INFEKTABWEHR UND IMPFUNG Vorlesung 6

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Vorlesung Immunologie 6. Semester Humanmedizin
INFEKTABWEHR UND IMPFUNG
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INFEKTABWEHR UND IMPFUNG
Vorlesung 6
Erreger
1. Größenvergleich und Gefahren
Erregertypen:
(10-8m – 1 m)
Helminthen
Protozoen
Bakterien
Viren
Gefahrenpotenzial:
- Vermehrung
- Variation
- Adaption an den Wirt und sein Abwehrsystem
im Wirt selbst
im Tier
in anderen Menschen
- besondere Anfälligkeit in Kindheit, Alter, Immunschwäche
2. Prinzipien der Abwehr
Prinzip
MilieuBarrieren
Angeborene
Immunität
Adaptive
Immunität
sofort
Sofort /
Stunden
Tage
(3-14)
unspezifisch
begrenzt und
fixiert
Immunologisch hochspezifisch,
nimmt während Immunantwort
zu
Rezeptoren für
Erreger
nein
ja
ja
Anpassung an
Erreger
nein*)
nein
ja
Reaktionszeit
Verfügbarkeit
Spezifität
*) indirekt z.B durch Erhöhung der Körpertemperatur : Fieber
Emmrich, 2007
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Milieu-Barrieren
Übersicht
Uns schützen zunächst physikalische und Milieu-Barrieren vor dem Erregereintritt.
Sie betreffen ganz wesentlich die Haut und die Schleimhaut und es gehören dazu
pH-Wert-Schwellen (pH Magen: 1 – 2, Hautsäuremantel pH 3 – 5, Schweiss pH 5,
Vagina 4 – 4,5, Harnwege 5 – 7), aber auch Strömungsvektoren (Harnwege,
Zilienschlag der Bronchialepithelien), Reflexe (Hustenreflex), besondere
Milieubedingungen (Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit, Keimbesetzung und –
konkurrenz).
Angeborene Immunität
1. Übersicht
Barrieren
A. Epitheliale Barrieren (mit γ, δ-T-Zellen in der Shleimhaut)
B. Molekulare Barrieren in Körperflüssigkeiten (induzierbar wie z.B. Zytokine
und nicht-induzierbar)
C. Phagozyten : Neutrophile/Monozyten/Makrophagen
NK-Zellen „pattern recognition“ Rezeptoren
¾
¾
Die angeborene Immunität umfasst unmittelbar verfügbare oder kurzfristig
innerhalb von max. 4h nach dem Erregereintritt rekrutierte Abwehrmechanismen.
Bevor nach etwa 4 Tagen die ersten Effektorfunktionen der adaptiven
Immunität verfügbar werden, übernimmt die Entzündung vor Ort die
Erregerabwehr.
2. Epithelbarrieren (A)
Epitheliale Barrieren mit Schnittstellen zur adaptiven Immunität
¾ Intraepitheliale Lymphozyten (IEL) und Immunzellen innerhalb von
M-Zellen (= Mucosa-Epithelzellen ohne Villi aber mit Höhlen, die B-, T-Zellen
und Makrophagen enthalten ) stellen die erste Abwehrfront gegen enterale
Antigene.
¾ IEL tragen γ, δ T-Zellrezeptoren, die z.B. Glykolipide erkennen und sehr
eingeschränkt in ihrer Spezifität sind. Sie erkennen ihr Antigen ohne MHCRestriktion.
¾ Schutzfilm-Moleküle: Kationische antibakterielle α-Defensine
(Darmschleimhaut) und β-Defensine (Lungenepithel)
Emmrich, 2007
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3. Molekulare Barrieren (B)
Nicht-induzierbare Effektoren
¾ Substanzen mit mikrobizider Wirkung
Säuren: Magen-, Milch-, Fettsäuren
Enzyme: Lysozym, Pepsin
¾ Surfactant-Proteine
besetzen Bakterienoberflächen (Opsonierung)
¾ Komplementsystem
wichtige biologische Effekte (siehe Vorlesung 4)
¾ Weitere molekulare Barrieren bilden Plasmaproteine wie C-reaktives Protein
Induzierbare Effektoren: Zytokine
¾ Makrophagen-Zytokine = Monokine
- IL-1 aktiviert Endothelzellen, Kostimulator für T-Zellen, Fieber,
Akut-Phase-Proteine in der Leber.
- IL-6 regt Antikörpersynthese in B-Zellen an, Kostimulation T-Zellen
- TNFα wird über TLR4 induziert und steigert Gefäßpermeabilität, reguliert
Adhäsionsmoleküle auf, stimuliert Thrombozyten und mobilisiert DC.
CAVE : Bei systemischer bakterieller Infektion droht Sepsis
- IL-8 lockt Neutrophile an
- IL-12 stimuliert Th1- und NK-Zellen
¾ Interferone
- IFNα und IFNβ wirken virostatisch und regulieren MHC-Moleküle auf
- IFNγ reguliert MHCI- und –II-Moleküle auf und aktiviert Makrophagen
4. Phagozyten (C)
Für die Funktion aller Zellen der angeborenen Immunität und insbesondere der
Phagozyten von ausschlaggebender Bedeutung sind ihre Rezeptoren (siehe
Vorlesung 4). Hierzu gehören Komplementrezeptoren, C-Typ Lektinrezeptoren,
TLR, Fc-Rezeptoren und STS.
¾ Neutrophile Granulozyten und Monozyten/Makrophagen erreichen als erste
Zellen den Ort des Erregereintritts und beginnen mit der Phagozytose.
¾ Neutrophile Granulozyten und Monozyten/Makrophagen bilden die erste
zelluläre Front für die Erregerabwehr.
¾ Intrazellulär : Phagolysosomen, Lysozym
¾ Extrazellulär : Antibakterielle Wirkstoffe und Entzündungsmediatoren
5. NK-Zellen (C)
NK-Zellen überwachen andere Zellen in Bezug auf die Expression von MHCIMolekülen mit Hilfe des killing inhibitors factors (KIR) und des kiling activatory
factors (KAR). KIR hemmt KAR wenn hinreichend MHCI vorhanden ist. Andernfalls
wird die Hemmung aufgehoben und Zytolyse eingeleitet.
Emmrich, 2007
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6. Entzündung
¾ Ursprüngliche Entzündungsdefinition:
DOLOR
- Schmerz
RUBOR
- Rötung
CALOR
- Hitze
TUMOR
- Schwellung
¾ Charakteristika:
- verstärkte Blutzufuhr zum Infektionsort
- verstärkte Kapillarpermeabilität
Ödembildung und Aufregulation von Adhäsionsmolekülen
- Chemoattraktion durch IL-8
- Extravasation von Neutrohilen und Makrophagen in das umgebende
Gewebe
- Eiterbildung nach Absterben der Zellen
¾ Generalisierte Entzündung (Sepsis):
Eine massive Freisetzung von Zytokinen, welche oft durch bakterielles
Endotoxin (LPS) von ausgelöst wird, kann zu intravaskulärer Koagulation und
dadurch defekter Gerinnung, Änderungen der Gefäßpermeabilität,
Flüssigkeitsverlust in den Geweben, Blutdruckabfall, Kreislaufzusammenbruch
und hämorrhagischer Nekrose, besonders im Darm, führen.
Escape-Strategien
1. Antigene Variation
Antigene Vielfalt lässt das Immunsystem ins Leere laufen!
¾ Vielfalt der Stämme
Einige Erreger bilden viele nicht-antigen verwandte Stämme
(z.B. 84 verschiedene Stämme bei Streptococcus pneumoniae mit
typenspezifischen Polysacchariden, aber keine Kreuzimmunität).
¾ Antigendrift
Punktmutationen bei Oberflächenproteinen, so dass protektive Antikörper
nicht mehr binden können (meist noch partieller Schutz vorhanden).
¾ Antigenshift
Rekombination mit verwandten Viren in einem Wirtsorganismus, so dass
protektive Antikörper und T-Zellen nicht mehr schützen (meist schwere
Infektionen). Bei Trypanosomen findet die Antigenvariation des
variantenspezifischen Glykoproteins (VSG) im gleichen Wirt statt (ca. 1000
VSG-Gene, immer nur eines exprimiert).
2. Verbergen vor dem Immunsystem
Verbergen im Gewebe
Erreger verbirgt sich in unzugänglichem Gewebe.
¾ Varicella (Herpes) zoster (Windpocken) überdauert in den Spinalanglien
und kann bei Stress oder Immunschwäche eine Gürtelrose auslösen.
Emmrich, 2007
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Verbergen vor Phagozyten
Erreger macht sich unsichtbar. Erreger vermeidet das Andocken an Phagozytenrezeptoren.
¾ Einige Erreger können Repellents freisetzen, die Chemokine blockieren. Der
Erreger verliert seinen „Duft“.
Verbergen im Phagozyten
Erreger entwickelt resistente Hülle oder Kapsel und überlegt in der Zelle unzerstört.
¾ Mycobakterien
überleben in nicht-aktivierten Makrophagen (Phagosom verschmilzt nicht mit
Lysosom)
¾ Toxoplasma gondii
entkommt aus Phagosom, bildet eigene Vesikel
¾ Borrelien
lassen sich von Makrophagen „einwickeln“ und überdauern in der Zelle.
¾ Leishmanien
Geißeltragende Protozoen, die in Makrophagen eindringen, im Phagolysosom
überleben, dieses verlassen und den Makrophagen funktionell lähmen.
3. Schwächung des Immunsystems
Eingriff in Erkennung durch das
adaptive Immunsystem
Erreger stört APC-Funktionen
Erreger stört Induktion der
adaptiven Immunität
Auslöschung einer speziellen
Vβ TCR – Genfamilie (z.B. durch
Superantigene wie MMTV)
Infizierte Zellen stoppen
Antigenpräsentation
Eingriff in Steuerung des
Immunsystems
Erreger stört aktiv aber indirekt
durch Eingriff in die
Regulationsebene des Systems
Eingriff in Effektormechanismen des Immunsystems
Erreger stört aktiv seine
Aufnahme oder den Abbau
durch Phagozyten
Erreger stört aktiv zelluläre oder
Mediator-vermittelte EffektorMechanismen z.B. der
Phagozyten
Dysregulation
Emmrich, 2007
Erreger stört komplexe
regulatorische Balancen
HIV-Infektion über das CD4Molekül schädigt
selektiv die Th-Zellen und ihre
Funktionen
Mykobakterien setzen ein
Lipoarabinomannan frei,
welches die Wirkung von IFNg
auf Makrophagen blockiert
Nach Phagozytose sezerniert
Mycobakterium tuberculosis
Inhibitoren für die Fusion von
Phagosom mit Lysosom
Mykobakterien sezernieren
Katalase und bremsen damit
die Mikrobizidie von
Hydrogenperoxid
M.leprae bewirkt Polarisierung
der Th-Zellen
Tuberkuloide Lepra : Th1Übergewicht
Lepromatöse Lepra : Th2
Übergewicht
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Impfungen
1. Aktive und passive Immunisierung
Aktive Immunisierung
¾ Stimulation der körpereigenen Immunabwehr durch abgetötete (Totimpfstoff)
oder abgeschwächte (attenuierte) Erreger (Lebendimpfstoff). CAVE:
Vollständiger Schutz braucht Zeit! Etwa 10 – 14 Tage dauert es in den
meisten Fällen bis zum vollständigen Schutz.
Passive Immunisierung
¾ Kurzfristiger Ersatz der körpereigenen Immunabwehr durch Übertragung von
spezifischen Antikörpern („Antiserum“) ggf. in Zukunft von extrakorporal
präparierten spezifischen T-Zellen.
2. Regeln und Impfpass
¾ Impfungen bieten hohe, risikoarme und preiswerte Sicherheit vor
Ansteckung mit Infektionskrankheiten! Sie sollten in einem persönlichen
Impfpass aufgezeichnet werden. Leider nehmen Impfmüdigkeit und
ablehnende Haltungen (Fundamentalismus, Ängste) zu. Geduldige Aufklärung
tut Not!
¾ Grundsätzlich sind Standardimpfungen immer zu empfehlen, dringend
angeraten sind sie bei Kindern. Zusatzimpfungen empfehlen sich bei
Geschäftsreisende, Berufstätigen mit erhöhter Infektionsgefahr und Senioren
(Influenza, Pneumokokken).
¾ In Deutschland gibt es keine Impfpflicht mehr, jedoch Impfempfehlungen der
STIKO (Ständige Impfkommission) am Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin.
3. Empfehlungen
Impfkalender für Babys
und Kleinkinder
Impfkalender für Kinder,
Jugendliche und
Erwachsene
Tetanus
Diphterie
Pertussis
Poliomyelitis
Hepatitis B
Pneumokokken
Windpocken
Tetanus
Diphterie
Pertussis
Poliomyelitis
Hepatitis B
Pneumokokken
Windpocken
Haemophilus influenzae
Meningokokken
Masern, Mumps, Röteln
Influenza
Papillomaviren
Wichtige Reiseimpfungen
Cholera
Gelbfieber
Hepatitis A und B
Poliomyelitis
Malaria-Prophylaxe
Tollwut
Typhus
Infos zu Reise-Imfpungen: www.dtg.org und Bulletins des Robert-Koch-Instituts und
der WHO
Emmrich, 2007
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Impfstoffentwicklung
1. Anforderungen an einen Impfstoff
Kriterien für einen effektiven Impfstoff
Sicherheit
Der Impfstoff darf selbst nicht zu Krankheit oder Tod
führen.
Schutz
Der Impfstoff muss vor einer Krankheit schützen, die
durch einen lebenden Erreger hervorgerufen wird.
Langanhaltende Wirkung
Der Schutz vor einer Infektion muss mehrere Jahre
anhalten.
Induktion neutralisierender
Antikörper
Einige Krankheitserreger (wie das Poliovirus) infizieren
Zellen, die nicht ersetzt werden können (z.B.
Neuronen); neutralisierende Antikörper können einer
Infektion vorbeugen.
Praktische Anforderungen
Geringe Kosten pro Dosis, biologische stabil, leicht zu
verabreichen, keine / akzeptable Nebenwirkungen
2. Lebendimpfstoffe
¾ Die klassische Herstellungsweise eines attenuierten Lebendimpfstoffes
besteht in der Anpassung (über Zellkulturpassagen) eines Virus an
Affenzellkulturen und dem Verlust der Pathogenität bei künftigem Kontakt mit
menschlichen Zellen. Hohe Immunogenität und Protektion werden eher durch
Lebendimpfstoffe erreicht.
3. Totimpfstoffe
¾ Totimpfstoffe können aus abgetötetem Erregermaterial bestehen.
¾ Zwei neuere Entwicklungen betreffen Peptide ggf. in Kombination mit
Makromolekülen als Trägerstrukturen.
¾ Nach exakter Analyse der relevanten Epitope werden die betreffenden
Peptide chemisch synthetisiert, um einen Impfstoff ohne jegliches
Sicherheitsrisiko zu erzeugen. Es gibt jedoch Limitationen: Kleine Peptide sind
kaum immunogen. ABER: Peptide > 20 aa sind schwierig zu synthetisieren.
¾ Peptide, die gleichermaßen durch Antikörper erkannt werden aber auch von
T-Zellen (d.h. an MHC-Moleküle binden).
¾ Verwendung von ISCOMs, d.h. von Lipid-Micellen mit deren Hilfe Peptide in
die Zelle geschleust werden, wo sie sich mit MHC Klasse I - Molekülen
verbinden.
¾ Die jüngste Entwicklung sind MHC-Tetramere mit vorgefertigten Peptiden als
T-Zell“impfstoffe“.
Emmrich, 2007
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4. Gentechnisch erzeugte Impfstoffe
¾ Im Vergleich zu klassischen Methoden erreicht man eine schnellere und
verlässlichere Attenuierung durch gezielte Mutation oder Deletion von
Virulenzgenen. Die Rückmutation zum Wildtyp lässt sich auf diese Weise
praktisch ausschließen und auf anlaufende Epidemiewellen kann rascher
durch Bereitstellung eines geeigneten Impfstoffes reagiert werden.
¾ Noch zielgenauer ist die Definition der relevanten T- und B-Zellepitope und
die Einschleusung der betreffenden Genabschnitte in einen Wirtsorganismus (z.B. Vaccinia-Virus). So wurde beim ersten gentechnisch
hergestellten Humanimpfstoff (Hepatitis B) verfahren.
5. DNA-Impfstoffe
¾ Plasmid-DNA eines Immunogens führt bei intramuskulärer Injektion am
Eintrittsort zu Proteinexpression und Immunreaktion mit Impfeffekt.
¾ Sicher (keine Erregerreplikation), stabil und preiswert, bisher nur im
Tierexperiment erprobt.
Emmrich, 2007
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