Deutsches Ärzteblatt 1994: A-624

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POLITIK
AKTUELL
US-Konsens über Therapie des peptischen Ulkus
Helicobacter pylori mit
Antibiotika bekämpfen
In den siebziger Jahren wurde
die konservative Therapie von Magen- und Duodenalgeschwüren
durch die Entwicklung von H2-Rezeptoren- und Protonenpumpenblokkern revolutioniert. Dieses Behandlungskonzept, das vielen Betroffenen
einen operativen Eingriff erspart hat,
erfährt jetzt nach den Empfehlungen
einer Konsensus-Konferenz der nationalen amerikanischen Gesundheitsbehörde (NIH, Bethesda) eine
Erweiterung: Danach sollen Patienten mit peptischem Ulkus antibiotisch behandelt werden — unabhängig davon, ob sich das Ulkus erstmalig manifestiert oder als Rezidiv auftritt. „Säureblocker" sind, so das
Gremium, unbedingt adjuvant zur
Linderung der typischen Ulkusbeschwerden, zur schnelleren Abheilung und zur Vermeidung von Komplikationen indiziert.
Ursache für diese Entscheidung
ist das Bakterium Helicobacter pylori, welches erstmals im Jahr 1982 aus
der Magenschleimhaut isoliert werden konnte. Seither mehren sich die
Studien, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Keimbesiedelung
und dem Auftreten von Magen- und
Duodenalgeschwüren nachgewiesen
haben. Helicobacter pylori findet
sich bei über 90 Prozent der Patienten mit Ulcus duodeni und bei (je
nach Autor) 60 bis 80 Prozent der
Fälle mit Ulcus ventriculi — selten
dagegen bei Magengesunden.
Auch hinsichtlich der Rezidivrate liegen mehrere Studien vor: Bei
Helicobacter pylori-positiven Patienten ist in bis zu 80 Prozent mit einem
Wiederaufflackern der Ulkuskrankheit zu rechnen, bei Erreger-negativen Patienten dagegen nur in zehn
Prozent. Sogar die Entstehung von
Magenkarzinomen soll durch eine
von Helicobacter pylori erzeugte
Atrophie der Magenschleimhaut begünstigt werden. Nach epidemiologischen Studien erhöht der Erreger das
Karzinomrisiko um den Faktor drei
bis sechs.
Prädilektionsort des Keimes ist
die Antrumregion; dort lebt der Erreger innerhalb und unterhalb der
Mukusschicht des Magens, aber auch
zwischen einzelnen Epithelzellen
oder in Einstülpungen der laminaren
Zellmembranen. Da der Keim auch
zytotoxische Enzyme freisetzt, bilden
sich allmählich spezifische Veränderungen aus — wie die Zerstörung der
Mikrovilli und eine Reduktion des
Schleimgehalts der Zellen.
Im Jahr 1988 konnte Marshall
erstmals zeigen, daß die Eradikation
des gramnegativen Stäbchens mit
Chemotherapeutika in der Lage ist,
die Ulkuskrankheit zu heilen. Daraufhin wurden unterschiedliche Substanzgruppen in verschiedenen Kombinationen zur Therapie von Infektionen mit Helicobacter pylori untersucht. Dazu gehören: Amoxicillin,
Clarithromycin, Metronidazol, Tetracyclin, Wismut-Verbindungen, H2Rezeptorenblocker und Protonenpumpenhemmer Ihren Stellenwert
beurteilten die vierzehn Wissenschaftler des Gremiums folgendermaßen:
• Mit der Dreifachkombination
Tetracyclin, Metronidazol und Wismut-Subsalizylat ist eine Eradikationsrate von 90 Prozent zu erreichen.
• Wird Tetracyclin oder Metronidazol durch Amoxicillin ersetzt, ist
mit einem Therapie-Erfolg von etwa
80 Prozent zu rechnen.
• Unterschiedliche Eradikationsraten von bis über 80 Prozent erzielt die Zweifachkombination von
Amoxicillin mit Omeprazol, wobei
der Protonenhemmer mindestens
zweimal täglich gegeben werden sollte. Außerdem empfiehlt es sich, die
Behandlung mit beiden Agenzien
gleichzeitig zu beginnen, da eine
Vorbehandlung mit Omeprazol die
Effizienz der Therapie vermindert.
Unabhängig davon, für welches The-
A-624 (20) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 10, 11. März 1994
rapieregime man sich entscheidet,
die Behandlung sollte mindestens
zwei Wochen durchgeführt werden.
Eine antibiotische Eradikation ist allerdings nur sinnvoll, wenn Helicobacter pylori sicher diagnostiziert
wurde. Hierfür eignen sich der Urease-Schnelltest sowie die histologische
Untersuchung an endoskopisch gewonnenem Biopsiematerial, der 13CHarnstoff-Exhalationstest, aber auch
der serologische Nachweis von Antikörpern im Blut.
„Obwohl wir bereits eine Menge
Informationen über Helicobacter pylori besitzen, sind manche Probleme
noch ungeklärt", resümierte der
Sprecher des Gremiums, Prof. Tadataka Yamaha von der Universität Michigan. „So stellt sich zum Beispiel
die Frage, ob alle Patienten mit dyspeptischen Beschwerden — in der
Annahme einer Infektion mit Helicobacter pylori — antibiotisch behandelt werden sollten." Die Experten
forderten außerdem weitere Untersuchungen über den Mechanismus
der Infektion sowie über die Inzidenz
von Magenkarzinomen nach Eradikation von Helicobacter pylori.
Gibt es Unterschiede zwischen
den jetzt vorgestellten US-Empfehlungen und den Therapieregimen
deutscher Gastroenterologen? Nach
Angaben von Prof. Wolfgang Rösch
(Frankfurt) ist es hierzulande Standard, duodenale und gastrale Ulkusrezidive bei assoziierter Helicobacter-Infektion antibiotisch zu behandeln. Die von den NIH-Wissenschaftlern in den Konsens aufgenommene Zweierkombination von
Omeprazol mit Amoxicillin, die im
Vergleich zur Dreiertherapie mit weniger Nebenwirkungen verbunden
ist, hat sogar ihren Ursprung in
Deutschland (Bayerdörffer, München; Börsch, Essen).
Mittlerweile sind auch Patienten
mit komplizierter Erstmanifestation
(Blutung, Perforation) oder therapierefraktären Ulzera eine etablierte
Zielgruppe für die Eradikation des
Keimes. Und im Herbst 1993 vertrat
Prof. Rudolf Arnold (Marburg) auf
einem Kongreß die Ansicht, auch
primär auftretende, unkomplizierte
Ulzera antibiotisch zu behandeln.
Dr. Vera Zylka-Menhorn
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