6. Zusammenfassung 6. Zusammenfassung In dieser Arbeit wurde die Argonplasma-Koagulation (APC), als eine medizinische Plasmaapplikation für die chirurgische Gewebebehandlung untersucht. Für die Untersuchung stand ein kommerziell erhältliches APC-System der Firma ERBE Elektromedizin GmbH, bestehend aus dem elektrochirurgischen Generator ERBE VIO 300D, der Gasversorgungseinheit APC-2-System und eine flexible APC-Sonde zur Verfügung. Ziel dieser Arbeit war es, die bei der plasmainduzierten Gewebebehandlung entstehende Gewebeschädigung hinsichtlich des Einflusses des Argonplasmas auf den Gewebeeffekt zu untersuchen und Parameter zur Steuerung des resultierenden Gewebeeffekts zu finden. Hierzu wurden verschiedene Verfahren in Kombination angewendet. Dabei kamen die optische Emissionsspektroskopie, die Mikrofotografie, die numerische Simulation und die Lichtmikroskopie zum Einsatz. Um die Zuverlässigkeit der Plasmacharakterisierung unter APC-Bedingung zu erhöhen, wurden die genannten Verfahren durch Strommessungen ergänzt. Die Applikationen wurden auf Schweineniere als medizinisches Gewebemodell in einem definierten Abstand von 2 mm des distalen APC-Sondenendes senkrecht zur Gewebeoberfläche vorgenommen. Zur Klärung des Entladungsprozesses bei APC-Anwendungen wurde zusätzlich die Applikation auf einer metallischen Oberfläche unter sonst identischen Bedingungen durchgeführt. Bei der Untersuchung des Entladungsprozesses (Kapitel 5.1) konnte herausgefunden werden, dass bei APC zwei unterschiedliche Entladungsformen vorliegen. Der APCEntladungsprozess ist stets von der positiven und der negativen auftretenden Spannungsphase des applizierten Spannungspulses abhängig. Weiterhin ist der Entladungsprozesses für jeden applizierten Spannungspuls identisch. Es stellte sich heraus, dass es sich bei der positiven Spannungsphase um eine Funkenentladung handelt, die sich ausbildet nachdem ein kathodengerichteter Streamer den Spalt zwischen der aktiven Elektrode und der Gewebeoberfläche überbrückt hat. Dabei ist ein intensiv leuchtender Plasmakanal zuerkennen, welcher durch die zahlreichen Prozesse den Plasmakanal auf Tg > 1000 K heizt. Die Funkenentladung geht während der positiven Phase in eine normale Glimmentladung über. Nach dem Wechsel der Polarität des Spannungspulses, also in der negativen Spannungsphase, bildet sich ebenfalls eine Glimmentladung jedoch mit negativem Glimmlicht auf der APC-Elektrode. Während dieser Phase sind das Glimmlicht auf der APC-Elektrode und ein diffuser Plasmakanal zwischen der APC-Elektrode und der Gewebeoberfläche zu erkennen. Dieser diffuse Plasmakanal resultiert aus den Restteilchen des zuvor aufgeheizten Plasmakanals aus der positiven Spannungsphase und trägt nicht zum Heizen des Plasmakanals bei. Nach Beendigung der negativen Spannungsphase erlischt die Plasmaentladung und beginnt dann gemäß dem beschriebenen Ablauf, sobald ein weiterer Spannungspuls auftritt, wieder von vorn. Für die Erkenntnis, dass während der positiven Spannungsphase ein intensiv leuchtender gut abgegrenzter Plasmakanal aufgebaut wird, der stark geheizt wird, wurden für verschiedenen Leistungs- und Gasflusseinstellungen am elektrochirurgischen Generator untersucht. Dazu wurden die charakteristischen Plasmakenngrößen, wie Gastemperatur, elektrischer [106] 6. Zusammenfassung Plasmastrom, Plasmadurchmesser, Plasmadauer und die Plasmaparameter, wie Elektronendichte, Elektronenverteilungsfunktion, reduziertes elektrisches Feld, sowie die resultierenden Gewebeeffekte für eine drei sekündige Plasmaapplikation bestimmt. Dabei stellte sich heraus, dass die im Experiment bestimmten Gastemperaturen (> 1000 K) wesentlich höher liegen als die Temperaturen die für den experimentell ermittelten Gewebeeffekt notwendig sind (~ 150 °C). Da am Gewebe ausschließlich eine leichte bis keine Karbonisation zu erkennen war, die durch Temperaturen von ca. 150 °C hervorgerufen werden, wurden sowohl Abschätzungen als auch numerische Simulationen mittels Comsol Multiphysics® zur Erwärmung des Gewebes mittels eines heißen Gases (Kapitel 5.2.2.2) und endogener Erhitzung (Kapitel 5.2.3.2) durchgeführt. Es zeigte sich, dass die Erwärmung des Gewebes mittels der ermittelten Gastemperaturen nicht auf Temperaturen steigt, die zur Karbonisation führen. Weiterhin zeigte sich, dass der resultierende Gewebeeffekt von der endogenen Erwärmung des Gewebes herrührt. Aus der Simulation konnte geschlossen werden, dass die Karbonisation der Gewebeoberfläche nur entstehen kann, wenn mehrere Plasmakanäle die Gewebeoberfläche in einer Stelle kontaktieren. In Kapitel 5.2 wurde festgestellt, dass der Gewebeeffekt von dem elektrischen Strom abhängig ist, durch den das Gewebe endogen erhitzt wird. Da bisher der Einfluss der Polarität der Spannungsphasen auf den resultierenden Gewebeeffekt nicht untersucht wurde, schlossen sich Untersuchungen an, bei denen mittels eines Zweiweggleichrichters Spannungsphasen gleicher Polarität zur plasmainduzierten Gewebebehandlung benutzt wurden. Bei diesen Untersuchungen stellte sich heraus, dass sich die ermittelten Plasmaparameter nicht von denen der Standard APC-Applikation aus dem vorigen Versuchen (siehe Kapitel 5.2) unterscheiden. Es stellte sich heraus, dass die charakteristische Kenngröße eines Plasmas, die Plasmadauer einen entscheidenden Einfluss auf die resultierende Gewebeschädigung hat. Mit einer langen Plasmadauer im Bereich von einigen hundert Nanosekunden bis wenigen Mikrosekunden lassen sich dabei Vaporisationseffekte erzielen, wohingegen eine kurze Plasmadauer in einer ausschließlich koagulierten Gewebeoberfläche resultieren kann. Weiterhin wurde zur Verhinderung bzw. Reduktion der an der Gewebeoberfläche makroskopisch sichtbaren Gewebeschädigung die APC-Applikation mit seitlicher Wassernebelbeimischung zum Plasma untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass das beigefügte Wasser die Plasmaparameter beeinflusst. Durch die Dissoziation der Wassermoleküle im elektrischen Feld und durch die Anlagerung von Elektronen an die Wassermoleküle kommt es zur Bildung negativer Ionen im Plasma. Diese negativen Ionen bewirken einerseits eine Reduktion der Elektronendichte und andererseits durch deren Beschleunigung im elektrischen Feld führen diese zu zusätzlichen Kollisionen mit neutralen Gasteilchen, wodurch das Plasma stärker geheizt wird. Durch das Auftreten der negativen Ionen wird weiterhin das elektrische Feld stark erhöht. Der Einfluss von negativen Ionen wurde anhand einer Untersuchung überprüft, bei der dem Arbeitsgasgemisch ArgonStickstoff in unterschiedlichen Konzentrationen Sauerstoff beigemischt wurde. Bei der APC-Applikation mit seitlicher Wassernebelbeimischung stellte sich weiterhin heraus, dass der ausbildende Plasmakanal während der positiven Spannungsphase vor dem Erreichen der Gewebeoberfläche in viele kleine Plasmakanäle aufspaltet. Durch dieses Aufspalten wird die Stromdichte der einzelnen Plasmakanäle herabgesetzt, wodurch die punktuelle endogene Erhitzung des Gewebes durch den Plasmakanal sinkt. Mit dieser Erkenntnis wurde ein weiterer Parameter gezeigt, mit dem der Grad der Gewebeschädigung beeinflusst werden kann – die Stromdichte am Ort der Gewebeberührung. [107] 6. Zusammenfassung Zusätzlich konnte durch die Simulation der endogenen Gewebeerwärmung in wasserhaltiger Umgebung der Kühlungseffekt der Gewebeoberfläche mittels Wasserbeimischung zur APCPlasmaanwendung bestätigt werden. Dabei zeigte das Experiment, dass eine gewisse Menge an Wasser in das Plasma eingesprüht werden muss, um die Karbonisation der Gewebeoberfläche zu vermeiden. Durch den Kühlungseffekt des eingebrachten Wassers, das an der Gewebeoberfläche einen Wasserfilm bildet, kann die Erwärmung des Gewebes auf karbonisationsinduzierende Temperaturen vermieden werden. Somit ist der Kühlungseffekt, durch die eingebrachte Flüssigkeit ein weiterer Faktor, mit dem der resultierende Gewebeeffekt gesteuert werden kann. Anhand der hier gezeigten, beschriebenen und diskutierten Experimente konnten durch die plasmatechnische Charakterisierung der APC-Applikation vier für den resultierenden Gewebeeffekt bei einer APC-Behandlung beeinflussende Faktoren identifiziert werden: 1. 2. 3. 4. [108] Die Stromdichte, die die Fläche mit der das Gewebe plasmabehandelt beschreibt, die Plasmadauer, die die Dauer der Plasmabehandlung des Gewebes beschreibt, der elektrische Strom, der zur endogenen Erhitzung des Gewebes führt, und der Kühlungseffekt, mit dem eine Überhitzung des Gewebes mit sich anschließender Karbonisation oder Vaporisation durch bspw. die Beigabe von Wasser vermieden werden kann.