtschaft hatten. Dazu werden zum einen die Leitzinssetzungen der EZB zwischen 2000 und
2010 betrachtet und zum anderen wird gefragt, welchen Effekt das Wegfallen der Wechselkurse zu den Ländern der Eurozone für Griechenland hatte. Es ist wichtig zu bemerken, dass
nicht alle oben beschriebenen Entwicklungen der griechischen Wirtschaft von der Geldpolitik
oder der einheitlichen Währung direkt beeinflusst werden. Außerhalb des geld- und währungspolitischen Einflussgebietes liegen zum Beispiel die strukturellen Defizite.
Die EZB senkte den Hauptrefinanzierungssatz zwischen 2000 und 2005 von 4,75 auf 2,25
Prozent, erhöhte ihn 2006 auf 3,5 und 2007 auf 4 Prozent. 2008 senkte sie den Leitzins wieder
auf 2,5 Prozent und setzte danach für 2009 und 2010 das bis dato historische Tief von 1 Prozent durch (Eurostat EZB Refinanzierungssätze 2013). Der extrem niedrige Zins ab 2010 soll-
55
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
te die Kreditvergabetätigkeit im Euroraum, die im Zuge der Finanzkrise eingefroren war,
wieder ankurbeln. Die Auswirkungen dieser Zinsentscheidungen auf Griechenland wurden
oben schon dargelegt: Die nationale Inflationsrate Griechenlands war stets höher als der
Durchschnitt der Eurozone und Griechenland erlebte nach dem Eurobeitritt einen Kredit- und
Binnennachfrageboom (vrgl. Kapitel 5.1). Hierbei wirkten die EZB-Leitzinsen als Verstärker.
Einzig die Leitzinserhöhung in den Jahren 2006 und 2007 war für die griechische Inflationsrate angemessen. Für Griechenland hat sich gleichwohl das eingestellt, was in Kapitel 3.1.2
als Risiko für die Mitgliedstaaten der Währungsunion erkannt wurde, falls deren Volkswirtschaften sich nicht konvergent zum Durchschnitt der Eurozone entwickeln. Die am Durchschnitt ausgerichtete Geldpolitik der EZB passte größtenteils nicht.
Der zweite Aspekt ist der Wegfall der Wechselkurse zwischen Griechenland und seinen Handelspartnern in der Eurozone. Solange in Griechenland die Drachme noch das alleinige Zahlungsmittel war, konnte das Land seine Wettbewerbsposition zumindest zeitweise über eine
Währungsabwertung stärken. Die Funktionsweise der Währungsabwertung wurde in Kapitel
3.1.2 erläutert. Mit dem Euro als gemeinsame Währung kann die nationale Wettbewerbsposition nur noch über die nationalen Löhne und die Preise und Qualität der Produktion beeinflusst werden (Schrader/Laaser 2010: 546). Diese Lösung setzt die Übereinstimmung und das
Engagement der Arbeitgeber, Arbeitnehmer und des Staates voraus und zeigt seine Effekte
mit größerer zeitlicher Verzögerung als die Währungsabwertung. Angesichts des Verlustes
der Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft nach dem Beitritt zur Eurozone und
dem immer größer werdenden Leistungsbilanzdefizit hätten nur Lohnmäßigungen und Effizienzsteigerungen in der Produktion die Situation von Griechenland verbessern können. Die
griechischen Regierungen und Unternehmen scheinen aber entweder nicht willens oder nicht
in der Lage gewesen zu sein, ernsthafte Schritte zu unternehmen.
6.1.3 Wie hätte eine alternative Geldpolitik für Griechenland aussehen können?
Hier soll die Frage beantwortet werden, welche alternativen geldpolitischen Entscheidungen
die griechische Zentralbank in den Jahren 2000 bis 2010 hätte fällen können, wäre sie noch
Herrin über die Geldpolitik gewesen. Wie in der Einleitung zu Kapitel 6 bereits dargelegt,
entspricht diese Vorgehensweise einer Politiksimulation und erlaubt eine Aussage darüber,
welchen alternativen Entwicklungspfad die griechische Wirtschaft möglicherweise genommen hätte. Vereinfachend wird die Annahme getroffen, dass das Ziel der griechischen Zentralbank die Stabilisierung der griechischen Volkswirtschaft ist und dass sie dazu sowohl
Leitzinsänderungen als auch Währungsabwertungen gegenüber dem Euro und dem US-Dollar
56
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
anwendet. Die unterstellte, alternative Geldpolitik stützt sich auf die tatsächlichen geldpolitischen Entscheidungen der griechischen Zentralbank vor dem Eurobeitritt und führt diese weiter. Es wird zudem unterstellt, dass die Europäische Währungsunion mit den gleichen Mitgliedern ohne Griechenland existiert und damit Auslandsschulden Griechenlands in Euro und
US-Dollar anfallen. Alle Annahmen stützen sich auf die in den Kapiteln 4, 5 und 6 ermittelten
Ergebnisse.
Als erste Maßnahme hätte eine autonome griechische Zentralbank das Niveau der Leitzinsen
der 1990er Jahre auch nach 2000 beibehalten können. 1998 lag der Hauptrefinanzierungssatz
auf dem griechischen Interbankenmarkt bei 12,25 Prozent, 1999 bei 10,75 Prozent und 2000
bei 4,75.17 Es ist anzunehmen, dass sich in dem drastisch gesenkten Leitzins die Vorbereitung
der griechischen Zentralbank auf den Eurozonenbeitritt ausdrückt. Der griechische Leitzins
sollte in die Nähe des von der EZB zu erwartenden Leitzinses gebracht werden. Da die EZB
nach dem Modell der Deutschen Bundesbank geformt wurde, konnte als Einstiegsleitzins ein
Wert nahe dem deutschen Leitzins erwartet werden. Tatsächlich lag der erste von der EZB
gesetzte Leitzins 1999 bei 3 Prozent, was dem Wert des deutschen Leitzinses von 1998 entspricht. Mit 10,75 Prozent lag der griechische Leitzins jedoch noch ein Jahr vor dem Eurobeitritt wesentlich über dem EZB-Niveau und es soll hier angenommen werden, dass die griechische Zentralbank ohne Eurobeitritt mit der Drachme einen ähnlichen geldpolitischen Kurs
weiterverfolgt hätte. Damit wird bei einer autonomen griechischen Geldpolitik ein hypothetischer Leitzins von 10 Prozent zwischen 2000 und 2010 unterstellt. Der angenommene Satz
liegt damit unter den Werten von 1997 und 1998, aber weit über dem EZB-Leitzins, der zwischen 2000 und 2010 durchschnittlich bei 2,7 Prozent lag. Der hypothetische Leitzins von 10
Prozent hätte eine bremsende Wirkung auf das Wirtschaftswachstum Griechenlands gehabt.
Wie in Kapitel 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion zu den Grundlagen der EWU
dargelegt, führt eine Erhöhung der Leitzinsen tendenziell zu einer Dämpfung der Wirtschaftstätigkeit, da Kredite teurer und Depositen attraktiver werden.
Gleichzeitig wären ohne den Beitritt zur Eurozone die Zinsen auf griechische Staatsanleihen
nicht von 8,5 Prozent im Jahr 1998 auf einen Minimalwert von 3,3 Prozent im Jahr 2005 gesunken (Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013). Bei Refinanzierungskosten von über
17
Alle in diesem Kapitel verwendeten Daten zu den Leizinsentscheidungen der griechischen Zentralbank stammen von: Eurostat nationale Refinanzierungssätze 2013 und alle Daten zu den Leitzinsentscheidungen der EZB
von: Eurostat EZB Refinanzierungssätze 2013. Die gesamten Datensätze finden sich in Anhang A.3
Datensätze für Refinanzierungssätze EZB und nationale Refinanzierungssätze vor dem Eurobeitritt.
57
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
5 Prozent hätten die griechischen Regierungen weniger Geld auf den Finanzmärkten aufnehmen können, womit die Staatsschulden weniger stark gestiegen wären. Die griechische
Staatsschuldenquote ist nach 2000 auf über 100 Prozent des BIP gestiegen, worin sich der
leichtere Zugang zu Krediten aus dem Euroraum bei einer gleichzeitig auf niedrigem Niveau
verharrenden Produktivität spiegelt (Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013). Diese Entwicklung zeigt sich auch in dem ab 2000 steigenden Budgetdefizit. Trotzdem muss festgehalten
werden, dass die griechischen Staatsschulden und das Budgetdefizit auch schon vor dem Eurobeitritt im EU-Vergleich hoch waren. Die griechische Staatsschuldenquote lag bereits in
den 1990er Jahren über 90 Prozent des BIP. Die einheitliche Geldpolitik der EZB kann damit
nicht für die hohen Staatsschulden Griechenlands verantwortlich gemacht werden. Im Hinblick auf die Frage, ob eine alternative Geldpolitik für Griechenland möglich gewesen wäre,
muss auf Grundlage dieser Erkenntnis der Schluss gezogen werden, dass wahrscheinlich auch
ein Leitzinssatz von 10 Prozent und Zinsen auf Staatsanleihen von über 8 Prozent den griechischen Staat nicht vor seinem Verschuldungs- und Defizitweg abgebracht hätten. Die Geldpolitik der EZB hat damit die destabilisierende Tendenz der griechischen Wirtschaft verstärkt,
sie hat sie jedoch nicht verursacht.
Wie schon mehrfach erwähnt, gibt ein Land mit dem Beitritt zur Eurozone auch die Möglichkeit auf, seine Währung gegenüber anderen abzuwerten. Hätte Griechenland auch zwischen
2000 und 2010 noch die Drachme gehabt, hätte das Land seine Währung gegenüber der Eurozone abwerten können und damit seine Wettbewerbsposition nach jeder Abwertung kurzfristig verbessert. Das Leistungsbilanzdefizit wäre weniger schnell gestiegen und die Branchen
Schifftransport und Tourismus wären gestärkt worden. Nichtsdestotrotz blieben die beschriebenen strukturellen Defizite der griechischen Wirtschaft bestehen. Ferner wäre der Exportsektor auch mit der Drachme von der internationalen Finanzkrise getroffen und geschwächt worden. Eine entscheidende Überlegung ist hier zudem, was mit den griechischen Auslandsschulden im Falle einer Währungsabwertung geschieht. Es wird unterstellt, dass die Auslandsschulden in Euro und US-Dollar aufgenommen worden wären. Eine Abwertung der
griechischen Drachme gegenüber diesen beiden Währungen bedeutet, dass mehr Drachmen
aufgewendet werden müssen, um die gleiche Menge Euro oder US-Dollar zu erhalten. Die
Auslandsschulden Griechenlands wären damit gegenüber der Drachme teurer geworden. Mit
anderen Worten: Die Auslandsschulden steigen um den Faktor der Abwertung. Eine Währungsabwertung hätte damit also kurzfristig die Wettbewerbsposition Griechenlands gegenüber dem Ausland verbessert, sie hätte aber auch den Schuldenberg ansteigen lassen. Diese
58
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
Überlegungen führen zu dem Schluss, dass auch eine nationale Währung mit der Möglichkeit
der Abwertung die Stabilität der griechischen Volkswirtschaft nicht wesentlich verbessert
hätte.
Für Griechenland muss also festgehalten werden, dass eine alternative Geldpolitik und eine
nationale Währung in den Jahren 2000 bis 2010 aufgrund der großen strukturellen Defizite
wahrscheinlich zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte als die einheitliche Geldpolitik der
EZB. In Kapitel 6.3 werden die Implikationen dieses Ergebnisses für These 3 diskutiert.
6.2 Irland in den Jahren 1999 bis 2010
6.2.1 Entwicklung der irischen Wirtschaft
Die wirtschaftliche Entwicklung Irlands wird von allen Beobachtern als außergewöhnlich und
beeindruckend beschrieben. Bereits ab Mitte der 1990er Jahre konnte Irland eine durchschnittliche Wachstumsrate von 10 Prozent aufweisen, bei gleichzeitig sinkender Arbeitslosigkeit und steigender Produktivität. Zwischen 1999 und 2007 lag das durchschnittliche
Wachstum immer noch bei 6 Prozent und Irland hatte, auch dank starker Zuwanderung, annähernd Vollbeschäftigung erreicht (IWF 2005: 4; Eurostat Datensatz BIP-Wachstumsrate
2013). War Irland jahrzehntelang das Armenhaus Europas gewesen, wies es 2006 ein BIP pro
Kopf aus, welches das Land zum zweitreichsten Mitgliedstaat der EU machte (Busch 2012:
26). Diese Entwicklung trug Irland – in Anlehnung an die asiatischen Tigerstaaten – den
Übernamen „Celtic Tiger“ ein (Dellepiane/Hardiman 2011: 1). Jim O´Leary stellt fest, dass
die wirtschaftliche Entwicklung Irlands von zwei grundsätzlich verschiedenen Phasen geprägt
war: Eine Phase vor und eine nach der Jahrtausendwende (O´Leary 2010: 3). Es wird sich
zeigen, dass der Beitritt zu Eurozone 1999 einen entscheidenden Beitrag zum Übergang in
Phase 2 geleistet hat.
In der Zeit vor 2000 war Irland geprägt von einem Wachstum des Exportsektors und einem
Leistungsbilanzüberschuss. Mit einer offensiven politischen Strategie machten sich die irischen Regierungen ab den 1990er Jahren daran, Irland zu einem Anziehungspunkt für große,
multinationale Firmen zu machen. Es wurde ein wirtschaftsfreundliches Umfeld mit liberalen
Handelspolitiken, geringen Unternehmenssteuern, Englisch sprechenden, gut ausgebildeten
Arbeitnehmern, Lohnmäßigung und – mit der Vollendung des europäischen Binnenmarktes
1992 – unbehindertem Zugang zum europäischen Markt geschaffen. In der Folge siedelten
sich zahlreiche ausländische Unternehmen in Irland an. Diese brachten Kapitalzuflüsse in der
Form von Direktinvestitionen und waren in erster Linie auf den Export ihrer in Irland produ59
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
zierten Güter ausgerichtet, was sich positiv auf die Leistungsbilanz und das Wirtschaftswachstum auswirkte (Kitromilides 2012: 164-168). Gleichzeitig verhinderten die relativ hohen
Leitzinsen der irischen Zentralbank von durchschnittlich 7,2 Prozent zwischen 1992 und 1998
ein Überhitzen der Wirtschaft (Eurostat nationale Refinanzierungssätze 2013). Für den Großteil dieser Phase gab es zudem eine institutionalisierte Ausgabenbremse. Im Ergebnis fielen
die Staatsausgaben zwischen 1990 und 2000 von 33,4 Prozent des BIP auf 24,6 Prozent
(O´Leary 2010: 4). Die Staatsschuldenquote Irlands lag 1998 bei 53 Prozent des BIP und damit unter dem Eurozonendurchschnitt. Das Budgetdefizit war mit -2,2 Prozent ebenfalls nicht
besonders hoch (Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013, Budgetdefizit 2013; vrgl. Abbildung
3 und Abbildung 5 in Kapitel 5).
Mit dem Eurobeitritt 1999 veränderte sich das irische Wirtschaftsmodell. Der Euro entwickelte sich im Vergleich zum Irischen Pfund zu einer starken Währung, was sich negativ auf die
irische Wettbewerbsfähigkeit und den Export auswirkte. Außerdem lagen die Leitzinsen der
irischen Zentralbank in den 1990er Jahren wie in Griechenland deutlich über den Sätzen, die
bis 2005 von der EZB gesetzt wurden, womit die EZB-Leitzinsen eine ähnlich anheizende
Wirkung für die irische Wirtschaft entfalteten. Mit den niedrigen Leitzinsen der EZB, welche
die Refinanzierungskosten der Banken auf dem Euro-Interbankenmarkt bestimmten, stammte
das in Irland zirkulierende Kapital nun zudem in erster Linie aus Krediten von Banken aus der
Eurozone. Die meisten irischen Banken stiegen nach dem Eurobeitritt auf kurzfristige Refinanzierungskredite aus dem Euro-Interbankenmarkt um. Zuvor hatten sie sich in erster Linie
national finanziert. Die niedrige Arbeitslosigkeit und Lohnsteigerungen führten zu einem Anstieg des Vermögens der irischen Haushalte, was sich positiv auf die Binnennachfrage und
besonders die Nachfrage nach Immobilien auswirkte. In der Folge vergaben die irischen Banken immer mehr Immobilienkredite und die Bautätigkeit in Irland stieg massiv an (O´Leary
2010: 3; IWF 2007: 4). 2006 lag der Anteil der Investitionen im Bau- und Immobiliensektor
bei 14 Prozent des irischen BIP und war damit mehr als doppelt so hoch wie im Eurozonendurchschnitt (Busch 2012: 26). Die Folge dieser Entwicklungen war, dass der Bausektor den
Export als Wachstumsmotor ablöste und inländische Investitionen die Finanzierungsrolle der
ausländischen Direktinvestitionen übernahmen (Kitromilides 2012: 168). Die bereits in den
1990er Jahren getroffene Entscheidung, den irischen Bankensektor zu deregulieren, zeigte
nun ihre volle Wirkung. Risikoreiche Anleihen, hohe kurzfristige Gewinne und ein starker
Zuwachs an Immobilienkrediten kennzeichneten die irischen Bankengeschäfte. Ähnlich wie
in den USA war die Nachfrage kreditwürdiger Haushalte nach Immobilienkrediten bald ge-
60
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
ringer als das Kreditangebot. Um ihre auf dem Euro-Interbankenmarkt aufgenommene Liquidität trotzdem gewinnbringend am Markt anzulegen, beginnen die irischen Banken auch
Haushalten mit schlechter Bonität Kredite zu gewähren. Von Interesse ist hierbei, dass die
irischen Banken trotz der Deregulierung wenig am internationalen Handel mit CDO beteiligt
waren. Der Großteil der an die nationalen Kunden vergebenen Kredite verblieb in den Bilanzen der irischen Banken und wurde nicht verbrieft und weiterverkauft (Kitromilides 2012:
169-170). Dennoch war das Geschäftsmodell der irischen Banken ähnlich instabil wie dasjenige ihrer amerikanischen Kollegen. Während der US-Bankensektor sich auf komplexe Finanzinstrumente spezialisierte, die im Zuge der Finanzkrise wie ein Kartenhaus zusammenbrachen, konzentrierten sich die irischen Banken auf die Vergabe von Bau- und Immobilienkredite an private Haushalte und Unternehmen und bereits 2005 gingen 50 Prozent aller irischen Kredite in den Bau- und den Immobiliensektor (IWF 2005: 18).
Die private Verschuldung, an der Immobilienkredite einen wesentlichen Anteil hatten, stieg
von knapp 80 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens im Jahr 2001 auf über 115 Prozent im Jahr 2004 und mit stetig steigenden Immobilienpreisen wuchs auch die Gefahr einer
spekulativen Blase (IWF 2005: 6-7, 2009b: 3). Gleichzeitig blieb die öffentliche Verschuldung gering, obwohl die irischen Regierungen Anfang der 2000er Jahre die institutionelle
Ausgabenbremse aufgehoben hatten und die Staatsausgaben in der Folge anstiegen (Dellepiane/Hardiman 2010: 8). Wie in Kapitel 5 schon gezeigt, sank die irische Staatsschuldenquote
bis 2007 auf 25,1 Prozent des BIP, womit Irland nach Luxemburg und der Slowakei den niedrigsten Schuldenstand der gesamten Eurozone aufwies (Eurostat Datensatz Schuldenstand
2013). Zwischen 1999 und 2007 war das irische Budgetsaldo zudem stets im Plus oder ausgeglichen (Eurostat Datensatz Budgetdefizit 2013). Möglich wurde dies, da der traditionell
schlanke irische Staat besonders in den ersten Jahren stark von dem Aufschwung im Bau- und
Immobiliensektor profitierte. In mehreren Steuerreformen zwischen 2000 und 2008 wurden
die Einkommenssteuern sukzessive gesenkt und das gesamte Steuersystem auf (zum Teil indirekte) Steuern aus dem Bau- und Immobiliensektor umgestellt. Die Anteile der Erträge aus
der Besteuerung von Aktivitäten in diesen beiden Sektoren an den gesamten Steuereinnahmen
stiegen von 3 bis 4 Prozent in den 1990er Jahren auf knapp 16 Prozent im Jahr 2006. Gleichzeitig sank der Anteil der Erträge aus der Einkommenssteuer um 10 Prozent (O´Leary 2010:
5). Die hohen Steuereinnahmen verdeckten in Irland die wachsenden Defizite einer bloß auf
wenige Sektoren aufbauenden Volkswirtschaft. Zu diesen Defiziten gehörte eine schmale und
weiter schrumpfende Steuerbasis, steigende Staatsausgaben und Sozialleistungen, deren Fi-
61
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
nanzierung von den Steuereinnahmen abhängig war, sowie ab Mitte der 2000er Jahre Ansätze
ein überdimensionierter öffentlicher Sektor mit überdurchschnittlichen Löhnen (IWF 2009b:
21-27). Gleichzeitig stiegen ab 2000 die Löhne im Privatsektor und es baute sich ein Inflationsdruck auf, welcher das allgemeine Preisniveau steigen ließ. Beide Entwicklungen schlugen
sich in höheren Produktionskosten nieder, was zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit
führte und Irlands Exportposition weiter schwächte (IWF 2007: 4-5). Bereits 2005 warnte der
IWF, dass Irland eine einseitige Abhängigkeit vom Bau- und Immobiliensektor aufgebaut hat
und dass ein Rückgang der Immobilienpreise zu massiven Verlusten bei den Banken, den
privaten Haushalten und im öffentlichen Sektor führen kann. Die irische Regierung ging jedoch davon aus, dass das Land einen solchen Abschwung verkraften könnte und auch der
IWF erwartete eher eine „sanfte Landung“ der Immobilienpreise denn einen plötzlichen
Preissturz (IWF 2005: 19-23).
Die Entwicklung der irischen Wirtschaft ab 2008 hat beide Einschätzungen als übertrieben
optimistisch entlarvt. Die irischen Banken waren nach der Bankenkrise in Island die ersten
europäischen Finanzinstitute, die von der internationalen Finanzkrise getroffen wurden. Die
irischen Banken hatten sich zwar nicht am Verbriefungskarussell mit den CDO beteiligt, doch
hatten sie sich stark auf dem Euro-Interbankenmarkt verschuldet und gerieten in Zahlungsschwierigkeiten als sich das Einfrieren der Finanzmärkte abzeichnete (Kitromilides 2012:
174, 179). Beinahe gleichzeitig sank in Irland die Nachfrage nach Immobilien, was als natürliche Korrektur der in den Vorjahren aufgebauten Blase interpretiert werden kann. Die dadurch fallenden Immobilienpreise verringerten das Vermögen der Haushalte, was zu Zahlungsausfällen bei dem Immobilienkrediten führte und die Banken in zusätzliche Schwierigkeiten brachte. Zudem brachen die Aktivitäten auf dem Bausektor in sich zusammen und die
irische Volkswirtschaft bewegte sich auf eine Rezession zu. Zwischen 2007 und 2010 fiel das
irische BIP um 8 Prozent und Irland erlebte ab 2009 eine Deflation. Die Arbeitslosigkeit stieg
und eine Nettoemigration setzte ein (IWF 2012: 5-6; Eurostat Datensatz Inflation 2013). Irland hat damit unabhängig von den Entwicklungen auf dem US-amerikanischen sub primeMarkt eine eigene, nationale Immobilienkrise erlebt. Der Immobilien- und Bauboom wurde
über die irischen Banken größtenteils mit ausländischen Mitteln finanziert, die im Zuge der
internationalen Finanzkrise eingebrochen sind. Just in dem Moment, als auch die nationale
Immobilienblase platzte und eine doppelte Krise der Realwirtschaft und des Bankensektors
auslöste. Für den irischen Staat bedeuteten die Krise im Bau- und Immobiliensektor massive
Steuereinbußen. Mit dem Abschwung der Bautätigkeit brachen die staatlichen Einnahmen in
62
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
sich zusammen und die irischen Steuereinträge fielen zwischen 2007 und 2009 um 30 Prozent. In der gleichen Zeit stieg die Staatsschuldenquote von 25,1 auf 64,8 Prozent. Der Einbruch der Steuereinnahmen in Kombination mit steigenden Kosten aus den Sozialsystemen –
in erster Linie aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit – führte zu einem Budgetdefizit von
13,9 Prozent im Jahr 2009 (IWF 2012: 6; Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013, Budgetdefizit 2013).
Mit dem gleichzeitigen Auftreten von nationalen Zahlungsausfällen und dem Einfrieren der
Refinanzierungsmärkte drohte zahlreichen irischen Banken die Insolvenz. Die irische Regierung reagierte darauf mit einer pauschalen Garantie für alle Depositen und Verbindlichkeiten
von sechs Banken, was zu einer enormen finanziellen Verantwortlichkeit des irischen Staates
führte. Die Garantieleistungen, für die der irische Staat im Insolvenzfall aller sechs Banken
hätte einstehen müssen, summierten sich auf mehr als 200 Prozent des BIP (IWF 2009b: 16).
Zudem wurde Anfang 2009 die Anglo Irish Bank verstaatlicht und die beiden verbleibenden
größten irischen Banken mit 7 Milliarden Euro aus staatlichen Geldern gestützt. Schließlich
wurde auch noch eine sogenannte bad bank errichtet (die National Asset Management Agency
NAMA), welche die nun wertlos gewordenen Hypotheken aufkaufte, um die Bilanzen der
irischen Banken zu entlasten. Diese Rettungsmaßnahmen für den Bankensektor zeigten kurzfristig die erhofften Wirkungen und den irischen Banken war es wieder möglich, sich auf den
internationalen Finanzmärkten zu refinanzieren (IWF 2009b: 15-16). Für den irischen Haushalt entpuppte sich die Bankenrettung jedoch als Pyrrhussieg. Bis zum Jahr 2010 hatte der
irische Staat 46,3 Milliarden Euro für die Rekapitalisierung angeschlagener Banken aufgewendet, dies entspricht 30 Prozent des damaligen BIP. Die Staatschulden stiegen 2010 auf
92,1 Prozent und das Budgetdefizit erreichte ein Allzeithoch von -30,8 Prozent (Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013, Budgetdefizit 2013). Angesichts der Unsicherheit hinsichtlich
weiterer Verluste im Bankensektor und der großen Schuldenlast, verloren die Finanzmärkte
das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit des irischen Staates und die Zinssätze auf Staatsanleihen stiegen 2010 auf 5,7 Prozent. Die staatliche Bankengarantie wurde zur untragbaren Last
und im November des Jahres 2010 wurde der irische Staat selbst von der Refinanzierung auf
den Finanzmärkten ausgeschlossen. Wie zuvor Griechenland musste Irland die EU und den
IWF in der Folge um finanzielle Unterstützung bitten (IWF 2012: 4-6; Eurostat Datensatz
langfristige Zinssätze).
Irland wurde Opfer einer dreifachen Krise: einer Bankenkrise, einer Immobilienkrise, die in
eine Krise der Realwirtschaft und eine Rezession mündete und einer Staatsschuldenkrise. Den
63
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
drei Krisen zugrunde liegen auf der einen Seite die internationale Finanzkrise und auf der
anderen Seite die sinkenden Nachfrage nach Immobilien im Inland. Über die enge Verzahnung und wechselseitige Abhängigkeit der drei Sektoren haben sich die Krisen beeinflusst
und bedingt. So traf die internationale Finanzkrise eigentlich nur den irischen Bankensektor,
wo das Einfrieren der Finanzmärkte zu Refinanzierungsschwierigkeiten führte. Wäre es dabei
geblieben, wäre Irland mit einer Liquiditätskrise im Bankensektor konfrontiert gewesen und
es ist denkbar, dass ein Staat mit niedriger Schuldenquote und einem positiven Budgetsaldo
diese hätte tragen und lösen können. Nun brach aber praktisch zeitgleich zum Ausbruch der
internationalen Finanzkrise die Nachfrage nach Immobilien in Irland ein. Wie oben schon
erwähnt, stand dies nicht im Zusammenhang mit dem Platzen der sub prime-Blase in den
USA, sondern war ein nationales Phänomen, das auf eine Dekade überbewerteter Immobilienpreise mit massivem Wachstum im Bausektor folgte. Die sinkende Nachfrage wirkte sich
negativ auf die Bautätigkeit aus. Damit flachte auch das Wirtschaftswachstum ab und Irland
erlebte ab 2008 eine Rezession. Die steigenden Sozialausgaben belasteten den irischen Haushalt und ließen das Budgetdefizit steigen. Gleichzeitig wurden zahlreiche Kreditnehmer zahlungsunfähig, was den irischen Banken große Verluste bescherte. Der irische Staat sah sich
daraufhin konfrontiert mit einer Rezession in der Realwirtschaft und einer Liquiditätskrise im
Bankensektor, die sich zur Solvenzkrise wandelte. Die Bankenrettungen und die steigenden
Lasten aus der Realwirtschaft führten letztendlich zu einem Ausschluss des irischen Staates
von den Finanzmärkten. Welche Rolle spielte dabei die Geldpolitik der EZB und die gemeinsame Währung in der EWU? Diese Frage wird im folgenden Kapitel beantwortet.
6.2.2 Auswirkungen der einheitlichen Währung und Geldpolitik auf die irische
Wirtschaft
In diesem Kapitel wird – analog zu Kapitel 6.1.2 – untersucht, welche konkreten Auswirkungen die geldpolitischen Entscheidungen der EZB und die gemeinsame Währung auf die irische Wirtschaft hatten. Dazu werden zum einen die Leitzinssetzungen der EZB zwischen
2000 und 2010 betrachtet und zum anderen wird gefragt, welchen Effekt das Wegfallen der
Wechselkurse zu den Ländern der Eurozone für Irland hatte. Die dreifache Krise Irlands muss
dabei im Zentrum stehen. Welche der Entwicklungen, die letztendlich zum Ausschluss Irlands
von der Refinanzierung auf den Finanzmärkten geführt haben, standen im Zusammenhang mit
der Geldpolitik der EZB und der gemeinsamen Währung in der EWU?
1992 lag der Hauptrefinanzierungssatz der irischen Zentralbank bei 13,75 Prozent, 1993 bei 7
Prozent und 1998 bei 4 Prozent. Die irische Zentralbank hat ihren Leitzins im Verlauf der
64
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
1990er Jahre schrittweise dem in der Eurozone zu erwartenden Leitzins von 3 Prozent angenähert und damit gleichzeitig das irische Wirtschaftswachstum unterstützt (Eurostat Datensatz
nationale Refinanzierungssätze 2013, EZB Refinanzierungssatz 2013). Mit dem Beitritt zur
Eurozone 1999 erhielten die irischen Banken Zugang zu dem großen von niedrigen Leitzinsen
der EZB bestimmten Euro-Interbankenmarkt. Die Leitzinsen der EZB lagen bis 2005 bei
durchschnittlich 2,9 Prozent und damit wesentlich unter den Leitzinsen der irischen Zentralbank der 1990er Jahre (Eurostat EZB Refinanzierungssatz 2013). Die irischen Banken nahmen in der Folge günstige Kredite im Euroraum auf und gaben sie zu guten Konditionen an
ihre Kunden weiter. Dies heizte das Wirtschaftswachstum an und ließ letztlich eine Preisblase
im Bau- und Immobiliensektor entstehen. Zu betonen ist hier, dass die Konzentration der
Kreditvergabe im Bau- und Immobilienbereich von den irischen Regulierungsbehörden geduldet wurde. Sie lag damit nicht im Einflussgebiet der Geldpolitik der EZB. 2004 und 2005
sank die irische Inflationsrate auf ein dem Eurozonendurchschnitt ähnliches Niveau, womit
die Leitzinsentscheidungen der EZB für Irland kurzzeitig angemessen waren. Doch wie schon
in Kapitel 5.1 festgestellt, steigt die irische Inflationsrate bis 2008 wiederum schneller als die
Inflation in der Eurozone (Eurostat Datensatz Inflation 2013). Damit zeigt sich für die Leitzinsentscheidungen der EZB ein ähnliches Bild wie bei Griechenland: die Leitzinsen, die zwischen 1999 und 2010 von der EZB gesetzt wurden, passten nicht größtenteils zu der konjunkturellen Entwicklung Irlands.
Da in den 1990er Jahren stets über 50 Prozent der irischen Exporte in die Europäische Union
(ohne Großbritannien) gingen, konnte der Exportsektor vom Wegfall der Wechselkursrisiken
profitieren (Central Statistics Office 2014). Von größerer Bedeutung war jedoch, dass die
Euroeinführung die irische Wettbewerbsposition schwächte, da der Vorteil des schwachen
Pfundes gegenüber den europäischen Partnerländern wegfiel. Gleichzeitig entwickelte sich
der Euro gegenüber dem US-Dollar und dem Britischen Pfund zu einer starken Währung. Wie
oben bereits beschrieben, gewannen in der Folge der Binnenkonsum und Binneninvestitionen
für das irische Wirtschaftswachstum an Bedeutung. Mit der steigenden Nachfrage nach Immobilien waren Investitionen im Bau- und Immobiliensektor eine attraktive Alternative zu der
Exportorientierung.
Die Betrachtung der Entwicklung der langfristigen Zinssätze auf irische Staatsanleihen (vrgl.
Kapitel 5) führt zu dem Schluss, dass die Mitgliedschaft in der Eurozone keinen wesentlichen
Einfluss auf die Refinanzierungskosten für den irischen Staat hatte. Auffällig ist, dass die Zinsen auf irische Staatsanleihen zwischen 1998 und 2000 sogar von 4,8 auf 5,5 Prozent stiegen,
65
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
um danach auf das Niveau des Eurozonendurchschnitts (3,3 Prozent im Jahr 2005) zu fallen
(Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013). Die Finanzmärkte schätzten die Bonität Irlands schon vor dem Beitritt zur EWU relativ hoch ein und änderten diese Einschätzung auch
nach Einführung des Euro nicht wesentlich. Damit ist der Fall Irlands anders gelagert als derjenige Griechenlands. Es kann nicht gesagt werden, dass die niedrigen Zinsen auf Staatsanleihen dem irischen Staat eine übertriebene Ausgabenpolitik ermöglicht hätten. Vielmehr war es
die Ausrichtung des Steuersystems auf den Aufschwung im Bau- und Immobiliensektor, die
Irland einen Strom an Einnahmen garantierte.
6.2.3 Wie hätte eine alternative Geldpolitik für Irland aussehen können?
Wie schon für Griechenland soll in diesem Kapitel die Frage beantwortet werden, welche
alternativen geldpolitischen Entscheidungen die irische Zentralbank in den Jahren 2000 bis
2010 hätte fällen können, wäre sie noch Herrin über die Geldpolitik gewesen. Wie in der Einleitung zu Kapitel 6 bereits dargelegt, entspricht diese Vorgehensweise einer Politiksimulation und erlaubt eine Aussage darüber, welchen alternativen Entwicklungspfad die irische
Wirtschaft möglicherweise genommen hätte. Analog zum Szenario für Griechenland wird
davon ausgegangen, dass das Ziel der irischen Zentralbank die Stabilisierung der irischen
Volkswirtschaft ist und dass sie dazu sowohl Leitzinsänderungen als auch Währungsabwertungen gegenüber dem Euro und dem US-Dollar anwenden kann. Die unterstellte, alternative
Geldpolitik stützt sich auf die tatsächlichen geldpolitischen Entscheidungen der irischen Zentralbank vor dem Eurobeitritt und führt diese weiter. Es wird zudem unterstellt, dass die Europäische Währungsunion mit den gleichen Mitgliedern ohne Irland existiert und damit Auslandsschulden Irlands in Euro und US-Dollar anfallen.
Wie bei Griechenland soll auch für Irland ein hypothetischer Leitzins angenommen werden,
der ohne Mitgliedschaft in der EWU für die Jahre 2000 bis 2010 von der irischen Zentralbank
gesetzt worden wäre. Der hypothetische irische Leitzins liegt bei 6,5 Prozent und damit auf
dem Niveau des tatsächlichen durchschnittlichen irischen Leitzinses zwischen 1994 und 1997,
sowie über dem durchschnittlichen Leitzins der EZB zwischen 1999 und 2010 von 2,7 Prozent. Mit einem Leitzins von 6,5 Prozent hätte die irische Zentralbank versucht, das beeindruckende Wirtschaftswachstum der 1990er Jahres aufrecht zu erhalten und hätte immer noch
Spielraum nach oben für eine dämpfende Geldpolitik gehabt. Gleichzeitig wären mit höheren
Leitzinsen die Kredite in Irland teurer gewesen. Damit wären auch die Anreize für Investitionen im Bau- und Immobiliensektor geringer gewesen. Mit dem irischen Pfund als nationale
Währung hätte Irland zudem weiterhin einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Handels66
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
partnern in Europa, den USA und Großbritannien gehabt und der Exportsektor hätte seine
Bedeutung als Wachstumsmotor behalten. Letztlich hätte auch der irische Staat weniger Anreize gehabt, das Steuersystem einseitig auf Erträge aus dem Bau- und Immobiliensektor
auszurichten.
Ohne direkten Zugang zum Euro-Interbankenmarkt hätten sich die irischen Banken weniger
im Ausland verschuldet und wären beim Ausbruch der internationalen Finanzkrise weniger
hart vom Einfrieren der Finanzmärkte getroffen worden. Ferner hätte den irischen Banken
ohne den leichten Zugang zu Finanzierung aus dem Euroraum weniger Geld für die Kreditvergabe in den nationalen Bau- und Immobiliensektor zur Verfügung gestanden. Damit hätten
sie sich weniger stark in diesem Segment engagiert und wären auch weniger heftig von der
sinkenden Nachfrage und den daraus folgenden Zahlungsausfällen der Kreditnehmer getroffen worden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich in Irland auch ohne Mitgliedschaft in der EWU ein Bau- und Immobilienboom mit darauffolgendem Platzen der Preisblase
entwickelt hätte. Jedoch wäre mit den Leitzinsen von 6,5 Prozent das Kreditvolumen geringer
gewesen und die irische Volkswirtschaft hätte mit dem Export noch ein zweites Standbein
gehabt. Der irische Staat hätte sich mit einer allfälligen Bankenrettung weniger stark destabilisiert und wäre möglicherweise nicht von der Refinanzierung auf den Finanzmärkten ausgeschlossen worden.
Auf Grundlage der kontrafaktischen Analyse lässt sich für Irland also festhalten, dass eine
autonome Geldpolitik und die Beibehaltung des Irischen Pfund wahrscheinlich eine stabilere
wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht hätten. Im folgenden Kapitel 6.3 werden die Implikationen dieses Ergebnisses für These 3 diskutiert.
6.3 Fazit
Hier wird These 3 abschließend überprüft: Die Staatsschuldenkrisen in Griechenland und
Irland sind entstanden aus dem exogenen Schock der internationalen Finanzkrise auf die
durch fehlende Konvergenz und eine einheitliche Geldpolitik charakterisierten Volkswirtschaften. In Kapitel 4 konnte bereits gezeigt werden, dass die internationale Finanzkrise als
exogener Schock auf die Eurozone beschrieben werden kann. Damit ist der erste Teil von
These 3 bestätigt. In Kapitel 5 wurde gezeigt, dass die Volkswirtschaften Griechenlands und
Irlands sich in den betrachteten Kriterien größtenteils nicht konvergent zum Rest der Eurozone entwickelt haben, womit der zweite Teil bestätigt ist. Wie sieht es nun für den dritten Teil
der These, die Rolle der einheitlichen Geldpolitik, aus?
67
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
Die Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung Griechenlands und das kontrafaktische Gedankenexperiment lassen sich in vier Hauptergebnissen zusammenfassen:
a) Eine autonome griechische Zentralbank hätte einen höheren Leitzins auch für die Zeit
nach 2000 wählen können. Dies hätte eine bremsende Wirkung auf die griechische
Wirtschaft gehabt und der Überhitzung entgegengewirkt.
b) Die höheren Zinsen auf Staatsanleihen hätten es dem griechischen Staat schwieriger
gemacht, sich auf den Finanzmärkten zu refinanzieren. Es wird angenommen, dass
sich die geringeren finanziellen Mittel in geringeren Staatsausgaben und einem geringeren Schuldenstand nieder geschlagen hätten.
c) Die Staatsschulden und auch das Budgetdefizit waren schon vor dem Beitritt zur Europäischen Währungsunion vergleichsweise hoch und sind zwischen 2000 und 2008
nur geringfügig gestiegen. Daraus lässt sich schließen, dass die gemeinsame Währung
in der EWU und die einheitliche Geldpolitik der EZB weder den Schuldenstand noch
das Budgetdefizit wesentlich in die Höhe getrieben haben.
d) Eine Abwertung der Drachme hätte die Wettbewerbsposition Griechenlands gegenüber seinen Handelspartnern zwar kurzfristig verbessern können, jedoch wären damit
auch die Auslandsstaatsschulden in US-Dollar und Euro um den Faktor der Abwertung gestiegen und die Schuldenlast des Landes wäre angewachsen.
Diese Ergebnisse führen zu dem Schluss, dass These 3 für Griechenland nicht angenommen
werden kann. Die Geldpolitik der EZB, im Besonderen die Leitzinssetzung, hat die
destabilisierende Tendenz der griechischen Volkswirtschaft ab 2000 verstärkt, aber sie hat sie
nicht verursacht. Es ist anzunehmen, dass Griechenland auch mit der Drachme und der Autonomie über die Geldpolitik bis 2010 einen untragbar großen Schuldenberg angehäuft hätte
und mit den Auswirkungen des Schocks der Finanzkrise von der Refinanzierung an den
Finanzmärkten ausgeschlossen worden wäre. Damit hätte auch eine stärkere Konvergenz der
griechischen
Volkswirtschaft
zum
Eurozonendurchschnitt
die
Staatsschuldenkrise
wahrscheinlich nicht verhindern können.
Bei der dreifachen Krise Irlands ist die Situation vor allem aufgrund der zahlreichen Wechselwirkungen zwischen den Entwicklungen im Vorfeld der Krisen komplexer. Trotzdem lassen sich aus der Analyse und dem kontrafaktischen Gedankenexperiment vier Hauptergebnisse ableiten:
68
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
a) Ein höherer Leitzins nach 1999 hätte wie im Fall Griechenlands eine bremsende Wirkung auf die irische Wirtschaft gehabt, ohne jedoch das Wirtschaftswachstum zu ersticken.
b) Die höheren Refinanzierungskosten für die irischen Banken, die mit den höheren Leitzinsen einer autonomen irischen Zentralbank einhergegangen wären, hätten den Ausbau des Kreditvolumens eingeschränkt. Damit wären weniger Immobilienkredite vergeben worden und die irischen Banken wären weniger abhängig von Hypothekentilgungen und Zinsrückzahlungen geworden. Ein Rückgang der Nachfrage im Immobiliengeschäft hätte die Banken in der Folge weniger hart getroffen.
c) Mit dem geringeren Kreditvolumen wäre auch der Boom im Bau- und Immobiliensektor weniger extrem ausgefallen und der irische Staat hätte weniger Anreize gehabt, das
Steuersystem einseitig auf Erträge aus diesen beiden Branchen umzubauen. Die Steuereinnahmen wären damit nicht mit den sinkenden Immobilienpreisen zusammengebrochen.
d) Das Irische Pfund hätte als schwache Währung gegenüber dem Euro, dem US-Dollar
und dem Britischen Pfund die Wettbewerbsposition Irlands gestärkt, wovon der Exportsektor profitiert hätte.
Letztlich hätte Irland ohne die Mitgliedschaft in der EWU wahrscheinlich einen geringeren
oder keinen Immobilien- und Bauboom erlebt. So hätten weder die irischen Banken, noch die
privaten Haushalte und Unternehmen oder der irische Staat einen Anreiz gehabt, sich einseitig
auf die Erträge aus den beiden Branchen zu verlassen und den Rest der Volkswirtschaft zu
vernachlässigen. Die nicht zu den konjunkturellen Entwicklungen Irlands passende Geldpolitik der EZB und die negativen Effekte des starken Euro für den Export hatten wesentlichen
Anteil an der dreifachen irischen Krise. Auf Grundlage der hier ermittelten Ergebnisse kann
These 3 für Irland bestätigt werden.
Wie in Kapitel 4.3 zur Internationalen Finanzkrise bereits erwähnt, hat Kapitel 6 zudem gezeigt, dass die Finanzkrise als asymmetrischer Schock auf die griechische und die irische
Wirtschaft gewirkt hat. Während in Griechenland der Staat durch das Einfrieren der Kreditmärkte in Refinanzierungsschwierigkeiten gekommen ist, war es in Irland in erster Linie der
Bankensektor, der negativ von dem exogenen Schock getroffen wurde. Im Rückgriff auf Kapitel 2 lässt sich damit sagen, dass die Ökonomisten angesichts der Nicht-Erfüllung der Krite-
69
6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland
rien eines Optimalen Währungsraums zu Recht im Vorfeld der Errichtung der EWU Warnungen ausgesprochen hatten. Die Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands haben sich tatsächlich auf unterschiedliche Wirtschafts- und Produktionsstrategien spezialisiert und wurden
deshalb von der internationalen Finanzkrise in unterschiedlicher Weise getroffen.
Im folgenden Kapitel 7 werden die Ergebnisse der Kapitel 4, 5 und 6 mit den dazugehörigen
Thesen in einer Synthese zusammengeführt und im Hinblick auf die Beantwortung der Fragestellung diskutiert.
70
7. Synthese und Beantwortung der Fragestellung
7. Synthese und Beantwortung der Fragestellung
In diesem Kapitel wird die Fragestellung dieser Masterarbeit beantwortet: Welche Aspekte der
Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland lassen sich auf die internationale Finanzkrise zurückführen und welche sind der Wirkung der einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die
durch fehlende Konvergenz gekennzeichneten Volkswirtschaften geschuldet? Wie in der Einleitung dargelegt, besteht die Fragestellung aus drei Teilen, die einzeln betrachtet werden
müssen. Dies drückt sich in den drei Thesen aus, die jeweils in eigenen Kapiteln, mit unterschiedlichen Methoden untersucht wurden. Kapitel 4 widmete sich der Frage, ob die internationale Finanzkrise als exogener Schock auf die EWU beschrieben werden kann. Damit sollte
gezeigt werden, dass die Finanzkrise zwar einen wesentlichen Anteil am Ausbruch der Staatsschuldenkrise gehabt hat, die eigentlichen Schwierigkeiten der Krisenstaaten jedoch tiefer
liegender Natur sind. Mit der Anwendung der Definition eines exogenen Schocks auf die Hintergründe und Auswirkungen der internationalen Finanzkrise auf die Eurozone konnte These
1: Die internationale Finanzkrise lässt sich als exogener Schock auf die Europäische Währungsunion beschreiben, bestätigt werden. Die internationale Finanzkrise hat die Staaten der
Eurozone und die EU-Institutionen unvorbereitet getroffen und in ihrem zerstörerischen
Ausmaß überfordert. In ihrem Ursprung war die internationale Finanzkrise ein Schock auf
dem US-Immobilienmarkt, der über komplexe Finanzmarktinstrumente und eine enge Vernetzung der Finanzmärkte globale Konsequenzen hatte. Die internationale Finanzkrise war für
die Eurozone jedoch nicht bloß ein exogener Schock, sondern zusätzlich ein asymmetrischer.
Dies konnte für Griechenland und Irland gezeigt werden. Während in Griechenland der Staat
aufgrund des Einfrierens der Finanzmärkte in Refinanzierungsschwierigkeiten kam, war in
Irland in erster Linie der Bankensektor betroffen.
In Kapitel 5 folgte die Untersuchung des zweiten Teils der Fragestellung, ausgedrückt in These 2: Die erhoffte Konvergenz der Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands zum Durchschnitt der Eurozone hat sich in den ersten zehn Jahren des Bestehens der EWU nicht eingestellt. Es wurde die Entwicklung von drei der vier Konvergenzkriterien des Vertrages von
Maastricht in Griechenland und Irland im Vergleich zu den Durchschnittswerten der Eurozone betrachtet. These 2 konnte teilweise bestätigt werden. Am eindeutigsten war die divergente
Entwicklung im Fall des öffentlichen Schuldenstandes. Sowohl Griechenland als auch Irland
haben sich in diesem Kriterium über den Beobachtungszeitraum divergent zum Eurozonendurchschnitt entwickelt. Griechenland wies zudem eine eindeutig divergente Entwicklung
71
7. Synthese und Beantwortung der Fragestellung
beim Budgetdefizit auf, während Irland sich in der Preisstabilität deutlicher divergent entwickelt hat. Einzig die Zinssätze auf Staatsanleihen haben in beiden Ländern die erhoffte konvergente Entwicklung gezeigt.
These 3 in Kapitel 6 brachte die Ergebnisse der beiden vorhergehenden Kapitel zusammen
und stellte einen kausalen Zusammenhang zwischen dem exogenen Schock der internationalen Finanzkrise, der fehlenden Konvergenz der Volkswirtschaften und dem Ausbruch der
Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland her: Die Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland sind entstanden aus dem exogenen Schock der internationalen Finanzkrise
auf die durch fehlende Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt und eine einheitliche Geldpolitik charakterisierten Volkswirtschaften. Das entscheidende Bindeglied ist hierbei die einheitliche Geldpolitik. Die Quintessenz der Kapitel 2 und 3 ist, dass eine einheitliche Geldpolitik
und eine gemeinsame Währung in einer Währungsunion eine hinreichend konvergente Entwicklung der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten voraussetzen. Ist diese nicht bereits vor
der Errichtung der Währungsunion gegeben oder stellt sie sich nicht im Verlauf ihres Bestehens ein, kann die einheitliche Geldpolitik nicht adäquat auf in diesem Fall asymmetrisch
wirkende ökonomische Schocks reagieren und die Union sowie einzelne Mitgliedstaaten laufen Gefahr, nachhaltig destabilisiert zu werden. Mit der Bestätigung von These 1 und der
teilweisen Bestätigung von These 2 sind zwei Teile von These 3 bereits erledigt. Nun mussten
noch die Auswirkungen der einheitlichen Geldpolitik auf die sich größtenteils divergent zum
Eurozonendurchschnitt entwickelnde griechische und irische Volkswirtschaft entdeckt und
analysiert werden. Dazu wurden in den Kapiteln 6.1.1 und 6.2.1 die wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands und Irlands zwischen 1999 und 2010 detailliert dargelegt und Muster aufgezeigt. Die Ergebnisse werden hier noch einmal verkürzt dargestellt: Griechenland zeichnete
sich aus durch eine lange staatliche Verschuldungshistorie, private Unternehmen und Haushalte, die stark von staatlichen Transfers und Subventionen abhängig sind sowie einem wachsenden Leistungsbilanzdefizit und einer erodierenden Wettbewerbsfähigkeit. Der Beitritt zur
Europäischen Währungsunion brachte niedrige Leitzinsen und damit billige Kredite aus dem
Rest der Eurozone sowie niedrige Zinsen auf Staatsanleihen. Beides führte zu einem kreditfinanzierten Wirtschaftswachstum. Als durch die internationale Finanzkrise die europäischen
Finanzmärkte einfroren, kam Griechenland in Refinanzierungsschwierigkeiten und dem Land
drohte der Staatsbankrott. Irland auf der anderen Seite sah sich Ende der 2000er Jahre mit
einer dreifachen Krise konfrontiert. Einer Bankenkrise, einer Immobilienkrise, die in eine
Krise der Realwirtschaft mündete und einer Staatsschuldenkrise. Den drei Krisen zugrunde
72
7. Synthese und Beantwortung der Fragestellung
liegen auf der einen Seite die internationale Finanzkrise und auf der anderen Seite das Platzen
der irischen Immobilienblase. Während die internationale Finanzkrise eigentlich nur den irischen Bankensektor traf, wurde die vom Immobilien- und Bausektor abhängige Realwirtschaft Opfer der sinkenden Nachfrage nach Immobilien und rutschte in eine Rezession. Ausfälle bei den Steuereinnahmen belasteten den irischen Haushalt und ließen das Budgetdefizit
steigen. Gleichzeitig wurden zahlreiche Kreditnehmer zahlungsunfähig, was den irischen
Banken große Verluste bescherte. Die Bankenrettungen und die steigenden Lasten aus der
Realwirtschaft führten schließlich zu einem Ausschluss des irischen Staates von den Finanzmärkten. An die Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung Griechenlands und Irlands anknüpfend wurden in den Kapiteln 6.1.2 und 6.2.2 die Auswirkungen der einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die beiden Volkswirtschaften untersucht. Der am Durchschnitt der Eurozone
ausgerichtete einheitliche Leitzins der EZB passte während einem Großteil der Zeit zwischen
1999 und 2010 nicht zu den konjunkturellen Entwicklungen in Griechenland und Irland und
hatte damit eine destabilisierende Wirkung. Gleichzeitig wirkte sich die einheitliche Währung
negativ auf die Wettbewerbsposition des griechischen und des irischen Exportsektors aus. Ein
Unterschied zwischen den beiden Ländern liegt darin, dass die EWU-Mitgliedschaft Griechenland historisch tiefe Zinsen auf Staatsanleihen bescherte, während diese für Irland auch
schon vor 1999 nah beim Eurozonendurchschnitt lagen.
Es konnten also die Entwicklungspfade Griechenlands und Irlands bis zur Staatsschuldenkrise
nachgezeichnet werden. Jedoch lässt dies noch keine Aussage darüber zu, ob die einheitliche
Geldpolitik der EZB tatsächlich der entscheidende Faktor beim Ausbruch der Staatsschuldenkrisen war. Dazu diente ein Gedankenexperiment in Form einer kontrafaktischen Analyse. In
den Kapiteln 6.1.3 und 6.2.3 wurde eine Situation imaginiert, in der Griechenland und Irland
nicht Mitglieder der EWU sind und ihre nationalen Währungen behalten haben. Darauf aufbauend wurde überlegt, wie eine alternative Geldpolitik für Griechenland und Irland hätte
aussehen können und welche Effekte sie gezeigt hätte. Die kontrafaktischen Analysen für
Griechenland und Irland konnten in Kapitel 6.3 in je vier Hauptergebnissen zusammengefasst
werden. Im Fall von Griechenland hat die Geldpolitik der EZB, im Besonderen die Leitzinssetzung, die destabilisierende Tendenz der griechischen Volkswirtschaft ab 2000 verstärkt.
Sie hat sie jedoch nicht verursacht. Es wird gefolgert, dass Griechenland auch mit der Drachme und der Autonomie über die Geldpolitik bis 2010 einen untragbar großen Schuldenberg
angehäuft hätte und mit den Auswirkungen des Schocks der Finanzkrise von der Refinanzierung an den Finanzmärkten ausgeschlossen worden wäre. Damit hätte auch eine stärkere
73
7. Synthese und Beantwortung der Fragestellung
Konvergenz der griechischen Volkswirtschaft zum Eurozonendurchschnitt die Staatsschuldenkrise wahrscheinlich nicht verhindern können und These 3 kann für Griechenland nicht
bestätigt werden. Anders sieht dies für Irland aus. Die kontrafaktische Analyse lässt hier den
Schluss zu, dass Irland letztlich ohne die Mitgliedschaft in der EWU wahrscheinlich einen
geringeren oder keinen Immobilien- und Bauboom erlebt hätte. So hätten weder die irischen
Banken, noch die privaten Haushalte und Unternehmen oder der irische Staat einen Anreiz
gehabt, sich einseitig auf die Erträge aus den beiden Branchen zu verlassen und den Rest der
Volkswirtschaft zu vernachlässigen. Die nicht zu den konjunkturellen Entwicklungen Irlands
passende Geldpolitik der EZB und die negativen Effekte des Wegfalls des Wettbewerbsvorteils durch das schwache Irische Pfund für den Export hatten wesentlichen Anteil an der dreifachen irischen Krise. Unter den erwähnten Vorbehalten, die für die Ergebnisse eines hypothetischen Gedankenexperiments gelten, kann auf Grundlage der kontrafaktischen Analyse
These 3 für Irland bestätigt werden.
Was lässt sich nun aus der Untersuchung der drei Thesen für die Fragestellung ableiten? Welche Aspekte der Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland lassen sich auf die internationale Finanzkrise zurückführen und welche sind der Wirkung der einheitlichen Geldpolitik
der EZB auf die durch fehlende Konvergenz gekennzeichneten Volkswirtschaften geschuldet?
Die internationale Finanzkrise hat als exogener Schock die Eurozone getroffen und hat die
Instabilität der griechischen und irischen Wirtschaft offengelegt. Die Finanzmärkte reagierten
darauf mit einem Vertrauensentzug, der sich in steigenden Zinsen auf Staatsanleihen ausdrückte. Dies brachte beide Länder in Zahlungsschwierigkeiten und führte letztendlich zum
Eingreifen der EU-Institutionen und des IWF. Außerdem wurden Griechenland und Irland in
unterschiedlicher Weise von der internationalen Finanzkrise getroffen, was dem von den
Ökonomisten erwarteten Schock mit asymmetrischen Konsequenzen entspricht. Hinsichtlich
der Roll der einheitlichen Geldpolitik der EZB, zeigte sich, dass sie größtenteils nicht zu den
konjunkturellen Entwicklungen der beiden Länder passte. Im Fall von Griechenland scheinen
es jedoch in erster Linie strukturelle Defizite und nicht die Wirkung der einheitlichen Geldpolitik und der gemeinsamen Währung gewesen zu sein, welche zum Ausbruch der Staatsschuldenkrise geführt haben. Für Irland hingegen lässt die kontrafaktische Analyse den Schluss zu,
dass die Mitgliedschaft in der EWU einen wesentlichen Anteil an der Destabilisierung des
Landes hatte. Da die kontrafaktischen Analysen für Griechenland und Irland hypothetischer
Natur sind, kann jedoch nicht mit abschließender Sicherheit gesagt werden, wie sich die
Volkswirtschaften der beiden Länder mit einer nationalen Währung und einer autonomen
74
7. Synthese und Beantwortung der Fragestellung
Geldpolitik entwickelt hätten. Zusätzlich ist die Generalisierbarkeit der Ergebnisse aufgrund
der kleinen Fallzahl eingeschränkt. Wertvolle Erkenntnisse könnte eine Ausweitung der Analyse auf die anderen Krisenstaaten Portugal, Spanien und Zypern sowie die restlichen Mitglieder der EWU bringen. Weiter bietet sich auch ein Vergleich mit Großbritannien als NichtMitglied an.
In Kapitel 8 folgt nun der Abschluss dieser Masterarbeit mit einem Rückgriff auf die in Kapitel 2.3 vorgestellten Reformvorschläge für die Europäische Währungsunion. Welche Schlüsse
lassen sich aus der Untersuchung der Thesen und der Fragestellung hinsichtlich des in Zukunft einzuschlagenden Weges für die EWU ziehen?
75
8. Fazit und Empfehlungen
8. Fazit und Empfehlungen
8.1 Reformen seit 2011
Die Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung Griechenlands und Irlands im Vorfeld der
Schuldenkrise hat gezeigt, dass die einheitliche Geldpolitik der EZB auf die durch fehlende
Konvergenz zum Rest der Eurozone gekennzeichneten Volkswirtschaften eine destabilisierende Wirkung hatte. Obwohl die Schuldenkrise in Griechenland wahrscheinlich auch mit
einer nationalen Währung ausgebrochen wäre, haben die Krisen gezeigt, dass die EWU mit
großen internen Ungleichgewichten zu kämpfen hat, welche zu einer Gefahr für die gesamte
Union werden können. Diese Erkenntnis hat sich mittlerweile auch in den EU-Institutionen
durchgesetzt. Die Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen der Europäische Kommission
schreibt in einem Occasional Paper von 2013, dass die europäische Schuldenkrise die Schwächen und Ungleichgewichte der Mitgliedstaaten der EWU offengelegt und damit die Fehler
der Architektur der Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Eurozone deutlich gemacht hat
(KOM 2013: 11). Als Reaktion auf diese Erkenntnis wurden seit 2011 mehrere Reformen
verabschiedet. Es handelt sich dabei zum einen um Weiterentwicklungen des Stabilitäts- und
Wachstumspakt und zum anderen um neu geschaffene Verträge. Das gemeinsame Ziel der
Reformen ist eine verbesserte Überwachung und Koordination der Wirtschafts- und Fiskalpolitiken in der EU, wobei innerhalb der Eurozone bei Nicht-Erfüllung Sanktionen verhängt
werden können. Gleichzeitig wird immer wieder die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit der
einzelnen Staaten für das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen betont.
Da in dieser Arbeit Ereignisse vor 2010 im Mittelpunkt stehen, werden die verschiedenen
Reformen nur kurz vorgestellt und im Hinblick auf die in Kapitel 2 eingeführten Positionen
zur Zukunft der EWU eingeordnet. Abschließend kann eine Beurteilung unternommen werden, ob die Reformen mit Blick auf die in dieser Arbeit gefundenen Erkenntnisse in die richtige Richtung weisen oder ob alternative Maßnahmen empfehlenswert sind.
2011 verabschiedete die Europäische Kommission das aus fünf Verordnungen und einer
Richtlinie bestehende Sixpack. Die Regelungen gelten für alle EU-Mitgliedstaaten, jedoch
können bei Missachtung nur gegen die Staaten der Eurozone Sanktionen verhängt werden
(KOM Webseite 2013c). Das Sixpack stärkt die beiden Arme des SWP und führt mit dem
Gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichtsverfahren (Macroeconomic Imbalance Procedure)
einen systemischen, länderübergreifenden Ansatz ein. Das Ungleichgewichtsverfahren soll
den Aufbau von wirtschaftlichen Ungleichgewichten zwischen den EU-Mitgliedstaaten ver-
76
8. Fazit und Empfehlungen
hindern und korrigieren (KOM 2013: 11-12). Stellt die Kommission ein übermäßiges Ungleichgewicht in einem Mitgliedstaat fest, kann sie ein Verfahren eröffnen, das den betreffenden Staat zu Korrekturmaßnahmen zwingt. Als „übermäßig“ werden Ungleichgewichte bezeichnet, wenn sie negative Auswirkungen auf die Funktionsweise der Wirtschaft eines Mitgliedstaats, der Eurozone oder der EU haben (Busch 2012: 34). Als Stärkung des Defizitverfahrens im Rahmen des SWP sieht das Sixpack eine Verschärfung der Sanktionsmöglichkeiten vor. Die Hauptneuerung ist, dass nicht länger die qualifizierte Zustimmung des Ministerrats zur Verhängung von Sanktionen benötigt wird. Vielmehr wird nun das Abstimmungsverfahren der umgekehrt qualifizierten Mehrheit angewandt, womit die von der Kommission
vorgeschlagenen Sanktionen automatisch in Kraft treten, falls keine qualifizierte Mehrheit im
Ministerrat dagegen stimmt (KOM 2013: 14-15). Damit scheint einer der Hauptkritikpunkte
am SWP behoben zu sein. Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch auf, dass die Feststellung
eines exzessiven Defizits zur Eröffnung eines Verfahrens gegen einen Mitgliedstaat der EWU
immer noch mit qualifizierter Mehrheit geschehen muss. Es kann also sein, dass die Minister
im Rat ihre Strategien zur Vermeidung von Sanktionen einfach auf diese Abstimmung verschieben und damit die Defizitverfahren gar nicht erst eröffnet werden. Das Sixpack gibt mit
der Einführung des Europäischen Semesters zusätzlich einen zeitlichen Rahmen für die
Überwachung der Haushaltslage der Eurostaaten vor. Die Beurteilung der nationalen Wirtschafts- und Fiskalpolitiken sowie der makroökonomischen Ungleichgewichte durch die
Kommission findet nun jeweils statt bevor die EU-Staaten ihre Haushaltspläne für das kommende Jahr entwerfen und verabschieden. Die Kommission spricht daraufhin Empfehlungen
aus, welche in die Pläne eingehen müssen. Mit der Erweiterung um zwei Verordnungen – das
Twopack von 2013 – findet für die Staaten der Eurozone im Herbst außerdem eine Diskussion
der zur Abstimmung kommenden Haushaltsentwürfe durch die Kommission statt. Das Ziel
dieser vorgelagerten Koordination ist die bessere Umsetzung der europaweiten Vorgaben in
die nationale Wirtschafts- und Fiskalpolitik (KOM Webseite 2013d). Sie stellt einen tiefgreifenden Eingriff in die Politikformulierung der Mitgliedstaaten dar. Die Reformen rund um
Sixpack und Twopack stehen unter dem Motto: „Prevention is better than correction“ (KOM
2013: 16).
Ebenfalls 2011 wurde der Euro-Plus-Pakt verabschiedet. Es handelt sich dabei um eine freiwillige Vereinbarung zwischen den 17 Staats- und Regierungschefs der Euroländer plus 6
Länder der EU, deren Währung nicht der Euro ist. Das erklärte Ziel des Pakts ist es, „eine
neue Qualität der wirtschaftspolitischen Koordinierung im Euro-Währungsgebiet zu errei-
77
8. Fazit und Empfehlungen
chen, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und dadurch einen höheren Grad an Konvergenz zu erreichen“ (Ministerrat 2011: 5). Wie das Sixpack zielt der Euro-Plus-Pakt also auf
die wirtschaftliche Konvergenz und enthält zudem mit dem Ziel der Stärkung der nationalen
Wettbewerbsfähigkeit ein neues Element. Der Schwerpunkt des Paktes liegt auf jenen Politikfeldern, die bei der Koordinierung der Wirtschafts- und Fiskalpolitik innerhalb der EWU in
nationale Zuständigkeit fallen (Ministerrat 2011: 5). Die Unterzeichnerstaaten wollen also
eine Koordinierung untereinander, die über die Abstimmung mit der Kommission hinausgeht.
Der Pakt enthält die Verpflichtung, die Partnerstaaten zu informieren, bevor weitreichende
Wirtschaftsreformen, die potenzielle spill over-Effekte haben, verabschiedet werden. Grundsätzlich ist es jedem Unterzeichnerstaat selbst überlassen, welche konkreten Maßnahmen er
ergreift, um die im Rahmen des Pakts vereinbarten Ziele zu erreichen (Ministerrat 2011: 6-7).
Damit stellt der Euro-Plus-Pakt einen Kompromiss zwischen der Einsicht in die Notwendigkeit der Koordinierung der Wirtschaftspolitiken und dem beharren auf nationaler Souveränität
dar. Daniela Schwarzer, Mitglied der in Kapitel 2 vorgestellten Glieniker Gruppe, hegt Zweifel an der Wirksamkeit des Pakts: „Der Pakt ist weder EU-Recht noch ist er ein völkerrechtliches Abkommen. Es gibt folglich keine Umsetzung in nationales Recht, keine direkte Beteiligung nationaler Parlamente und keine Beschwerdemöglichkeit gegenüber nationalen Gerichten. Ob diese weiche Form der Politikkoordinierung mittelfristig zur nationalen Umsetzung
der Zielvorgaben führt, ist fraglich“ (Schwarzer 2012: 21).
Ein weiterer intergouvernementaler Vertrag, der den SWP stärken soll, trat im Januar 2013 in
Kraft. Es handelt sich um den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung (Treaty
on Stability, Convergence and Governance, TSCG), über dessen Einhaltung der EuGH wacht.
Der Vertrag besteht aus sechs Titeln, von denen der dritte unter dem Namen Fiskalpakt am
bekanntesten ist. Mit dem Fiskalpakt sind die Unterzeichnerstaaten (alle EU-Staaten außer
Großbritannien und Tschechien) verpflichtet, den Ausgleich ihrer Haushalte in den nationalen
Rechtssystemen festzuschreiben. Bestenfalls geschieht dies auf Verfassungsebene oder in
Gesetzestexten mit vergleichbarer Verbindlichkeit. Es soll sichergestellt werden, dass die
Vorgaben automatisch bei jedem zukünftigen Haushaltsplan eingehalten und automatische
Korrekturmechanismen bei Abweichungen vom Ziel oder von dem dorthin führenden Anpassungspfad aktiviert werden (KOM 2013: 18-19; Europäischer Rat 2012). Der TSCG hält fest,
dass das strukturelle Budgetdefizit nicht höher als 0,5 Prozent des BIP ausfallen darf. Mit dem
mittelfristigen Ziel eines ausgeglichenen Haushalts stellt der TSCG damit eine wesentliche
Verschärfung gegenüber dem im SWP erlaubten Budgetdefizit von 3 Prozent des BIP dar. Es
78
8. Fazit und Empfehlungen
stellt sich die Frage, in wie weit dieses ehrgeizige Ziel erreichbar ist. Angesichts der mehrfachen Missachtung der Vorgaben aus dem SWP darf man hier – trotz der Zuständigkeit des
EuGH – zumindest skeptisch sein. Als letzte hier vorgestellte Reform sollte im Zuge der Erfahrungen mit der Finanz- und der Schuldenkrise die Finanzmarktaufsicht verbessert und
stärker auf europäischer Ebene angesiedelt werden. Die angestrebte Bankenunion unter der
Aufsicht der EZB und das seit 2011 bestehende Europäische Finanzaufsichtssystem sowie der
Europäische Ausschuss für Systemrisiken sind hier als Beispiele zu nennen (Schwarzer 2012:
18).
Die Hauptschwierigkeit bei den Reformen für die EWU scheint zu sein, dass sie zahlreich und
unübersichtlich sind. Es fällt nicht leicht, sich ein klares Bild der verschiedenen Maßnahmen,
Verfahren und Sanktionen zu machen. Es besteht die Gefahr, dass aufgrund der Fülle von
Vorgaben zu jeder Zeit mindestens ein Mitgliedstaat an einem Punkt irgendeines Verfahren
steht. Dies bedeutet nicht nur einen großen bürokratischen Aufwand für die Kommission, den
Ministerrat und die Staaten selbst. Schlimmstenfalls führt diese Über-Regulierung dazu, dass
die Eröffnung eines Verfahrens zum Normalfall wird und diese damit ihre Abschreckungswirkung verlieren.
In Kapitel 2 wurden zwei Positionen vorgestellt, die sich in der Frage nach der Weiterentwicklung der EWU und der wirtschaftlichen Integration gegenüberstehen. Die Reformen des
SWP und die neu abgeschlossenen Verträge lassen sich eindeutig der Gruppe zuordnen, die
eine verstärkte Zentralisierung auf europäischer Ebene und weitere Integrationsschritte fordert. Das Six- und das Twopack, der Euro-Plus-Pakt und der TSCG sind Instrumente, welche
die zentrale Koordinierung und Überwachung der nationalen Wirtschafts- und Fiskalpolitiken
stärken. Die Reformen haben damit die Erkenntnis der mangelnden Konvergenz der Volkswirtschaften in der EWU, welche auch von dieser Arbeit deutlich gemacht wurden, aufgenommen. Jedoch scheinen mit Blick auf die Ergebnisse der Analyse Griechenlands einzelne,
nationale Probleme in der EWU so groß, dass eine weitere Zentralisierung der Koordinierung
und Überwachung wahrscheinlich erst langfristig greifen kann. Irland auf der anderen Seite
hatte bis 2008 keine Schwierigkeiten mit der Einhaltung der Vorgaben aus dem SWP. Eine
Stärkung des SWP, mehr Überwachung, Zentralisierung und härtere Sanktionen – wie sie von
den Reformen vorgesehen sind – hätten damit den Entwicklungspfad Irlands nicht beeinflusst.
Einzig das Gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichtsverfahren und der Euro-Plus-Pakt hätten
bei Irland überhaupt zur Anwendung kommen können. Doch auch diese Instrumente müssen
ihre Wirksamkeit erst noch unter Beweis stellen.
79
8. Fazit und Empfehlungen
8.2 Wie weiter?
Aufgrund der Aktualität des Themas und der Unsicherheit über die Zukunft der EWU sollen
aus den Ergebnissen dieser Masterarbeit auch konkrete Politikempfehlungen abgeleitet werden. Die Untersuchung Griechenlands weist darauf hin, dass die Eurozone nicht bloß langfristig auf sichere Beine gestellt werden muss, sondern auch kurzfristige Mechanismen zur Eindämmung einer nationalen Krise braucht. Die Vorschläge von Heribert Dieter auf Grundlage
des Vertrages von Maastricht weisen hier aus meiner Sicht in die richtige Richtung. Eine
zwingende Ausschlussklausel für zahlungsunfähige Mitgliedstaaten würde das Spannungsverhältnis, das zwischen der Nichtbeistandsklausel im AEUV und der fehlenden Möglichkeit,
aus der Eurozone auszutreten, lösen. Die freiwillige Austrittsoption wäre der logische Gegenpart zur Ausschlussklausel (vrgl. Dieter 2012). Schließlich wäre es angebracht, über ein staatliches Insolvenzverfahren für die Eurozone nach dem Vorbild des Chapter 9 im USamerikanischen Insolvenzrecht nachzudenken. Der Ausschluss eines zahlungsunfähigen Mitgliedstaates könnte dank eines solchen Verfahrens in geordneten, vorhersehbaren Bahnen
ablaufen.18 Längerfristig müssen sich die Mitgliedstaaten der EWU und ihre Bevölkerungen
klar werden, ob sie einen „Qualitätssprung der Integration“, wie von der Glieniker Gruppe
gefordert, wollen oder nicht (Glieniker Gruppe 2013). Die weitgehende Zentralisierung der
Wirtschafts- und Fiskalpolitik bedeutet den Verzicht auf einen weiteren, großen Teil staatlicher Souveränität. Transferzahlungen bedeuten die finanzielle Unterstützung von Partnerstaaten in der Währungsunion, deren Wirtschaftsleistung geringer ist als die eigene. Sei dies aus
eigener Schuld oder aufgrund exogener Verwerfungen. Hier sollte man sich den immer wieder aufkommenden Widerstand der sogenannten Geberländer gegen den innerdeutschen Finanzausgleich in Erinnerung rufen. Wieso sollte einem eurozonenweiten Transfersystem nach
ähnlicher Bauart mit größerer Akzeptanz begegnet werden? Ferner ist ein weiterer Souveränitätsverzicht angesichts des nach wie vor vorhandenen Demokratiedefizits der EU problematisch. Angesichts der in der Masterarbeit aufgezeigten Defizite der EWU und des langen Zeithorizonts, den die Reformen brauchen, um zu greifen, scheint eine auf bestehenden Verträgen
beruhende Weiterentwicklung zur Zeit der bessere Weg.
18
Für einen Überblick über die Diskussion eines staatlichen Insolvenzverfahrens siehe im Allgemeinen: Rogoff/Zettelmeyer 2002 und für die EWU im Besonderen: Dullien/Schwarzer 2010.
80
9. Literatur- und Quellenverzeichnis
9. Literatur- und Quellenverzeichnis
Abelshauser, Werner. 2010. „Die Erblast des Euro – eine kurze Geschichte der Europäischen
Währungsunion“ Aus Politik und Zeitgeschichte Europa und der Euro 43: 39-45. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
[AEUV] Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Stand 1.1.2013. in:
Beck-Texte im dtv (Verlag) „EuR Europarecht. Europäische Union (EUV/AEUV), Charta der
Grundrechte, Gerichtsbarkeit, Europarat-Satzung, EMRK, Begleitgesetze“ 25. Auflage. München: Deutscher Taschenbuchverlag: 38-195.
[AfD
Webseite
2013]
Alternative
für
Deutschland.
2013.
Wahlprogramm.
https://www.alternativefuer.de/partei/wahlprogramm/ (Zugriff am 23.11.13).
Ahearn, Raymond J. / Jackson, James K. / Mix, Derek E. / Nelson, Rebecca M. 2012. “The
Future of the Eurozone and U.S. Interests” Congressional Research Service R41411. CRS
Report for Congress.
Axt, Hans-Jürgen. 2010. „Verschuldung in Griechenland: Ursachen einer hausgemachten Krise und Folgen für den Euroraum“ Südosteuropa 58(4): 542-567.
Bloed, Peter / Voss, Markus. 2010. „Es brennt lichterloh“ Focus Money Online 24.02.2010.
http://www.focus.de/finanzen/news/staatsverschuldung/tid-17351/euro-krise-es-brenntlichterloh_aid_483465.html (Zugriff am 06.10.14).
Bonn, Udo. 2007. „Theorie Optimaler Währungsräume und ökonomische Konvergenz“ in:
Bettina Graue/Britta Alexander Mester/Günter Siehlmann/Magnus Westhaus (Hg.) International – Europäisch – Regional Schriftenreihe Oldenburger Forschungsnetz Wirtschaft –
Recht – Bildung. Oldenburg: BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg: 227246.
Busch, Klaus. 2012. „Scheitert der Euro? Strukturprobleme und Politikversagen bringen Europa an den Abgrund“ Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung Februar 2012. Berlin FriedrichEbert-Stiftung.
81
9. Literatur- und Quellenverzeichnis
Bush, George W. 2003. „Remarks on Signing the American Dream Downpayment Act“ Rede
vor dem Department of Housing and Urban Development am 16.12.03. In: Gerhard Peters,
John
T.
Woolley
The
Amercian
Presidency
Project.
http://www.presidency.ucsb.edu/ws/?pid=64935 (Zugriff am 07.01.14).
Central Statistics Office. 2014. Value of Exports (Euro Thousand) by Area and Month Databases. TSM05: Value of Merchandise Trade by Area, Month and Statistic. Cork, Ireland.
http://www.cso.ie/px/pxeirestat/Statire/temp/20141915204397064TSM05.htm (Zugriff am
09.01.14).
Darvas, Zsolt. 2010.„The case of reforming euro area entry criteria” Society and Economy
32(2): 195-219.
De Grauwe, Paul. 1996. „Monetary Union and convergence economics“ European Economic
Review 40: 1091-1101.
Dellepiane, Sebastian / Hardiman, Niamh. 2010. „European Economic Crisis: Ireland in
Comparative Perspective” UCD Geary Institute Discussion Paper Series presented at the
American Political Science Association Annual Meeting in Washington D.C. Dublin: University College Dublin.
Dellepiane, Sebastian / Hardiman, Niamh. 2011. „Governing the Irish Economy: A Triple
Crisis“ UCD Geary Institute Discussion Paper Series WP2011/03. Dublin: University College Dublin.
Dieter, Heribert. 2012. „Maastricht 2.0. Bei der Weiterentwicklung der Währungsunion hat
Europa Alternativen zum Zentralisierungsfetisch“ SWP Aktuell 54 September 2012. Berlin:
Stiftung Wissenschaft und Politik.
Dullien, Sebastian / Fritsche, Ulrich. 2007. „Anhaltende Divergenz bei Inflations- und Lohnentwicklung in der Eurozone: Gefahr für die Währungsunion?“ Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 76(4): 56-76.
82
9. Literatur- und Quellenverzeichnis
Dullien, Sebastian / Schwarzer, Daniela. 2010. „Umgang mit Staatsbankrotten in der Eurozone. Stabilisierungsfonds, Insolvenzrecht für Staaten und Eurobonds“ SWP-Studie 19. Juli
2010. Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik.
Enderlein, Henrik. 2004. Nationale Wirtschaftspolitik in der europäischen Währungsunion
Schriften des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung Band Nr. 49. Frankfurt Main,
New York: Campus Verlag.
Enderlein, Henrik. 2010. „Die Krise im Euro-Raum: Auslöser, Antworten, Ausblick“ Aus
Politik und Zeitgeschichte Europa und der Euro 45: 7-12. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
[Eurostat Datensatz BIP-Wachstumsrate 2013] Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen
Kommission). 2013. BIP und Hauptkomponenten - Volumen Datentabelle nama_gdp_k Letzte
Aktualisierung 13.11.13.
http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=nama_gdp_k&lang=en (Zugriff am
14.11.13)
[Eurostat Datensatz Budgetdefizit 2013] Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Kommission). 2013. Defizit/Überschuss, Schuldenstand des Staates und damit zusammenhängende
Daten.
Datentabelle
gov_dd_edpt1.
Letzte
Aktualisierung
02.10.13.
http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=gov_dd_edpt1&lang=de
(Zugriff am 05.10.13)
[Eurostat Datensatz Inflation 2013] Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Kommission). 2013. HVPI (2005 = 100) – Jährliche Daten (Durchschnittsindex und Veränderungsraten).
Datentabelle
prc_hicp_aind.
Letzte
Aktualisierung
16.09.13.
http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=prc_hicp_aind&lang=de (Zugriff am
05.10.13)
83
9. Literatur- und Quellenverzeichnis
[Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013] Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen
Kommission). 2013. Serien von Konvergenzkriterien der WWU für Anleiherenditen – Jährliche
Daten
Datentabelle
itr_lt_mcby_a
Letzte
Aktualisierung
18.09.13.
http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=irt_lt_mcby_a&lang=de (Zugriff am
05.10.13)
[Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013] Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen
Kommission). 2013. Öffentlicher Bruttoschuldenstand Datentabelle tsdde410 Letzte Aktualisierung 02.10.13.
http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/table.do?tab=table&init=1&plugin=1&language=de&pco
de=tsdde410 (Zugriff am 05.10.13)
[Eurostat EZB Refinanzierungssätze 2013] Eurostat (Statitisches Amt der Europäischen
Kommission). 2013. „Zinssätze der Zentralbanken – Jährliche Daten“ Datentabelle irt_cb_a
http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=irt_cb_a&lang=de
(Zugriff
am
06.11.13)
[Eurostat Metadaten Budgetdefizit 2013] Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen
Kommission). 2013. „Government deficit and debt Reference Metadata in Euro SDMX Metadata Stucture“ Datentabelle gov_dd_esms
http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_SDDS/EN/gov_dd_esms.htm
(Zugriff
am
28.10.13)
[Eurostat Metadaten langfristige Zinssätze 2013] Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Kommission). 2013. „Maastricht criterion interest rates Reference Metadata in Euro
SDMX Meta Data Structure” Datentabelle irt_lt_mcby_esms.
http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_SDDS/EN/irt_lt_mcby_esms.htm
(Zugriff
am
28.10.13).
[Eurostat Metadaten öffentlicher Schuldenstand 2013] Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Kommission). 2013. „General government gross debt Indicator Profile“ Datentabelle tsdde410_esmsip.
http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_SDDS/DE/tsdde410_esmsip.htm
(Zugriff
am
28.10.13)
84
9. Literatur- und Quellenverzeichnis
[Eurostat Metadaten Preisstabilität 2013] Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen
Kommission). 2013. “Harmonised indices of consumer prices (HICP) Reference Metadata in
Euro SDMX Metadata Structure” Datentabelle prc_hicp_esms
http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_SDDS/EN/prc_hicp_esms.htm
(Zugriff
am
28.10.13)
[Eurostat nationale Refinanzierungssätze 2013] Eurostat (Statitisches Amt der Europäischen
Kommission). 2013. „Offizielle Raten des Refinanzierungsgeschäfts für Länder des Euroraums – Jährliche Daten“ Datentabelle irt_h_refi_a
http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=irt_h_refi_a&lang=de (Zugriff am
06.11.13)
Europäischer Rat. 2012. „Unterzeichnung des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und
Steuerung“.
http://www.european-council.europa.eu/home-page/highlights/treaty-on-
stability,-coordination-and-governance-signed?lang=de (Zugriff am 16.10.13)
EZB. 2011. „Die Geldpolitik der EZB“. Frankfurt am Main: Europäische Zentralbank.
http://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/monetarypolicy2011de.pdf (Zugriff am 10.10.13)
Fidrmuc, Jarko. 2001. „The Endogeneity of the Optimum Currency Area Criteria, Intraindustry Trade, and EMU Enlargement“ LICOS Discussion Paper 106. Leuven: LICOS Centre for
Transition Economics Katholische Universität Leuven.
[Finanzlexikon Webseite 2013] Finanzlexikon.de. 2013. Schock, exogener http://www.finanzlexikon.de/schock, exogener_1617.html (Zugriff am 08.10.13)
Frankel, Jeffrey A. / Rose, Andrew K. 1997. „Is EMU more justifiable ex post than ex ante?“
European Economic Review 41: 753-760.
Frankel, Jeffrey A. / Rose, Andrew K. 1998. „The Endogeneity of the Optimum Currency
Area Criteria“ The Economic Journal 108(449): 1009-1025.
Gablers Wirtschaftslexikon Online, Schock. 2013. Springer Gabler Verlag (Hrsg.)
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/128976/schock-v6.html (Zugriff am 08.10.13).
85
9. Literatur- und Quellenverzeichnis
Gablers Wirtschaftslexikon Online, Zahlungsschwierigkeit. 2014. Springer Gabler Verlag
(Hrsg.)
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/16622/zahlungsschwierigkeit-v8.html
(Zugriff am 06.01.14).
Gischer, Horst / Herz, Bernhard / Menkhoff, Lukas. 2012. Geld, Kredit und Banken. Springer-Lehrbuch 2012 Berlin, Heidelberg: Springer.
Glieniker Gruppe. 2013. „Mobil, gerecht, einig“ Die Zeit 43. 17.10.2013: 30-31.
Global-rates.com. 2013. Fed Federal Funds Rate. Zinssätze der Zentralbank von Amerika
http://de.global-rates.com/zinssatze/zentralbanken/zentralbank-amerika/fed-zinssatz.aspx
(Zugriff 07.01.14).
[IWF 2005] Internationaler Währungsfonds. 2005. „Ireland: Article IV Consultation – Staff
Report” IMF Country Report 05/369. Washington D.C.: Internationaler Währungsfonds.
http://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2005/cr05369.pdf (Zugriff am 25.09.2013).
[IWF 2007] Internationaler Währungsfonds. 2007. „Ireland: 2007 Article IV Consultation –
Staff Report“. IMF Country Report 07/325. Washington D.C.: Internationaler Währungsfonds. http://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2007/cr07325.pdf (25.09.2013).
[IWF 2009a] Internationaler Währungsfonds. 2009. „Greece: Article IV Consultation – Staff
Report“. IMF Country Report 09/244. Washington D.C.: Internationaler Währungsfonds.
https://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2009/cr09244.pdf (Zugriff am 23.08.2013).
[IWF 2009b] Internationaler Währungsfonds. 2009. „Ireland: Article IV Consultation – Staff
Report“. IMF Country Report 09/195. Washington D.C.: Internationaler Währungsfonds.
http://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2009/cr09195.pdf (Zugriff am 25.09.2013).
[IWF 2012] Internationaler Währungsfonds. 2012. „Ireland: 2012 Article IV and Seventh
Review Under the Extended Arrangement – Staff Report“. IMF Country Report 12/264.
Washington
D.C.:
International
Monetary
Fund.
http://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2012/cr12264.pdf (Zugriff am 25.09.2013).
86
9. Literatur- und Quellenverzeichnis
[IWF 2013] Internationaler Währungsfonds. 2013. „Greece: Article IV Consultation“. IMF
Country
Report
13/154.
Washington
D.C.:
Internationaler
Währungsfonds.
http://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2013/cr13154.pdf (Zugriff am 23.08.2013).
Josten, Stefan Dietrich. 2002. „Nationale Schuldenpolitik in der EWU“ Wirtschaftsdienst:
Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 28(4): 219-225.
[KAS Webseite 2013] Konrad Adenauer Stiftung. 2013. Wie funktioniert der Stabilitäts- und
Wachstumspakt? http://www.kas.de/wf/de/71.8727/ (Zugriff am 17.09.2013)
Kaiser, Stefan. 2011. „Lehren aus der Lehman-Pleite: Wie die Finanzwelt die Politik erpresst“
Spiegel Online 14.09.2011. http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/lehren-aus-der-lehmanpleite-wie-die-finanzwelt-die-politik-erpresst-a-785824.html (Zugriff am 10.01.14)
Kirsch, Guy. 2010. „Die Euro-Krise ist (nicht nur) eine Währungskrise“ Aus Politik und Zeitgeschichte Europa und der Euro 43: 3-7. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
Kitromilides, Yiannis. 2012. „The Irish Tragedy“ in: Philip Arestis/Malcom Sawyer (Hg.)
The Euro Crisis International Papers in Political Economy. Hampshire: Palgrave Macmillan:
159-194.
[KOM 1990] Kommission der Europäischen Gemeinschaften Generaldirektion Wirtschaft
und Finanzen. 1990. „One market, one money. An evaluation of the potential benefits and
costs of forming an economic and monetary union“. European Economy 44/1990.
Brüssel:
Kommission
der
Europäischen
Gemeinschaften.
http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/publication7454_en.pdf (21.11.2013).
[KOM 2009] Europäische Kommission Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen. 2009.
„Economic Crisis in Europe: Causes, Consequences and Responses“.
European
Economy
7/2009.
Luxemburg:
Europäische
http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/publication15887_en.pdf
Kommission.
(Zugriff
am
09.10.13)
87
9. Literatur- und Quellenverzeichnis
[KOM 2010a] Europäische Kommission Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen. 2010.
“Convergence Report 2010” European Economy 3/2010. Luxemburg: Europäische Kommission.
http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/european_economy/2010/pdf/ee-
2010-3_en.pdf (24.07.2013).
[KOM 2010b] Europäische Kommission Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen. 2010.
“European Economy. The Economic Adjustment Programme for Greece”
Occasional
Papers
61
May
2010.
Europäische
Kommission.
http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/occasional_paper/2010/pdf/ocp61_en.pdf
(23.08.2013).
[KOM 2012] Europäische Kommission. 2012. „Stand der Binnenmarktintegration. Beitrag
zum Jahreswachstumsbericht 2013“ Bericht der Kommission an das Europäische Parlament,
den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss,
den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank COM(2012) 752 final.
Brüssel: Europäische Kommission.
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2012:0752:FIN:DE:PDF
(Zugriff am 10.01.14).
[KOM 2013] Europäische Kommission Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen. 2013.
„European Economy. Building a Strengtened Fiscal Framework in the European Union: A
Guide to the Stability and Growth Pact“ Occasional Papers 150 May 2013.
Brüssel: Europäische Kommission.
http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/occasional_paper/2013/pdf/ocp150_en.pdf
(Zugriff am 15.10.2013).
[KOM Webseite 2013a] Europäische Kommission. 2013. Economic and Financial Affairs,
EU economic governance, Stability and Growth Pact.
http://ec.europa.eu/economy_finance/economic_governance/sgp/index_en.htm (Zugriff am
17.09.2013)
88
9. Literatur- und Quellenverzeichnis
[KOM Webseite 2013b] Europäische Kommission. 2013. Economic and Financial Affairs,
EU economic governance, Stability and Growth pact, Multilateral economic coordination and
surveillance
http://ec.europa.eu/economy_finance/economic_governance/sgp/convergence/index_en.htm
(Zugriff am 17.09.2013)
[KOM Webseite 2013c] Europäische Kommission. 2013. Financial and Economic Affairs,
EU economic governance, The Six-pack? Two-pack? Fiscal compact? A short guide to the
new EU fiscal governance
http://ec.europa.eu/economy_finance/articles/governance/2012-03-14_six_pack_en.htm (Zugriff am 16.10.13)
[KOM Webseite 2013d] Europäische Kommission. 2013. Financial and Economic Affairs,
EU economic governance, The European Semester
http://ec.europa.eu/economy_finance/economic_governance/the_european_semester/index_en
.htm (Zugriff am 16.10.13)
Krugman, Paul. 2012. „Revenge of the Optimal Currency Area“ The New York Times.
24.06.12
http://krugman.blogs.nytimes.com/2012/06/24/revenge-of-the-optimum-currency-
area/?_r=0 (Zugriff am 20.11.13).
Lachman, Desmond. 2010. „Euro Will Unravel, and Soon. Collapse Could Imperil U.S.
Economy” International Economic Outlook 2: 1-5. Washington: American Enterprise Institute for Public Policy Research.
Lane, Philip R. 2012. „The European Sovereign Debt Crisis“ Journal of Economic Perspectives 26(3): 49-68.
Ministerrat. 2011. “Schlussfolgerung der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten
des Euro-Währungsgebiets vom 11. März 2011“ Brüssel
http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/de/ec/119824.pdf
(Zugriff
am 16.10.13) [Beschlussfassung zum Euro-Plus-Pakt]
89
9. Literatur- und Quellenverzeichnis
Mügge, Daniel. 2011. „Kreditderivate als Ursache der globalen Finanzkrise: Systemfehler
oder unglücklicher Zufall?“ in: Oliver Kessler (Hg.) Die Internationale Politische Ökonomie
der Weltfinanzkrise. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften: 53-73.
Müller, Klaus / Schmidt, Rudi. 2010. „Von der griechischen zur europäischen Krise“ PROKLA Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft Heft 159, Jahrgang 40(2): 277-300.
Mundell, Robert A. 1961. „A Theory of Optimum Currency Areas“ The American Economic
Review 51(4): 657-665.
Nelson, Rebecca M. / Belkin, Paul / Mix, Derek E. 2011. „Greece´s Debt Crisis: Overview,
Policy Responses, and Implications“ CRS Report for Congress R41167. Congressional Research Service.
Neubäumer, Renate. 2011. „Eurokrise: Keine Staatsschuldenkrise, sondern Folge der Finanzkrise“ Wirtschaftsdienst: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik Analysen und Berichte EUSchuldenkrise 12: 827-833.
Nienhaus, Volker. 2007. „S.
Europäische Integration“ in: Thomas Apolte/Dieter Ben-
der/Hartmut Berg/Dieter Cassel/Mathias Erlei/Heinz Grossekettler/Karl-Hans Hartwig/Lothar
Hübl/Wolfgang
Kerber/Volker
Nienhaus/Notburga
Ott/Jürgen
Siebke/Heinz-Dieter
Smeets/Jörg Thieme/Uwe Vollmer (Hg.) Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und
Wirtschaftspolitik Band 2 9. überarbeitete Auflage. München: Verlag Franz Vahlen: 616-698.
O´Leary, Jim. 2010. „Exogenal Surveillance of Irish Fiscal Policy During the Boom“ Department of Economics Finance and Accounting Working Paper Series N210-10. Maynooth:
National University of Ireland.
Ohr, Renate. 2007. „Monetäre Integration in der Europäischen Gemeinschaft: Vom WernerPlan zum Euro“ Wirtschaftsdienst: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 2: 106-113.
Rogoff, Kenneth / Zettelmeyer, Jeromin. 2002. „Early ideas in Sovereign Bankruptcy Reorganization: A Survey” IMF Working Paper 02/57. International Monetary Fund.
http://www.imf.org/external/pubs/ft/wp/2002/wp0257.pdf (Zugriff am 30.10.2013).
90
9. Literatur- und Quellenverzeichnis
Seewald, Berthold. 2010. “Wir Griechen sind selbst schuld an der Krise” Die Welt 23.01.10.
http://www.welt.de/kultur/article6523587/Wir-Griechen-sind-selbst-schuld-an-der-Krise.html
(Zugriff am 10.01.14)
Schmid, Josef / Buhr, Daniel / Roth, Christian / Steffen, Christian. 2006. Wirtschaftspolitik
für Politologen. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh.
Schrader, Klaus / Laaser, Claus-Friedrich. 2010. „Den Anschluss nie gefunden: Die Ursachen
der griechischen Tragödie“ Wirtschaftsdienst: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 90(8): 540547.
Steinbach, Armin. 2011. „Gefährliche Inflationsunterschiede in der Eurozone“ Wirtschaftsdienst Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 6: 398-400.
Schwarzer, Daniela. 2012. „Economic Governance in der Eurozone“ APuZ Aus Politik und
Zeitgeschichte 62. Jahrgang 4/2012: 17-24.
Schwarzer, Daniela / Uterwedde, Henrik. 2002. „Wirtschaftspolitik in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Zwischen Vergemeinschaftung und nationaler Verantwortung“
in: Michael Meimeth/Joachim Schild (Hg.) Die Zukunft von Nationalstaaten in der europäischen Integration. Deutsche und französische Perspektiven. Opladen: Leske + Budrich: 199229.
Sinn, Hans-Werner. 2012. „Die Europäische Fiskalunion. Gedanken zur Entwicklung der Eurozone“ Perspektiven der Wirtschaftspolitik 13(3):137-178.
Tietmeyer, Hans. 2005. Herausforderung Euro. Wie es zum Euro kam und was er für
Deutschlands Zukunft bedeutet. München, Wien: Carl Hanser Verlag.
Winker, Peter. 2010. Empirische Wirtschaftsforschung und Ökonometrie. 3., aktualisierte
Auflage. Heidelberg, Dordrecht, London, New York: Springer.
ZEIT Online 23.01.2012. „Der Euro wird scheitern” http://www.zeit.de/wirtschaft/201201/der-euro-wird-scheitern (Zugriff am 10.01.14).
91
9. Literatur- und Quellenverzeichnis
ZEIT Online 26.07.2012. „Söder spricht Griechenland Wille zur Reform ab” .
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-07/eurokrise-soeder-griechenland-austritt
(Zu-
griff am 10.01.14).
92
A. Anhang
A. Anhang
A.1 Operationalisierung der Konvergenzkriterien
A.1.1 Preisstabilität
Für die Analyse der Preisstabilität wird die Veränderung des durchschnittlichen
Harmonisierten Verbraucherpreisindex eines Jahres relativ zum 12-Monatsdurchschnitt des
Vorjahres in Prozentpunkten verwendet. Die Veränderungsrate des HVPI stellt die
offizielle Maßzahl für die Preisinflation in der Eurozone dar und wird verwendet, um die
Inflations-Konvergenz eines Beitrittskandidaten für die Eurozone nach den Maastrichter
Konvergenzkriterien zu beurteilen (Eurostat Metadaten Preisstabilität 2013).
A.1.2 Öffentliches Budgetdefizit
Das öffentliche Budgetdefizit ist definiert als das Finanzierungssaldo des Sektors Staat
gemäß dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen. Es entspricht
der Differenz zwischen den Einnahmen und den Ausgaben des Staates relativ zum BIP
zum Jahresende und wird verwendet, um die Budget-Konvergenz eines Beitrittskandidaten
für die Eurozone nach den Maastrichter Konvergenzkriterien zu beurteilen sowie zur
Entscheidung
über
die
Eröffnung
eines
Defizitverfahrens
(Eurostat
Metadaten
Budgetdefizit 2013).
A.1.3 Öffentlicher Schuldenstand
Der
öffentliche
Schuldenstand
wird
definiert
als
konsolidierter
Brutto-
Gesamtschuldenstand zum Nominalwert am Jahresende innerhalb aller Bereiche, in denen
der Staatssektor Verbindlichkeiten aufgebaut hat (Eurostat Metadaten öffentlicher
Schuldenstand 2013).
A.1.4 Langfristige Zinssätze
Die langfristigen Zinssätze werden als Jahresdurchschnitt der Renditen auf Staatsanleihen
auf dem Sekundärmarkt vor Abzug der Steuer mit einer Restlaufzeit von möglichst 10
Jahren berechnet Eurostat Metadaten langfristige Zinssätze 2013).
XI
A. Anhang
A.2 Datensätze für die quantitative Analyse der Konvergenzkriterien
A.2.1 Preisstabilität
Tabelle 1: Inflation
Jahr
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Durchschnitt Griechenland Irland
Eurozone
1,6
4,5
2,1
1,5
2,1
2,5
2,8
2,9
5,3
3,0
3,7
4
2,8
3,9
4,7
2,4
3,4
4
2,2
3
2,3
2,3
3,5
2,2
2,4
3,3
2,7
2,4
3
2,9
3,7
4,2
3,1
0,4
1,3
-1,7
1,7
4,7
-1,6
Quelle: Eurostat Datensatz Inflation 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes
Tabelle 2: Abweichung der Inflation Griechenlands und Irlands
Jahr
Durchschnitt Griechenland Irland
Eurozone
Abweichung Abweichung
1998
1,6
+2,9
+0,5
1999
1,5
+0,6
+1,0
2000
2,8
+0,1
+2,5
2001
3,0
+0,7
+1,0
2002
2,8
+1,1
+1,9
2003
2,4
+1,0
+1,6
2004
2,2
+0,8
+0,1
2005
2,3
+1,2
-0,1
2006
2,4
+0,9
+0,3
2007
2,4
+0,6
+0,5
2008
3,7
+0,5
-0,6
2009
0,4
+0,9
-2,1
2010
1,7
+3,0
-3,3
Durchschnittliche,
1,1
1,2
absolute
Abweichung
Quelle: Eurostat Datensatz Inflation 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatz
XII
A. Anhang
Tabelle 3: Inflation der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Berechnung des Durchschnitts
Land/Jahr
Belgien
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
0,9
1,1
2,7
2,4
1,6
1,5
1,9
2,5
2,3
1,8
4,5
0,0
2,3
(bis 1990 früheres Gebiet der
BRD)
0,6
0,6
1,4
1,9
1,4
1,0
1,8
1,9
1,8
2,3
2,8
0,2
1,2
Irland
2,1
2,5
5,3
4,0
4,7
4,0
2,3
2,2
2,7
2,9
3,1
-1,7
-1,6
Griechenland
4,5
2,1
2,9
3,7
3,9
3,4
3,0
3,5
3,3
3,0
4,2
1,3
4,7
Spanien
1,8
2,2
3,5
2,8
3,6
3,1
3,1
3,4
3,6
2,8
4,1
-0,2
2,0
Frankreich
0,7
0,6
1,8
1,8
1,9
2,2
2,3
1,9
1,9
1,6
3,2
0,1
1,7
Italien
2,0
1,7
2,6
2,3
2,6
2,8
2,3
2,2
2,2
2,0
3,5
0,8
1,6
4,4
0,2
2,6
4,1
0,0
2,8
4,7
1,8
2,0
Deutschland
Zypern
Luxemburg
1,0
1,0
3,8
2,4
2,1
2,5
3,2
3,8
3,0
2,7
Malta
Niederlande
1,8
2,0
2,3
5,1
3,9
2,2
1,4
1,5
1,7
1,6
2,2
1,0
0,9
Österreich
0,8
0,5
2,0
2,3
1,7
1,3
2,0
2,1
1,7
2,2
3,2
0,4
1,7
Portugal
2,2
2,2
2,8
4,4
3,7
3,3
2,5
2,1
3,0
2,4
2,7
-0,9
1,4
3,8
5,5
0,9
2,1
0,9
0,7
Slowenien
Slowakei
Finnland
1,3
1,3
2,9
2,7
2,0
1,3
0,1
0,8
1,3
1,6
3,9
1,6
1,7
Durchschnitt
1,6
1,5
2,8
3,0
2,8
2,4
2,2
2,3
2,4
2,4
3,7
0,4
1,7
Quelle: Eurostat Datensatz Inflation 2013
XIII
A. Anhang
A.2.2 Öffentliches Budgetdefizit
Tabelle 4: Budgetsaldo in Prozent des BIP
Jahr
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Durchschnitt Griechenland Irland
Eurozone
-1,0 Keine Daten
2,2
-0,4 Keine Daten
2,6
0,7
-3,7
4,7
-0,4
-4,5
0,9
-1,3
-4,8
-0,4
-1,9
-5,6
0,4
-2,2
-7,5
1,4
-1,7
-5,2
1,7
-0,6
-5,7
2,9
-0,3
-6,5
0,1
-2,1
-9,8
-7,4
-6,9
-15,6 -13,9
-7,3
-10,7 -30,8
Quelle: Eurostat Datensatz Budgetdefizit 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datenatzes
Tabelle 5: Abweichungen des Budgetsaldos Griechenlands und Irlands vom Eurozonendurchschnitt
Jahr
Durchschnitt
Eurozone
1998
-1,0
1999
-0,4
2000
0,7
2001
-0,4
2002
-1,3
2003
-1,9
2004
-2,2
2005
-1,7
2006
-0,6
2007
-0,3
2008
-2,1
2009
-6,9
2010
-7,3
Durchschnittliche,
absolute
Abweichung
Griechenland Irland
Abweichung Abweichung
Keine Daten
+3,2
Keine Daten
+3,0
-4,4
+4,0
-4,1
+1,3
-3,5
+0,9
-3,7
+2,3
-5,3
+3,6
-3,5
+3,4
-5,1
+3,5
-6,2
+0,4
-7,7
-5,3
-8,8
-7,1
-3,5
-23,6
5,1
4,7
Quelle: Eurostat Datensatz Budgetdefizit 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes
XIV
A. Anhang
Tabelle 6: Budgetsaldo der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Berechnung des Durchschnitts
Land/Jahr
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Belgien
-0,9
-0,6
0,0
0,4
-0,1
-0,1
-0,1 -2,5
0,4 -0,1 -1,0
Deutschland
-2,3
-1,6
1,1
-3,1
-3,8
-4,2
-3,8 -3,3
2,2
2,6
4,7
0,9
-0,4
0,4
Griechenland Keine Keine
Daten Daten
Spanien
-3,0 -1,2
-3,7
-4,5
-4,8
-5,6
-7,5 -5,2
-0,9
-0,5
-0,2
-0,3
-0,1
Frankreich
-2,6
-1,8
-1,5
-1,5
-3,1
-4,1
-3,6 -2,9
-2,3 -2,7 -3,3
-7,5
-7,1
Italien
-2,7
-1,9
-0,8
-3,1
-3,1
-3,6
-3,5 -4,4
-3,4 -1,6 -2,7
-5,5
-4,5
0,9
-6,1
-5,3
3,2
-0,8
-0,9
-4,6
-3,7
-3,6
0,5
-5,6
-5,1
-1,6
0,2 -0,1
-5,6
-3,8
-3,1
-4,1
(bis 1990 früheres Gebiet der
BRD)
Irland
1,4
1,7
1,3
2,9
0,1 -7,4 -13,9 -30,8
-5,7 -6,5 -9,8 -15,6 -10,7
2,4
1,9 -4,5 -11,2
Zypern
Luxemburg
3,4
3,4
6,0
6,1
2,1
0,5
-1,1
0,0
1,4
3,7
Malta
0,5
Niederlande
-0,9
0,4
2,0
-0,2
-2,1
-3,1
-1,7 -0,3
Österreich
-2,4
-2,3
-1,7
0,0
-0,7
-1,5
-4,4 -1,7
-1,5 -0,9 -0,9
-4,1
-4,5
Portugal
-3,9
-3,1
-3,3
-4,8
-3,4
-3,7
-4,0 -6,5
-4,6 -3,1 -3,6 -10,2
-9,8
0,0 -1,9
-6,2
-5,9
-8,0
-7,7
4,4
-2,5
-2,5
-0,6 -0,3 -2,1
-6,9
-7,3
Slowenien
0,2
-9,7
Slowakei
Finnland
Durchschnitt
1,7
1,7
7,0
5,1
4,2
2,6
-1,0
-0,4
0,7
-0,4
-1,3
-1,9
2,5
2,9
-2,2 -1,7
4,2
5,3
Quelle: Eurostat Datensatz Budgetdefizit 2013
XV
A. Anhang
A.2.3 Öffentlicher Schuldenstand
Tabelle 7: Öffentlicher Schuldenstand
Jahr
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Durchschnitt Griechenland Irland
Eurozone
66,7
94,5
53
65,1
94
47
62,7
103,4
35,1
62,1
103,7
35,2
61,3
101,7
32
61,2
97,4
30,7
61,1
98,6
29,5
61,2
100
27,3
60,2
106,1
24,6
55,7
107,4
25,1
60,1
112,9
44,5
67,6
129,7
64,8
74,2
148,3
92,1
Quelle: Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes
Tabelle 8: Abweichungen des Schuldenstandes Griechenlands und Irlands vom Eurozonendurchschnitt
Jahr
Durchschnitt Griechenland Irland
Eurozone
Abweichung Abweichung
1998
66,7
+27,8
-13,7
1999
65,1
+28,9
-18,1
2000
62,7
+40,7
-27,6
2001
62,1
+41,6
-26,9
2002
61,3
+40,4
-29,3
2003
61,2
+36,2
-30,5
2004
61,1
+37,5
-31,6
2005
61,2
+38,8
-33,9
2006
60,2
+46,0
-35,6
2007
55,7
+51,7
-30,6
2008
60,1
+52,8
-15,6
2009
67,6
+62,1
-2,8
2010
74,2
+74,1
+17,9
Durchschnittliche,
absolute Abwei44,5
24,2
chung
Quelle: Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes
XVI
A. Anhang
Tabelle 9: Öffentlicher Schuldenstand der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Berechnung des Durchschnitts
Land/Jahr
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Belgien
117,2 113,6 107,8 106,5 103,4
98,4
94
92
88
84
89,2
95,7
95,5
Deutschland
(bis 1990 früheres Gebiet der
BRD)
Irland
60,5
61,3
60,2
59,1
60,7
64,4
66,2
68,5
68
65,2
66,8
74,5
82,4
53
47
35,1
35,2
32
30,7
29,5
27,3
24,6
25,1
44,5
64,8
92,1
94 103,4 103,7 101,7
97,4
98,6
100 106,1 107,4 112,9 129,7 148,3
Griechenland
94,5
Spanien
64,1
62,4
59,4
55,6
52,6
48,8
46,3
43,2
39,7
36,3
40,2
53,9
61,5
Frankreich
59,4
58,9
57,3
56,9
58,8
62,9
64,9
66,4
63,7
64,2
68,2
79,2
82,4
Italien
114,3 113,1 108,6 108,3 105,4 104,1 103,7 105,7 106,3 103,3 106,1 116,4 119,3
Zypern
Luxemburg
7,1
6,4
6,2
6,3
6,3
6,1
6,3
6,1
6,7
6,7
Malta
48,9
58,5
61,3
14,4
15,3
19,2
60,9
66,4
67,4
Niederlande
65,7
61,1
53,8
50,7
50,5
52
52,4
51,8
47,4
45,3
58,5
60,8
63,1
Österreich
64,4
66,8
66,2
66,8
66,2
65,3
64,7
64,2
62,3
60,2
63,8
69,2
72
Portugal
51,8
51,4
50,7
53,8
56,8
59,4
61,9
67,7
69,4
68,4
71,7
83,7
94
23,1
22
35
38,6
35,6
41
Slowenien
Slowakei
Finnland
48,4
45,7
43,8
42,5
41,5
44,5
44,4
41,7
39,6
35,2
33,9
43,5
48,6
Durchschnitt
66,7
65,1
62,7
62,1
61,3
61,2
61,1
61,2
60,2
55,7
60,1
67,6
74,2
Quelle: Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013
XVII
A. Anhang
A.2.4 Langfristige Zinssätze
Tabelle 10: Langfristige Zinssätze
Jahr
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Durchschnitt Griechenland Irland
Eurozone
5,1
8,5
4,8
4,8
6,3
4,7
5,5
6,1
5,5
5,0
5,3
5,0
4,9
5,1
5,0
4,1
4,3
4,1
4,0
4,3
4,1
3,3
3,6
3,3
3,8
4,1
3,8
4,4
4,5
4,3
4,5
4,8
4,5
4,2
5,2
5,2
4,2
9,1
5,7
Quelle: Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des
Datensatzes
Tabelle 11: Abweichungen der langfristigen Zinssätze Griechenlands und Irlands vom Eurozonendurchschnitt
Jahr
Durchschnitt Griechenland Irland
Eurozone
Abweichung Abweichung
1998
5,1
+3,4
-0,3
1999
4,8
+1,5
-0,1
2000
5,5
+0,6
+0,0
2001
5,0
+0,3
+0,0
2002
4,9
+0,2
+0,1
2003
4,1
+0,2
+0,0
2004
4,0
+0,2
+0,1
2005
3,3
+0,3
+0,0
2006
3,8
+0,3
+0,0
2007
4,4
+0,1
-0,1
2008
4,5
+0,3
+0,1
2009
4,2
+1,0
+1,0
2010
4,2
+4,9
+1,6
Durchschnittliche,
absolute
44,5
0,2
Abweichung
Quelle: Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des
Datensatzes
XVIII
A. Anhang
Tabelle 12: Langfristige Zinssätze der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Berechnung des Durchschnitts
Land/Jahr
Belgien
1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
4,8
4,8
5,6
5,1
5,0
4,2
4,2
3,4
3,8
4,3
4,4
3,9
3,5
(bis 1990 früheres Gebiet der
BRD)
4,6
4,5
5,3
4,8
4,8
4,1
4,0
3,4
3,8
4,2
4,0
3,2
2,7
Irland
4,8
4,7
5,5
5,0
5,0
4,1
4,1
3,3
3,8
4,3
4,5
5,2
5,7
Griechenland
8,5
6,3
6,1
5,3
5,1
4,3
4,3
3,6
4,1
4,5
4,8
5,2
9,1
Spanien
4,8
4,7
5,5
5,1
5,0
4,1
4,1
3,4
3,8
4,3
4,4
4,0
4,3
Frankreich
4,6
4,6
5,4
4,9
4,9
4,1
4,1
3,4
3,8
4,3
4,2
3,7
3,1
Italien
4,9
4,7
5,6
5,2
5,0
4,3
4,3
3,6
4,1
4,5
4,7
4,3
4,0
4,6
4,6
4,6
4,6
4,2
3,2
4,8
4,5
4,2
Deutschland
Zypern
Luxemburg
4,7
4,7
5,5
4,9
4,7
3,3
2,8
2,4
3,3
4,5
Malta
Niederlande
4,6
4,6
5,4
5,0
4,9
4,1
4,1
3,4
3,8
4,3
4,2
3,7
3,0
Österreich
4,7
4,7
5,6
5,1
5,0
4,1
4,1
3,4
3,8
4,3
4,4
3,9
3,2
Portugal
4,9
4,8
5,6
5,2
5,0
4,2
4,1
3,4
3,9
4,4
4,5
4,2
5,4
4,5
4,6
4,4
3,8
4,7
3,9
Slowenien
Slowakei
Finnland
4,8
4,7
5,5
5,0
5,0
4,1
4,1
3,4
3,8
4,3
4,3
3,7
3,0
Durchschnitt
5,1
4,8
5,5
5,0
4,9
4,1
4,0
3,3
3,8
4,4
4,5
4,2
4,2
XIX
A. Anhang
A.3
Datensätze für Refinanzierungssätze EZB und nationale Refinanzierungssätze vor dem Eurobeitritt
Tabelle 13: Nationaler Hauptrefinanzierungssatz vor dem Eurobeitritt
Jahr
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
Griechenland Irland
keine Daten
keine Daten
keine Daten
keine Daten
keine Daten
13,75
keine Daten
7,00
keine Daten
6,25
keine Daten
6,5
keine Daten
6,25
12,75
6,75
12,25
4,00
10,75 EZB-Zinssatz
4,75 EZB-Zinssatz
Quelle: Eurostat nationale Refinanzierungssätze 2013
Tabelle 14: EZB Hauptrefinanzierungssatz
Jahr
1999
2000
2001
2001
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
Eurozone
3,00
4,75
3,25
2,75
2,00
2,00
2,25
3,50
4,00
2,50
1,00
1,00
Quelle: Eurostat EZB Refinanzierungssätze 2013
XX
Herunterladen