Anhang ZUSAMMENFASSUNG Helicobacter besiedelt den Magenschleim in unmittelbarer Nähe der epithelialen Oberfläche. In einer vorangegangenen Untersuchung wurde in unserem Labor das Verteilungsmuster von H. felis im Magen der Maus in vivo beschrieben. H. felis siedelt sich in einem dünnen Schleimsegment, welches die ersten 25 µm oberhalb des Epithels umfasst, an. Der Hauptteil der Bakterien findet sich in einem Bereich 10-20 µm vom Epithel entfernt. Die übrige Schleimschicht, die in etwa 100 µm umfasst, ist frei von Bakterien. Die Verteilung von H. pylori im Magenschleim des Gerbils unterscheidet sich in einigen Punkten von der von H. felis, wie hier gezeigt werden konnte. Beide Spezies besiedeln zwar ausschließlich die ersten 25 µm des Schleims, jedoch hält sich H. pylori näher am Magenepithel auf. Der Hauptteil von H. pylori findet sich in den ersten 15 µm der Schleimschicht, wobei sich ein Drittel der Bakterien in den ersten 5 µm, also in direktem Kontakt zum Epithel, aufhält. Es war wenig darüber bekannt, wie Helicobacter seine ökologische Nische im Magenschleim erkennt. Aufgrund des kontinuierlichen Schleimflusses sind sowohl die hohe Motilität als auch ihr Orientierungsvermögen entscheidend für die permanente Besiedlung des Schleims. In dieser Arbeit wurde das chemotaktische Verhalten von H. felis und H. pylori in vivo im Magenschleim von Maus und Gerbil untersucht, um die chemischen Gradienten zu identifizieren, die Helicobacter für seine Orientierung benötigt. Im Magenschleim sind drei permanent vorhandene Gradienten bekannt: der pH-Gradient, der Bicarbonat/CO2-Gradient und der Harnstoff/Ammonium-Gradient, der durch die bakterielle Urease bei infizierten Individuen hervorgerufen wird. Sowohl Harnstoff als auch Bicarbonat sind als Lockstoffe von Helicobacter in vitro beschrieben. Da es zusätzlich Spekulationen darüber gibt, ob die luminalen pH- und Bicarbonat-Verhältnisse einen Einfluss auf die Orientierung von Helicobacter haben, wurden auch diese Bedingungen in die hier vorgestellten Untersuchungen mit aufgenommen. 64 Anhang In unserer Gruppe wurde vor einiger Zeit eine Methode entwickelt, die es erlaubt, das Verteilungsmuster und die Kolonisationsdichte von Helicobacter im Magenschleim genau zu beschreiben. Dabei werden aus dem eröffneten Magen der narkotisierten Tiere Nanoproben entnommen. Der Magen der Tiere ist exponiert und wird von einer luminalen Superfusion definierter Zusammensetzung durchströmt. Eine peritoneale Perfusion, die als Dialyse wirkt, erlaubt die Modifikation von Harnstoff- und Ammoniumkonzentrationen im arteriellen Blut. Die Dialyse, zusammen mit der inspiratorischen Gasfraktion, ermöglicht es außerdem, Änderungen der arteriellen Bicarbonat- und CO2-Konzentrationen, sowie des arteriellen pH durchzuführen. Um die Gradienten zu finden, die bei der Orientierung von Helicobacter beteiligt sind, modifizierten wir individuell Gradienten durch Austausch der luminalen Superfusion, der Dialyse und der inspiratorischen Gasfraktion. Weder die Neutralisierung des luminalen pH, noch die Umkehrung des Harnstoff/Ammonium-Gradienten, beeinflussten die Verteilung von Helicobacter. Zur Absenkung des epithelnahen Schleim-pH wurde der arterielle pH durch eine hohe inspiratorische CO2-Fraktion, bei gleichbleibender arterieller Bicarbonatkonzentration erniedrigt. Diese Änderung hatte keinen Effekt auf die bakterielle Orientierung. Weiterhin wurde die Bicarbonatkonzentration im Magenschleim verändert. Dazu wurde die Bicarbonatkonzentration und der pCO2 im arteriellen Blut erniedrigt, während der pH unverändert blieb. Diese Änderung wurde durch eine Hyperventilation und eine Reduzierung der Bicarbonatkonzentration mittels der Dialyse erzeugt. Es konnte kein Effekt auf die Orientierung der Bakterien beobachtet werden. Als dritte Möglichkeit wurden der arterielle pH, und die arterielle Bicarbonatkonzentration durch die Dialyse bei konstanter Ventilation abgesenkt. Dies resultierte in einer Aufhebung des Schleim-pH-Gradienten. Unter diesen Bedingungen nahm die Bakteriendichte im epithelnahen Schleim signifikant ab. Etwa die Hälfte der Bakterien verblieb in den ersten 25 µm des Schleims, der Rest fand sich ungeordnet in der gesamten Schleimschicht und im Magenlumen wieder. Um zu bekräftigen, dass die Kombination aus einem erniedrigten arteriellen pH und einer erniedrigten Bicarbonatkonzentration zur Aufhebung des Schleim-pH-Gradienten führt, haben 65 Anhang wir eine zusätzliche Serie von Experimenten an der isolierten Antrum-Mucosa von Meerschweinchen durchgeführt. Diese Methode benutzt ultrafeine, doppelläufige ionensensitive Mikroelektroden, die den Schleim-pH direkt registrieren. Mit dieser Methode haben wir gezeigt, dass nur unter der gleichzeitigen Absenkung des arteriellen pH und der Bicarbonatkonzentration der epithelnahe Schleim-pH auf den luminalen pH abfällt, was den Schleim-pH-Gradienten aufhebt. Weiterhin konnten wir mit dieser Methode zeigen, dass eine alleinige Absenkung des pH oder der Bicarbonatkonzentration den Schleim-pH-Gradienten nicht beeinflusst. Zusammenfassend konnte gezeigt werden, dass der Schleim-pH-Gradient die Orientierung von Helicobacter ermöglicht. 66