Institut für Molekulare Immunologie Christine S. Falk AKTUELLE THEMEN Neue Aspekte zur immunologischen Kontrolle der Infektion mit dem humanen Zytomegalievirus New Aspects of the Immunological Control of Infection with Human Cytomegalovirus as humane Zytomegalievirus (HCMV) gehört zur Familie der Herpesviren und bedingt ebenso wie andere Mitglieder dieser Virusfamilie eine lebenslang anhaltende Infektion. Die Pathogenität wird einerseits durch die Infektiosität und andere Eigenschaften des Virus bestimmt und andererseits vom Immunsystem der Patienten beeinflusst, das für eine fein regulierte Balance zwischen latenten und aktiven Zuständen des Virus sorgt. Die zytotoxischen Effektorzellen des Immunsystems spielen dabei eine Schlüsselrolle: Sie kontrollieren die erstmalige Infektion durch das Virus ebenso wie seine Reaktivierung – besonders bei Patienten mit eingeschränkten Immunfunktionen, z.B. bei HIV oder nach Knochenmarkstransplantation. Die endemische Infektion ganzer PatientenPopulationen mit ausgeprägten Variationen unter den Virusstämmen belegen die Notwendigkeit, diese immunologische Kontrolle der HCMV-Infektion besser zu verstehen. Dieses Wissen kann als Basis für die Entwicklung neuer Therapieansätze dienen. Virusinfektionen, insbesondere Herpesvirusinfektionen treten sehr häufig auch bei gesunden Menschen auf: Mehr als 90% der Bevölkerung in den Industrienationen sind mit Herpesviren infiziert. Zu Komplikationen kommt es jedoch in der Regel nur D uman cytomegalovirus (HCMV) belongs to the family of herpesviruses and, as with the other members of this family, leads to lifelong infection. The pathogenicity is determined by the infectiousness and other characteristics of the virus, but is also influenced by the immune system of the patient, which maintains a fine balance between latent and active states of the virus. The cytotoxic effector cells of the immune system play a key role. They regulate both the primary infection by the virus and its reactivation – particularly in patients with a compromised immune function, for example patients with HIV or following bone marrow transplantation. The endemic infection of whole populations of patients with marked variations in the virus strains, underlines the necessity to improve our understanding of the immunological regulation of HCMV infection. This knowledge can be used as a basis for developing new approaches to therapy. H 65 GSF KAR(KIR-S) HLA-A,B,C KIR-L HLA-A,B,C ILT-2 CD94 HLA-E NKG2C CD94 – HLA-E NKG2A Class Ia,, G 2DL4 HLA-G MHC ILT2 MHC (LIR-1) NKG2D MICA/B ULBP1-3 2B4 CD48 + EpCAM CD66a CD66a ? NON-MHC LAIR-1 NCR NON-MHC Abb. 1: Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) werden durch ein Gleichgewicht zwischen positiven und negativen Signalen reguliert. Diese Signale werden durch eine Fülle verschiedener Transmembranrezeptoren vermittelt. Unter den aktivierenden Rezeptoren lassen sich solche mit Liganden für MHC-Klasse I-Moleküle (HLA-A, -B, -C, -E, -G) von solchen mit Nicht-MHC-Liganden (MICA/B, ULBP) unterscheiden. Eine Unterteilung entsprechend der Natur der Liganden (MHC oder Nicht-MHC) lässt sich auch für die verschiedenen inhibitorischen Rezeptoren treffen. Die Komplexität der NK-Regulation ergibt sich aus den verschiedenen, z.T. entgegengesetzten Signalen, die bei einem Zielzellkontakt gleichzeitig ausgelöst werden. Die jeweilige Reaktion der NK-Zelle (Aktivierung oder Abschaltung) hängt entscheidend von der Intensität der Signale ab – das stärkere Signal „gewinnt“. bei Patienten mit einem gestörten Immunsystem, zum Beispiel bei AIDS oder nach Knochenmarkstransplantationen (KMT). Welche Rolle die Natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) des Immunsystems bei der Kontrolle einer HCMV-Infektion spielen, ist bislang nur ansatzweise untersucht. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die NK-Zellen Einfluss nehmen auf die Regulation der Virusvermehrung und -reaktivierung (Abb. 1). Denn wie wir wissen, treten eine Reihe der von HCMV kodierten Proteine spezifisch mit zentralen Komponenten des Immunsystems in Wechselwirkung und beeinflussen so die Immunreaktion. Von vier Virus-Proteinen (US2, US3, US6 und US11) ist bekannt, dass sie nach der künstlich herbeigeführten Infektion Bindegewebszellen (Fibroblasten) die Herstellung von körpereigenen Proteinen der HLA Klasse I behindern (Abb. 2). Normalerweise wandern diese HLA-Proteine an die Oberfläche von 66 GSF Zellen und weisen diese gegenüber den weißen Blutkörperchen als körpereigen aus. Die Virus-Proteine der US-Gruppe blockieren an verschiedenen Stellen den Transport von HLA zur Zelloberfläche und vermindern so deren Neuproduktion. Wir wollten wissen, ob dieser Effekt auf die künstlich herbeigeführte Überproduktion isolierter US-Gene beschränkt ist oder auch im Rahmen des gesamten Virusgenoms – also wärend der Infektion einer Zelle – auftritt und sich auf die Immunantwort auswirkt. Um zu klären, welche Bedeutung die veränderte HLA-Expression auf die immunologische Kontrolle der Infektion hat, haben wir zusammen mit Dr. med. Gabriele Hahn von der Abteilung Virologie des Max-vonPettenkofer-Instituts ein In-vitro-HCMVInfektionsmodell für menschliche Fibroblasten entwickelt. Die Funktion einzelner Gene im Kontext des restlichen viralen Genoms lässt sich besonders gut an mutier- dann bleibt die Modulation der HLA-Expression aus. Mit Hilfe weiterer Virusmutanten konnten wir die Dominanz der US2-11-Gene hinsichtlich der HLA-Modulation gegenüber anderen HCMV-Genen aufzeigen. Ein weiteres Gen (gpUL40), dessen Interaktion mit HLA-Klasse I-Proteinen in isolierten Transfektionssystemen beschrieben ist, konnte ebenfalls gezielt aus dem AD169Genom entfernt werden. Allein die Deletion des gpUL40-Gens hatte in infizierten Fibroblasten überraschenderweise keinen Einfluss auf die HLA-Klasse I-Expression. Vielmehr richtete sich diese nach der Aktivität der Gene US2 bis US11: Waren sie anwesend, dann verloren die Fibroblasten mehr als 90% ihrer HLA-Expression; fehlten sie, dann blieb die HLA-Expression unverändert (Abb. 2). Die immunologisch interessante Frage war nun, ob Natürliche Killerzellen auf diese Veränderung der HLA-Klasse I-Expression durch die US2-11-Gene reagieren AKTUELLE THEMEN ten Viren aus klonierten Virusstämmen untersuchen. Vor wenigen Jahren gelang es Dr. Hahn, mit Hilfe der Bakteriellen Klonierungstechnologie (BAC) erstmals das vollständige HCMV-Genom zu klonieren. Dies ermöglichte uns die Herstellung von Virusmutanten, bei denen die Genregionen US2 bis US11 vollständig entfernt wurden (US2-11). So konnten wir vergleichen, wie viel HLA-Klasse I die Fibroblasten exprimierten, wenn sie mit dem HCVM-Wildtypstamm AD169 bzw. mit der mutierten Virusvariante US2-11 infiziert werden. Während der Wildtypvirus AD169 die HLAKlasse I-Expression tatsächlich drastisch verminderte, zeigten die US2-11 Mutanten diese Wirkung nicht (Abb. 3). Erstmals konnten wir so zweierlei beweisen: Erstens verhindern die US2-11-Gene auch unter natürlichen Infektionsbedingugen die HLAKlasse I-Expression. Zweitens liegen alle dafür ursächlichen Gene auf der US2-11Region: Entfernt man nämlich diese Region, HLA-A, B, C HLA-E Signal sequence US3 HC +ß m HLA-E leader motifs: HLA-G HLA-A2, B8, Cw7, Cw3, HCMV US2, 11 2 TAP US6 proteasome US2-11 US2-11 genes of HCMV are early genes: 48-72 h post infection Abb. 2: Effekt der Infektion humaner Fibroblasten mit verschiedenen Cytomegalievirus (HCMV)Mutanten auf die MHC-Klasse I-Expression. Nach Infektion mit dem HCMV-Wildtypstamm AD169 (48-72 h) werden die HCMV-Proteine US2, US3, US6 und US11 exprimiert. Diese behindern an verschiedenen Stellen den Transport von HLA-Klasse I-Molekülen an die Zelloberfläche. Um zu zeigen, dass alle HLA-Klasse I-modulierenden HCMV-Gene in der Virusregion US2 bis US11 lokalisiert sind, wurde ein rekombinantes Virus hergestellt, bei welchem die gesamte Region zwischen US2 und US11 entfernt wurde (US2-11). Der Unterschied zwischen Infektion mit Wildtypvirus und US2-11-Mutante wurde bzgl. der HLA-Klasse I-Expression und der Erkennung durch NK-Zellen getestet (s. Abb. 3). 67 GSF 80 NKL 60 mock AD169-WT US2-11 80 B.3NK 60 mock AD169-WT US2-11 40 40 20 20 0 0 80 80 60 60 40 40 20 20 0 0 80 80 60 60 40 40 20 20 0 0 100 immediate early (24 h) 80 60 40 20 0 early (48 h) 100 101 102 103 104 100 101 102 103 104 100 Cell count % RCR 80 60 40 20 0 late (72 h) 100 80 60 40 20 0 100 101 102 103 104 fluorescence intensity Abb: 3: Verminderung der HLA-Klasse I-Expression nach HCMV-Wildtypinfektion ist in DUS2-11infizierten Zellen ausgeschaltet. Die mit HCMV-Wildtypviren (AD169-WT) infizierten Fibroblasten zeigen nach 24 h einen schwachen, nach 48 und 72 h einen fast vollständigen Verlust der HLA-Klasse I-Expression (blaue Kurvenlinien) verglichen mit mock-infizierten Kontrollzellen (graue Kurve). US2-11-infizierte Zellen (rote Kurvenlinie) dagegen weisen keine Verminderung der HLA-Klasse I-Expression auf. Nach 72 h ist sogar eine leichte Steigerung zu erkennen. Damit ist nachgewiesen, dass alle HLA-Klasse I herunterregulierenden HCMV-Gene in der Region zwischen US2 und US11 lokalisiert sind. Analysiert man parallel dazu die Erkennung durch zwei verschiedene NK-Zellen (NKL und B.3NK), so korreliert die Abnahme der HLA-Klasse IExpression mit einer Zunahme der Lyse der AD169-WT-infizierten Zellen. Bleibt eine Abnahme der HLA-Klasse I Expression jedoch aus, wie im Falle der DUS2-11-infizierten Zellen, ist keine signifikante Steigerung der Lyse zu beobachten. Der Grund dafür liegt in der Inhibition der NK-Aktivität durch die erhalten gebliebene, hohe HLA-Klasse I-Expression. können. HLA-Klasse I-Moleküle treten nämlich nicht nur in Wechselwirkung mit zytotoxischen T-Zellen, sondern auch mit NKZellen: Sie binden an inhibitorische Rezeptoren (killer cell inhibitory recepors, KIR), wodurch die zytotoxische Aktivität von NKZellen abgeschaltet wird. NK-Zellen können nur dann zytotoxisch aktiv werden, wenn keine inhibitorischen Signale durch Interaktionen zwischen KIR und HLA-Molekülen „stören“ – die entsprechenden HLA-Moleküle also nicht oder nur schwach exprimiert sind (Abb. 1). Das Prinzip dieser negativen 68 GSF Regulation wird nach Klas Kärre vom Karolinska Institut in Stockholm (Schweden) auch als „missing self“-Hypothese bezeichnet. In einem nächsten Schritt analysierten wir, welche Auswirkungen die HCMV-vermittelte Veränderung der HLA-Expression auf die Aktivität der Natürlichen Killerzellen hat. Dazu standen uns definierte NK-Zellpopulationen zur Verfügung. Zunächst infizierten wir Fibroblasten mit HCMV-Wildtypviren AD169. Dies führte – wie bereits erwähnt – zu einer drastischen Verminde- ter Proteine ließ sich auch für die Erkennung durch NK-Zellen belegen: Während die Entfernung anderer Gene wie pgUL40 keine Auswirkungen auf die Lyse infizierter Fibroblasten durch NK-Zellen zeigten, führte die Deletion der US2-11-Gene (die eine unveränderte HLA-Expression zuließ) zur vollständigen Resistenz gegenüber der Lyse durch Natürliche Killerzellen. Die US2-11-Gene domierten also via Regulation der HLA-Expression auch die Erkennung infizierter Zellen durch NK-Zellen. Mit unserem Modell aus mutanten Viren konnten wir erstmals zeigen, dass virale Gene im Kontext des gesamten AKTUELLE THEMEN rung der HLA-Expression. Dieser Effekt zog die Lyse infizierter Zellen durch NK-Zellen nach sich. Dagegen blieb eine durch NKZellen vermittelte Lyse von Fibroblasten, die mit der mutierten Virusvariante US2-11 infiziert waren, aus – denn deren HLA-Expression hatte sich gegenüber uninfizierten Kontrollzellen nicht verändert. Dass die Höhe bzw. der Verlust der HLA-Expression mit der Empfindlichkeit gegenüber Lyse durch NK-Zellen korrelliert ist, konnten wir durch Blockierungsexperimente mit monoklonalen Antikörpern bestätigen (Abb. 3). Die erwähnte Dominanz der US2-11-Gene über die Funktionen anderer HCMV kodier- KAR KIR NKG2D CD94/ NKG2A P adaptor ITIMs ITAMs phosphorylation SHP-1 / SHP-2 P dephosphorylation of pp36, PLC, syk, JAK2 2B4 P SAP Fyn, Syk ZAP-70 P effector functions „TURN OFF“ cytokines, kill Abb. 4: Schematische Darstellung der Balance in der Signaltransduktion durch positive und negative NK-Rezeptoren. Initial muss die NK-Zellaktivierung durch Bindung eines Liganden an einen positiven Rezeptor KAR (z.B. NKG2D oder 2B4) erfolgen. Über Adaptormoleküle wie CD3, DAP10 oder DAP12 wird das Signal dann intrazellulär mittels Phosphorylierung der Tyrosinreste der ITAM-Sequenzen („immune receptor tyrosine-based activation motif“) weitergeleitet. Dadurch wird über die Tyrosinkinasen syk, fyn oder ZAP-70 die Tyrosinkinasekaskade angestoßen, die schließlich in messbare Effektorfunktionen wie Zytotoxizität und Zytokinfreisetzung umgesetzt wird. Wenn jedoch gleichzeitig ein inhibitorischer Rezeptor KIR z.B. CD94/NKG2A über seinen Liganden (HLA-E) getriggert wird, folgt daraus ein negatives Signal. Dabei wird zunächst das ITIM-Motiv („immune receptor tyrosine-based inhibition motif“) durch eine Kinase ebenfalls phosphoryliert, was zur Rekrutierung von Phosphatasen wie SHP-1 führt. Nach Aktivierung der Phosphatasen über Phosphorylierung „schneiden“ diese Phosphatasen durch Dephosphorylierung der Kinasen das positive Signal schnell und effektiv ab. Die Ausübung der Effektorfunktionen wird also schon im Vorfeld gestoppt, die NK-Zelle ist abgeschaltet. 69 GSF Virusgenoms nicht gleichberechtigt ihre Funktionen ausüben können, sondern einer hierarchischen Ordnung unterliegen. Diese Erkenntnisse sollten bei der Entwicklung immunologischer Ansätze zur Therapie von HCMV-Komplikationen z.B. nach Knochenmarkstransplantation berücksichtigt werden. Bislang ging man davon aus, dass die Ausprägung klinischer Symptome nach einer HCMV-Infektion hauptsächlich von CD8+ T-Zellen kontrolliert wird. Auf der Basis unserer Ergebnisse muss nun auch die Relevanz der NK-Zellen für die Kontrolle der Virusinfektion neu überdacht werden. Eine derartige Modulation durch virale Gene ist nur möglich, weil das Grundprinzip der NK-Regulation auf dem dynamischen Gleichgewicht zwischen positiven und negativen Signalen beruht, das ständig überprüft wird (Abb. 4). Die Balance der NK-Regulation durch aktivierende und inhibitorische Rezeptoren stellt eine besondere Herausforderung – intellektuell wie experimentell – dar: einerseits wirken mehrere Rezeptoren gemeinsam und verstärken sich gegenseitig. Andererseits erfolgt eine entgegengesetzte Regulation durch negative Signale, die zur Abschaltung der NK-Zelle führen sollen. Dabei entscheidet die Stärke der jeweiligen Signale darüber, ob Aktivierung oder Inhibition erfolgt. Ein Schema der Balance zwischen positiven und negativen Signalen zeigt, dass die NK-Zelle blitzschnell messen muss, wie viele positive und wie viele negative Signale gleichzeitg eingehen, um dann das richtige Maß z.B. an „Killer-Aktivität“ zu entfalten. Ausgewählte Veröffentlichungen Falk, C.S., Mach, M., Schendel, D.J., Weiss, E.H., Hilgert, I. and Hahn, G. 2002. NK cell activity during human cytomegalovirus infection is dominated by US2-11-mediated HLA class I down-regulation. J. Immunol. 169: 3257–3266. Falk, C.S., Noessner, E., Weiss, E.H., and Schendel, D.J. 2002. Retaliation against tumor cells showing aberrant HLA expression using lymphokine activated killerderived T cells. Cancer Res. 62: 480–487. Falk, C.S. and Schendel, D.J. 2002. Allogeneic MHC class I ligands and their role in positive and negative regulation of human cytotoxic effector cells. Hum. Immunol. 63: 8–19. 70 GSF Falk, C.S., Nossner, E., Frankenberger, B., and Schendel, D.J. 2000. Non-MHC-restricted CD4+ T lymphocytes are regulated by HLA-Cw7-mediated inhibition. Hum. Immunol. 61: 1219–1232. Falk, C.S. and Schendel, D.J. 1997. HLA-C revisited. Ten years of change. Immunol. Res. 16: 203–214.