Sie irren, Herr Somm!

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Thema.
| Dienstag, 30. August 2016 | Seite 3
Replik von LDP-Regierungsrat Christoph Eymann zum Leitartikel über den unauffälligen bürgerlichen Wahlkampf
Sie irren, Herr Somm!
Von Christoph Eymann
Der Chefredaktor gibt den Bürgerlichen
Ratschläge für die Regierungsratswahlen. Herr Somm findet, die Bürgerlichen Regierungsrats-Kandidaten seien
Angsthasen im Wahlkampf. Sie müssten die stärksten Vertreter der Linken
attackieren. Weiter rät er, den Konflikt
zu suchen denn erst, wenn «es raucht
und kracht» würde der Bürger erkennen, was auf dem Spiel steht. Weiter
kritisiert er Regierungsrat Baschi Dürr,
weil dieser im Interview mit der BaZ
erklärt hatte, nichts gegen derzeitige
Mitglieder des Kollegiums zu sagen.
Dies Auszüge aus der Kritik des Herrn
Somm.
Diese Ratschläge, die Markus
Somm – mit Lebensmittelpunkt seiner
Familie weit ausserhalb von Basel – den
Bürgerlichen gibt, sind in unserem Kanton nicht anwendbar. In Basel trifft
man sich – egal ob links oder bürgerlich – abends beim Rheinschwumm.
Man macht zusammen Fasnacht. Oder
man sitzt beim FCB nur wenige Reihen
voneinander entfernt. Man duelliert
sich zwar auf dem politischen Parkett,
lässt aber den Respekt für das Gegenüber nicht vermissen. Ganz einfach,
weil man sich am nächsten Tag womöglich beim Einkauf auf dem Marktplatz
wiedertrifft oder in der Regierung weiter zusammenarbeitet.
Schade, dass Herr Somm so gut wie
nie an Anlässen teilnimmt hier im Kanton. Er würde sonst das eine oder
andere mitbekommen, was Basel und
zum Teil auch unsere Politik ausmacht.
Der aggressive Ton, den man andernorts in der Politik pflegt, ist hier zum
Glück verpönt. Hier war und ist es möglich, dass Bürgerliche und Linke sich
einigen und wichtige Aufgaben
gemeinsam angehen. Ein paar Beispiele:
> In der Drogenpolitik der 80er-Jahre
gab es eine breite Allianz; ein liberaler Regierungsrat und ein freisinniger
Chefbeamter des Bundes diskutierten mit Vertretern aller Parteien, um
traurige Zustände wie am Zürcher
Platzspitz in Basel zu verhindern. Ein
Vertreter der Zürcher Grünen wurde
berufen, um das Dossier zu bearbeiten. Der Erfolg, besser ausgedrückt
die Verhinderung eines grösseren
Misserfolgs, stellte sich ein.
> Ein führender Sozialdemokrat und
ein Liberaler versuchten gemeinsam,
die verfahrene Situation um die ehemalige Zentralwäscherei zu retten.
> Sozialdemokraten und Bürgerliche
arbeiteten zusammen, um die staatliche Pensionskasse zu stabilisieren.
Eine im Ziel überrissene Volksinitiative eines Wirtschaftsverbands verhinderte den Erfolg.
> Bei der Totalrevision der Kantonsverfassung gab es breite Allianzen zwischen Linken und Bürgerlichen in
verschiedensten Bereichen.
Diese Beispiele zeigen, wie in einer
Situation mit ungefähr gleich starken
Blöcken der Linken und der Bürgerlichen pragmatisch vorgegangen werden
muss. Es gilt nicht, die Parteistärke, den
In Basel wird nicht auf die Person gespielt. Die Regierungsräte Baschi Dürr (FDP), Christoph Brutschin (SP) und Christoph Eymann (LDP).
Muskel in den Vordergrund zu stellen,
sondern das Hirn. Die Kraft des Argumentes hat Gültigkeit.
C’est le ton qui fait la musique
Man verstehe mich nicht falsch:
Wahlen sind dazu da, die eigenen
Standpunkte darzustellen. Das darf
auch pointiert geschehen. Man soll und
man darf Unterschiede der Partei-Ideen
und Forderungen aufzeigen. Es ist legitim, zu behaupten, es würde für die
Bevölkerung besser, wenn links oder
bürgerlich gewählt wird. Was aber
nicht baslerisch ist, ist das «Spielen auf
den Mann oder die Frau». Die Gepflogenheit, die wir aus Deutschland kennen, wo der politische Gegner – oft
auch auf der persönlichen Ebene –
angegriffen und verunglimpft wird, um
nachher in einer grossen Koalition wieder Einigkeit zu zeigen, ist in der
Schweiz zum Glück noch nicht angekommen.
Ich behaupte, dass die Baslerinnen
und Basler nicht wollen, dass schärfere
Töne zwischen Politikern – weil es der
Chefredaktor fordert – zur Regel werden. Jedes Mitglied der Regierung ist
vom Volk gewählt. Die unterschiedlichen Weltanschauungen der sieben
Regierungsmitglieder sollen in die
Gesetzgebungsarbeit, in die Gestaltung
des Kantons einfliessen. Die passiert im
Dialog, der manchmal intensiv geführt
wird. Im Bestreben, Lösungen zu finden, die von allen mitgetragen werden
können. Ultima Ratio kann auch abgestimmt werden. So ist das System angedacht. So funktioniert es auch.
Unser Mehrparteien-Regierungssystem verlangt nach Kompromissen.
Auch die Bürgerlichen sollen sich in
einem Kanton mit Mehrheit der Linken
wohlfühlen können – und umgekehrt.
Vor diesem Hintergrund ist es richtig,
dass amtierende und wieder kandidierende Regierungsmitglieder nicht
einen Frontalangriff auf ihre Kollegin
und ihre Kollegen lancieren (wenn das
eine Lücke ist, wird sie ja von Herrn
Somm ausgefüllt). Aggression ist nicht
die Eigenschaft, die gewählte Politikerinnen und Politiker auszeichnen soll.
Dafür sind wir nicht gewählt. Es ist
auch peinlich, wenn wir mit einem Verhalten, wie es Herr Somm fordert, ein
schlechtes Vorbild für die Jugend abgeben. Unterschiede in der Betrachtung
der verschiedenen Politikbereiche können auch unaufgeregt und nicht verbal
überhöht aufgezeigt werden.
«Schrill» funktioniert hier nicht
Dieses System funktioniert in Basel
und zeigt sich auch im Kleinen. Während es in anderen Kantonen auch
heute noch Restaurants gibt, die ausschliesslich von der politisch Linken
oder den Bürgerlichen besucht werden,
trifft man sich in Basel nach politischer
Debatte zum Beispiel in der «Kunsthalle». Und zwar von der gutbürgerlichen Führungskraft eines Pharmaunternehmens bis hin zum linken Lebenskünstler. Lieber Herr Somm, das ist
Basel.
Wenn man der Argumentation von
Herrn Somm folgen würde, wären die
Wählerinnen und Wähler nur zu gewin-
nen, wenn mit aller Schärfe und im
Bring-System an alle Haushalte Kollegen sich Unvermögen um die Ohren
schlagen. Traut Herr Somm den Wählenden so wenig Urteilskraft zu? Findet
er es richtig, dass die Tonalität und die
Menge sowie der Durchdringungsgrad
der Werbemittel entscheiden? Ist es das
Volk ernst nehmen, wenn man ihm
unterstellt, nur auf schrille Töne zu
reagieren? Will das Volk scharfe
Angriffe auf Regierungsleute? Will das
Volk eine Reduktion auf die Bewirtschaftung der Probleme, was ja letztlich ein Wahlprospekt mit dem Sündenregister der einen oder anderen politischen Partei wäre?
Vielleicht gilt die ideale WahlkampfVorstellung von Herrn Somm in anderen Kantonen oder Städten. In Basel
gibt es aber auch ausserhalb der Liberal-demokratischen Partei Menschen,
die eine liberale Geisteshaltung haben
und behalten wollen. Das ist eine von
vielen wunderbaren Basler Eigenarten
und Unterschieden zur Restschweiz.
Man akzeptiert Wahlresultate und will
Einigungen statt Patt-Situationen ohne
Lösungen.
Hingegen ist es bei einer Regierung,
die aus Vertretern von fünf Parteien
zusammengesetzt ist, schwierig, von
Versagen auf der ganzen Linie zu sprechen. Die Somm’sche Aufzählung der
politischen Probleme und das Anhängen der Verantwortlichkeitsetikette an
links ist etwas gar einfach; mit Blick auf
das angebliche Sündenregister des
Wirtschaftsdirektors sogar falsch. Und
es sind auch drei Bürgerliche im Regie-
Foto Kostas Maros
rungsrat. Es ist nicht so, dass alle Anliegen der Bürgerlichen im Regierungsrat
nicht oder nur weichgespült beschlossen werden.
Schlammschlacht à la Herrliberg
Herr Somm will Regierungsrätinnen und Regierungsräte, die entschlossen handeln und konsequent führen.
Starke Persönlichkeiten. Gleichzeitig
will er – gemäss eigener Aussage – eine
Zeitung machen, die es Regierungsratsmitgliedern nicht erlaubt, ruhig zu
schlafen. Seinem Statthalter in Baselland hat er sogar mitgegeben, die
Baselbieter Politik aus den Angeln zu
heben. Diese Ansagen zur Destabilisierung des Systems, auch durch Angriffe
auf die Person, vertragen sich nicht mit
der Forderung nach starker und spürbarer Führung und entsprechender
Gefolgsbereitschaft des Volks.
Ja, lieber Herr Somm, auch ich will
zusammen mit meiner LDP den Wechsel. Auch ich finde den Anspruch der
Linken auf fünf von sieben Sitzen überrissen. Ich finde es auch unanständig,
wenn Linke die Bürgerlichen als «Gruselkabinett» bezeichnen. Ja, auch ich
ärgere mich, wenn die zahlreichen Vorstösse der Linken im Grossen Rat Geld
und Nerven kosten. Was ich aber nicht
will: dass der politische Disput zur
Schlammschlacht verkommt. Das mag
in Herrliberg gewünscht sein. In Basel
möchten wir das nicht.
Christoph Eymann (65 Jahre, LDP) ist Vorsteher des Basler Erziehungsdepartements und
Nationalrat. Er tritt zu den kommenden
Regierungswahlen nicht mehr an.
Die bürgerlichen Parteipräsidien zum Vorwurf des zahnlosen Wahlkampfs
«Genauere Inhalte
werden noch vorgestellt»
«Wir werden noch einen
Zacken zulegen»
«Den Presseplatz mit
mehr Inhalt füllen»
«Im richtigen Moment
die Defizite aufzeigen»
«Feine Klinge statt
Zweihänder»
Das bürgerliche
Viererticket hat
bereits Inhalte vorgestellt, welche auf
www.gemeinsamaufbrechen.ch
ersichtlich sind.
Dort geht bereits
klar hervor, wo sich
die vier Kandidaten
Sebastian
von den rotgrünen
Frehner. SVP
Mitbewerbern
inhaltlich unterscheiden wollen. Unser
Viererticket wird im Rahmen einer Pressekonferenz die weiteren Inhalte und
konkreten Forderungen selbstverständlich noch genauer vorstellen.
Auch die Bürgerlichen attackieren
die Wirtschaftspolitik der Linken
bereits seit Längerem. Politik braucht
aber nicht nur Mut
zur Kritik, sondern
auch Realitätssinn.
Man muss den
Luca Urgese.
Zustand nicht
FDP
schlechtreden.
Erstens weil es nicht der Realität entspricht – und der Stimmbürger weiss
das. Und zweitens weil es auch so
genügend Gründe für eine bürgerliche
Regierungsmehrheit gibt. Die gemeinsame bürgerliche Wahlplattform legt
diese dar. Aber: Ja, wir können noch
einen Zacken zulegen und werden dies
in den verbleibenden Wochen auch tun.
Zu viel Allianz
macht sprachlos.
Grund genug,
warum das bürgerliche Viererticket –
gleich ist zumindest
das Geschlecht der
Kandidaten – mit
seiner Kampagne
auf Effekte statt auf
Katja Christ.
Inhalt setzt. SchleiGLP
erhaft ist hingegen,
wieso über missachtete Baderegeln der
bürgerlichen Kandidaten beim Sprung
ins kühle Nass berichtet wird, wäre es
doch in der überhitzten Wahlstimmung
erfrischender, den Presseplatz mit mehr
Inhalt zu füllen. Wahltechnisch sollte
wohlüberlegt sein, ob die «Elektroautogratis-in-der-Badekleidung-Waschaktion» nicht doch «Basel mehr» bringt!
Es gibt mehr als
genug Gründe, die
Linke anzugreifen.
Wir werden sie zum
richtigen Zeitpunkt
schonungslos und
klar aufzeigen und
die nötigen Kursänderungen beim
Andrea Strahm. Namen nennen.
Wild und reaktiv
CVP
auszuteilen ist nicht
bürgerlicher Stil. Die vier bürgerlichen
Regierungsratskandidaten sind hoch
qualifizierte, fähige Bewerber. Die
Regierung muss konsensfähig sein, und
deshalb ist es richtig, im jetzigen Zeitpunkt aufzuzeigen, dass die vier fähig
und willens sind, zusammen zu regieren. Dies im Gegensatz zum heterogenen Kandidatenhaufen der Linken.
Der LDP-Regierungsratskandidat
Conradin Cramer
ist keiner, der den
Zweihänder
schwingt, ihm liegt
die feine Klinge. Er
hat es nicht nötig,
mit Lautstärke aufPatricia von
zufallen, sondern
Falkenstein. LDP mit Argumenten
und geschicktem
Vorgehen. Wer die liberale Politik in
Basel-Stadt verfolgt, sieht, dass man
auch Erfolg haben kann, ohne den
politischen Gegner zu attackieren. Die
kritischen Bemerkungen von Herrn
Somm kommen in einem zu frühen
Moment, zu unterschiedlichen Haltungen gegenüber der Linken werden sich
unsere Kandidaten noch äussern.
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