Perspektiven für die Entwicklung einer HIV

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M E D I Z I N
Christian Jassoy1
Ralf Wagner2
Zusammenfassung
Mehrere HIV-Impfstoffkandidaten werden
derzeit in klinischen Testreihen untersucht.
Anstelle der klassischen Tot- und Lebendimpfstoffe werden verschiedene neue Formen der
Immunisierung, unter anderem Protein- und
DNA-Impfstoffe sowie virale und bakterielle
Vektoren, erprobt. Darüber hinaus werden
Kombinationen unterschiedlicher Immunogene und neuartige Immunverstärker getestet.
Ergebnisse der ersten von zwei laufenden Phase-3-Studien werden Ende dieses Jahres erwartet. Wissenschaftliche und klinische Einrichtungen in Deutschland sind in zunehmendem Maß an der Impfstoffentwicklung beteiligt. Es gibt allerdings bisher weder experimentelle noch klinische Hinweise darauf, dass
Impfstoffe die HIV-Infektion wirklich verhindern können. Studien im Affenmodell belegen
jedoch, dass eine prophylaktische Immunisierung den klinischen Verlauf einer Infektion
W
eltweit wurden bisher mehr als
60 Millionen Menschen mit dem
humanen Immunschwächevirus
(HIV) infiziert. Besonders hat sich die
Infektion in Teilen Afrikas ausgeweitet,
wo in einigen Ländern bereits mehr als
20 Prozent der 15- bis 49-Jährigen mit
HIV infiziert wurden. Auch in Zentralund Ostasien breitet sich die Infektion
aus. Dramatisch steigt die Inzidenz auch
in einigen Ländern Osteuropas (34). In
Deutschland liegt die Zahl der Neuinfektionen anhaltend bei 2 000 bis 2 500 pro
Jahr. Die Infektion mit HIV führt nach
mehreren Jahren klinischer Latenz zur
Entwicklung des erworbenen Immunschwächesyndroms (Aids) und Tod
durch opportunistische Infektionen, Tumoren, Enzephalopathie oder Schwindsucht (wasting disease) (20). Es hat sich
gezeigt, dass eine Aufklärung mit dem
Ziel das Risiko der sexuellen Übertragung zu reduzieren, die Zahl der HIVÜbertragungen verringern kann (34). Es
ist jedoch auch in den entwickelten Ländern nicht möglich, durch diese Maßnahmen Neuinfektionen vollständig zu verhindern. Um die Infektionskette wirk-
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Perspektiven für
die Entwicklung einer
HIV-Vakzine
günstig beeinflussen kann. Eine Impfstrategie,
bei der die Infektion zwar nicht verhindert, jedoch die Krankheit hinausgezögert, die Viruslast verringert und damit das Transmissionsrisiko reduziert würde, wäre epidemiologisch
sinnvoll und könnte möglicherweise realisiert
werden.
Schlüsselwörter: HIV-Infektion, Aids-Prävention, Schutzimpfung, Impfstoffentwicklung, klinische Prüfung
Summary
Prospects for the Development
of an HIV Vaccine
Several vaccine candidates are currently undergoing clinical evaluation. Instead of the classical types of vaccines such as live and inactivated viruses, several novel immunogens including protein subunit and DNA vaccines as well
sam zu durchbrechen wird deshalb große
Hoffnung in die Entwicklung eines HIVImpfstoffs gesetzt. In den vergangenen
Jahren wurden zahlreiche Vakzinekandidaten entwickelt und zum Teil bereits am
Menschen getestet. Ein durchschlagender Erfolg blieb bisher aus.Auf der Basis
der bisherigen Erkenntnisse und unter
Einbeziehung der klinischen Erfahrung
könnte eine Änderung der Zielsetzung
jedoch in Zukunft zu einer Vakzine
führen, die sowohl dem Einzelnen nützt
als auch die Ausbreitung der Infektion
eindämmt.
Strategie der
Impfstoffentwicklung
Heutige Vakzinestrategien berücksichtigen eine Vielzahl jüngerer Erkenntnisse der virologischen und immunolo1 Institut für Virologie und Immunbiologie (Vorstand: Prof.
Dr. med. Volker ter Meulen), Julius-Maximilians-Universität, Würzburg
2 Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene
(Direktor: Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. habil. Hans Wolf), Universität Regensburg
as viral and bacterial vectors are currently
being examined. In addition, combinations of
different immunogens and novel adjuvants
are being tested. Results of the first of two
ongoing phase III trials are expected by the end
of 2002. Basic and clinical research institutions
in Germany are increasingly involved in HIV
vaccine development. Thus far, there is no experimental or clinical evidence that any vaccine
will be able to completely prevent HIV infection. However, primate studies indicate that
prophylactic immunization may slow down
progression of immunodeficiency. Even if vaccines do not prevent infection, a vaccine strategy
that reduces the viral load and thus transmission and slows down the disease process
would be epidemiologically useful and probably
feasible.
Key words: HIV infection, Aids prevention, vaccination, vaccine development, clinical evaluation
gischen HIV-Grundlagenforschung sowie vermehrt Daten zur Epidemiologie
der HIV-Infektion (Grafik).
Zelluläre und humorale Immunantwort
Auch wenn nicht bekannt ist, ob das
menschliche Immunsystem jemals
überhaupt in die Lage versetzt werden
kann, vor einer HIV-Infektion zu schützen, so besteht doch weitgehend Konsens darüber, dass eine optimale Vakzine in der Lage sein sollte, dauerhafte
humorale und zelluläre Immunantworten gegen eine breite Auswahl genetischer Varianten von HIV zu induzieren.
Grundlage für diese Forderung sind immunologische Studien bei Personen, die
sich trotz wiederholter HIV-Exposition
nicht infizierten, und bei Langzeitüberlebenden mit nichtprogredienter Erkrankung (long-term non-progressors)
sowie Experimente mit Rhesusaffen.
Sie weisen darauf hin, dass alle Bereiche der erregerspezifischen Immunabwehr, einschließlich neutralisierender
Antikörper, zytotoxischer T-Lymphozyten (CTL) und Helfer-T-Lympho-
Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 28–29½ 15. Juli 2002
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zyten (HTL) sowie lösliche Mediatoren der zellvermittelten Immunantwort, Zytokine und Chemokine, dazu
beitragen, die Virusvermehrung in vivo
einzudämmen und den Krankheitsprozess aufzuhalten (3, 10, 28, 29, 32, 36,
42, 51–55, 65, 66, 69). Konsens besteht
generell auch dahingehend, dass neben
der Induktion einer systemischen zellulären und humoralen Immunantwort
der Stimulation einer möglichst effektiven Schleimhautimmunität oberste
Priorität einzuräumen ist, um das Virus
bereits an seinen natürlichen Eintrittspforten, den Schleimhäuten des Genital- und Rektalbereichs, abzufangen (3,
42). Die Immunität sollte viele Jahre anhalten.
Virusvariabilität als besondere
Herausforderung
Genetisch werden zahlreiche Virushaupt- (M, N, O) und -subtypen (A-K)
unterschieden, die auch in ihrer geographischen Ausbreitung signifikant
voneinander abweichen (17). Eine der
größten Herausforderungen ist die
Konzeption einer Impfstrategie, die in
der Lage ist, eine Immunantwort zu induzieren, die vor Infektion durch genetisch divergente HIV-Stämme schützt.
Prinzipiell sind zwei Lösungsmöglichkeiten denkbar: Entweder es gelingt,
einen Impfstoff zu konzipieren der gegen stammübergreifend konservierte
Strukturen immunisiert, oder aber die
Variabilität des Virus wird durch einen
„Vakzine-Cocktail“ abgebildet, der auf
ausgesuchten Vertretern relevanter Virustypen beruht. In jedem Fall bedarf
die Konzeption einer Vakzinierungsstrategie umfassender molekularepidemiologischer Studien in potenziellen
Testgebieten (43).
Ein besonderes Hindernis für die
Impfstoffentwicklung ist zusätzlich die
außergewöhnlich hohe Mutationsfähigkeit des Virus, insbesondere in den
oberflächenexponierten Bereichen der
viralen Hüllproteine. An ihnen greifen
Virus neutralisierende Antikörper an
und können dadurch die Infektion des
Körpers verhindern. Die Mutationsfähigkeit verleiht dem HI-Virus die
Möglichkeit, sich dem Immunsystem
immer wieder zu entziehen und ist neben dem Angriff auf die zentralen Zel-
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len des Immunsystems, die Helfer-TLymphozyten, wesentlicher Virulenzfaktor des Virus (5, 11, 13).
Wahl des Antigens
Die Ziele der Immunisierung bestimmen wesentlich, welche Impfantigene
infrage kommen. Neutralisierende
Antikörper binden an die Virus-Hüllglykoproteine. Synthetische Derivate
der HIV-Hüllglykoproteine, Komplexe aus den viralen Hüllproteinen und
den entsprechenden zellulären Rezeptoren sowie gespiegelte Abbilder neutralisierender Antikörper (Anti-Idiotypen) repräsentieren die Zielrichtung
innovativer Versuche, eine breit neutralisierende Antikörperantwort zu induzieren (38, 46). Aktuelle Strategien,
die auf die Stimulation zellvermittelter
Immunparameter zielen, stützen sich
dagegen meist auf genetisch hoch konservierte Komponenten innerhalb der
Kapsid- und Matrix-Strukturproteine
(Gag) von HIV (4, 56). Darüber hinaus
zielen einige Impfstoffkandidaten auf
die Induktion einer zellulären Immunantwort gegen die im viralen Replikationszyklus früh exprimierten regulatorischen Polypeptide Nef,Tat und Rev
(14, 39). Da sowohl humorale als auch
zelluläre Faktoren aktiviert werden
sollen, enthalten neuere Vakzinestrategien meist mehrere virale Komponenten.
Bedeutung des Impfstoffprinzips
Neben der Auswahl der Antigene
kommt der Art der Präsentation des
Immunogens entscheidende Bedeutung bei der Induktion der Immunreaktion zu. Einige Impfstoffe induzieren
ausschließlich eine humorale Immunantwort, andere vor allem die zelluläre
Immunreaktion, wieder andere können
beide Arme der spezifischen Immunantwort gleichermaßen aktivieren. Vor
allem Lebendimpfstoffe und virale
Vektoren, die Teile des HIV-Erbmaterials tragen sowie DNA-Vakzine eignen sich zur Induktion einer systemischen zellulären Immunität (26, 56).
Die orale Verabreichung gentechnisch
veränderter Salmonellen kann im Tierversuch eine Immunantwort auf
Schleimhäuten generieren, die sowohl
humorale als auch zelluläre Immunfaktoren einschließt (62). Auch die Wahl
der Adjuvanzien, Zusätze, die den
Impfstoffen beigefügt werden, um die
Aktivierung der Immunantwort zu unterstützen, entscheidet, ob bei der Verabreichung rekombinanter Proteine
entweder, wie bei Aluminiumhydroxid,
dem einzigen bisher zugelassenen Adjuvans, die Antikörperantwort verstärkt oder, wie experimentell durch
CpG-Oligodinukleotide gezeigt, vorzugsweise zelluläre Immunparameter
aktiviert werden (37, 45).
Rolle des Immunisierungsschemas
Die Immunantwort kann nicht nur
durch Adjuvanzien moduliert werden,
sondern auch durch die Kombination
unterschiedlicher Immunogene. Beim
so genannten Prime-Boost-Verfahren
wird mit der Verknüpfung von verschiedenen Einzelkomponenten in definierter zeitlicher Abfolge versucht,
eine additive oder synergistische Wirkung auf das Immunsystem zu erzielen. Dabei werden Immunogene, die
neutralisierende Antikörper induzieren können (zum Beispiel Proteinimpfstoffe), gerne mit Vakzinekandidaten kombiniert, die besonders gut eine zelluläre Immunantwort generieren
(zum Beispiel virale Vektorimpfstoffe). Eine Prime-Boost-Strategie ist
beim Einsatz von bestimmten Impfstoffen, wie viralen Vektoren zwingend
erforderlich, da bereits nach der erstmaligen Anwendung der Vektoren das
Immunsystem massiv auf das Trägervirus reagiert und bei einer zweiten Applikation die Immunantwort gegen die
transportierten HIV-Proteine überlagert (1).
Klinische HIV-Vakzine-Studien
Klinische Studien der Phasen 1 und 2
untersuchen die Verträglichkeit und bestimmen die Immunogenität potenzieller Impfstoffe. Die Vakzinekandidaten
werden darin bei nichtinfizierten Personen mit geringem Expositionsrisiko geprüft. Bisher wurden mehrere Dutzend
Studien der Phase 1 und 2 mit HIVImpfstoffkandidaten durchgeführt. Tabelle 1 veranschaulicht das Spektrum
Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 28–29½ 15. Juli 2002
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antwort. Klinische Studien
zeigen, dass HIV-Glykoproteine zuverlässig in der
Lage sind, neutralisierende Antikörper zu induzieren (6, 21, 44). Ursprünglich wurden für Immunisierungen Hüllglykoproteine von HIV-Laborstämmen eingesetzt. Dies
hat sich jedoch als nachteilig erwiesen, da die dadurch induzierten Antikörper Wildtyp-HI-Viren
praktisch nicht neutralisierten. Inzwischen werden Proteine, deren Aminosäuresequenz
denen
von Wildtyp-Viren entsprechen, verwendet. Allerdings waren in bisherigen Untersuchungen auch
hierbei die induzierten
Antikörper typspezifisch,
das heißt sie neutralisierten nur selten Virusvarianten mit HüllglykoproteiStrategie der HIV-Impfstoffentwicklung. Um definierte Immunisierungsziele zu erreichen, sind zahlreiche Fak- nen anderer Virusstämme
toren zu berücksichtigen. Einige Faktoren, wie zum Beispiel die Wahl der Antigene, die Impfstoffprinzipien und
(41). Ungenügende Indas Immunisierungsschema, beeinflussen sich gegenseitig.
duktion kreuzreagierender Antikörper und zelder bisher berücksichtigten und gete- men nef-Gens attenuiert waren, verhin- lulärer Immunantworten werden für
steten Substanzen.Alle getesteten Impf- derte bei diesen Tieren die Infektion den mangelhaften Schutz in bisherigen
stoffkandidaten waren gut verträglich mit pathogenem Virus (18). Allerdings Phase-1- und -2-Studien verantwortlich
(9, 47). Wiederholt wurden bei Geimpf- persistierten die Impfviren im Körper gemacht (40). Glykoprotein-Immunoten jedoch Infektionsdurchbrüche fest- der immunisierten Tiere und verursach- gene werden bisher als einzige Vakzinegestellt (25).
ten unter bestimmten Bedingungen kandidaten auch in Impfstudien der
Alle bisher für Virusinfektionen zu- selbst Aids (2).
Phase 3 getestet (33) (Tabelle 2).
gelassenen Impfstoffe beruhen auf
Chemisch inaktivierte Viren wurden
den Prinzipien von Lebend- und Tot- zwar nicht als Impfstoffe getestet, je- DNA-Vakzine
oder Proteinimpfstoffen. Gegen die doch als potenziell immunstimulatoHIV-Infektion werden zahlreiche neue risch wirksames Therapeutikum bei Das Prinzip der Immunisierung mit
Prinzipien erprobt. Am besten sind HIV-Infizierten erprobt (Substanzna- DNA-Plasmiden beruht auf der zubisher HIV-Proteinimpfstoffe unter- me: Remune) (35). Aufgrund der che- nächst erstaunlichen Beobachtung,
sucht.
mischen Behandlung und physikali- dass die Applikation von DNA eine
schen Prozesse bei der Herstellung fehlt Immunantwort gegen ein auf dem
den inaktivierten Viren der äußere Teil Plasmid kodiertes Protein induzieren
Lebend- und Totimpfstoffe
der Hüllglykoproteine (gp120). Neutra- kann (68). In bestimmten TiermodelLebend- und Totimpfstoffe, die klassi- lisierende Antikörper werden durch len können DNA-Impfstoffe eine proschen Immunogene für zahlreiche an- solche Konstrukte nicht induziert.
tektive Immunantwort hervorrufen
dere Virusinfektionen, wurden am Ge(61). Die Immunisierung mit DNAsunden bisher wegen Bedenken hin- Proteinvakzine
Impfstoffen gilt aufgrund der guten
sichtlich ihrer Sicherheit nicht eingeVerträglichkeit und relativ kostengünsetzt. Bei Affen wurden Lebendimpf- Proteinvakzine (subunit vaccine) sind stigen Herstellung von Plasmiden sostoffe jedoch bereits Anfang der 90er- synthetisch hergestellte Kopien ein- wie der hohen chemischen Stabilität
Jahre getestet. Die „Immunisierung“ zelner viraler Proteine oder aufge- der Moleküle als interessantes neuarmit Viren, die aufgrund einer Deletion reinigte Virusbestandteile. Sie induzie- tiges Impfstoffprinzip. Klinische Stuim Bereich des regulatorisch wirksa- ren in erster Linie eine Antikörper- dien mit verschiedenen HIV-DNAGrafik 1
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Vakzinen, die jeweils für ein oder mehrere HIV-Proteine kodieren, laufen
bereits an mehreren Orten (23, 67).
Die Wirkung auf die zytotoxische TZell-Antwort blieb zunächst deutlich
hinter den Erwartungen zurück, die
man aufgrund von Studien mit Mäusen hatte (12). Innovative Ansätze, wie
beispielsweise die Verwendung optimierter HIV-Gene, die Bindung von
DNA an immunogene Trägersubstanzen oder der Zusatz von Zytokinen als
Adjuvanzien tragen im Tierversuch inzwischen zu einer deutlich verbesserten Stimulation der zellvermittelten
Immunantwort bei (4, 19) und lassen
in zukünftigen Studien beim Menschen eine bessere Immunantwort erwarten.
´
Tabelle 1
C
´
HIV-Impfstoffkandidaten
Impfstoffprinzip
Aufbau
Lebendimpfstoff
(wie Masern-, Mumps-,
Rötelnimpfung)
HI-Viren, attenuiert durch
Bisher nicht getestet
Deletionen im Bereich des nefGens und/oder anderer regulatorischer Genomabschnitte
Totimpfstoff
(wie Poliovakzine nach Salk)
Chemisch inaktiviertes
HI-Virus
Proteine
(wie Hepatitis-B-Impfung)
Einzelne virale Proteine, in der Mehrere Glykoproteine in
Regel das Hüllglykoprotein
Phase 1–3
Pseudovirionen
Nichtreplizierende, nichtinfek- Phase 1 und als Immuntiöse virusähnliche Partikel
stimulans in Infizierten
bestehend aus den viralen
Gag, Gag-Pol oder Gag-Pol
und Hüllglykoproteinen
Peptide
Synthetisch hergestellte HIV- Phase 1/2 und als
Proteinfragmente (Epitope)
Immunstimulans
als Einzelpeptide, Peptidketten
oder chemisch modifiziert als
Lipoproteine
DNA-Vakzine
Plasmid-DNA mit
HIV-Genen
Phase 1, demnächst in Kombination mit viralen Vektoren
in Phase 2
Viraler Vektor
Trägerviren mit einem oder
mehreren Genen von HIV auf
Basis von Pockenimpfviren
(Vakziniavirus, Impfstamm
NYVAC, modifiziertes Vakziniavirus Ankara) Geflügel-,
Kanarienpockenviren, Adenoviren, Alphaviren
Pockenviren: in Kombination
mit Protein-Impfstoff in Phase
2, demnächst Phase 2;
Adenoviren in Kombination mit
DNA in Phase 1
Bakterieller Vektor
Attenuierte und apathogene
Salmonella typhi: Phase 1
Bakterien, die HIV-Gene tragen
(z. B. Salmonella typhi-Impfstamm CVD908, BCG)
Trägerviren
Aufgrund natürlicher immunologischer Vorgänge stimulieren Viren besonders gut die zelluläre zytotoxische
Immunantwort. Trägerviren (virale
Vektoren) sind Derivate von apathogenen Viren, die gentechnisch so
verändert wurden, dass sie Gene fremder Organismen tragen können. Für
HIV-Impfstudien wurden unter anderem verschiedene Vakziniavirus- und
Vogelpockenviruskonstrukte, die eines oder mehrere HIV-Gene beinhalten, hergestellt, sowie rekombinante Viren auf Basis von Adenovirus
und Alphaviren (Semliki-Forest-Virus, Sindbis-Virus, Venezuelanisches
Pferdeenzephalitisvirus) konstruiert.
Vakzinia- und Kanarienpockenviruskonstrukte werden zurzeit in mehreren Studien beim Menschen getestet
(7, 15, 24). Am weitesten fortgeschritten sind multizentrische Phase-2-Studien mit Kanarienpockenviruskonstrukten, die in Kombination mit
HIV-Hüllglykoproteinen (gp120) eingesetzt werden (8, 22) (Tabelle 2). Der
Beginn einer Phase-3-Studie in Thailand zur Untersuchung der Schutzwirkung einer Impfstoffkombination aus
Kanarienpockenvirus und gp120 ist
für September 2002 geplant (16). Weitere Pockenviruskonstrukte, unter anderem auf Basis des stark attenuierten modifizierten Vakziniavirus Ankara (MVA), sowie ein Impfkonstrukt
auf der Basis eines Adenovirus Typ 5
A 1968
Stadium der klinischen Testung
werden zurzeit als Einzelsubstanzen
beziehungsweise in Kombination mit
DNA-Plasmiden klinisch getestet (27,
33).
Phase-3-Studien
In der Phase 3 der klinischen Entwicklung wird die Wirksamkeit der Impfung
untersucht. Bisher laufen zwei Phase-3Studien, deren Ziel die Evaluierung des
Schutzes vor Infektion ist (Tabelle 2). In
beiden Fällen handelt es sich um einen
HIV-Hüllglykoprotein- (gp120-)Impfstoff, der zwei in ihrer Aminosäurese-
Als Immunstimulans bei
Infizierten
quenz unterschiedliche HIV-Hüllglykoproteinvarianten enthält (AIDSVAX).
In der in den USA, Kanada, Puerto Rico
und den Niederlanden 1998 begonnenen
ersten Studie besteht das Immunogen
aus einer Kombination eines Glykoproteins eines HIV-Laborstamms (Subtyp
B) mit dem eines natürlichen HIV-Isolats vom Subtyp B, dem in diesen Ländern vorherrschenden Virustyp. In der
zweiten Studie wird in Thailand ein analoges Immunogen bestehend aus dem
Laborstamm-Glykoprotein und dem
Glykoprotein eines natürlichen Isolats
des Subtyps E, der in Thailand neben
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´
Tabelle 2
´
Klinische Phase-2- und -3-Studien mit HIV-Impfstoffkandidaten
Bezeichnung
HIV-Subtyp
Adjuvans
Entwickler
Phase 2
Hüllprotein basierte Impfstoffe
rENV*1, *2
B
MF59*7
Chiron/BIOCINE
rENV
B
Aluminiumhydroxid
Genentech
rENV
B, E
MF59
Chiron
Rekombinante Proteine zusammen mit gentechnisch veränderten Pockenimpfviren
vENV-GAG-PR*3, *4
B
MF59
+ rENV
vENV-GAG-POL-NEF*5, *6
Chiron/BIOCINE
B
Aluminiumhydroxid
Aventis-Pasteur
VaxGen*8
+ rENV
vENV-GAG-POL-NEF
Pasteur-Merieux
B, E
Aventis-Pasteur
+ rENV
VaxGen
Phase 3
rENV (AIDSVAX)
B
Aluminiumhydroxid
VaxGen (USA)
rENV (AIDSVAX)
B/E
Aluminiumhydroxid
VaxGen (Thailand)
*1 r, gentechnisch hergestellte Virusproteine; *2 ENV, virales Hüllglykoprotein; *3 v, gentechnisch hergestellte Pockenimpfviren; *4 PR, virale Protease; *5 POL, virale Enzyme (Protease, reverse Transkriptase, Integrase); *6 NEF, für die virale Pathogenese relevantes Regulatorprotein; *7 Saponinderivat; *8 Phase-3-Studie in Thailand für September 2002 geplant
dem Subtyp B vorherrschenden HIVVariante, getestet (31, 33). Insgesamt
werden in beiden Studien zusammen
zurzeit circa 8 000 Freiwillige untersucht.
Die Ende 2001 durchgeführte Zwischenanalyse der ersten der beiden Phase-3-Studien zeigte keinen ausreichenden Schutzeffekt und kommt deshalb zu
dem Ergebnis, dass die Studie, wie ursprünglich vorgesehen, bis Ende 2002
fortgeführt wird. Zwischenergebnisse
zur zweiten Studie, die erst neun Monate
später begonnen wurde, stehen noch aus.
HIV-Impfstoff-Forschung in
Deutschland
In der Bundesrepublik beteiligen sich
sowohl öffentlich wissenschaftliche Einrichtungen als auch biotechnologische
Unternehmen an der HIV-Impfstoffentwicklung. Die Arbeiten konzentrieren
sich zurzeit auf molekularepidemiologische Studien, die in China (Institut
für Mikrobiologie und Hygiene, Universität Regensburg), Tansania (Abteilung
A 1970
für Infektions- und Tropenmedizin, Ludwig-Maximilians-Universität, München)
und Nigeria (Robert Koch-Institut, Berlin) durchgeführt werden. Darüber hinaus befindet sich ein WHO-Referenzzentrum für die molekulare Epidemiologie von HIV am Chemotherapeutischen
Forschungsinstitut, Georg-Speyer-Haus,
Frankfurt (30, 49, 60). An der Konstruktion neuer Vakzinekandidaten arbeiten
insbesondere virologische Forschergruppen der Universitäten Regensburg
und Würzburg sowie am GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Neuherberg. Des Weiteren
sind einige junge Biotechnologieunternehmen wie GeneArt, Regensburg, und
Bavarian Nordic, Martinsried, an diesen
Entwicklungen beteiligt. Das Paul-Ehrlich-Institut, Langen, das Deutsche Primatenzentrum, Göttingen, und das
Robert Koch-Institut besitzen die erforderliche Infrastruktur zur Testung der
Wirksamkeit von Impfstoffkandidaten
an Primaten und haben in der Vergangenheit auf diesem Sektor eigene Versuchsreihen durchgeführt (48, 57–59, 63,
64). Klinische Impfstudien, zum Beispiel
an der Medizinischen Klinik III der Universität Erlangen-Nürnberg, sind in
Deutschland in Vorbereitung (Prof. T.
Harrer, persönliche Mitteilung). Die Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität, München, bereitet zusammen mit
Partnern vor Ort und dem Walter Reed
Army Institute, Washington, D.C., USA,
Vakzinierungsstudien in Tansania vor.
Am Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Regensburg
wurde im Rahmen eines europäischen
Forschungsverbundes ein HIV-Impfstoffkandidat entwickelt, der auf die
weltweit am häufigsten vorkommende
HIV-Variante, Subtyp C, abgestimmt ist
und augenblicklich in unterschiedlichen
Darreichungsformen (DNA-Impfstoff,
virale Vektorvakzine) nach den Richtlinien des Arzneimittelgesetzes produziert
wird. Der Beginn der vergleichenden klinischen Erprobung dieser Vakzinekandidaten in einer europäischen Multicenterstudie bei HIV-negativen Freiwilligen,
unter anderem auch an der Medizinischen Klinik der Universität Regensburg, ist auf das dritte Quartal dieses Jahres anberaumt. Parallel dazu wird in einem von Regensburg aus koordinierten
EU-Projekt die weiterführende Testung
ausgewählter Kandidaten (DNA, virale
Vektoren) im Rahmen einer Phase-1/2Studie in China vorbereitet. Dazu gehört
auch die Etablierung der erforderlichen
Infrastruktur für zukünftige Phase-3Wirksamkeitsstudien in den betroffenen
Endemiegebieten.
Orientierungswechsel in der
Impfstoffentwicklung?
Keiner der bisher beim Tier oder beim
Menschen getesteten Impfstoffe scheint
Infektionen mit den Immunschwächeviren wirklich verhindern zu können (25).
Es ist deshalb fraglich, ob ein Immunschutz, der die HIV-Infektion vollkommen verhindert („Sterilisierende Immunität“) oder nach kurzer Zeit eliminiert,
durch Vakzinierung überhaupt induziert
werden kann. Trotzdem könnte ein
Impfstoff, der sowohl dem Geimpften
nützt als auch die Ausbreitung der Infektion eindämmt, realisierbar sein. Diese
Einschätzung beruht auf neuen, bemer-
Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 28–29½ 15. Juli 2002
M E D I Z I N
Textkasten
Neuorientierung bei den Impfzielen
Bisherige Impfziele: Schutz vor Infektion
❃ Vollständiger Schutz vor Infektion („Sterilisierende Immunität“) oder zeitlich begrenzte Infektion
❃ Kein oder nur vorübergehend nachweisbares
HIV
❃ Kein oder zeitlich limitiertes Risiko der Übertragung von HIV
Zukünftige Impfziele: Langzeitkontrolle der
Infektion
❃ Lebenslang niedrige Viruslast
❃ Kein bedeutsamer CD4-T-Zellverlust
❃ Keine Immunschwäche
❃ Übertragungsrisiko minimiert
kenswerten Erfolgen am Affenmodell
der HIV-Infektion. Dabei wurde beobachtet, dass geimpfte Affen nach anschließender Infektion mit dem Immunschwächevirus eine deutlich niedrigere
Viruskonzentration und höhere T-Helferzellzahlen im Blut sowie eine längere symptomfreie Zeit hatten als nichtgeimpfte Tiere (1, 4, 56).Vor diesem Hintergrund scheint es im Augenblick zu
einem Umdenken in Bezug auf die Zielsetzung zu kommen (Textkasten). Anstelle bisheriger Impfkonzepte, die einen
vollständigen Schutz oder maximal eine
zeitlich begrenzte Infektion zum Ziel haben, steht in Zukunft möglicherweise die
Langzeitkontrolle der Infektion im Vor-
dergrund der Impfbemühungen. Eine
Vakzine, die eine Immunantwort induziert, die das Virus in Schach hält, wäre
nicht nur für den Betroffenen hilfreich.
Indem sie die Infektiosität der Körperflüssigkeiten der Infizierten und damit
das Übertragungsrisiko unter einen für
die Aufrechterhaltung der Infektionskette kritischen Schwellenwert senkt,
könnte eine solche Vakzine die Ausbreitung der HIV-Infektion wirksam eindämmen (50).
Fazit
Entgegen der ursprünglichen Einschätzung der frühen 90er-Jahre gilt es mittlerweile als fraglich, ob es prinzipiell
möglich ist, einen Impfstoff zu entwickeln, der die HIV-Infektion verhindert. Realistischer erscheint die Herstellung eines Impfstoffs, der in der Lage ist, bei einer Infektion die Virusvermehrung zu begrenzen, den Krankheitsprozess zu verzögern oder, im günstigsten Fall, zu verhindern. Ein derartiger Impfstoff wäre nicht nur für den
Einzelnen wünschenswert, sondern aufgrund der Senkung der Viruslast in Blut
und Körpersekreten und damit des
Transmissionsrisikos auch aus epidemiologischer Sicht sinnvoll. Augenblicklich werden, auch mit deutscher
Beteiligung, eine Vielzahl unterschiedlicher Vakzinekandidaten entwickelt
Referiert
Effektivität von b-Blockern bei schwerer
Herzinsuffizienz umstritten
Beta-Blocker werden in der Therapie
der leichten und mittelschweren Herzinsuffizienz eingesetzt. Ob auch Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz von diesem Therapiekonzept
profitieren, wurde in einer großen Multicenterstudie mit dem b-Blocker Bucindolol untersucht. Insgesamt 2 708
Patienten mit Herzinsuffizienz NYHA
Grad III und IV wurden randomisiert
doppelblind einer Therapie mit Bucindolol unterzogen. Obwohl es in der
zweijährigen Nachbeobachtungsphase
in der Behandlungsgruppe zu weniger
Krankenhauseinweisungen kam als in
der Placebogruppe und eine Verbesserung der linksventrikulären Ejektionsfraktion durch die b-Blocker-Therapie
zu verzeichnen war, kam es bei dem
primären Endpunkt der Studie zu kei-
Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 99½ Heft 28–29½ 15. Juli 2002
und in den USA, Australien, verschiedenen Ländern Europas und zunehmend auch in Entwicklungsländern klinisch getestet. Angesichts der auch in
Deutschland anhaltenden Neuinfektionsrate sowie des katastrophalen Ausmaßes der Aids-Epidemie in vielen Teilen der Welt sind weitere Bemühungen
um eine möglichst rasche Entwicklung
und Verfügbarkeit einer wirksamen
Vakzine dringend erforderlich.
Wir bedanken uns bei Prof. Dr. V. ter Meulen und Prof. Dr.
H. Wolf sowie Dr. A. Jassoy und T. Alberich für die kritische
Durchsicht des Manuskripts und zahlreiche nützliche Anmerkungen.
Manuskript eingereicht: 1. 3. 2002,
angenommen: 22. 3. 2002
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2002; 99: A 1962–1971 [Heft 28 –29]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser
und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschriften der Verfasser:
Priv.-Doz. Dr. med. Christian Jassoy
Institut für Virologie und Immunbiologie
Universität Würzburg
Versbacher Str. 7
97078 Würzburg
E-Mail: [email protected]
Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Ralf Wagner
Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene
Universität Regensburg
Franz-Josef-Strauß-Allee 11
93049 Regensburg
E-Mail: [email protected]
nem signifikanten Unterschied (449 Todesfälle in der Placebogruppe, 411 Todesfälle in der Bucindolol-Gruppe, p =
0,13).
Somit konnte nach Ansicht der Autoren bei dieser heterogenen Patientengruppe kein Vorteil einer b-BlockerTherapie im Hinblick auf die Gesamtacc
mortalität verzeichnet werden.
The Beta-Blocker Evaluation of Survival Trial Investigators: A trial of the beta-blocker Bucinolol in patients with
advanced chronic heart failure. N Eng J Med 2001; 344:
1659–1667.
Dr. Eichorn, Cardiac Catheterization Laboratory (IIIA2), University of Texas Southwestern and Dallas Veterans Affairs
Medical Center, 4500 S. Lancaster, Dallas,TX 75216, USA.
A 1971
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