Instrument! “

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passauer stadtmusikanten
passauer stadtmusikanten
„Die
Okarina
ist ein seriöses
Instrument!“
text > benedikt kuhnen
foto > florian weichselbaumer
Vera Unfried
stammt aus Wildenranna bei Wegscheid. An der
Universität Passau, an der sie Musikpädagogik studiert hat, ist sie seit drei Jahren als Lehrbeauftragte
für Klavier, Blockflöte und Stimmphysiologie tätig.
Sie leitet dort außerdem ein Okarina-Ensemble,
das in der deutschen Universitätslandschaft wohl
seinesgleichen sucht. Als Solistin war sie bereits
bei verschiedenen internationalen Okarina-Festivals zu hören, zuletzt in Südkorea. Ein Gespräch
über Triple-Okarinas, Übefrust und Musizieren
im Dirndl.
PASTA! Kann es sein, dass Du in Südkorea bekannter bist als in Niederbayern?
UNFRIED Ich glaube schon. In Südkorea ist der
Anteil derer, die Okarina spielen, deutlich höher als
bei uns. Mittlerweile kennen mich dort schon relativ viele, denn ich war im letzten Jahr auf einem
Okarina-Festival und dieses Jahr auch auf einem
Symposium, zu dem man mich als Musikerin und
Dozentin eingeladen hatte. Dadurch hatte ich die
Möglichkeit, neben einem Konzertauftritt auch ein
Seminar zu leiten.
PASTA! Wie sind die südkoreanischen Organisatoren auf Dich aufmerksam geworden?
UNFRIED Der Kontakt ist in der italienischen
Kleinstadt Budrio zustande gekommen. Dort findet
alle zwei Jahre ein Okarina-Festival statt, weil sie
als Geburtsstadt der Okarina gilt. Die Südkoreaner waren ebenfalls in Budrio, so dass wir uns dort
kennengelernt haben.
PASTA! Die Okarina ist in Südkorea also populärer als bei uns?
UNFRIED Ja, auf jeden Fall, wobei diese Popularität der Okarina auch in Südkorea ein relativ junges Phänomen ist. Seit rund zehn Jahren ist sie dort
ein sehr angesagtes Instrument. Man kann in Südkorea an Schulen, Musikschulen und mittlerweile
sogar an Musikhochschulen Okarina lernen. Wie
ich erfahren habe, wird man an den Hochschulen
in absehbarer Zeit auch seinen Abschluss mit Konzertfach Okarina machen können.
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PASTA! PASSAUER STADTMAGAZIN
PASTA! Welche Vor- und Nachteile hat die
Okarina im Vergleich zur Blockflöte?
UNFRIED Bei der Okarina ist der Ton empfindlicher und auch die Intonation ist schwieriger. Dieser Nachteil ist aber auch ein Vorteil, weil ich den Ton dadurch viel expressiver
spielen kann. Ich kann zum Beispiel mit mehr
Vibrato spielen oder verschiedene Sounds erzeugen, indem ich den Blasdruck variiere. Das
macht die Okarina so interessant.
PASTA! Ist die Okarina also ein Instrument,
das für Anfänger eher ungeeignet ist?
UNFRIED Nein, ganz im Gegenteil, denn es
gibt ja viele verschiedene Okarinas. Die kleinsten Modelle haben lediglich vier Löcher. Sie
sind damit noch einfacher zu spielen als eine
Blockflöte, bei der ich alle Finger brauche. Man
kann die Okarina sehr gut in der musikalischen
Früherziehung einsetzen.
PASTA! Bei so viel Begeisterung für das Instrument könntest Du glatt im Vertrieb eines
Okarina-Herstellers arbeiten.
UNFRIED Nein, das wäre nichts für mich,
aber ich sehe mich schon als eine Okarina-Botschafterin. Meine Intention ist es, die Okarina
auch bei uns bekannter zu machen und zu zeigen, dass sie ein seriöses Instrument ist, das
man sowohl solistisch als auch im Ensemble
einsetzen kann.
PASTA! Du spielst eine besondere Okarina,
oder?
UNFRIED Ja, ich spiele eine so genannte
Triple-Okarina. Auf der ursprünglichen Okarina, die 1850 erfunden wurde und mit zehn Fingern gespielt wird, lassen sich schon Töne in
einem Umfang von anderthalb Oktaven produzieren. Aber man kann sie halt nicht überblasen
wie eine Rohrflöte, das heißt, die hohen Töne
lassen sich auf der traditionellen Okarina aufgrund ihrer Bauform nicht spielen. Deswegen
hat man sie modifiziert und eine zweite beziehungsweise dritte Resonanzkammer hinzugefügt. Bei der Triple-Okarina habe ich also drei
november 2013
Mundstücke und drei Resonanzkammern, wes- PASTA! Bei Dir ist der Übergang zwischen
wegen ich auch hohe Töne spielen kann und ei- Studium und Lehre nahtlos verlaufen. Wie
nen Tonumfang von drei Oktaven habe.
hast Du es empfunden, plötzlich vorne zu
stehen und Dozentin zu sein?
PASTA! Bevor Du angefangen hast, Okarina
UNFRIED Dadurch, dass ich schon seit
zu spielen, hast Du Blockflöte gespielt. Hat zehn Jahren in der Kirchenmusik als Organises Dich irgendwann genervt, ein Instrument tin und Chorleiterin tätig bin und bereits wähzu spielen, das landläufig als Einsteiger- rend meines Studiums ein Tutorium an der Uni
und Kinderinstrument gilt?
geleitet habe, war die Umstellung nicht so groß.
UNFRIED Für mich war die Blockflöte nie
ein Kinderinstrument. Ich wurde von Inge PASTA! Du leitest seit ein paar Semestern
Reinelt in Passau unterrichtet, habe an vielen ein Okarina-Ensemble. In Deutschland hat
Meisterkursen und Wettbewerben teilgenom- die Universität Passau damit wahrscheinlich
men und sehr intensiv Blockflöte gespielt. Für ein Alleinstellungsmerkmal, oder?
mich war sie immer ein vollwertiges InstruUNFRIED Ja, meines Wissens ist dieses Enment, genauso wie Klavier und Kirchenorgel. semble in der deutschen Universitätslandschaft
Mit 18, 19 war mir aber das Musizieren auf der einzigartig.
Blockflöte zu einseitig. Auf alte Musik beziehungsweise Kirchenmusik und die damit ver- PASTA! In den letzten Jahren haben Fäbundenen Konzertorte beschränkt zu sein, cher wie Gehörbildung, Harmonielehre oder
auch bei anspruchsvollen Konzerten nur 30 Rhythmik im Studium der angehenden Muoder 40 Zuhörer zu haben und in einem eher siklehrerinnen und -lehrer an Bedeutung
steifen Rahmen zu spielen, waren Aspekte, verloren. Wie siehst Du diese Entwicklung?
die mich zunehmend gestört haben. Ich hatUNFRIED Aus musikalischer Sicht sehe ich
te damals große Lust, auch Elemente aus dem das eher negativ.
Jazz, der Weltmusik, der traditionellen Volksmusik und der Klassik in meine Konzerte und PASTA! Können Lehrämtlerinnen und
in meine Spielweise einfließen zu lassen. Mit Lehrämtler an der Uni noch fundierte musider Okarina konnte ich das ganz gut verwirk- kalische Kenntnisse erwerben?
lichen.
UNFRIED Bei der neuen Prüfungsordnung
liegt der Fokus auf dem Didaktischen und MePASTA! Wie bist Du auf die Idee gekommen, thodischen. Bei der alten Prüfungsordnung lag
ausgerechnet Okarina zu spielen?
der Schwerpunkt im musikalischen Bereich.
UNFRIED Gar nicht weit von Wildenran- Damals ging es vor allem um fundierte musikna entfernt, in Oberkappel in Oberösterreich, theoretische Kenntnisse und entsprechende
lebt ein Okarina-Bauer. Ein Musikerkollege Fähigkeiten auf dem jeweiligen Instrument.
von mir kannte ihn und hat uns vorgestellt. Was im Berufsalltag letztlich wichtiger ist,
Vorher wusste ich so gut wie nichts über diese weiß ich nicht. Da fehlt mir noch die nötige
Instrumente. Der Okarina-Bauer wiederum Erfahrung.
hat mir vorgeschlagen, an einem OkarinaFestival teilzunehmen, um zu sehen, in wel- PASTA! Viele Kinder, die ein Musikinstruchen Musikstilen und -ensembles Okarinas ment spielen, kommen irgendwann in eine
zum Einsatz kommen. Was ich dort gesehen Phase, in der sie keine Lust mehr haben, zu
und gehört habe, fand ich so interessant, dass üben. Wie schaffst Du es als Musikpädagoich mich intensiver mit dem Instrument be- gin, Kindern Freude am Instrument und am
schäftigen wollte.
Üben zu vermitteln?
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passauer
stadt
UNFRIED Ein Patentrezept habe ich nicht.
Ich bin keine besonders strenge Lehrerin. Vom
zwanghaften Üben halte ich nichts. Die freiwillige Beschäftigung mit einem Instrument und
die Freude am Spielen sind mir als Lehrerin sehr
wichtig. Entscheidend ist die Unterstützung der
Kinder durch die Eltern. Kinder zum Üben zu
zwingen ist aus meiner Sicht genauso schlecht,
wie sich überhaupt nicht für ihre musikalische
Entwicklung zu interessieren. Wenn sich Eltern
so verhalten, knickt ein Kind erfahrungsgemäß
sehr früh ein – es sei denn, es bringt von sich aus
eine so große Begeisterung für ein Instrument
mit, dass es sich weder durch Zwang noch durch
Ignoranz die Freude am Spielen und Üben nehmen lässt. Aber mit solchen Kindern hat man es
nur sehr selten zu tun.
musikanten
PASTA! Auf welchem Instrument fühlst Du
Dich auf der Bühne besonders wohl?
UNFRIED Mit Okarina und Blockflöte bin
ich auf der Bühne quasi eins, beim Klavier ist
das schwieriger. Wenn ich zu Hause bin und
nichts zu tun habe, setze ich mich allerdings
sehr gerne ans Klavier und probiere Dinge aus
oder singe dazu.
PASTA! Gibt es einen Musikstil, den Du besonders gerne spielst?
UNFRIED Mir gefällt es sehr, wenn Musiker und Publikum interagieren. Bei der
Volksmusik ist das zum Beispiel der Fall. Die
Atmosphäre ist hier viel entspannter und lockerer als bei klassischen Konzerten oder bei
kirchenmusikalischen Auftritten, bei denen
es in der Regel keine Ansagen gibt, weil jeder
ein Programm vor der Nase hat. In der Volksmusik werden Stücke angesagt. Oft erläutert
man auch kurz, warum man dieses Stück ausgewählt hat. Ansonsten macht mir gerade die
Vielseitigkeit sehr viel Spaß.
PASTA! Du spielst in einer Combo, die sich
Familienmusik Hoffmann nennt. Was ist das
für ein Ensemble?
UNFRIED Das ist ein Hauzenberger Volksmusik-Ensemble. Volksmusik spiele ich sehr
gerne, weil sie sehr lebendig sein kann. Sie lässt
einem sehr große Freiheiten für Virtuosität.
Das reizt mich an der Volksmusik. Durch das
Auswendigspielen, das hier Standard ist, wird
das Zusammenspiel gefördert. Man spielt ganz
anders als zum Beispiel in der Klassik, bei der
sich viele sehr stark auf die Noten konzentrieren.
PASTA! In welchen Ensembles spielst Du
sonst noch?
UNFRIED In zwei weiteren. Das eine nennt
sich Pfiffkas, das andere Tirili. Pfiffkas ist ein
fünfköpfiges Volksmusik-Ensemble, Tirili ein
Okarina-Ensemble, bei dem noch Gitarre und
Steirische Harmonika hinzukommen. Neben
diesen Ensembles trete ich auch im Duo mit
dem Passauer Gitarristen Jürgen Schwenkglenks auf, der ebenfalls Dozent an der Uni ist.
PASTA! Wie kam es zu der Zusammenarbeit
mit Jürgen Schwenkglenks?
UNFRIED Ich habe ihn zunächst während
meines Studiums kennengelernt. Er war einer
meiner Dozenten. Mittlerweile sind wir Kollegen. Irgendwann habe ich ihn gefragt, ob er
nicht mal Lust hätte, lateinamerikanische Musik mit Gitarre und Okarina zu spielen. So kam
es zu der Zusammenarbeit.
PASTA! Geht die Interaktion in der Volksmusik auch so weit, dass die Ansagen vom
Publikum kommentiert werden?
UNFRIED Ja, klar, das gehört dazu. In der
Regel klatscht das Publikum auch mit. Das sind
Aspekte der Volksmusik, die mir sehr gefallen.
PASTA! Die obligatorische Frage zum
Schluss: Mit welchem Stadtmusikanten
kannst Du Dich identifizieren? Mit Esel,
es umgekehrt. Ich trage zwar gerne ein Dirndl, Hund, Katze oder Hahn?
aber mit Volkstanz oder Trachtenumzügen
UNFRIED Mit dem Hahn, denn seit ich in
kann ich nicht viel anfangen.
Ensembles spiele, habe ich eigentlich immer
die erste Stimme gespielt, also die mit den
PASTA! Worin besteht der Unterschied zwi- höchsten Tönen.
schen Volksmusik und volkstümlicher Musik?
UNFRIED Volkstümliche Musik ist meiner
Benedikt Kuhnen
Ansicht nach eher dem Genre des Schlagers zuhat
angefangen, Posaune zu
zuordnen. Sie ist dementsprechend kommerziell,
spielen, als sein Arm noch zu
für meinen Geschmack viel zu inszeniert und
kurz war, um den Zug ganz
auf ein Publikum zugeschnitten, das diese Mu- auszufahren. Seitdem der Arm
sik gerne im Rahmen von Fernsehshows kon- lang genug ist, schreckt er vor
nichts und niemandem zurück,
sumiert.
PASTA! In der Volkmusik gehört Tracht
zum Standard. Gefällt es Dir, im Dirndl auf
der Bühne zu stehen, oder ist es für Dich eher
ein notwendiges Übel?
UNFRIED Die Musik steht für mich ganz PASTA! Andy Borg, der Moderator des Musiklar im Vordergrund. In der Volksmusik gibt es kantenstadls, lebt in der Nähe von Passau, in
viele, denen die Tracht und das ganze Drum- Thyrnau. Bist Du ihm schon einmal begegnet?
UNFRIED Nein.
herum wichtiger sind als die Musik. Bei mir ist
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PASTA! Würdest Du denn im Musikantenstadl auftreten, wenn er Dich einmal fragen
sollte?
UNFRIED Ich spiele grundsätzlich nur live
und kein Playback. Das könnte im Musikantenstadl ein Problem werden. Deswegen denke ich
nicht, dass es einmal dazu kommen wird.
weder vor Bach noch vor Bonfá
oder Brubeck. In dieser Rubrik
möchte er einen Einblick in
Leben und Werk der Passauer
Stadtmusikanten geben. Sein
Motto: „Etwas Besseres als den
Tod findest du überall.“
PASTA! PASSAUER STADTMAGAZIN
november 2013
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