Sozialpsychologie I

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Sozialpsychologie I
1 - Einführung
2
2 - Methoden
3
3 - Schemata und Kategorien
9
4 - Stereotypisierung
13
5 - Automatische Prozesse
17
6 - Verarbeitung sozialer Information
20
7 - Affekt und Kognition
24
8 – Soziale Vergleiche
28
9 - Attributionstheorie und Attributionsfehler
31
10 - Einstellungen
34
11 - Veränderung von Einstellungen
38
12 - Konsistenztheorien
41
13 - Das Selbst
47
1
Sozialpsychologie I
1 - Einführung
DefinitionSozialpsychologie
• „Sozialpsychologie ist die wissenschaftliche Untersuchung wie Gedanken, Gefühle,
Entscheidungen und Verhaltensweisen von Individuen durch die tatsächliche oder
vorgestellte Anwesenheit anderer beeinflusst werden.
• Sozialpsychologie erforscht
• Alltagsintuitionen und Theorien von Individuen
• wie Individuen ihre soziale Realität konstruieren
• wie Individuen ihr Ansehen, Status und ihre sozialen Beziehungen regulieren
Konstruktion der sozialen Realität:
• Die Realität jedes Individuum (seine Perspektive) ist das Ergebnis von kognitiven Prozessen
(die Art und Weise in der unsere Psyche funktioniert) und sozialen Prozessen (Einfluss von
tatsächlichen oder vorgestellten anderen Individuen).
Sozialer Einfluss:
• Andere Individuen beeinflussen nahezu alle Gedanken, Gefühle und Verhalten, selbst wenn
diese anderen nicht direkt anwesend sind. 2
Sozialpsychologie I
2 - Methoden
Leitfragen
1. Warum brauchen wir eine wissenschaftliche Sozialpsychologie
2. Wozu sind Theorien notwendig?
3. Wie können wir Theorien prüfen?
4. Wozu & warum wissenschaftliche Sozialpsychologie?
1.WiekannmanWissengewinnen?
Unsere Standards
1. Validität → Wir untersuchen genau das,
was wir zu untersuchen vorgeben.
2. Reliabilität → Unsere Ergebnisse sind
replizierbar.
3. Kumulativ → Forschung baut auf
früherer Forschung auf
Starrsinn
annähernd
4. Öffentlich → Ergebnisse werden
veröffentlicht, sind öffentlich zugänglich
5. Einfach → Einfacher Theorien werden komplizierteren vorgezogen
Theorien
• systematisieren Wissen, zeigen Zusammenhänge auf, und generalisieren auf neue Situationen
• Ableitung von Handlungsanweisungen aus Theorien
• Theorie:
• „Eine Gruppe abstrakter Begriffe (d.h., Konstrukte) und Aussagen darüber, wie diese
Konstrukte miteinander zusammenhängen.“
• Konstrukt = abstrakter theoretischer Begriff
• Konstrukt ≠ konkrete Beobachtung
• Zusammenhang: A verursacht B
• Verstehen & Erklären durch allgemeine Prinzipien
Operationalisierung
• messbar machen von inneren Konstrukten
• messbare Faktoren (Herzrasen, Schwindel)
• unabhängige Variablen - Bedingungen für Angst (z.B.
Hund, Prüfung)
• außerdem Konsequenzen der Angst → abhängige
Variablen (Flucht, Vermeidung)
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Sozialpsychologie I
Konstruktvalidität
• Validität = argumentatives Gewicht
• Übereinstimmung der gemessenen und manipulierten Variablen mit den Konstrukten der
Theorie
• Gefährdung der Konstruktvalidität: z.B. soziale Erwünschtheit
• Gewährleistung der Konstruktvalidität → multiple Maße
Erfassung von Konstrukten
• Selbstbeurteilungsmaße: Fragebogen (verschiedene Skalen); Interview (offen,
halbstandardisiert, standardisiert)
• psychologische Tests (Erinnerungsleistung, Reaktionszeiten, implizite Maße)
• Beobachtungsmaße (teilnehmend, heimlich → Gütekriterium: Übereinstimmung mehrerer
Beurteiler)
• Likert-Skala
• Auswahl von Items aus einem Itempool durch Vortests
• Item-Gesamt Korrelationen bestimmen Qualität der Skala
• „1=stimme gar nicht zu“ bis „5=stimme voll zu“
• Thurstone
• aufwendiger als Likert, aber gleiche Abstände der einzelnen Werte
• semantisches Differential
• Objekte werden auf mehreren bipolaren Dimensionen bewertet
• mächtig-ohnmächtig, aktiv-passiv, positiv-negativ
(Kausale) Zusammenhänge
Interne Validität
• UV beeinflusst AV
Bedrohungen der internen Validität
• Zeit- und Alterseffekte
• Praxis-Effekte
• Test-Effekte
• Selektionseffekte
• Regression zur Mitte
• Kontrollgruppendesign um interne Validität zu gewährleisten
Gültigkeit in einem definierten Bereich
Externe Validität & Bedrohungen
• Reaktivität der Versuchspersonen
• Künstlichkeit der Untersuchungssituation
4
Sozialpsychologie I
2.DieRollevonTheorien
Generalisierung und Vorhersage
• Operationalisierung: Beobachtung
• Variablen:
• potentielle Ursache: unabhängige Variable
• potentielle Wirkung: abhängige Variable
• Hypothese: abgeleitete neue Vorhersage
• Nutzen: nicht Befunde oder Effekte, sondern Theorien erlauben Generalisierung und
Vorhersage
3.TestvonTheorien
• induktive Strategien der Bestätigung von Theorien
• Falsifikation von Theorien
• induktive Strategien (schlussfolgernde Strategien)
• Sammlung von Daten, die die Theorie bestätigen
• je mehr bestätigende Evidenz vorliegt, desto besser ist unsere Theorie
• Probleme
• Bestätigungstendenz (Wenn wir eine Hypothese haben, suchen wir immer nach
Ergebnissen, die die Hypothese stützen.)
• Paradox der Induktion
• „Alle Schwäne sind weiß“
• „Wenn ein X ein Schwan ist, dann ist X weiß“
• „Wenn ein X nicht weiß ist, ist es kein Schwan“
• „Alle nicht weißen Dinge sind kein Schwan“
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Sozialpsychologie I
Wie können wir die Probleme induktiver Strategien beheben?
Falsifikation
• Theorien können nicht durch bestätigende Evidenz „bewiesen“ werden, aber durch
Falsifikation widerlegt werden
• d.h. Theorien müssen falsifizierbar sein
• Studien müssen die Theorien herausfordern, versuchen zu falsifizieren
Forschungsstrategien
Umfrageforschung
• Ziel: möglichst genaue Bestimmung der Ausprägung einer oder mehrerer interessierender
Variablen in einer bestimmten Population (z.B. die Einstellung der Bevölkerung einer Stadt
zur neuen Müllverbrennungsanlage)
• Zufallsstichproben vs. repräsentative Stichproben
• Extrembeispiel: Wir befinden uns im Jahre 1934. Es stehen folgende Kandidaten zur Wahl:
Roosevelt und Landon. Literary Digest macht eine Telefonumfrage mit mehr als 2 Millionen
Personen. Diese ergibt, dass der Republikaner Landon mit einem gewaltigen Erdrutschsieg
gewinnen wird. Roosevelt gewann aber! Telefon damals nur unter Wohlhabenden → keine
repräsentative Stichprobe
Feldstudien
• Ziel: Möglichst genaue Bestimmung der Zusammenhänge zwischen mehreren
interessierenden Variablen sowie, falls möglich, Aufklärung von Wirkungsrichtungen
• Querschnitt- und Längsschnittstudien
Experimente
• Ziel: Aufklärung der kausalen Wirkung einer oder mehrerer unabhängiger Variablen, die im
Experiment manipuliert werden, auf eine oder mehrere abhängige Variablen
• zufällige Zuweisung der Probanden zu den experimentellen Bedingungen (evtl. mit
vorheriger Parallelisierung bzgl. bestimmter Merkmale)
• Quasi-Experiment: Zuweisung der Probanden zu den experimentellen Bedingungen ist
vorgegeben → z.B. Geschlecht
Bedingungen der Kausalanalyse:
geplante Variation: systematische Manipulation der vermuteten Ursache
isolierende Variation: nur die vermutete Ursache wird manipuliert
Randomisierung: zufällige Zuweisung der Versuchspersonen zu Bedingungen
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Sozialpsychologie I
Elemente sozialpsychologischer Experimente
1. experimentelles Setting: relevante kontextuelle Merkmale der Untersuchung
2. Instruktion und Coverstory: Einweisung der Probanden in den (vermeintlichen oder
tatsächlichen) Hintergrund der Untersuchung und ihre Aufgaben
3. Konföderierter: Verbündeter des Versuchsleiters, der als vermeintliche weitere
Versuchsperson am Experiment teilnimmt („Strohmann“)
4. unabhängige Variable: Variable, deren kausale Wirkung auf die AV untersucht werden soll
und deren Ausprägung daher variiert bzw. manipuliert wird
5. abhängige Variable: Variable, die (gemäß der Hypothesen) von UV beeinflusst wird und die
daher im Experiment gemessen wird
6. Manipulationskontrolle (MC): Prüfung der Wirksamkeit der Manipulation meist durch
subjektiven Bericht der Vpn
7. Moderatorvariable: verändert Einfluss der UV auf die AV
8. Mediatorvariable: vermittelt Einfluss der UV auf die AV
9. Verdachtskontrolle: Haben Versuchspersonen den Zweck des Experiments erkannt?
10. Aufklärung: Aufklärung der Versuchspersonen über den Zweck des Experiments
11. Hypothesen: Erwartungen, die aus Theorien abgeleitet sind → Form „wenn X, dann Y“
12. Zusammenhangshypothesen: z.B. je höher die Temperatur, desto höher Aggression
13. Unterschiedshypothesen: Aggression bei Hitze > Aggression bei Kälte
Test von Hypothesen
Haupteffekte: liegt vor wenn UV → AV unabhängig von weiteren Variablen beeinflusst
Interaktionseffekte: liegt vor, wenn die Wirkung einer unabhängigen Variable in den
verschiedenen Stufen einer anderen unabhängigen Variable nicht konstant ist
Ethik in der Forschung
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Sozialpsychologie I
Zusammenfassung
• Wissenschaft als die beste Methode der Gewinnung von Wissen (wahre Überzeugung)
• Theorien beziehen sich auf Konstrukte, deren Zusammenhänge und ihren Gültigkeitsbereich.
• Konstruktvalidität, interne Validität, und externe Validität → sicherstellen
• Forschungsstrategien (Umfrageforschung, Feldforschung, Experiment)
• Psychologie mit „menschlichem Antlitz“ muss ethischen Richtlinien folgen
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Sozialpsychologie I
3 - Schemata und Kategorien
Leitfragen
1. Welche Funktionen erfüllen Schemata?
2. Welche Effekte haben soziale Kategorien?
1.DimensionenderInfoverarbeitung
Top down - Verarbeitung
• weitgehend konzeptgesteuerte Wahrnehmung
• Interpretation externer Reize werden vor dem
Hintergrund bestehenden Wissens →
Vorverständnis beeinflusst Wahrnehmung
Bottom up - Verarbeitung
• weitgehend reizgesteuerte Wahrnehmung
• reine Wahrnehmung ohne Vorwissen
Verarbeitungstiefe
Kapazität
• je mehr die aktuelle Verarbeitung belastet ist, desto weniger tief, kann verarbeitet werden
• z.B. hohe Lautstärke - Reizüberlastung
• situativ - anders als Fähigkeiten
Motivation
• einige Themen motivieren zu tieferer Informationsverarbeitung (z.B. das Selbst)
• wie wichtig ist etwas für mich?
2.WassindSchemata?
• mentale Strukturen, die Menschen benutzen, um ihr Wissen in Themenbereichen oder
Kategorien bezüglich der sozialen Welt zu organisieren
• beeinflussen:
1. die Wahrnehmung
2. das Denken
3. das Gedächtnis
• gibt es für:
1. Personen
2. Gruppen
3. das Selbst
4. Situationen.
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Sozialpsychologie I
Verwandte Begriffe
Stereotype
• Wissen über Personen, Gesellschaften usw.
Vorurteile
• positive oder negative Bewertung einer sozialen Gruppe und ihrer Mitglieder
Beispielstudie - Effekte auf Personenwahrnehmung
1. Beschreibung eines Gastdozenten als sehr warme Persönlichkeit, fleißig, kritisch,
pragmatisch und resolut oder als eher kühle Persönlichkeit, fleißig, kritisch, pragmatisch
und resolut
2. 20 Minuten Diskussion mit dem Dozenten
3. subjektiver Bericht der Probanden über Dozenten
4. Ergebnis: vorher Wonne Schemata beeinflussten Wahrnehmung des Dozenten
Police Officers‘ Dilemma
Funktion von
Schemata
• Organisation der Informationsverarbeitung
• Deutung von mehrdeutigen Reizen
• Steuerung der Aufmerksamkeit und Erinnerung
Entstehung von Schemata (Stereotypen)
• Wie entstehen negative Stereotype über
Minderheiten?
• z.B. Zusammenhang mit Gruppengröße
• Gruppe A größer als B ↴ mehr absolutes
positives Verhalten, aber nicht relatives!!!!!
• Ergebnis: Gruppe A als positiver
wahrgenommen
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Sozialpsychologie I
Stabilität von Schemata
• Aktivierung von Schemata nur, wenn sie in gegenwärtiger Situation passen
• mehrdeutige Reize werden im Sinne einer Schemakonsistenz interpretiert
Schema-Veränderung nach Rothbart
• Bookkeeping: graduelle Veränderung durch inkonsistente Information
• Conversion: schlagartige Veränderung durch inkonsistente Information
• Subtyping: Formierung von Subkategorien, denen inkonsistente Information zugeordnet wird
3.Kategorisierung
Definiton
• Gruppierung von zwei oder mehreren unterscheidbaren Objekten, die ähnlich behandelt
werden ↴ Objektklassen
• Unterscheidung Prototyp → mentales Modell von den typischen Eigenschaften der
Mitglieder einer Gruppe bzw. den Exemplaren einer Kategorie → beschreibt das wirklich
typische Mitglied einer Kategorie, das dementsprechend die Kategorie am besten
repräsentiert
Wozu Kategorisierung?
• Hilfsmittel zur Reduktion von Komplexität und zur Gewinnung von Bedeutung
• Vereinfachung und Ordnung
• Herstellen einer Beziehung zwischen diskontinuierlichem Merkmal (z.B. Nationalität) und
einem kontinuierlichen Merkmal, z.B. einer Urteilsdimension (Körpergröße, Intelligenz)
Brauchbare Kategorien
• eindeutige Sortierung von Objekten
• hierarchische Struktur - vom Allgemeinen zum Spezifischen
Effekte der Kategorisierung
• Intraklassen-Assimilierung: Unterschätzung der Unterschiede innerhalb der Kategorien
• Zwischenklassen-Differenzierung: Überschätzung der Unterschiede zwischen den Kategorien
• Linienexperiment!!! - Einschätzung: Länge von Linien, die vorher kategorisiert wurden (A&B)
• aber: Kontrast und Assimilation funktionieren nur, wenn die Maßeinheit unvertraut ist (Inches)
• Differenzierung und soziale Diskriminierung
• Vorurteile (subtile Version)
• Overexklusion (Aufrechterhaltung der eigenen Werte)
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Sozialpsychologie I
Determinanten des Kategoriegebrauchs
Passung der Kategorien
• strukturelle Passung (comparative fit)
• inhaltliche Passung (normative fit)
Accessibility
• Verfügbarkeit und
• Aktivierbarkeit von Kategorien
Zusammenfassung
• Schemata organisieren Wissen, lenken die Aufmerksamkeit und geben uneindeutigen Reizen
Bedeutung
• soziale Kategorien gruppieren Dinge als zusammengehörig und verschieden von anderen
Dingen
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Sozialpsychologie I
4 - Stereotypisierung
Leitfragen
1. Können positive Bewertungen von sozialen Gruppen moderne Formen von Vorurteilen
sein?
2. Welche Auswirkungen haben aktivierte Stereotype auf die Beurteilung von Personen?
3. Können Stereotype für das Selbst bedrohlich sein? Wdh.: Schema – Organisation des Wissens
1.Stereotype
• Stereotype: A cognitive representation or impression of a social group that people from by
associating particular characteristics and emotions with the group (Smith & Mackie, 2000)
• sozial geteilte Meinungen über Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensweisen von
Mitgliedern einer sozialen Kategorie (kontroverse Diskussionen über Stereotype)
Stereotypisierung
• Anwendung dieser Stereotype in der Interaktion mit Mitgliedern dieser Gruppe des Stereotyps
Vorurteile
• sind negative Gefühle oder negative Einstellungen gegenüber anderen Gruppen und ihren
Mitgliedern
• Bewertung eines Individuums aufgrund seiner Gruppenzugehörigkeit
2.VorurteileundsozialeDiskriminierung
Soziale Differenzierung
• unterschiedliche Behandlung aufgrund sozialer Kategorisierung.
• kann als legitim oder illegitim aufgefasst werden
Soziale Diskriminierung
• ist die „illegitime“, negativere Behandlung einer oder mehrerer Personen aufgrund sozialer
Kategorisierung
• die Bewertung als „illegitim“ ist perspektivenabhängig ↴ sozialer Konflikt
3.MessungvonStereotypen
• Attributlisten (Eigenschaftslisten) bewerten lassen
• direkte Abfrage von Überzeugungen über Gruppen war bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts noch problemlos möglich → heute kritisch - soziale Erwünschtheit
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Sozialpsychologie I
4.MessungvonVorurteilen
• früher: direkte Abfrage von Bewertungen sozialen Gruppen, z.B. offene Vorurteile
(„Ausländer haben Arbeitsplätze, die uns Deutschen zustehen“)
• heute wirkt soziale Erwünschtheit offenen Äußerungen entgegen
• z.B. besser gebildete haben weniger Vorurteile, ABER: sie können Items besser
durchschauen und abschätzen inwiefern ihre Aussagen positiv sind
• zunächst wurden verdeckte, moderne oder symbolische Vorurteilsmaße entwickelt
• inzwischen werden implizite Maße zur Messung von Stereotypen und Vorurteilen eingesetzt
• z.B. Modern Racism Scale
Subtile und „positive“ Vorurteile
Subtile Vorurteile
• „Ausländer bringen ihren Kindern Werte bei, die einen Erfolg in unserem Land verhindern.“
• „Es ist alles eine Frage der Engagements. Würden sich Ausländer nur mehr anstrengen, könnten sie genauso erfolgreich sein, wie wir Deutschen.“
• zwar netter ausgedrückt, jedoch selbe rassistische Tendenzen
Positive Emotionen
• „Ich habe oft Mitgefühl für die Ausländer in Deutschland.“
• „Ich bewundere Ausländer in Deutschland.“
• diese positiven Aussagen werden von rassistischen Personen weniger bejaht
Benevolenter (eng.: gütig, wohltätig) Sexismus
• Männer ohne Frauen sind unvollständig
• Eine Frau sollte von ihrem Mann auf Händen getragen werden.
• Ein Mann sollte bereit sein, sein Wohl zu opfern, um für seine Frau sorgen zu können.
• hört sich positiv an, muss jedoch nicht so gemeint sein
• impliziert Frauen seien das schwächere Geschlecht
• Sexismus in versteckter Form „Der klassische Gentleman ist ein freundlicher Sexist.“
Primingverfahren - affektives Priming
• erster Prime wird sehr kurz präsentiert, so dass er unbewusst wahrgenommen wird
• z.B. Vorurteil gegenüber Alten, wenn nun Prime „alt“ gezeigt wird
• Beschleunigung aller Reaktionszeiten bei negativen Targets (Spinne, Fäkalien)
• wenn Prime „jung“ gezeigt wird
• Beschleunigung aller positiven Targets
• Vergleich der Reaktionszeiten
• für Versuchsperson nicht kontrollierbar
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Sozialpsychologie I
5.WahrerKernvonStereotypen?
• empirisch schwer zu prüfen (multiple Maße und Perspektiven)
• Was man zeigen und schlussfolgern kann:
• auf alle Individuen einer Kategorie treffen Stereotype nie gleichermaßen zu
(Vernachlässigung individueller Varianz)
• es kann empirisch geprüft werden, ob die Richtung stimmt (Deutsche sind
durchschnittlicher ordentlicher)
• Kategorisierung und Stereotype können tatsächlich vorhandene Unterschiede verschleiern
(„Ethnifizierung“ → z.B. je mehr Immigranten in einer Schulklasse, desto schlechter
gesamte Klassenleistung ABER: Bildungsniveau der Eltern bestimmt Leistung der
Immigrantenkinder enorm ↴ Eindruck entsteht es gäbe einen Unterschied zwischen
Deutschen und Immigranten obwohl dies nicht vorbestimmend ist → Verschleierung der
eigentlichen Probleme durch Stereotypisierung)
6.EntstehungvonStereotypen
Emotionale Prozesse
• Kontakt mit Fremden führt häufig zu Irritation und Angst, vor allem bei fehlender Erfahrung
mit der entsprechenden Gruppe
• diese Emotionen werden dann Teil des Stereotyps (klassische Konditionierung) ↴
Wahrnehmung einer Gruppe als bedrohlich
• Ideologie „Glaube an eine gerechte Welt“ motiviert Bildung und Aufrechterhaltung von
legitimierenden Stereotypen (z.B. „Arbeitslose sind faul“) → Missachtung von individuellen
Leidensgeschichten z.B. Langzeitarbeitslose oder Abwertung von Vergewaltigungsopfern (sie
hätte provoziert)
Soziales Lernen
• Stereotype resultieren nicht nur aus Erfahrungen, sondern auch aus Erzählungen
• Sozialisation: Mit 5 Jahren bestehen bereits ethnische Stereotype! (Eltern, Umgebung prägen Stereotype)
• soziale Normen: z.B. Frauen im Militär
• Medien: z.B. Rollen in Filmen, Werbung, Propaganda
7.AnwendungvonStereotypen
• Automatik der soziale Kategorisierung → unbewusst
• Welche Kategorisierung vorgenommen wird hängt von der Salienz eines Merkmals ab (z.B. Token (Folge zusammenhängender Zeichen)).
• Kategorisierung aktiviert den entsprechenden Stereotyp
• Beeinflussung der Urteile durch Stereotype und zugehörige Emotionen
• Stereotyp ≠ Vorurteil
• aber Aktivierung von Stereotypen durch Priming verändert Wahrnehmung
• kognitive Belastung verhindert ebenfalls Wirkung von Stereotypen
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Sozialpsychologie I
8.KategorienundStereotype
• Menschen teilen stereotypes Wissen
• solche mit starken Vorurteilen stimmen dem Wissen eher zu, solche mit schwachen Vorurteilen lehnen es eher ab
• Aktivierung von sozialen Kategorien führt nicht notwendig zur Aktivierung von stereotypem Wissen → Unterschied im aktivierten Wissen bei Menschen mit starken und schwachen
Vorurteilen? (Lepore & Brown)
9.Selbststereotypisierung?
Kann man Stereotype auch auf sich selbst anwenden?
• Fall der Bedrohung durch Stereotype („stereotype threat“)
• Studie: Bearbeitung von Intelligenztests mit/ohne Aktivierung von Stereotypen (Steele)
• immer wenn VPN erwarten ,dass ihr Stereotyp etwas mit dem Test zu tun haben, reagieren sie
genau wie es erwartet wird bzw. wie der Stereotyp es vorgibt
• vor Test: Bestimmung ob man zu BLACK oder WHITE gehört
• dann Schwarze automatisch schlechter z.B. auf der sprachlichen Ebene
• SHIH: Matheaufgaben lösen lassen
• „Sie als Frau, lösen die diese Aufgaben.“ → schlechtere Ergebnisse
• „Sie als Asiatin, lösen die die die Aufgaben.“ → bessere Ergebnisse
10.BedrohungdurchStereotype
• stereotypkonformes Verhalten
• motivationale Konsequenzen der Bedrohung
• ABER: Vorsicht mit Exemplaren
• wenn wir an Einstein denken → Kontrasteffekte → Verschlechterung
• wenn wir an Claudia Schiffer denken → Verbesserung
Zusammenfassung
• offene Vorurteile werden heutzutage seltener geäußert ↴ Entwicklung von verschiedenen
Messungen von subtilen und impliziten Vorurteilen
• Anwendung von Stereotypen führt zu stereotyp Einschätzungen der Zielpersonen
• aktivierte Stereotype können die eigenen Leistungen beeinflussen (negative Stereotype reduzieren die Leistung stereotypkonform) 16
Sozialpsychologie I
5 - Automatische Prozesse
Leitfragen
1. Was ist automatisches Verhalten?
2. Welche Einflüsse zeigen automatische Prozesse auf Wahrnehmung, Urteile und Verhalten?
1.ZweikognitiveSysteme
• Intuition ⟷ (rationales) Denken
2.AutomatischesVerhalten
Wahrnehmung ⟷ Denken
• Müller-Lyer-Täuschung
• optische Täuschung ist uns bewusst
• trotzdem Korrektur der Wahrnehmung nicht möglich
Intuition ⟷ Rationalität
Denken und Zahlen:
2 Möglichkeiten - 40 000 Jahresgehalt
1. Sie bekommen nach jedem Jahr 1000 Euro mehr. - intuitiv öfter gewählt
2. Sie bekommen jedes halbe Jahr 250 Euro mehr. - bringt im Endeffekt jedoch mehr Welche
Beispiel für automatisches Verhalten: Stereotyp „Alt“
• Aktivierung des Stereotyps: Alt → durch Bearbeitung von Sätzen über alte Leute (Priming)
• Verabschiedung der Untersuchungsteilnehmer
• AV: Messung der Zeit, die die Untersuchungsteilnehmer brauchen, um zum Aufzug zu gehen
• bei auf „Alt“ geprimten Leuten, längere Zeit
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Sozialpsychologie I
Bisher behandelte Automatismen:
• aktiviertes Wissen beeinflusst Urteile automatisch
• aktiviertes Wissen beeinflusst Verarbeitung von Informationen
• aktiviertes Wissen beeinflusst Wahrnehmung
Merkmale automatischen Verhaltens
• keine bewusste Intention
• Effizienz – keine einfache Störung möglich
• keine Kontrolle
• ohne Aufmerksamkeit
3.WiefunktioniertautomatischesVerhalten?
• Umwelt als Auslöser
• bei Präsenz relevanter Reize
• Reize müssen dem Handelnden nicht bewusst sein
• keine Intention notwendig
• Meiden von automatischem V. meist nicht erfolgreich
• Priming aktiviert ein Konzept (z.B.
Stereotype) oder ein Mindset ↴ Verfügbarkeit
• situative vs. chronische Verfügbarkeit → kein
Priming notwendig
• Unterschied Konzept ⟷ Mindset:
• Wissen ⟷ Art zu denken
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Sozialpsychologie I
Kreativität und Mindsets
• Wie kann man Kreativität „herstellen“?
• Minderheiteneinfluss? → macht uns kreativer, hilft uns alternativer zu denken
• Denken in Alternativen → z.B. durch selbstständiges Beenden von Geschichten (kontrafaktisches Denken) macht uns kreativer → Kerzenaufgabe
Rebound Effekte
• Aufgabe: Bitte versuchen Sie eine Minute nicht an einen „rosa Elefanten“ zu denken
• danach Frage: Woran dachten sie? → Kontrolle lässt nach → Gedanke an rosa Elefanten
Unterdrückung von Stereotypen: Der Stereotyp Rebound Effekt Macrae
• vorübergehende Unterdrückung möglich, aber sobald Kontrolle nachlässt, drängt
Unterdrücktes sehr stark in Bewusstsein → Rückschlag
4.SozialeInteraktionen
Chamäleon-Effekt
• Anpassung der Verhaltensweisen an Interaktionspartner
• Kurse dazu! → Ziel: Sympathie durch vorgespielte Ähnlichkeit
Imitation des Interaktionspartners
• gleiche Manierismen (spezielle Verhaltensweisen, Sprechweisen)
• Akzent
• Stimmung und Stimmlage
Effekte durch Imitation des Interaktionspartners
• erhöhte Kooperationsbereitschaft
• spezifisch und generell? → Studien von Van Baaren
• Kellnerinnen → Instruktion: Bestellungen wörtlich
oder sinngemäß zu wiederholen
• AV: Höhe des Trinkgeldes
• weitere Studie → Imitation erhöht
Kooperationsbereitschaft
Zusammenfassung
• aktiviertes Wissen beeinflusst Wahrnehmung, die Verarbeitung von Informationen, Urteile
und Verhalten.
• aktivierte Mindsets beeinflussen die Verarbeitung von Informationen und das Verhalten
• automatisches Verhalten (Chamäleon-Effekt) reguliert und erleichtert soziale Interaktionen (& macht sie kooperativer)
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Sozialpsychologie I
6 - Verarbeitung sozialer Information
Leitfragen
1. Was ist soziale Kognition?
2. Sind Menschen trotz der Verwendung von Heuristiken rational?
3. Wie funktioniert heuristisches Denken?
1.SozialeKognition
• „Soziale Kognition ist die Art und Weise, wie wir Informationen über die soziale Realität
interpretieren, analysieren, erinnern und verwenden“
• „Social cognition means cognitive processes and structures that influence and are influenced
by social behaviour“
• „Social cognition is a major approach in social psychology, which focuses on the way in
which cognition is affected by wider and more immediate social contexts, and how such
cognition affects our social behaviour“
• Was ist „sozial“ an der sozialen Kognition?
1. Objekte der sozialen Kognition sind sozial
2. resultiert und basiert auf sozialer Interaktion
3. wird „sozial geteilt“ von verschiedenen Mitgliedern sozialer Gruppen
Soziale Kognition - Stufen der Informationsverarbeitung
2.Heuristiken
• „Die Heuristik ist ein kognitives Werkzeug, das soziale Individuen in die Lage versetzt, durch
vereinfachte Faustregeln („Daumenregeln“) Urteile zu treffen, die keinen großen Aufwand
erfordern, jedoch häufig zu recht guten Ergebnissen führen“
• „The notion of a heuristic highlights the fact that cognitive information processing is rarely
exhaustive and guided by logical norms but has to reach a compromise between rationality
and economy.“
• „Thus, a heuristic is a cognitive device that enables the social individual to make quite
economic judgements by rules of thumb that require little effort but yield quite valid results
most of the time.“
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Sozialpsychologie I
Heuristiken vs. Rationalität
• Ist menschliches Denken weitgehend rational oder durch den Gebrauch von
„Daumenregeln“ eher fehleranfällig?
• frühe Untersuchungen betonen generelle Rationalität des menschlichen Denkens
• seit 80er Jahren: Berichte von Fehlentscheidungen aus psychologischen Labors
• Heuristiken → Prozesse des Denkens
• Regeln der Rationalität → Normen des Denkens
• viele Jahrhunderte lang Verwechslung der Normen des Denkens mit den Prozessen des Denkens
• Prozesse des Denkens nur dadurch nachweisbar, dass sie zu Abweichungen von den Normen
führen
Die klassischen Heuristiken
Verfügbarkeitsheuristik
• Anwendung: Urteile über Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten
• Beispiel: Was kommt häufiger vor? Wörter mit einem „r“ am Anfang oder Wörter mit einem „r“ an dritter Stelle?
• zumindest im Englischen gibt es mehr Wörter mit „r“ an dritter Stelle, aber man kann sich leichter Wörter vorstellen, die ein „r“ an erster Stelle haben
• Wie funktioniert die Verfügbarkeitsheuristik?
• Ist es die Menge der Beispiele (deklaratives Wissen), die einem einfallen, die die Urteile
beeinflussen?
• Oder ist es die Leichtigkeit („experiental knowledge“) mit der einem Bespiele einfallen?
• Studie zur Durchsetzungsfähigkeit → je leichter Abruf von Beispielen desto höher eigene
Durchsetzungsfähigkeit eingeschätzt
Simulationsheuristik
• Anwendung: Beurteilung von Ereignissen
• Beispiel: Zwei Männer nehmen ein Taxi zum Flughafen. Beide haben unterschiedliche
Flüge gebucht, die zur selben Zeit starten. Das Taxi bleibt im Stau stecken, es kommt eine Stunde zu spät zum Flughafen. Beide Männer verpassen ihren Flug.
• Der eine erfährt, dass sein Flug pünktlich gestartet ist, der andere, dass sein Flugzeug beinahe eine Stunde Verspätung hatte und gerade über die Rollbahn startet.
• Welcher der beiden Männer ärgert sich mehr?
• Veränderlichkeit (mutability): Routine und Ausnahmen
• „was wäre wenn“-Sätzen (counterfactual thoughts)
• sicheres versus unsicheres Wissen/ Ursachen versus Effekte/ Hintergrundakteure versus fokale Akteure
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Sozialpsychologie I
Repräsentativitätsheuristik
• Anwendung: Typikalität eines Exemplars bestimmt Wahrscheinlichkeit, dass Exemplar in eine
bestimmte Kategorie gehört
• Beispiel: Welche Geburtenfolge ist wahrscheinlicher?
• 1. Junge, Junge, Junge, Junge, Junge, Junge
• 2. Junge, Mädchen, Junge, Mädchen, Junge, Junge
• beides gleich wahrscheinlich
Anpassungs“heuristik“
• Anwendung: Verzerrung eines Urteils durch zufällig gegebenen Wert
• Urteil bewegt sich in Richtung des gegebenen Wertes
Zusammenfassung der Heuristiken
3.MagieundVerunreinigung
• Ähnlichkeit bewirkt Assoziation von Eigenschaften eines Objekts mit einem anderen
• Beispiel: Ekelempfindung und Ähnlichkeit (z.B. Marzipanschwein
Vegetarier)
Falscher Ruhm
• Ruhm verknüpft mit Vertrautheit oder Bekanntschaft von Namen
• Beispiel:
• Liste mit 19 Frauennamen (einige berühmte) und 20 Männernamen (nicht berühmte)
• Versuchspersonen lesen einige Tage vor dem Experiment diese Liste
• im Experiment bekommen sie wieder eine Liste mit Namen und sollen einschätzen, wo mehr berühmte Menschen vorkommen.
• je mehr Namen aus der ersten Liste auch in der zweiten vorkommen, desto größer wird die Berühmtheit der Menschen in dieser Liste eingeschätzt
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Sozialpsychologie I
4.StimmungalsHeuristik(Ausblick)
• bei Urteilen wird eigene Stimmung als Information herangezogen
• Lebenszufriedenheit besser oder schlechter → je nachdem wie Wetter ist
• ABER: wenn auf Wetter gezielt hingewiesen wurde, war Effekt verschwunden, da Vpn sich der Wirkung des Wetters auf ihre Gefühlslage bewusst waren
Zusammenfassung
• soziale Kognition ist sozial: weil Inhalte (Objekte) sozial sind, sie durch soziale Interaktionen
beeinflusst wird und sozial geteilt ist
• Heuristiken: Prozesse des Denkens die ökonomische und akkurate Urteilsfindung erlauben.
• klassische Heuristiken: Verfügbarkeitsheuristik, Simulationsheuristik,
Repräsentativitätsheuristik
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Sozialpsychologie I
7 - Affekt und Kognition
Leitfragen
1. Wodurch unterscheiden sich Affekt und Emotionen?
2. Stören Emotionen/Affekte den Ablauf kognitiver Prozesse?
3. Wie beeinflusst Affekt die kognitive Verarbeitung?
1.Affekt,EmotionundKognition
Begriffe
• Affekt:
• Bewertung als positiv und negativ, wird als Gefühl erlebt, konzeptuelle Repräsentation (Urteil als positiv oder negativ)
• Emotion:
• spezifische Reaktion eines Individuums auf bedeutsame Ereignissen
• bestehen aus mehreren Komponenten: physiologische Erregung, motorischer Ausdruck,
subjektives Gefühl, Handlungstendenzen
• Stimmung:
• positiver oder negativer Erlebnishintergrund ohne konkrete auslösende Situation
Emotion
• Beispiele: Stolz, Depression, Trauer, Wut, Amok
• großes, kulturelles Verständnis für Emotionen
• als unkontrollierbar angesehen
Funktion von Emotionen
• Schuld – Wiedergutmachung, ...
• Ärger, Wut – Angriff, Bestrafung, ...
• Trauer – Rückzug, realistische Neuorientierung
• Eifersucht – Kontrolle des Partners, ...
Emotion und Motivation
• Unterscheidung in aufsuchende (positiv) und vermeidende (negativ) Motivation
• Ereignisse, die Verfolgen von Aufsuchens- oder Vermeidensziele beeinflussen, lösen Emotionen aus (z.B. geglückte Vermeidung ↴ Erleichterung, misslungene Vermeidung ↴ Panik)
• Bewertung solcher Ereignisse mittels Appraisal-Dimensionen
• diese kombinieren Merkmale des Ereignisses mit Merkmalen der Person
24
Sozialpsychologie I
Grundannahmen
• Emotionen zeigen Bedeutung eines Ereignisses für Person
• Personen permanent mit „Bedeutungsanalyse“ ihrer Umwelt beschäftigt
• Emotionssystem hoch differenziert und organisiert (evaluation, feelings, facial and physiological expression, action readiness (Handlungsbereitschaft))
Strukturelle Modelle der Emotion
• keine genauen Informationen, nicht wissenschaftlich untermauert
Dimensionen
• motivationaler Zustand (aufsuchen und vermeidend; Fokus auf Belohnung vs. Bestrafung)
• Situation: befördert / behindert das Erreichen der Ziele (Belohnung / Bestrafung sind an- oder abwesend)
• sicheres/unsicheres Ereignis: eingetretene vs. zukünftige Ereignisse, kontrollierbare vs. unkontrollierbare Ereignisse
• Macht / Legitimität: Effektivität, Verdienst, Anspruch
• Verantwortlichkeit: Selbst, andere, oder die Umstände
Prozessmodelle der Emotion
• Informationsverarbeitung und die Entstehung von Emotionen im Fokus
• kognitive Bewertungen („appraisals“) sind „direct, immediate, and intuitive“
• Entstehung von appraisals → schnell, ohne großen Aufwand, teilweise unbewusst
• Sequenz von Bewertungen vs. dynamische rekursive Entwicklung
• im Bewertungsprozess wechseln Sichtweisen und damit Emotionen
Intuition („associative“) vs Denken („reasoning“)
• Intuition:
1. assoziative Verbindung von Gedächtnisinhalte (Gerüche, visuelle Wahrnehmungen,
Konzepte, Bewertungen)
2. spreading activation“ → schnelle/automatische Aktivierung der Inhalte
3. Bewertung und Aktivierung kann unbewusst sein
4. kontinuierliche Bewertung der Umwelt, da Prozesse andauernd ablaufen
Denken
1. langsam, kontrolliert und flexibel
2. kann Emotionen dadurch beeinflussen, dass auf neue Aspekte der Situation fokussiert wird
und damit die Intuitionen verändert werden
25
Sozialpsychologie I
2.EinflussvonAffektaufKognition
Psychoanalytische Vorstellungen
• Abwehrmechanismus: je mehr man versucht Affekte zu unterdrücken, desto stärker drängen
sie ins Bewusstsein. (rebound-effect)
• Projektion: Ängstliche im Vergleich zu nicht-ängstlichen Personen schätzen andere Personen
als ängstlicher ein (Projektion der eigenen Eigenschaften auf andere Personen)
Behavioristische Vorstellungen
• Assoziation von Affekten mit neutralen Reizen
• Beispiel: Kleiner Albert (Angstkonditionierung)
• Voraussetzung: zeitliche und räumliche Nähe eines Affekts oder einer Emotion mit einem
neutralen Objekt
Stimmung und Gedächtnis
• gegenwärtige Verfügbarkeit von Gedächtnisinhalten hat starken Einfluss auf soziale Urteile
• Stimmungen machen Gedächtnisinhalte, die der Stimmung entsprechen, verfügbarer ↴
stimmungskongruente Inhalte haben größeren Einfluss auf Urteile
Präzisierung
• Was heißt „Gedächtnisinhalte, die der Stimmung entsprechen“?
• State-dependency hypothesis: Gedächtnisinhalte sind in der Stimmung leichter abrufbar in der sie gespeichert wurden („Inhalte, die in positiver Stimmung gelernt wurden, können in positiver Stimmung leichter abgerufen werden“)
• Mood-congruent recall hypothesis: Gedächtnisinhalte sind in der Stimmung leichter abrufbar die ihrer Valenz entsprechen („positive Inhalte sind in positiver Stimmung leichter
abrufbar“) → belegt!!
Stimmung als Information
• Ereignisse oder Objekte werden durch folgende Frage bewertet, „Wie ist mein Gefühl
demgegenüber?“
• Stimmungen geben Aufschluss über Geschehnisse usw.
• Missattribution und Selbstattribution → Fehlzuschreibung von Ursachen für Affekte obwohl
andere Ursachen
• meta-inferentielles Wissen („was bedeutet ein bestimmtes Gefühl gegenüber einem Objekt?“)
• Urteilsheuristiken
26
Sozialpsychologie I
Studie: Bei Urteilen wird die eigene Stimmung als Information
herangezogen
• Umfrage nach Lebenszufriedenheit →
Wettereinfluss mit und ohne Nennung des
Wetters
• Stimmung beeinflusst Urteil, nur wenn sie
nicht als irrelevant eingestuft wird
• funktioniert nicht bei Bemerkung das
Wetter Stimmung beeinflussen könnte
Stimmung und Verarbeitungsstrategien
• Beeinflussung von Zugänglichkeit der Gedächtnisinhalte und Veränderung der Art und Weise
wie nachgedacht wird
• positive Stimmung → schnellere Entscheidungen, Verwendung weniger Infos, Vermeidung
von anstrengendem und systematischem Denken, höhere Überzeugung
• negative Stimmung → systematische, anstrengende, umfassende Verarbeitungsstrategie
Studie: Bodenhausen, Kramer und Süsser (1994)
• Erzeugung positiver vs. neutrale Stimmung
• Stereotyp (ja-aktiviert/nein-deaktiviert)
• Bewertung eines angeblichen Normverstoß
• in neutraler Stimmung → gründlicheres Denken und Urteilen
Integrative Ansätze → Affect infusion model
• Affekt beeinflusst Urteile besonders bei Wahl von offenen und konstruktiven Verarbeitungsstrategien
• 2 Dimensionen(deep-encoding/shallow-encoding) bestimmen, welche Verarbeitungsstrategie
wahrscheinlich gewählt wird
Zusammenfassung
• Emotionen ≙ subjektive Bewertungen von Ereignissen die eigenen Ziele betreffend
• Affekt ≙ beeinflusst Art der kognitiven Verarbeitung und Inhalte die erinnert werden, und
dient selbst als Information 27
Sozialpsychologie I
8 – Soziale Vergleiche
Leitfragen
1. Welche Quellen für Selbstkonzept-Wissen und Selbstwert kann man unterscheiden?
2. Wie kann man sich typischerweise mit ähnlichen Personen vergleichen?
3. Welche Motive können hinter sozialen Vergleichen stehen?
1.WissenüberdasSelbst
• Wissen über uns Selbst = Selbstkonzept → größer als Wissen über jeden anderen Menschen
• Beschäftigung mit dem Selbst = Selbstaufmerksamkeit
• Wert der dem eigenen Selbst zugeordnet ist = Selbstwert
• Selbstkonzept + Selbstaufmerksamkeit + Selbstwert = Selbst
Funktionen des Selbstkonzepts
• Strukturierung (das Selbst als Schema)
• Basis für Emotionen (Vergleich zwischen Actual-Self (Realität), Ideal-Self (Idealbild) und
Ought- Self) (Soll) nach Higgins
• Exekutive mit begrenzten Ressourcen (Muskel-Metapher: starke Kontrolle funktioniert gut bis zum Zeitpunkt der Ermüdung, danach: Einbruch der Kontrolle; Ego-Depletion
Wie kommen wir zu einem Verständnis von uns Selbst?
• Introspektion (z.B. Emotionen)
• Beobachtung des eigenen Verhaltens - Selbstaufmerksamkeit
• Vergleiche mit anderen Menschen
Introspektion
• gezieltes Erkunden des Selbst
• nicht dominant (8%)
• oft kein Zugang zu wahren Verhaltensursachen, eigenen Gefühle etc. (subjektive Thesen meist falsch)
• vorübergehende Veränderung einer Einstellung als Folge möglich
Selbstaufmerksamkeit (SA)
• Trennung in private SA (Bewertung anhand eigener Standards) und öffentliche SA (Bewertung
anhand der Standards von Beobachtern)
• Aufmerksamkeit auf eigenen Ideale und Verpflichtungen (private SA) führt zu mehr Unruhe
und Ärger (d.h. ist besonders bei Misserfolg aversiv)
• Problemverhalten (Alkoholmissbrauch, Fressattacken, Selbstschädigung) oder religiöse
Aktivitäten verringern SA
• Selbstbeobachtung als Quelle der Selbsterkenntnis
28
Sozialpsychologie I
Selbstwahrnehmungstheorie (Bem, 1972)
• Schluss von eigenem Verhalten auf Gefühlszustände, nur wenn wir uns über Einstellung
unsicher sind
• Verhalten nur aussagekräftig wenn ungezwungen
2.TheoriesozialerVergleiche
Grundannahmen nach Festinger, 1954
• Bedürfnis eigene Fähigkeiten und Meinungen zu bewerten ↴ Vergleich mit Ähnlichen
• reicht objektiver Maßstab nicht aus, dann werden soziale Standards gewählt (objektive Zeitmessung bei Sprint allein sagt z.B. nichts über Position in der Gesellschaft aus)
• negative/ diskrepante Vergleichsergebnisse ↴ Bestrebung Situation zu verändern
Urteile sind „relativ“?
• Urteile sind relativ zu Referenzpunkten (Frage: Kann es auch absolute Urteile geben? - NEIN)
• Ankereffekte: Veränderung von Urteilen in Richtung eines vorgegeben Wertes
• Simulationsheuristik: Erzeugung von Referenzstandards durch Simulation von Alternativen
Parameter des sozialen Vergleich
• Vergleichssubjekt, Vergleichsobjekte, Zeitdimension, Vergleichsdimensionen
Objektive vs. soziale Vergleiche
• Attraktivität und Relevanz einer Referenzgruppe, bestimmen Wahl als Bewertungskriterium
• Entstehung von Gruppennormen → autokinetischer Effekt
• Konformität nach Asch → Linienvergleich
• Präferenz für soziale Vergleiche → kein Vergleich nach unten, sondern mit Ähnlichen
Ähnlichkeitshypothese
• Bevorzugung sozialer Vergleiche mit Personen, die auf relevanten Dimensionen ähnlich sind
• Paradox: Woher soll man denn wissen, welche Personen einem in relevanten Dimensionen
ähnlich sind, ohne sich mit ihnen zu vergleichen?
• Macht man also doch mit allen / vielen Personen Vergleiche?
• Hypothese nach Gilbert
1. intuitive Verarbeitung, Aufnahme aller angebotenen Vergleichsinformationen
2. kognitiv aufwändigerer Verarbeitungsschritt
3. Korrektur von 1.: nicht informative Vergleiche gelöscht
• Experiment: Aufgabe mit und ohne Hilfestellung + mit und ohne kognitive
Doppelbelastung
• bei kognitiver Doppelbelastung wird Korrekturprozedur beeinträchtigt ↴ VPN verglichen
sich mit allen, auch mit denen die Hilfestellung erhielten und schätzen ihre Leistung
schlechter ein als VPN o.D. → diese erkannten Unterschied zu Gruppe, die Hilfestellung
erhielt und verglichen sich nur mit VN aus eigener Gruppe
29
Sozialpsychologie I
Soziale Vergleiche als Copingstrategien
• Was wenn Diskrepanz zwischen eigener und anderer Meinung?
• Verbesserung der eigenen Leistungen bzw. Reduktion der Diskrepanz → wenn dieses nicht
möglich: Copingstrategien
• Abwertung des Vergleichsobjekts
• Wahl einer neuen Vergleichsdimension (z.B. Mathe mangelhaft & aber dafür Religion sehr
gut)
• Wahl eines neuen Vergleichsobjekts (nicht mit Besten sondern mit Schlechteren
vergleichen)
• Umbewertung einer Vergleichsdimension (z.B. „Black is beautiful“)
Motive für den sozialen Vergleich
• Selbstwertschutz
• Akkuratheit
• Selbstverbesserung
3.TemporaleVergleiche→Albert
• Vergleiche über die Zeit (wichtig bei auftretenden Veränderungen – Schulwechsel etc.)
• Bewahrung der Identität des Selbst unter sich verändernden Bedingungen
• Gefühl bzw. Sinn für eigene Kontinuität
• Ziel → hohe Konsistenz
• Bedingungen unter denen temporale Vergleiche wahrscheinlicher werden:
• rasche Veränderungen der Lebensumstände
• Lebenslage mit negativer affektiver Qualität
• Suche nach Sinn bzw. Ursache von Veränderung
• ABER: temporale Vergleiche ebenso häufig wie soziale Vergleiche
Zusammenfassung
• Selbstkonzept, Selbstaufmerksamkeit, und Selbstwert
• Quellen der Selbsterkenntnis: Introspektion, soziale und temporale Vergleiche
• Ähnlichkeitshypothese: intuitive Vergleiche mit allen, bewusst Vergleiche mit ähnlichen
30
Sozialpsychologie I
9 - Attributionstheorie und
Attributionsfehler
Leitfragen
1. Wie funktionieren Verhaltenserklärungen im Alltag?
2. Wie kann man Verhalten erklären, wenn man einmalige oder mehrmalige Beobachtungen zur Verfügung hat?
3. Welche typischen Fehler unterlaufen uns im Alltag bei Verhaltenserklärungen?
1.Begriffe
• Kausalattribution: kausale Erklärung von beobachtetem Verhalten
• Attributionstheorien: konzeptueller Rahmen, innerhalb dessen Erklärungsversuch, wie man im Alltag zu Erklärungen kommt
2.DasProblemdesFremdpsychischen
• Wie können wir feststellen, dass andere ähnliche psychische Erlebnisse haben wie wir selbst
• Wie können wir feststellen, dass sie überhaupt psychische Erlebnisse haben?
3.Attributionstheorien
Heiders naive Handlungsanalyse
• Mensch als intuitiver Wissenschaftler
• 5 Grundannahmen
1. Verhalten → Ausdruck von Invarianzen
• stabile psychologische Eigenschaften determinieren menschliches Verhalten individuell
• Menschen haben „wahren Charakter“ → manifestiert sich in unterschiedlichen Situationen
durch unterschiedliche Verhaltensweisen
2. Attribution → erschließt Invarianzen aus Verhalten
• Verhalten ist an unterschiedliche Situationen (z.B. an deren Möglichkeiten und
Begrenzungen) angepasst
• Mannigfaltigkeit des Verhaltens ↴ Extraktion des wahren Charakters (→ Heiders naive
Handlungsanalyse)
3. Attribution → vitale Fähigkeit
• Diagnose einer Charaktereigenschaft ermöglicht Interpretation und Systematisierung von Verhalten unter einzigem Konzept (Attribution = Ursache erschließen )
• Charaktereigenschaften integrieren irritierende Menge an Information in einer ökonomischen Art und Weise
31
Sozialpsychologie I
4. Attributionen → nicht notwendig bewusst
• „Alltagspsychologie“ keine Theorie im eigentlichen Sinne, denn es werden keine Ableitungen aus irgendwelchen Grundannahmen getroffen
• Regeln nach denen die Invarianzen aus dem Verhalten gezogen werden sind genauso unbewusst (intuitiv) wie die Regeln der Wahrnehmung nach denen wir konstante Objekte in unserer Umwelt wahrnehmen
5. Attribution → Form der Kausalanalyse
• 2 große Klassen von Variablen
bestimmen Verhalten:
Dispositionen von Individuen
und die Umwelt
• Verhalten ergibt sich daraus,
dass ein Akteur sich in einer
bestimmten Art verhalten kann
und es auch versucht (d.h.
Voraussetzung: Möglichkeit
(Fähigkeit & Gelegenheit) und
Motivation zu einem
Verhalten)
Kelleys Attributionstheorie
• Kovariationsprinzip: Attribution auf Basis der wahrgenommenen Kovarianz zwischen
beobachtetem Effekt und seinen möglichen Ursachen (mehrere Beobachtungen)
• Konfigurationsprinzip: Attribution auf Basis von nur 2 Beobachtung (Verwendung von
Kausalschemata)
Kovariationsprinzip
• 3 einflussreiche UV
• Person: Konsistenzinformation (zeigt X dieses Verhalten immer/häufig/selten?)
• Umstände: Konsensusinformation (zeigt nur X Verhalten, oder auch andere?)
• fokaler Stimulus: Distinktion (zeigt X Verhalten nur gegenüber fokalem Reiz oder auch
gegenüber anderen Reizen?)
Konfigurationsmodell
• wenn nur Beobachtung eines Verhaltens → dann zur Ursachenerklärung zusätzliche
Annahmen notwendig
• verschiedene Ursachen vorliegend: Abwertungsprinzip: einige Ursachen abgewertet, wenn
andere plausiblere Ursachen verfügbar & Aufwertungsprinzip: Heranziehen von Ursachen
zur Erklärung, bei Auftreten eines Effekts trotz hemmender Kräfte
• teilweise auch gemeinsames Auftreten von verschiedene Ursachen notwendig um Effekt zu
produzieren (hohe Intelligenz + Prüfungsvorbereitung + Lerngruppe)
32
Sozialpsychologie I
4.Attributionsfehler
• Abweichung von logischen Theorien
• fundamentaler Attributionsfehler → auch Konsensus-Unterschätzung,
Korrespondenzverzerrung, Personalismus genannt
• Akteur-Beobachter-Divergenz: Beobachter sieht Ursache im Akteur, Akteur sieht Ursache im
Verhalten
• selbstwertdienliche Attributionsmuster: Aufwertung des Selbst
Quellen der Verzerrung
• motivationale Faktoren → positive oder negative Folgen, hohe Relevanz für Selbst
• kognitive Faktoren: Welche Infos werden benutzt/ stehen zur Verfügung?
• Attributionsunterschiede zwischen Akteur und Beobachter einer Handlung:
• Akteur betont situative Faktoren
• Beobachter betont dispositionale Faktoren
• Wahrnehmungsfokus: Beobachter konzentrieren sich auf Akteur, Akteur konzentriert
sich auf Umwelt
• Selbstwissen: Akteure wissen mehr über sich und die situativen Anforderungen als Beobachter wissen können
• unterschiedliche Ziele: Akteure verfolgen instrumentelle Ziele, wogegen Beobachter Information zur Vorhersage künftiger Verhaltensweisen durch den Akteur suchen
Selbstwertdienliche Verzerrung
• Attributionen, die Selbstwert erhalten oder verbessern (Prüfung wird eh schlecht, also geh ich
heute feiern, dann hab ich eine Ausrede warum Prüfung daneben ging)
• eigene Erfolge werden dispositional und eigene Misserfolge situativ attribuiert
• Self-Handicapping: Suche plausibler externer Gründe, die eigenes Versagen erklären können
Zusammenfassung
• Attribution meint kausale Verhaltenserklärung
• bei einzelnen Verhaltensbeobachtungen werden Attributionen mittels Kausalschemata vorgenommen, bei mehreren Beobachtungen durch das Kovariationsmodell (Konsens, Konsistenz und Distinktheit)
• bei kausalen Verhaltenserklärungen entstehen verschiedene Fehler, wie fundamentaler Attributionsfehler, Akteur-Beobachter-Divergenz, Konsensusüberschätzung usw.
33
Sozialpsychologie I
10 - Einstellungen
Leitfragen
1. Aus welchen Komponenten bestehen Einstellungen?
2. Warum wird die Theorie des geplanten Verhaltens als Erwartung × Wert – Theorie
bezeichnet?
3. Wie kann die Vorhersage von Verhalten aus Einstellungen verbessert werden?
1.Einstellung
• “Attitudes is a mental and neural state of readiness, organized through experience exerting a
directive or dynamic influence upon the individuals´ response to all objects and situations
with which it is related.“
• Einstellungen wie Schemata organisiert
Warum sind Einstellungen so wichtig?
Praktische Implikationen
• Einstellen sollen Verhalten vorhersagen
Theoretische Implikationen
• Einstellungen fassen viele einzelne (evaluative) Reaktionen zu einem generellen Muster (der
Einstellung) zusammen
Beispiele
• Politiker → Beeinflussung von Einstellungen, Erzeugung positiver Einstellungen gegenüber
ihrem politischen Programm
• Werbung → Veränderung der Einstellung potentieller Konsumenten ↴ tatsächliche
Konsumenten
• interpersonale Beziehungen → Versuch Einstellungen des Partners herauszufinden, um
gemeinsame Aktionen zu koordinieren
2.Modelle
Ein-Komponenten Modell
• Einstellungen → Affekt oder Bewertungen gegenüber einem Einstellungsobjekt
Drei-Komponenten Modell
• 3 konzeptuell unterscheidbare Reaktionen
• kognitive Komponente: Überzeugungen, Meinungen und Vorstellungen gegenüber dem
Einstellungsobjekt
• affektive Komponente: Zuneigung oder Abneigung, positiv oder negativ
• konative Komponente: Verhaltensabsichten und Handlungstendenzen gegenüber dem
Einstellungsobjekt
34
Sozialpsychologie I
Einstellungen als
erschlossene
Größe
3.EigenschaftenvonEinstellungen
• über Zeit und Situationen stabil
• beschränken sich auf sozial bedeutungsvolle Objekte
• Einstellungen generalisierbar und abstrahierbar
4.FunktionenvonEinstellungen
Motivationale Funktionen:
• Ich-Verteidigung (z.B. Projektion)
• Ausdruck eigener Werte
• instrumentelle Funktion
Kognitive Funktionen
• ökonomische Verarbeitung
• Steuerung der Informationsverarbeitung
5.MessungvonEinstellungen
Direkte und indirekte Messungen
• direkte Maße basieren auf Annahme, Einstellungen → durch Meinungen, Überzeugungen
oder Bewertungen erfassbar
• indirekte Maße versuchen Einstellungen zu erfassen, ohne dass erfassten Personen sich des
Messvorgang bewusst werden
• Ein-Item-Ratings: „Sind Sie mit dem Wiederaufbau der Frauenkirche zufrieden“ („1=
überhaupt nicht zufrieden“ bis „7 = sehr zufrieden“)
• Probleme: Zuverlässigkeit der Messung & Kontexteinflüsse auf die Beantwortung des Items
Explizite Maße
Thurstone-Skala
• Zustimmung/Ablehnung gegenüber Aussagen, denen im Vorhinein Wert zugewiesen wurde
• dieser drückt aus, wie sehr bestimmte Einstellung vorhanden ist
35
Sozialpsychologie I
Likert-Skala
• abgestuftes Zustimmungsurteil auf intern konsistenten Items → stimme zu - stimme nicht zu
• gängigstes explizites Einstellungsmaß
Guttman-Skala
• Zustimmung/Ablehnung gegenüber Items
• Summe indiziert Einstellung
Semantisches Differenzial
• Beurteilung eines Einstellungsobjekts hinsichtlich Valenz (positiv vs. negativ), Potenz (Kraft)
und Aktivität
weitere Messmöglichkeiten
• physiologische Messungen (z.B. Hautleitfähigkeit)
• Verhaltensbeobachtung
• nicht-reaktive Messungen (z.B. lost-letter Technik)
• Indirekte Verfahren, z.B. IAT (implicit association test)
• Problem: großer Interpretationsspielraum, Verfälschung durch soziale Erwünschtheit
6.EinstellungundVerhalten
Papier & das chinesische Ehepaar
• bereiste mit chinesischem Ehepaar USA
• Abweisung in nur 1/200 Restaurants und Hotels
• Nachbefragung 6 Monate später → 92% der Restaurant und Hotelbesitzer würden Chinesen
als Gäste nicht akzeptieren
Inkonsistenz zwischen Verhalten und Einstellung?
Faktoren
• Übereinstimmung von Einstellungs- und Verhaltensmessung
• Persönlichkeitsfaktoren
• Modelle der Beziehung zwischen Einstellung und Verhalten
Übereinstimmung von Einstellungs- und Verhaltensmessung
(Korrespondenzhypothese):
1. Handlungsaspekt (welches Verhalten soll genau untersucht werden?)
2. Zielaspekt (auf welches Ziel ist das Verhalten gerichtet?)
3. Kontextaspekt (in welchem Kontext wird das Verhalten ausgeführt?)
4. Zeitaspekt (zu welchem Zeitpunkt wird das Verhalten ausgeführt?)
Übereinstimmung von Einstellungs- & Verhaltensmessung (Korrespondenzhypothese):
• abstrakte Einstellungsmessung führt zu einem geringen Zusammenhang (r=.08)
• spezifische Einstellungsmessungen führen dagegen zu einem hohen Zusammenhang (r=.57)
36
Sozialpsychologie I
Persönlichkeitsfaktoren:
• high und low self monitoring
• low-self monitoring: Individuen zeigen Verhalten, das weitgehend auf den eigenen
Dispositionen, Gefühlen und Einstellungen beruht
• high self monitoring: Individuen zeigen eher Verhalten, das sich an den Erwartungen,
Normen und Präferenzen eines gegeben Kontexts
Modelle der Beziehung zwischen Einstellung und Verhalten
Theorie des überlegten Handelns („Theory of reasoned action“)
Theorie des geplanten Verhaltens („Theory of planned behavior“)
• Erweiterung der 1. Theorie um
wahrgenommene Kontrolle
• wahrgenommene Kontrolle umfasst:
1. subjektive Kontrolle – durch
mich, messbar, Vorhersagen der
Intention
2. tatsächliche Kontrolle –
abhängig von Umwelt → nicht
wirklich erfassbar
Untersuchung von Ajzen und Madden (1986)
• über Theorie des überlegten Verhaltens → Vorhersage des Verhaltens möglich
• über Theorie des geplanten Verhaltens → Vorhersage der Verhaltensintention möglich
Schlussfolgerungen
• immer, wenn keine vollständige Verhaltenskontrolle vorliegt, ist Theorie des geplanten
Verhaltens der Theorie des überlegten Handelns überlegen
• denn Verhaltenskontrolle geht als subjektive Komponente in die Vorhersage der
Verhaltensintention ein
Zusammenfassung
• Einstellung und Verhalten zeigen engen Zusammenhang, wenn Abstraktionsgrad von
Einstellung und Verhalten korrespondieren
• zur genaueren Vorhersage des Verhaltens sind Einstellung einem Verhalten gegenüber, die
subjektive Norm und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle wichtige Prädiktoren
37
Sozialpsychologie I
11 - Veränderung von Einstellungen
Leitfragen:
1. Durch welche Prozesse können Einstellungen geändert werden?
2. Sind es Prozesse der Konditionierung oder des Nachdenkens über Argumente, durch die
Einstellungen geändert werden?
1. VeränderungenvonEinstellungen
The Yale approach to communication and persuasion (Janis & Hovland,
1959)
Einflüsse der Quellen
• Experten → überzeugender als Laien
• Einfluss von Gegenüber steigt mit Popularität und Attraktivität
• je schneller Menschen sprechen, desto überzeugender sind sie → Eindruck, sie wüssten
wovon sie sprechen
Einflüsse der Kommunikation
• zweiseitige Kommunikation wirksamer, bei unterschiedlichen Meinungen
• einseitige Kommunikation wirksamer bei gleicher Meinung
• je häufiger Argument auftritt, desto eher wird es angenommen → Vertrautheit
Einflüsse der Zuhörer
• Botschaften überzeugender, wenn nicht offensichtlich manipulativ oder überredend
• Ablenkung bewirkt leichtere Überzeugung
Einflüsse auf Seiten der Zuhörer
• zwischen Selbstbewusstsein und Überzeugung (persuasion) → umgekehrter u-förmiger
Zusammenhang
• vorhandene Einstellungen und Motive beeinflussen Einstellungsänderung- bzw. erlernen
38
Sozialpsychologie I
Relation zwischen Angst und Einstellungsänderung - umgekehrt u-förmig
Klassische Konditionierung
Pawlow´s Hunde
• Futter-Ton-Konditionierung
• Einstellung auf Futter ↴ Speichelfluss
Staats und Staats (1958)
• Nationalnamen (schwedisch vs. holländisch) mit positiven oder negativen Primes gepaart
• mit positiven Primes gepaarte Nationen positiver eingeschätzt
Kritik
• Versuchspersonen lernen Kontingenz ↴ Verwendung als demand-characteristic
•
Muss Zusammenhang zwischen affektiven und neutralen Wörtern bewusst sein, damit
Konditionierung funktioniert?
•
spätere Untersuchungen → Konditionierung auch mit unbewussten nicht konditionierten
Reizen möglich
Operante Konditionierung
• Einstellung/ Äußerungen→ positive Folge → Verstärkung der Einstellung
• Eistellung/ Äußerungen → negative Folgen → Reduktion der Einstellung
Systematische Informationsverarbeitung - Untersuchung Petty et al.
• Variation von Faktoren, die Infoverarbeitung
beeinflussen (kognitive Doppelbelastung,
Ablenkung, Interesse
• zusätzlich Variation von starken und
schwachen Argumenten
• UV1: Starke versus schwache Argumente
• UV2: geringe versus hohe Ablenkung
• AV: Einstellung zum Thema
Problem: Argumente oder Verstärkung?
39
Sozialpsychologie I
Modell der Elaborationswahrscheinlichkeit (ELM)
• zentrale Route der Überredung
• zeitintensives, gründliches Nachdenken über Argumente
• periphere Route der Überredung
• oberflächliche Rezeption der Botschaften
• bei Ablenkung, Stress …..
• Relevanz und Involviertheit als Determinanten dafür, welche Route gewählt wird
Untersuchung Petty et al., 1981
• hohe Involviertet bewirkt tiefere Informationsverarbeitung ↴ starke Argumente gewichtiger
• geringe Sachkenntnis bewirkt Raushalten, hohe Sachkenntnis bewirkt auch bei niedriger
Involviertet positive Einstellung
Heuristisch-systematisches Modell der Einstellungsänderung (HSM)
• systematische Verarbeitung
• heuristische Verarbeitung (schwache Argumente erscheinen als stark)
• Grad der Verarbeitungsmotivation
• Fähigkeit als Moderator ↴ sehr ähnliche Untersuchungen und Ergebnisse wie für ELM
Unterschiede des HSM und ELM
• nach HSM wirken heuristische und systematische Verarbeitungsanteile gleichzeitig
• selbst unter hoher Involviertheit wirken heuristische Cues
• ELM nimmt im wesentlichen Akkuratheit als Motivation an, das HSM nimmt dagegen
verschiedene Motivationen an (Akkuratheit, Selbstschutz, Impression Management usw.)
Gemeinsamkeiten des HSM und ELM
• systematische oder zentrale Verarbeitungsroute impliziert eine hohe Fähigkeit und Motivation
zur gründlichen Argumentverarbeitung.
•Die heuristische oder periphere Route impliziert weder Motivation noch hohe Fähigkeit.
•Personen verarbeiten Botschaften mit geringem Aufwand, es sei denn sie wären motiviert sich
genauer mit dem Thema zu beschäftigen.
Zusammenfassung
• Veränderung von Einstellung durch Prozesse mit geringem kognitiven Aufwand → klassisches
Konditionieren wie auch durch systematische kognitive Prozesse (analytisches Denken).
• Integration beider Prozesse in Zwei-Prozess Modell
• je stärker man an einem Thema interessiert ist, desto intensiver ist auch das Nachdenken über
Argumente zum Thema
40
Sozialpsychologie I
12 - Konsistenztheorien
Leitfragen
1. Unter welchen Bedingungen entsteht kognitive Dissonanz?
2. Wie kann kognitive Dissonanz reduziert werden?
1.KognitiveKonsistenztheorien
Grundannahme
• 2 Gedanken → inkonsistent bei Widerspruch → Dissonanz → Wunsch nach
Einstellungsänderung
Wiederholung
• In welchen Bereichen – die wir schon kennen - spielt Konsistenz eine Rolle?
• 3 Komponenten von Einstellungen (Wissen, Bewertung, Verhalten)
• Soziale Vergleiche
• Einstellung – Verhalten
2.BalancetheorienachHeider
• Menschen, Objekte und Ereignisse
→psychologisches Feld einer Person
• Balancetheorie → P-O-X Einheiten:
(Zielperson – andere Person – Objekt oder
Thema)
• inkonsistente Triade ↴ aversiver Zustand ↴
Wunsch nach Beseitigung/ Reduktion
Balancierte Zustände - wenn positives Ergebnis
Unbalancierte Zustände - wenn Negatives herauskommt beim Ausrechnen
41
Sozialpsychologie I
Wie wird die Balance wieder hergestellt?
• Änderung der Einstellung mit wenigstem Aufwand
• bedeutende Einflussfaktoren:
1. So lange keine andere Information vorliegt, nehmen Menschen an, dass andere so
denken wie sie selbst.
2. Die meisten Menschen bevorzugen es, mit anderen übereinzustimmen.
3. Inkonsistenz wird manchmal dadurch aufgelöst, dass Elemente isoliert werden (z. B.
unterschiedliche Interessen in einer Beziehung).
Anwendung
• interpersonale Beziehungen
• erweiterter Kontakt → extended contact effect
3.Dissonanztheorie
• Festinger (1957)
• Beschäftigung mit Diskrepanzen zwischen Einstellungen und Verhalten
• Dissonanz → unangenehmer Zustand psychologischer Spannung (Erregung, hautgalvanische
Reaktionen), der entsteht, wenn eine Person zwei oder mehr Kognitionen hat, die nicht
zusammen passen
• Dissonanz kann reduziert werden, …
… indem eine der beiden Kognitionen geändert wird.
… durch die Suche nach Information, die eine der Kognitionen unterstützt.
… durch die Suche nach Information, die eine der beiden Kognitionen abwertet.
• je größer die Dissonanz, desto stärker die Versuche sie zu reduzieren.
42
Sozialpsychologie I
plausibleAnnahme
•
besser bezahlter Job attraktiver als schlechter bezahlter Job
•
Frage: Unter welchen Bedingungen könnte es andersherum sein?
Festinger & Carlsmith, 1959
•
eine Stunde langweilige Aufgaben
•
danach Information → Vpn seien jetzt wirklich
wichtig → nächsten Teilnehmer erzählen, dass
Aufgabe wirklich interessant ist → dafür
Belohnung versprochen
•
UV: $1 oder $20 Belohnung
•
AV: Bewertung der Aufgabe
•
hohe Belohnung ist Rechtfertigung dafür, dass sie
angegeben hätten, es wäre interessant → keine
Diskrepanz
•
bei geringer Belohnung große Diskrepanz → also
Ausgleich → vorgeben, sie hätten Experiment wirklich als interessant empfunden
Initiationsriten (Aronson & Mills, 1959)
•
freiwillige Teilnahme an Diskussion über Sex
•
UV: Initiation: lautes Vorlesen von expliziten sexuellen
Beschreibungen (schwer) vs. einem Text über Petting etc. (leicht)
•
AV: Bewertung einer kaum verständlichen Diskussion über
langweilige Inhalte, an der die Teilnehmer in der nächsten Woche
beteiligt werden sollten.
↴ bei großem Aufwand um an Diskussion teilnehmen zu können
(schwerer Text) wird Diskussion positiver um Aufwand zu rechtfertigen
4 Vorraussetzungen für die Entstehung von Dissonanz
1. Verhalten muss relevant für Selbst sein (Inhaltsbereich ist bedeutsam für das Individuum)
2. Wahlfreiheit (sonst externe Rechtfertigung → Teilnahmezwang)
3. negative Konsequenzen bei Teilnahme (langweiliger Versuchsaufbau
4. Individuum muss Arousal (negativer Zustand der Dissonanz) erleben und auf Handlung
attribuieren
Kognitive Dissonanz
Wahlfreiheit
• wenn freiwillig, positivere Bewertung bei wenig Geld
• wenn freiwillig und viel Geld → negative
Bewertung, da man sich für Teilnahme an
Experiment auch Lohn rechtfertigen kann
• wenn nicht freiwillig negative Bewertung wenn
Lohn nicht als angemessen hoch empfunden
(Dissonanz bei negativen Konsequenzen durch
negative Bewertung ausgeglichen)
43
Sozialpsychologie I
Negative Konsequenzen
• Untersuchung von Cooper und Worchel (1970)
• Bedingung 1 → Vpn beeindruckten mit Geschichte über „interessantes Experiment“
Gegenüber
• Bedingung 2 → Gegenüber unbeeindruckt
• Ergebnisse: nur bei negativ erlebten Konsequenzen → Dissonanz
Kritik an Selbstwahrnehmung
• „Woher soll ich wissen, was ich glaube, bevor ich höre, was ich sage“
• unreliabler Indikator
• Vpn wissen, das sie die Aufgabe als interessant dargestellt haben
• dies informiert sie über ihre Einstellung zu der Aufgabe, sofern keine anderen Gründe für
das Verhalten vorliegen (wie etwa eine hohe Bezahlung)
• Dissonanz und andere innere Zustände sind nicht notwendig, um das Verhalten zu
erklären
Frage
• Sind innere unangenehme Gefühle der Dissonanz notwendig für die Veränderung von
Einstellungen durch einstellungskonträres Verhalten?
• Untersuchung von Cooper (1974):
• UV1: Placebo mit / ohne unangenehmem Gefühl
(behauptet von VL → nicht wirklich)
• UV2: un- / freiwilliges Schreiben eines
einstellungskonträren Aufsatzes
• AV: Einstellung
• wenn Arousal nicht auf externe Dinge (Placebo)
atrophiert werden kann, geschieht eine Einstellungsänderung
• da negatives Gefühl auf Aufsatz geschoben wird (ohne Placebo), der konträr zur
eigenen Meinung ist, wird Einstellung bzw. Meinung zum Thema geändert
externe Ursachen
44
Sozialpsychologie I
Kognitive Konsistenz
• siehe Kognitive Dissonanz
• Erweiterung des
Einstellungskonzeptes
• Trivialisierung → Informationen
werden als unwichtig befunden ↴
keine Einstellungsänderung →
Akzeptanz der Dissonanz
Dissonanztheorie
Selective exposure hypothesis (Frey, 1986): Menschen sind bemüht, dissonante Information zu vermeiden, außer wenn
• sie sehr starke Einstellungen haben und auf diese Weise gegen dissonante Information
argumentieren können
• die Einstellungen „auf schwachen Füßen stehen“ und es deshalb langfristig besser ist, die
Wahrheit herauszufinden (d.h. bestehende Einstellungen zu ändern)
Erinnerung konsistenter Info
Erinnerung in Abhängigkeit der eigenen Position
(Jones & Köhler, 1959)
und
• starke Argumente für eigene Position
schwache Argumente gegen eigene Position
werden besser erinnert, als schwache A. dafür
und starke dagegen
• selektive Erinnerungsleistung
Wen mag man?
• Wir lieben Menschen nicht so sehr für das Gute, was sie uns getan haben, sondern für das
Gute, was wir ihnen getan haben (Leo Tolstoi)
• wenn wir Person Gefallen getan haben, Gedanken über diese Person positiver
• auch bei schlechter Behandlung einer Person, schlechtere Meinung über diese
Anwendungsgebiete der Dissonanztheorie
1. Bedauern von Menschen und die Einstellungsänderung nach Entscheidungen
2. Suche und Auswahl von Informationen
3. Gründe zur Unterstützung von Einstellungen
4. Freundschaft und Feindschaft
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Sozialpsychologie I
Reaktanztheorie
Brehm (1966)
• Wenn Menschen das Gefühl haben ihre Freiheit würde bedroht, wird ein unangenehmer
Zustand der Reaktanz erzeugt.
• Reaktanz kann abgebaut werden, in dem die „verbotene“ Handlung ausgeführt wird
Impfung gegen Überredung - McGuire (1964)
• es gibt 2 Möglichkeiten, sich vor Überredung zu schützen:
• unterstützende Verteidigung: neue Argumente für Einstellung der Person
• Impfung: schwache Argumente gegen die Position der Person
• Erklärung: schwacher Angriff auf die eigene Person führt zur Suche nach Gegenargumenten
Zusammenfassung
• Balance-Theorie: Tendenz zu balancierten Triaden
• Widersprüche zwischen Kognitionen (& Verhalten) führen zu Dissonanz, die man versucht zu
reduzieren.
• Bedingungen für kognitive Dissonanz sind Selbstbezug, Wahlfreiheit, Schaden, und gefühltes
Arousal (sub. Dissonanz)
• Phänomene: Nachentscheidungsdissonanz, Erinnerung von Info, Attraktion, usw.
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Sozialpsychologie I
13 - Das Selbst
Leitfragen
1. Was ist das Selbst?
2. Wie hängen Selbstkonzept und Selbstwert zusammen?
3. Wie beeinflussen Aspekte des Selbst das Verhalten?
Selbst ist zentral denn…
• alle bisher besprochenen Themen laufen im Selbst zusammen
• neben Einstellungen ist Selbst wichtigster Untersuchungsgegenstand der Psychologie
1. Was ist das Selbst?
• begrifflich schwer zu fassen
1.1 Existentielles vs. objektives Selbst
• William James (1890): „I“ → Subjekt and „me“ → Objekt
• Lewis und Brooks → Unterscheidung in 2 grundlegende Aspekte
• das existentielle Selbst: das Selbst als Subjekt, der Wahrnehmende, Akteur
• das objektive Selbst: das Selbst als das Objekt, das Wahrgenommene, Geschichte des Selbst
1.2 Definitionen des Selbst
• Selbst → „Struktur der Einschätzung eigener Denk- und Handlungsweisen im Hinblick auf
Eigenheiten des sozialen Bezugssystems“
• Selbst → „relativ überdauernde Struktur individueller Erfahrung über die Besonderheiten der
Beziehungseines Individuums zur Umwelt“ (C. Rogers)
• das „looking glass self“
• gemäß des symbolischen Interaktionismus → das Konzept des „Selbst“ abgeleitet aus dem,
wie andere einen sehen
• im Umgang mit anderen erhalten wir Reflexion ↴ Informationen über uns selbst
• Selbstkonzept
• zentrales Schema mit Wissen über uns selbst → Wissen über das Selbst (Wissen über
Eigenschaften, Meinungen, Fähigkeiten, sowie enge Beziehungen und Besitz)
• Unterscheidung in „spezifischen Inhalt“ und „generelle Struktur“
• Selbstaufmerksamkeit → Beschäftigung mit dem Selbst
• Funktionen des Selbstkonzepts
• Strukturierung (das Selbst als Schema)
• Basis für Emotionen (Vergleich zwischen Actual-Self, Ideal-Self und Ought-Self) (Higgins)
• variierende Interpretationen von Situationen → Steuerung durch Selbstkonzept
• Exekutive mit begrenzten Ressourcen (Muskelmetapher; Ego-Depletion)
• Selbstkontrolle, Ignoranz alternativer Einflüsse
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Sozialpsychologie I
2. Drei Basisaspekte des Selbst
• reflexives Bewusstsein → das Erleben des Selbst (Bewusstwerden des eigenen Selbst)
• Selbstkonzept; Selbstwert; Selbstreferenz; Selbstaufmerksamkeit
• Selbst als Akteur → Selbst als Handelnder, Entscheidungsträger und Verantwortlicher
• Selbstregulation, Self-monitoring, Selbsteffizienz
• interpersonales Selbst → Selbst in seinen Beziehungen zu anderen Individuen
• Reflected Appraisal; Selbstdarstellung; soziale Emotionen
2.1 Selbstwert
• self-esteem → Grad der positiven oder negativen Bewertung des Selbst
Messung
• Rosenbergsskala → Messung eines allgemeinen stabilen Selbstwerts (trait)
• Heatherton & Polivy → Messung eines situationsbezogenen Selbstwerts (state)
• Nuttin → impliziter/ unbewusster Selbstwert jenseits der sozialen Erwünschtheit
• Manipulation von state-Selbstwert im Labor z.B. über „gefälschte“ Leistungsrückmeldung
Motive
• Self-Assessment → akkurate Information über den Grad der Erreichung eigener Ziele bzw.
der Erfüllung eigener Standards
• Self-Enhancement → Streben nach hohem Selbstwert
• self-improvement
• Selbstwert als Quelle positiver Emotionen
• Selbstwert als Coping-Ressource (Wohlbefinden) → Puffer für Befinden bei Bewältigung
schwieriger Situationen
Zusammenhänge
Selbstwert und Leistung
• mäßiger Zusammenhang mit akademischer Leistung
• Selbstwert mehr Effekt als Bedingung
• bei Betrachtung der „Hintergrundvariablen“ (Alter, Geschlecht, Bildung der Eltern usw.)
↴ Schrumpfen des Zusammenhangs
Selbstwert und physische Gesundheit
• Korrelation mit Anorexie, Bulimie und Essstörungen → kausale Verbindung
• aber kein Zusammenhang mit anderen Gesundheitsindikatoren wie Rauchen,
Alkoholmissbrauch, sexuellen Störungen
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Sozialpsychologie I
Selbstkonzept und Selbstwert
• Individuen mit hohem Selbstwert (im Vergleich zu geringem Selbstwert) …
• können sich schneller einschätzen,
• geben eindeutigere (extremere) Einschätzungen ab,
• geben konsistentere Einschätzungen ab (z.B. synonyme Attribute werden gleich
eingeschätzt)
• zeigen mit Selbsteinschätzungen konsistentes Verhalten
Selbstwert und Aggression
• positiver Zusammenhang zwischen hohem/niedrigem Selbstwert und starker Aggression?
• Ergebnisse?
• übersteigerter Selbstwert (Narzissmus) → nur mäßiger Zusammenhang mit Aggression
• aber bedrohter Narzissmus (z.B. nach einer negativen Rückmeldung) führt deutlich zu
aggressivem Verhalten → lautere und längere unangenehme Töne erstellt
2.2 Selbst als Akteur
Drei Typen von Selbstschemata
• aktuelles Selbst (actual self)
• Idealselbst (ideal self)
• „Muss“-Selbst (ought self) → Pflichten
• Selbstdiskrepanzen
• Diskrepanzen zwischen Idealen und dem, wie man sich selbst wahrnimmt
• Diskrepanzen zwischen Pflichten und dem, wie man sich selbst wahrnimmt
Untersuchung Kessler - minimales Gruppenparadigma
• UV1: promotion (Unterstützung→ Ermutigung es geht um Gewinn) vs. prevention (es geht
um Vermeidung eines Verlustes) focus
• UV2: Verteilung positiver vs. negativer Ressourcen
• AV: Differenz zwischen Eigengruppe und Fremdgruppe
• Eigengruppenbevorzugung wenn mit Zuschüssen gearbeitet wird bei Promotion focus
• Eigengruppenbevorzugung bei prevention focus nur bei Arbeit mit Abzügen
Zusammenfassung:
• Selbst als Akteur → generell motivationale Implikationen
• je nach dem, wie Selbstauffassung ist (welche Selbstdiskrepanzen im Vordergrund stehen) →
selektiv Reaktion auf bestimmte Umweltreize
• existentielles und objektives Selbst
• Selbstkonzept: Wissen über das Selbst → objektives Selbst
• Selbstwert: Bewertung des Selbst
• Selbst als Akteur: Selbstdiskrepanzen steuern z.B. welche Aspekte der Umwelt besonders
relevant erscheinen
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