Inhaltsverzeichnis 1 Statik und Dynamik der Gase und Flüssigkeiten

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Ergänzungen zu Physik I
Universität Zürich, HS 2010, U. Straumann
Version 26. Februar 2011
Inhaltsverzeichnis
1 Statik und Dynamik der Gase und Flüssigkeiten
1.1 Fest, flüssig, gasförmig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Der hydrostatische Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Hydrostatischer Druck im äusseren Kraftfeld . . . . . . . . . . .
1.4 Beispiel zur Hydrostatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.5 Strömungen, Kontinuitätsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.6 Bewegungsgleichung: Die Eulergleichung . . . . . . . . . . . . . .
1.7 Energiebetrachtung: Die Bernoulligleichung . . . . . . . . . . . .
1.8 Zähigkeit, Newton’sche Reibung und die Navier-Stokes-Gleichung
1.9 Anwendungen mit reibungsbehafteten Strömungen . . . . . . . .
1.10 Grenzflächen von Flüssigkeiten – Kohäsion und Adhäsion . . . .
1
1.1
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1.1
1.1
1.1
1.3
1.4
1.9
1.12
1.13
1.16
1.19
1.22
Statik und Dynamik der Gase und Flüssigkeiten
Fest, flüssig, gasförmig
Gase und Flüssigkeiten sind Systeme, die im strömungsfreien, makroskopischen Gleichgewichtszustand keine Schubspannungen aufweisen (τ = 0). Solche Systeme werden auch Fluide genannt.
Während bei festen Körpern die Moleküle durch intermolekulare Kräfte an Gleichgewichtslagen
gebunden sind, um die herum sie thermisch angeregte Schwingungen ausführen, befinden sich
die Moleküle von Flüssigkeiten und Gasen in regelloser, ungebundener Bewegung. Ihre mittlere
kinetische Energie ist grösser als die Bindungsenergie.
Der Unterschied zwischen Flüssigkeit und Gas beruht auf der Grösse der intermolekularen
Kräfte. In Flüssigkeiten sind die Moleküle dicht gepackt (siehe Abbildung 1.1. Sie bilden Tropfen mit einer definierten freien Oberfläche. Die Kompressibilität ist klein. Gase dagegen bilden
keine Tropfen, sondern beanspruchen das ganze, ihnen zur Verfügung stehende Volumen. Die
Kompressibilität ist im allgemeinen gross.
1.1
fest
flüssig
gasförmig
H2O
Abbildung 1.1: Die drei Zustandsformen von Wasser.
1.2
Der hydrostatische Druck
Der Spannungszustand eines ruhenden Gases oder einer Flüssigkeit ist durch eine einzige Spannung, den hydrostatischen Druck p = p(~r), eindeutig bestimmt. Um dies zu verdeutlichen kann
man das in Abbildung 1.2 dargestellte Gedankenexperiment machen. In ein mit einer Flüssigkeit
gefülltes Gefäss wird am Ort ~r ein kleiner Drucksensor eingebracht. Dieser Drucksensor besteht
aus einem kleinen beweglichen Kolben mit der Fläche dA, der an einer Feder befestigt ist. Aufgrund der äusseren Kraft dF wird er in einem evakuierten Zylinder bewegt. Die Kraft dF bzw.
der Druck p = dF/dA kann aus der Deformation der Feder bestimmt werden. Der Drucksensor
(d. h. die Lage des Flächenelements dA) lässt sich am Ort ~r mit einem Mechanismus in jede
beliebige Richtung drehen. Es zeigt sich, dass der Druck p = p(~r) unabhängig von der Stellung
des Flächenelements dA ist, d. h. mit anderen Worten, dass der Druck im Gegensatz zur Kraft
eine skalare Grösse ist.
Drucksensor
dF
dA
Drucksensor
p
p
F1
x2
Druck
p = dF
dA
F2
x1
Abbildung 1.2: Links: Gedankenexperiment zum hydrostatischen Spannungszustand; mit einem
Druckmessgerät wird der lokale Druck in der Flüssigkeit gemessen. Rechts: Demonstration von
Pascal’s Prinzip mit einem mit Wasser gefüllten Kolben.
Ist die Substanz frei von irgendwelchen Volumenkräften, insbesondere gewichtslos, so ist der
Druck unabhängig vom Ort. Der Spannungszustand ist homogen. Man nennt dieses Erfahrungsgesetz auch Pascal’s Prinzip, denn der französische Mathematiker, Physiker und Philosoph Blaise
Pascal (1623-1662) stellte 1652 fest, dass sich jede Änderung des Drucks, den man auf eine eingeschlossene Flüssigkeit ausübt, unvermindert auf jeden Teil der Flüssigkeit und die Wände des
Behälters überträgt.
Man kann Pascal’s Prinzip mit einem mit Wasser gefüllten Gefäss demonstrieren (Abbildung
1.2), an dem ein Zylinder mit verschiebbarem Kolben der Fläche A1 angebracht ist. Drückt
1.2
man diesen Kolben hinein, so strömt aus allen irgendwo angebrachten Löchern Wasser mit gleicher Intensität aus. Wenn eine solche Öffnung mit einem zweiten Zylinder mit Kolbenfläche A2
versehen ist, dann bewegt sich dieser Kolben beim Hereinschieben des ersten hinaus. Da die
Flüssigkeit inkompressibel ist, müssen die Volumenänderungen an den beiden Kolben einander
kompensieren. Wenn der erste Kolben um die Distanz x1 hineingeschoben wird, die Volumenabnahme also x1 A1 beträgt, muss sich der zweite Kolben um x2 herausbewegen, sodass gilt:
x2 A2 = x1 A1 . Ausser der Volumenänderung muss noch die geleistete Arbeit an beiden Kolben
die gleiche sein: x2 F2 = x1 F1 . Damit ergibt sich
x2 F2
x1 F1
=
x 2 A2
x1 A1
⇒
F2
F1
=
≡p
A2
A1
Der Druck ist der gleiche, wie wir dies postuliert haben.
Die Einheit des Drucks ist das Pascal. Andere gebräuchliche Einheiten sind Atmosphäre (atm),
Torr (zu Ehren von Evangelista Torricelli (1608-1647)) und bar:
1 Pascal = 1 Pa = 1 Newton/m2 = 10−5 bar,
1 atm = 760 Torr = 1.0133 bar = 1.0133×105 Pa, und
1 Torr = Druck einer 1 mm hohen Quecksilber-Säule (Hg) = 133.3 Pa;
zum Vergleich: Druck einer 1 mm hohen Wasser-Säule r (H2 O) = 9.8 Pa.
1.3
Hydrostatischer Druck im äusseren Kraftfeld
Die Druckverteilung und der Spannungszustand wird in dem Moment inhomogen, wenn sich die
Flüssigkeit in einem Kraftfeld befindet, wie dies zum Beispiel im Gravitationsfeld der Erde der
Fall ist. Es treten dann Druckgradienten auf, der Druck ist nicht mehr an jedem Ort derselbe.
Er ist aber gemäss Definition immer noch eine skalare Grösse.
Die freie Flüssigkeitsoberfläche wird zu einer Äquipotentialfläche des Kraftfeldes, wo die potentielle Energie konstant ist und die Kräfte senkrecht zu diesen Flächen wirken. Im Gravitationsfeld
der Erde sind diese Flächen konzentrische Kugeln um den Erdmittelpunkt, im Nahbereich horizontale Ebenen, wie wir das von der Meeresoberfläche und der Oberfläche von Seen her kennen.
Die Meeresoberfläche ist nur dann eine ideale Kugeloberfläche, wenn keine Schubspannungen
auftreten, d. h. im statischen Fall. Im dynamischen Fall, z. B. bei Sturm, muss dies nicht so sein.
Denken wir uns einen Zylinder als Teil eines Fluides mit Höhe dz und der Deckel- und Bodenfläche dA, das sich in einem Kraftfeld, z.B. der Gravitation ~g , befindet. Auf diesen Zylinder
wirken die Druckkräfte F auf den Deckel und den Boden, sowie das Gewicht G des Fluides
(siehe Skizze zur vertikalen Flüssigkeitssäule auf der nächsten Seite). Die Komponenten in der
Zylinderachse z lauten:
Fz = p(z) · dA − p(z + dz) · dA
Gz = m gz = ρ V gz = ρ dA dz gz
1.3
Im statischen Fall herrscht Gleichgewicht, das heisst das Gewicht und die Druckkräfte müssen
sich gerade kompensieren:
dp
= ρ gz
dz
Das gleiche Resultat bekommen wir für die anderen drei Raumrichtungen x und y, indem wir
die Achse unseres gedachten Zylinders jeweils in die entsprechende Richtung drehen. Es gibt
also drei Gleichungen für die drei Raumrichtungen. Wir können diese in Vektorschreibweise
zusammenfassen:
grad p = ρ ~g
Gz + Fz = 0
⇒
Die statische Druckverteilung bildet sich also so aus, dass ihr Gradient gerade gleich der Kraftdichte der Volumenkraft ist. Diese Gleichungen gelten auch dann, wenn das Kraftfeld nicht
homogen ist und wenn die Dichte selbst vom Ort abhängig ist.
1.4
Beispiele zur Hydrostatik:
In diesem Abschnitt werden ein paar, vorwiegend technische Beispiele aus der Hydrostatik behandelt, oder zum mindestens ihre physikalischen Grundlagen dargelegt.
Beispiel – hydraulische Presse oder Hebebühne: Man benützt hier die Konstanz des
hydrostatischen Drucks.
Der Kolben (K2 ), der zum Pressen oder zum Heben dient, hat eine grosse Oberfläche (A2 ), bewegt sich aber um kleine Distanzen (x2 ). Der Kolben (K1 ), der hineingedrückt wird, macht grosse
Wege, hat eine kleine Oberfläche (A1 ) und beansprucht eine kleinere Kraft (F1 ).
K1 : F1 = pA1
F2
F1
A1
K2 : F2 = pA2
A2
p
A2 >> A1 ⇒ F2 >> F1 , x2 << x1
Beispiel – Druckverteilung in einer vertikalen Flüssigkeitssäule:
Die Flüssigkeit befindet sich im Erdfeld, ihre Oberfläche
ist horizontal, d. h. eine Äquipotentialfläche (mgh = U =
const.). Auf die Flüssigkeit (Dichte ρ) drückt von aussen
die Luft mit dem Druck p0 . Bei jedem Volumenelement
dV = dxdydz im Innern müssen sich Volumen- und Oberflächenkräfte das Gleichgewicht halten.
Der Druck p in Funktion der Wassertief z wird entsprechend
dem vorhergehenden Abschnitt:
p0
p(z)
dV
dG
p(z+dz)
z
dp
= ρg
dz
1.4
p
l
Für eine inkompressible Flüssigkeit ist ρ konstant und wir erhalten durch Integration
p(z) = p0 + ρgz
Der Druck nimmt mit der Tiefe linear zu, bei Wasser z. B. um circa 1 atm pro 10 m (ρ = 1000
kg/m3 , dp/dz = 9810 Pa/m).
Der eingangs erwähnte Unterschied zwischen Gasen und Flüssigkeiten zeigt sich, wenn man mit
den gleichen Ansätzen wie oben die Druckverteilung in der Luft berechnet.
Beispiel – Druckverteilung in der Atmosphäre: Wir nehmen an, dass die Temperatur in
der ganzen Luftsäule die gleiche ist. Die Dichte der Luft hängt allerdings vom Druck ab. Diese
Abhängigkeit ergibt sich aus der Zustandsgleichung für ideale Gase pV = RT . Diese Gleichung
wird in der Thermodynamik im Abschnitt 3.2.1 ausführlich diskutiert. Die Gleichung gibt den
Zusammenhang wieder zwischen dem Druck p, dem Volumen V und der Temperatur T eines
Mols eines idealen Gases, als das wir die Luft bei genügend kleinem Druck ansehen können.
R ist eine Konstante, die ideale Gaskonstante. Man erhält für die Masse eines Mols ρV = M
und damit p/ρ = RT /M = kT /m. m ist die Masse eines Moleküls (M = N0 m), N0 ist die
Avogadro’sche Zahl und k ist die Boltzmann’sche Konstante (k = R/N0 ). Bei fester Temperatur
ist das Verhältnis von Dichte und Druck konstant.
Die Gleichgewichtsbedingung ist wieder wie oben, nun allerdings mit z positiv nach oben gewählt,
daher das negative Vorzeichen für dp/dz
−
dp
mg
Mg
= ρ(z)g =
p=
p
dz
kT
RT
Wir erkennen wieder eine Gleichung, wo die Änderung einer Grösse (hier eine Abnahme des
Drucks mit der Höhe) proportional zur Grösse (hier Luftdruck) selber ist. Die Lösung der entsprechenden Gleichung ist dann eine Exponentialfunktion (siehe Abschnitt 2.5.4.2.3):
p(z) = p0 exp(−
mgz
)
kT
⇒ ρ(z) = ρ0 exp(−
mgz
)
kT
In dieser sogenannten barometrischen Höhenformel ist p0 der Druck auf der Bezugshöhe (z = 0).
Im Term mgz erkennen wir die potentielle Energie eines Moleküls der Masse m, kT hat daher
ebenfalls die Dimension einer Energie. Für Luft erhält man bei T = 288.15 K (150 C) mit p0 =
1.013 bar und ρ0 = 1.225 kgm−3 folgenden praktischen Ausdruck für die Barometerformel:
p(z) = 1.013 bar · exp(−
z
)
8432 m
Der Luftdruck fällt also in der Höhe
z1/2 = ln 2 · 8432 m = 5844 m
der sog. Halbwertshöhe, auf die Hälfte ab.
Der Exponent (−mgz/kT ) zeigt, dass der Druck für schwere Gase mit der Höhe schneller abnimmt als für leichte Gase. In der folgenden Tabelle sind einige Werte für den Partialdruck von
Sauerstoff (O2 ) und Wasserstoff (H2 ) bei 00 C (273 K) für verschiedene Höhen z zusammengestellt:
1.5
Höhe
z (m)
0
1000
5000
10000
Partialdruck von O2
pO2 (z)/pO2 (0)
1.00
0.87
0.50
0.25
Partialdruck von H2
pH2 (z)/pH2 (0)
1.00
0.99
0.96
0.92
Der Partialdruck von O2 fällt bei einer Höhenzunahme um 5000 m auf die Hälfte, der Partialdruck von H2 dagegen nimmt nur um ca. 4 % ab.
Für kleine Höhen z, d.h. für z p0 /(ρ0 g) ≈ 8000 m, kann die Barometerformel vereinfacht
werden, indem man die Exponentialfunktion entwickelt: exp(−x) ' 1 − x für x 1. Mit
x = ρ0 gz/p0 erhält man
p(z) ' p0 − ρ0 gz
Abgesehen vom negativen Vorzeichen (infolge Druckabnahme mit steigender Höhe) ist dieser
Ausdruck identisch mit dem Ausdruck für die Druckverteilung in einer vertikalen Flüssigkeitssäule.
In der Herleitung der Barometerformel wurde angenommen, dass die Atmosphäre isotherm sei.
Dies ist aber nicht der Fall. Für 1000 m Höhenzunahme sinkt die Temperatur um rund 6.50 C
und erreicht in einer Höhe von 11000 m einen Wert von −560 C. Bis etwa 20000 m bleibt die
Temperatur fast konstant und nimmt anschliessend wieder markant zu. Die Abweichungen des
tatsächlichen Druckverlaufs in der Atmosphäre von demjenigen entsprechend der Barometerformel betragen aber nur einige Prozent, so dass die Barometerformel als eine gute Näherung
betrachtet werden kann.
Auftrieb: Eine Konsequenz der Druckzunahme mit zunehmender Höhe der Wassersäule über
einem eingetauchten Objekt, ist der Auftrieb. Ein starrer Körper erfährt in einer Flüssigkeit
(oder in einem Gas) an seiner Oberfläche Druckkräfte, die, wie wir eben gesehen haben, mit der
Tiefe zunehmen. Ihre Resultierende, der sogenannte Auftrieb, ist daher nach oben gerichtet.
Um den Auftrieb zu berechnen, denken wir uns den Körper ersetzt durch die von ihm verdrängte
Flüssigkeit, das sogenannte Déplacement. Da es genau die gleiche Oberfläche hat wie der Körper,
erfährt es den gleichen Auftrieb. Da die Flüssigkeit ruht, ist das Déplacement im Gleichgewicht:
~+G
~D = 0
A
⇒
~ = −G
~D = −
A
Z
ρF l ~g dV
Der Auftrieb ist entgegengesetzt gleich dem Gewicht der verdrängten Flüssigkeit und greift wie
dieses im Schwerpunkt SD des Déplacements an. Dieses Gesetz ist als Archimedes’sches Prinzip
bekannt.
Auf den eingetauchten Körper beträgt die Gesamtkraft somit
~+G
~K =
F~ = A
Z
(−ρF l + ρK )~g dV
1.6
Ist die Dichte des Körpers grösser als die
der Flüssigkeit, ρK > ρF l , so sinkt er auf
den Grund, ist sie kleiner, ρK < ρF l , so
steigt er solange, bis er teilweise auftaucht.
Weist die Flüssigkeit (oder das Gas) ein
Dichtegefälle auf, ρF l = ρF l (h), so schwebt
der Körper in der Höhe h, wo ρK = ρF l .
A
Stein
mg
A
Wasser
mg
A
Holz
mg
Beispiel – Suspensionen: In einer Flüssigkeit suspendierte Moleküle einer gelösten Substanz
oder Körner irgendeines Stoffs mit der Masse ms verhalten sich wie ein verdünntes Gas. (siehe
auch Osmose, Abschnitt 3.3.2 der Thermodynamik). Für die entsprechende Konzentrationsverteilung gilt im Schwerefeld ebenfalls die barometrische Höhenformel:
ρ(z) = ρ0 exp(−
m0 gz
)
kT
Wegen des Auftriebs ist statt ms die effektive Masse m0 einzusetzen:
0
Z
m =
(ρs − ρF l )dV
Ist m0 gzmax << kT , so ist die Suspension homogen. Ist m0 gz >> kT , sinken die suspendierten
Körner auf den Grund, für m0 gz < 0 steigen sie zur Oberfläche.
Beispiel – Torricelli’sches Ausflusstheorem: Fliesst aus einer Öffnung eines Gefässes Flüssigkeit,
so hängt die Ausflussgeschwindigkeit von der Höhe des Flüssigkeitsspiegels über dem Loch ab.
Mit abnehmender Höhe nimmt auch die Ausflussmenge pro Zeiteinheit ab. In der Zeit dt strömt
die Menge dm = ρAdx = ρAvdt aus dem Loch mit Querschnitt A aus. Ihre kinetische Energie
ist
v2
2
Diese kinetische Energie ist die Folge der Arbeit dW , die von
den Oberflächenkräften geleistet wird, hier von (p − p0 )A.
p0
dT = ρAvdt
h
dW = (p − p0 )Adx = (p − p0 )Avdt = dT
p − p0
ρgh
Mit p − p0 = ρgh ⇒ v = 2
=2
= 2gh
ρ
ρ
v
p0
p
dV=Adx
2
Diese Formel hatten wir schon einmal angetroffen. Eine von
der Höhe h frei fallendes
√ Objekt erreicht den Boden mit der
Geschwindigkeit v = 2gh.
p0
Bei der sogenannten Mariotte’schen Flasche bleibt die Ausströmgeschwindigkeit konstant
v=
p
h'
2gh0
bis der Flüssigkeitsstand niedriger als h0 ist.
1.7
v
p0
Beispiel – Rotierende Flüssigkeit: Wenn ein Zylinder, der mit einer Flüssigkeit der Dichte
ρ gefüllt ist, mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω um seine vertikale Achse rotiert, die Flüssigkeit steigt gegen aussen hoch. Die Oberfläche, die, wie wir schon wissen, eine Äquipotentialfläche ist, nimmt die Form eines Rotationsparaboloids an. Befinden sich in der Flüssigkeit
gelöste oder eingetauchte Substanzen, so wandern diese, wenn ihre Dichte grösser ist als die
des Wassers, nach aussen und wandern nach innen, auf die Drehachse zu, wenn ihre Dichte
kleiner ist. Dieser Effekt wird in Ultrazentrifugen zur Trennung von Makromolekülen benutzt.
Beide Beobachtungen lassen sich auf die radiale Druckzunahme in der rotierenden Flüssigkeit
zurückführen.
Diese kann aus der Analyse der Kräfte auf ein Volumenelement der Flüssigkeit abgeleitet werden.
In vertikaler Richtung hatten wir vorher gefunden:
dp
= ρg wegen (p(z + dz) − p(z))dA = ρgdzdA
dz
Auf das Volumenelement dV = dzdA wirkt das Gewicht dG = gρdV , das durch den Druckunterschied in vertikaler Richtung (multipliziert mit der Oberfäche dA) aufgehoben werden muss.
In Funktion der Wassertiefe z nahm der Druck linear zu
p(z) = p(z = 0) + ρgz = p0 + ρgz
Rotiert das Volumenelement auf einer Kreisbahn mit Radius r mit Winkelgeschwindigkeit ω,
so ist die Zentripetalbeschleunigung v 2 /r = rω 2 . Die Zentripetalkraft muss von einem radialen
Druckunterschied (multipliziert mit der Oberfläche) geliefert werden:
(p(r + dr) − p(r))dA0 = rω 2 dm = rω 2 ρdrdA0 ⇒
dp
= ρω 2 r
dr
In radialer Richtung ist also die Druckzunahme proportional zum Abstand vom Drehzentrum,
der Druck selber nimmt quadratisch mit dem Radius zu bei festem z
1
1
p(r) = p(r = 0) + ρω 2 r2 = p0 + ρω 2 r2
2
2
Aus den Kräften lassen sich die entsprechenden Kurven der potentiellen Energie und umgekehrt berechnen
(siehe Abschnitt 2.6.3)
U (z, r) = ρdV (gz +
t
ω2 r2
)
2
Für die Oberfläche ist U konstant, also
gz +
r
dA
dA'
ω2 r2
= const.
2
Setzt man für r = 0, z = z0 , so folgt
dG
ω2 r2
z = z0 −
2g
1.8
z0
dZ
p(z)
p(r)
dV
z
dz
p(r+dr)
dr
p(z+dz)
Die Oberfläche hat wie behauptet die Form eines Paraboloids. Vergleicht man wieder die vertikale mit der radialen Richtung, so kann auch die Wirkung des sogenannten Zentrifugalauftriebs
erklärt werden nennt. In einer ruhenden Flüssigkeit nimmt der Druck mit der Tiefe zu. Die
resultierende Auftriebskraft zeigt nach oben und hat den gleichen Betrag wie das Gewicht des
Déplacements. In der rotierenden Flüssigkeit nimmt der Druck radial nach aussen zu, die Auftriebskraft zeigt daher nach innen und hat den gleichen Betrag wie die Zentripetalkraft auf das
verdrängte Wasservolumen:
Z
~ Z = − ~r ρ rω 2 dV
A
Fl
r
Für ρK > ρF l bewegt sich das Objekt K nach aussen, für ρK < ρF l hin zur Drehachse.
Der Zentrifugalauftrieb führt in Zentrifugen zu einer Trennung von Teilchen verschiedener Dichte. Zentrifugen werden in Laboratorien und in technischen Betrieben eingesetzt, z. B. zur Abscheidung von Niederschlägen oder Bakterien, zur Abtrennung der Blutkörperchen vom Serum
oder zur Abtrennung des Fettes von der Milch. Mit sog. Ultrazentrifugen, mit denen man bis
zu 20’000 Umdrehungen/s erreicht, ist es gelungen, bei Eiweissmolekülen und anderen makromolekularen Verbindungen den Sedimentationsprozess so detailliert zu verfolgen, dass man das
Molekulargewicht und die Molekülform bestimmen konnte.
Erfährt ein Mensch bei der Bewegung auf einer gekrümmten Bahn extreme Normalbeschleunigungen
(aN > g, z. B. Akrobatikflug, Raumfahrt), so entsteht ein Druckgefälle im Blut, das je nach
Richtung zu einem Über- oder Unterdruck im Kopf führt.
1.5
Strömungen, Kontinuitätsgleichung
Überlagert sich der statistischen, thermischen Bewegung von Gas- oder Flüssigkeitsmolekülen
eine korrelierte, d. h. geordnete Driftbewegung, so spricht man von einer Strömung. Sie kann
durch ein Stromlinienbild (Abbildung 1.3) veranschaulicht werden. Die Stromlinien sind die über
die thermische Bewegung ausgemittelten Bahnen der einzelnen Teilchen oder eines Probekörpers,
der von der Strömung mitgeführt wird. Die Driftgeschwindigkeit ist somit tangential zu den
Stromlinien.
Die Geschwindigkeitsvektoren einer Strömung bilden ein Vektorfeld ~v (~r, t). Die Stromlinien sind
die Feldlinien dieses Feldes.
Ist das Stromlinienbild zeitlich unveränderlich, so spricht man von einer stationären Strömung,
d.h. an einem bestimmten Ort ~r ist die Strömungsgeschwindigkeit ~v (~r) zeitunabhängig. Die Geschwindigkeit eines mit der Strömung mitschwimmenden Teilchens, das ja seinen Ort verändert,
braucht dabei keineswegs zeitlich konstant zu sein.
Zeigt eine Strömung ein glattes Stromlinienbild, so nennt man sie laminar. Sind die Stromlinien
verwirbelt, so nennt man die Strömung turbulent. Bei realen Gasen und Flüssigkeiten erfolgt
beim Überschreiten einer kritischen Geschwindigkeit vK bei der Um- oder Durchströmung eines
Hindernisses ein Übergang von einer laminaren zu einer turbulenten Strömung. qUrsache der
Turbulenz sind dynamische Schubspannungen als Folge der Viskosität. Im folgenden wollen wir
uns auf laminare Strömungen beschränken.
1.9
v
Stromlinie
P
Abbildung 1.3: Bild einer Flüssigkeitströmung um einen Zylinder herum, das mit Einfärbung
der Flüssigkeit sichtbar gemacht wurde (links). Der Geschwindigkeitsvektor der strömenden
Flüssigkeitsmenge ist immer parallel zur Stromlinie (rechts).
A1
v1
A 2 v2
Abbildung 1.4: Im engen Querschnitt unter der Brücke drängen sich die Stromlinien zusammen
(rechts). Dies bedeutet auch eine höhere Strömungsgeschwindigkeit, solange der Fluss überall
gleich tief ist, und die Oberflächenverteilung der Stromlinien den Vorgang beschreibt. Das gleiche
Bild und der gleiche Effekt zeigen sich bei einer Verengung einer Wasserröhre (links).
Kontinuitätsgleichung für stationäre Strömungen: Wird die Anzahl der Stromlinien pro
Flächeneinheit grösser, die Stromdichte, wie wir diese Grösse nennen wollen, grösser, so entspricht dies auch einer grösseren Geschwindigkeit. Abbildung 1.3 erinnert an eine uns vermutlich bekannte Beobachtung des Anwachsens der Strömungsgeschwindigkeit in der Nähe einer
Einschnürung des Flussbetts. Die physikalische Grundlage dieser Beobachtung ist die Erhaltung
des Gesamtflusses, die einfliessende Wassermenge pro Zeiteinheit muss gleich der ausfliessenden
sein. Bei kleinerem Querschnitt muss daher die Durchflussgeschwindigkeit grösser werden. Die
mathematische Form dieser Erfahrung ist die Kontinuitätsgleichung.
Für die mathematische Definition des Flussbegriffes betrachten wir eine sogenannte Stromröhre innerhalb einer stationären Strömung, d. h. einen durch Stromlinien begrenzten
Schlauch mit Eintrittsfläche A1 und Austrittsfläche A2 . In
der Zeit dt fliessen durch A1 und A2 die Wassermengen
dm1 = ρ1 v1 A1 dt und dm2 = ρ2 v2 A2 dt
1.10
C
B
A2
A1
Im stationären Fall muss wegen der Erhaltung der Materie bei A1 gleichviel hinein wie bei A2
hinaus fliessen. Daher gilt die
Kontinuitätsgleichung : ρ1 v1 A1 = ρ2 v2 A2
Bei Flüssigkeiten kann ρ als konstant angenommen werden, ρ = ρ1 = ρ2 , so dass gilt
v1 A1 = v2 A2
d. h. der Fluss des ~v -Feldes längs einer Stromröhre ist konstant, bzw. der Fluss durch eine
geschlossene Fläche gleich Null. Wir haben hier die Ein- und Austrittsfläche senkrecht zur
Strömungsgeschwindigkeit gewählt, was einem Spezialfall entspricht. Für diesen Fall lautet dann
die Aussage der Kontinuitätsgleichung:
Die Geschwindigkeit längs einer stationären, laminaren Strömung ist umgekehrt proportional
zum Rohrquerschnitt.
In etwas allgemeinerer Form definieren wir als Fluss durch
~ ≡ n̂dA)
eine Fläche A (mit dA
Z
Φ=
A
~≡
~v · dA
Z
(~v · n̂)dA =
A
dA
Z
Z
A
_
v cos αdA
vn dA =
A
n̂
v
Der Einheitsvektor n̂ steht senkrecht auf dem
Flächenelement dA, vn ist die Normalkomponente der
Geschwindigkeit ~v .
vcos_= v·dA
dA
Diese Definition des Begriffs Fluss (Φ) schliesst die Möglichkeit ein, dass die Geschwindigkeit
nicht an allen Orten der Fläche A gleich ist und ferner, dass die Fläche nicht notwendigerweise
normal zu den Flusslinien steht. Für A k ~v (α = π/2) ist der Fluss minimal, für A ⊥ ~v (α = 0)
ist der Fluss maximal. Für eine beliebig gestellte Querschnittsfläche A der Stromröhre ist dann
der Fluss Φ konstant.
Diese Definition des Flusses erlaubt uns eine allgemeinere Formulierung der Kontinuitätsgleichung für den Massenfluss einers Fluides:
Wählen wir als Fläche, für die wir für das Flussintegral auswerten, eine geschlossene Oberfläche
AV , die das Volumen V begrenzt. Dann besagt die Massenerhaltung, dass der einkommende Fluss
gleich dem ausgehenden Fluss sein muss. Der Gesamtfluss ist also gleich null. Vorausgesetzt wird
dabei, dass sich im Innern des Volumens keine Massenquelle oder -Senke befindet.
I
Kontinuitätsgleichung : Φ =
~=
ρ ~v · dA
AV
I
ρ vn dA = 0
AV
Diese Form der Kontinuitätsgleichung gilt für beliebige Formen von Volumen, und auch im Falle,
dass die Dichte ortsabhängig ist.
Die Definition des Flusses kann auf beliebige Vektorfelder erweitert werden, anstelle des Ge~ das Magnetfeld B,
~ oder auch das
schwindigkeitsfeldes ~v tritt dann z. B. das elektrische Feld E,
Gravitationsfeld ~g .
~: Φ≡
Fluss eines Vektorfelds S
Z
A
1.11
~ · dA
~=
S
Z
Sn dA
A
~
Abbildung 1.5 zeigt ein Vektorfeld (E−Feld
in diesem Fall), den oberen Teil einer solchen geschlossenen Oberfläche AV (man nennt sie auch eine Gauss’sche Fläche) und einige Flächenelemente auf der Oberfläche zur Illustration wie der Fluss zu berechnen ist.
Gauss'sche Fläche
3
1
2
dA
dA
e
e
E
E
E
1
2
3
dA
Abbildung 1.5: Eine beliebig geformte geschlossene Oberfläche (Gauss’sche Fläche), die in ein
~
Vektorfeld (hier das E−Feld)
hineingelegt wird. Drei ausgewählte Flächenelemente sind gezeigt,
die verschiedene Orientierungen des Feldvektors und der Fläche zeigen.
1.6
Bewegungsgleichung: Die Eulergleichung
Das zweite Newton’sche Prinzip sagt uns, wie sich Massen unter Einfluss von Kräften bewegen.
Betrachten wir wieder einen kleinen Zylinder mit Volumen dV = dA dz und Masse dm = ρ dV ,
dessen Achse parallel zur z-Richtung liegt, genau wie im Falle der Hydrostatik (Abschnitt 1.3).
~ eine Volumenkraft (z.B. Gewicht: dF
~ = dm ~g ).
Sei p der Druck auf Deckel und Boden, und dF
Im Gegensatz zur Hydrostatik müssen sich die Kräfte nun nicht mehr unbedingt aufheben; wenn
die Summe der Kräfte verschieden von null ist, ergibt sich eine Beschleunigung der Masse dm.
In z-Richtung gilt also die Bewegungsgleichung:
dm z̈ = p(z)dA − p(z + dz)dA + dFz
Dividieren wir diese Gleichung durch das Volumen dV = dA dz, definieren die Kraftdichte
f~ = F~ /dV (im Gravitationsfeld ist f~ = ρ ~g )und setzen die Beschleunigung durch die Ableitung
der Geschwindigkeit vz , erhalten wir:
ρ
dvz
∂p
=−
+ fz
dt
∂z
1.12
Diese Ueberlegung können wir auch in die x und y Richtung ausführen, und erhalten so drei
Gleichungen für die drei Raumrichtungen x, y, und z. In Vektorschreibweise fassen wir die drei
Gleichungen zusammen, und erhalten damit die
Eulergleichung der Fluiddynamik :
ρ
d~v
= −grad p + f~
dt
Sie beschreibt die allgemeine Geschwindigkeitsverteilung einer reibungsfreien Flüssigkeit.
Im Geschwindigkeitsfeld ~v (x, y, z, t) begegnen wir einem typischen Beispiel einer (vektorwertigen) Funktion mehrerer Variablen, wie sie in der Mathematik für Naturwissenschafter besprochen wurden. Die partielle Ableitung (Storrer, Seite 334) nach der Zeit hat hier eine besondere
Bedeutung. Es gilt nämlich:
∂~v
=0
⇔
stationaer
∂t
Eine Strömung hatten wir ja stationär genannt, wenn das Stromlinienbild nicht von Zeit abhängt.
In der Tat, wenn wir an einem festen Ort (x,y,z) sitzen, und die Veränderung in der Zeit boebachten, dann ist das gerade die partielle Ableitung. Sie verschwindet genau dann, wenn sich
das Stromlinienbild im Laufe der Zeit nicht ändert.
Im Gegensatz dazu nennt man die Ableitung, die in der Eulergleichung vorkommt, auch die substantielle Ableitung. Sie beschreibt die Aenderung der Geschwindigkeit, die man sieht, wenn man
mit einem Massenteilchen mitgeht. Die partielle und die substantielle Ableitung sind natürlich
völlig verschieden.
Analog wie in der Mechanik der Massenpunkte liegt auch hier bei der Integration dieser Gleichung oft das Hauptproblem bei der Bestimmung der Randbedingungen.
1.7
Energiebetrachtung: Die Bernoulligleichung
Wie in der Mechanik der Massenpunkte kann das System statt mit den Bewegungsgleichungen
auch durch Energieerhaltung beschrieben werden. Das vereinfacht oft die Lösung des Problems,
und erlaubt uns auch direkter anwendbare Gesetze zu formulieren.
Wir betrachten eine laminare, stationäre Strömung einer
inkompressiblen, hier nun auch reibungsfreien Flüssigkeit
in einer Röhre variablen Querschnitts und dazu variabler
Höhenlage. Diese Röhre muss nicht notwendigerweise reell
existieren, sondern kann durch eine Gruppe von zusammengefassten Stromlinien gebildet werden. Die Eintrittsfläche
A1 und die Austrittsfläche A2 sind senkrecht zur Strömung
gewählt, und ferner soll auch die Geschwindigkeit nicht
über den Bereich der Flächen variieren. Gemäss der Kontinuitätsgleichung erhaltem wir für die im Zeitintervall dt
die Flächen passierende Flüssigkeitsmenge dm
dm = dm1 = ρv1 A1 dt = dm2 = ρv2 A2 dt
1.13
L
y
Eingang
v1
p1
y1
Ideale
Flüssigkeit
x
y
Ausgang
v2
p2
y2
x
Wir wollen nun eine Energiebilanz aufstellen für den Zeitraum dt. Die vom Druck netto geleistete
Arbeit dW (Druck × Fläche × Weg) ist gleich der Zunahme von kinetischer und potentieller
Energie: dW = dT + dU .
dW = p1 A1 v1 dt − p2 A2 v2 dt
dT =
dm 2
(v − v12 )
2 2
dU = gdm(y2 − y1 )
v22 v12
−
+ gy2 − gy1 )
2
2
ρ
ρ
⇒ p1 + v12 + ρgy1 = p2 + v22 + ρgy2
2
2
⇒
p1 − p2 = ρ(
Da die Orte 1 und 2 völlig willkürlich gewählt waren, folgt die Konstanz dieses Ausdrucks längs
der ganzen Strömung (y ≡ h):
ρ
p + v 2 + ρgh = const.
2
Bernoulli0 sche Gleichung
Die vom Schweizer Physiker und Mathematiker Daniel Bernoulli (1700-1782) formulierte Beziehung gilt entlang der Stromlinien einer reibungslosen, inkompressiblen Flüssigkeit. Verläuft
die Stromlinie entlang einer Äquipotentialfläche der Gravitationskraft, so reduziert sich die Bernoulli’sche Gleichung auf den Ausdruck
ρv 2
+ p = const. ≡ p0
2
p ist der wirkliche, von einem in der Strömung liegenden Manometer gemessene Druck, der Term
ρv 2 /2 hat ebenfalls die Dimension eines Druckes und heisst dynamischer Druck oder Staudruck.
p0 bezeichnet man als den Gesamtdruck. In Worten lautet also die Bernoulli’sche Gleichung:
Statischer Druck (p) plus Staudruck (ρv 2 /2) ergibt den Gesamtdruck (p0 )
Die Bernoulli’sche Gleichung ist die Basis für das Verständnis verschiedener Alltagsphänomene
und technischer Instrumente. Einige von ihnen wollen wir nun näher betrachten.
Beispiel – Messung von Strömungsgeschwindigkeiten mit dem Pitot-Rohr:
Beim Pitot-Rohr handelt es sich um einen
stromlinienförmigen Hohlkörper, bei dem die
Druckdifferenz zwischen dem Staupunkt A
vorn und einer seitlichen Öffnung B gemessen
wird. In A ist die Strömungsgeschwindigkeit
null, bei der seitlichen Öffnung dagegen v. Es
gilt dann (ρA =Dichte der Luft, ρM = Dichte
der Manometerflüssigkeit)
v
B
Staupunkt A
h
A : v = 0, p0 = pA
pA − pB =
B
lLuft
B : p0 = pB +
ρA 2
v = ρM gh
2
1.14
ρA 2
v
2
l
s
⇒
v=
2(pA − pB )
=
ρA
s
2ghρM
ρA
Hier haben wir den am Manometer abgelesenen Druckunterschied (Höhe h) bereits eingesetzt.
Beispiel – Hydrodynamisches Paradoxon: Strömt ein Gas
aus einer Druckflasche gegen eine bewegliche Platte, so wird diese angesaugt und nicht etwa weggeblasen. Infolge der hohen Geschwindigkeit des Gases zwischen den beiden Platten ist dort der
Druck kleiner als der Luftdruck aussen. Die beiden Platten werden
zusammen gepresst.
Beispiel: Druckverteilung in einem Venturi-Rohr:
Ein Rohr mit variablem Querschnitt schliesst eine stationäre Strömung ein. Der Druck p im Rohr variiert ebenfalls mit dem Querschnitt. Die Kombination von Kontinuitätsgleichung und Bernoulli’scher Gleichung liefert
v1
A2
=
v2
A1
p1
p2
p3
ρ 2
ρ
ρ
A1
v + p1 = v22 + p2 = v12 ( )2 + p2
2 1
2
2
A2
v
ρ
A2
⇒ p2 = p1 + v12 (1 − 12 ) < p1
2
A2
Mit A1 = A3 folgt p1 = p3 . Im Experiment, ob nun das Rohr
von Luft durchströmt oder von Wasser durchflossen wird,
sind die Drucke p2 und p3 kleiner als berechnet. Man beobachtet selbst bei einem Rohr mit unveränderlichen Querschnitt einen linearen Druckabfall. Dies kommt daher, dass
eine der Voraussetzungen der Bernoulli’schen Gleichungen,
nämlich die Absenz von Schubkräften und Reibung nicht
erfüllt ist.
Im Alltag verwendete Varianten des Venturi-Rohrs sind Zerstäuber (a), Wasserstrahlpumpe (b), und Bunsenbrenner
(c). An der Düsenöffnung (kleiner Querschnitt) ist die Geschwindigkeit gross, der Druck klein, so dass der Strahl eine
Saugwirkung ausübt. Der erreichbare Enddruck der Wasserstrahlpumpe ist nicht beliebig klein, sondern begrenzt durch
den Dampfdruck pD des Wassers (bei 20◦ C pD = 23 mbar).
Mit Öl- oder Quecksilber-Strahlpumpen bei tiefen Temperaturen können Enddrucke bis zu etwa 10−8 mbar erreicht werden. Beim Bunsenbrenner hilft der Unterdruck in der Nähe
des an der Düse austretenden Gases die für das Aufrechterhalten des Verbrennungsvorgangs notwendige Luft anzusaugen.
1.15
p1
p2
v1
p3
v2
v1
Düse
Düse
Luft
Gas
Luft
1.8
Zähigkeit, Newton’sche Reibung und die Navier-Stokes-Gleichung
Bei der Einführung der Reibungskräfte haben wir bereits erwähnt und in verschiedenen Beispielen (Kugel im Öl, Schiff) auch benützt, dass reale Flüssigkeiten nicht reibungsfrei sind. Die
Bremswirkung auf sich in der Flüssigkeit bewegende Objekte hing ab von der Zähigkeit der
Flüssigkeit einerseits – charakterisiert durch die Viskositätskonstante η – und der Form und
Beschaffenheit der Oberfläche andererseits.
In einer realen Flüssigkeit treten also Schubspannungen auf, an den Oberflächen und im Innern
zwischen einzelnen Flüssigkeitsschichten. In einem Modell, wo man sich die Flüssigkeitsmoleküle
durch harte Kugeln ersetzt denkt, wie in Abbildung 1.6 dargestellt, ist diese Reibung dadurch
erklärbar, dass beim Gleiten der einzelnen Schichten übereinander lauter kleine Potentialberge (siehe auch Abbildung 2.39) überwunden werden müssen. Beim Beispiel der rotierenden
Füssigkeit im Schwerefeld, das wir vorher behandelt haben, hätte die Rotation des Gefässes sich
ohne Reibung gar nicht auf die Flüssigkeit übertragen lassen.
x
2¡
W
Wd
Abbildung 1.6: Wenn eine Flüssigkeitsschicht bestehend
aus den die Moleküle darstellenden Kugeln über die darunterliegende gleitet, hat sie Potentialberge der angegebenen Form zu überwinden. Von einer Schicht auf die
nächste wird dabei Impuls übertragen, und daher eine
Kraft ausgeübt. Die Höhe der Buckel bestimmt die Viskosität η der Flüssigkeit. Um eine Schicht ganz von der
Oberfläche abzulösen muss die Energie 2 aufgewendet
werden.
Um den quantitativen Zusammenhang zwischen Reibungskräften
und der Viskosität einer Flüssigkeit zu erhalten, machen wir einen
Modellversuch. Zwischen zwei parallel gestellten Platten, die sich
mit der Geschwindigkeit v0 zueinander bewegen, befindet sich ein
Gas oder eine Flüssigkeit. Ist v0 unterhalb einer kritischen Geschwindigkeit vK , so haften an beiden Platten die Grenzschichten.
Dazwischen stellt sich eine laminare Strömung mit einer linearen
Geschwindigkeitsverteilung v(x) = ax ein (x=horizontale Koordinate in der Zeichnung). Die Schubspannungen und Reibungskräfte zwischen den benachbarten Flüssigkeitsschichten sind, wie
dies Newton erstmals formulierte, proportional zum Geschwindigkeitsgradienten Newton’sches Reibungsgesetz
τ =η
dv
dx
mit
Platte
v
Wand
F v
0
R
d
dv
v0
=a=
dx
d
Betrachten wir nun eine Scheibe der Fläche dA, der Dicke dx und der Masse dm = ρ dA dx,
die sich in der Zeichnung in vertikaler (z-)Richtung mit der Geschwindigkeit vz bewegt. Ihre
Bewegungsgleichung lautet
dm
dvz
= τ (x + dx) dA − τ (x) dA
dt
1.16
wenn wir vorläufig nur die Reibungskraft berücksichtigen. Dividieren durch dV ergibt:
ρ
dvz
∂τ
=
dt
∂x
Wir setzen das Newton’sche Reibungsgesetz ein und erhalten:
ρ
dvz
∂ 2 vz
=η
dt
∂x2
Macht man die gleiche Ueberlegungen in allen drei Raumrichtungen, fasst das Resultat in Vektorschreibweise zusammen und nimmt auch noch den Druckgradienten grad p und die Volumenkraftdichte f~ wie in der Eulergleichung dazu, erhält man die vollständige Bewegungsgleichung,
die sogenannte Navier-Stokes-Gleichung (hier in der Form für inkompressible Flüssigkeiten):
ρ
d~v
= −grad p + f~ + η ∆~v
dt
mit der Definition für den Laplaceoperator:
∆vz =
∂ 2 vz
∂ 2 vz
∂ 2 vz
+
+
∂x2
∂y 2
∂z 2
und
∆~v = (∆vx , ∆vy , ∆vz )
Die Navier-Stokes-Gleichung kann man analytisch in der Regel nicht lösen, stattdessen werden
numerische Methoden und Computer eingesetzt.
Im Gegensatz zur Betrachtung bei den reibungsfreien Strömungen führt uns hier die Energieerhaltung nicht auf ein praktisches Gesetz: Wegen der Reibung geht ein Teil der Energie ja in
Wärme über.
Diese Newton’sche Reibungsgesetz hat die gleiche Form wie die Diffusions- und Wärmeleitungsgleichung, die wir im Sommersemester in der Thermodynamik antreffen werden. Bei diesen
Prozessen handelt es sich ebenfalls um Transportphänomene. Wärmeleitung kommt durch Energieübertragung und Energietransport zustande, der bei den Stössen der Moleküle untereinander
sowohl in der Flüssigkeit wie im Gas auftritt. Diffusion bedeutet Materietransport.
Für Gase steigt, für Flüssigkeiten sinkt η mit zunehmender Temperatur. Für Gase ist η druckunabhängig. Typische Werte der Viskositätskonstante η sind in Tabelle 1.1 aufgeführt. Als Einheit
der Viskosität wird normalerweise benützt
1 Poise = 0.1 Nsm−2
Beispiel – Messung von η: Eine kleine Al-Platte wird durch ein mit Öl gefülltes Gefäss gezogen. Bei konstanter Kraft, bestimmt durch das Gewicht der an dem Faden hängenden Masse,
lässt sich η aus der Geschwindigkeit der Platte bestimmen. Die Geschwindigkeit nimmt vom Beginn der Bewegung zunächst exponentiell ansteigend zu (siehe Abschnitt 2.5.4.2.3), und erreicht
dann die Grenzgeschwindigkeit, wo sich Antrieb und Reibung die Waage halten.
1.17
Substanz
0◦
Luft
H2 O
Rhizinusöl
Glycerin
C
0.00017
0.0179
17◦ C
Blut
Blutplasma
0.020
η [Poise]
C
50◦ C
0.00017
0.0101
0.0055
9.50
15.3
23◦ C
30◦ C
0.04
0.0173
0.015
20◦
100◦ C
0.00022
0.0028
37◦ C
Tabelle 1.1: Viskositätskonstante für verschiedene Substanzen
0.013
Die Gleichgewichtbedingungen lauten
Faden : F − mg = 0
Platte : F − 2Aτ − m0 g = 0
dv
2v0 η
=
dx
d
0
m g ist das um den Auftrieb verminderte Gewicht der Platte, 2Aτ ist – Schubspannung × Fläche – die bremsende Reibungskraft. Es ergibt sich
m0 = d0 A(ρAl − ρÖl )
η=
τ =η
A
F
Öl
Al
(m − m0 )g d
4A
v0
o
m
G
L
d'
G
d
d'<<d
Stoke’sches Reibungsgesetz für eine Kugel: Wird eine Kugel von einem viskosen Fluid
umströmt, so kann man die gesamte Kraft auf die Kugel mit dem Newton’schen Reibungsgesetz
berechnen. Sie ist wie oben proportional zur Geschwindigkeit v und der Zähigkeit η. Die geometrischen Faktoren sind schwieriger zu brechnen; als Resultat erhält man für die gesamte Kraft
auf die Kugel mit Radius r:
Stoke0 sche Reibung
FS = 6π r η v
Übergang zu Turbulenz: Die kritische Geschwindigkeit vK , bei der die laminare Strömung in
eine turbulente umschlägt, hängt auch von der Viskosität η ab, dazu von der Dichte ρ und einer
charakteristischen Länge L (Gefässdimension, Durchmesser des Hindernisses usw.). In unserem
Beispiel wäre L der Plattenabstand. Auf Grund empirischer Resultate ergibt sich
η
vK = Re
ρL
Re ist eine charakteristische Konstante, die dimensionslose Reynold’sche Zahl. Für glatte Rohre
findet man z. B. Re = 2300. Ist der Rohrdurchmesser L = 1 cm, so erhält man die folgenden
kritischen Geschwindigkeiten:
vK = 23 cm/s f ür Wasser
vK = 320 cm/s f ür Luft
In der turbulenten Strömung wird die die Widerstandskraft proportional zur Dichte und zum
Quadrat der Geschwindigkeit und hängt im übrigen stark von der geometrischen Form des
Körpers ab.
1.18
Nichtnewton’sche Flüssigkeiten: Viele Flüssigkeiten erfüllen das Newton’sche Reibungsgesetz nicht, d. h. die Viskosität η ist nicht konstant, sondern nimmt mit zunehmendem Geschwindigkeitsgradienten zu oder ab. Solche sogenannten Nicht-Newtonschen Flüssigkeiten sind z. B.
Blut, Speichel, Dispersionsfarben, Pasten, Salben, Gele.
1.9
Anwendungen mit reibungsbehafteten Strömungen
Strömung und Geschwindigkeitsverteilung in einem zylindrischen Rohr: In vielen
Anwendungen trifft man auf die folgende Situation: Die Strömung einer Flüssigkeit durch ein
zylindrisches Rohr wird durch einen Druckunterschied an den beiden Enden des Rohrs aufrechterhalten. Die alltägliche Erfahrung lehrt, dass die Durchflussmenge vom Rohrdurchmesser
einerseits und vom Druck andererseits abhängt. Ferner ist die Geschwindigkeitsverteilung in dem
Rohr inhomogen. In der Mitte ist die Geschwindigkeit am grössten. Beide Befunde finden wir in
den Hagen-Poiseuille’schen Gesetzen ausgedrückt.
Für ein Rohr mit Radius R der Länge L, in dem durch einen Druckunterschied ∆p eine laminare
Strömung unterhalten wird, finden wir ein parabolisches Geschwindigkeitsprofil
v(r) =
1 ∆p 2
(R − r2 )
4 ηL
Die Durchflussmenge ergibt sich zu
Q=
v
p1
Fp
[m3 s−1 ]
Zum Beweis der beiden Beziehungen denken wir uns aus
der Flüssigkeit eine zylindrische Stromröhre mit Radius r
herausgeschnitten: Infolge des Druckunterschieds ∆p wirkt
auf diesen Zylinder eine Kraft in der Strömungsrichtung
Fp = πr2 (p1 − p2 ) = πr2 ∆p
R
r
π∆p R4
8ηL
Durch das radiale Geschwindigkeitsgefälle dv/dr an der
Mantelfläche eine entgegengerichtete Reibungskraft
Fτ = η2πr
dv
dr
Im stationären Fall herrscht Gleichgewicht
v0
dv
F~p + F~τ = 0 ⇒ πr2 ∆p + 2πrLη
=0
dr
⇒
p2
dv
∆p
r2 ∆p
=−
r Integration : v(r) = −
+C
dr
2ηL
4ηL
1.19
Die Integrationskonstante C erhalten wir aus der Randbedingung
v(r = R) = 0 ⇒ C =
R2 ∆
4ηL
Damit ist die erste Beziehung bewiesen.
Die Durchflussmenge berechen wir zunächst für einen Hohlzylinder mit gleichem Radius wie die
Stromröhre, aber mit der Wandstärke dr. In diesen Hohlzylinder tritt am Ende im Zeitintervall
t durch die Eintrittsfläche 2πrdr das Wasservolumen dV = 2πrdr v(r)t ein.
dV
π∆p(R2 − r2 )
= v(r)2πrdr =
rdr
t
2ηL
Was im gleichen Zeitintervall durch den gesamten Rohrquerschnitt eintritt erhält man durch
Integration:
Z
V
π∆p R 2
πR4 ∆p
Q≡
=
(R − r2 )rdr =
t
2ηL 0
8ηL
Die Wassermenge M ergibt sich aus Q durch Multiplikation mit der Dichte ρ. Bei einer konstanten mittleren Geschwindigkeit v wäre die Durchflussmenge Q = πR2 v. Setzen wir die wahre
Durchflussmenge Q gleich der mittleren Durchflussmenge Q so ergibt sich für die mittlere Geschwindigkeit
R2 ∆p
v=
8ηL
Diesen Zusammenhang können wir benützen, um die gesamte Kraft zu berechnen, die aufgrund
der Flüsssigkeitsreibung auf das Rohr wirkt. Die auf ein Stück Rohr der Länge L und der
Querschnittsfläche πR2 wirkende Kraft Rv ist gleich der Fläche mal Druckunterschied, also:
Rv = πR2 ∆p = 8πηLv
wobei wir die obige Formel für die mittlere Geschwindigkeit verwendet haben. Wie bei der
Stoke’schen Reibung an der Kugel, ist auch hier die totale Kraft proportional zu η und v.
Damit die Strömung laminar bleibt, muss v < vK gelten. Überschreitet v die kritische Geschwindigkeit, so wird die Strömung turbulent. Bei einer turbulenten Strömung ist die Durchflussmenge
kleiner, die Reibung grösser als beim laminaren Fall.
Weitere Kräfte in Strömungen – Dynamischer Auftrieb und Widerstand: Wird ein
Körper von einem Gas oder einer Flüssigkeit umströmt, so treten neben den schon behandelten
auch Kräfte auf, die proportional dem Quadrat der Anströmgeschwindigkeit sind.
Von einem Stromlinienbild, wie z. B. dem für ein Flügelprofil in Abbildung 1.7, kann die Geschwindigkeitsverteilung (Kontinuitätsgleichung) und damit die Druckverteilung (Bernoulli’sche
Gleichung) der umströmenden Substanz abgelesen werden. Der aufgerichtete Flügel lenkt den
Luftstrom nach unten ab. Das Ablenken entspricht einer Kraft des Flügels auf den Luftstrom,
und nach dem 3. Newton’schen Prinzip übt der Luftstrom eine entgegengesetzt gleiche Kraft
auf den Flügel aus. Die vertikale Komponente (allgemeiner die Komponente normal zu ~v ) dieser
1.20
~ D , die horizontale Komponente (allgemeiner die
Kraft nennt man den dynamischen Auftrieb A
~ D . Da die Dichte der
Komponente parallel zu ~v ) nennt man den dynamischen Widerstand R
Stromlinien oberhalb des Flügels grösser ist als unterhalb, ist die Geschwindigkeit dort höher,
der Druck kleiner und die resultierende Kraft daher aufwärts gerichtet, wie es uns die Bernoulli’sche Gleichung lehrt. Der dynamische Auftrieb hat nichts mit dem statischen Auftrieb in
Gasen und Flüssigkeiten zu tun, auf den das Prinzip von Archimedes hinweist und der Ballone
fliegen und Eisberge schwimmen lässt. Der dynamische Auftrieb entsteht nur, wenn Strömung
und umströmtes Objekt relativ zueinander in Bewegung sind.
Luftwiderstand
Auftrieb
v2
Anstellwinkel
v1
Abbildung 1.7: Stromlinienverteilung für
einen Flugzeugflügel der gegenüber der Horizontalen leicht geneigt ist. Die resultierende Kraft hat eine vertikale Komponente
(dynamischer Auftrieb) und eine horizontale Komponente (dynamischer Widerstand).
In einer reibungsfreien Flüssigkeit wäre der dynamische Widerstand null, mit Reibung haben
wir eine Stoke’sche Reibungskraft proportional zur Geschwindigkeit. Diese Kraft genügt jedoch
nicht, um den dynamischen Widerstand zu erklären, der mit dem Quadrat der Geschwindigkeit
zunimmt.
RD = CR v 2
Die Ursache dieser Kraft ist die Wirbelbildung hinter dem umströmten Hindernis, d. h. diese
Kraft tritt erst dann auf, wenn der Übergang von der laminaren zur turbulenten Strömung
(v > vK ) schon vollzogen ist. Die sich an den Grenzflächen bildenden Wirbel tragen kinetische
Energie mit, die dem Flugobjekt entzogen wird. Der Koeffizient CR hängt sehr stark von der
Geometrie des Profils ab. Welche Geometrie die günstigste ist lehrt uns die Natur, für einen
“stromlinienförmigen” Hai ist CR sicher kleiner als für einen Kugelfisch. In Tabelle 1.2 sind die
Werte für verschiedene flächengleiche Profile miteinander verglichen.
Der dynamische Auftrieb macht sich auch bemerkbar bei der Bewegung von rotierenden Objekten. Ein rotierendes Objekt hat eine andere Flugbahn als ein Objekt, das sich nicht dreht.
Abbildung 1.8 demonstriert die Ursache dieser Beobachtung, die man den Magnus-Effekt nennt.
Der rotierende Ball nimmt die Luft an seiner Oberfläche mit, und erzeugt dadurch eine asymmetrische Geschwindigkeitsverteilung und eine entsprechende Kraft, die je nach Drehrichtung nach
unten gerichtet (top-spin, kürzere Flugbahn), noch oben gerichtet (bottom spin im Golf, slice
im Tennis, längere Flugbahn) oder, häufig unerwünscht, wenn die Drehung nicht um eine horizontale Achse erfolgt, seitwärts gerichtet ist. In diesem Fall bekommt man in der horizontalen
Projektion gekrümmte Flugbahn.
1.21
v2
v1
Abbildung 1.8: Die Stromlinienverteilung
für einen sich nicht drehenden Ball (oben)
ist symmetrisch bezüglich einer horizontalen
Achse. Für einen sich drehenden Ball führt
die Zähigkeit des Mediums zu einer Zirkulationsströmung um den Ball herum (Mitte).
Der anströmende Luftstrom wird durch die
Zirkulation abgelenkt und die entsprechende
Kraft ist für diese Drehrichtung aufwärts gerichtet (unten).
Luftwiderstand
F
Auftrieb
v1
v2
Widerstandskoeffizient CR
0.22
0.34
0.08
1.58
1.33
Tabelle 1.2: Vergleich verschiedener flächengleicher Profile.
1.10
Grenzflächen von Flüssigkeiten – Kohäsion und Adhäsion
Unter Kohäsionskräften verstehen wir die inneren, intermolekularen Kräfte in einer Substanz,
welchen wir schon öfters begegnet sind. Der abstossende Anteil wirkt nur zwischen benachbarten Molekülen. Die Reichweite der anziehenden
Kraft wirkt sich über mehrere Moleküle hinweg
aus, über Distanzen von ca. 10−8 m. Im Innern
einer Flüssigkeit ist ein Molekül den anziehenden Kräften benachbarter Moleküle von allen
Seiten ausgesetzt. Die resultierende Kraft F~tot
ist null. Anders liegen die Verhältnisse für ein
Molekül nahe der Oberfläche. Hier ergibt sich
eine in das Innere der Flüssigkeit gerichtete resultierende Kraft F~tot .
~ 1nm
Ftot
Ftot = 0
Die nach innen gerichteten, intermolekularen Kräfte ziehen die Flüssigkeit zusammen und erzeugen somit in der Flüssigkeit einen Binnendruck pi , dessen Grösse von den Molekularkräften
1.22
abhängt. Der Binnendruck führt zu einem Korrekturterm der Zustandsgleichung für reale Gase
(Van der Waalsgleichung, siehe Thermodynamik).
Adhäsionskräfte heissen die intermolekularen Kräfte, wenn sie zwischen Molekülen verschiedener
Substanzen, also vor allem an Grenzflächen auftreten. Je nach Art der beteiligten Moleküle kann
die Adhäsion (A) grösser oder kleiner sein als die entsprechende Kohäsion (K).
A > K: Zwei Flüssigkeiten vermischen sich. Eine Flüssigkeit benetzt einen festen Körper. (Experiment: Essig – Wasser)
A < K: Zwei Flüssigkeiten entmischen sich. Keine Benetzung eines festen Körpers durch eine
Flüssigkeit. (Experiment: Paraffinöl – Wasser)
Durchmischung zweier Flüssigkeiten
Entmischung zweier Flüssigkeiten
Grenzfläche
A>K
A>K
Oberflächenspannung: Grenzt eine Flüssigkeit an Vakuum so treten keine Adhäsionskräfte auf. Wenn keine anderen äusseren Kräfte vorhanden sind, so bewirkt die Kohäsion, dass
alle Molekülabstände möglichst klein werden, d. h. die Flüssigkeit wird Kugelform annehmen
(Regentropfen, Hg-Tropfen, Experiment: schwebende Olivenölkugel in einer Alkohol-WasserMischung, siehe Abbildung 1.9).
Eine Energiebetrachtung führt zum gleichen Resultat. Jede Bindung an ein Nachbarmolekül
liefert einen negativen Beitrag (−EB ) zur potentiellen Energie. Diese ist daher kleiner, je mehr
solcher Bindungen vorhanden sind. Den Oberflächenmolekülen fehlen jedoch nach aussen die
Nachbarn, d. h. es fehlen Bindungen. Die gesamte Energie ist daher minimal, wenn möglichst
wenige Moleküle an der Oberfläche sitzen, d. h. das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen
minimal ist, was wieder zur Kugelform führt:
r
4
A
3
4.84
3 4π
Kugel : V = πr3 , A = 4πr2 ⇒
= =3
= √
3
3
V
r
3V
V
Würfel : V = a3 , A = 6a2 ⇒
A
6
6
4.84
= = √
> √
3
3
V
a
V
V
Will man die Oberfläche vergrössern, so muss man Energie in die Flüssigkeit hineinstecken. Dies
lässt sich mit einem Drahtbügel, der in eine Seifenlösung eingetaucht wird und dabei eine Lamelle aufspannt, quantitativ zeigen (Abbildung 1.10). Der Bügel hängt an einer Waage, die ohne
Lamelle einen kleineren Ausschlag zeigt. Die Oberfläche wird um den Betrag dA = 2Ldx vergrössert. Die Kraft F ergibt sich aus der Differenz der Anzeigen mit und ohne Lamelle. Die beim
1.23
Flüssigkeitstropfen (unstabil)
Flüssigkeitstropfen (stabil)
Oberfläche
Flüssigkeit
Abbildung 1.9: Illustration zur Tropfenbildung bei Flüssigkeiten.
Herausziehen des Bügel geleistete Arbeit ist dW = 2F dx. Das Verhältnis der hineingesteckten
Energie (geleisteten Arbeit) zur Oberflächenvergrösserung
dW
2F dx
F
=
=
dA
2Ldx
L
nennt man Oberflächenspannung γ.
γ=
L
dE
dA
Energie
Kraft
=
Fläche
Länge
F=Gm
Lamelle
F=Gm
dx
F
F
F
Abbildung 1.10: Messung der Oberflächenspannung.
Grenzt die Flüssigkeit nicht an Vakuum, sondern an ein anderes Medium, so gelten die obigen
Überlegungen wenigstens näherungsweise, wenn dieses sehr verdünnt ist, wie z. B. ein Gas.
Typische Werte für γ an Flüssigkeitsoberflächen, über welchen sich Luft befindet, sind in Tabelle
1.3 aufgeführt. Die Oberfächenspannung ist temperaturabhängig. Sie kann z. B. für Wasser durch
sogenannte Detergentien stark verringert werden.
An ebenen Oberflächen ist die Resultierende der Oberflächenspannung gleich Null. Auf ein konvexes Flächenelement
dagegen resultiert eine Kraft nach innen, auf ein konkaves
eine solche nach aussen. In beiden Fällen strebt die gestörte
Oberfläche zur ebenen, minimalen Form zurück.
1.24
Substanz
Wasser
Seifenlösung
C2 H5 OH (Alkohol)
Hg (Quecksilber)
Öl
Äthyl-Äther
Temperatur [◦ C]
18
20
20
15
20
20
γ [N/m]
0.073
0.030
0.0223
0.407
0.032
0.017
Tabelle 1.3: Oberflächenspannungen für verschiedene Flüssigkeiten
Eine Seifenblase zieht sich zusammen, bis im Gleichgewicht
der innere Überdruck gleich dem Druck der Oberflächenspannung ist. Wir können wieder die für die Vergrösserung
des Blasenradius und damit der Oberfläche notwendige Arbeit berechnen (es sind innere und äussere Fläche der Blasenhaut zu berücksichtigen !):
padA
pidA
pi
r → r + dr ⇒ dA = 16πrdr, dV = 4πr2 dr
dW = ∆p dV = γdA ⇒ ∆p = pi − pa =
4γ
r
Der Überdruck ist umso grösser, je kleiner der Radius der
Seifenblase ist. Gleich grosse kommunizierende Seifenblasen
sind daher miteinander im labilen Gleichgewicht. Sobald die
eine etwas kleiner ist als die andere, schrumpft sie solange,
bis die verbleibende Kalotte denselben Krümmungsradius
hat wie die grosse Blase.
Die Flächen minimaler Energie müssen nicht notwendigerweise Kugelflächen sein. Betrachten wir eine beliebig gekrümmte, gespannte Oberfläche in der Nähe eines Punktes P . Ihre Krümmung kann durch zwei Krümmungsradien
in zwei zueinander senkrechten Koordinatenrichtungen gekennzeichnet werden. Bei einer Lamelle gilt
∆p = 2γ(
r1
R1
R2
R2
R2
R1
1
1
+
)
R1 R2
Wenn R1 = R2 = r gilt finden wir wieder das Resultat der Seifenblase. Eine von zwei Kanten
begrenzte, offene Lamelle hat auf beiden Seiten denselben Druck, d. h. ∆p = 0 Diese Bedingung
kann erfüllt werden, wenn die Lamelle eben ist (R1 = R2 = ∞) oder eine sogenannte Sattelfläche
(R1 = −R2 ). Die Differentialgeometrie zeigt, dass solche Fälle tatsächlich Minimalflächen sind.
Grenzflächenspannung: Befindet sich ausserhalb der Flüssigkeit (1) nicht ein Gas, sondern
eine andere Substanz (2), so zeigt die resultierende Kraft auf ein Molekül von (1) ins Innere von
1.25
(1), wenn die Kohäsionskräfte innerhalb von (1) grösser sind als die Adhäsionskräfte von (2) auf
(1) (Abbildung 1.11). Es gelten die obigen Beziehungen, wobei statt γ die Grenzflächenspannung
γ12 einzusetzen ist. Wenn die Adhäsion grösser als die Kohäsion ist, nimmt γ12 negative Werte
an (→ maximale Grenzfläche).
2
I
a2
Luft
a1
1
Flüssigkeit
1
Q
Flüssigkeit
2
a12
Abbildung 1.11: Adhäsion und Kohäsion an Grenzflächen. Links: Flussigkeit (1) und andere
Substanz (2) (Flüssigkeit oder Festkörper). Rechts: Flüssigkeit (1) und Gas (2).
Grenzt eine Flüssigkeit (1) an eine zweite (2) und an Luft, so treten drei Grenzflächenspannungen auf: γ12 , γ1 und γ2 . γ1 , γ2 (> 0) sind gleich der oben behandelten Oberflächenspannung,
solange die Adhäsion zwischen Flüssigkeit und Gas vernachlässigt werden kann (Abbildung
1.11). Im Gleichgewicht muss die Vektorsumme der drei Spannungen gleich Null sein. Ist dies
nicht möglich, wie z. B. bei einem Ölfilm auf Wasser (γ12 = 0.018 < γ1 − γ2 = 0.073 − 0.032
[N/m]), so breitet sich das Öl auf dem Wasser zu einer monomolekularen Schicht aus. Auf diesem
Effekt beruht die Wirkung von Detergentien. Da auch sie sich in sehr dünnen Schichten an der
Wasseroberfläche ausbreiten, genügen schon ganz geringe Mengen, um die Oberflächenspannung
erheblich zu reduzieren.
Auch an festen Körpern (K) existieren Oberflächenspannungen und Oberflächenenergien. Sie
spielen z. B. bei der Rissbildung eine wichtige Rolle. Die Grenzflächenenergien Festkörper–Gas
(K − G) sind jedoch meistens sehr klein, da sich an der Festkörperoberfläche eine adsorbierte Gasschicht bildet (γkG ≈ 0). Grenzt in einem Behälter Flüssigkeit (F ), an eine Wand (K)
und an Luft (G) so beinflussen die Grenzflächenspannungen die Oberflächenform (siehe Abbildung 1.12). Die Oberfläche des festen Körpers ist unbeweglich und es gilt γKG ≈ 0. Für die
Kraftkomponenten parallel zu dieser Fläche ergibt sich im Gleichgewicht
γF G ≈ γF
γKF + γF cos φ ≈ 0 ⇒ cos φ =
−γKF
γF
Für γKF > 0 ist π/2 ≤ φ ≤ π und die Wand wird nicht benetzt (z. B. Quecksilber). Für γKF < 0
ist 0 < φ ≤ π/2 und die Wand wird benetzt (z. B. Alkohol). Ist |γKF | > γF , so existiert keine
Lösung, die Flüssigkeit breitet sich über die ganze Fläche aus, sie benetzt vollständig.
Kapillarität: Infolge der Grenzflächenspannung wirkt längs der Gefässwand auf die Berandung
einer Flüssigkeit eine Kraft pro Länge
γKF = −γF cosφ
In einem runden Rohr wird die Flüssigkeit hinuntergedrückt (kapillare Depression) oder hochgezogen (kapillare Attraktion), bis Gleichgewicht herrscht mit dem Gewicht der Flüssigkeitsäule
1.26
nicht benetzende Flüssigkeit
benetzende Flüssigkeit
aF
aKF > 0
q
q aF
aKF > 0
q > //2
Glas-Wasser
q > //2
Glas-Quecksilber
Tropfenbildung auf Glas
Wasser
q> /
2
Quecksilber
q> /
2
q
q
Glas
Abbildung 1.12: Illustration zu den Grenzflächenspannungen und Oberflächenformen bei benetzenden und nicht benetzenden Flüssigkeiten.
(siehe Abbildung 1.13).
2πrγF cos φ = ρghπr2
Die Steighöhe ergibt sich daraus zu (mit cos φ = 1 für vollständige Benetzung)
h=
2γF cos φ
2γF
(=
)
ρgr
ρgr
Die Steighöhe bei Benetzung (Adhäsion > Kohäsion) ist umgekehrt proportional zum Radius und tritt daher vor allem bei dünnen Rohren (Kapillaren) in Erscheinung. Benetzung oder
Nicht-Benetzung von festen Körpern durch Wasser und die damit verknüpften anziehenden und
abstossenden Kräfte spielen in der Natur eine wichtige Rolle, z. B. bei Ausbreitung von Wasser im Humus, in Pflanzenkapillaren, bei der Fortbewegung von Amöben, beim Fettgefieder
von Wasservögeln und auch bei Insekten, die auf dem Wasser laufen. Auch Wasch- und Imprägniermittel, Kugelschreiber, Wattetampons usw. nützen Kapillarwirkungen aus. Abbildung
1.14 illustriert die letzteren beiden Beispiele.
1.27
Fa
2r
h
q
h
q
Kapillare Attraktion
Kapillare Depression
Abbildung 1.13: Illustration zur kapillaren Attraktion (links) und Depression (rechts).
Gewebe mit Wasserschicht
Wasser
Wasser
nicht imprägniert
imprägniert
Wasser geht durch
Wasser geht nicht durch
Gewebe
Abbildung 1.14: Unten links: Kapillarwirkung beim Wasserläufer. Oben: Einfluss eines
Imprägniermittels auf die Wasserdurchlässigkeit von Gewebe.
1.28
Befindet sich zwischen zwei Platten ein Flüssigkeitstropfen,
so werden sie dadurch angezogen oder abgestossen, je nachdem ob die Flüssigkeit benetzt oder nicht. Benetzt sie, so
wirkt, wie oben, die Kapillarkraft nach aussen. Im Innern
entsteht ein Unterdruck, der eine Anziehung der Platten bewirkt. Benetzt sie nicht, so drückt die resultierende Kapillarkraft nach innen, der Überdruck im Innern erzeugt eine
Abstossung der Platten.
1.29
pa > pi
pa
pi
pa
pa
ppii
pa
pi > pa
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