Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts in Politikwissenschaft Die europäische Staatsschuldenkrise: Zur Rolle der einheitlichen Geldpolitik bei mangelnder Konvergenz in der Europäischen Währungsunion Masterarbeit am Lehrstuhl für Internationale Politik der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam Erstgutachter: Prof. Dr. Harald Fuhr Zweitgutachter: Prof. Dr. Heribert Dieter Vorgelegt von: Maria Krummenacher Plesser Straße 12 12435 Berlin Matrikelnummer: 762039 E-Mail: [email protected] Potsdam, den 23. Januar 2014 Zusammenfassung In dieser Masterarbeit wird die Rolle der internationalen Finanzkrise und der einheitlichen EZB-Geldpolitik beim Ausbruch der Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland untersucht. Es wird gezeigt, dass für das Funktionieren einer Währungsunion mit einer einheitlichen Geldpolitik eine konvergente Entwicklung der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten notwendig ist. Kennzeichnend für die Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands war ihre fehlende Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt. Dadurch waren die geldpolitischen Entscheidungen der EZB für die wirtschaftlichen Entwicklungen in Griechenland und Irland nicht angemessen und haben die beiden Länder destabilisiert. Durch die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise, die als exogener Schock mit asymmetrischen Auswirkungen auf die Eurozone beschrieben werden kann, wurden die Defizite der griechischen und irischen Volkswirtschaft aufgedeckt. In einer kontrafaktischen Analyse wird für Griechenland und Irland jeweils ein Szenario durchgespielt, in dem die Länder nicht Mitglieder einer sonst kompletten Europäischen Währungsunion (EWU) sind und in dem sie dem Euro mit ihren nationalen Währungen und einer autonomen Geldpolitik gegenüberstehen. Auf Grundlage der hypothetischen wirtschaftlichen Entwicklung mit einer eigenen Geldpolitik wird für Griechenland die Schlussfolgerung gezogen, dass die nationalen wirtschaftlichen Entwicklungen und politischen Entscheidungen zwischen 2000 und 2010 das Land auch mit von der Geldpolitik der EZB abweichenden Entscheidungen destabilisiert und zum Ausbruch der internationalen Finanzkrise in eine verletzliche Position gebracht hätten. Die einheitliche Geldpolitik der EZB auf die durch fehlende Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt gekennzeichnete griechische Volkswirtschaft ist also im Falle Griechenlands nicht ursächlich für die Staatsschuldenkrise. Irland demgegenüber wurde von einer komplexen, von wechselseitigen Beziehungen geprägten dreifachen Krise getroffen. Einer Bankenkrise, einer Immobilienkrise und einer Staatsschuldenkrise. Die kontrafaktische Analyse führt zu dem Schluss, dass sich Irland aufgrund seiner soliden Haushaltslage und einem starken Exportsektor ohne EWU-Mitgliedschaft wahrscheinlich weit weniger stark destabilisiert hätte und damit von der internationalen Finanzkrise auch weniger hart getroffen worden wäre. Für Irland wird der Schluss gezogen, dass die einheitliche Geldpolitik der EZB auf die durch fehlende Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt gekennzeichnete irische Volkswirtschaft eine wesentliche Rolle beim Ausbruch der Staatschuldenkrise gespielt hat. II Abstract This master thesis will analyze the role of the international financial crisis and the single monetary policy of the European Central Bank on the outbreak of the sovereign debt crises in Greece and Ireland. For a monetary union to work flawlessly an economic convergence between the member states is required. In the cases of Greece and Ireland this convergence is lacking and therefore the single monetary policy is not fitting the economic needs of these two countries. The effects of the international financial crisis, which can be described as an exogenous and asymmetric shock on the euro area, disclosed the deficits of the Greek and Irish economy. In a contrafactual analysis, Greece and Ireland will be presented as nonmembers of the European Monetary Union (EMU) with national currencies and an autonomous monetary policy. This thought experiment allows to sketch a hypothetical development of the Greek and Irish economy on the condition that the two countries were not members of the EMU. For Greece the contrafactual analyses shows that the monetary policy, given the destabilizing economic developments and political decisions between 2000 and 2010, was not the cause of the Greek debt crisis. Even with a national currency and an autonomous monetary policy, Greece probably would have been in a very fragile position when the international financial crisis hit. Ireland on the other hand, was struck by a complex, threefolded crisis. A banking crisis, a real estate crisis and a sovereign debt crisis. The contrafactual analysis shows that Ireland, given the sound public finances and the strong export sector, might have been less destabilized by the international financial crisis without EMU-membership. The conclusion is that the single monetary policy of the ECB played an essential role in the outbreak of the Irish sovereign debt crisis. III Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung .............................................................................................................. II Abstract ..............................................................................................................................III Inhaltsverzeichnis ..............................................................................................................IV Abbildungsverzeichnis .................................................................................................... VII Tabellenverzeichnis ........................................................................................................VIII Abkürzungsverzeichnis .....................................................................................................IX 1. Einleitung ......................................................................................................................... 1 1.2 Motivation und Herleitung der Fragestellung ............................................................. 1 1.2 Thesen, Methoden und Struktur .................................................................................. 3 2. Forschungsstand .............................................................................................................. 8 2.1 Theoretischer Hintergrund........................................................................................... 8 2.2 Evidenz aus 13 Jahren Europäische Währungsunion ................................................ 11 2.3 Einsicht in die Notwendigkeit von Reformen ........................................................... 13 2.4 Fazit ........................................................................................................................... 14 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion ........................................................ 16 3.1 Wirtschaftspolitik und Geldpolitik in der Währungsunion ....................................... 16 3.1.1 Wirtschaftspolitik in der Währungsunion und den EU-Mitgliedstaaten ........ 17 3.1.2 Die Geldpolitik der EZB und Auswirkungen auf die Volkswirtschaften der EWU-Mitgliedstaaten..................................................................................... 18 3.2 Der Vertrag von Maastricht....................................................................................... 22 3.2.1 Die Konvergenzkriterien ................................................................................ 22 3.2.2 Kritik an Ausgestaltung und Operationalisierung .......................................... 25 3.3 Stabilitäts- und Wachstumspakt ................................................................................ 28 3.3.1 Vorgaben und Sanktionen .............................................................................. 29 3.3.2 Kritik an Ausgestaltung und Operationalisierung .......................................... 30 3.4 Fazit ........................................................................................................................... 31 4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock .................................................. 32 4.1 Hintergründe.............................................................................................................. 32 4.2 Auswirkungen auf die EWU-Mitgliedstaaten ........................................................... 35 IV 4.3 Fazit ........................................................................................................................... 37 5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland........................ 39 5.1 Preisstabilität ............................................................................................................. 41 5.2 Budgetdefizit ............................................................................................................. 43 5.3 Schuldenstand............................................................................................................ 46 5.4 Langfristige Zinssätze................................................................................................ 48 5.5 Fazit ........................................................................................................................... 49 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland ..................................................... 51 6.1 Griechenland in den Jahren 1999 bis 2010................................................................ 52 6.1.1 Entwicklung der griechischen Wirtschaft....................................................... 52 6.1.2 Auswirkungen der einheitlichen Währung und Geldpolitik auf die griechische Wirtschaft ....................................................................................................... 55 6.1.3 Wie hätte eine alternative Geldpolitik für Griechenland aussehen können?.. 56 6.2 Irland in den Jahren 1999 bis 2010............................................................................ 59 6.2.1 Entwicklung der irischen Wirtschaft .............................................................. 59 6.2.2 Auswirkungen der einheitlichen Währung und Geldpolitik auf die irische Wirtschaft ....................................................................................................... 64 6.2.3 Wie hätte eine alternative Geldpolitik für Irland aussehen können?.............. 66 6.3 Fazit ........................................................................................................................... 67 7. Synthese und Beantwortung der Fragestellung.......................................................... 71 8. Fazit und Empfehlungen............................................................................................... 76 8.1 Reformen seit 2011.................................................................................................... 76 8.2 Wie weiter?................................................................................................................ 80 9. Literatur- und Quellenverzeichnis............................................................................... 81 A. Anhang...........................................................................................................................XI A.1 Operationalisierung der Konvergenzkriterien .......................................................... XI A.1.1 Preisstabilität.................................................................................................. XI A.1.2 Öffentliches Budgetdefizit............................................................................. XI A.1.3 Öffentlicher Schuldenstand ........................................................................... XI A.1.4 Langfristige Zinssätze.................................................................................... XI A.2 Datensätze für die quantitative Analyse der Konvergenzkriterien ..........................XII A.2.1 Preisstabilität.................................................................................................XII V A.2.2 Öffentliches Budgetdefizit.......................................................................... XIV A.2.3 Öffentlicher Schuldenstand ........................................................................ XVI A.2.4 Langfristige Zinssätze...............................................................................XVIII A.3 Datensätze für Refinanzierungssätze EZB und nationale Refinanzierungssätze vor dem Eurobeitritt ......................................................................................................XX Eigenständigkeitserklärung........................................................................................XXI VI Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Fiskal- und Wirtschaftspolitische Kompetenzverteilung im Mehrebenensystem der EU ........................................................................... 18 Abbildung 2: Entwicklung der Preisstabilität ..................................................................... 41 Abbildung 3: Entwicklung des öffentlichen Budgetdefizits 1998-2010............................. 43 Abbildung 4: Entwicklung des öffentlichen Budgetdefizits 1998-2009............................. 44 Abbildung 5: Entwicklung des öffentlichen Schuldenstandes............................................ 46 Abbildung 6: Entwicklung der langfristigen Zinssätze....................................................... 48 VII Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Inflation.............................................................................................................XII Tabelle 2: Abweichung der Inflation Griechenlands und Irlands......................................XII Tabelle 3: Inflation der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Berechnung des Durchschnitts ........................................................................................................................ XIII Tabelle 4: Budgetsaldo in Prozent des BIP ..................................................................... XIV Tabelle 5: Abweichungen des Budgetsaldos Griechenlands und Irlands vom Eurozonendurchschnitt ................................................................................... XIV Tabelle 6: Budgetsaldo der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Berechnung des Durchschnitts ................................................................................................... XV Tabelle 7: Öffentlicher Schuldenstand ............................................................................ XVI Tabelle 8: Abweichungen des Schuldenstandes Griechenlands und Irlands vom Eurozonendurchschnitt ................................................................................... XVI Tabelle 9: Öffentlicher Schuldenstand der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Berechnung des Durchschnitts...........................................................................................XVII Tabelle 10: Langfristige Zinssätze.................................................................................. XVIII Tabelle 11: Abweichungen der langfristigen Zinssätze Griechenlands und Irlands vom Eurozonendurchschnitt ................................................................................ XVIII Tabelle 12: Langfristige Zinssätze der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Berechnung des Durchschnitts .................................................................................................. XIX Tabelle 13: Nationaler Hauptrefinanzierungssatz vor dem Eurobeitritt............................. XX Tabelle 14: EZB Hauptrefinanzierungssatz........................................................................ XX VIII Abkürzungsverzeichnis AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AfD Alternative für Deutschland BIP Bruttoinlandsprodukt BSP Bruttosozialprodukt CDO Collateralized Debt Obligation engl. englisch ESZB Europäisches System der Zentralbanken EU Europäische Union EuGH Gerichtshof der Europäischen Union EWS Europäisches Währungssystem EWU Europäische Währungsunion EWWU Europäische Wirtschafts- und Währungsunion EZB Europäische Zentralbank Fed Federal Reserve HVPI Harmonisierter Verbraucherpreisindex IWF Internationaler Währungsfonds MTO Medium-term budgetary objective NAMA National Asset Managament Agency OCA Optimal Currency Area SGP Stability and Growth Pact SWP Stabilitäts- und Wachstumspakt TSCG Treaty on Stability, Convergence and Governance IX vrgl. vergleiche X 1. Einleitung 1. Einleitung 1.2 Motivation und Herleitung der Fragestellung Im Januar 1999 vollendeten 11 Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) die über Jahrzehnte vorbereitete monetäre Integration in Europa mit dem Eintritt in einen gemeinsamen Währungsraum. Griechenland folgte als 12. Gründungsmitglied wenige Monate später. Der Beitritt zur Währungsunion bedeutete die Aufgabe der nationalen Autonomie über die Geldpolitik und das Wegfallen der Wechselkurse zwischen den Mitgliedstaaten. Die Geldpolitik wurde an die neu geschaffene Europäische Zentralbank (EZB) übertragen, welche in Zukunft einheitliche geldpolitische Entscheidungen für das gesamte Euro-Währungsgebiet treffen und umsetzen sollte. Die Mitgliedstaaten waren zu diesem Souveränitätsverzicht bereit, da zahlreiche Vorteile aus der monetären Integration erwartet wurden: die Stabilisierung der Volkswirtschaften durch den Wegfall von Wechselkursanpassungen und Spekulationen, die Stimulierung des Warenhandels und der Direktinvestitionen, verbesserte Preistransparenz und dadurch die Stärkung des Wettbewerbs zwischen den teilnehmenden Staaten und schließlich ein Vertrauensbonus auf den Finanzmärkten, der sich in niedrigeren Zinsen auf Staatsanleihen ausdrücken sollte (Ohr 2007: 109; Sinn 2012: 6). Mit einer einheitlichen Geldpolitik waren jedoch auch Gefahren verbunden. Ökonomische Schocks, die das Währungsgebiet in asymmetrischer Weise treffen, können durch eine an Durchschnittswerten aller Mitgliedstaaten ausgerichtete Geldpolitik nicht abgefedert werden. Da die einheitliche Geldpolitik der EZB nicht mehr auf Schwankungen der nationalen Inflationsraten reagieren kann, wurde eine möglichst ausgeprägte Konvergenz der Volkswirtschaften der zukünftigen Eurostaaten angestrebt. Dazu waren bereits 1992 im Vertrag von Maastricht vier verpflichtende Konvergenzkriterien festgeschrieben worden. Für einen Beitritt zur Währungsunion waren Preisniveaustabilität, Haushaltsstabilität, Wechselkursstabilität und Stabilität der langfristigen Zinssätze Voraussetzung. Tatsächlich erfüllten jedoch nur 5 der 12 Gründungsmitglieder alle vier Konvergenzkriterien. Die anderen 7, unter ihnen Deutschland, wiesen Staatsschulden aus, die über den geforderten maximal 60% des Bruttoinlandproduktes (BIP) lagen (Darvas 2010: 207). Den deutlich divergierenden Schuldenquoten sollte mit dem nach dem Beitritt zur Anwendung kommenden Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) Rechnung getragen werden. Zuwiderhandlungen gegen den Pakt sollten mit Sanktionen belegt werden, die Aufsicht darüber wurde bei der Europäischen Kommission angesiedelt. Eine anerkannte Schwäche des SWP besteht bis heute darin, dass die Entscheidung über die Verhängung einer Strafe beim Ministerrat der EU (genauer beim Ecofin-Rat) liegt. Die Minister der Eurostaaten sind somit für ihre eigene Be1 1. Einleitung strafung zuständig, was eine starke Versuchung darstellt, in Fällen des Vertragsbruchs Milde walten zu lassen. So wurden denn auch auf starken politischen Druck hin keine Sanktionen gegen Deutschland und Frankreich verhängt, obwohl beide Staaten in den Jahren 2002 und 2003 die Budgetdefizitgrenze von maximal 3% des BIP überschritten hatten. So wie bei der Gründung der Währungsunion die Konvergenzkriterien gedehnt wurden, so blieb der SWP ein zahnloser Tiger (Schmid et al. 2006: 253). Viele Kommentatoren sind sich heute einig, dass die Errichtung der Europäischen Währungsunion eine in erster Linie politische Entscheidung war und die ökonomischen Vorbehalte wenig Gewicht hatten (vrgl. u. A. Abelshauser 2010; Kirsch 2010; Sinn 2012). Es herrschte ein „Primat der Politik gegenüber den ökonomischen Gesetzen“ (Sinn 2012: 5-6). Warnungen von Ökonomen vor einer verfrühten Einführung des Euro blieben unbeachtet (vrgl. Kirsch 2010). Stattdessen wurden die Konvergenzkriterien und der SWP verabschiedet. Sie sollten sicherstellen, dass die bei der Errichtung der Europäischen Währungsunion (EWU) vorhandenen Unterschiede der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten sich im Laufe der Jahre angleichen. Eine der zentralen Fragen dieser Arbeit wird sein, ob sich diese Konvergenz eingestellt hat und was daraus für die Funktionsweise der EWU folgt. 2010 brach mit dem drohenden Staatsbankrott Griechenlands die europäische Schuldenkrise aus. Innerhalb kürzester Zeit stiegen die Zinsen auf Staatsanleihen zahlreicher Eurostaaten in nie dagewesene Höhen (vrgl. Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013) und neben Griechenland gerieten auch Irland, Portugal, Spanien und zuletzt Zypern in Zahlungsschwierigkeiten.1 Die Ursachen der einzelnen Krisen sind mannigfaltig und lassen sich nicht auf einige wenige Faktoren zurückführen. Trotzdem schienen vor allem in der Anfangszeit der Staatsschuldenkrisen ab 2010 in der öffentlichen Meinung in Deutschland zwei Standpunkte vorzuherrschen: Auf der einen Seite wurden die Krisenstaaten selbst für ihre missliche Lage verantwortlich gemacht. Sie hätten in den ersten zehn Jahren ihrer EWU-Mitgliedschaft über ihre Verhältnisse und letztlich auf Kosten der Gemeinschaft gelebt.2 Auf der anderen Seite wurde die internationale Finanzkrise als Sündenbock bemüht. Nach dieser Lesart waren es die außer Kontrolle geratenen Finanzmärkte und Bankensektoren, die über spill over-Effekte die Realwirtschaften der einzelnen Länder dermaßen destabilisiert hatten, dass Staatsbankrotte droh- 1 Der Begriff Zahlungsschwierigkeit wird in Anlehnung an Gablers Wirtschaftslexikon als „der vorübergehende Mangel an liquiden Mitteln für die Erfüllung von fälligen Verpflichtungen definiert“ (Gablers Wirtschaftslexikon Online, Zahlungsschwierigkeit 2014). 2 Vrgl. dazu Bloed/Voss 2010; ZEIT Online 26.07.2012; ZEIT Online 23.01.2012; Seewald 2010. 2 1. Einleitung ten.3 Beide Standpunkte haben den Vorteil, dass jeweils Andere für die Probleme der Eurozone verantwortlich gemacht werden. Ein Unbehagen gegenüber diesen Positionen ist der Ausgangpunkt dieser Masterarbeit. Angesichts der schon in den 1990er Jahren vorgebrachten Vorbehalte gegenüber der Architektur der EWU scheint es zu kurz zu greifen, Verwerfungen vom Ausmaß der europäischen Schuldenkrise einzig auf nationale Fehlentscheidungen und einen exogenen ökonomischen Schock zurückführen zu wollen. Deshalb wird hier untersucht, welche Rollen die internationale Finanzkrise und die Architektur der EWU für den Ausbruch der europäischen Staatsschuldenkrise gespielt haben. Die zu beantwortende Fragestellung lautet: Welche Aspekte der Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland lassen sich auf die internationale Finanzkrise zurückführen und welche sind der Wirkung der einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die durch fehlende Konvergenz gekennzeichneten Volkswirtschaften geschuldet? Um die europäische Staatsschuldenkrise in ihrer Gänze zu fassen, müsste die Untersuchung für alle Staaten der Eurozone durchgeführt werden. Dies ist aufgrund des beschränkten Umfangs einer Masterarbeit nicht möglich. Deshalb wird die Untersuchung auf zwei Mitgliedstaaten der EWU – Griechenland und Irland – beschränkt. Die Fallauswahl wird im folgenden Kapitel 1.2 begründet. 1.2 Thesen, Methoden und Struktur Die Fragestellung setzt sich aus drei Aspekten zusammen und muss in überprüfbare These übersetzt werden. Der erste Aspekt befasst sich mit der internationalen Finanzkrise. Es wird gefragt, wie sich die internationale Finanzkrise auf die Eurozone ausgewirkt hat. Der zweite Aspekt befasst sich mit der Frage, ob sich die Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands tatsächlich nicht konvergent zum Rest der Eurozone entwickelt haben. Und der dritte Aspekt bezieht sich auf die Auswirkungen der einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die griechische und die irische Volkswirtschaft. Jedem Aspekt der Fragestellung wird eine These zugeordnet, die in einem eigenständigen Kapitel (Kapitel 4, 5 und 6) untersucht wird. These 1: Die internationale Finanzkrise lässt sich als exogener Schock auf die Europäische Währungsunion beschreiben. 3 Vrgl. dazu Neubäumer 2011, Kaiser 2011. 3 1. Einleitung These 2: Die erhoffte Konvergenz der Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands zum Durchschnitt der Eurozone hat sich in den ersten zehn Jahren des Bestehens der EWU nicht eingestellt. These 3: Die Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland sind entstanden aus dem exogenen Schock der internationalen Finanzkrise auf die durch fehlende Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt und eine einheitliche Geldpolitik charakterisierten Volkswirtschaften. Hintergrund von These 1 ist die Annahme, dass die internationale Finanzkrise nicht der Ursprung der europäischen Staatsschuldenkrise war. Vielmehr hat die von den USA ausgehende Finanzkrise die Eurozone als exogenen Schock getroffen und die Instabilität der Volkswirtschaften einzelner Mitglieder – in dieser Arbeit Griechenlands und Irlands – offengelegt. Die Überprüfung von These 1 verlangt die Ausleuchtung der Hintergründe der internationalen Finanzkrise sowie deren Auswirkungen auf die Eurozone. Zudem wird der Begriff „exogener Schock“ definiert und anhand der Definition die These überprüft. These 2 behandelt die Konvergenz der Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands zum Durchschnitt der Eurozone. Der Wunsch nach Konvergenz in der EWU ist ausgedrückt in den Konvergenzkriterien des Vertrages von Maastricht sowie im SWP. Die Operationalisierung der Kriterien folgt dem im Vertrag zur Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) Artikel 126 und 140 sowie in den dazugehörigen Protokollen 12 und 13 festgelegten Vorgehen der Europäischen Kommission und der EZB. Zur Überprüfung von These 2 wird mit Zeitreihendaten von Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Kommission, die Entwicklung der Kriterien in Griechenland und Irland sowie die Durchschnittswerte der Eurozone von 1998 bis zum Ausbruch der europäischen Staatschuldenkrise beschrieben. Der Beginn der Staatsschuldenkrise wird festgelegt auf den 23. April 2010, als Griechenland als erstes Land der Eurozone um Finanzhilfen der Europäischen Union (EU) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) bitten musste. Eine Analyse der Daten erhellt die wirtschaftliche Entwicklung der ausgewählten Krisenländer und zeigt, ob sich ihre Volkswirtschaften konvergent oder divergent zum Rest der Eurozone entwickelt haben. Die Länderzahlen den Durchschnittswerten der Eurozone gegenüberzustellen ergibt ein einfaches Maß für Konvergenz. Das Maastricht-Kriterium der Wechselkursstabilität wird nicht betrachtet, da es sich dabei um Werte handelt, die vor dem Beitritt eines Landes zur Währungsunion zustande kommen. In dieser Arbeit interessiert jedoch, ob eine konvergente Entwicklung nach Beitritt stattgefunden 4 1. Einleitung hat. In Kapitel 3 werden die Konvergenzkriterien und der SWP detailliert beschrieben. Zudem wird die Operationalisierung durch die Europäische Kommission und die Anwendung auf Beitrittskandidaten zur EWU kritisch betrachtet. Aus der Kritik wird unter Anderem folgen, dass die Maastrichter Konvergenzkriterien möglicherweise nicht valide sind. Dass sie also nicht das messen, was sie eigentlich messen sollen – die wirtschaftliche Konvergenz der Mitgliedstaaten der Eurozone. Trotz dieses Befundes soll das Vorgehen der Kommission bei der Beurteilung eines Beitrittskandidaten zur EWU nicht ignoriert werden, weshalb These 2 in Kapitel 4 anhand der Konvergenzkriterien des Vertrages von Maastricht untersucht wird. Für die Überprüfung von These 3 in Kapitel 6 wird der Kriterienkatalog für die Betrachtung der wirtschaftlichen Entwicklung Griechenlands und Irlands allerdings um in der Literatur gebräuchliche Indikatoren erweitert. Dazu gehören unter Anderem das BIP pro Kopf, die Arbeitslosenquote und die Leistungsbilanz. Jeder Indikator misst jeweils einen speziellen Aspekt einer Volkswirtschaft. These 3 bringt die Annahmen der Thesen 1 und 2 zusammen und stellt einen kausalen Zusammenhang zwischen der fehlenden Konvergenz der Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands zum Eurozonendurchschnitt, der einheitlichen Geldpolitik und der Staatsschuldenkrise in diesen beiden Ländern her. Hintergrund des Kausalmechanismus ist, dass die Mitgliedsstaaten einer Währungsunion ihre geldpolitische Gestaltungsmacht aufgeben und eine zentralisierte Geldpolitik, wie sie die EZB betreibt, nicht auf spezifische Entwicklungen in den einzelnen Ländern reagieren kann. Deshalb ist eine konvergente Entwicklung der Volkswirtschaften innerhalb einer Währungsunion Voraussetzung für deren Funktionieren. Die internationale Finanzkrise wird in These 3 als exogener Schock miteinbezogen, der die Instabilität der griechischen und irischen Wirtschaft offengelegt hat. Um These 3 zu überprüfen, werden drei Untersuchungsschritte durchgeführt: Erstens wird die wirtschaftliche Entwicklung in Griechenland und Irland zwischen 1999 und 2010 in einer möglichst dichten Beschreibung nachvollzogen. Zweitens werden darauf aufbauend die Auswirkungen der einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die beschriebene wirtschaftliche Entwicklung aufgezeigt. Und drittens wird ein Gedankenexperiment in Form einer kontrafaktischen Analyse durchgeführt, welches die hypothetischen Auswirkungen einer alternativen Geldpolitik auf die beiden Volkswirtschaften herausarbeitet. Es wird eine Situation imaginiert, in der Griechenland und Irland nicht Mitglieder der Eurozone sind und ihre nationalen Währungen behalten haben. In dieser hypothetischen Welt wird überlegt, wie eine alternative Geldpolitik für Griechenland und Irland hätte aussehen können und welche Effekte sie im Hinblick auf die Staatsschuldenkrisen 5 1. Einleitung gezeigt hätte. Es ist wichtig zu betonen, dass mit dem Gedankenexperiment keine wissenschaftliche Evidenz geschaffen wird und die Interpretation der Ergebnisse mit Umsicht zu erfolgen hat. Um die Auswirkungen einer autonomen Geldpolitik und einer nationalen Währung auf die wirtschaftliche Entwicklung der beiden Länder zweifelsfrei abzuschätzen, müssten alle anderen Einflussfaktoren im beobachteten Zeitraum konstant gehalten werden. Dazu gehören zum Beispiel Regierungswechsel, Entwicklungen auf dem Weltmarkt, europapolitische Entscheidungen, gesellschaftliche Entwicklungen und so weiter. Dies ist aus nachvollziehbaren Gründen hier nicht möglich. Trotzdem wird sich zeigen, dass ein Gedankenexperiment basierend auf den Fakten der Untersuchung der wirtschaftlichen Entwicklung sowie dem Wissen um die Funktionsweise der Geld- und Währungspolitik wertvolle Erkenntnisse für die Beantwortung der Fragestellung liefert. In der Synthese (Kapitel 7 werden die drei Thesen und die Ergebnisse ihrer Untersuchung zusammengebracht und die Fragestellung beantwortet. Die Fallauswahl für Irland und Griechenland wird folgendermaßen begründet: Griechenland und Irland haben beide eine Staatsschuldenkrise erlebt, welche ohne Finanzhilfen der EU und des IWF zu einem Staatsbankrott geführt hätten. Kapitel 6 wird zeigen, dass die wirtschaftliche Entwicklung der griechischen und irischen Volkswirtschaft sehr unterschiedlich verlaufen ist. Als deutlichster Ausdruck dieses Unterschiedes sind die Staatsschulden und das Budgetdefizit zu nennen, welche im Fall von Griechenland stets weit über dem Eurozonendurchschnitt lagen, während Irland bis zum Ausbruch der Krise eine im Vergleich sehr niedrige Staatsschuldenquote und einen ausgeglichenen Haushalt aufwies. Damit ist die Varianz auf einem wesentlichen Einflussfaktor für den Ausbruch der Staatsschuldenkrisen gegeben. Gleich ist demgegenüber die einheitliche Geldpolitik der EZB, deren Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands und Irlands untersucht wird. Die Überprüfung von These 1 in Kapitel 4 wird außerdem zeigen, dass die internationale Finanzkrise als exogener Schock auf Griechenland und Irland beschrieben werden kann, womit ein zusätzlicher Faktor, der den Ausbruch der Schuldenkrisen beeinflusst hat, für beide Länder gleich ist. Ein weiterer Grund für die Wahl von Griechenland und Irland ist die Tatsache, dass sie die beiden ersten Länder waren, die Finanzhilfen der EU und des IWF in Anspruch nehmen mussten. Bei den später folgenden Ländern Spanien, Portugal und Zypern hätten zusätzlich Ansteckungseffekte der griechischen und irischen Krisen betrachtet werden müssen. Selbstverständlich schränkt die Fallauswahl die Generalisierbarkeit der Ergebnisse der Untersuchung ein. Es kann von Griechenland und Irland nicht auf die gesamte Eurozone geschlossen werden. 6 1. Einleitung Die Masterarbeit ist wie folgt strukturiert: Im folgenden Kapitel 2 wird ein Überblick über den Forschungsstand, der sich mit der Frage von Konvergenz und Divergenz von Volkswirtschaften in einer Währungsunion befasst, gegeben. Es werden die Positionen der Ökonomisten und Monetaristen vorgestellt und auf die Errichtung der EWU angewandt. In einem zweiten Schritt wird die Entwicklung der Positionen seit 1999 nachgezeichnet und die daraus folgenden Forderungen für die zukünftige Ausgestaltung der Eurozone dargelegt. Die Positionen werden in der ganzen Arbeit Erwähnung finden. Kapitel 3 gibt einen Überblick über die Ausgestaltung und Wirkungsweise der Wirtschafts- und Währungspolitik in der EWU. Dazu gehört die Koordination der Wirtschaftspolitiken im Hinblick auf gesamteuropäische Ziele sowie die Auswirkungen der einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die Eurostaaten. Aus diesen Punkten wird die Einsicht in die Notwendigkeit der Kriterien des Maastricht-Vertrages von 1992 für den Beitritt zur Währungsunion abgeleitet und dessen Ausgestaltung sowie die Kritik daran analysiert. In gleicher Weise wird mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt von 1997 verfahren. In Kapitel 4 wird der erste Teil der Fragestellung, ausgedrückt in These 1, bearbeitet. Kapitel 5 widmet sich These 2 und damit der Frage, ob sich die Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands konvergent oder divergent zum Eurozonendurchschnitt entwickelt haben. In Kapitel 6 wird These 3 nach dem oben beschriebenen Vorgehen bearbeitet. In Kapitel 7 werden in einer Synthese die Ergebnisse der drei Thesen zusammen gebracht und die Fragestellung beantwortet. Kapitel 8 schließt die Arbeit mit einem Blick auf die seit 2011 unternommenen Reformen in der EWU ab, stellt sie den in der Arbeit gefundenen Ergebnissen gegenüber und fügt diese in den Forschungsstand ein. Zusätzlich werden auf Grundlage der Erkenntnisse konkrete Politikempfehlungen für die zukünftige Ausgestaltung der EWU formuliert. 7 2. Forschungsstand 2. Forschungsstand In diesem Kapitel wird die oben formulierte Fragestellung in den aktuellen Forschungsstand eingebettet. Welche Aspekte der Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland lassen sich auf die internationale Finanzkrise zurückführen und welche sind der Wirkung der einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die durch fehlende Konvergenz gekennzeichneten Volkswirtschaften geschuldet? Es werden dazu im folgenden Kapitel 2.1 der theoretische Hintergrund mit der auf Robert Mundell zurückgehenden Theorie der Optimalen Währungsräume abgesteckt und die zwei Hauptstränge der Weiterentwicklung der Theorie vorgestellt. Daran anschließend wird die Weiterentwicklung der Theorie angesichts der Realität der Errichtung der EWU und die Evidenz der ersten 13 Jahre EWU dargelegt. Daraus leitet sich die Einsicht in die Notwendigkeit von Reformen ab. Kapitel 2 schließt mit einem Fazit, das den Forschungsstand mit den Analysen der Masterarbeit verknüpft. 2.1 Theoretischer Hintergrund Die Fragestellung dieser Masterarbeit beschäftigt sich mit der konvergenten oder divergenten Entwicklung der Volkswirtschaften in der EWU. Diese Überlegung geht auf eine lange Forschungstradition zurück, die mit der Theorie der Optimalen Währungsräume von Robert Mundell 1961 ihren Anfang genommen hat. Mundells Ausgangspunkt war die mit dem System von Bretton Woods gemachte Erfahrung, dass Leistungsbilanzkrisen ein integraler Bestandteil eines internationalen Systems mit fixen Wechselkursen sind. In Reaktion darauf sprachen sich zahlreiche Ökonomen, als berühmtester Vertreter Milton Friedman, für frei schwankende Wechselkurse aus. Mundell hingegen wollte zeigen, dass feste Wechselkurse oder eine einheitliche Währung unter bestimmten Bedingungen trotz der Leistungsbilanzkrisen von Vorteil sein können. Einen solchen Zusammenschluss von Ländern bezeichnet er als Optimalen Währungsraum oder Optimal Currency Area (OCA) (Mundell 1961: 657). Die aus seiner Sicht wichtigste Bedingung für eine OCA ist ein hoher Grad an Faktormobilität zwischen den Mitgliedern des Systems mit einer einheitlichen Währung. McKinnon (1963) und Kenen (1969) erweitern die Kriterien eines Optimalen Währungsraums um Lohnflexibilität, Diversifikationsgrad der Produktion, Offenheit der Volkswirtschaften und fiskalische Integration, ausgedrückt in Transferzahlungen zwischen den Mitgliedstaaten (in Bonn 2007). Die Kriterien sollten sicherstellen, dass die Mitgliedstaaten einer Währungsunion enge wirtschaftliche Beziehungen zu einander pflegen und sich in der ökonomischen und fiskalischen Struktur ähnlich sind. Je besser die Kriterien erfüllt werden, desto geringer seien die negativen 8 2. Forschungsstand Auswirkungen von ökonomischen Schocks auf die einzelnen Volkswirtschaften (vrgl. Bonn 2007). In einem Staat mit einer nationalen Währung, reagiert die Zentralbank mit geldpolitischen Maßnahmen auf ökonomische Schocks. In einer Währungsunion wird die Autonomie über die Geldpolitik hingegen aufgegeben und die Geldpolitik der für alle Mitgliedstaaten zuständigen Zentralbank kann nicht mehr auf die Schwankungen der nationalen Inflationsraten reagieren. Damit stellen Schocks, welche die Mitgliedsländer in unterschiedlicher (asymmetrischer) Weise treffen, eine Gefahr für die Stabilität der Volkswirtschaften und der Währungsunion als Ganzes dar. Wie dieser Mechanismus im Detail aussieht und welche Konsequenzen er für die EWU hat, wird in Kapitel 3 dargelegt. Von Mundell, McKinnon und Kenen ausgehend, haben sich zwei Argumentationsstränge zur Frage der optimalen Ausgestaltung einer Währungsunion entwickelt. Auf der einen Seite stehen die sogenannten Ökonomisten. Die sie verbindende Überzeugung ist, dass für einen Optimalen Währungsraum die oben genannten Kriterien ex ante erfüllt sein müssen. Demnach sollte eine einheitliche Währung erst nach einer weitgehend erfolgten wirtschaftlichen, fiskalischen und politischen Integration eingeführt werden. Die monetäre Union stellt dann gleichsam die Krönung der wirtschaftlichen und politischen Union dar. In Anlehnung daran wird die Argumentation der Ökonomisten auch als Krönungstheorie bezeichnet (Bonn 2007: 227). Die Ökonomisten interessieren sich in ihren theoretischen Überlegungen und empirischen Untersuchungen in erster Linie für die makroökonomischen Kosten, die den einzelnen Staaten aus der Mitgliedschaft in einer Währungsunion erwachsen. Makroökonomische Kosten resultieren aus Anpassungslasten nach Schocks mit asymmetrischen Konsequenzen (Bonn 2007: 227-229). Die Erfüllung der Kriterien für einen Optimalen Währungsraum minimiert die makroökonomischen Kosten der monetären Integration, weshalb sie vor der Errichtung der Währungsunion erfolgen sollte. Gegen diese Sichtweise regte sich ab den 1970er Jahren Widerstand. Die Anhänger dieser zweiten Argumentationslinie werden unter dem Namen der Monetaristen zusammengefasst. Sie kritisieren zwei Dinge an der Sichtweise der Ökonomisten: Erstens würde sie die makroökonomischen Kosten einer Währungsunion überschätzen und zweitens die mikroökonomischen Effizienzgewinne wie den Wegfall von Wechselkurskosten und Preistransparenz vernachlässigen. Auch die Monetaristen gehen davon aus, dass gewisse Bedingungen gegeben sein müssen, damit eine Währungsunion ohne größere Spannungen funktionieren kann. Im Gegensatz zu den Ökonomisten sind sie jedoch der Ansicht, dass die mikroökonomischen Effizienzgewinne und die einheitliche Währung einen Druck in Richtung einer konvergenten Entwicklung der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten ausüben. Die Vor- 9 2. Forschungsstand teile aus der monetären Integration werden den Handel zwischen den Mitgliedstaaten der Währungsunion derart positiv beeinflussen, dass eine ökonomische Integration ex post aus der monetären folgt. In Abgrenzung zur Krönungstheorie wird der Ansatz der Monetaristen auch als Katalysatortheorie bezeichnet (Bonn 2007: 227-234). Trotz der unterschiedlichen Überzeugung hinsichtlich des richtigen Zeitpunkts für eine monetäre Integration ist den Ökonomisten und Monetaristen die Position von der aus sie ihre Überlegungen anstellen gemeinsam. Als Vertreter der 1960er und 1970er Jahre sprachen sie über Währungsunionen als mehr oder weniger hypothetische Gebilde, die sich aus diesem oder jenem Set von Ländern zusammensetzten. Die neueren Strömungen der Theorie der Optimalen Währungsräume, die in den 1990er Jahren aufkamen, sahen sich mit einer ganz anderen politischen Realität konfrontiert. Zu dieser Zeit war die Entscheidung der Errichtung einer Europäischen Währungsunion bereits getroffen. Konsequenterweise interessieren sich die neuen Ansätze vor allem für die Auswirkungen der Mitgliedschaft in einer Währungsunion für einzelne Staaten und für die Union als Ganzes (vrgl. Bonn 2007). Auch hier lassen sich zwei Argumentationslinien unterscheiden, die in der Tradition der Ökonomisten und der Monetaristen stehen. Als bedeutenden Vertreter der jüngeren Ökonomisten lässt sich Paul Krugman nennen. In einer 1993 veröffentlichten Studie stellt er die These auf, dass die zukünftige EWU den Kriterien eines Optimalen Währungsraumes nicht entspricht und dass sich die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten auch nach dem Beitritt nicht konvergent zueinander entwickeln werden. Vielmehr werde die monetäre Integration aufgrund eines unvollständigen Wettbewerbs in der EWU zu Spezialisierungstendenzen unter den Mitgliedstaaten führen. Langfristig mehrten sich dadurch Schocks mit asymmetrischen Konsequenzen (in Bonn 2007: 228, 236). Auf der anderen Seite haben die Monetaristen eine gewichtige Fürsprecherin auf ihrer Seite: die Europäische Kommission. In einem Papier zur EWU von 1990 schreibt sie, dass die Bedeutung der Mobilität von Arbeitskräften für das Funktionieren einer Währungsunion von der traditionellen OCA-Theorie überschätzt wird. „[This conclusion] appears to be largely overstated in early formulations of the theory, at least as regards the EC“ (KOM 1990: 45). Die Europäische Kommission geht davon aus, dass die monetäre Integration verbunden mit einer zunehmenden Handelsintensität zwischen den EWU-Staaten zu einer Beschleunigung der ökonomischen und politischen Integration führen wird (in Bonn 2007: 235). Die Sichtweise der Kommission wurde in zwei Artikeln von Frankel und Rose (1997, 1998) theoretisch und empirisch untermauert. Frankel und Rose stellen die Hypothese auf, dass die individuelle Betrachtung der OCA-Kriterien Integrationsgrad und Ähnlichkeit der Konjunkturzy- 10 2. Forschungsstand klen zu falschen Schlüssen hinsichtlich der Eignung eines Landes für die Mitgliedschaft zu einer Währungsunion führt. Der Grund dafür ist, dass sich die beiden Kriterien wechselseitig bedingen und in einer Währungsunion endogen entstehen (Frankel/Rose 1997, 1998). Frankel und Rose unterstützen damit die als Hypothese der Endogenität der Kriterien eines Optimalen Währungsraums bekannt gewordene Strömung der Monetaristen. Die Autoren kritisieren, dass die Forschung die OCA-Kriterien bisher immer ex ante getestet hat. Diese Herangehensweise geht von der falschen, impliziten Annahme aus, das sich die Struktur einer Volkswirtschaft nach Beitritt zu einer Währungsunion nicht mehr wesentlich verändert. Dem halten Frankel und Rose entgegen, dass sich Volkswirtschaften auch nach dem Beitritt weiter verändern. „The structure of these economies is likely to change in the event of EMU“ (Frankel/Rose 1997: 755). Sie testen ihre Hypothese an den bilateralen Handelsbeziehungen von 20 OECD Ländern über 30 Jahre. Den von ihnen vermutete Zusammenhang, dass intensive Handelsbeziehungen zwischen zwei Ländern zu einer Angleichung ihrer Konjunkturzyklen führen, können sie bestätigen (Frankel/Rose 1997, 1998). Aus ihren Ergebnissen schließen Frankel und Rose, dass Länder, welche der EWU beitreten, ohne die Kriterien für die Mitgliedschaft in einem Optimalen Währungsraum zu erfüllen, diese ex post erfüllen werden, da sie in engere Handelsbeziehungen mit den anderen Mitgliedsländern treten (Frankel/Rose 1997: 754). Jarko Fidrmuc merkt an, dass die Ergebnisse von Frankel und Rose nicht unbesehen akzeptiert werden sollten. Obwohl mehrere Studien eine Korrelation zwischen der Intensität der Handelsbeziehungen zwischen zwei Ländern und der Angleichung der Konjunkturzyklen feststellen können, ist die Frage nach dem kausalen Zusammenhang zwischen den beiden Faktoren umstritten (Fidrmuc 2001: 2). Zudem hat Kenen betont, dass auch bei einer Angleichung der Konjunkturzyklen Schocks mit asymmetrischen Konsequenzen auftreten können (in Fidrmuc 2001: 2). 2.2 Evidenz aus 13 Jahren Europäische Währungsunion Die Diskussion zwischen den Ökonomisten und Monetaristen war noch nicht abgeschlossen, als 1999 die Europäische Währungsunion errichtet wurde. Die Europäische Kommission im Speziellen setzte auf die Endogenität der OCA-Kriterien. So schließt die Kommission in ihrem Bericht von 1990: „(...) asymmetric schocks in the Community, even though they exist, are likely to diminish with the disappearance of trade barriers through the completion of the internal market“ (KOM 1990: 147). Nun interessiert, ob die Ökonomisten oder die Monetaristen in der Entwicklung der EWU recht behalten haben. Hat sich die Eurozone gemäß der Hypothese der Endogenität ex post einem Optimalen Währungsraum angenähert oder haben 11 2. Forschungsstand sich Spezialisierungstendenzen herausgebildet, welche Schocks mit asymmetrischen Konsequenzen begünstigen? Die Beantwortung dieser Frage ist entscheidend für die Weiterentwicklung der EWU, die in Kapitel 8. Fazit und Empfehlungen im Zentrum steht. In der Literatur finden sich verschiedene Zusammenstellungen der Kriterien für einen Optimalen Währungsraum, wobei jeder Autor und jede Autorin eigene Schwerpunkte setzt. Ich entscheide mich hier für den von Bonn vorgeschlagenen Kriterienkatalog auf Grundlage von Nickel (2002) mit der eigenen Erweiterung um Lohnflexibilität: Ein Optimaler Währungsraum zeichnet sich demnach aus durch 1. intensive Handelsbeziehungen 2. Ähnlichkeit von Schocks und Konjunkturzyklen 3. grenzüberschreitende Arbeitskräftemobilität 4. grenzüberschreitende Lohnflexibilität 5. fiskalpolitische Transferzahlungen (nach Bonn 2007: 232). Die Anwendung der Kriterien für einen Optimalen Währungsraum auf die ersten 13 Jahre des Bestehens der EWU zeigt kein hoffnungsvolles Bild. Weder grenzüberschreitende Lohnflexibilität noch eine ausgeprägte Arbeitskräftemobilität haben sich in der EWU eingestellt. „Auch wenn immer mehr EU-Bürgerinnen und -Bürger in anderen Mitgliedstaaten arbeiten, ist die Mobilität der Arbeitskräfte in Europa im Vergleich zum Potenzial der EU zu gering und steht in keinem Verhältnis zu dem, was man in einem echten Binnenmarkt für Arbeitskräfte erwarten könnte“ (KOM 2012: 8). In der EWU sind Arbeitnehmer stark an ihre Heimatländer gebunden und wechseln bei einem Konjunkturtief in ihrem Heimatland nicht einfach den Wohnort innerhalb der Eurozone. Vielmehr verlassen sich die Arbeitnehmer auf die national basierten sozialen Sicherungssysteme. Der Lohnflexibilität sind vor allem auf Grund der nationalen Gewerkschaftsmacht und der tripartiten Beziehungen in manchen Ländern (vorerst) Grenzen gesetzt. Ferner scheinen auch eurozonenweite Transferzahlungen politisch noch kaum durchsetzbar (vrgl. Bonn 2007: 231). Unterstützt wird diese Sichtweise von der Einschätzung der Europäischen Kommission, dass sich die Integration des Europäische Binnenmarkts verlangsamt hat und zwischen den EU-Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede in der Integrationsdynamik bestehen. Damit verliert der gemeinsame Binnenmarkt zum Teil seine Rolle als Motor für Wirtschaftsdynamik und Angleichung der Konjunkturzyklen (KOM 2012: 2-8; Nienhaus 2007: 652). 12 2. Forschungsstand Ferner sind die Stimmen, welche in den Auswirkungen der internationalen Finanzkrise auf die Eurozone und den darauffolgenden Staatsschuldenkrisen einen Beweis sehen, dass die Eurozone keinen Optimalen Währungsraum darstellt, zahlreich. So schreibt Krugman in einem Beitrag von 2012, dass die Krise hätte vorausgesehen werden können, wären die Kriterien für einen Optimalen Währungsraum ernst genommen worden (Krugman 2012). Und Armin Steinbach stellt fest: „Die von vielen bei der Einführung des Euro prognostizierte Angleichung der makroökonomischen Entwicklung erweist sich heute als Illusion“ (Steinbach 2011: 399). Für Henrik Enderlein ist die Divergenz der Wachstums- und Inflationsentwicklungen innerhalb der Eurozone gar die wichtigste Beobachtung der ersten zehn Jahre des Bestehens der Währungsunion (Enderlein 2010: 8).4 Gibt es auch Gegenstimmen? Ja, aber sie sind sehr leise geworden. Dullien und Fritsche nennen 2007 noch die EZB als Verfechterin der Endogenitätshypothese. Die EZB hielt zu dieser Zeit fest, dass die Divergenzen in der Eurozone zwar hartnäckiger sind als in anderen Währungsunionen, aber nicht größer und zu einem beträchtlichen Teil der Ausdruck notwendiger Aufhol- und Anpassungsprozesse zwischen den Mitgliedstaaten (Dullien/Fritsche 2007: 57). Letztendlich sind heute jedoch die Ökonomisten, welche die Heterogenität der EWU bei einer einheitlichen Geldpolitik als größte Herausforderung für die Zukunft der Währungsunion sehen, in der Überzahl. Sie fordern Reformen, da sie nicht davon ausgehen, dass sich die Divergenzen von alleine abbauen. 2.3 Einsicht in die Notwendigkeit von Reformen Einigkeit herrscht unter den Beobachtern darüber, dass Reformen notwendig sind und manches ist von den EU-Institutionen in dieser Richtung schon unternommen worden (vrgl. Kapitel 8). Doch auch hier stehen sich zwei grundsätzliche Positionen gegenüber. Auf der einen Seite stehen Vertreter wie die Glieniker Gruppe – ein Zusammenschluss elf deutscher Ökonomen, Juristen und Politologen –, die eine stärkere Zentralisierung, einen „Qualitätssprung der Integration“, für die Eurozone fordern. Die Ziele sind hierbei eine Wirtschaftsregierung mit weitgehenden Kompetenzen für die Eurozone sowie Transferzahlungen zwischen den Mitgliedstaaten. Dies impliziert eine wesentliche Verschiebung von Souveränität auf die supranationale Ebene (Glieniker Gruppe 2013). Steinbach schlägt zudem eine eurozonenweite Lohnkoordinierung vor. Die Lohnniveaus in den Mitgliedstaaten müssten sich sowohl am nationalen Produktivitätsniveau als auch an der EZB-Zielinflation orientieren (Steinbach 2011: 399). Auf der anderen Seite befinden sich Vertreter wie Hans-Werner Sinn, Heribert 4 Vrgl. dazu auch: Ahearn et al. 2012, Kirsch 2010, Müller/Schmidt 2010. 13 2. Forschungsstand Dieter und – als organisatorischer und zugleich extremster Ausdruck der Strömung – die Partei Alternative für Deutschland. Gemeinsam ist dieser zweiten Gruppe, dass sie eine stärkere Zentralisierung der Wirtschafts- und Fiskalpolitik auf der europäischen Ebene ablehnen. Für Hans-Werner Sinn ist die EWU in ihrer jetzigen Verfasstheit nicht reif für eine stärkere wirtschaftspolitische Zentralisierung. Beides könne es nur geben, wenn die EWU eine Nation nach US-amerikanischem Vorbild wird. Die Bedeutung von Rechts-, Kultur-, Mentalitätsund Sprachgrenzen müssen soweit in den Hintergrund treten, dass Transferzahlungen an Mitgliedstaaten von den Bürgern und Bürgerinnen akzeptiert werden. Solange dies nicht der Fall ist, müssten alternative Lösungen zur Zentralisierung gefunden werden (Sinn 2012: 35-36). Dieter präsentiert 6 Reformvorschläge für die EWU, die auf dem Vertrag von Maastricht basieren und diesen weiterentwickeln. „Die Weiterentwicklung und Verschärfung der Bestimmungen des Vertrages von Maastricht würden der Heterogenität der EU besser gerecht als eine wirtschaftspolitische Zentralisierung“ (Dieter 2012: 1). Zu den Vorschlägen gehören unter Anderem eine Ausschlussklausel für Eurostaaten, die zahlungsunfähig werden, die Option eines freiwilligen Austritts sowie die Möglichkeit einer temporären, unilateralen Einschränkung des Kapitalverkehrs (Dieter 2012: 6). Am weitesten in ihren Forderungen geht die Partei Alternative für Deutschland. In ihrem Wahlprogramm für die deutsche Bundestagswahl 2013 hieß es: „Wir fordern eine geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes. Deutschland braucht den Euro nicht. Anderen Ländern schadet der Euro“ (AfD Webseite 2013). Die AfD schlägt ein schrittweises Ausscheiden der südeuropäischen Länder aus dem Euro vor. Damit würden die größten Spannungen in der Eurozone, die aus dem Auf- und Abwertungsbedarf der nationalen realen Wechselkurse entstanden sind, abgebaut. Danach könnten entweder mehrere kleine Währungsverbünde aus homogenen Staaten geschlossen werden oder alle Länder kehrten zu ihren nationalen Währungen zurück (AfD Webseite 2013). Da für diese Arbeit die verschiedenen Typen von Reformvorschlägen im Vordergrund stehen, werden ihre Machbarkeit und Implikationen nicht weiter diskutiert. 2.4 Fazit Dieses Kapitel hat einen Überblick über den Forschungsstand zur Frage von Konvergenz und Divergenz der wirtschaftlichen Entwicklung der Mitglieder einer Währungsunion gegeben sowie die aktuelle, durch die Staatsschuldenkrise angestoßene Debatte über die Zukunft der Eurozone zusammengefasst. Davon ausgehend kann nun in den folgenden Kapiteln die Fragestellung anhand der drei Thesen untersucht werden. In der Fragestellung dieser Arbeit geht es nun aber nicht bloß um die Diskussion von Divergenz und Konvergenz in der Eurozone und 14 2. Forschungsstand die Implikationen daraus für die Treffsicherheit der EZB-Geldpolitik und die Stabilität der Währungsunion als Ganzes. Auch die Rolle der internationalen Finanzkrise wird untersucht. Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass es auch Wissenschaftler gibt, welche der Finanzkrise eine größere Rolle und Schuld bei der Entstehung der europäischen Schuldenkrise beimessen. Exemplarisch sei hier Neubäumer (2011) genannt. Die Thesen, die in den folgenden Kapiteln untersucht werden, schließen jedoch an die Argumentation der Ökonomisten an, womit der Forschungsstrang der Theorie der Optimalen Währungsräume, wie er oben beschrieben wurde, im Vordergrund steht. Kapitel 6 wird zeigen, dass sich die Finanzkrise als asymmetrischer Schock auf die griechische und die irische Wirtschaft ausgewirkt hat. Damit hat sich eingestellt, was von den Ökonomisten im Vorfeld der Errichtung der EWU befürchtet wurde. Die Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands haben sich auf unterschiedliche Wirtschafts- und Produktionsstrategien spezialisiert und wurden deshalb von der internationalen Finanzkrise in unterschiedlicher Weise getroffen. 15 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion Kapitel 3 dient dazu, die Rahmenbedingungen für die Überprüfung der Thesen abzustecken. Es wird die Ausgestaltung und Wirkungsweise der Wirtschafts- und Währungspolitik in der Europäischen Währungsunion dargestellt. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Zusammenspiel der europäischen supranationalen Ebene und den einzelnen Mitgliedstaaten. Dazu gehören die Koordination der Wirtschaftspolitiken im Hinblick auf gesamteuropäische Ziele sowie die Auswirkungen der einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die Eurostaaten. Aus diesen Punkten wird die Einsicht in die Notwendigkeit der Kriterien des Maastricht-Vertrages von 1992 für den Beitritt zur Währungsunion abgeleitet und dessen Ausgestaltung sowie die Kritik daran analysiert. In gleicher Weise wird mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt von 1997 verfahren. Den Abschluss des dritten Kapitels bildet eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse. Da in dieser Arbeit die Entwicklungen im Vorfeld der internationalen Finanzkrise und der europäischen Schuldenkrise im Fokus stehen, beziehen sich alle in der Folge beschriebenen Verträge, Instrumente und Maßnahmen im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) auf die Zeit vor 2011. Seit 2011 sind mehrere Reformen durchgeführt worden, auf die in Kapitel 8 eingegangen wird. 3.1 Wirtschaftspolitik und Geldpolitik in der Währungsunion Die Idee einer europäischen Währungsunion ist entstanden angesichts des drohenden Endes des Bretton Woods-Systems Anfang der 1970er Jahre. Der Wunsch nach einer Eindämmung der zunehmenden Wechselkursspekulationen im Vorfeld des Zusammenbruchs führte zu einer Diskussion über eine engere Währungskooperation zwischen den europäischen Staaten. Die Diskussion fand im Werner-Plan von 1970, im darauffolgenden Europäischen Währungssystem (EWS) und letztendlich im Delors-Plan und dem Vertrag von Maastricht ihren Niederschlag (Ohr 2007: 106-109). Mit der Errichtung einer Währungsunion mit einer Einheitswährung und einer einheitlichen, zentral gesteuerten Geldpolitik waren zahlreiche Hoffnungen verknüpft: So erwarteten die Befürworter der EWU in erster Linie die Stabilisierung der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten durch den Wegfall von Wechselkursanpassungen und Spekulationen, weiter erhofften sie sich eine Stimulierung des Warenhandels und der Direktinvestitionstätigkeit, eine verbesserte Preistransparenz und dadurch die Stärkung des Wettbewerbs zwischen den teilnehmenden Staaten (Ohr 2007: 109). Auf der anderen Seite mahnten die Gegner einer europäischen Währungsunion an, dass der mit einer solchen zwangsläufig einhergehende Verlust der Auto16 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion nomie über die nationale Geld- und Währungspolitik angesichts der Größe und Heterogenität des Währungsraumes problematisch werden könnte (Ohr 2007: 109-110; vrgl. Kapitel 2).5 Damit eine einheitliche Geldpolitik für mehrere Staaten funktionieren kann, „muss gewährleistet sein, dass die ökonomischen Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern dieselbe Geldpolitik erfordern und dass die gemeinsame Geldpolitik auch in allen Mitgliedsländern der Währungsunion die gleichen realwirtschaftlichen Wirkungen entfaltet“ (Ohr 2007: 109-110). Die Diskussion um die Funktionsweise der EWU und die Gegensätze zwischen den Ökonomisten und Monetaristen führten schließlich zur Verabschiedung der Maastrichter Konvergenzkriterien als Voraussetzung für den Beitritt zur Währungsunion sowie zum Stabilitätsund Wachstumspakt als deren Äquivalent für die Zeit nach dem Beitritt. Auf die beiden Verträge wird in den Kapiteln 3.2 und 3.3 detailliert eingegangen. 3.1.1 Wirtschaftspolitik in der Währungsunion und den EU-Mitgliedstaaten Die Europäische Währungsunion zeichnet sich dadurch aus, dass einer einheitlichen, von der EZB vorgegebenen und vom Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) implementierten Geldpolitik keine europäische Haushaltspolitik gegenübersteht (Schwarzer/Uterwedde 2002: 220). Dies kann insbesondere bei divergenten Entwicklungen der Wirtschafts- und Fiskalpolitik und der durch sie beeinflussten Konjunktur der einzelnen Mitgliedstaaten zu Spannungen im Währungsraum führen. Inflationsunterschiede können sich beispielsweise negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Länder auswirken, da der einheitliche Leitzinssetzung der EZB nicht angemessen auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Länder reagieren kann. Die Einsicht in den engen Zusammenhang zwischen der Geldpolitik auf der einen und der Wirtschafts- und Fiskalpolitik auf der anderen Seite bewog die Gründerväter der EWU Maßnahmen zu treffen, welche die Mitgliedstaaten einerseits zu einer soliden Fiskalpolitik bewegen und andererseits die Koordination der einzelnen Wirtschaftspolitiken ermöglichen sollten. Während die Überwachung und Beurteilung der Fiskalpolitik mit dem SWP operationalisiert und eine zentrale Kontrollinstanz auf Ebene der EU eingerichtet wurde, verblieb die Zuständigkeit für die Wirtschaftspolitik größtenteils in nationaler Hand. Abbildung 1 fügt die wichtigsten fiskal- und wirtschaftspolitischen Felder in das Mehrebenensystem der EU ein. 5 Natürlich waren die Geldpolitiken auch schon vor dem 1. Januar 1999 in den meisten Teilnehmerländern nicht mehr unabhängig, sondern innerhalb des EWS miteinander gekoppelt. Für diese Arbeit sind jedoch die Auswirkungen der Aufgabe der geldpolitischen Unabhängigkeit im Hinblick auf die europäische Schuldenkrise von Bedeutung und weniger wann diese Aufgabe genau stattgefunden hat. 17 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion Abbildung 1: Fiskal- und Wirtschaftspolitische Kompetenzverteilung im Mehrebenensystem der EU Eigene Darstellung nach Schwarzer/Uterwedde 2002: 202. Die Spanne der wirtschaftspolitischen Kompetenzverteilung im Mehrebenensystem der EU reicht vom vollständigen Kompetenztransfer auf die europäische Ebene über einen partiellen Kompetenztransfer mit Sanktionsmöglichkeiten bis zur nationalen Zuständigkeit mit teilweiser Koordination ohne Sanktionen. Bei den für diese Arbeit interessanten Politikfeldern sind es die Geld- und die Wechselkurspolitik, die vollständig in EU-Hand, genauer bei der Europäischen Zentralbank, liegen. Hier haben die Mitgliedstaaten ihre Autonomie an die supranationale Ebene abgegeben. Ein partieller Kompetenztransfer liegt bei der nationalen Haushaltspolitik vor. Hier haben die EU-Institutionen durch den SWP die Möglichkeit, die Mitglieder der Eurozone bei Nicht-Beachtung der Vorgaben zu sanktionieren. Komplett in nationaler Zuständigkeit liegen die makroökonomischen Entscheidungen, die Beschäftigungspolitik und die Strukturpolitik. Hier sind über verschiedene Prozesse ein regelmäßiger Austausch, Koordinierung und Monitoring zwischen den EU-Mitgliedstaaten vorgesehen. Solange die einzelnen Staaten sich jedoch nicht freiwillig zu etwas verpflichten, bleiben die Prozesse aufgrund fehlender Sanktionsmöglichkeiten ohne Folgen (Schwarzer/Uterwedde 2002: 201). 3.1.2 Die Geldpolitik der EZB und Auswirkungen auf die Volkswirtschaften der EWUMitgliedstaaten Die Geldpolitik des Euro-Währungsraums wird von der EZB festgelegt und vom ESZB, dem alle nationalen Zentralbanken angehören, ausgeführt. Gemäß Artikel 127 Absatz 2 AEUV hat das ESZB vier grundlegende Aufgaben: Erstens die Festlegung und Ausführung der Geldpolitik innerhalb der Währungsunion, zweitens die Durchführung von Devisengeschäften, drittens die Bereithaltung und Verwaltung der offiziellen Währungsreserven der Eurostaaten und vier- 18 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion tens die Förderung des reibungslosen Funktionierens der Zahlungssysteme (EZB 2011: 16). Für mein Argument ist vor allem die Festlegung und Ausführung der Geldpolitik von Bedeutung. Das vorrangige Ziel der Geldpolitik der EZB ist die Gewährleistung von Preisstabilität in der Eurozone.6 Entscheidend ist dabei der Durchschnittswert der nationalen Inflationsraten aller Mitgliedstaaten. Um das Ziel der Preisstabilität zu erreichen, nutzt die EZB den sogenannten Transmissionsmechanismus der Geldpolitik. Dabei handelt es sich um einen Prozess, mittels dessen sich geldpolitische Entscheidungen auf die Realwirtschaft und das Preisniveau der Eurostaaten auswirken (EZB 2011: 62). Da die Zentralbank der alleinige Emittent von Banknoten ist und die Mindestreserveguthaben der Banken im Euroraum bestimmt und hält, besitzt sie das Monopol über das Angebot der monetären Basis. Kraft dieses Monopols ist die EZB in der Lage, die Bedingungen am Geldmarkt zu beeinflussen und die kurzfristigen Zinssätze zu steuern (EZB 2011: 59). Die Wirkungen der geldpolitischen Maßnahmen sind jedoch weder eindeutig abschätzbar noch unmittelbar sichtbar. Eine lange Wirkungskette, die geprägt ist von unvorhergesehenen Reaktionen der Wirtschaftsakteure sowie internen und exogenen Schocks, macht die Vorhersage der Wirkungsweise der Geldpolitik schwierig (EZB 2011: 6263). Trotzdem sollen hier stark vereinfacht das wichtigste Instrument vorgestellt werden, mit dem die EZB die Entwicklung des Preisniveaus im Euroraum steuert. Es handelt sich dabei um die Setzung der Leitzinsen, genauer der Hauptrefinanzierungsfazilität und der ständigen Fazilitäten.7 „Am Anfang der Wirkungskette, über die sich geldpolitische Entscheidungen auf das Preisniveau auswirken, steht eine Änderung der von der Zentralbank für ihre geldpolitischen Geschäfte festgesetzten Leitzinsen“ (EZB 2011: 63). Um sich zu refinanzieren, fragen die Banken im Euroraum bei der Zentralbank Geld nach. Aufgrund des Monopols auf die Schaffung von Geld kann die EZB den Preis bestimmen. Der Preis von Geld ist der zu bezahlende Zinssatz. Über den sogenannten Zinskanal geben die Banken die Kosten, die ihnen durch die Aufnahme des Geldes bei der Zentralbank entstehen, an ihre Kunden weiter. So ist es der EZB möglich, einen dominierenden Einfluss auf die Geldmarktbedingungen auszuüben und die Geldmarktsätze zu steuern (EZB 2011: 63). „Zinsänderungen wirken sich auf die Spar-, 6 Definiert wird die Preisstabilität als Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) für das EuroWährungsgebiet von mittelfristig unter zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr (EZB 2011: 9). 7 Die Hauptrefinanzierungsfazilität ist der wichtigste Leitzins einer Zentralbank. Die EZB stellt zu diesem Zinssatz den Geschäftsbanken im Euroraum in einem wöchentlichen Vergabeverfahren Zentralbankgeld zur Verfügung. Mit den ständigen Fazilitäten können die Geschäftsbanken über Nacht zu einem fixen Zins bei der EZB Geld leihen oder hinterlegen. Die EZB legt damit die Ober- und Untergrenze für das Interbankentagesgeschäft fest (EZB 2011: 112-117). 19 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion Konsum- und Investitionsentscheidungen der privaten Haushalte und Unternehmen aus“ (EZB 2011: 64). Ceteris paribus führen höhere Zinssätze tendenziell zu einer höheren Sparquote, da die Kreditaufnahme teurer wird und gleichzeitig die Renditen von Ersparnissen steigen (EZB 2011: 64). Das Ziel einer strafferen Geldpolitik – eine verbreitete Umschreibung für eine Zinserhöhung – ist im Normalfall eine Abkühlung der Wirtschaft. Dies kann angesichts eines Preiswachstums, das sich nicht in entsprechenden Zuwächsen beim Output spiegelt und damit möglicherweise ein Anzeichen für Überhitzungstendenzen und Blasenbildungen ist, angezeigt sein. Mit dem Zinskanal des Transmissionsmechanismus der Geldpolitik im Hinterkopf kann nun betrachtet werden, welche Auswirkungen die einheitliche Geldpolitik auf die Volkswirtschaften der einzelnen Eurostaaten hat. Entscheidend ist hierbei, dass die EZB eine sogenannte „One size fits all“-Politik verfolgt. Unabhängig davon, wie sich das Preisniveau und die Erwartungen der Wirtschaftsakteure in den einzelnen Eurostaaten entwickeln, richtet die EZB ihre geldpolitischen Entscheidungen an Durchschnittswerten für die Eurozone aus.8 Am Beispiel unterschiedlicher Inflationsraten lässt sich dies gut nachvollziehen: In Ländern mit traditionell höheren Inflationsraten sind die Realzinsen niedrig, was günstige Kredite und unattraktive Depositen bedeutet. Es wird viel investiert und konsumiert und der Wirtschaft kann eine Überhitzung mit Blasenbildungen auf Teilmärkten drohen. Auf eine solche Entwicklung reagiert eine Zentralbank im Normalfall mit einer strafferen Geldpolitik und einer Erhöhung der Leitzinsen. Das führt zu einer Verringerung des Kreditvolumens und kühlt die Wirtschaft ab. Länder mit einer traditionell niedrigen Inflationsrate wiederum haben von Vorneherein höhere Realzinsen, was teure Kredite und attraktive Depositen bedeutet. Die Lücke zwischen dem potenziellen und dem tatsächlichen Wirtschaftswachstum ist groß und eigentlich wäre eine ausweitende Geldpolitik mit Senkung des Leitzinses angezeigt. Wenn nun Hoch- und Niedriginflationsländer in einer Währungsunion zusammengefasst und einer einheitlichen Geldpolitik ausgesetzt werden, ist diese zwangsläufig für einen der beiden Typen unpassend (vrgl. Steinbach 2011; Dullien/Fritsche 2007; Enderlein 2010). Damit die Geldpolitik der EZB tatsächlich den Bedürfnisse aller Eurostaaten gerecht wird, müssen die nationalen Inflationsraten und Konjunkturentwicklungen ähnlich aussehen. 8 Pressemitteilung des EZB-Rates vom 13.10.1998: „The Governing Council of the ECB makes it clear that it will base its decisions on monetary, economic and financial developments in the euro area as a whole. The single monetary policy will adapt a euro area-wide perspective; it will not react to specific regional or national developments” (aus: Enderlein 2004: 17). 20 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion Zusätzlich zur einheitlichen Setzung der Leitzinsen wurden mit der Einführung einer gemeinsamen Währung die Wechselkurse zwischen den Eurostaaten aufgehoben. Dies ist der Argumentation von Ahearn et al. folgend eine positive Entwicklung, da die Transaktionskosten beim transnationalen Handel geringer werden. In einer Währungsunion gibt es keine Wechselkursverluste und keine Wechselkursrisiken. Zudem können die Preise für Güter und Dienstleistungen in zwei Ländern besser verglichen werden, was den Wettbewerb zwischen den Produzenten erhöht (Ahearn et al. 2012: 5). Gleichzeitig bedeutet aber eine einheitliche Währung auch die Aufgabe der Möglichkeit, nationale Währungen gegenüber Partnerstaaten abzuwerten, womit innerhalb der Eurozone eines der traditionellen Instrumente zum Ausgleich von Ungleichgewichten zwischen Volkswirtschaften ausgeschaltet wurde (Lane 2012: 49). Ein Beispiel soll den Zusammenhang von Wechselkursabwertung und Wettbewerbsfähigkeit illustrieren: Gerät der Exportsektor eines Landes gegenüber den internationalen Handelspartnern in eine schlechte Wettbewerbsposition und ist das Land nicht in der Lage, Einfluss auf die inländischen Produktionskosten – beispielsweise mittels Lohnmäßigung oder effizienteren Produktionsbedingungen – zu nehmen, so kann eine Abwertung der eigenen Währung als Ventil dienen. In der Folge können die Produkte aus diesem Land auf dem Weltmarkt günstiger verkauft werden und seine Wettbewerbsfähigkeit ist (zumindest kurzfristig) gestiegen. Für Länder, die traditionell auf einen Verlust der relativen Wettbewerbsfähigkeit ihres Exportsektors mit Wechselkursabwertungen reagiert haben, bedeutet die einheitliche Währung eine starke Einschränkung ihrer wirtschaftspolitischen Steuerungsfähigkeit (Josten 2002: 219). Josten erklärt, dass dies besonders bei Schocks mit asymmetrischen Konsequenzen ein Problem ist. Also bei Schocks, von denen die einzelnen Mitgliedstaaten der Währungsunion in signifikant unterschiedlicher Weise betroffen sind und vor denen die Ökonomisten im Vorfeld der Errichtung der EWU gewarnt haben (vrgl. Kapitel 2). In diesem Fall kann der länderspezifische Anpassungsbedarf weder durch die Anpassung des nominalen Wechselkurses noch durch die Geldpolitik der EZB bewältigt werden (Josten 2002: 219-220). Da die zentralisierte Geldpolitik der EZB nur dann wirklich treffsicher und wirksam sein kann, wenn sich die Volkswirtschaften der Eurozone hinreichend ähnlich entwickeln, wurden im Vertrag von Maastricht die sogenannten Konvergenzkriterien festgeschrieben. Nur bei Erfüllung aller vier Kriterien sollte EU-Ländern der Beitritt zur Währungsunion gewährt werden. Im folgenden Kapitel 3.2 werden die Konvergenzkriterien beschrieben und die Kritik, die an ihnen geäußert wurde, vorgestellt. 21 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion 3.2 Der Vertrag von Maastricht 1992 wurde der Vertrag von Maastricht – dessen offizielle Bezeichnung „Vertrag über die Europäische Union“ lautet – unterzeichnet und mit ihm die Errichtung der Währungsunion definitiv beschlossen (Ohr 2007: 109). Bis frühestens 1997 sollten in drei Stufen die Voraussetzungen für die Errichtung und den Beitritt der EU-Staaten zur Währungsunion geschaffen werden. Dazu gehörten die Liberalisierung des Kapitalverkehrs auf dem Gebiet der Europäischen Union, die Vorbereitung der Einführung des Euro als alleiniges Zahlungsmittel, die Errichtung der EZB mit den entsprechenden Kompetenzen und die Verpflichtung der EUMitgliedstaaten auf Konvergenzprogramme für ihre Wirtschaftspolitiken (Gischer et al. 2012: 939-395). Hans Tietmeyer, der als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium von 1982 bis 1989 und danach 1993 bis 1999 als Präsident der Deutschen Bundesbank, eng am Prozess der Errichtung der EWU beteiligt war, erklärt die Verpflichtung auf die Konvergenzkriterien mit der Tatsache, dass sich „schon seit den 70er Jahren in der europapolitischen Diskussion die Erkenntnis durchgesetzt [hatte], dass eine Währungsunion nur dann erfolgreich sein könne, wenn zwischen den teilnehmenden Volkswirtschaften eine hinreichende und dauerhafte Konvergenz erreicht werden könne“ (Tietmeyer 2005: 243). Bei dieser Konvergenz sollte es sich nicht um eine realwirtschaftliche Konvergenz im Sinne einer Angleichung des Wohlstandes in den Mitgliedstaaten – beispielsweise ausgedrückt in einem ähnlich hohen BIP pro Kopf – handeln. Vielmehr sollte neben einer hinreichenden Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten vor allem eine hinreichende „stabilitätspolitische Konvergenz“ erreicht werden. Damit war eine an weitgehend gleichen Zielen und Ergebnissen orientierte Währungs-, Wirtschafts- und Fiskalpolitik gemeint (Tietmeyer 2005: 243-244). Auf die Ausgestaltung der einzelnen Konvergenzkriterien wird im folgenden Kapitel 3.2.1 näher eingegangen. 3.2.1 Die Konvergenzkriterien Die Konvergenzkriterien sollen im Speziellen sicherstellen, dass die zukünftigen Partnerländer in der EWU ähnliche Inflationsraten aufweisen (Kriterium der Preisstabilität), eine nachhaltige Haushaltspolitik betreiben (Kriterium des tragbaren Defizit- und Schuldenniveaus), sich selbst zu einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik verpflichten (Kriterium der Wechselkursstabilität) und letztlich, dass diese nationalen Konvergenz- und Stabilitätsbemühungen von Dauer und glaubwürdig sind (Kriterium der Stabilität der langfristigen Zinssätze). Alle vier Kriterien werden mindestens einmal alle zwei Jahre oder auf Antrag eines Beitrittskandidaten zur Eurozone überprüft und daraufhin wird eine Entscheidung über die Auf22 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion nahme in die Währungsunion gefällt (Art. 140 Abs. 1 AEUV).9 In der Folge werden die vier Konvergenzkriterien zunächst beschrieben und danach kritisch betrachtet. Die Beschreibung der Konvergenzkriterien stützt sich auf die Vorgaben aus dem AEUV. Die genaue Operationalisierung durch die Europäische Kommission kann Anhang A.1 entnommen werden. a) Preisstabilität Die „Erreichung eines hohen Grades an Preisstabilität“ eines Landes wird gemessen an dessen durchschnittlicher Inflationsrate im Vergleich zur durchschnittlichen Inflationsrate der drei EU-Mitgliedsländer, „(...) die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben“. Die durchschnittliche Inflationsrate des betreffenden Landes darf im letzten Jahr vor der Prüfung nicht mehr als +1,5 Prozentpunkte vom Durchschnittswert der sogenannten best performer abweichen (Protokoll 13 zum AEUV Art. 1). Mit diesem Konvergenzkriterium sollen die Anwärter auf Mitgliedschaft in der Eurozone beweisen, dass ihre Inflationsrate nicht komplett von derjenigen der anderen EU-Länder abweicht (Darvas 2010: 199). b) Tragbares Defizit- und Schuldenniveau Mit diesem Kriterium soll eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand in den Mitgliedstaaten erreicht werden. Gemessen wird diese am Verhältnis des öffentlichen Defizits und der öffentlichen Schulden zum BIP (Art. 140 und 126 AEUV). Die beiden Verhältniszahlen dürfen die in Protokoll 12 zum AEUV festgelegten Referenzwerte nicht überschreiten: 3 Prozent für das Verhältnis des öffentlichen Defizits zum BIP und 60 Prozent für das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstandes zum BIP. Eine Ausnahmeregelung gilt, wenn die Werte erheblich und laufend zurückgegangen sind und einen Wert in der Nähe des jeweiligen Referenzwerts erreicht haben oder die Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wurden (Art. 126 Abs. 2 AEUV). Die Mitgliedstaaten der EU, deren Beitritt zur Eurozone noch bevor steht, sind verpflichtet, der Kommission die entsprechenden statistischen Daten zu ihrer Wirtschaftslage zukommen zu lassen (KOM 2010a: 39). Zusätzlich zu dem Defizit und dem Schuldenstand bezieht die Kommission für ihre Beurteilung auch Informa- 9 Wörtlich heißt es im AEUV Art. 140 Abs. 2: „Der Rat beschließt nach Anhörung des Europäischen Parlaments und nach Aussprache im Europäischen Rat auf Vorschlag der Kommission, welche der Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, die auf den Kriterien des Absatzes 1 beruhenden Voraussetzungen erfüllen, und hebt die Ausnahmeregelungen der betreffenden Mitgliedstaaten auf“ (eigene Hervorhebung). Darin spiegelt sich das Verständnis, dass die Mitgliedschaft in der Eurozone zwingender Bestandteil der Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist. EU-Staaten die noch nicht zur Eurozone gehören befinden sich damit in einem befristeten Übergangsstadium und für sie gilt eine „Ausnahmeregelung“. 23 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion tionen zum Wirtschaftswachstum, der Implementierung von Wachstums- und Beschäftigungsmaßnahmen, zur fiskalischen Konsolidierung sowie „the overall quality of public finance“ mit ein (KOM 2010a: 39). Als Kriterien für die Eröffnung eines Defizitverfahrens wurden diese beiden Referenzwerte im SWP auch für die Zeit nach dem Beitritt zur Eurozone verbindlich gemacht. Der SWP wird in Kapitel 3.3 vorgestellt. c) Wechselkursstabilität Die Wechselkursstabilität wird gemessen an der Einhaltung der normalen Bandbreite des Wechselkursmechanismus des EWS seit mindestens 2 Jahren vor dem Stichtag der Überprüfung ohne Abwertung gegenüber dem Euro (Art. 140 Abs. 1 AEUV).10 Die normalen Bandbreiten müssen „ohne starke Spannungen“ eingehalten worden sein (Protokoll 13 zum AEUV Art. 3). Zusätzlich zu diesem Kriterium betrachtet die Kommission die Entwicklung der Fremdwährungsreserven, die kurzfristigen Zinssätze und die Rolle von Maßnahmen zur Stützung der nationalen Währung in den Jahren vor dem Prüfdatum (KOM 2010a: 40-41). Die Fähigkeit eines Landes, seinen Wechselkurs in festen Bahnen zu halten, weist auf eine stabile Wirtschafts- und Fiskalpolitik hin, die nicht auf massive, unilaterale Wechselkursänderungen zur Erreichung ihrer Ziele angewiesen ist (Darvas 2010: 199). d) Stabilität des langfristigen Zinsniveaus Das Kriterium der stabilen langfristigen Zinssätze auf Staatsanleihen lässt sich als Testkriterium für die drei anderen interpretieren. Die Zinssätze werden anhand langfristiger Staatsschuldverschreibungen oder vergleichbarer Papiere gemessen (Protokoll 13 zum AEUV). Die Berechnungsgrundlage ist der durchschnittliche Zinsgewinn der letzten 12 Monate aus Papieren mit einer Laufzeit von möglichst 10 Jahren. Als Grenzwert ist wiederum der Durchschnitt der Sätze der drei best performer der Preisstabilität (vrgl. Kriterium a) definiert. Das Niveau des durchschnittlichen langfristigen Zinssatzes auf Staatsanleihen eines Mitgliedslandes darf nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem Referenzwert der drei best performer liegen. In der Stabilität der langfristigen Zinssätze kommt nach Art. 140 AEUV die Dauerhaftigkeit der von dem Beitrittskandidaten erreichten Konvergenz und seiner Teilnahme am Wechselkursme- 10 Die normale Bandbreite war definiert als eine Schwankung von +/-2,25 Prozent um die bilateralen Leitkurse (Ohr 2007: 108). 24 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion chanismus zum Ausdruck. Gleichzeitig ist sie auch ein Indikator für das Vertrauen der Finanzmärkte in die Bonität eines Landes. Nachdem in diesem und den vorhergehenden Kapiteln die Notwendigkeit einer konvergenten Entwicklung der Volkswirtschaften in der Eurozone aufgezeigt und die Umsetzung dieser Einsicht in den Konvergenzkriterien des Vertrages von Maastricht erläutert wurde, folgt nun die Frage, ob die Konvergenzkriterien tatsächlich das erreichen, was sie erreichen sollen. In Unterkapitel 3.2.2 geschieht dies zunächst theoretisch anhand einiger Überlegungen zur Ausgestaltung und Operationalisierung. In Kapitel 5 folgt dann die praktische Überprüfung mit der Betrachtung der Entwicklung von drei der vier Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland und den Durchschnittswerten der Eurozone. 3.2.2 Kritik an Ausgestaltung und Operationalisierung Als erstes fällt auf, dass die Maastrichter Konvergenzkriterien nicht den in Kapitel 2 zum Forschungsstand vorgestellten Kriterien eines Optimalen Währungsraums entsprechen. Die Konvergenzkriterien stellen Anforderungen an die einzelnen Staaten, die unabhängig von den anderen Mitgliedern der EWU erfüllt werden müssen. Demgegenüber zielen die OCAKriterien auf die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten einer potenziellen Währungsunion. Da in diesem Kapitel die praktische Anwendung, die Implikationen für die potenziellen Mitgliedstaaten der EWU sowie die Einhaltung der Kriterien im Vordergrund stehen, wird darauf nicht weiter eingegangen.11 Darvas berechnet in einer Studie von 2010, dass 50 bis 60 Prozent der Eurostaaten in den Jahren 1999 bis 2008 mindestens ein Mal eines der Konvergenzkriterien missachten haben (Darvas 2010: 207). Seine Schlussfolgerung: "The countries that have joined the euro area were judged to have achieved a high degree of sustainable convergence. The large number of violations after euro-area entry suggests that the criteria are inadequate for judging sustainable convergence" (Darvas 2010: 208). Betrachten wir die Kritik, die an den Konvergenzkriterien geäußert wird, genauer. Allgemein werden bei allen vier Konvergenzkriterien nicht nur die vertraglich festgeschriebenen Kriterien zur Beurteilung herangezogen, sondern zusätzlich solche, die von der Europäischen Kommission als wichtig erachtet werden. Interessanterweise ist dies vom AEUV vorgesehen, da er in Art. 140 Abs. 1 festhält, dass die Konvergenzberichte der Europäischen Kom- 11 Für eine Kritik an den Konvergenzkriterien aus der Sicht der Theorie der Optimalen Währungsräume siehe De Grauwe 1996. 25 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion mission und der EZB auch die Ergebnisse der einzelnen Länder bei der Integration ihrer Märkte in das Gebiet der EU, das Saldo und die Entwicklung der Leistungsbilanz sowie die Entwicklung der Lohnstückkosten und anderer Preisindizes berücksichtigen sollen. Damit haben Kommission und EZB einen sehr großen Spielraum bei der Beurteilung der Beitrittskandidaten für die Eurozone. Im Extremfall können sie bei jedem Land individuell und nach unterschiedlichen Gesichtspunkten über die Empfehlung zur Aufnahme an den Ministerrat entscheiden. Während ein gewisser diskretionärer Spielraum angesichts der Heterogenität der EU-Volkswirtschaften angezeigt sein mag, macht es diese Praxis unmöglich, eindeutige Kriterien, an die sich alle halten müssen, zu identifizieren. a) Preisstabilität Zu beachten ist hier, dass der AEUV keine Aussage darüber macht, was das „beste Ergebnis“ bei der Preisstabilität bedeutet. Nach Ansicht der Europäischen Kommission ist es sinnvoll und vertretbar, diesen Spielraum für eine fallweise Festlegung der „best performer“ zu nutzen (KOM 2010a: 36). In den Konvergenzberichten zwischen 1998 und 2008 wurden stets die drei EU-Staaten zur Berechnung des Referenzwertes gewählt, welche die niedrigste, nicht negative durchschnittliche Inflationsrate aufwiesen (KOM 2010a: 36). Im Zuge der Erfahrungen mit der Finanzkrise und der europäischen Schuldenkrise wurden 2010 jedoch erstmals auch diejenigen Staaten mit einer negativen Inflationsrate (also einer de facto Deflation) als bestes Ergebnis in Erwägung gezogen.12 Die Begründung der Europäischen Kommission für dieses Vorgehen kann bestenfalls als Ausnutzen des durch den AEUV gewährten Spielraums gesehen werden. Ein kritischer Betrachter könnte der Kommission jedoch auch vorwerfen, intransparent oder gar willkürlich zu entscheiden. Im Prinzip ändert sie aufgrund der außergewöhnlichen Ereignisse die Zielvariable, bleibt jedoch eine stichhaltige Begründung schuldig. Für Darvas ist weiter die betrachtete Zeitspanne von einem Jahr für die durchschnittliche Veränderungsrate des Preisniveaus zu kurz. Länder, in denen eine Prüfung ansteht, könnten kurzfristige Maßnahmen treffen, um ihre Inflationsrate unter den Referenzwert zu drücken (Dar- 12 Begründung der Kommission: „At the current juncture, characterized by exceptionally large common shocks (…), a significant number of countries face episodes of negative inflation rates (…). In these circumstances, negative rates of inflation constitute an economically meaningful benchmark against which to assess countries´ price stability performance. (…). At the same time, excluding from the best performers a country with an average inflation rate that is distant from the euro area average inflation by a wide margin (…) seems also warranted, as including it would severely affect the reference value and thus the fairness of the criterion” (KOM 2010a: 36). 26 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion vas 2010: 200). Abgesehen von der Tatsache, dass die EU-Institutionen die NichtMitgliedschaft von EU-Ländern in der Eurozone als vorübergehend ansehen, ist es zudem nicht einleuchtend, wieso alle EU-Staaten und nicht nur die der Eurozone zur Berechnung des Referenzwertes herangezogen werden. Die Konsequenz dieses Vorgehens ist, dass in allen Konvergenzberichten seit 2000 mindestens ein Land zu den best perfomern gezählt wurde, das nicht Mitglied der Eurozone war. In vier Fällen waren es sogar zwei (KOM 2010a: 37). Meines Erachtens werden hierbei Äpfel mit Birnen verglichen. Wenn das Ziel des Konvergenzkriteriums Preisstabilität eine Angleichung der nationalen Inflationsraten innerhalb der Eurozone sein soll, dann müssen potenzielle Beitrittskandidaten auch an den Raten der Eurostaaten gemessen werden. Die Preisentwicklung der EU-Staaten ohne Euro steht mit einer eigenen Geldpolitik unter ganz anderen Prämissen (vrgl. Darvas 2010: 202-203).13 b) Tragbares Defizit- und Schuldenniveau Darvas kritisiert am Kriterium für den öffentlichen Schuldenstand, dass der erlaubte Maximalwert von 60 Prozent des BIP willkürlich gesetzt ist. Welches Schuldenniveau für ein Land tragbar ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die nicht in allen Ländern gleich sind (Darvas 2010: 201-202). Zusätzlich sind die tragfähigen Defizit- und Schuldenniveaus in absoluten Zahlen definiert und nicht relativ zu den Vorjahren wie die Preisstabilität und die Stabilität der langfristigen Zinssätze. Damit sagt das Kriterium nichts über die Nachhaltigkeit der Tragfähigkeit des öffentlichen Haushalts aus (Darvas 2010: 208). c) Wechselkursstabilität Bei der Wechselkursstabilität wird vom AEUV und dem Protokoll 13 nicht genau definiert, wie die Erfüllung des Kriteriums gemessen werden soll. Die „starken Spannungen“, denen der Wechselkurs des Beitrittslandes nicht ausgesetzt gewesen sein darf, werden nicht näher operationalisiert und die zusätzlichen Beurteilungskriterien der Kommission zeigen wiederum den Spielraum, den sich die Kommission gibt. Darvas gibt zudem zu Bedenken, dass der AEUV bloß Währungsabwertungen als Missachtung des Kriteriums wertet. Aufwertungen scheinen demzufolge kein Problem zu sein (Darvas 2010: 198). Das leuchtet nicht ein, da auch Aufwertungen Ausdruck von Spannungen auf eine Währung sein können. 13 Interessant ist in diesem Zusammenhang zudem, dass die durchschnittliche Inflationsrate der drei best performer zu jedem Prüfdatum unter derjenigen aller Eurostaaten lag. Wären die Beitrittskandidaten also an einem mit der Inflationsraten der Eurostaaten berechneten Referenzwert gemessen worden, hätten sie für die Erfüllung des Kriteriums eine höhere Inflationsrate aufweisen dürfen (KOM 2010a: 37, Tabelle 1). 27 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion d) Stabilität des langfristigen Zinsniveaus Darvas kritisiert hier die aus seiner Sicht ungerechtfertigte Verknüpfung mit den best performern beim Kriterium der Preisstabilität. Die Stabilität der langfristigen Zinssätze gibt zwar Aufschluss darüber, ob die Preisstabilität in einem Land nachhaltig ist, umgekehrt muss Preisstabilität aber nicht zwangsläufig mit stabilen Zinssätzen einhergehen (Darvas 2010: 204). Es ist nicht ersichtlich, wieso für die Beurteilung der Stabilität der langfristigen Zinssätze keine eigenen Kriterien für den Referenzwert entwickelt wurden. Die Konvergenzkriterien sind also mit gewissen Makeln behaftet. Zudem haben sie nur Gültigkeit, solange ein Staat der Eurozone noch nicht beigetreten ist. Ist der Beitritt erfolgt, könnten sich die Länder theoretisch wieder von allen Konvergenzbemühungen verabschieden und langfristig die Währungsunion destabilisieren. Dies war auch den Gründervätern der EWU bewusst. Deshalb haben sie sich 1997 auf den SWP geeinigt, dem das folgende Kapitel 3.3 gewidmet ist. 3.3 Stabilitäts- und Wachstumspakt Analog zu Kapitel 3.2 wird in diesem Kapitel zunächst die Entstehungsgeschichte des SWP nacherzählt, darauf folgt die Erläuterung der in ihm vorgesehenen Vorgaben und Sanktionen und zum Schluss die Kritik an seiner Ausgestaltung und Operationalisierung. Da hier die Gründe für die Verabschiedung des Paktes sowie seine Ausgestaltung und die Kritik daran von Interesse sind, wird auf die Reform von 2005 nicht eingegangen. Die Nicht-Einhaltung des Kriteriums eines tragfähigen öffentlichen Defizit- und Schuldenniveaus durch sechs der elf Gründungsmitglieder der Währungsunion führte zur Verabschiedung des SWP im Vertrag von Amsterdam im Juni 1997 (Gischer et al. 2012: 399). „Wähnte man das Ziel der Preisniveaustabilität bei der neu geschaffenen Europäischen Zentralbank in den besten Händen, so gaben die deutlich divergierenden (...) öffentlichen Haushaltsdefizite zunehmend Anlass zur Sorge“ (Gischer et al. 2012: 399). Die Staats- und Regierungschefs der ersten Mitgliedsstaaten der EWU fürchteten, dass die im nationalen Kompetenzbereich verbleibende Wirtschaftspolitik die stabilitätsorientierte Geldpolitik der EZB unterlaufen könnte (Ohr 2007: 111). Um dieser Gefahr vorzubeugen, wurde das dritte Konvergenzkriterium aus dem Vertrag von Maastricht in den SWP gegossen und damit auch nach dem Beitritt zur Währungsunion bindend gemacht (Ohr 2007: 111). Der SWP fordert von den Eurostaaten in wirtschaftlich guten Zeiten einen annähernd ausgeglichenen Haushalt, damit in Zeiten grö- 28 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion ßerer Verwerfungen und Ungleichgewichte hinreichend Spielraum besteht, um die Volkswirtschaften mit nationalen Maßnahmen zu stabilisieren (Gischer et al. 2012: 399-400). 3.3.1 Vorgaben und Sanktionen „The Stability and Growth Pact (SGP) is a rule-based framework for the coordination of national fiscal policies in the European Union. It was established to safeguard sound public finances, based on the principle that economic policies are a matter of shared concern for all Member States” (KOM Webseite 2013a). Der SWP hat zwei Arme: einen präventiven und einen korrektiven. Der präventive Arm besteht aus dem länderspezifischen mittelfristigen Budgetziel (medium-term budgetary objective, MTO), auf dessen Grundlage die EUMitgliedstaaten jährlich Stabilitätsprogramme (Eurostaaten) oder Konvergenzprogramme (EU-Staaten ohne Euro) an die Europäische Kommission übermitteln. Die Beurteilung der Programme soll es der Kommission und dem Ministerrat ermöglichen, ein Urteil darüber zu fällen, ob die Länder ihre mittelfristigen Budgetziele erreicht haben oder auf einem guten Weg dahin sind (KOM Webseite 2013b). Insbesondere dürfen die Maximalwerte von 3 Prozent des BIP für das öffentliche Defizit und 60 Prozent für das Verhältnis von Schulden und BIP nicht überschritten werden. Eine Ausnahme gilt, wenn eine außergewöhnliche Situation festgestellt wird, die den EU-Staaten erlaubt, die Referenzwerte kurzfristig zu missachten (Josten 2002: 225). Stellt die Kommission eine Missachtung der Vorgaben aus dem SWP fest, stehen ihr zwei Instrumente zur Reaktion zur Verfügung: 1. Der blaue Brief, der bei drohender Überschreitung der Referenzwerte verschickt wird. Mit dem blauen Brief gibt die Kommission konkrete Empfehlung für die Haushaltskonsolidierung an den betreffenden Staat ab. Diese Empfehlungen sind jedoch rechtlich nicht bindend und mit keinen Sanktionen verbunden (KAS Webseite 2013). Der zweite Schritt ist das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit, das gleichzeitig den korrektiven Arm des SWP bildet und eine schrittweise Korrektur des Defizits und/oder des Schuldenstandes zum Ziel hat (KOM Webseite 2013a). Ein übermäßiges Defizit in einem EU-Mitgliedstaat muss vom Ministerrat mit Zweidrittelmehrheit auf Empfehlung der Kommission hin offiziell festgestellt werden. Erst dann kann das Verfahren eröffnet werden. Das betroffene Land hat dabei kein Stimmrecht (KAS Webseite 2013). Als Sanktion sind finanzielle Strafen vorgesehen (Schmid et al. 2006: 253). Zu beachten ist, dass die Regeln des SWP für alle EU-Mitgliedstaaten gelten, die Sanktionen jedoch nur für die Eurostaaten verhängt werden dürfen (KOM Webseite 2013a). 29 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion 3.3.2 Kritik an Ausgestaltung und Operationalisierung Zahnloser Tiger und stumpfes Schwert – das sind die Bezeichnungen, über die man immer wieder stolpert, wenn man sich mit dem SWP beschäftigt. Der Hauptkritikpunkt ist die Art und Weise, wie das Defizitverfahren festgestellt und eröffnet wird. Da der Ministerrat über die Feststellung eines übermäßigen Defizits entscheidet, sind die Regierungen der Euroländer faktisch für ihre eigene Bestrafung zuständig (Schmid et al. 2006: 253). In den Worten Renate Ohrs: „Potenzielle Sünder urteilen über aktuelle Sünder“ (Ohr 2007: 112). Man kann sich leicht vorstellen, dass die Staats- und Regierungschefs im Ecofin-Rat sich mit der Verurteilung eines Partnerstaates in der Eurozone zurückhalten, um in der Zukunft gegebenenfalls vom gleichen Wohlwollen profitieren zu können. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Zweidrittelmehrheit für die offizielle Feststellung eines Defizits eine hohe Hürde darstellt. Hans Tietmeyer berichtet von den Sorgen der Bundesbank, die schon Mitte der 1990er Jahre aufkamen: „Schon während den Vertragsverhandlungen haben wir seitens der Bundesbank in Gesprächen mit Minister Waigel und seinen Mitarbeitern mehrfach auf die Schwachpunkte dieses Überwachungsverfahrens und die dabei vorgesehene Aufgabenverteilung von Kommission und Ministerrat hingewiesen. Uns war klar, dass insbesondere das komplizierte Entscheidungsverfahren im Rat voraussichtlich nur begrenzte Prophylaxe entfalten werde, insbesondere dann, wenn mehrere Mitgliedsstaaten gleichzeitig die Obergrenzen nicht einhalten bzw. keine ausreichenden Korrekturmaßnahmen ergriffen würden“ (Tietmeyer 2005: 233234). Wie zum Beweis der Richtigkeit der Warnungen haben 2002 und 2003 die beiden größten Volkswirtschaften der Eurozone – Deutschland und Frankreich – jeweils erfolgreich die Versendung eines blauen Briefes zuhanden der eigenen Regierungen verhindert (Schmid et al. 2006: 253). Beide Länder hatten die Maximalwerte der Neuverschuldung verletzt, doch mit politischem Druck auf die Europäische Kommission und die anderen Eurostaaten gelang es ihnen, Sanktionen zu verhindern (Gischer et al. 2012: 400). Josten nennt noch einen zweiten Kritikpunkt. Der SWP würde das in der Architektur der EWU angelegte Spannungsfeld zwischen „kurzfristigen konjunkturpolitischen Anforderungen einerseits und dem langfristigen Erfordernis einer fiskalischen Konsolidierung andererseits“ institutionell festschreiben (Josten 2002: 219). Das grundlegende Problem – das ich oben schon dargelegt habe – liegt darin, dass die europäische Geldpolitik nicht auf spezifische konjunkturelle Entwicklungen in den einzelnen Mitgliedstaaten reagieren kann, womit diese mittels anderer Maßnahmen ausgeglichen werden müssen. Gleichzeitig können finanz- und fiskalpolitische Schwierigkeiten in den Mitgliedstaaten negative Auswirkungen auf die stabilitätsorientierte Geldpolitik der EZB haben, womit die Eurostaaten in der Verantwortung für gesamte Währungsunion stehen. Der SWP 30 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion fokussiert hier ziemlich einseitig auf die langfristige Perspektive der Haushaltskonsolidierung und gibt den Mitgliedstaaten wenig Spielraum zur kurzfristigen Reaktion auf Konjunkturschwankungen (Josten 2002: 119). 3.4 Fazit Kapitel 3 hat die Grundzüge der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion mit ihrer Ausgestaltung und den Auswirkungen auf die Mitgliedstaaten der Eurozone vorgestellt und das nötige Vorwissen und den Rahmen für die Bearbeitung der Fragestellung geliefert. Es wurde die Geldpolitik der EZB mit dem geldpolitischen Transmissionsmechanismus dargelegt und gezeigt, wieso die Gründerväter der EWU angesichts der wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Heterogenität der Eurostaaten die Maastrichter Konvergenzkriterien und den Stabilitäts- und Wachstumspakt für notwendig gehalten und verabschiedet haben. Die Konvergenzkriterien und der SWP wurden analysiert und kritisch betrachtet. Es konnte gezeigt werden, dass sowohl die Konvergenzkriterien als auch der SWP mit zahlreichen Mängeln behaftet sind. Es besteht also Grund zur Annahme, dass die Kriterien nicht zu einer konvergenten Entwicklung innerhalb der Eurozone beigetragen haben. In Kapitel 5 wird diese Annahme an Griechenland und Irland überprüft. Im folgenden Kapitel 4 wird These 1 bearbeitet und die Hintergründe der internationalen Finanzkrise sowie ihre Auswirkungen auf die EWU untersucht. Im Zentrum steht dabei, ob sich die Finanzkrise als exogener Schock beschreiben lässt. 31 4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock 4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock In diesem Kapitel wird These 1 untersucht: Die internationale Finanzkrise lässt sich als exogener Schock auf die Europäische Währungsunion beschreiben. Dazu muss zum einen definiert werden, was unter einem exogenen Schock verstanden wird und zum andern müssen die Hintergründe der internationalen Finanzkrise sowie deren Auswirkungen auf die Eurozone beleuchtet werden. Der Begriff „exogener Schock“ entstammt den Wirtschaftswissenschaften und beschreibt eine Situation, in der exogene Einflussfaktoren eine Änderung der Parameter in einem ökonomischen Modell bewirken (Gablers Wirtschaftslexikon Online, Schock 2013). Exogene Schocks werden durch unvorhergesehene Ereignisse ausgelöst und führen zu größeren Schwankungen im Finanzsystem und in der Realwirtschaft. Solche Ereignisse können Naturkatastrophen sein, Kriege und Revolutionen oder auch die Zahlungsunfähigkeit mehrerer großer Akteure in einem Finanzsystem (Finanzlexikon Webseite 2013). Ein exogener Schock zieht meist einen Domino-Effekt nach sich: Zunächst sind nur wenige Marktteilnehmer betroffen, doch mit der Ausbreitung der Schwankungen ziehen die Auswirkungen des exogenen Schocks immer größere Kreise und letztendlich sind alle Akteure betroffen (Finanzlexikon Webseite 2013). Im Fazit zu diesem Kapitel (4.3) wird auf die Definition eines exogenen Schocks zurückgegriffen und untersucht, ob sich die in den Kapiteln 4.1 und 4.2 beschriebene internationale Finanzkrise als exogener Schock auf die Eurozone ausgewirkt hat. 4.1 Hintergründe Die internationale Finanzkrise hat in den USA, genauer auf dem US-amerikanischen Immobilienmarkt ihren Anfang genommen. Voraus ging ihr eine längere Phase niedriger Zinsen und starken Kreditwachstums, das durch die Leitzinssetzung der amerikanischen Notenbank (engl. Federal Reserve, kurz Fed) angetrieben wurde (KOM 2009: 8). Die zwischen 2001 und 2004 auf ein historisch niedriges Niveau von 1 Prozent gesunkenen Zinsen auf amerikanische Staatsanleihen, bewegten Investoren, sich nach alternativen Anlageinstrumenten mit höheren Renditen umzusehen. Gleichzeitig ermöglichten die niedrigen Leitzinsen den Banken eine günstige Refinanzierung (KOM 2009: 8). Eines der Anlageinstrumente, dessen sich in den 2000er Jahren zahlreiche Banken und professionelle Investoren bedienten, sind die sogenannten Collateralized Debt Obligations (CDO). CDO funktionieren folgendermaßen: Eine Bank besitzt Hypotheken, die sie für die 32 4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock Vergabe von Immobilienkrediten an private Haushalte und Unternehmen erhalten hat. Wenn sie die Hypotheken an interessierte Investoren weiterverkaufen möchte, kann sie sie zu handelbaren Wertpapieren – den CDO – bündeln. Der Investor, der das Bündel kauft, erhält danach die Renditen aus den Rückzahlungen der Kreditnehmer, die Zinsen darauf sowie das Eigentumsrecht an der Immobilie, sollten die Kreditnehmer zahlungsunfähig werden (Mügge 2011: 55). Entscheidend bei CDO ist, dass die enthaltenen Hypotheken in drei Gruppen mit zunehmender Rendite und steigendem Ausfallrisiko eingeteilt werden. Die drei Gruppen werden einzeln von Rating-Agenturen bewertet und können an drei verschiedene Investoren verkauft werden. Bei der Auszahlung der Zinsen und Rückzahlungen der Kreditnehmer werden erst diejenigen Investoren bedient, welche die sicherste Gruppe gekauft haben. Erst wenn diese vollständig ausbezahlt wurden, erhalten auch die Besitzer der beiden anderen Gruppen ihr Geld. Bei Zahlungsausfällen treffen die Verluste damit als erstes die Investoren, welche die risikoreichste Gruppe gekauft haben (Mügge 2011: 55-56). Sie erhalten dafür auch entsprechend höhere Zinsen. Der Clou dabei ist, dass CDO es ermöglichen, Wertpapierbündel, die im Mittel ein durchschnittliches Ausfallrisiko haben und durchschnittliche Zinsen einbringen in („vermeintlich“) extrem sichere Elemente auf der einen und risikoreiche Elemente auf der anderen Seite aufzuteilen (Mügge 2011: 56). Angesichts der großen Nachfrage nach CDO wurde der Anteil an Hypotheken von kreditwürdigen Hausbesitzern (die sogenannten prime mortgages) auf dem US-amerikanischen Hypothekenmarkt schnell knapp. Die Banken wollten aber weiterhin vom Geschäft mit den CDO profitieren und senkten in der Folge ihre Vergaberichtlinien für Hypothekenkredite. Damit konnten nun auch wenig bis gar nicht kreditwürdige Haushalte und Unternehmen einen Hypothekenkredit aufnehmen. Oft hatten diese Kreditnehmer keine andere Sicherheit vorzuweisen als die gekaufte Immobilie selbst. Ihre Hypotheken erhielten den im Rahmen der Finanzkrise berüchtigt gewordenen Namen subprime mortgages. Parallel zum massenhaften Auftreten der sub-prime mortgages beschloss die US-amerikanische Regierung unter George W. Bush im Jahr 2003 zudem, die Bedingungen für den Erwerb von Wohneigentum zu verbessern. Der „American Dream Downpayment Act“ ermöglichte die Bereitstellung von 200 Millionen US-Dollar pro Jahr zur Unterstützung von Familien mit niedrigem Einkommen (Bush 2003). Die Regierung unterstützte damit die Vergabe von Hypotheken an wenig kreditwürdige Haushalte. Mit dem neu erschlossenen Markt der sub-prime Kunden ging das Spiel mit den CDO munter weiter (vrgl. Mügge 2011: 59). Investoren engagierten sich massiv in CDO und finanzierten ihre Einkäufe mit Krediten. Das System der CDO basierte damit zu einem darauf, dass das 33 4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock Risiko der gebündelten Hypotheken mit jedem Verkauf weiter verlagert und verteilt wird.14 Niemanden kümmert das hohe Ausfallrisiko der einzelnen Hypothekenkredite (KOM 2009: 13). Zum anderen wurde darauf vertraut, dass immer nur ein geringer Teil der Kreditnehmer ihre Zahlungen einstellen und das Hypothekenbündel stets mit genügend Liquidität versorgt wird. Wenn Kreditnehmer zahlungsunfähig werden, fällt die Immobilie in den Besitz desjenigen Investors, der die Hypothek darauf hält. Er kann die Immobilie auf dem Immobilienmarkt verkaufen und den Gewinn daraus für sich verbuchen. Dies geht gut, solange die Nachfrage nach Immobilien und mit ihr die Immobilienpreise steigen. Traditionell war dies der Fall (Mügge 2011: 60). Doch zwischen 2004 und 2006 erhöhte die Fed die Leitzinsen kontinuierlich auf 5 Prozent, womit viele Hausbesitzer plötzlich mehr als das doppelte an Zinsen für ihre Hypotheken bezahlen mussten (Global-rates.com 2013). Dies führte zu zahlreichen Zahlungsausfällen vor allem im sub-prime Markt und immer mehr Immobilien gelangten auf den Markt. Schnell war das Angebot größer als die Nachfrage und die Preise sanken. Die Immobilienbesitzer wiederum sahen sich plötzlich in einer Situation, in welcher ihr Eigentum an Wert verliert und die Kosten der Kredittilgung im Extrem den Immobilienwert übersteigen. Immer mehr Kreditnehmer stellten die Hypothekenzahlungen ein oder wurden zahlungsunfähig. Die einzelnen Teile der CDO enthielten nun nicht mehr Hypotheken mit regelmäßigen Rückzahlungen und Zinsen, sondern nur noch wertlose Immobilien. Die Investoren hatten sich aber, wie oben erwähnt, verschuldet, um die CDO kaufen zu können und waren zur Bedienung ihrer eigenen Kredite auf die Renditen aus den CDO angewiesen. Bleiben diese aus, kommen auch sie in Zahlungsschwierigkeiten. Investoren und Banken waren in dieser Zeit aufgrund der massiven Anwendung von Hebelinstrumenten und Laufzeitinkongruenzen (kurzfristige Verbindlichkeiten und langfristige Einlagen) besonders verletzlich gegenüber Preisveränderungen von Vermögenswerten, sich verschlechternden Kreditbedingungen und Verwerfungen auf den Refinanzierungsmärkten (KOM 2009: 8). Das Geschäft mit den sub-prime Hypotheken war damit ein äußerst fragiles Gebilde, das letztlich von einer steigenden Nachfrage nach Immobilien abhängig ist. Als das Gebilde im Verlauf der Jahres 2007 Risse bekam, nahm auf den Finanzmärkten weltweit die Kreditvergabe ab. Erste Finanzinstitute brachen unter der Last der nun wertlosen CDO und ihren Kreditverbindlichkeiten zusammen und das Misstrauen auf den Finanzmärkten wuchs. 14 Ursprünglich war genau dies die Intention hinter CDO. Von den Derivaten wurde erwartet, dass sie Risiken in den Finanzmärkten verteilen und damit vor allem für Banken, die „Nervenzentren“ der Finanzmärkte, verringern (Mügge 2011: 61). 34 4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock Eine fatale Kombination aus Unsicherheit hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit der anderen Finanzmarktakteure und Unsicherheit hinsichtlich der noch anstehenden Wertbereinigungen in den fremden und eigenen Portfolios ließ die Banken extrem vorsichtig werden (Mügge 2011: 62). „When the crisis broke in the late summer of 2007, uncertainty among banks about the creditworthiness of their counterparts evaporated (…)“ (KOM 2009: 8). In der Konsequenz fror der Interbankenmarkt ein und die Risikoprämien auf Interbankenkredite stiegen dramatisch an. Banken sahen sich plötzlich massiven Liquiditätsproblemen gegenüber und mit dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 begann eine finanzielle Kernschmelze auf den internationalen Finanzmärkten (KOM 2009: 8). Panik brach aus, Ratings fielen ins Bodenlose, das gegenseitige Vertrauen verpuffte und die Kreditvergabetätigkeit kam zum Stillstand (KOM 2009: 8). Da die Banken sich nun nicht mehr refinanzieren konnten, schränkten sie die Kreditvergabe an private Haushalte und Unternehmen ein, was sich negativ auf die allgemeine Wirtschaftstätigkeit auswirkte (KOM 2009: 8). Durch die massive Versorgung mit Liquidität durch die Zentralbanken der größten Volkswirtschaften inklusive der EZB gelang es, die nationalen Bankensysteme kurzfristig zu stabilisieren. Doch aufgrund einer massiven Unterkapitalisierung waren viele Finanzinstitute nicht nur von einer kurzfristigen Liquiditätskrise betroffen, sondern liefen Gefahr, insolvent zu werden (KOM 2009: 10). Die amerikanische Regierung und Regierungen in Europa begannen, die toxischen Papiere ihrer nationalen Bankhäuser aufzukaufen und in eigens dafür eingerichtete Fonds (sogenannte Bad Banks), die meist unter Kontrolle der nationalen Bankenaufsicht und/oder der Regierung standen, auszulagern. Banken, die der Verkauf der Papiere (zu wesentlich niedrigeren Preisen als beim Einkauf) in die Insolvenz getrieben hätte, wurden zudem zum Teil mit staatlichen Mitteln rekapitalisiert (KOM 2009: 10). Die Kommission kommt in ihrer Untersuchung der Krise zu dem Schluss, dass „the proximate cause of the financial crisis is the bursting of the property bubble in the United States and the ensuing contamination of balance sheets of financial institutions around the world“ (KOM 2009: 10). Wie sich die Ansteckung der europäischen Banken genau abgespielt hat und welche Konsequenzen die Finanzkrise für die Eurozone hatte (und noch hat), wird im folgenden Kapitel 4.2 analysiert. 4.2 Auswirkungen auf die EWU-Mitgliedstaaten Die amerikanischen und europäischen Finanzmärkte waren zum Ausbruch der Finanzkrise von einer tiefen Integration und Vernetzung gekennzeichnet. Vor allem die europäischen Großbanken hatten sich zuvor stark am US-amerikanischen sub prime- und CDO-Markt beteiligt und waren abhängig von der Refinanzierung aus dem Dollarraum (Mügge 2011: 69; 35 4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock Lane 2012: 55). Der Dominoeffekt der Ansteckung übertrug die Verluste in den USA auf die europäischen Finanzsysteme und die europäischen Banken sahen sich plötzlich mit dem Einfrieren des amerikanischen und des europäischen Interbankenmarktes konfrontiert (KOM 2009: 24). Das systemische Risiko, das die USA und Europa verbindet, wurde im Frühling 2008 offensichtlich, als der US-Investmentbank Bear Stearns und den beiden europäischen Finanzhäuser Northern Rock und Landesbank Sachsen kurz hintereinander die Insolvenz drohte (KOM 2009: 9). Die Auswirkungen der Finanzkrise sahen in der Folge auf den europäischen Finanzmärkten ähnlich aus wie in den USA: Vertrauensverlust auf dem Interbankenmarkt, Rückgang der Kreditvergabetätigkeit an Banken, Haushalte und Unternehmen, kurzfristige Liquiditätsprobleme verwandeln sich in Insolvenzkrisen und führen zum Bankrott zahlreicher Finanzinstitute (KOM 2009: 24). Die Realwirtschaft wurde vom Zusammenbruch der Nachfrage nach Immobilien getroffen. Der Bausektor, der sich in einigen europäischen Ländern zu einem wichtigen Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor entwickelt hatte, musste große Verluste hinnehmen. Dies verunsicherte die Haushalte und die Unternehmen, was die Sparquoten ansteigen und die Binnennachfrage sowie die inländische Investitionsquote sinken ließ (KOM 2009: 24). Es folgte ein signifikanter Kapitalabfluss aus dem privaten Sektor, wovon vor allem diejenigen europäischen Staaten hart getroffen wurden, die in den Jahren vor der Krise von einem Aufschwung im Bau- und Immobiliensektor geprägt waren (Lane 2012: 54). Die Staatsschulden waren in Europa in den Jahren 2008 und 2009 noch kein Thema. Die Beobachter in den EU-Institutionen und einzelnen Ländern gingen von einer reinen Finanzmarkt- und Bankenkrise aus und richteten den Fokus auf die Reaktionen der EZB, die mittels Senkung der kurzfristigen Zinssätze Liquidität in den Euroraum pumpt. Die Stützung des Bankensektors stand im Vordergrund und einzelne Regierungen, wie diejenigen Irlands und Spaniens, wendeten dazu große finanzielle Mittel auf (Lane 2012: 55-56). Ende 2009 trat die Finanzkrise in Europa jedoch in eine neue Phase: in einigen Ländern der Eurozone – unter ihnen Griechenland und Irland – übertraf die tatsächliche Schuldenquote die Prognosen und die Steuereinnahmen fielen aufgrund der sinkenden Vermögenswerte geringer aus als budgetiert (Lane 2012: 56). Dies wirkte sich negativ auf die Haushaltslage der Eurostaaten aus und führte zu Herabstufungen der Länder durch die Rating Agenturen. Das dadurch ausgelöste Misstrauen in die Stabilität der betroffenen Volkswirtschaften und die Bonität ihrer Staatssektoren auf den Finanzmärkten ließen für zahlreiche Länder die Refinanzierungskosten – ausgedrückt durch die Zinsen auf Staatsanleihen – massiv ansteigen (Lane 2012: 56; Eurostat Da- 36 4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock tensatz langfristige Zinssätze 2013). Für Griechenland und Irland wird dies in Kapitel 5.4 Langfristige Zinssätze gezeigt. Innerhalb von nur zwei Jahren (zwischen 2008 und 2010) stieg der Jahresdurchschnitt der Zinsen auf griechische Staatsanleihen von 4,8 Prozent auf 9,1 Prozent (Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013). Griechenland war dann auch das erste Land der Eurozone, das im Mai 2010 komplett von der Refinanzierung auf den internationalen Finanzmärkten ausgeschlossen wurde. Irland folgt als zweiter Eurostaat im November desselben Jahres (Lane 2012: 57). Die Refinanzierungskosten für den irischen Staat lagen zu dieser Zeit bei 5,7 Prozent (Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013). Beide Länder mussten in der Folge mit Finanzhilfen der EU und des IWF vor dem Staatsbankrott bewahrt werden. Neben Griechenland und Irland mussten bis zum Sommer 2012 noch zwei weitere Staaten das Rettungsprogramm von EU und IWF in Anspruch nehmen – Portugal und Zypern. Spanien erhielt Finanzhilfen, um seinen angeschlagenen Bankensektor zu stabilisieren. Wie die Entwicklung in Griechenland und Irland genau ausgesehen hat und wie es in den beiden Ländern zur Krise kam, wird in Kapitel 6 untersucht. 4.3 Fazit Die Frage, die Kapitel 4 zur internationalen Finanzkrise zugrunde liegt, ist, ob diese als exogener Schock auf die Eurozone beschrieben werden kann. Die dazugehörige These 1 lautet: Die internationale Finanzkrise lässt sich als exogener Schock auf die Europäische Währungsunion beschreiben. Zu Beginn des Kapitels wurde definiert, was einen exogenen Schock auf ein System ausmacht: Er muss außerhalb des betroffenen Systems entstanden sein und einen wesentlichen Anpassungsdruck nach sich ziehen. Des Weiteren ist charakteristisch, dass die von einem exogenen Schock ausgelösten Schwankungen sukzessive einen Großteil der Marktteilnehmer erfassen. Nun muss entschieden werden, ob auf Grundlage dieser Definition die internationale Finanzkrise als exogener Schock auf die Europäische Währungsunion beschrieben werden kann. Die US-Immobilienkrise und die dadurch ausgelösten Zahlungsausfälle und das Einfrieren der internationalen Finanzmärkte haben das europäische Bankensystem unvorbereitet getroffen und zu massiven Verwerfungen geführt. Zwar haben sich auch europäische Banken im CDOMarkt engagiert und damit die Risiken in die eigenen Portfolios integriert. Doch die Entscheidung, vermehrt sub prime-Hypotheken auszugeben und als CDO weiterzuverkaufen, ist auf dem amerikanischen Finanzmarkt gefallen. Der darauf folgende Zusammenbruch der Nachfrage nach Immobilien und die Kreditkrise sind in den USA entstanden und über die eng ver- 37 4. Die internationale Finanzkrise als exogener Schock netzten Finanzmärkte nach Europa und in die ganze Welt gelangt. Ob diese Entwicklung unvorhergesehen war, kann hier nicht beantwortet werden. Es ist nicht auszuschließen, dass vor allem in den letzten Jahren vor Ausbruch der Krise Investoren die Gefahr, die in der weiten Verbreitung von CDO liegt, erkannt haben. Entscheidend für die hier untersuchte These ist jedoch, dass die Auswirkungen auf die Staaten der Eurozone die politischen Entscheidungsträger auf nationaler und supranationaler Ebene in ihrem Ausmaß überrascht und überfordert haben. In ihrem Ursprung ist die internationale Finanzkrise ein Schock auf dem USImmobilienmarkt, der über komplexe Finanzmarktinstrumente und eine enge Vernetzung der Finanzmärkte einen massiven Wirkungskreis entwickelt und zu Verwerfungen auf den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft der Eurozone geführt hat. Dies entspricht der oben genannten Definition eines exogenen Schocks, womit These 1 angenommen werden kann. In einem Ausblick auf Kapitel 6 kann bereits hier erwähnt werden, dass die Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung in Griechenland und Irland ergibt, dass sich die internationale Finanzkrise zudem asymmetrisch auf die beiden Volkswirtschaften ausgewirkt hat. Während in Griechenland in erster Linie der Staat vom Einfrieren des Euro-Interbankenmarktes getroffen wurde, war es in Irland der Bankensektor, welcher die Verwerfungen auf den Finanzmärkten negativ zu spüren bekam. Damit fügt sich die internationale Finanzkrise in die Diskussion um die Theorie der Optimalen Währungsräume aus Kapitel 2 ein. Für Griechenland und Irland hat sich die von Krugman vorausgesagte Differenzierung der Wirtschaftsstrukturen eingestellt und die beiden Länder wurden in unterschiedlicher Weise vom exogenen Schock der Finanzkrise getroffen. Im nun folgenden Kapitel 5 wird die Entwicklung von drei der vier Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland und den Durchschnittswerten der Eurozone betrachtet und daraus abgeleitet, ob innerhalb der Währungsunion in den ersten 10 Jahren ihres Bestehens eine konvergente oder eine divergente Entwicklung stattgefunden hat. Die Ergebnisse der Analyse dienen der Untersuchung der in der Einleitung vorgestellten These 2. 38 5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland 5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland In diesem Kapitel wird These 2 der Arbeit untersucht: Die erhoffte Konvergenz der Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands zum Durchschnitt der Eurozone hat sich in den ersten zehn Jahren des Bestehens der EWU nicht eingestellt. Dazu wird die Entwicklung von drei der vier Konvergenzkriterien in den ausgewählten Ländern Irland und Griechenland sowie der Durchschnittswerte der Eurozone betrachtet. Wie in Kapitel 3.2 zum Vertrag von Maastricht schon erwähnt, sind für die Beurteilung der Konvergenz der Volkswirtschaften von Beitrittskandidaten durch die EU-Institutionen die Durchschnittswerte aller EU-Staaten entscheidend. Da ich jedoch aus den genannten Gründen denke, dass dieses Vorgehen das Ergebnis unnötig verzerrt, verwende ich den Durchschnitt der Werte aller Eurostaaten als Referenz.15 Die drei betrachteten Konvergenzkriterien sind die Preisstabilität, das tragbare öffentliche Defizit- und Schuldenniveau sowie die Stabilität der langfristigen Zinssätze. Das Kriterium der Wechselkursstabilität wird vernachlässigt, da dafür nur Werte vor dem Beitritt eines Landes zur Eurozone zur Verfügung stehen. Operationalisiert werden die Konvergenzkriterien analog zum Vorgehen der EU-Institutionen als Veränderung des durchschnittlichen Harmonisierten Verbraucherpreisindex eines Jahres relativ zum 12Monatsdurchschnitt des Vorjahres in Prozentpunkten (Preisstabilität), als Differenz der Einnahmen und Ausgaben des Staatssektors relativ zum BIP (öffentliches Defizit), als BruttoGesamtschuldenstand des Staatssektors relativ zum BIP (öffentlicher Schuldenstand) und als Jahresdurchschnitt der Renditen auf 10-jährige Staatsanleihen (langfristige Zinssätze).16 Die 15 Die Durchschnittswerte entstammen eigenen Berechnungen auf Grundlage der Daten von Eurostat. Die Berechnungsgrundlage waren jeweils die Werte aus allen Ländern, die zum Beobachtungszeitpunkt Mitglied der Eurozone waren. Für die Beobachtungszeitpunkte 1998 bis 2006 sind das 12 Staaten (Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien und zusätzlich Griechenland, obwohl dessen Beitritt erst 2000 folgte). Für den Beobachtungszeitpunkt 2007 kommt Slowenien als 13. Mitglied hinzu, für 2008 Zypern und Malta als 14. und 15. Mitglied und ab 2009 sind es mit dem Beitritt der Slowakei 16 Eurostaaten. Die Berechnungen erfolgten ohne Gewichtung. 16 Die Europäische Kommission und die EZB berechnen die langfristigen Zinssätze auf der Basis der Renditen, die auf dem Sekundärmarkt erzielt werden (KOM 2010a: 42). Dies ist irritierend, da hiermit nicht der Preis gemessen wird, den Staaten für die Emission ihrer Anleihen bezahlen müssen. Dieser bildet sich auf dem Primärmarkt, wo eine größere Anzahl Käufer dem Staat als Verkäufer gegenüber stehen. Auf dem Sekundärmarkt handeln im Normalfall nur der Besitzer der Staatsanleihen (der diese auf dem Primärmarkt einem Staat abgekauft hat) und ein interessierter Käufer miteinander. Die Zinssätze auf Sekundärmärkten sind aus zwei Gründen tendenziell verzerrt: Erstens ist die Anzahl der Marktteilnehmer geringer als auf dem Primärmarkt und zweitens sind die Renditen eher von kurzfristigen Emotionen auf den Finanzmärkten beeinflusst. Das Vertrauen in die Bonität des Staatsanleihen emittierenden Staates, das durch das Konvergenzkriterium der langfristigen Zinssätze eigentlich gemessen werden sollte, ist in den Sekundärmarktrenditen nur indirekt ausgedrückt. Da in dieser Arbeit die Maastrichter Konvergenzkriterien als Grundlage für die Untersuchung der konvergenten oder divergen- 39 5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland genaue Operationalisierung der Daten durch Eurostat kann Anhang A.1 entnommen werden. Die Analyse der Werte zwischen 1998 und 2010 für Irland und Griechenland im Vergleich zu den Durchschnittswerten der Eurozone erhellt, ob sich die irische und die griechische Volkswirtschaft seit ihrem Beitritt zur EWU in den Konvergenzkriterien konvergent oder divergent zum Rest der Eurozone entwickelt haben. Die Länderwerte den Durchschnittswerten der Eurozone gegenüber zu stellen, ist ein einfaches Maß für Konvergenz. Zusätzlich werden für alle Kriterien die Differenzen zwischen den Durchschnittswerten der Eurozonen und den Werten von Griechenland und Irland für jedes Beobachtungsjahr berechnet. Dies lässt eine Aussage darüber zu, wie groß eine eventuell festgestellte divergente Entwicklung gegenüber den Durchschnittswerten der Eurozone ist. Jedes Kriterium wird in einem eigenen Kapitel analysiert. Der gesamte Datensatz sowie für die Interpretation verwendete, zusätzliche eigene Berechnungen finden sich in Anhang A.2 Erklärungen und Interpretationen zu der Entwicklung der Werte folgen in den detaillierten Länderbetrachtungen in den Kapiteln 6.1 und 6.2. ten Entwicklung der Volkswirtschaften der Eurozone dienen, werden nichtsdestotrotz die von Eurostat zur Verfügung gestellten langfristigen Zinssätze auf dem Sekundärmarkt für die quantitative Analyse verwendet. 40 5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland 5.1 Preisstabilität Abbildung 2: Entwicklung der Preisstabilität Quelle: Eurostat Datensatz Inflation 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes Die für die Beurteilung der Preisstabilität verwendete Maßzahl ist die Inflation definiert als „jährliche Veränderungsrate des durchschnittlichen HVPI“. Sie beschreibt, um wie viele Prozentpunkte sich der HVPI in einem Land zwischen Jahr t und dem Vorjahr t-1 verändert hat. Am Beispiel von Abbildung 2 bedeutet dies also, dass die griechische Inflation von 2000 auf 2002 von 2,9 auf 3,9 Prozent gestiegen ist. Wie in Kapitel 3.2.1 zur Geldpolitik der EZB schon dargelegt, strebt die EZB für die Eurozone eine Veränderung des HVPI von mittelfristig nahe, aber unter 2 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr an (EZB 2011: 9). Im beobachteten Zeitraum erreicht sie dieses Ziel strenggenommen nur einmal. Nämlich im Jahr 2010 mit einer Inflation von 1,7 Prozent. 1998 und 1999 liegt die Inflation des EuroWährungsgebietes bei 1,6 bzw. 1,5 Prozent, jedoch wurde die EWU zu dieser Zeit erst errichtet und die Werte können somit nicht eindeutig der Wirkung der Geldpolitik der EZB zugeschrieben werden. Für die hier untersuchten These 2 ist jedoch nicht die Preisstabilität in der Eurozone für sich allein entscheidend, sondern ob sich die Inflation in Griechenland und Irland konvergent oder divergent zum Eurozonendurchschnitt entwickelt hat. 41 5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland Zwischen 1998 und 2000 ist die griechische Inflation stark gesunken und Griechenland hat mit einer Inflationsrate von 2,1 Prozent im Jahr 1999 annähernd Preisstabilität nach Definition der EZB erreicht. Da die durchschnittliche Inflation in der Eurozone bis 2000 auf 2,8 Prozent steigt, weist Griechenland mit einer Abweichung von bloß +0,1 Punkten fast vollständige Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt auf. Griechenland kann diese Konvergenz jedoch nicht beibehalten und schon 2001 nimmt die Abweichung vom Eurozonendurchschnitt wieder zu. Die griechische Inflation steigt bis 2002 auf 3,9 Prozent, während der Eurozonendurchschnitt um 3 Prozent schwankt. Bis 2005 entwickelt sich die griechische Inflation annähernd parallel zur durchschnittlichen Inflationsrate der Eurozone. Ab 2005 lässt sich wieder eine Konvergenz feststellen, die 2008 mit einer Abweichung von +0,5 Punkten von der Eurozone endet. Ab 2008 entwickelt sich griechische Inflationsrate wieder vom Wert für die Eurozone weg. Nach einem Einbruch auf 1,3 Prozent im Jahr 2009 steigt die griechische Inflationsrate 2010 wieder auf 4,7 Prozent, womit die Differenz zum Eurozonendurchschnitt +3 Punkte ausmacht. Über den Beobachtungszeitraum bis zum Ausbruch der internationalen Finanzkrise im Jahr 2008 kann man also von einer leichten Konvergenz der Veränderung der griechischen Inflationsrate zum Eurozonendurchschnitt sprechen. Jedoch drückt sich diese eher in der parallelen Entwicklung der Inflationsraten bei gleichbleibender Differenz, als in einer tatsächlichen Angleichung der Werte aus. Etwas eindeutiger präsentiert sich die Situation für Irland, wo nur in einer Phase zwischen 2003 und 2005 eine längerfristige Konvergenz stattgefunden hat. In dieser Zeit sinkt die irische Inflationsrate von 4 auf 2,2 Prozent, während die Inflation in der Eurozone bei durchschnittlich 2,3 Prozent liegt. Vorher – also zwischen 1998 und 2002 – hat sich die irische Inflationsrate mit Werten zwischen 2,1 und 5,3 Prozent stark schwankend entwickelt. Zwischen 2005 und 2008 steigt die Inflationsrate in der Eurozone auf 3,7 Prozent. Irland macht den Aufwärtstrend mit und liegt 2008 bei 3,1 Prozent. Damit findet zwar eine mehr oder weniger parallele Aufwärtsbewegung statt, jedoch keine Konvergenz. Wie in Griechenland stürzt auch die irische Inflationsrate von 2008 auf 2009 ab und mündet in einer Deflation für Irland. Anders als die griechische Inflationsrate, die bis 2010 wieder auf 4,7 Prozent steigt, verharrt die irische Inflationsrate im negativen Bereich. Der Eurozonendurchschnitt steigt in der gleichen Zeit wieder auf 1,7 Prozent. Über den gesamten Beobachtungszeitraum lässt sich damit sagen, dass die Inflationsrate Irlands sich nur während weniger Jahre ähnlich wie der Eurozonendurchschnitt entwickelt hat. Besonders für die ersten Jahre der internationalen Finanzkrise kann zudem von einer stark divergenten Entwicklung 42 5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland der Inflationsrate für Irland vom Durchschnitt der Eurozone gesprochen werden. 5.2 Budgetdefizit Abbildung 3: Entwicklung des öffentlichen Budgetdefizits 1998-2010 Quelle: Eurostat Datensatz Budgetdefizit 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes Bei der Betrachtung von Abbildung 3 scheinen sich die Budgetsaldi von Griechenland und Irland zwischen 2000 und 2006 einigermaßen parallel zum durchschnittlichen Budgetdefizit der Eurozone zu bewegen. Jedoch sind aufgrund des extremen Wertes von Irland im Jahr 2010 – ein Budgetdefizit von -30,8 Prozent des BIP – die Entwicklungen im oberen Skalenbereich (-5 bis +5 Prozent) nicht gut erkennbar. Deswegen wird zusätzlich Abbildung 4 mit einem Beobachtungszeitraum von 1998 bis 2009 dargestellt. 43 5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland Abbildung 4: Entwicklung des öffentlichen Budgetdefizits 1998-2009 Quelle: Eurostat Datensatz Budgetdefizit 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes Auf beiden Abbildungen wird klar, dass das Budgetsaldo von Griechenland konstant negativ ist und sich unter demjenigen des Eurozonendurchschnitts bewegt. Das griechische Budgetsaldo reicht von -3,7 Prozent des BIP im Jahr 2000 bis -15,6 Prozent neun Jahre später. Auch die Eurozone weist mit Ausnahme des Jahres 2000 stets ein leichtes Budgetdefizit auf. Hinsichtlich der Richtung der Entwicklung lässt Abbildung 4 erkennen, dass das Budgetsaldo von Griechenland in der Tendenz dem Eurozonendurchschnitt folgt, jedoch größeren Schwankungen unterliegt. Dies ist besonders gut im Jahr 2004 erkennbar. Sowohl in Griechenland mit -7,5 Prozent als auch in der Eurozone mit -2,2 Prozent wird ein Tiefstand des Budgetdefizits erreicht. Im Fall von Griechenland fällt dieser aber weit größer aus. Direkt nach dem Beitritt zur Eurozone hat eine leicht konvergente Entwicklung des griechischen Budgetsaldos zum Durchschnitt der Eurostaaten stattgefunden. Da das Budgetdefizit in der Eurozone bis 2003 wächst, kann Griechenland die Abweichung seines Budgetsaldos vom Eurozonendurchschnitt verringern. Doch da Griechenland den danach einsetzenden Aufwärtstrend des durchschnittlichen Budgetsaldos der Eurozone nicht mitmacht, entwickelt sich das griechische Saldo bis 2006 wieder divergent zum Durchschnitt. Ab 2006 verstärkt sich die divergente Entwicklung und findet mit einer Abweichung von -8,8 Punkten vom 44 5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland Eurozonendurchschnitt im Jahr 2009 ihren Höhepunkt. Wie in Abbildung 3 ersichtlich, verringert sich das Budgetdefizit Griechenlands interessanterweise zwischen 2009 und 2010 von -15,6 auf -10,7 Prozent des BIP. Da in der gleichen Zeit das Budgetdefizit des Eurozonendurchschnitts von -6,9 auf -7,3 Prozent des BIP steigt, findet wiederum eine konvergente Entwicklung statt. Ob dies ein einmaliges Phänomen ist oder einen Trend darstellt, müsste die Betrachtung der Budgetsaldi ab 2011 erhellen. Für den Großteil des beobachteten Zeitraums von 1998 bis 2010 kann jedenfalls von einer divergenten Entwicklung des griechischen Budgetsaldos weg vom Eurozonendurchschnitt gesprochen werden. Irland weist bis 2007 – mit einer Ausnahme im Jahr 2002 von -0,4 Prozent des BIP – einen Haushaltsüberschuss auf, womit das irische Budgetsaldo stets über dem Eurozonendurchschnitt liegt. Mit dem Abbau des Budgetüberschusses von 4,7 Prozent auf -0,4 Prozent zwischen 2000 und 2002 entwickelt sich das irische Budgetsaldo klar konvergent zum Eurozonendurchschnitt. Wie in Abbildung 4 gut zu erkennen ist, wächst der irische Budgetüberschuss jedoch zwischen 2002 und 2006 wieder auf 2,9 Prozent an. Das durchschnittliche Budgetsaldo der Eurozone sinkt auf -2,2 Prozent im Jahr 2004 und steigt bis 2006 wieder leicht auf -0,6 Prozent, womit zumindest für diese beiden Jahre eine parallele Entwicklung einsetzt. Zwischen 2007 und 2009 erlebt Irland wie Griechenland und der Eurozonendurchschnitt einen Absturz des Budgetsaldos von über 5 Prozentpunkten – Irland liegt nun bei -13,9 und die Eurozone fällt auf ein Allzeittief von -6,9 Prozent. Somit könnte man hier tatsächlich von einer konvergenten Entwicklung nach unten sprechen. Dass für Irland trotzdem über den beobachteten Zeitraum keine Konvergenz festgestellt werden kann, sieht man an der Entwicklung ab 2002. Aufgrund der absoluten Abweichungen der Budgetsaldi stellt sich selbst in Phasen gleichartiger Entwicklungstendenzen (2004-2006) keine Konvergenz zwischen Irland und dem Eurozonendurchschnitt ein. Die fehlende Konvergenz wird schließlich durch die Entwicklung des irischen Budgetsaldos zwischen 2009 und 2010 in Abbildung 3 bestätigt. Während Griechenland und der Durchschnitt der Eurostaaten eine scheinbar positive Entwicklung durchmachen – das Defizit von Griechenland sinkt 2010 auf -10,7 und jenes der Eurostaaten steigt nur noch leicht auf -7,3 Prozent – stürzt Irland auf -30,8 Prozent des BIP ab. Eine Erklärung für die Entwicklung des irischen Budgetsaldos folgt in Kapitel 6.2.1. 45 5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland 5.3 Schuldenstand Abbildung 5: Entwicklung des öffentlichen Schuldenstandes Quelle: Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes Abbildung 5 zeigt deutlich, dass sowohl der öffentliche Schuldenstand von Griechenland als auch jener Irlands über einen Großteil des beobachteten Zeitraums stark vom Durchschnitt der Eurozone abweichen. Besonders eindeutig ist die Entwicklung in Griechenland, wo nur bei zwei Jahren eine zumindest leicht konvergente Entwicklung festgestellt werden kann. Dabei handelt es sich um die Jahre 2002 und 2003, in denen der griechische Schuldenstand relativ zum BIP von 101,7 Prozent auf 97,4 Prozent gesunken ist und sich damit die Differenz zum Eurozonendurchschnitt von +40,4 auf +36,2 Prozentpunkte verringert. Doch schon im darauffolgenden Jahr 2004 steigt die Abweichung des Schuldenstandes Griechenlands vom Durchschnitt der Eurozone wieder auf +37,5 Punkte an. Diese divergente Entwicklung setzt sich über den gesamten restlichen Beobachtungszeitraum bis 2010 fort und kulminiert in einer Abweichung von +74,1 Prozentpunkten im Jahr 2010. Der öffentliche Schuldenstand Griechenlands hat dann einen Wert von 148,3 Prozent des BIP erreicht, während der Wert für die Eurozone bei 74,2 Prozent des BIP liegt. Für den öffentlichen Schuldenstand Griechenlands ist damit die Beurteilung eindeutig: Es hat seit dem Beitritt des Landes zur 46 5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland EWU keine konvergente Entwicklung zum Rest der Eurozone stattgefunden. Für Irland präsentiert sich das Bild zumindest bis 2007 ähnlich. Auffällig ist, dass der irische öffentliche Schuldenstand weit unter dem Eurozonendurchschnitt liegt. So sinkt er zwischen 1998 und 2007 von 53,0 auf 25,1 Prozent des BIP, womit Irland zu den Euroländern mit dem geringsten öffentlichen Schuldenstand gehört. Der durchschnittliche Schuldenstand der Eurozone sinkt im gleichen Zeitraum von 66,7 auf 55,7 Prozent des BIP. Irland macht den Abwärtstrend des Schuldenstandes in der EWU mit, jedoch in wesentlich größerem Ausmaß. Die Abweichung des irischen Schuldenstandes vom Eurozonendurchschnitt steigt zwischen 1998 und 2006 von -18,1 auf -30,6 Prozentpunkte. Da der öffentliche Schuldenstand Irlands 2007 eine Kehrtwende erlebt und von nun an rasant ansteigt – von 25,1 Prozent des BIP auf 92,1 Prozent – nähert er sich auch dem Eurozonendurchschnitt an. 2009 treffen sich die beiden Schuldenstände mit 64,8 Prozent für Irland und 67,6 Prozent für den Eurozonendurchschnitt, die Abweichung beträgt nur noch -2,8 Punkte. Doch schon im darauffolgenden Jahr übertrifft der irische Schuldenstand erstmals den Durchschnitt der Eurozone und die Abweichung steigt auf +17,9 Prozentpunkte. Für den irischen Schuldenstand lässt sich also festhalten, dass vom Beitritt zur Eurozone bis 2006 eine divergente Entwicklung zum Eurozonendurchschnitt stattgefunden hat. Mit dem Anstieg der öffentlichen Schulden in Irland ab 2007 haben sich diese konvergent hin zum Durchschnitt entwickelt, übertreffen diese aber bereits 2010, womit wieder eine Divergenz eingesetzt hat. 47 5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland 5.4 Langfristige Zinssätze Abbildung 6: Entwicklung der langfristigen Zinssätze Quelle: Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes Für den Jahresdurchschnitt der Renditen auf 10-jährige Staatsanleihen zeigt Abbildung 6 eine eindeutig konvergente Entwicklung zum Eurozonendurchschnitt sowohl für die griechischen als auch für die irischen Staatsanleihen. Besonders beeindruckend ist die Entwicklung im Falle Griechenlands. Musste der griechische Staat 1998 noch 8,5 Prozent Rendite auf die von ihm emittierten Anleihen auszahlen, so sank der Zinssatz mit dem Beitritt zur Eurozone auf 6,1 Prozent im Jahr 2000 und erreicht 2003 und 2004 mit 4,3 Prozent fast vollständige Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt, der in diesen Jahren bei 4,1 Prozent liegt. Mit Abweichungen zwischen +0,1 und +0,3 Prozentpunkten zwischen 2001 und 2008 kann Griechenland diese Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt in den langfristigen Zinssätzen auf Staatsanleihen halten. Mit dem Ausbruch der internationalen Finanzkrise steigen die Renditen auf 10-jährige griechische Staatsanleihen jedoch wieder stark an und sind 2010 mit 9,1 Prozent sogar höher als vor dem Beitritt zur Eurozone. Hinsichtlich der Beurteilung der Konvergenz lässt sich für die langfristigen Zinssätze auf griechische Staatsanleihen sagen, dass nach dem Beitritt zur Eurozone eine konvergente Entwicklung stattgefunden hat, die jedoch mit der internationalen Finanzkrise beendet und von Divergenz abgelöst wurde. 48 5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland Ähnlich präsentiert sich das Bild für Irland. Die Renditen auf 10-jährige irische Staatsanleihen entsprechen zwischen 2000 und 2007 beinahe exakt den Durchschnittswerten für die Eurozone. Die Abweichungen schwanken zwischen -0,1 und +0,1 Prozentpunkten. Damit lässt sich für Irland eine vollständige Konvergenz der langfristigen Zinssätze auf Staatsanleihen zum Eurozonendurchschnitt feststellen. Anders als im Fall von Griechenland lagen die irischen Zinssätze auch schon vor dem Beitritt zur Eurozone auf einem ähnlichen Niveau wie der Durchschnitt der Euroländer. Ab 2008 steigen die irischen Zinssätze von 4,5 auf 5,7 Prozent an und entfernen sich damit vom Eurozonendurchschnitt. Für die letzten drei Jahre des Beobachtungszeitraums lässt sich also auch für Irland eine Divergenz vom Durchschnitt der Eurozone feststellen. 5.5 Fazit Welchen Schluss lassen die oben entdeckten Muster der Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland hinsichtlich These 2 zu? Zur Erinnerung, These 2 lautet: Die erhoffte Konvergenz der Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands zum Durchschnitt der Eurozone hat sich in den ersten zehn Jahren des Bestehens der EWU nicht eingestellt. Die These lässt sich auf Grundlage der beschriebenen Entwicklungen weder vollständig annehmen noch komplett verwerfen. So lässt sich zwar für Griechenland eine leichte Konvergenz der Inflationsrate feststellen, jedoch bleiben die Differenzen zum Eurozonendurchschnitt bestehen und es lässt sich eher von einer parallelen Entwicklung sprechen. Im Fall von Irland entwickelt sich die Inflationsrate bis auf wenige Ausnahmen divergent. Beim Budgetdefizit weist in erster Linie Griechenland einen divergenten Trend weg vom Eurozonendurchschnitt auf, während das irische Budgetdefizit sich zumindest teilweise konvergent entwickelt. Über die ersten zehn Jahres des Bestehens der EWU gesehen, lässt sich aber auch für Irland keine konsequent konvergente Entwicklung des Budgetsaldos feststellen. Eindeutig divergent präsentiert sich die Entwicklung des öffentlichen Schuldenstandes sowohl für Irland als auch für Griechenland. Somit sind es die langfristigen Zinssätze, die als einziges der betrachteten Kriterien, die erhoffte Konvergenz zwischen den Staaten der Eurozone für Griechenland und Irland erreicht haben. In der Summe überwiegen damit die divergenten Entwicklungen der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland zum Durchschnitt der Eurozone und die These kann mit Hinweis auf einzelne Einschränkungen bejaht werden. Was bedeutet dies nun für die Treffsicherheit der Geldpolitik der EZB und die Stabilität der EWU? In Kapitel 3 wurde dargelegt, wieso eine gewisse Konvergenz der Volkswirtschaften, 49 5. Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland die sich in einer Währungsunion mit einheitlicher Geldpolitik zusammenschließen, als notwendig erachtet wird. Betrachtet man nur die Ergebnisse der Entwicklung der Konvergenzkriterien in Griechenland und Irland im Vergleich zu den Durchschnittswerten der Eurozone, so muss hinsichtlich der Treffsicherheit der EZB-Geldpolitik für diese beiden Länder ein negatives Fazit gezogen werden. Drei der vier betrachteten Kriterien weisen eher divergente als konvergente Entwicklungen auf. Bei der Inflationsrate, als wichtigste Zielvariable der Leitzinssetzung der EZB, wirkt sich dies besonders stark aus. Eine am Durchschnittswert der Eurozone ausgerichtete Leitzinssetzung war im beobachteten Zeitraum von 1998 bis 2010 sowohl für Griechenland als auch für Irland nicht immer angemessen und hatte damit möglicherweise nicht intendierte, destabilisierende Effekte. Das Budgetdefizit und der öffentliche Schuldenstand sind Einflussgrößen der Wirtschafts- und Fiskalpolitik und werden von der Geldpolitik der EZB nur indirekt beeinflusst. Ein tragbares öffentliches Budgetdefizit- und Schuldenniveau ist Ausdruck für die Stabilität einer Volkswirtschaft und als solcher im SWP festgeschrieben. Wenn sich die Mitgliedstaaten der Eurozone wie im Fall von Griechenland und Irland teilweise geschehen, in ihrem Budgetsaldo und Schuldenstand zu sehr voneinander – und damit auch vom Durchschnitt der Eurozone entfernen – so kann die Währungsunion als Ganzes destabilisiert werden. Die langfristigen Zinssätze schließlich sollen, wie in Kapitel 3.2.1 zu den Konvergenzkriterien dargelegt, nach Art. 140 AEUV Ausdruck der Dauerhaftigkeit der erreichten Konvergenz eines Mitgliedstaates sein. Angesichts der fehlenden Konvergenz in den anderen Kriterien, scheinen die langfristigen Zinssätze kein angemessenes Testkriterium zu sein. Naheliegender ist, dass die Renditen auf Staatsanleihen das Vertrauen der Finanzmärkte in einen Staat ausdrücken und vor allem Griechenland nach seinem Beitritt zur Eurozone von einem auf der Stabilität anderer Mitgliedstaaten beruhenden Vertrauensbonus profitiert hat. Wie in Kapitel 4 bereits bemerkt und in Kapitel 5.4 bestätigt, wurden die Defizite der griechischen Wirtschaft mit dem Ausbruch der internationalen Finanzkrise aufgedeckt und die Zinsen auf Staatsanleihen stiegen stark an. Mehr dazu im folgenden Kapitel 6. 50 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland In diesem Kapitel geht es darum, die Auswirkungen der einheitlichen Geldpolitik der EZB und der gemeinsamen Währung in der EWU auf Griechenland und Irland zu untersuchen. Die zu überprüfende These 3 wird hier noch einmal genannt: Die Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland sind entstanden aus dem exogenen Schock der internationalen Finanzkrise auf die durch fehlende Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt und eine einheitliche Geldpolitik charakterisierten Volkswirtschaften. Um den postulierten Zusammenhang zu untersuchen, wird eine kontrafaktische Analyse durchgeführt. Nach Winker dient die Methode der kontrafaktischen Evidenz dazu, die Entwicklung ökonomischer Reihen unter der Annahme zu untersuchen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte wirtschaftspolitische Entscheidung getroffen worden wäre. Da hierbei die Auswirkungen dieser Entscheidung auf verschiedene Variablen im Fokus stehen, wird die Methode auch als Politiksimulation bezeichnet (Winker 2010: 292). In der Wirtschaftswissenschaft werden dazu ökonometrische Modelle geschätzt, in denen einzelne Parameter gezielt verändert werden können, um die Effekte auf die interessierenden Variablen zu beobachten. In der Regel geschieht das mit einer Computersimulation (Winker 2010: 315). Für diese Arbeit würde eine modellbasierte, computergestützte Simulation zu weit gehen und den Rahmen des politikwissenschaftlichen Ansatzes sprengen. Deshalb wird anstelle des ökonometrischen Modells ein Gedankenexperiment entwickelt. Es wird eine Situation imaginiert, in der Griechenland und Irland nicht Mitglieder der Eurozone sind und ihre nationalen Währungen behalten haben. Die Eurozone besteht in diesem Szenario aus allen anderen Mitgliedern und funktioniert nach den in dieser Arbeit beschriebenen Mechanismen. In dieser hypothetischen Welt wird überlegt, wie eine alternative Geldpolitik für Griechenland und Irland hätte aussehen können und welche Effekte sie gezeigt hätte. Dazu wird in den Kapiteln 6.1.1 und 6.2.1 die Entwicklung der Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands zwischen 2000 und 2010 nachvollzogen, um in den Kapiteln 6.1.2 und 6.2.2 die Auswirkungen der Geldpolitik auf die beiden Länder zu untersuchen. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Kapitel wird dann in den Kapiteln 6.1.3 und 6.2.3 das hypothetische Szenario einer nationalen Währung und autonomen Geldpolitik für Griechenland und Irland durchgespielt. Im Kapitel 6.3 wird schließlich entschieden, ob These 3 auf Grundlage der Ergebnisse der Untersuchung angenommen oder verworfen werden sollte. Es ist wichtig zu betonen, dass mit dem Gedankenexperiment keine wissenschaftliche Evidenz geschaffen wird und die Interpretation der Ergebnisse mit Umsicht zu erfolgen hat. Um die Auswirkungen einer autonomen Geldpolitik und einer nationalen Währung auf die wirtschaft51 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland liche Entwicklung der beiden Länder zweifelsfrei abzuschätzen, müssten alle anderen Einflussfaktoren im beobachteten Zeitraum konstant gehalten werden. Dazu gehören zum Beispiel Regierungswechsel, Entwicklungen auf dem Weltmarkt, europapolitische Entscheidungen, gesellschaftliche Entwicklungen und so weiter. Dies ist aus nachvollziehbaren Gründen hier nicht möglich. Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass ein auf den Fakten der Untersuchung der wirtschaftlichen Entwicklung Griechenlands und Irlands sowie dem Wissen um die Funktionsweise der Geld- und Währungspolitik basierendes Gedankenexperiment wertvolle Erkenntnisse für die Beantwortung der Fragestellung liefern kann. 6.1 Griechenland in den Jahren 1999 bis 2010 6.1.1 Entwicklung der griechischen Wirtschaft Die wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands nach dem Beitritt zur Eurozone im Jahr 2000 war gekennzeichnet von einem starken Wirtschaftswachstum – durchschnittlich 4 Prozent bis 2007 – und einer wachsenden Binnennachfrage (KOM 2010b: 3; Eurostat Datensatz BIPWachstumsrate 2013). Verstärkt wurde der Aufschwung durch die niedrigen Zinsen auf Staatsanleihen nach der Euroeinführung, auf die schon in den Kapiteln 4 und 5 hingewiesen wurde. In den niedrigen Zinsen auf Staatsanleihen drückte sich ein Vertrauensbonus aus, der auf den Finanzmärkten von den wirtschaftlich starken Ländern der neu gegründeten Währungsunion auf die wirtschaftlich schwächeren Peripheriestaaten wie Griechenland übertragen wurde. Traditionell drücken die Zinsen auf Staatsanleihen das Vertrauen der Märkte in die Bonität eines Staates aus, innerhalb der EWU fand diese Differenzierung ein Ende und alle Mitgliedstaaten konnten sich zu ähnlich günstigen Konditionen auf den Finanzmärkten Geld leihen (vrgl. Lachman 2010: 1; Dellepiane/Hardiman 2010: 6; Nelson et al. 2011: 3). Der griechische Aufschwung wurde begleitet von einer Ausweitung des Kreditvolumens, wobei die Kredite in erster Linie für Konsum und inländische Investitionen verwendet wurden (KOM 2010b: 3). Einen entscheidenden Beitrag hierzu leisteten die Leitzinsen der EZB. Zwischen 1997 und 1999 lag die Hauptrefinanzierungsfazilität Griechenlands – gesetzt durch die damals noch autonom agierende griechische Zentralbank – stets über 10 Prozent (Eurostat nationale Refinanzierungssätze 2013). Mit dem Beitritt zur Eurozone galten ab 2000 auch für Griechenland die einheitlichen Zinssätze der EZB, die zwischen 2000 und 2003 von 4,75 auf 2 Prozent fielen und damit weit unter dem Wert lagen, den griechische Haushalte und Unternehmen früher für Kredite bezahlen mussten (Eurostat EZB Refinanzierungssätze 2013). Mit der Integration der Finanzmärkte und der Liberalisierung des Kapitalverkehrs in der EWU wurde den Kapitalzuflüssen aus dem Euroraum nach Griechenland Tür und Tor geöffnet. 52 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland Sowohl für den griechischen Staat als auch für private Haushalte und Unternehmen war die Finanzierung über Kredite auf den Finanzmärkten nach dem Eurobeitritt sehr günstig geworden (KOM 2010b: 3). Die griechischen Regierungen nutzten das Geld unter anderem, um die Staatsausgaben massiv auszubauen. Bis 2007 stiegen sie auf 45 Prozent des BIP, während die Einnahmen der öffentlichen Hand zur gleichen Zeit bei nur 40 Prozent des BIP lagen (Busch 2012: 17). Schrader und Laaser halten fest, dass Griechenland seit seinem Beitritt zur Eurozone in keinem Jahr die im SWP festgeschriebenen Obergrenzen für die Staatsschulden und das Budgetdefizit eingehalten hat (Schraader/Lasser 2010: 541; vrgl. Abbildung 3 und Abbildung 5 in Kapitel 5). So lag das Budgetdefizit zwischen 2000 und 2008 durchschnittlich bei -5,9 Prozent des BIP und der Schuldenstand bei 103,5 Prozent (Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013, Budgetdefizit 2013). Teilweise ist dies gegenüber den europäischen Behörden und anderen Mitgliedstaaten verschleiert worden. Über Transferzahlungen, Subventionen, Investitionen und steigende Sozialleistungen wurden die staatlichen Mittel in den privaten Sektor geleitet, wo sie das Einkommen und das private Vermögen erhöhten. Dies führte wiederum zu höheren Steuereinnahmen, was das darunterliegende Problem des kreditfinanzierten Wachstums verschleierte (IWF 2013: 4). Zwischen 2000 und 2010 stiegen in Griechenland die Reallöhne zudem stärker als in den meisten Ländern der Eurozone, was den Binnenkonsum weiter anheizte. Doch ging dies nicht mit einem entsprechenden Anstieg der Produktivität einher und so musste sowohl der private als auch der staatliche Konsum in erheblichem Umfang über Kapital- und Güterimporte bedient werden (Schrader/Laaser 2010: 543). Diese Abhängigkeit von Importen drückt sich auch im Verhältnis der Warenexporte zum BIP und in der Leistungsbilanz aus: Seit dem Beitritt zur EWU ist die Warenexportquote Griechenlands von 9 Prozent im Jahr 2000 auf 6 Prozent im Jahr 2009 gesunken (Schrader/Laaser 2010: 543). Gleichzeitig stieg das Leistungsbilanzdefizit von durchschnittlich -11,9 Prozent zum BIP zwischen 2002 und 2006 auf -17,9 Prozent im Jahr 2008 (Busch 2012: 19). Der Hauptgrund dafür ist, dass Griechenland auf dem Weltmarkt nicht wettbewerbsfähig war. Die griechische Wirtschaft war gekennzeichnet durch inflexible Außenhandelsstrukturen, komplexe, den Privatsektor belastende Regulierungen, einen großen staatlichen Sektor, der große Teile der Wirtschaft durchdringt, eine subsistenzorientierte Landwirtschaft und eine einseitige Dominanz des Tourismussektors und des Schifftransports im Export (Schrader/Laaser 2010: 544-545; Nelson et al. 2011: 2-3; Müller/Schmidt 2010: 282). Die griechische Handelsflotte trug 4 Prozent zum griechischen Bruttosozialprodukt (BSP) und ein Drittel zu den gesamten Exporten bei. Mit dem Tourismus wurden sogar 18 Prozent des BSP und ebenfalls über ein 53 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland Drittel der griechischen Exporte erwirtschaftet (Müller/Schmidt 2010: 287). Ferner waren in Griechenland Steuerhinterziehung, Schattenwirtschaft und Korruption weit verbreitet. Ein kompliziertes Steuersystem sowie eine ineffiziente Verwaltung trugen das Ihre bei (vrgl. Axt 2010: 550-551; Nelson et al. 2011: 3; Müller/Schmidt 2010: 283-286). In Kombination mit den steigenden Lohnstückkosten haben diese strukturellen Defizite die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands erodieren lassen (IWF 2009a: 5). Der unausgeglichene Haushalt und das Leistungsbilanzdefizit führten in den ersten 10 Jahren der griechischen Euro-Mitgliedschaft zu einem starken Anstieg der Staats- und Auslandsschulden und zu großen makroökonomischen Ungleichgewichten zwischen Griechenland und seinen Partnerländern in der Eurozone (KOM 2010b: 6; vrgl. Abbildung 5 in Kapitel 5). Dies machte die griechische Wirtschaft anfällig für Schwankungen auf den Kapital- und Gütermärkten. „Overall, the accumulation of macroeconomic imbalances, large stock of public and external debt, weak external competitiveness, an unsustainable pension system, and weak institutions made Greece vulnerable to an increase of risk aversion in the international capital markets“ (KOM 2010b: 6). Mit dem Ausbruch der internationalen Finanzkrise und dem Einfrieren der Finanzmärkte wurden die Schwäche und Instabilität der griechischen Volkswirtschaft offengelegt. Wie in Kapitel 4 dargelegt, hat die internationale Finanzkrise das Vertrauen der Finanzmarktakteure erschüttert und zu einem weltweiten Einfrieren der Kreditvergabetätigkeit geführt. Da Griechenland stark von der Finanzierung über die internationalen Finanzmärkte abhängig war, machten sich die Turbulenzen rund um den Kollaps von Lehman Brothers schnell bemerkbar. In der Folge nahm das Vertrauen der Investoren in die Zahlungsfähigkeit des griechischen Staates rasch ab und die Zinsen auf griechische Staatsanleihen – als Ausdruck des Risikos – stiegen an (Nelson et al. 2011: 4). Zwischen 2008 und 2010 stiegen die Refinanzierungskosten Griechenlands von 4,8 auf 9,1 Prozent und erreichten ihr Maximum damit sogar auf einem höheren Niveau als vor dem Beitritt zur Eurozone (Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013; vrgl. Kapitel 5). „Durch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise wurde ein griechisches Bonitätsproblem aufgedeckt, das sowohl auf eine langjährige staatliche Misswirtschaft als auch auf nie überwundene Strukturprobleme zurückzuführen ist“ (Schrader/Laaser 2010: 546). Der Abschwung der weltweiten Wirtschaftstätigkeit als Folge der Finanzkrise wirkte sich außerdem negativ auf die einzigen im Export wettbewerbsfähigen Dienstleistungen und wichtigen Wirtschaftsfaktoren, den Schifftransport und den Tourismus, aus (Müller/Schmidt 2010: 287). Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die griechischen Banken von den Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten eher wenig be- 54 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland troffen waren, da sie keine toxischen Hypotheken- und CDO-Papiere in ihren Bilanzen hatten. Der griechische Bankensektor konnte sich auf inländische Depositen und ein traditionelles Geschäftsmodell mit eher geringem Investmentanteil mit hohem Risiko stützen (IWF 2009a: 5, 16). Die hohen Staatsschulden und das Budgetdefizit von über 5 Prozent (vrgl. Abbildung 3 und Abbildung 5) stellten sich angesichts der Verunsicherung auf den Finanzmärkten für Griechenland schnell als schwere Hypothek heraus (IWF 2009a: 20). Im Zuge der steigenden Zinssätze auf Staatsanleihen und der mehrfachen Anpassung der veröffentlichten Daten zu Schuldenstand und Budgetsaldo durch die griechischen Regierungen zogen sich zahlreiche Investoren aus Griechenland zurück und es kam zu einem massiven Kapitalabfluss, der das Land destabilisierte (IWF 2013: 5). Je schwieriger die Refinanzierung für den griechischen Staat wurde, desto schlechter konnte er seine bereits bestehenden Schulden bedienen. Gleichzeitig brauchte er für seine laufenden Ausgaben Geld von den Finanzmärkten, das ihm – auch aufgrund der mittlerweile erfolgten Herabstufung durch die großen Rating Agenturen – immer seltener gewährt wurde (Nelson et al. 2011: 4; KOM 2010b: 6). Schließlich wurde Griechenland im Jahr 2010 von den internationalen Finanzmärkten ausgeschlossen und musste, um den drohenden Staatsbankrott zu verhindern, die EU und den IWF um finanzielle Unterstützung bitten (KOM 2010b: 8). 6.1.2 Auswirkungen der einheitlichen Währung und Geldpolitik auf die griechische Wirtschaft In diesem Kapitel wird untersucht, welche konkreten Auswirkungen die geldpolitischen Entscheidungen der EZB und die gemeinsame Währung in der EWU auf die griechische Wirtschaft hatten. Dazu werden zum einen die Leitzinssetzungen der EZB zwischen 2000 und 2010 betrachtet und zum anderen wird gefragt, welchen Effekt das Wegfallen der Wechselkurse zu den Ländern der Eurozone für Griechenland hatte. Es ist wichtig zu bemerken, dass nicht alle oben beschriebenen Entwicklungen der griechischen Wirtschaft von der Geldpolitik oder der einheitlichen Währung direkt beeinflusst werden. Außerhalb des geld- und währungspolitischen Einflussgebietes liegen zum Beispiel die strukturellen Defizite. Die EZB senkte den Hauptrefinanzierungssatz zwischen 2000 und 2005 von 4,75 auf 2,25 Prozent, erhöhte ihn 2006 auf 3,5 und 2007 auf 4 Prozent. 2008 senkte sie den Leitzins wieder auf 2,5 Prozent und setzte danach für 2009 und 2010 das bis dato historische Tief von 1 Prozent durch (Eurostat EZB Refinanzierungssätze 2013). Der extrem niedrige Zins ab 2010 soll- 55 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland te die Kreditvergabetätigkeit im Euroraum, die im Zuge der Finanzkrise eingefroren war, wieder ankurbeln. Die Auswirkungen dieser Zinsentscheidungen auf Griechenland wurden oben schon dargelegt: Die nationale Inflationsrate Griechenlands war stets höher als der Durchschnitt der Eurozone und Griechenland erlebte nach dem Eurobeitritt einen Kredit- und Binnennachfrageboom (vrgl. Kapitel 5.1). Hierbei wirkten die EZB-Leitzinsen als Verstärker. Einzig die Leitzinserhöhung in den Jahren 2006 und 2007 war für die griechische Inflationsrate angemessen. Für Griechenland hat sich gleichwohl das eingestellt, was in Kapitel 3.1.2 als Risiko für die Mitgliedstaaten der Währungsunion erkannt wurde, falls deren Volkswirtschaften sich nicht konvergent zum Durchschnitt der Eurozone entwickeln. Die am Durchschnitt ausgerichtete Geldpolitik der EZB passte größtenteils nicht. Der zweite Aspekt ist der Wegfall der Wechselkurse zwischen Griechenland und seinen Handelspartnern in der Eurozone. Solange in Griechenland die Drachme noch das alleinige Zahlungsmittel war, konnte das Land seine Wettbewerbsposition zumindest zeitweise über eine Währungsabwertung stärken. Die Funktionsweise der Währungsabwertung wurde in Kapitel 3.1.2 erläutert. Mit dem Euro als gemeinsame Währung kann die nationale Wettbewerbsposition nur noch über die nationalen Löhne und die Preise und Qualität der Produktion beeinflusst werden (Schrader/Laaser 2010: 546). Diese Lösung setzt die Übereinstimmung und das Engagement der Arbeitgeber, Arbeitnehmer und des Staates voraus und zeigt seine Effekte mit größerer zeitlicher Verzögerung als die Währungsabwertung. Angesichts des Verlustes der Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft nach dem Beitritt zur Eurozone und dem immer größer werdenden Leistungsbilanzdefizit hätten nur Lohnmäßigungen und Effizienzsteigerungen in der Produktion die Situation von Griechenland verbessern können. Die griechischen Regierungen und Unternehmen scheinen aber entweder nicht willens oder nicht in der Lage gewesen zu sein, ernsthafte Schritte zu unternehmen. 6.1.3 Wie hätte eine alternative Geldpolitik für Griechenland aussehen können? Hier soll die Frage beantwortet werden, welche alternativen geldpolitischen Entscheidungen die griechische Zentralbank in den Jahren 2000 bis 2010 hätte fällen können, wäre sie noch Herrin über die Geldpolitik gewesen. Wie in der Einleitung zu Kapitel 6 bereits dargelegt, entspricht diese Vorgehensweise einer Politiksimulation und erlaubt eine Aussage darüber, welchen alternativen Entwicklungspfad die griechische Wirtschaft möglicherweise genommen hätte. Vereinfachend wird die Annahme getroffen, dass das Ziel der griechischen Zentralbank die Stabilisierung der griechischen Volkswirtschaft ist und dass sie dazu sowohl Leitzinsänderungen als auch Währungsabwertungen gegenüber dem Euro und dem US-Dollar 56 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland anwendet. Die unterstellte, alternative Geldpolitik stützt sich auf die tatsächlichen geldpolitischen Entscheidungen der griechischen Zentralbank vor dem Eurobeitritt und führt diese weiter. Es wird zudem unterstellt, dass die Europäische Währungsunion mit den gleichen Mitgliedern ohne Griechenland existiert und damit Auslandsschulden Griechenlands in Euro und US-Dollar anfallen. Alle Annahmen stützen sich auf die in den Kapiteln 4, 5 und 6 ermittelten Ergebnisse. Als erste Maßnahme hätte eine autonome griechische Zentralbank das Niveau der Leitzinsen der 1990er Jahre auch nach 2000 beibehalten können. 1998 lag der Hauptrefinanzierungssatz auf dem griechischen Interbankenmarkt bei 12,25 Prozent, 1999 bei 10,75 Prozent und 2000 bei 4,75.17 Es ist anzunehmen, dass sich in dem drastisch gesenkten Leitzins die Vorbereitung der griechischen Zentralbank auf den Eurozonenbeitritt ausdrückt. Der griechische Leitzins sollte in die Nähe des von der EZB zu erwartenden Leitzinses gebracht werden. Da die EZB nach dem Modell der Deutschen Bundesbank geformt wurde, konnte als Einstiegsleitzins ein Wert nahe dem deutschen Leitzins erwartet werden. Tatsächlich lag der erste von der EZB gesetzte Leitzins 1999 bei 3 Prozent, was dem Wert des deutschen Leitzinses von 1998 entspricht. Mit 10,75 Prozent lag der griechische Leitzins jedoch noch ein Jahr vor dem Eurobeitritt wesentlich über dem EZB-Niveau und es soll hier angenommen werden, dass die griechische Zentralbank ohne Eurobeitritt mit der Drachme einen ähnlichen geldpolitischen Kurs weiterverfolgt hätte. Damit wird bei einer autonomen griechischen Geldpolitik ein hypothetischer Leitzins von 10 Prozent zwischen 2000 und 2010 unterstellt. Der angenommene Satz liegt damit unter den Werten von 1997 und 1998, aber weit über dem EZB-Leitzins, der zwischen 2000 und 2010 durchschnittlich bei 2,7 Prozent lag. Der hypothetische Leitzins von 10 Prozent hätte eine bremsende Wirkung auf das Wirtschaftswachstum Griechenlands gehabt. Wie in Kapitel 3. Grundlagen der Europäischen Währungsunion zu den Grundlagen der EWU dargelegt, führt eine Erhöhung der Leitzinsen tendenziell zu einer Dämpfung der Wirtschaftstätigkeit, da Kredite teurer und Depositen attraktiver werden. Gleichzeitig wären ohne den Beitritt zur Eurozone die Zinsen auf griechische Staatsanleihen nicht von 8,5 Prozent im Jahr 1998 auf einen Minimalwert von 3,3 Prozent im Jahr 2005 gesunken (Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013). Bei Refinanzierungskosten von über 17 Alle in diesem Kapitel verwendeten Daten zu den Leizinsentscheidungen der griechischen Zentralbank stammen von: Eurostat nationale Refinanzierungssätze 2013 und alle Daten zu den Leitzinsentscheidungen der EZB von: Eurostat EZB Refinanzierungssätze 2013. Die gesamten Datensätze finden sich in Anhang A.3 Datensätze für Refinanzierungssätze EZB und nationale Refinanzierungssätze vor dem Eurobeitritt. 57 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland 5 Prozent hätten die griechischen Regierungen weniger Geld auf den Finanzmärkten aufnehmen können, womit die Staatsschulden weniger stark gestiegen wären. Die griechische Staatsschuldenquote ist nach 2000 auf über 100 Prozent des BIP gestiegen, worin sich der leichtere Zugang zu Krediten aus dem Euroraum bei einer gleichzeitig auf niedrigem Niveau verharrenden Produktivität spiegelt (Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013). Diese Entwicklung zeigt sich auch in dem ab 2000 steigenden Budgetdefizit. Trotzdem muss festgehalten werden, dass die griechischen Staatsschulden und das Budgetdefizit auch schon vor dem Eurobeitritt im EU-Vergleich hoch waren. Die griechische Staatsschuldenquote lag bereits in den 1990er Jahren über 90 Prozent des BIP. Die einheitliche Geldpolitik der EZB kann damit nicht für die hohen Staatsschulden Griechenlands verantwortlich gemacht werden. Im Hinblick auf die Frage, ob eine alternative Geldpolitik für Griechenland möglich gewesen wäre, muss auf Grundlage dieser Erkenntnis der Schluss gezogen werden, dass wahrscheinlich auch ein Leitzinssatz von 10 Prozent und Zinsen auf Staatsanleihen von über 8 Prozent den griechischen Staat nicht vor seinem Verschuldungs- und Defizitweg abgebracht hätten. Die Geldpolitik der EZB hat damit die destabilisierende Tendenz der griechischen Wirtschaft verstärkt, sie hat sie jedoch nicht verursacht. Wie schon mehrfach erwähnt, gibt ein Land mit dem Beitritt zur Eurozone auch die Möglichkeit auf, seine Währung gegenüber anderen abzuwerten. Hätte Griechenland auch zwischen 2000 und 2010 noch die Drachme gehabt, hätte das Land seine Währung gegenüber der Eurozone abwerten können und damit seine Wettbewerbsposition nach jeder Abwertung kurzfristig verbessert. Das Leistungsbilanzdefizit wäre weniger schnell gestiegen und die Branchen Schifftransport und Tourismus wären gestärkt worden. Nichtsdestotrotz blieben die beschriebenen strukturellen Defizite der griechischen Wirtschaft bestehen. Ferner wäre der Exportsektor auch mit der Drachme von der internationalen Finanzkrise getroffen und geschwächt worden. Eine entscheidende Überlegung ist hier zudem, was mit den griechischen Auslandsschulden im Falle einer Währungsabwertung geschieht. Es wird unterstellt, dass die Auslandsschulden in Euro und US-Dollar aufgenommen worden wären. Eine Abwertung der griechischen Drachme gegenüber diesen beiden Währungen bedeutet, dass mehr Drachmen aufgewendet werden müssen, um die gleiche Menge Euro oder US-Dollar zu erhalten. Die Auslandsschulden Griechenlands wären damit gegenüber der Drachme teurer geworden. Mit anderen Worten: Die Auslandsschulden steigen um den Faktor der Abwertung. Eine Währungsabwertung hätte damit also kurzfristig die Wettbewerbsposition Griechenlands gegenüber dem Ausland verbessert, sie hätte aber auch den Schuldenberg ansteigen lassen. Diese 58 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland Überlegungen führen zu dem Schluss, dass auch eine nationale Währung mit der Möglichkeit der Abwertung die Stabilität der griechischen Volkswirtschaft nicht wesentlich verbessert hätte. Für Griechenland muss also festgehalten werden, dass eine alternative Geldpolitik und eine nationale Währung in den Jahren 2000 bis 2010 aufgrund der großen strukturellen Defizite wahrscheinlich zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte als die einheitliche Geldpolitik der EZB. In Kapitel 6.3 werden die Implikationen dieses Ergebnisses für These 3 diskutiert. 6.2 Irland in den Jahren 1999 bis 2010 6.2.1 Entwicklung der irischen Wirtschaft Die wirtschaftliche Entwicklung Irlands wird von allen Beobachtern als außergewöhnlich und beeindruckend beschrieben. Bereits ab Mitte der 1990er Jahre konnte Irland eine durchschnittliche Wachstumsrate von 10 Prozent aufweisen, bei gleichzeitig sinkender Arbeitslosigkeit und steigender Produktivität. Zwischen 1999 und 2007 lag das durchschnittliche Wachstum immer noch bei 6 Prozent und Irland hatte, auch dank starker Zuwanderung, annähernd Vollbeschäftigung erreicht (IWF 2005: 4; Eurostat Datensatz BIP-Wachstumsrate 2013). War Irland jahrzehntelang das Armenhaus Europas gewesen, wies es 2006 ein BIP pro Kopf aus, welches das Land zum zweitreichsten Mitgliedstaat der EU machte (Busch 2012: 26). Diese Entwicklung trug Irland – in Anlehnung an die asiatischen Tigerstaaten – den Übernamen „Celtic Tiger“ ein (Dellepiane/Hardiman 2011: 1). Jim O´Leary stellt fest, dass die wirtschaftliche Entwicklung Irlands von zwei grundsätzlich verschiedenen Phasen geprägt war: Eine Phase vor und eine nach der Jahrtausendwende (O´Leary 2010: 3). Es wird sich zeigen, dass der Beitritt zu Eurozone 1999 einen entscheidenden Beitrag zum Übergang in Phase 2 geleistet hat. In der Zeit vor 2000 war Irland geprägt von einem Wachstum des Exportsektors und einem Leistungsbilanzüberschuss. Mit einer offensiven politischen Strategie machten sich die irischen Regierungen ab den 1990er Jahren daran, Irland zu einem Anziehungspunkt für große, multinationale Firmen zu machen. Es wurde ein wirtschaftsfreundliches Umfeld mit liberalen Handelspolitiken, geringen Unternehmenssteuern, Englisch sprechenden, gut ausgebildeten Arbeitnehmern, Lohnmäßigung und – mit der Vollendung des europäischen Binnenmarktes 1992 – unbehindertem Zugang zum europäischen Markt geschaffen. In der Folge siedelten sich zahlreiche ausländische Unternehmen in Irland an. Diese brachten Kapitalzuflüsse in der Form von Direktinvestitionen und waren in erster Linie auf den Export ihrer in Irland produ59 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland zierten Güter ausgerichtet, was sich positiv auf die Leistungsbilanz und das Wirtschaftswachstum auswirkte (Kitromilides 2012: 164-168). Gleichzeitig verhinderten die relativ hohen Leitzinsen der irischen Zentralbank von durchschnittlich 7,2 Prozent zwischen 1992 und 1998 ein Überhitzen der Wirtschaft (Eurostat nationale Refinanzierungssätze 2013). Für den Großteil dieser Phase gab es zudem eine institutionalisierte Ausgabenbremse. Im Ergebnis fielen die Staatsausgaben zwischen 1990 und 2000 von 33,4 Prozent des BIP auf 24,6 Prozent (O´Leary 2010: 4). Die Staatsschuldenquote Irlands lag 1998 bei 53 Prozent des BIP und damit unter dem Eurozonendurchschnitt. Das Budgetdefizit war mit -2,2 Prozent ebenfalls nicht besonders hoch (Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013, Budgetdefizit 2013; vrgl. Abbildung 3 und Abbildung 5 in Kapitel 5). Mit dem Eurobeitritt 1999 veränderte sich das irische Wirtschaftsmodell. Der Euro entwickelte sich im Vergleich zum Irischen Pfund zu einer starken Währung, was sich negativ auf die irische Wettbewerbsfähigkeit und den Export auswirkte. Außerdem lagen die Leitzinsen der irischen Zentralbank in den 1990er Jahren wie in Griechenland deutlich über den Sätzen, die bis 2005 von der EZB gesetzt wurden, womit die EZB-Leitzinsen eine ähnlich anheizende Wirkung für die irische Wirtschaft entfalteten. Mit den niedrigen Leitzinsen der EZB, welche die Refinanzierungskosten der Banken auf dem Euro-Interbankenmarkt bestimmten, stammte das in Irland zirkulierende Kapital nun zudem in erster Linie aus Krediten von Banken aus der Eurozone. Die meisten irischen Banken stiegen nach dem Eurobeitritt auf kurzfristige Refinanzierungskredite aus dem Euro-Interbankenmarkt um. Zuvor hatten sie sich in erster Linie national finanziert. Die niedrige Arbeitslosigkeit und Lohnsteigerungen führten zu einem Anstieg des Vermögens der irischen Haushalte, was sich positiv auf die Binnennachfrage und besonders die Nachfrage nach Immobilien auswirkte. In der Folge vergaben die irischen Banken immer mehr Immobilienkredite und die Bautätigkeit in Irland stieg massiv an (O´Leary 2010: 3; IWF 2007: 4). 2006 lag der Anteil der Investitionen im Bau- und Immobiliensektor bei 14 Prozent des irischen BIP und war damit mehr als doppelt so hoch wie im Eurozonendurchschnitt (Busch 2012: 26). Die Folge dieser Entwicklungen war, dass der Bausektor den Export als Wachstumsmotor ablöste und inländische Investitionen die Finanzierungsrolle der ausländischen Direktinvestitionen übernahmen (Kitromilides 2012: 168). Die bereits in den 1990er Jahren getroffene Entscheidung, den irischen Bankensektor zu deregulieren, zeigte nun ihre volle Wirkung. Risikoreiche Anleihen, hohe kurzfristige Gewinne und ein starker Zuwachs an Immobilienkrediten kennzeichneten die irischen Bankengeschäfte. Ähnlich wie in den USA war die Nachfrage kreditwürdiger Haushalte nach Immobilienkrediten bald ge- 60 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland ringer als das Kreditangebot. Um ihre auf dem Euro-Interbankenmarkt aufgenommene Liquidität trotzdem gewinnbringend am Markt anzulegen, beginnen die irischen Banken auch Haushalten mit schlechter Bonität Kredite zu gewähren. Von Interesse ist hierbei, dass die irischen Banken trotz der Deregulierung wenig am internationalen Handel mit CDO beteiligt waren. Der Großteil der an die nationalen Kunden vergebenen Kredite verblieb in den Bilanzen der irischen Banken und wurde nicht verbrieft und weiterverkauft (Kitromilides 2012: 169-170). Dennoch war das Geschäftsmodell der irischen Banken ähnlich instabil wie dasjenige ihrer amerikanischen Kollegen. Während der US-Bankensektor sich auf komplexe Finanzinstrumente spezialisierte, die im Zuge der Finanzkrise wie ein Kartenhaus zusammenbrachen, konzentrierten sich die irischen Banken auf die Vergabe von Bau- und Immobilienkredite an private Haushalte und Unternehmen und bereits 2005 gingen 50 Prozent aller irischen Kredite in den Bau- und den Immobiliensektor (IWF 2005: 18). Die private Verschuldung, an der Immobilienkredite einen wesentlichen Anteil hatten, stieg von knapp 80 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens im Jahr 2001 auf über 115 Prozent im Jahr 2004 und mit stetig steigenden Immobilienpreisen wuchs auch die Gefahr einer spekulativen Blase (IWF 2005: 6-7, 2009b: 3). Gleichzeitig blieb die öffentliche Verschuldung gering, obwohl die irischen Regierungen Anfang der 2000er Jahre die institutionelle Ausgabenbremse aufgehoben hatten und die Staatsausgaben in der Folge anstiegen (Dellepiane/Hardiman 2010: 8). Wie in Kapitel 5 schon gezeigt, sank die irische Staatsschuldenquote bis 2007 auf 25,1 Prozent des BIP, womit Irland nach Luxemburg und der Slowakei den niedrigsten Schuldenstand der gesamten Eurozone aufwies (Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013). Zwischen 1999 und 2007 war das irische Budgetsaldo zudem stets im Plus oder ausgeglichen (Eurostat Datensatz Budgetdefizit 2013). Möglich wurde dies, da der traditionell schlanke irische Staat besonders in den ersten Jahren stark von dem Aufschwung im Bau- und Immobiliensektor profitierte. In mehreren Steuerreformen zwischen 2000 und 2008 wurden die Einkommenssteuern sukzessive gesenkt und das gesamte Steuersystem auf (zum Teil indirekte) Steuern aus dem Bau- und Immobiliensektor umgestellt. Die Anteile der Erträge aus der Besteuerung von Aktivitäten in diesen beiden Sektoren an den gesamten Steuereinnahmen stiegen von 3 bis 4 Prozent in den 1990er Jahren auf knapp 16 Prozent im Jahr 2006. Gleichzeitig sank der Anteil der Erträge aus der Einkommenssteuer um 10 Prozent (O´Leary 2010: 5). Die hohen Steuereinnahmen verdeckten in Irland die wachsenden Defizite einer bloß auf wenige Sektoren aufbauenden Volkswirtschaft. Zu diesen Defiziten gehörte eine schmale und weiter schrumpfende Steuerbasis, steigende Staatsausgaben und Sozialleistungen, deren Fi- 61 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland nanzierung von den Steuereinnahmen abhängig war, sowie ab Mitte der 2000er Jahre Ansätze ein überdimensionierter öffentlicher Sektor mit überdurchschnittlichen Löhnen (IWF 2009b: 21-27). Gleichzeitig stiegen ab 2000 die Löhne im Privatsektor und es baute sich ein Inflationsdruck auf, welcher das allgemeine Preisniveau steigen ließ. Beide Entwicklungen schlugen sich in höheren Produktionskosten nieder, was zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit führte und Irlands Exportposition weiter schwächte (IWF 2007: 4-5). Bereits 2005 warnte der IWF, dass Irland eine einseitige Abhängigkeit vom Bau- und Immobiliensektor aufgebaut hat und dass ein Rückgang der Immobilienpreise zu massiven Verlusten bei den Banken, den privaten Haushalten und im öffentlichen Sektor führen kann. Die irische Regierung ging jedoch davon aus, dass das Land einen solchen Abschwung verkraften könnte und auch der IWF erwartete eher eine „sanfte Landung“ der Immobilienpreise denn einen plötzlichen Preissturz (IWF 2005: 19-23). Die Entwicklung der irischen Wirtschaft ab 2008 hat beide Einschätzungen als übertrieben optimistisch entlarvt. Die irischen Banken waren nach der Bankenkrise in Island die ersten europäischen Finanzinstitute, die von der internationalen Finanzkrise getroffen wurden. Die irischen Banken hatten sich zwar nicht am Verbriefungskarussell mit den CDO beteiligt, doch hatten sie sich stark auf dem Euro-Interbankenmarkt verschuldet und gerieten in Zahlungsschwierigkeiten als sich das Einfrieren der Finanzmärkte abzeichnete (Kitromilides 2012: 174, 179). Beinahe gleichzeitig sank in Irland die Nachfrage nach Immobilien, was als natürliche Korrektur der in den Vorjahren aufgebauten Blase interpretiert werden kann. Die dadurch fallenden Immobilienpreise verringerten das Vermögen der Haushalte, was zu Zahlungsausfällen bei dem Immobilienkrediten führte und die Banken in zusätzliche Schwierigkeiten brachte. Zudem brachen die Aktivitäten auf dem Bausektor in sich zusammen und die irische Volkswirtschaft bewegte sich auf eine Rezession zu. Zwischen 2007 und 2010 fiel das irische BIP um 8 Prozent und Irland erlebte ab 2009 eine Deflation. Die Arbeitslosigkeit stieg und eine Nettoemigration setzte ein (IWF 2012: 5-6; Eurostat Datensatz Inflation 2013). Irland hat damit unabhängig von den Entwicklungen auf dem US-amerikanischen sub primeMarkt eine eigene, nationale Immobilienkrise erlebt. Der Immobilien- und Bauboom wurde über die irischen Banken größtenteils mit ausländischen Mitteln finanziert, die im Zuge der internationalen Finanzkrise eingebrochen sind. Just in dem Moment, als auch die nationale Immobilienblase platzte und eine doppelte Krise der Realwirtschaft und des Bankensektors auslöste. Für den irischen Staat bedeuteten die Krise im Bau- und Immobiliensektor massive Steuereinbußen. Mit dem Abschwung der Bautätigkeit brachen die staatlichen Einnahmen in 62 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland sich zusammen und die irischen Steuereinträge fielen zwischen 2007 und 2009 um 30 Prozent. In der gleichen Zeit stieg die Staatsschuldenquote von 25,1 auf 64,8 Prozent. Der Einbruch der Steuereinnahmen in Kombination mit steigenden Kosten aus den Sozialsystemen – in erster Linie aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit – führte zu einem Budgetdefizit von 13,9 Prozent im Jahr 2009 (IWF 2012: 6; Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013, Budgetdefizit 2013). Mit dem gleichzeitigen Auftreten von nationalen Zahlungsausfällen und dem Einfrieren der Refinanzierungsmärkte drohte zahlreichen irischen Banken die Insolvenz. Die irische Regierung reagierte darauf mit einer pauschalen Garantie für alle Depositen und Verbindlichkeiten von sechs Banken, was zu einer enormen finanziellen Verantwortlichkeit des irischen Staates führte. Die Garantieleistungen, für die der irische Staat im Insolvenzfall aller sechs Banken hätte einstehen müssen, summierten sich auf mehr als 200 Prozent des BIP (IWF 2009b: 16). Zudem wurde Anfang 2009 die Anglo Irish Bank verstaatlicht und die beiden verbleibenden größten irischen Banken mit 7 Milliarden Euro aus staatlichen Geldern gestützt. Schließlich wurde auch noch eine sogenannte bad bank errichtet (die National Asset Management Agency NAMA), welche die nun wertlos gewordenen Hypotheken aufkaufte, um die Bilanzen der irischen Banken zu entlasten. Diese Rettungsmaßnahmen für den Bankensektor zeigten kurzfristig die erhofften Wirkungen und den irischen Banken war es wieder möglich, sich auf den internationalen Finanzmärkten zu refinanzieren (IWF 2009b: 15-16). Für den irischen Haushalt entpuppte sich die Bankenrettung jedoch als Pyrrhussieg. Bis zum Jahr 2010 hatte der irische Staat 46,3 Milliarden Euro für die Rekapitalisierung angeschlagener Banken aufgewendet, dies entspricht 30 Prozent des damaligen BIP. Die Staatschulden stiegen 2010 auf 92,1 Prozent und das Budgetdefizit erreichte ein Allzeithoch von -30,8 Prozent (Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013, Budgetdefizit 2013). Angesichts der Unsicherheit hinsichtlich weiterer Verluste im Bankensektor und der großen Schuldenlast, verloren die Finanzmärkte das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit des irischen Staates und die Zinssätze auf Staatsanleihen stiegen 2010 auf 5,7 Prozent. Die staatliche Bankengarantie wurde zur untragbaren Last und im November des Jahres 2010 wurde der irische Staat selbst von der Refinanzierung auf den Finanzmärkten ausgeschlossen. Wie zuvor Griechenland musste Irland die EU und den IWF in der Folge um finanzielle Unterstützung bitten (IWF 2012: 4-6; Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze). Irland wurde Opfer einer dreifachen Krise: einer Bankenkrise, einer Immobilienkrise, die in eine Krise der Realwirtschaft und eine Rezession mündete und einer Staatsschuldenkrise. Den 63 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland drei Krisen zugrunde liegen auf der einen Seite die internationale Finanzkrise und auf der anderen Seite die sinkenden Nachfrage nach Immobilien im Inland. Über die enge Verzahnung und wechselseitige Abhängigkeit der drei Sektoren haben sich die Krisen beeinflusst und bedingt. So traf die internationale Finanzkrise eigentlich nur den irischen Bankensektor, wo das Einfrieren der Finanzmärkte zu Refinanzierungsschwierigkeiten führte. Wäre es dabei geblieben, wäre Irland mit einer Liquiditätskrise im Bankensektor konfrontiert gewesen und es ist denkbar, dass ein Staat mit niedriger Schuldenquote und einem positiven Budgetsaldo diese hätte tragen und lösen können. Nun brach aber praktisch zeitgleich zum Ausbruch der internationalen Finanzkrise die Nachfrage nach Immobilien in Irland ein. Wie oben schon erwähnt, stand dies nicht im Zusammenhang mit dem Platzen der sub prime-Blase in den USA, sondern war ein nationales Phänomen, das auf eine Dekade überbewerteter Immobilienpreise mit massivem Wachstum im Bausektor folgte. Die sinkende Nachfrage wirkte sich negativ auf die Bautätigkeit aus. Damit flachte auch das Wirtschaftswachstum ab und Irland erlebte ab 2008 eine Rezession. Die steigenden Sozialausgaben belasteten den irischen Haushalt und ließen das Budgetdefizit steigen. Gleichzeitig wurden zahlreiche Kreditnehmer zahlungsunfähig, was den irischen Banken große Verluste bescherte. Der irische Staat sah sich daraufhin konfrontiert mit einer Rezession in der Realwirtschaft und einer Liquiditätskrise im Bankensektor, die sich zur Solvenzkrise wandelte. Die Bankenrettungen und die steigenden Lasten aus der Realwirtschaft führten letztendlich zu einem Ausschluss des irischen Staates von den Finanzmärkten. Welche Rolle spielte dabei die Geldpolitik der EZB und die gemeinsame Währung in der EWU? Diese Frage wird im folgenden Kapitel beantwortet. 6.2.2 Auswirkungen der einheitlichen Währung und Geldpolitik auf die irische Wirtschaft In diesem Kapitel wird – analog zu Kapitel 6.1.2 – untersucht, welche konkreten Auswirkungen die geldpolitischen Entscheidungen der EZB und die gemeinsame Währung auf die irische Wirtschaft hatten. Dazu werden zum einen die Leitzinssetzungen der EZB zwischen 2000 und 2010 betrachtet und zum anderen wird gefragt, welchen Effekt das Wegfallen der Wechselkurse zu den Ländern der Eurozone für Irland hatte. Die dreifache Krise Irlands muss dabei im Zentrum stehen. Welche der Entwicklungen, die letztendlich zum Ausschluss Irlands von der Refinanzierung auf den Finanzmärkten geführt haben, standen im Zusammenhang mit der Geldpolitik der EZB und der gemeinsamen Währung in der EWU? 1992 lag der Hauptrefinanzierungssatz der irischen Zentralbank bei 13,75 Prozent, 1993 bei 7 Prozent und 1998 bei 4 Prozent. Die irische Zentralbank hat ihren Leitzins im Verlauf der 64 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland 1990er Jahre schrittweise dem in der Eurozone zu erwartenden Leitzins von 3 Prozent angenähert und damit gleichzeitig das irische Wirtschaftswachstum unterstützt (Eurostat Datensatz nationale Refinanzierungssätze 2013, EZB Refinanzierungssatz 2013). Mit dem Beitritt zur Eurozone 1999 erhielten die irischen Banken Zugang zu dem großen von niedrigen Leitzinsen der EZB bestimmten Euro-Interbankenmarkt. Die Leitzinsen der EZB lagen bis 2005 bei durchschnittlich 2,9 Prozent und damit wesentlich unter den Leitzinsen der irischen Zentralbank der 1990er Jahre (Eurostat EZB Refinanzierungssatz 2013). Die irischen Banken nahmen in der Folge günstige Kredite im Euroraum auf und gaben sie zu guten Konditionen an ihre Kunden weiter. Dies heizte das Wirtschaftswachstum an und ließ letztlich eine Preisblase im Bau- und Immobiliensektor entstehen. Zu betonen ist hier, dass die Konzentration der Kreditvergabe im Bau- und Immobilienbereich von den irischen Regulierungsbehörden geduldet wurde. Sie lag damit nicht im Einflussgebiet der Geldpolitik der EZB. 2004 und 2005 sank die irische Inflationsrate auf ein dem Eurozonendurchschnitt ähnliches Niveau, womit die Leitzinsentscheidungen der EZB für Irland kurzzeitig angemessen waren. Doch wie schon in Kapitel 5.1 festgestellt, steigt die irische Inflationsrate bis 2008 wiederum schneller als die Inflation in der Eurozone (Eurostat Datensatz Inflation 2013). Damit zeigt sich für die Leitzinsentscheidungen der EZB ein ähnliches Bild wie bei Griechenland: die Leitzinsen, die zwischen 1999 und 2010 von der EZB gesetzt wurden, passten nicht größtenteils zu der konjunkturellen Entwicklung Irlands. Da in den 1990er Jahren stets über 50 Prozent der irischen Exporte in die Europäische Union (ohne Großbritannien) gingen, konnte der Exportsektor vom Wegfall der Wechselkursrisiken profitieren (Central Statistics Office 2014). Von größerer Bedeutung war jedoch, dass die Euroeinführung die irische Wettbewerbsposition schwächte, da der Vorteil des schwachen Pfundes gegenüber den europäischen Partnerländern wegfiel. Gleichzeitig entwickelte sich der Euro gegenüber dem US-Dollar und dem Britischen Pfund zu einer starken Währung. Wie oben bereits beschrieben, gewannen in der Folge der Binnenkonsum und Binneninvestitionen für das irische Wirtschaftswachstum an Bedeutung. Mit der steigenden Nachfrage nach Immobilien waren Investitionen im Bau- und Immobiliensektor eine attraktive Alternative zu der Exportorientierung. Die Betrachtung der Entwicklung der langfristigen Zinssätze auf irische Staatsanleihen (vrgl. Kapitel 5) führt zu dem Schluss, dass die Mitgliedschaft in der Eurozone keinen wesentlichen Einfluss auf die Refinanzierungskosten für den irischen Staat hatte. Auffällig ist, dass die Zinsen auf irische Staatsanleihen zwischen 1998 und 2000 sogar von 4,8 auf 5,5 Prozent stiegen, 65 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland um danach auf das Niveau des Eurozonendurchschnitts (3,3 Prozent im Jahr 2005) zu fallen (Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013). Die Finanzmärkte schätzten die Bonität Irlands schon vor dem Beitritt zur EWU relativ hoch ein und änderten diese Einschätzung auch nach Einführung des Euro nicht wesentlich. Damit ist der Fall Irlands anders gelagert als derjenige Griechenlands. Es kann nicht gesagt werden, dass die niedrigen Zinsen auf Staatsanleihen dem irischen Staat eine übertriebene Ausgabenpolitik ermöglicht hätten. Vielmehr war es die Ausrichtung des Steuersystems auf den Aufschwung im Bau- und Immobiliensektor, die Irland einen Strom an Einnahmen garantierte. 6.2.3 Wie hätte eine alternative Geldpolitik für Irland aussehen können? Wie schon für Griechenland soll in diesem Kapitel die Frage beantwortet werden, welche alternativen geldpolitischen Entscheidungen die irische Zentralbank in den Jahren 2000 bis 2010 hätte fällen können, wäre sie noch Herrin über die Geldpolitik gewesen. Wie in der Einleitung zu Kapitel 6 bereits dargelegt, entspricht diese Vorgehensweise einer Politiksimulation und erlaubt eine Aussage darüber, welchen alternativen Entwicklungspfad die irische Wirtschaft möglicherweise genommen hätte. Analog zum Szenario für Griechenland wird davon ausgegangen, dass das Ziel der irischen Zentralbank die Stabilisierung der irischen Volkswirtschaft ist und dass sie dazu sowohl Leitzinsänderungen als auch Währungsabwertungen gegenüber dem Euro und dem US-Dollar anwenden kann. Die unterstellte, alternative Geldpolitik stützt sich auf die tatsächlichen geldpolitischen Entscheidungen der irischen Zentralbank vor dem Eurobeitritt und führt diese weiter. Es wird zudem unterstellt, dass die Europäische Währungsunion mit den gleichen Mitgliedern ohne Irland existiert und damit Auslandsschulden Irlands in Euro und US-Dollar anfallen. Wie bei Griechenland soll auch für Irland ein hypothetischer Leitzins angenommen werden, der ohne Mitgliedschaft in der EWU für die Jahre 2000 bis 2010 von der irischen Zentralbank gesetzt worden wäre. Der hypothetische irische Leitzins liegt bei 6,5 Prozent und damit auf dem Niveau des tatsächlichen durchschnittlichen irischen Leitzinses zwischen 1994 und 1997, sowie über dem durchschnittlichen Leitzins der EZB zwischen 1999 und 2010 von 2,7 Prozent. Mit einem Leitzins von 6,5 Prozent hätte die irische Zentralbank versucht, das beeindruckende Wirtschaftswachstum der 1990er Jahres aufrecht zu erhalten und hätte immer noch Spielraum nach oben für eine dämpfende Geldpolitik gehabt. Gleichzeitig wären mit höheren Leitzinsen die Kredite in Irland teurer gewesen. Damit wären auch die Anreize für Investitionen im Bau- und Immobiliensektor geringer gewesen. Mit dem irischen Pfund als nationale Währung hätte Irland zudem weiterhin einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Handels66 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland partnern in Europa, den USA und Großbritannien gehabt und der Exportsektor hätte seine Bedeutung als Wachstumsmotor behalten. Letztlich hätte auch der irische Staat weniger Anreize gehabt, das Steuersystem einseitig auf Erträge aus dem Bau- und Immobiliensektor auszurichten. Ohne direkten Zugang zum Euro-Interbankenmarkt hätten sich die irischen Banken weniger im Ausland verschuldet und wären beim Ausbruch der internationalen Finanzkrise weniger hart vom Einfrieren der Finanzmärkte getroffen worden. Ferner hätte den irischen Banken ohne den leichten Zugang zu Finanzierung aus dem Euroraum weniger Geld für die Kreditvergabe in den nationalen Bau- und Immobiliensektor zur Verfügung gestanden. Damit hätten sie sich weniger stark in diesem Segment engagiert und wären auch weniger heftig von der sinkenden Nachfrage und den daraus folgenden Zahlungsausfällen der Kreditnehmer getroffen worden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich in Irland auch ohne Mitgliedschaft in der EWU ein Bau- und Immobilienboom mit darauffolgendem Platzen der Preisblase entwickelt hätte. Jedoch wäre mit den Leitzinsen von 6,5 Prozent das Kreditvolumen geringer gewesen und die irische Volkswirtschaft hätte mit dem Export noch ein zweites Standbein gehabt. Der irische Staat hätte sich mit einer allfälligen Bankenrettung weniger stark destabilisiert und wäre möglicherweise nicht von der Refinanzierung auf den Finanzmärkten ausgeschlossen worden. Auf Grundlage der kontrafaktischen Analyse lässt sich für Irland also festhalten, dass eine autonome Geldpolitik und die Beibehaltung des Irischen Pfund wahrscheinlich eine stabilere wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht hätten. Im folgenden Kapitel 6.3 werden die Implikationen dieses Ergebnisses für These 3 diskutiert. 6.3 Fazit Hier wird These 3 abschließend überprüft: Die Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland sind entstanden aus dem exogenen Schock der internationalen Finanzkrise auf die durch fehlende Konvergenz und eine einheitliche Geldpolitik charakterisierten Volkswirtschaften. In Kapitel 4 konnte bereits gezeigt werden, dass die internationale Finanzkrise als exogener Schock auf die Eurozone beschrieben werden kann. Damit ist der erste Teil von These 3 bestätigt. In Kapitel 5 wurde gezeigt, dass die Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands sich in den betrachteten Kriterien größtenteils nicht konvergent zum Rest der Eurozone entwickelt haben, womit der zweite Teil bestätigt ist. Wie sieht es nun für den dritten Teil der These, die Rolle der einheitlichen Geldpolitik, aus? 67 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland Die Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung Griechenlands und das kontrafaktische Gedankenexperiment lassen sich in vier Hauptergebnissen zusammenfassen: a) Eine autonome griechische Zentralbank hätte einen höheren Leitzins auch für die Zeit nach 2000 wählen können. Dies hätte eine bremsende Wirkung auf die griechische Wirtschaft gehabt und der Überhitzung entgegengewirkt. b) Die höheren Zinsen auf Staatsanleihen hätten es dem griechischen Staat schwieriger gemacht, sich auf den Finanzmärkten zu refinanzieren. Es wird angenommen, dass sich die geringeren finanziellen Mittel in geringeren Staatsausgaben und einem geringeren Schuldenstand nieder geschlagen hätten. c) Die Staatsschulden und auch das Budgetdefizit waren schon vor dem Beitritt zur Europäischen Währungsunion vergleichsweise hoch und sind zwischen 2000 und 2008 nur geringfügig gestiegen. Daraus lässt sich schließen, dass die gemeinsame Währung in der EWU und die einheitliche Geldpolitik der EZB weder den Schuldenstand noch das Budgetdefizit wesentlich in die Höhe getrieben haben. d) Eine Abwertung der Drachme hätte die Wettbewerbsposition Griechenlands gegenüber seinen Handelspartnern zwar kurzfristig verbessern können, jedoch wären damit auch die Auslandsstaatsschulden in US-Dollar und Euro um den Faktor der Abwertung gestiegen und die Schuldenlast des Landes wäre angewachsen. Diese Ergebnisse führen zu dem Schluss, dass These 3 für Griechenland nicht angenommen werden kann. Die Geldpolitik der EZB, im Besonderen die Leitzinssetzung, hat die destabilisierende Tendenz der griechischen Volkswirtschaft ab 2000 verstärkt, aber sie hat sie nicht verursacht. Es ist anzunehmen, dass Griechenland auch mit der Drachme und der Autonomie über die Geldpolitik bis 2010 einen untragbar großen Schuldenberg angehäuft hätte und mit den Auswirkungen des Schocks der Finanzkrise von der Refinanzierung an den Finanzmärkten ausgeschlossen worden wäre. Damit hätte auch eine stärkere Konvergenz der griechischen Volkswirtschaft zum Eurozonendurchschnitt die Staatsschuldenkrise wahrscheinlich nicht verhindern können. Bei der dreifachen Krise Irlands ist die Situation vor allem aufgrund der zahlreichen Wechselwirkungen zwischen den Entwicklungen im Vorfeld der Krisen komplexer. Trotzdem lassen sich aus der Analyse und dem kontrafaktischen Gedankenexperiment vier Hauptergebnisse ableiten: 68 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland a) Ein höherer Leitzins nach 1999 hätte wie im Fall Griechenlands eine bremsende Wirkung auf die irische Wirtschaft gehabt, ohne jedoch das Wirtschaftswachstum zu ersticken. b) Die höheren Refinanzierungskosten für die irischen Banken, die mit den höheren Leitzinsen einer autonomen irischen Zentralbank einhergegangen wären, hätten den Ausbau des Kreditvolumens eingeschränkt. Damit wären weniger Immobilienkredite vergeben worden und die irischen Banken wären weniger abhängig von Hypothekentilgungen und Zinsrückzahlungen geworden. Ein Rückgang der Nachfrage im Immobiliengeschäft hätte die Banken in der Folge weniger hart getroffen. c) Mit dem geringeren Kreditvolumen wäre auch der Boom im Bau- und Immobiliensektor weniger extrem ausgefallen und der irische Staat hätte weniger Anreize gehabt, das Steuersystem einseitig auf Erträge aus diesen beiden Branchen umzubauen. Die Steuereinnahmen wären damit nicht mit den sinkenden Immobilienpreisen zusammengebrochen. d) Das Irische Pfund hätte als schwache Währung gegenüber dem Euro, dem US-Dollar und dem Britischen Pfund die Wettbewerbsposition Irlands gestärkt, wovon der Exportsektor profitiert hätte. Letztlich hätte Irland ohne die Mitgliedschaft in der EWU wahrscheinlich einen geringeren oder keinen Immobilien- und Bauboom erlebt. So hätten weder die irischen Banken, noch die privaten Haushalte und Unternehmen oder der irische Staat einen Anreiz gehabt, sich einseitig auf die Erträge aus den beiden Branchen zu verlassen und den Rest der Volkswirtschaft zu vernachlässigen. Die nicht zu den konjunkturellen Entwicklungen Irlands passende Geldpolitik der EZB und die negativen Effekte des starken Euro für den Export hatten wesentlichen Anteil an der dreifachen irischen Krise. Auf Grundlage der hier ermittelten Ergebnisse kann These 3 für Irland bestätigt werden. Wie in Kapitel 4.3 zur Internationalen Finanzkrise bereits erwähnt, hat Kapitel 6 zudem gezeigt, dass die Finanzkrise als asymmetrischer Schock auf die griechische und die irische Wirtschaft gewirkt hat. Während in Griechenland der Staat durch das Einfrieren der Kreditmärkte in Refinanzierungsschwierigkeiten gekommen ist, war es in Irland in erster Linie der Bankensektor, der negativ von dem exogenen Schock getroffen wurde. Im Rückgriff auf Kapitel 2 lässt sich damit sagen, dass die Ökonomisten angesichts der Nicht-Erfüllung der Krite- 69 6. Einzelfallbetrachtung – Griechenland und Irland rien eines Optimalen Währungsraums zu Recht im Vorfeld der Errichtung der EWU Warnungen ausgesprochen hatten. Die Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands haben sich tatsächlich auf unterschiedliche Wirtschafts- und Produktionsstrategien spezialisiert und wurden deshalb von der internationalen Finanzkrise in unterschiedlicher Weise getroffen. Im folgenden Kapitel 7 werden die Ergebnisse der Kapitel 4, 5 und 6 mit den dazugehörigen Thesen in einer Synthese zusammengeführt und im Hinblick auf die Beantwortung der Fragestellung diskutiert. 70 7. Synthese und Beantwortung der Fragestellung 7. Synthese und Beantwortung der Fragestellung In diesem Kapitel wird die Fragestellung dieser Masterarbeit beantwortet: Welche Aspekte der Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland lassen sich auf die internationale Finanzkrise zurückführen und welche sind der Wirkung der einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die durch fehlende Konvergenz gekennzeichneten Volkswirtschaften geschuldet? Wie in der Einleitung dargelegt, besteht die Fragestellung aus drei Teilen, die einzeln betrachtet werden müssen. Dies drückt sich in den drei Thesen aus, die jeweils in eigenen Kapiteln, mit unterschiedlichen Methoden untersucht wurden. Kapitel 4 widmete sich der Frage, ob die internationale Finanzkrise als exogener Schock auf die EWU beschrieben werden kann. Damit sollte gezeigt werden, dass die Finanzkrise zwar einen wesentlichen Anteil am Ausbruch der Staatsschuldenkrise gehabt hat, die eigentlichen Schwierigkeiten der Krisenstaaten jedoch tiefer liegender Natur sind. Mit der Anwendung der Definition eines exogenen Schocks auf die Hintergründe und Auswirkungen der internationalen Finanzkrise auf die Eurozone konnte These 1: Die internationale Finanzkrise lässt sich als exogener Schock auf die Europäische Währungsunion beschreiben, bestätigt werden. Die internationale Finanzkrise hat die Staaten der Eurozone und die EU-Institutionen unvorbereitet getroffen und in ihrem zerstörerischen Ausmaß überfordert. In ihrem Ursprung war die internationale Finanzkrise ein Schock auf dem US-Immobilienmarkt, der über komplexe Finanzmarktinstrumente und eine enge Vernetzung der Finanzmärkte globale Konsequenzen hatte. Die internationale Finanzkrise war für die Eurozone jedoch nicht bloß ein exogener Schock, sondern zusätzlich ein asymmetrischer. Dies konnte für Griechenland und Irland gezeigt werden. Während in Griechenland der Staat aufgrund des Einfrierens der Finanzmärkte in Refinanzierungsschwierigkeiten kam, war in Irland in erster Linie der Bankensektor betroffen. In Kapitel 5 folgte die Untersuchung des zweiten Teils der Fragestellung, ausgedrückt in These 2: Die erhoffte Konvergenz der Volkswirtschaften Griechenlands und Irlands zum Durchschnitt der Eurozone hat sich in den ersten zehn Jahren des Bestehens der EWU nicht eingestellt. Es wurde die Entwicklung von drei der vier Konvergenzkriterien des Vertrages von Maastricht in Griechenland und Irland im Vergleich zu den Durchschnittswerten der Eurozone betrachtet. These 2 konnte teilweise bestätigt werden. Am eindeutigsten war die divergente Entwicklung im Fall des öffentlichen Schuldenstandes. Sowohl Griechenland als auch Irland haben sich in diesem Kriterium über den Beobachtungszeitraum divergent zum Eurozonendurchschnitt entwickelt. Griechenland wies zudem eine eindeutig divergente Entwicklung 71 7. Synthese und Beantwortung der Fragestellung beim Budgetdefizit auf, während Irland sich in der Preisstabilität deutlicher divergent entwickelt hat. Einzig die Zinssätze auf Staatsanleihen haben in beiden Ländern die erhoffte konvergente Entwicklung gezeigt. These 3 in Kapitel 6 brachte die Ergebnisse der beiden vorhergehenden Kapitel zusammen und stellte einen kausalen Zusammenhang zwischen dem exogenen Schock der internationalen Finanzkrise, der fehlenden Konvergenz der Volkswirtschaften und dem Ausbruch der Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland her: Die Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland sind entstanden aus dem exogenen Schock der internationalen Finanzkrise auf die durch fehlende Konvergenz zum Eurozonendurchschnitt und eine einheitliche Geldpolitik charakterisierten Volkswirtschaften. Das entscheidende Bindeglied ist hierbei die einheitliche Geldpolitik. Die Quintessenz der Kapitel 2 und 3 ist, dass eine einheitliche Geldpolitik und eine gemeinsame Währung in einer Währungsunion eine hinreichend konvergente Entwicklung der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten voraussetzen. Ist diese nicht bereits vor der Errichtung der Währungsunion gegeben oder stellt sie sich nicht im Verlauf ihres Bestehens ein, kann die einheitliche Geldpolitik nicht adäquat auf in diesem Fall asymmetrisch wirkende ökonomische Schocks reagieren und die Union sowie einzelne Mitgliedstaaten laufen Gefahr, nachhaltig destabilisiert zu werden. Mit der Bestätigung von These 1 und der teilweisen Bestätigung von These 2 sind zwei Teile von These 3 bereits erledigt. Nun mussten noch die Auswirkungen der einheitlichen Geldpolitik auf die sich größtenteils divergent zum Eurozonendurchschnitt entwickelnde griechische und irische Volkswirtschaft entdeckt und analysiert werden. Dazu wurden in den Kapiteln 6.1.1 und 6.2.1 die wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands und Irlands zwischen 1999 und 2010 detailliert dargelegt und Muster aufgezeigt. Die Ergebnisse werden hier noch einmal verkürzt dargestellt: Griechenland zeichnete sich aus durch eine lange staatliche Verschuldungshistorie, private Unternehmen und Haushalte, die stark von staatlichen Transfers und Subventionen abhängig sind sowie einem wachsenden Leistungsbilanzdefizit und einer erodierenden Wettbewerbsfähigkeit. Der Beitritt zur Europäischen Währungsunion brachte niedrige Leitzinsen und damit billige Kredite aus dem Rest der Eurozone sowie niedrige Zinsen auf Staatsanleihen. Beides führte zu einem kreditfinanzierten Wirtschaftswachstum. Als durch die internationale Finanzkrise die europäischen Finanzmärkte einfroren, kam Griechenland in Refinanzierungsschwierigkeiten und dem Land drohte der Staatsbankrott. Irland auf der anderen Seite sah sich Ende der 2000er Jahre mit einer dreifachen Krise konfrontiert. Einer Bankenkrise, einer Immobilienkrise, die in eine Krise der Realwirtschaft mündete und einer Staatsschuldenkrise. Den drei Krisen zugrunde 72 7. Synthese und Beantwortung der Fragestellung liegen auf der einen Seite die internationale Finanzkrise und auf der anderen Seite das Platzen der irischen Immobilienblase. Während die internationale Finanzkrise eigentlich nur den irischen Bankensektor traf, wurde die vom Immobilien- und Bausektor abhängige Realwirtschaft Opfer der sinkenden Nachfrage nach Immobilien und rutschte in eine Rezession. Ausfälle bei den Steuereinnahmen belasteten den irischen Haushalt und ließen das Budgetdefizit steigen. Gleichzeitig wurden zahlreiche Kreditnehmer zahlungsunfähig, was den irischen Banken große Verluste bescherte. Die Bankenrettungen und die steigenden Lasten aus der Realwirtschaft führten schließlich zu einem Ausschluss des irischen Staates von den Finanzmärkten. An die Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung Griechenlands und Irlands anknüpfend wurden in den Kapiteln 6.1.2 und 6.2.2 die Auswirkungen der einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die beiden Volkswirtschaften untersucht. Der am Durchschnitt der Eurozone ausgerichtete einheitliche Leitzins der EZB passte während einem Großteil der Zeit zwischen 1999 und 2010 nicht zu den konjunkturellen Entwicklungen in Griechenland und Irland und hatte damit eine destabilisierende Wirkung. Gleichzeitig wirkte sich die einheitliche Währung negativ auf die Wettbewerbsposition des griechischen und des irischen Exportsektors aus. Ein Unterschied zwischen den beiden Ländern liegt darin, dass die EWU-Mitgliedschaft Griechenland historisch tiefe Zinsen auf Staatsanleihen bescherte, während diese für Irland auch schon vor 1999 nah beim Eurozonendurchschnitt lagen. Es konnten also die Entwicklungspfade Griechenlands und Irlands bis zur Staatsschuldenkrise nachgezeichnet werden. Jedoch lässt dies noch keine Aussage darüber zu, ob die einheitliche Geldpolitik der EZB tatsächlich der entscheidende Faktor beim Ausbruch der Staatsschuldenkrisen war. Dazu diente ein Gedankenexperiment in Form einer kontrafaktischen Analyse. In den Kapiteln 6.1.3 und 6.2.3 wurde eine Situation imaginiert, in der Griechenland und Irland nicht Mitglieder der EWU sind und ihre nationalen Währungen behalten haben. Darauf aufbauend wurde überlegt, wie eine alternative Geldpolitik für Griechenland und Irland hätte aussehen können und welche Effekte sie gezeigt hätte. Die kontrafaktischen Analysen für Griechenland und Irland konnten in Kapitel 6.3 in je vier Hauptergebnissen zusammengefasst werden. Im Fall von Griechenland hat die Geldpolitik der EZB, im Besonderen die Leitzinssetzung, die destabilisierende Tendenz der griechischen Volkswirtschaft ab 2000 verstärkt. Sie hat sie jedoch nicht verursacht. Es wird gefolgert, dass Griechenland auch mit der Drachme und der Autonomie über die Geldpolitik bis 2010 einen untragbar großen Schuldenberg angehäuft hätte und mit den Auswirkungen des Schocks der Finanzkrise von der Refinanzierung an den Finanzmärkten ausgeschlossen worden wäre. Damit hätte auch eine stärkere 73 7. Synthese und Beantwortung der Fragestellung Konvergenz der griechischen Volkswirtschaft zum Eurozonendurchschnitt die Staatsschuldenkrise wahrscheinlich nicht verhindern können und These 3 kann für Griechenland nicht bestätigt werden. Anders sieht dies für Irland aus. Die kontrafaktische Analyse lässt hier den Schluss zu, dass Irland letztlich ohne die Mitgliedschaft in der EWU wahrscheinlich einen geringeren oder keinen Immobilien- und Bauboom erlebt hätte. So hätten weder die irischen Banken, noch die privaten Haushalte und Unternehmen oder der irische Staat einen Anreiz gehabt, sich einseitig auf die Erträge aus den beiden Branchen zu verlassen und den Rest der Volkswirtschaft zu vernachlässigen. Die nicht zu den konjunkturellen Entwicklungen Irlands passende Geldpolitik der EZB und die negativen Effekte des Wegfalls des Wettbewerbsvorteils durch das schwache Irische Pfund für den Export hatten wesentlichen Anteil an der dreifachen irischen Krise. Unter den erwähnten Vorbehalten, die für die Ergebnisse eines hypothetischen Gedankenexperiments gelten, kann auf Grundlage der kontrafaktischen Analyse These 3 für Irland bestätigt werden. Was lässt sich nun aus der Untersuchung der drei Thesen für die Fragestellung ableiten? Welche Aspekte der Staatsschuldenkrisen in Griechenland und Irland lassen sich auf die internationale Finanzkrise zurückführen und welche sind der Wirkung der einheitlichen Geldpolitik der EZB auf die durch fehlende Konvergenz gekennzeichneten Volkswirtschaften geschuldet? Die internationale Finanzkrise hat als exogener Schock die Eurozone getroffen und hat die Instabilität der griechischen und irischen Wirtschaft offengelegt. Die Finanzmärkte reagierten darauf mit einem Vertrauensentzug, der sich in steigenden Zinsen auf Staatsanleihen ausdrückte. Dies brachte beide Länder in Zahlungsschwierigkeiten und führte letztendlich zum Eingreifen der EU-Institutionen und des IWF. Außerdem wurden Griechenland und Irland in unterschiedlicher Weise von der internationalen Finanzkrise getroffen, was dem von den Ökonomisten erwarteten Schock mit asymmetrischen Konsequenzen entspricht. Hinsichtlich der Roll der einheitlichen Geldpolitik der EZB, zeigte sich, dass sie größtenteils nicht zu den konjunkturellen Entwicklungen der beiden Länder passte. Im Fall von Griechenland scheinen es jedoch in erster Linie strukturelle Defizite und nicht die Wirkung der einheitlichen Geldpolitik und der gemeinsamen Währung gewesen zu sein, welche zum Ausbruch der Staatsschuldenkrise geführt haben. Für Irland hingegen lässt die kontrafaktische Analyse den Schluss zu, dass die Mitgliedschaft in der EWU einen wesentlichen Anteil an der Destabilisierung des Landes hatte. Da die kontrafaktischen Analysen für Griechenland und Irland hypothetischer Natur sind, kann jedoch nicht mit abschließender Sicherheit gesagt werden, wie sich die Volkswirtschaften der beiden Länder mit einer nationalen Währung und einer autonomen 74 7. Synthese und Beantwortung der Fragestellung Geldpolitik entwickelt hätten. Zusätzlich ist die Generalisierbarkeit der Ergebnisse aufgrund der kleinen Fallzahl eingeschränkt. Wertvolle Erkenntnisse könnte eine Ausweitung der Analyse auf die anderen Krisenstaaten Portugal, Spanien und Zypern sowie die restlichen Mitglieder der EWU bringen. Weiter bietet sich auch ein Vergleich mit Großbritannien als NichtMitglied an. In Kapitel 8 folgt nun der Abschluss dieser Masterarbeit mit einem Rückgriff auf die in Kapitel 2.3 vorgestellten Reformvorschläge für die Europäische Währungsunion. Welche Schlüsse lassen sich aus der Untersuchung der Thesen und der Fragestellung hinsichtlich des in Zukunft einzuschlagenden Weges für die EWU ziehen? 75 8. Fazit und Empfehlungen 8. Fazit und Empfehlungen 8.1 Reformen seit 2011 Die Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung Griechenlands und Irlands im Vorfeld der Schuldenkrise hat gezeigt, dass die einheitliche Geldpolitik der EZB auf die durch fehlende Konvergenz zum Rest der Eurozone gekennzeichneten Volkswirtschaften eine destabilisierende Wirkung hatte. Obwohl die Schuldenkrise in Griechenland wahrscheinlich auch mit einer nationalen Währung ausgebrochen wäre, haben die Krisen gezeigt, dass die EWU mit großen internen Ungleichgewichten zu kämpfen hat, welche zu einer Gefahr für die gesamte Union werden können. Diese Erkenntnis hat sich mittlerweile auch in den EU-Institutionen durchgesetzt. Die Generaldirektion für Wirtschaft und Finanzen der Europäische Kommission schreibt in einem Occasional Paper von 2013, dass die europäische Schuldenkrise die Schwächen und Ungleichgewichte der Mitgliedstaaten der EWU offengelegt und damit die Fehler der Architektur der Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Eurozone deutlich gemacht hat (KOM 2013: 11). Als Reaktion auf diese Erkenntnis wurden seit 2011 mehrere Reformen verabschiedet. Es handelt sich dabei zum einen um Weiterentwicklungen des Stabilitäts- und Wachstumspakt und zum anderen um neu geschaffene Verträge. Das gemeinsame Ziel der Reformen ist eine verbesserte Überwachung und Koordination der Wirtschafts- und Fiskalpolitiken in der EU, wobei innerhalb der Eurozone bei Nicht-Erfüllung Sanktionen verhängt werden können. Gleichzeitig wird immer wieder die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Staaten für das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen betont. Da in dieser Arbeit Ereignisse vor 2010 im Mittelpunkt stehen, werden die verschiedenen Reformen nur kurz vorgestellt und im Hinblick auf die in Kapitel 2 eingeführten Positionen zur Zukunft der EWU eingeordnet. Abschließend kann eine Beurteilung unternommen werden, ob die Reformen mit Blick auf die in dieser Arbeit gefundenen Erkenntnisse in die richtige Richtung weisen oder ob alternative Maßnahmen empfehlenswert sind. 2011 verabschiedete die Europäische Kommission das aus fünf Verordnungen und einer Richtlinie bestehende Sixpack. Die Regelungen gelten für alle EU-Mitgliedstaaten, jedoch können bei Missachtung nur gegen die Staaten der Eurozone Sanktionen verhängt werden (KOM Webseite 2013c). Das Sixpack stärkt die beiden Arme des SWP und führt mit dem Gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichtsverfahren (Macroeconomic Imbalance Procedure) einen systemischen, länderübergreifenden Ansatz ein. Das Ungleichgewichtsverfahren soll den Aufbau von wirtschaftlichen Ungleichgewichten zwischen den EU-Mitgliedstaaten ver- 76 8. Fazit und Empfehlungen hindern und korrigieren (KOM 2013: 11-12). Stellt die Kommission ein übermäßiges Ungleichgewicht in einem Mitgliedstaat fest, kann sie ein Verfahren eröffnen, das den betreffenden Staat zu Korrekturmaßnahmen zwingt. Als „übermäßig“ werden Ungleichgewichte bezeichnet, wenn sie negative Auswirkungen auf die Funktionsweise der Wirtschaft eines Mitgliedstaats, der Eurozone oder der EU haben (Busch 2012: 34). Als Stärkung des Defizitverfahrens im Rahmen des SWP sieht das Sixpack eine Verschärfung der Sanktionsmöglichkeiten vor. Die Hauptneuerung ist, dass nicht länger die qualifizierte Zustimmung des Ministerrats zur Verhängung von Sanktionen benötigt wird. Vielmehr wird nun das Abstimmungsverfahren der umgekehrt qualifizierten Mehrheit angewandt, womit die von der Kommission vorgeschlagenen Sanktionen automatisch in Kraft treten, falls keine qualifizierte Mehrheit im Ministerrat dagegen stimmt (KOM 2013: 14-15). Damit scheint einer der Hauptkritikpunkte am SWP behoben zu sein. Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch auf, dass die Feststellung eines exzessiven Defizits zur Eröffnung eines Verfahrens gegen einen Mitgliedstaat der EWU immer noch mit qualifizierter Mehrheit geschehen muss. Es kann also sein, dass die Minister im Rat ihre Strategien zur Vermeidung von Sanktionen einfach auf diese Abstimmung verschieben und damit die Defizitverfahren gar nicht erst eröffnet werden. Das Sixpack gibt mit der Einführung des Europäischen Semesters zusätzlich einen zeitlichen Rahmen für die Überwachung der Haushaltslage der Eurostaaten vor. Die Beurteilung der nationalen Wirtschafts- und Fiskalpolitiken sowie der makroökonomischen Ungleichgewichte durch die Kommission findet nun jeweils statt bevor die EU-Staaten ihre Haushaltspläne für das kommende Jahr entwerfen und verabschieden. Die Kommission spricht daraufhin Empfehlungen aus, welche in die Pläne eingehen müssen. Mit der Erweiterung um zwei Verordnungen – das Twopack von 2013 – findet für die Staaten der Eurozone im Herbst außerdem eine Diskussion der zur Abstimmung kommenden Haushaltsentwürfe durch die Kommission statt. Das Ziel dieser vorgelagerten Koordination ist die bessere Umsetzung der europaweiten Vorgaben in die nationale Wirtschafts- und Fiskalpolitik (KOM Webseite 2013d). Sie stellt einen tiefgreifenden Eingriff in die Politikformulierung der Mitgliedstaaten dar. Die Reformen rund um Sixpack und Twopack stehen unter dem Motto: „Prevention is better than correction“ (KOM 2013: 16). Ebenfalls 2011 wurde der Euro-Plus-Pakt verabschiedet. Es handelt sich dabei um eine freiwillige Vereinbarung zwischen den 17 Staats- und Regierungschefs der Euroländer plus 6 Länder der EU, deren Währung nicht der Euro ist. Das erklärte Ziel des Pakts ist es, „eine neue Qualität der wirtschaftspolitischen Koordinierung im Euro-Währungsgebiet zu errei- 77 8. Fazit und Empfehlungen chen, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und dadurch einen höheren Grad an Konvergenz zu erreichen“ (Ministerrat 2011: 5). Wie das Sixpack zielt der Euro-Plus-Pakt also auf die wirtschaftliche Konvergenz und enthält zudem mit dem Ziel der Stärkung der nationalen Wettbewerbsfähigkeit ein neues Element. Der Schwerpunkt des Paktes liegt auf jenen Politikfeldern, die bei der Koordinierung der Wirtschafts- und Fiskalpolitik innerhalb der EWU in nationale Zuständigkeit fallen (Ministerrat 2011: 5). Die Unterzeichnerstaaten wollen also eine Koordinierung untereinander, die über die Abstimmung mit der Kommission hinausgeht. Der Pakt enthält die Verpflichtung, die Partnerstaaten zu informieren, bevor weitreichende Wirtschaftsreformen, die potenzielle spill over-Effekte haben, verabschiedet werden. Grundsätzlich ist es jedem Unterzeichnerstaat selbst überlassen, welche konkreten Maßnahmen er ergreift, um die im Rahmen des Pakts vereinbarten Ziele zu erreichen (Ministerrat 2011: 6-7). Damit stellt der Euro-Plus-Pakt einen Kompromiss zwischen der Einsicht in die Notwendigkeit der Koordinierung der Wirtschaftspolitiken und dem beharren auf nationaler Souveränität dar. Daniela Schwarzer, Mitglied der in Kapitel 2 vorgestellten Glieniker Gruppe, hegt Zweifel an der Wirksamkeit des Pakts: „Der Pakt ist weder EU-Recht noch ist er ein völkerrechtliches Abkommen. Es gibt folglich keine Umsetzung in nationales Recht, keine direkte Beteiligung nationaler Parlamente und keine Beschwerdemöglichkeit gegenüber nationalen Gerichten. Ob diese weiche Form der Politikkoordinierung mittelfristig zur nationalen Umsetzung der Zielvorgaben führt, ist fraglich“ (Schwarzer 2012: 21). Ein weiterer intergouvernementaler Vertrag, der den SWP stärken soll, trat im Januar 2013 in Kraft. Es handelt sich um den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung (Treaty on Stability, Convergence and Governance, TSCG), über dessen Einhaltung der EuGH wacht. Der Vertrag besteht aus sechs Titeln, von denen der dritte unter dem Namen Fiskalpakt am bekanntesten ist. Mit dem Fiskalpakt sind die Unterzeichnerstaaten (alle EU-Staaten außer Großbritannien und Tschechien) verpflichtet, den Ausgleich ihrer Haushalte in den nationalen Rechtssystemen festzuschreiben. Bestenfalls geschieht dies auf Verfassungsebene oder in Gesetzestexten mit vergleichbarer Verbindlichkeit. Es soll sichergestellt werden, dass die Vorgaben automatisch bei jedem zukünftigen Haushaltsplan eingehalten und automatische Korrekturmechanismen bei Abweichungen vom Ziel oder von dem dorthin führenden Anpassungspfad aktiviert werden (KOM 2013: 18-19; Europäischer Rat 2012). Der TSCG hält fest, dass das strukturelle Budgetdefizit nicht höher als 0,5 Prozent des BIP ausfallen darf. Mit dem mittelfristigen Ziel eines ausgeglichenen Haushalts stellt der TSCG damit eine wesentliche Verschärfung gegenüber dem im SWP erlaubten Budgetdefizit von 3 Prozent des BIP dar. Es 78 8. Fazit und Empfehlungen stellt sich die Frage, in wie weit dieses ehrgeizige Ziel erreichbar ist. Angesichts der mehrfachen Missachtung der Vorgaben aus dem SWP darf man hier – trotz der Zuständigkeit des EuGH – zumindest skeptisch sein. Als letzte hier vorgestellte Reform sollte im Zuge der Erfahrungen mit der Finanz- und der Schuldenkrise die Finanzmarktaufsicht verbessert und stärker auf europäischer Ebene angesiedelt werden. Die angestrebte Bankenunion unter der Aufsicht der EZB und das seit 2011 bestehende Europäische Finanzaufsichtssystem sowie der Europäische Ausschuss für Systemrisiken sind hier als Beispiele zu nennen (Schwarzer 2012: 18). Die Hauptschwierigkeit bei den Reformen für die EWU scheint zu sein, dass sie zahlreich und unübersichtlich sind. Es fällt nicht leicht, sich ein klares Bild der verschiedenen Maßnahmen, Verfahren und Sanktionen zu machen. Es besteht die Gefahr, dass aufgrund der Fülle von Vorgaben zu jeder Zeit mindestens ein Mitgliedstaat an einem Punkt irgendeines Verfahren steht. Dies bedeutet nicht nur einen großen bürokratischen Aufwand für die Kommission, den Ministerrat und die Staaten selbst. Schlimmstenfalls führt diese Über-Regulierung dazu, dass die Eröffnung eines Verfahrens zum Normalfall wird und diese damit ihre Abschreckungswirkung verlieren. In Kapitel 2 wurden zwei Positionen vorgestellt, die sich in der Frage nach der Weiterentwicklung der EWU und der wirtschaftlichen Integration gegenüberstehen. Die Reformen des SWP und die neu abgeschlossenen Verträge lassen sich eindeutig der Gruppe zuordnen, die eine verstärkte Zentralisierung auf europäischer Ebene und weitere Integrationsschritte fordert. Das Six- und das Twopack, der Euro-Plus-Pakt und der TSCG sind Instrumente, welche die zentrale Koordinierung und Überwachung der nationalen Wirtschafts- und Fiskalpolitiken stärken. Die Reformen haben damit die Erkenntnis der mangelnden Konvergenz der Volkswirtschaften in der EWU, welche auch von dieser Arbeit deutlich gemacht wurden, aufgenommen. Jedoch scheinen mit Blick auf die Ergebnisse der Analyse Griechenlands einzelne, nationale Probleme in der EWU so groß, dass eine weitere Zentralisierung der Koordinierung und Überwachung wahrscheinlich erst langfristig greifen kann. Irland auf der anderen Seite hatte bis 2008 keine Schwierigkeiten mit der Einhaltung der Vorgaben aus dem SWP. Eine Stärkung des SWP, mehr Überwachung, Zentralisierung und härtere Sanktionen – wie sie von den Reformen vorgesehen sind – hätten damit den Entwicklungspfad Irlands nicht beeinflusst. Einzig das Gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichtsverfahren und der Euro-Plus-Pakt hätten bei Irland überhaupt zur Anwendung kommen können. Doch auch diese Instrumente müssen ihre Wirksamkeit erst noch unter Beweis stellen. 79 8. Fazit und Empfehlungen 8.2 Wie weiter? Aufgrund der Aktualität des Themas und der Unsicherheit über die Zukunft der EWU sollen aus den Ergebnissen dieser Masterarbeit auch konkrete Politikempfehlungen abgeleitet werden. Die Untersuchung Griechenlands weist darauf hin, dass die Eurozone nicht bloß langfristig auf sichere Beine gestellt werden muss, sondern auch kurzfristige Mechanismen zur Eindämmung einer nationalen Krise braucht. Die Vorschläge von Heribert Dieter auf Grundlage des Vertrages von Maastricht weisen hier aus meiner Sicht in die richtige Richtung. Eine zwingende Ausschlussklausel für zahlungsunfähige Mitgliedstaaten würde das Spannungsverhältnis, das zwischen der Nichtbeistandsklausel im AEUV und der fehlenden Möglichkeit, aus der Eurozone auszutreten, lösen. Die freiwillige Austrittsoption wäre der logische Gegenpart zur Ausschlussklausel (vrgl. Dieter 2012). Schließlich wäre es angebracht, über ein staatliches Insolvenzverfahren für die Eurozone nach dem Vorbild des Chapter 9 im USamerikanischen Insolvenzrecht nachzudenken. Der Ausschluss eines zahlungsunfähigen Mitgliedstaates könnte dank eines solchen Verfahrens in geordneten, vorhersehbaren Bahnen ablaufen.18 Längerfristig müssen sich die Mitgliedstaaten der EWU und ihre Bevölkerungen klar werden, ob sie einen „Qualitätssprung der Integration“, wie von der Glieniker Gruppe gefordert, wollen oder nicht (Glieniker Gruppe 2013). Die weitgehende Zentralisierung der Wirtschafts- und Fiskalpolitik bedeutet den Verzicht auf einen weiteren, großen Teil staatlicher Souveränität. Transferzahlungen bedeuten die finanzielle Unterstützung von Partnerstaaten in der Währungsunion, deren Wirtschaftsleistung geringer ist als die eigene. Sei dies aus eigener Schuld oder aufgrund exogener Verwerfungen. Hier sollte man sich den immer wieder aufkommenden Widerstand der sogenannten Geberländer gegen den innerdeutschen Finanzausgleich in Erinnerung rufen. Wieso sollte einem eurozonenweiten Transfersystem nach ähnlicher Bauart mit größerer Akzeptanz begegnet werden? Ferner ist ein weiterer Souveränitätsverzicht angesichts des nach wie vor vorhandenen Demokratiedefizits der EU problematisch. Angesichts der in der Masterarbeit aufgezeigten Defizite der EWU und des langen Zeithorizonts, den die Reformen brauchen, um zu greifen, scheint eine auf bestehenden Verträgen beruhende Weiterentwicklung zur Zeit der bessere Weg. 18 Für einen Überblick über die Diskussion eines staatlichen Insolvenzverfahrens siehe im Allgemeinen: Rogoff/Zettelmeyer 2002 und für die EWU im Besonderen: Dullien/Schwarzer 2010. 80 9. Literatur- und Quellenverzeichnis 9. Literatur- und Quellenverzeichnis Abelshauser, Werner. 2010. „Die Erblast des Euro – eine kurze Geschichte der Europäischen Währungsunion“ Aus Politik und Zeitgeschichte Europa und der Euro 43: 39-45. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. [AEUV] Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Stand 1.1.2013. in: Beck-Texte im dtv (Verlag) „EuR Europarecht. 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A.1.2 Öffentliches Budgetdefizit Das öffentliche Budgetdefizit ist definiert als das Finanzierungssaldo des Sektors Staat gemäß dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen. Es entspricht der Differenz zwischen den Einnahmen und den Ausgaben des Staates relativ zum BIP zum Jahresende und wird verwendet, um die Budget-Konvergenz eines Beitrittskandidaten für die Eurozone nach den Maastrichter Konvergenzkriterien zu beurteilen sowie zur Entscheidung über die Eröffnung eines Defizitverfahrens (Eurostat Metadaten Budgetdefizit 2013). A.1.3 Öffentlicher Schuldenstand Der öffentliche Schuldenstand wird definiert als konsolidierter Brutto- Gesamtschuldenstand zum Nominalwert am Jahresende innerhalb aller Bereiche, in denen der Staatssektor Verbindlichkeiten aufgebaut hat (Eurostat Metadaten öffentlicher Schuldenstand 2013). A.1.4 Langfristige Zinssätze Die langfristigen Zinssätze werden als Jahresdurchschnitt der Renditen auf Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt vor Abzug der Steuer mit einer Restlaufzeit von möglichst 10 Jahren berechnet Eurostat Metadaten langfristige Zinssätze 2013). XI A. Anhang A.2 Datensätze für die quantitative Analyse der Konvergenzkriterien A.2.1 Preisstabilität Tabelle 1: Inflation Jahr 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Durchschnitt Griechenland Irland Eurozone 1,6 4,5 2,1 1,5 2,1 2,5 2,8 2,9 5,3 3,0 3,7 4 2,8 3,9 4,7 2,4 3,4 4 2,2 3 2,3 2,3 3,5 2,2 2,4 3,3 2,7 2,4 3 2,9 3,7 4,2 3,1 0,4 1,3 -1,7 1,7 4,7 -1,6 Quelle: Eurostat Datensatz Inflation 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes Tabelle 2: Abweichung der Inflation Griechenlands und Irlands Jahr Durchschnitt Griechenland Irland Eurozone Abweichung Abweichung 1998 1,6 +2,9 +0,5 1999 1,5 +0,6 +1,0 2000 2,8 +0,1 +2,5 2001 3,0 +0,7 +1,0 2002 2,8 +1,1 +1,9 2003 2,4 +1,0 +1,6 2004 2,2 +0,8 +0,1 2005 2,3 +1,2 -0,1 2006 2,4 +0,9 +0,3 2007 2,4 +0,6 +0,5 2008 3,7 +0,5 -0,6 2009 0,4 +0,9 -2,1 2010 1,7 +3,0 -3,3 Durchschnittliche, 1,1 1,2 absolute Abweichung Quelle: Eurostat Datensatz Inflation 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatz XII A. Anhang Tabelle 3: Inflation der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Berechnung des Durchschnitts Land/Jahr Belgien 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 0,9 1,1 2,7 2,4 1,6 1,5 1,9 2,5 2,3 1,8 4,5 0,0 2,3 (bis 1990 früheres Gebiet der BRD) 0,6 0,6 1,4 1,9 1,4 1,0 1,8 1,9 1,8 2,3 2,8 0,2 1,2 Irland 2,1 2,5 5,3 4,0 4,7 4,0 2,3 2,2 2,7 2,9 3,1 -1,7 -1,6 Griechenland 4,5 2,1 2,9 3,7 3,9 3,4 3,0 3,5 3,3 3,0 4,2 1,3 4,7 Spanien 1,8 2,2 3,5 2,8 3,6 3,1 3,1 3,4 3,6 2,8 4,1 -0,2 2,0 Frankreich 0,7 0,6 1,8 1,8 1,9 2,2 2,3 1,9 1,9 1,6 3,2 0,1 1,7 Italien 2,0 1,7 2,6 2,3 2,6 2,8 2,3 2,2 2,2 2,0 3,5 0,8 1,6 4,4 0,2 2,6 4,1 0,0 2,8 4,7 1,8 2,0 Deutschland Zypern Luxemburg 1,0 1,0 3,8 2,4 2,1 2,5 3,2 3,8 3,0 2,7 Malta Niederlande 1,8 2,0 2,3 5,1 3,9 2,2 1,4 1,5 1,7 1,6 2,2 1,0 0,9 Österreich 0,8 0,5 2,0 2,3 1,7 1,3 2,0 2,1 1,7 2,2 3,2 0,4 1,7 Portugal 2,2 2,2 2,8 4,4 3,7 3,3 2,5 2,1 3,0 2,4 2,7 -0,9 1,4 3,8 5,5 0,9 2,1 0,9 0,7 Slowenien Slowakei Finnland 1,3 1,3 2,9 2,7 2,0 1,3 0,1 0,8 1,3 1,6 3,9 1,6 1,7 Durchschnitt 1,6 1,5 2,8 3,0 2,8 2,4 2,2 2,3 2,4 2,4 3,7 0,4 1,7 Quelle: Eurostat Datensatz Inflation 2013 XIII A. Anhang A.2.2 Öffentliches Budgetdefizit Tabelle 4: Budgetsaldo in Prozent des BIP Jahr 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Durchschnitt Griechenland Irland Eurozone -1,0 Keine Daten 2,2 -0,4 Keine Daten 2,6 0,7 -3,7 4,7 -0,4 -4,5 0,9 -1,3 -4,8 -0,4 -1,9 -5,6 0,4 -2,2 -7,5 1,4 -1,7 -5,2 1,7 -0,6 -5,7 2,9 -0,3 -6,5 0,1 -2,1 -9,8 -7,4 -6,9 -15,6 -13,9 -7,3 -10,7 -30,8 Quelle: Eurostat Datensatz Budgetdefizit 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datenatzes Tabelle 5: Abweichungen des Budgetsaldos Griechenlands und Irlands vom Eurozonendurchschnitt Jahr Durchschnitt Eurozone 1998 -1,0 1999 -0,4 2000 0,7 2001 -0,4 2002 -1,3 2003 -1,9 2004 -2,2 2005 -1,7 2006 -0,6 2007 -0,3 2008 -2,1 2009 -6,9 2010 -7,3 Durchschnittliche, absolute Abweichung Griechenland Irland Abweichung Abweichung Keine Daten +3,2 Keine Daten +3,0 -4,4 +4,0 -4,1 +1,3 -3,5 +0,9 -3,7 +2,3 -5,3 +3,6 -3,5 +3,4 -5,1 +3,5 -6,2 +0,4 -7,7 -5,3 -8,8 -7,1 -3,5 -23,6 5,1 4,7 Quelle: Eurostat Datensatz Budgetdefizit 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes XIV A. Anhang Tabelle 6: Budgetsaldo der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Berechnung des Durchschnitts Land/Jahr 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Belgien -0,9 -0,6 0,0 0,4 -0,1 -0,1 -0,1 -2,5 0,4 -0,1 -1,0 Deutschland -2,3 -1,6 1,1 -3,1 -3,8 -4,2 -3,8 -3,3 2,2 2,6 4,7 0,9 -0,4 0,4 Griechenland Keine Keine Daten Daten Spanien -3,0 -1,2 -3,7 -4,5 -4,8 -5,6 -7,5 -5,2 -0,9 -0,5 -0,2 -0,3 -0,1 Frankreich -2,6 -1,8 -1,5 -1,5 -3,1 -4,1 -3,6 -2,9 -2,3 -2,7 -3,3 -7,5 -7,1 Italien -2,7 -1,9 -0,8 -3,1 -3,1 -3,6 -3,5 -4,4 -3,4 -1,6 -2,7 -5,5 -4,5 0,9 -6,1 -5,3 3,2 -0,8 -0,9 -4,6 -3,7 -3,6 0,5 -5,6 -5,1 -1,6 0,2 -0,1 -5,6 -3,8 -3,1 -4,1 (bis 1990 früheres Gebiet der BRD) Irland 1,4 1,7 1,3 2,9 0,1 -7,4 -13,9 -30,8 -5,7 -6,5 -9,8 -15,6 -10,7 2,4 1,9 -4,5 -11,2 Zypern Luxemburg 3,4 3,4 6,0 6,1 2,1 0,5 -1,1 0,0 1,4 3,7 Malta 0,5 Niederlande -0,9 0,4 2,0 -0,2 -2,1 -3,1 -1,7 -0,3 Österreich -2,4 -2,3 -1,7 0,0 -0,7 -1,5 -4,4 -1,7 -1,5 -0,9 -0,9 -4,1 -4,5 Portugal -3,9 -3,1 -3,3 -4,8 -3,4 -3,7 -4,0 -6,5 -4,6 -3,1 -3,6 -10,2 -9,8 0,0 -1,9 -6,2 -5,9 -8,0 -7,7 4,4 -2,5 -2,5 -0,6 -0,3 -2,1 -6,9 -7,3 Slowenien 0,2 -9,7 Slowakei Finnland Durchschnitt 1,7 1,7 7,0 5,1 4,2 2,6 -1,0 -0,4 0,7 -0,4 -1,3 -1,9 2,5 2,9 -2,2 -1,7 4,2 5,3 Quelle: Eurostat Datensatz Budgetdefizit 2013 XV A. Anhang A.2.3 Öffentlicher Schuldenstand Tabelle 7: Öffentlicher Schuldenstand Jahr 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Durchschnitt Griechenland Irland Eurozone 66,7 94,5 53 65,1 94 47 62,7 103,4 35,1 62,1 103,7 35,2 61,3 101,7 32 61,2 97,4 30,7 61,1 98,6 29,5 61,2 100 27,3 60,2 106,1 24,6 55,7 107,4 25,1 60,1 112,9 44,5 67,6 129,7 64,8 74,2 148,3 92,1 Quelle: Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes Tabelle 8: Abweichungen des Schuldenstandes Griechenlands und Irlands vom Eurozonendurchschnitt Jahr Durchschnitt Griechenland Irland Eurozone Abweichung Abweichung 1998 66,7 +27,8 -13,7 1999 65,1 +28,9 -18,1 2000 62,7 +40,7 -27,6 2001 62,1 +41,6 -26,9 2002 61,3 +40,4 -29,3 2003 61,2 +36,2 -30,5 2004 61,1 +37,5 -31,6 2005 61,2 +38,8 -33,9 2006 60,2 +46,0 -35,6 2007 55,7 +51,7 -30,6 2008 60,1 +52,8 -15,6 2009 67,6 +62,1 -2,8 2010 74,2 +74,1 +17,9 Durchschnittliche, absolute Abwei44,5 24,2 chung Quelle: Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes XVI A. Anhang Tabelle 9: Öffentlicher Schuldenstand der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Berechnung des Durchschnitts Land/Jahr 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Belgien 117,2 113,6 107,8 106,5 103,4 98,4 94 92 88 84 89,2 95,7 95,5 Deutschland (bis 1990 früheres Gebiet der BRD) Irland 60,5 61,3 60,2 59,1 60,7 64,4 66,2 68,5 68 65,2 66,8 74,5 82,4 53 47 35,1 35,2 32 30,7 29,5 27,3 24,6 25,1 44,5 64,8 92,1 94 103,4 103,7 101,7 97,4 98,6 100 106,1 107,4 112,9 129,7 148,3 Griechenland 94,5 Spanien 64,1 62,4 59,4 55,6 52,6 48,8 46,3 43,2 39,7 36,3 40,2 53,9 61,5 Frankreich 59,4 58,9 57,3 56,9 58,8 62,9 64,9 66,4 63,7 64,2 68,2 79,2 82,4 Italien 114,3 113,1 108,6 108,3 105,4 104,1 103,7 105,7 106,3 103,3 106,1 116,4 119,3 Zypern Luxemburg 7,1 6,4 6,2 6,3 6,3 6,1 6,3 6,1 6,7 6,7 Malta 48,9 58,5 61,3 14,4 15,3 19,2 60,9 66,4 67,4 Niederlande 65,7 61,1 53,8 50,7 50,5 52 52,4 51,8 47,4 45,3 58,5 60,8 63,1 Österreich 64,4 66,8 66,2 66,8 66,2 65,3 64,7 64,2 62,3 60,2 63,8 69,2 72 Portugal 51,8 51,4 50,7 53,8 56,8 59,4 61,9 67,7 69,4 68,4 71,7 83,7 94 23,1 22 35 38,6 35,6 41 Slowenien Slowakei Finnland 48,4 45,7 43,8 42,5 41,5 44,5 44,4 41,7 39,6 35,2 33,9 43,5 48,6 Durchschnitt 66,7 65,1 62,7 62,1 61,3 61,2 61,1 61,2 60,2 55,7 60,1 67,6 74,2 Quelle: Eurostat Datensatz Schuldenstand 2013 XVII A. Anhang A.2.4 Langfristige Zinssätze Tabelle 10: Langfristige Zinssätze Jahr 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Durchschnitt Griechenland Irland Eurozone 5,1 8,5 4,8 4,8 6,3 4,7 5,5 6,1 5,5 5,0 5,3 5,0 4,9 5,1 5,0 4,1 4,3 4,1 4,0 4,3 4,1 3,3 3,6 3,3 3,8 4,1 3,8 4,4 4,5 4,3 4,5 4,8 4,5 4,2 5,2 5,2 4,2 9,1 5,7 Quelle: Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes Tabelle 11: Abweichungen der langfristigen Zinssätze Griechenlands und Irlands vom Eurozonendurchschnitt Jahr Durchschnitt Griechenland Irland Eurozone Abweichung Abweichung 1998 5,1 +3,4 -0,3 1999 4,8 +1,5 -0,1 2000 5,5 +0,6 +0,0 2001 5,0 +0,3 +0,0 2002 4,9 +0,2 +0,1 2003 4,1 +0,2 +0,0 2004 4,0 +0,2 +0,1 2005 3,3 +0,3 +0,0 2006 3,8 +0,3 +0,0 2007 4,4 +0,1 -0,1 2008 4,5 +0,3 +0,1 2009 4,2 +1,0 +1,0 2010 4,2 +4,9 +1,6 Durchschnittliche, absolute 44,5 0,2 Abweichung Quelle: Eurostat Datensatz langfristige Zinssätze 2013 und eigene Berechnungen auf Grundlage des Datensatzes XVIII A. Anhang Tabelle 12: Langfristige Zinssätze der Mitgliedstaaten der Eurozone zur Berechnung des Durchschnitts Land/Jahr Belgien 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 4,8 4,8 5,6 5,1 5,0 4,2 4,2 3,4 3,8 4,3 4,4 3,9 3,5 (bis 1990 früheres Gebiet der BRD) 4,6 4,5 5,3 4,8 4,8 4,1 4,0 3,4 3,8 4,2 4,0 3,2 2,7 Irland 4,8 4,7 5,5 5,0 5,0 4,1 4,1 3,3 3,8 4,3 4,5 5,2 5,7 Griechenland 8,5 6,3 6,1 5,3 5,1 4,3 4,3 3,6 4,1 4,5 4,8 5,2 9,1 Spanien 4,8 4,7 5,5 5,1 5,0 4,1 4,1 3,4 3,8 4,3 4,4 4,0 4,3 Frankreich 4,6 4,6 5,4 4,9 4,9 4,1 4,1 3,4 3,8 4,3 4,2 3,7 3,1 Italien 4,9 4,7 5,6 5,2 5,0 4,3 4,3 3,6 4,1 4,5 4,7 4,3 4,0 4,6 4,6 4,6 4,6 4,2 3,2 4,8 4,5 4,2 Deutschland Zypern Luxemburg 4,7 4,7 5,5 4,9 4,7 3,3 2,8 2,4 3,3 4,5 Malta Niederlande 4,6 4,6 5,4 5,0 4,9 4,1 4,1 3,4 3,8 4,3 4,2 3,7 3,0 Österreich 4,7 4,7 5,6 5,1 5,0 4,1 4,1 3,4 3,8 4,3 4,4 3,9 3,2 Portugal 4,9 4,8 5,6 5,2 5,0 4,2 4,1 3,4 3,9 4,4 4,5 4,2 5,4 4,5 4,6 4,4 3,8 4,7 3,9 Slowenien Slowakei Finnland 4,8 4,7 5,5 5,0 5,0 4,1 4,1 3,4 3,8 4,3 4,3 3,7 3,0 Durchschnitt 5,1 4,8 5,5 5,0 4,9 4,1 4,0 3,3 3,8 4,4 4,5 4,2 4,2 XIX A. Anhang A.3 Datensätze für Refinanzierungssätze EZB und nationale Refinanzierungssätze vor dem Eurobeitritt Tabelle 13: Nationaler Hauptrefinanzierungssatz vor dem Eurobeitritt Jahr 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 Griechenland Irland keine Daten keine Daten keine Daten keine Daten keine Daten 13,75 keine Daten 7,00 keine Daten 6,25 keine Daten 6,5 keine Daten 6,25 12,75 6,75 12,25 4,00 10,75 EZB-Zinssatz 4,75 EZB-Zinssatz Quelle: Eurostat nationale Refinanzierungssätze 2013 Tabelle 14: EZB Hauptrefinanzierungssatz Jahr 1999 2000 2001 2001 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Eurozone 3,00 4,75 3,25 2,75 2,00 2,00 2,25 3,50 4,00 2,50 1,00 1,00 Quelle: Eurostat EZB Refinanzierungssätze 2013 XX