POLITIK AKTUELL US-Konsens über Therapie des peptischen Ulkus Helicobacter pylori mit Antibiotika bekämpfen In den siebziger Jahren wurde die konservative Therapie von Magen- und Duodenalgeschwüren durch die Entwicklung von H2-Rezeptoren- und Protonenpumpenblokkern revolutioniert. Dieses Behandlungskonzept, das vielen Betroffenen einen operativen Eingriff erspart hat, erfährt jetzt nach den Empfehlungen einer Konsensus-Konferenz der nationalen amerikanischen Gesundheitsbehörde (NIH, Bethesda) eine Erweiterung: Danach sollen Patienten mit peptischem Ulkus antibiotisch behandelt werden — unabhängig davon, ob sich das Ulkus erstmalig manifestiert oder als Rezidiv auftritt. „Säureblocker" sind, so das Gremium, unbedingt adjuvant zur Linderung der typischen Ulkusbeschwerden, zur schnelleren Abheilung und zur Vermeidung von Komplikationen indiziert. Ursache für diese Entscheidung ist das Bakterium Helicobacter pylori, welches erstmals im Jahr 1982 aus der Magenschleimhaut isoliert werden konnte. Seither mehren sich die Studien, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Keimbesiedelung und dem Auftreten von Magen- und Duodenalgeschwüren nachgewiesen haben. Helicobacter pylori findet sich bei über 90 Prozent der Patienten mit Ulcus duodeni und bei (je nach Autor) 60 bis 80 Prozent der Fälle mit Ulcus ventriculi — selten dagegen bei Magengesunden. Auch hinsichtlich der Rezidivrate liegen mehrere Studien vor: Bei Helicobacter pylori-positiven Patienten ist in bis zu 80 Prozent mit einem Wiederaufflackern der Ulkuskrankheit zu rechnen, bei Erreger-negativen Patienten dagegen nur in zehn Prozent. Sogar die Entstehung von Magenkarzinomen soll durch eine von Helicobacter pylori erzeugte Atrophie der Magenschleimhaut begünstigt werden. Nach epidemiologischen Studien erhöht der Erreger das Karzinomrisiko um den Faktor drei bis sechs. Prädilektionsort des Keimes ist die Antrumregion; dort lebt der Erreger innerhalb und unterhalb der Mukusschicht des Magens, aber auch zwischen einzelnen Epithelzellen oder in Einstülpungen der laminaren Zellmembranen. Da der Keim auch zytotoxische Enzyme freisetzt, bilden sich allmählich spezifische Veränderungen aus — wie die Zerstörung der Mikrovilli und eine Reduktion des Schleimgehalts der Zellen. Im Jahr 1988 konnte Marshall erstmals zeigen, daß die Eradikation des gramnegativen Stäbchens mit Chemotherapeutika in der Lage ist, die Ulkuskrankheit zu heilen. Daraufhin wurden unterschiedliche Substanzgruppen in verschiedenen Kombinationen zur Therapie von Infektionen mit Helicobacter pylori untersucht. Dazu gehören: Amoxicillin, Clarithromycin, Metronidazol, Tetracyclin, Wismut-Verbindungen, H2Rezeptorenblocker und Protonenpumpenhemmer Ihren Stellenwert beurteilten die vierzehn Wissenschaftler des Gremiums folgendermaßen: • Mit der Dreifachkombination Tetracyclin, Metronidazol und Wismut-Subsalizylat ist eine Eradikationsrate von 90 Prozent zu erreichen. • Wird Tetracyclin oder Metronidazol durch Amoxicillin ersetzt, ist mit einem Therapie-Erfolg von etwa 80 Prozent zu rechnen. • Unterschiedliche Eradikationsraten von bis über 80 Prozent erzielt die Zweifachkombination von Amoxicillin mit Omeprazol, wobei der Protonenhemmer mindestens zweimal täglich gegeben werden sollte. Außerdem empfiehlt es sich, die Behandlung mit beiden Agenzien gleichzeitig zu beginnen, da eine Vorbehandlung mit Omeprazol die Effizienz der Therapie vermindert. Unabhängig davon, für welches The- A-624 (20) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 10, 11. März 1994 rapieregime man sich entscheidet, die Behandlung sollte mindestens zwei Wochen durchgeführt werden. Eine antibiotische Eradikation ist allerdings nur sinnvoll, wenn Helicobacter pylori sicher diagnostiziert wurde. Hierfür eignen sich der Urease-Schnelltest sowie die histologische Untersuchung an endoskopisch gewonnenem Biopsiematerial, der 13CHarnstoff-Exhalationstest, aber auch der serologische Nachweis von Antikörpern im Blut. „Obwohl wir bereits eine Menge Informationen über Helicobacter pylori besitzen, sind manche Probleme noch ungeklärt", resümierte der Sprecher des Gremiums, Prof. Tadataka Yamaha von der Universität Michigan. „So stellt sich zum Beispiel die Frage, ob alle Patienten mit dyspeptischen Beschwerden — in der Annahme einer Infektion mit Helicobacter pylori — antibiotisch behandelt werden sollten." Die Experten forderten außerdem weitere Untersuchungen über den Mechanismus der Infektion sowie über die Inzidenz von Magenkarzinomen nach Eradikation von Helicobacter pylori. Gibt es Unterschiede zwischen den jetzt vorgestellten US-Empfehlungen und den Therapieregimen deutscher Gastroenterologen? Nach Angaben von Prof. Wolfgang Rösch (Frankfurt) ist es hierzulande Standard, duodenale und gastrale Ulkusrezidive bei assoziierter Helicobacter-Infektion antibiotisch zu behandeln. Die von den NIH-Wissenschaftlern in den Konsens aufgenommene Zweierkombination von Omeprazol mit Amoxicillin, die im Vergleich zur Dreiertherapie mit weniger Nebenwirkungen verbunden ist, hat sogar ihren Ursprung in Deutschland (Bayerdörffer, München; Börsch, Essen). Mittlerweile sind auch Patienten mit komplizierter Erstmanifestation (Blutung, Perforation) oder therapierefraktären Ulzera eine etablierte Zielgruppe für die Eradikation des Keimes. Und im Herbst 1993 vertrat Prof. Rudolf Arnold (Marburg) auf einem Kongreß die Ansicht, auch primär auftretende, unkomplizierte Ulzera antibiotisch zu behandeln. Dr. Vera Zylka-Menhorn