Perspektiven für die Entwicklung einer HIV

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Pressekonferenz
„Auf Erfolgskurs: Das Kompetenznetz HIV/AIDS“
Donnerstag, 20.11.2003, 11.30 –12.30 Uhr
MEDICA-Kongress
Messe Düsseldorf, CCD Süd, Raum 14
Hintergrundinformation
Perspektiven für die Entwicklung einer HIV-Vakzine
aus: Deutsches Ärzteblatt, Ausgabe 28-29 vom 15.07.2002, Seite A-1962 / B-1656 / C-1550
Zusammenfassung
Mehrere HIV-Impfstoffkandidaten werden derzeit in klinischen Testreihen untersucht.
Anstelle der klassischen Tot- und Lebendimpfstoffe werden verschiedene neue Formen der
Immunisierung, unter anderem Protein- und DNA-Impfstoffe sowie virale und bakterielle
Vektoren, erprobt. Darüber hinaus werden Kombinationen unterschiedlicher Immunogene
und neuartige Immunverstärker getestet. Ergebnisse der ersten von zwei laufenden Phase3-Studien
werden
Ende
dieses
Jahres
erwartet.
Wissenschaftliche
und
klinische
Einrichtungen in Deutschland sind in zunehmendem Maß an der Impfstoffentwicklung
beteiligt. Es gibt allerdings bisher weder experimentelle noch klinische Hinweise darauf, dass
Impfstoffe die HIV-Infektion wirklich verhindern können. Studien im Affenmodell belegen
jedoch, dass eine prophylaktische Immunisierung den klinischen Verlauf einer Infektion
günstig beeinflussen kann. Eine Impfstrategie, bei der die Infektion zwar nicht verhindert,
jedoch
die
Krankheit
Transmissionsrisiko
hinausgezögert,
reduziert
würde,
die
wäre
Viruslast
verringert
epidemiologisch
und
sinnvoll
damit
und
das
könnte
möglicherweise realisiert werden.
In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Vakzinekandidaten entwickelt und zum Teil
bereits am Menschen getestet. Ein durchschlagender Erfolg blieb bisher aus. Auf der Basis
der bisherigen Erkenntnisse und unter Einbeziehung der klinischen Erfahrung könnte eine
Änderung der Zielsetzung jedoch in Zukunft zu einer Vakzine führen, die sowohl dem
Einzelnen nützt als auch die Ausbreitung der Infektion eindämmt. Heutige Vakzinestrategien
berücksichtigen eine Vielzahl jüngerer Erkenntnisse der virologischen und immunologischen
HIV-Grundlagenforschung sowie vermehrt Daten zur Epidemiologie der HIV-Infektion.
Zelluläre und humorale Immunantwort
Auch wenn nicht bekannt ist, ob das menschliche Immunsystem jemals überhaupt in die
Lage versetzt werden kann, vor einer HIV-Infektion zu schützen, so besteht doch weitgehend
Konsens darüber, dass
eine optimale Vakzine in der Lage sein sollte, dauerhafte humorale und zelluläre
Immunantworten gegen eine breite Auswahl genetischer Varianten von HIV zu induzieren.
Grundlage für diese Forderung sind immunologische Studien bei Personen, die sich trotz
wiederholter
HIV-Exposition
nichtprogredienter
nicht
Erkrankung
infizierten,
(long-term
und
bei
non-progressors)
Langzeitüberlebenden
sowie
Experimente
mit
mit
Rhesusaffen. Sie weisen darauf hin, dass alle Bereiche der erregerspezifischen
Immunabwehr, einschließlich neutralisierender Antikörper, zytotoxischer T-Lymphozyten
(CTL) und Helfer-T-Lymphozyten (HTL) sowie lösliche Mediatoren der zellvermittelten
Immunantwort, Zytokine und Chemokine, dazu beitragen, die Virusvermehrung in vivo
einzudämmen und den Krankheitsprozess aufzuhalten.
Konsens besteht generell auch dahingehend, dass neben der Induktion einer systemischen
zellulären und humoralen Immunantwort der Stimulation einer möglichst effektiven
Schleimhautimmunität oberste Priorität einzuräumen ist, um das Virus bereits an seinen
natürlichen
Eintrittspforten,
den
Schleimhäuten
des
Genital-
und
Rektalbereichs,
abzufangen. Die Immunität sollte viele Jahre anhalten.
Virusvariabilität als besondere Herausforderung
Genetisch werden zahlreiche Virushaupt- (M, N, O) und -subtypen (A-K) unterschieden, die
auch in ihrer geographischen Ausbreitung signifikant voneinander abweichen. Eine der
größten Herausforderungen ist die Konzeption einer Impfstrategie, die in der Lage ist, eine
Immunantwort zu induzieren, die vor Infektion durch genetisch divergente HIV-Stämme
schützt. Prinzipiell sind zwei Lösungsmöglichkeiten denkbar: Entweder es gelingt, einen
Impfstoff zu konzipieren der gegen stammübergreifend konservierte Strukturen immunisiert,
oder aber die Variabilität des Virus wird durch einen „Vakzine-Cocktail“ abgebildet, der auf
ausgesuchten Vertretern relevanter Virustypen beruht. In jedem Fall bedarf die Konzeption
einer
Vakzinierungsstrategie
umfassender
molekularepidemiologischer
Studien
in
potenziellen Testgebieten.
Ein besonderes Hindernis für die Impfstoffentwicklung ist zusätzlich die außergewöhnlich
hohe Mutationsfähigkeit des Virus, insbesondere in den oberflächenexponierten Bereichen
der viralen Hüllproteine. An ihnen greifen Virus neutralisierende Antikörper an und können
dadurch die Infektion des Körpers verhindern. Die Mutationsfähigkeit verleiht dem HI-Virus
die Möglichkeit, sich dem Immunsystem immer wieder zu entziehen und ist neben dem
Angriff auf die zentralen Zellen des Immunsystems, die Helfer-T-Lymphozyten, wesentlicher
Virulenzfaktor des Virus.
Wahl des Antigens
Die Ziele der Immunisierung bestimmen wesentlich, welche Impfantigene infrage kommen.
Neutralisierende Antikörper binden an die Virus-Hüllglykoproteine. Synthetische Derivate der
HIV-Hüllglykoproteine, Komplexe aus den viralen Hüllproteinen und den entsprechenden
zellulären Rezeptoren sowie gespiegelte Abbilder neutralisierender Antikörper (AntiIdiotypen) repräsentieren die Zielrichtung innovativer Versuche, eine breit neutralisierende
Antikörperantwort zu induzieren. Aktuelle Strategien, die auf die Stimulation zellvermittelter
Immunparameter zielen, stützen sich dagegen meist auf genetisch hoch konservierte
Komponenten innerhalb der Kapsid- und Matrix-Strukturproteine (Gag) von HIV. Darüber
hinaus zielen einige Impfstoffkandidaten auf die Induktion einer zellulären Immunantwort
gegen die im viralen Replikationszyklus früh exprimierten regulatorischen Polypeptide Nef,
Tat und Rev. Da sowohl humorale als auch zelluläre Faktoren aktiviert werden sollen,
enthalten neuere Vakzinestrategien meist mehrere virale Komponenten.
Bedeutung des Impfstoffprinzips
Neben der Auswahl der Antigene kommt der Art der Präsentation des Immunogens
entscheidende Bedeutung bei der Induktion der Immunreaktion zu. Einige Impfstoffe
induzieren ausschließlich eine humorale Immunantwort, andere vor allem die zelluläre
Immunreaktion, wieder andere können beide Arme der spezifischen Immunantwort
gleichermaßen aktivieren. Vor allem Lebendimpfstoffe und virale Vektoren, die Teile des
HIV-Erbmaterials tragen sowie DNA-Vakzine eignen sich zur Induktion einer systemischen
zellulären Immunität. Die orale Verabreichung gentechnisch veränderter Salmonellen kann
im Tierversuch eine Immunantwort auf Schleimhäuten generieren, die sowohl humorale als
auch zelluläre Immunfaktoren einschließt. Auch die Wahl der Adjuvanzien, Zusätze, die den
Impfstoffen beigefügt werden, um die Aktivierung der Immunantwort zu unterstützen,
entscheidet, ob bei der Verabreichung rekombinanter Proteine entweder, wie bei
Aluminiumhydroxid, dem einzigen bisher zugelassenen Adjuvans, die Antikörperantwort
verstärkt oder, wie experimentell durch CpG-Oligodinukleotide gezeigt, vorzugsweise
zelluläre Immunparameter aktiviert werden.
Rolle des Immunisierungsschemas
Die Immunantwort kann nicht nur durch Adjuvanzien moduliert werden, sondern auch durch
die Kombination unterschiedlicher Immunogene. Beim so genannten Prime-Boost-Verfahren
wird mit der Verknüpfung von verschiedenen Einzelkomponenten in definierter zeitlicher
Abfolge versucht, eine additive oder synergistische Wirkung auf das Immunsystem zu
erzielen. Dabei werden Immunogene, die neutralisierende Antikörper induzieren können
(zum Beispiel Proteinimpfstoffe), gerne mit Vakzinekandidaten kombiniert, die besonders gut
eine zelluläre Immunantwort generieren (zum Beispiel virale Vektorimpfstoffe). Eine PrimeBoost-Strategie ist beim Einsatz von bestimmten Impfstoffen, wie viralen Vektoren zwingend
erforderlich, da bereits nach der erstmaligen Anwendung der Vektoren das Immunsystem
massiv auf das Trägervirus reagiert und bei einer zweiten Applikation die Immunantwort
gegen die transportierten HIV-Proteine überlagert.
Klinische HIV-Vakzine-Studien
Klinische Studien der Phasen 1 und 2 untersuchen die Verträglichkeit und bestimmen die
Immunogenität
potenzieller
Impfstoffe.
Die
Vakzinekandidaten
werden
darin
bei
nichtinfizierten Personen mit geringem Expositionsrisiko geprüft. Bisher wurden mehrere
Dutzend Studien der Phase 1 und 2 mit HIV-Impfstoffkandidaten durchgeführt. Tabelle 1
veranschaulicht das Spektrum der bisher berücksichtigten und getesteten Substanzen. Alle
getesteten Impfstoffkandidaten waren gut verträglich. Wiederholt wurden bei Geimpften
jedoch Infektionsdurchbrüche festgestellt.
Alle bisher für Virusinfektionen zugelassenen Impfstoffe beruhen auf den Prinzipien von
Lebend- und Tot- oder Proteinimpfstoffen. Gegen die HIV-Infektion werden zahlreiche neue
Prinzipien erprobt. Am besten sind bisher HIV-Proteinimpfstoffe untersucht.
Lebend- und Totimpfstoffe
Lebend-
und
Totimpfstoffe,
die
klassischen
Immunogene
für
zahlreiche
andere
Virusinfektionen, wurden am Gesunden bisher wegen Bedenken hinsichtlich ihrer Sicherheit
nicht eingesetzt. Bei Affen wurden Lebendimpfstoffe jedoch bereits Anfang der 90er-Jahre
getestet. Die „Immunisierung“ mit Viren, die aufgrund einer Deletion im Bereich des
regulatorisch wirksamen nef-Gens attenuiert waren, verhinderte bei diesen Tieren die
Infektion mit pathogenem Virus. Allerdings persistierten die Impfviren im Körper der
immunisierten Tiere und verursachten unter bestimmten Bedingungen selbst Aids.
Chemisch inaktivierte Viren wurden zwar nicht als Impfstoffe getestet, jedoch als potenziell
immunstimulatorisch wirksames Therapeutikum bei HIV-Infizierten erprobt (Substanzname:
Remune). Aufgrund der chemischen Behandlung und physikalischen Prozesse bei der
Herstellung fehlt den inaktivierten Viren der äußere Teil der Hüllglykoproteine (gp120).
Neutralisierende Antikörper werden durch solche Konstrukte nicht induziert.
Proteinvakzine
Proteinvakzine (subunit vaccine) sind synthetisch hergestellte Kopien einzelner viraler
Proteine oder aufgereinigte Virusbestandteile. Sie induzieren in erster Linie eine
Antikörperantwort. Klinische Studien zeigen, dass HIV-Glykoproteine zuverlässig in der Lage
sind, neutralisierende Antikörper zu induzieren. Ursprünglich wurden für Immunisierungen
Hüllglykoproteine von HIV-Laborstämmen eingesetzt. Dies hat sich jedoch als nachteilig
erwiesen,
da
die
dadurch
induzierten
Antikörper
Wildtyp-HI-Viren
praktisch
nicht
neutralisierten. Inzwischen werden Proteine, deren Aminosäuresequenz denen von WildtypViren entsprechen, verwendet. Allerdings waren in bisherigen Untersuchungen auch hierbei
die induzierten Antikörper typspezifisch, das heißt sie neutralisierten nur selten
Virusvarianten mit Hüllglykoproteinen anderer Virusstämme. Ungenügende Induktion
kreuzreagierender Antikörper und zellulärer Immunantworten werden für den mangelhaften
Schutz in bisherigen Phase-1- und -2-Studien verantwortlich gemacht. GlykoproteinImmunogene werden bisher als einzige Vakzinekandidaten auch in Impfstudien der Phase 3
getestet.
DNA-Vakzine
Das Prinzip der Immunisierung mit DNA-Plasmiden beruht auf der zunächst erstaunlichen
Beobachtung, dass die Applikation von DNA eine Immunantwort gegen ein auf dem Plasmid
kodiertes Protein induzieren kann. In bestimmten Tiermodellen können DNA-Impfstoffe eine
protektive Immunantwort hervorrufen. Die Immunisierung mit DNA-Impfstoffen gilt aufgrund
der guten Verträglichkeit und relativ kostengünstigen Herstellung von Plasmiden sowie der
hohen chemischen Stabilität der Moleküle als interessantes neuartiges Impfstoffprinzip.
Klinische Studien mit verschiedenen HIV-DNA-Vakzinen, die jeweils für ein oder mehrere
HIV-Proteine kodieren, laufen bereits an mehreren Orten. Die Wirkung auf die zytotoxische
T-Zell-Antwort blieb zunächst deutlich hinter den Erwartungen zurück, die man aufgrund von
Studien mit Mäusen hatte. Innovative Ansätze, wie beispielsweise die Verwendung
optimierter HIV-Gene, die Bindung von DNA an immunogene Trägersubstanzen oder der
Zusatz von Zytokinen als Adjuvanzien tragen im Tierversuch inzwischen zu einer deutlich
verbesserten Stimulation der zellvermittelten Immunantwort bei und lassen in zukünftigen
Studien beim Menschen eine bessere Immunantwort erwarten.
Trägerviren
Aufgrund natürlicher immunologischer Vorgänge stimulieren Viren besonders gut die
zelluläre zytotoxische Immunantwort. Trägerviren (virale Vektoren) sind Derivate von
apathogenen Viren, die gentechnisch so verändert wurden, dass sie Gene fremder
Organismen tragen können. Für HIV-Impfstudien wurden unter anderem verschiedene
Vakziniavirus- und Vogelpockenviruskonstrukte, die eines oder mehrere HIV-Gene
beinhalten, hergestellt, sowie rekombinante Viren auf Basis von Adenovirus und Alphaviren
(Semliki-Forest-Virus, Sindbis-Virus, Venezuelanisches Pferdeenzephalitisvirus) konstruiert.
Vakzinia- und Kanarienpockenviruskonstrukte werden zurzeit in mehreren Studien beim
Menschen getestet. Am weitesten fortgeschritten sind multizentrische Phase-2-Studien mit
Kanarienpockenviruskonstrukten, die in Kombination mit HIV-Hüllglykoproteinen (gp120)
eingesetzt werden. Der Beginn einer Phase-3-Studie in Thailand zur Untersuchung der
Schutzwirkung einer Impfstoffkombination aus Kanarienpockenvirus und gp120 ist für
September 2002 geplant. Weitere Pockenviruskonstrukte, unter anderem auf Basis des stark
attenuierten modifizierten Vakziniavirus Ankara (MVA), sowie ein Impfkonstrukt auf der Basis
eines Adenovirus Typ 5 werden zurzeit als Einzelsubstanzen beziehungsweise in
Kombination mit DNA-Plasmiden klinisch getestet.
Phase-3-Studien
In der Phase 3 der klinischen Entwicklung wird die Wirksamkeit der Impfung untersucht.
Bisher laufen zwei Phase-3-Studien, deren Ziel die Evaluierung des Schutzes vor Infektion
ist (Tabelle 2). In beiden Fällen handelt es sich um einen HIV-Hüllglykoprotein- (gp120-)
Impfstoff,
der
zwei
in
ihrer
Aminosäuresequenz
unterschiedliche
HIV-
Hüllglykoproteinvarianten enthält (AIDSVAX). In der in den USA, Kanada, Puerto Rico und
den Niederlanden 1998 begonnenen ersten Studie besteht das Immunogen aus einer
Kombination eines Glykoproteins eines HIV-Laborstamms (Subtyp B) mit dem eines
natürlichen HIV-Isolats vom Subtyp B, dem in diesen Ländern vorherrschenden Virustyp. In
der zweiten Studie wird in Thailand ein analoges Immunogen bestehend aus dem
Laborstamm-Glykoprotein und dem Glykoprotein eines natürlichen Isolats des Subtyps E,
der in Thailand neben dem Subtyp B vorherrschenden HIV-Variante, getestet. Insgesamt
werden in beiden Studien zusammen zurzeit circa 8 000 Freiwillige untersucht. Die Ende
2001 durchgeführte Zwischenanalyse der ersten der beiden Phase-3-Studien zeigte keinen
ausreichenden Schutzeffekt und kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass die Studie, wie
ursprünglich vorgesehen, bis Ende 2002 fortgeführt wird. Zwischenergebnisse zur zweiten
Studie, die erst neun Monate später begonnen wurde, stehen noch aus.
HIV-Impfstoff-Forschung in Deutschland
In der Bundesrepublik beteiligen sich sowohl öffentlich wissenschaftliche Einrichtungen als
auch biotechnologische Unternehmen an der HIV-Impfstoffentwicklung. Die Arbeiten
konzentrieren sich zurzeit auf molekularepidemiologische Studien, die in China (Institut für
Mikrobiologie und Hygiene, Universität Regensburg), Tansania (Abteilung für Infektions- und
Tropenmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität, München) und Nigeria (Robert Koch-Institut,
Berlin) durchgeführt werden. Darüber hinaus befindet sich ein WHO-Referenzzentrum für die
molekulare Epidemiologie von HIV am Chemotherapeutischen Forschungsinstitut, GeorgSpeyer-Haus, Frankfurt.
An
der
Konstruktion
Forschergruppen
der
neuer
Vakzinekandidaten
Universitäten
Regensburg
arbeiten
und
insbesondere
Würzburg
sowie
virologische
am
GSF-
Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Neuherberg. Des Weiteren sind einige
junge Biotechnologieunternehmen wie GeneArt, Regensburg, und Bavarian Nordic,
Martinsried, an diesen Entwicklungen beteiligt. Das Paul-Ehrlich-Institut, Langen, das
Deutsche Primatenzentrum, Göttingen, und das Robert Koch-Institut besitzen die
erforderliche Infrastruktur zur Testung der Wirksamkeit von Impfstoffkandidaten an Primaten
und haben in der Vergangenheit auf diesem Sektor eigene Versuchsreihen durchgeführt.
Klinische Impfstudien, zum Beispiel an der Medizinischen Klinik III der Universität ErlangenNürnberg, sind in Deutschland in Vorbereitung (Prof. T. Harrer, persönliche Mitteilung). Die
Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität, München,
bereitet zusammen mit Partnern vor Ort und dem Walter Reed Army Institute, Washington,
D.C., USA, Vakzinierungsstudien in Tansania vor.
Am Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Regensburg wurde im Rahmen
eines europäischen Forschungsverbundes ein HIV-Impfstoffkandidat entwickelt, der auf die
weltweit am häufigsten vorkommende HIV-Variante, Subtyp C, abgestimmt ist und
augenblicklich
in
unterschiedlichen
Darreichungsformen
(DNA-Impfstoff,
virale
Vektorvakzine) nach den Richtlinien des Arzneimittelgesetzes produziert wird. Der Beginn
der vergleichenden klinischen Erprobung dieser Vakzinekandidaten in einer europäischen
Multicenterstudie bei HIV-negativen Freiwilligen, unter anderem auch an der Medizinischen
Klinik der Universität Regensburg, ist auf das dritte Quartal dieses Jahres anberaumt.
Parallel dazu wird in einem von Regensburg aus koordinierten EU-Projekt die weiterführende
Testung ausgewählter Kandidaten (DNA, virale Vektoren) im Rahmen einer Phase-1/2Studie in China vorbereitet. Dazu gehört auch die Etablierung der erforderlichen Infrastruktur
für zukünftige Phase-3-Wirksamkeitsstudien in den betroffenen Endemiegebieten.
Orientierungswechsel in der Impfstoffentwicklung?
Keiner der bisher beim Tier oder beim Menschen getesteten Impfstoffe scheint Infektionen
mit den Immunschwächeviren wirklich verhindern zu können. Es ist deshalb fraglich, ob ein
Immunschutz, der die HIV-Infektion vollkommen verhindert („Sterilisierende Immunität“) oder
nach kurzer Zeit eliminiert, durch Vakzinierung überhaupt induziert werden kann. Trotzdem
könnte ein Impfstoff, der sowohl dem Geimpften nützt als auch die Ausbreitung der Infektion
eindämmt, realisierbar sein. Diese Einschätzung beruht auf neuen, bemerkenswerten
Erfolgen am Affenmodell der HIV-Infektion. Dabei wurde beobachtet, dass geimpfte Affen
nach anschließender Infektion mit dem Immunschwächevirus eine deutlich niedrigere
Viruskonzentration und höhere T-Helferzellzahlen im Blut sowie eine längere symptomfreie
Zeit hatten als nichtgeimpfte Tiere. Vor diesem Hintergrund scheint es im Augenblick zu
einem Umdenken in Bezug auf die Zielsetzung zu kommen (Textkasten). Anstelle bisheriger
Impfkonzepte, die einen vollständigen Schutz oder maximal eine zeitlich begrenzte Infektion
zum Ziel haben, steht in Zukunft möglicherweise die Langzeitkontrolle der Infektion im
Vordergrund der Impfbemühungen. Eine Vakzine, die eine Immunantwort induziert, die das
Virus in Schach hält, wäre nicht nur für den Betroffenen hilfreich. Indem sie die Infektiosität
der Körperflüssigkeiten der Infizierten und damit das Übertragungsrisiko unter einen für die
Aufrechterhaltung der Infektionskette kritischen Schwellenwert senkt, könnte eine solche
Vakzine die Ausbreitung der HIV-Infektion wirksam eindämmen.
Fazit
Entgegen der ursprünglichen Einschätzung der frühen 90er-Jahre gilt es mittlerweile als
fraglich, ob es prinzipiell möglich ist, einen Impfstoff zu entwickeln, der die HIV-Infektion
verhindert. Realistischer erscheint die Herstellung eines Impfstoffs, der in der Lage ist, bei
einer Infektion die Virusvermehrung zu begrenzen, den Krankheitsprozess zu verzögern
oder, im günstigsten Fall, zu verhindern. Ein derartiger Impfstoff wäre nicht nur für den
Einzelnen wünschenswert, sondern aufgrund der Senkung der Viruslast in Blut und
Körpersekreten und damit des Transmissionsrisikos auch aus epidemiologischer Sicht
sinnvoll.
Augenblicklich
werden,
auch
mit
deutscher
Beteiligung,
eine
Vielzahl
unterschiedlicher Vakzinekandidaten entwickelt und in den USA, Australien, verschiedenen
Ländern Europas und zunehmend auch in Entwicklungsländern klinisch getestet. Angesichts
der auch in Deutschland anhaltenden Neuinfektionsrate sowie des katastrophalen
Ausmaßes der Aids-Epidemie in vielen Teilen der Welt sind weitere Bemühungen um eine
möglichst rasche Entwicklung und Verfügbarkeit einer wirksamen Vakzine dringend
erforderlich.
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