entzündliche erkrankungen des magens und deren therapie

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Diplomarbeit
ENTZÜNDLICHE ERKRANKUNGEN DES MAGENS
UND DEREN THERAPIE
VON EINEM HISTORISCHEN RÜCKBLICK BIS HIN ZUM AKTUELLEN
STAND DER WISSENSCHAFT
eingereicht von
Daniel PLATZER
28.02.1989
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der gesamten Heilkunde
(Dr. med. univ.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt am
Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie
unter der Anleitung von
Univ. Prof. i.R. Mag. pharm. Dr. phil. Eckhard BEUBLER
und
ao. Univ.-Prof. Dr.med.univ. Josef DONNERER
Graz, 14. März 2014
Daniel Platzer
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den
benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe.
Graz, am 14. März 2014
_______________________
Daniel Platzer
I
„Nichts ist älter als die Medizin von gestern.“
Dr. rer. pol. Gerhard Kocher (*1939)
Schweizer Politologe und Gesundheitsökonom
II
Meinen lieben Eltern, Wilhelm und Gabriele
in Dankbarkeit gewidmet
III
DANKSAGUNG
An erster Stelle bedanke ich mich herzlich bei meinem Betreuer Herrn Univ. Prof.
i.R. Mag. pharm. Dr. phil. Eckhard Beubler, der mir dieses Thema überlassen und
mich vor und während des Verfassens dieser Diplomarbeit hervorragend unterstützt hat. Bei Fragen stand er mir stets mit Rat und Tat zur Seite.
Des Weiteren möchte ich meinem Zweitbetreuer Herrn ao. Univ.-Prof. Dr. med.
univ. Josef Donnerer für dessen Hilfe danken.
„Lieber von den Richtigen kritisiert als von den Falschen gelobt.“
Dr. rer. pol. Gerhard Kocher (*1939),
Schweizer Politologe und Gesundheitsökonom
Über diese Arbeit hinaus gebührt meinen Eltern Gabi und Willi, die mich während
meines gesamten Studiums in jeglicher Art und Weise unterstützt haben, ein ganz
besonderer Dank. Nicht nur finanziell, sondern auch persönlich standen sie mir
stets helfend und beratend zur Seite. Sie hielten mir durchgehend den Rücken
frei, damit ich mich voll und ganz auf mein Studium konzentrieren konnte. Ihnen
gelang es auch immer wieder, mich während der gesamten Studienzeit zu
motivieren und aufzubauen und glaubten jederzeit an mich, egal wie schwierig der
Weg auch ab und zu war. Vielen Dank, dass ihr mir meinen Traum und die
Umsetzung vom Medizinstudium ermöglicht habt.
Ebenfalls möchte ich mich bei meinem Bruder und gleichzeitig besten Freund
Dominik für seine alltägliche Unterstützung und Hilfe bedanken. Was auch immer
kommt, du stehst mir immer zur Seite. Danke dafür.
Auch bei meinem Großvater Willi, meiner leider verstorbenen Großmutter Aloisia,
meiner Großmutter Inge und bei meiner Tante Grete möchte ich mich für das
tägliche Daumendrücken bei Prüfungen und für ihre finanziellen Unterstützungen
bedanken.
So vieles geht auf meine Familie zurück.
Auch meiner Freundin, Marie-Christin, möchte ich für ihre langjährige, alltägliche
Unterstützung, Hilfe und vor allem ihr Verständnis herzlich danken.
IV
VORWORT
Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich mit dem Thema der entzündlichen
Magenerkrankungen und deren Therapien. Dabei wird besonders auf die Therapie
des Ulcus ventriculi und der Typ-B-Gastritis eingegangen. Ziel der vorliegenden
Diplomarbeit ist, dem Lesenden einen Überblick über den Magen und seine entzündlichen Erkrankungen, außerdem auch die Geschichte der Gastroenterologie
und der pharmakologischen Substanzen aufzuzeigen. Angefangen mit einem
allgemeinen Teil über die Erkrankungen, über die Anatomie, die Histologie, die
Physiologie der Säuresekretion, die Pathologie und die klinischen Aspekte des
Magens soll außerdem der aktuelle Stand der Wissenschaft anhand aktueller
Literatur und Studien wiedergegeben werden. In einer kurzen Erläuterung werden
die notwendigen pharmakologischen Grundlagen dargestellt. Die Behandlungsstrategien dieser Erkrankungen unterliefen in den letzten Jahrzenten einem
starken Wandel. Jede Wissenschaft, einschließlich die der Medizin, ist ständigen
Entwicklungen unterworfen. War in der Geschichte der Medizin bei einem Ulkus
lange noch die operative Therapie die Methode der Wahl, so entwickelten sich
nach und nach neue, vor allem pharmakologische Behandlungsstrategien, die sich
wiederum im Laufe der Zeit veränderten. Diese gilt es in dieser Arbeit herauszufinden und zu analysieren.
Die Helicobacter-pylori-Eradikationstherapie, welche für beide Erkrankungen eine
wichtige Rolle spielt, soll im Zuge dieser Diplomarbeit auf den neuesten Stand
gebracht werden. Auch auf die Epidemiologie, den Übertragungsweg, die
mikrobiologische Eigenschaften, die bakteriellen Virulenzfaktoren, die Pathogenese und die Diagnostik von Helicobacter-pylori wird näher eingegangen.
Diese Diplomarbeit ist als Literaturanalyse zu verstehen, soll die therapeutischen
Veränderungen aufzeigen und die neuesten Therapieschemata der Eradikationstherapie aus Österreich analysieren und vergleichen.
Gleichheitsgrundsatz: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser
Arbeit darauf verzichtet, geschlechtsspezifische Formulierungen zu verwenden.
Der Verfasser möchte jedoch darauf hinweisen, dass die bei Personen
verwendete maskuline Form für beide Geschlechter gleichermaßen zu verstehen
ist.
V
ZUSAMMENFASSUNG
TITEL
Entzündliche Erkrankungen des Magens und deren Therapie: von einem historischen
Rückblick bis hin zum aktuellen Stand der Wissenschaft.
EINFÜHRUNG
Das spiralig angeordnete, begeißelte, gram-negative und mikroaerophile Bakterium
Helicobacter pylori verursacht mit 50% die häufigste chronische bakterielle Infektion der
Weltbevölkerung. Es spielt nachgewiesen in der Entwicklung der chronischen Gastritis,
der
gastroduodenalen
Ulkuskrankheit,
des
MALT-Lymphoms
(mucosa-associated
lymphoid tissue lymphoma) und des Magenkarzinoms eine entscheidende Rolle.
ZIEL
Ziel dieser Diplomarbeit ist es, einen Überblick über die entzündlichen Erkrankungen des
Magens (Ulcus ventriculi und Gastritiden) zu geben, und darüber hinaus, die
therapeutischen Veränderungen aufzuzeigen. Auch die Geschichte der wichtigsten
gastroenterologischen Entdeckungen und der pharmakologischen Substanzen bezüglich
des Magens sollte aufgearbeitet werden. Des Weiteren sollte die aktuelle Helicobacterpylori Eradikationstherapie nach österreichischen Empfehlungen aufgezeigt werden.
METHODEN
Diese Diplomarbeit ist als eine Literaturrecherche zu sehen, und bezieht die Inhalte aus
der systematischen und themenrelevanten Suche sowohl aus der medizinischen MetaDatenbank „PubMed“ oder „Europe PubMed Central“, als auch aus Fachlexika, Fachzeitschriften und aktuellen Lehrbüchern, sowohl aus dem deutsch- als auch englischsprachigen Raum.
ERGEBNISSE
Bei der „Standardtripeltherapie“ (Protonenpumpeninhibitor + Clarithromycin + Amoxicillin
oder
Metronidazol)
kam
es
in
den
letzten
Jahren
weltweit,
aufgrund
von
Resistenzentwicklungen gegen Clarithromycin, zu einem stetigen Wirkverlust. Somit wird
in Österreich aufgrund des unzureichenden Therapieerfolgs die Clarithromycinenthaltende Tripeltherapie nicht mehr, wie bisher üblich, empfohlen. In Österreich wird die
Eradikationstherapie
derzeit
nach
den
aktuellen
Richtlinien
der
europäischen
Konsensuskonferenz eingesetzt. Dies stellt jedoch einige Probleme dar, da die Wahl der
Erst- und Zweitlinientherapie von regionalen Resistenzraten von Clarithromycin abhängig
ist, in Österreich aber nur sehr limitierte Informationen zu den aktuellen ClarithromycinResistenzraten von zuvor unbehandelten Patienten (Primärresistenzen) in Österreich
vorhanden sind. Derzeit muss im Großraum Österreich mit einer hohen Resistenzrate für
VI
diese Pharmaka gerechnet werden. Die beste Möglichkeit für die Erstlinientherapie ist ein
sequenzielles Schema (5 Tage Protonenpumpeninhibitor + Amoxicillin, weitere 5 Tage
Protonenpumpeninhibitor + Clarithromycin + Metronidazol) oder eine Quadrupeltherapie
ohne Wismut (Protonenpumpeninhibitor + Amoxicillin + Metronidazol + Clarithromycin
oder Levofloxacin). Aktuell spielen Wismut-enthaltende Quadrupel-Eradikationstherapien
für die Erstlinien-, Zweitlinien- oder Reservetherapie in Österreich (und auch in
Deutschland und der Schweiz) keine Rolle, da die Rate an Nebenwirkungen relativ hoch
ist, und diese somit nicht am Markt erhältlich sind. Ebenfalls sind in Österreich
Tetrazykline nicht zugelassen. Levofloxacin wird in der Zweitlinientherapie empfohlen, da
aber auch in Österreich teilweise hohe Resistenzraten nachgewiesen wurden, sollte vor
Einleitung der Zweitlinientherapie eine Resistenztestung durchgeführt werden.
SCHLUSSFOLGERUNG
Heutzutage wird die Ulkuskrankheit und die Gastritis aufgrund moderner Medikamente
ohne größere Komplikationen medikamentös behandelt, was lange Zeit aufgrund
fehlender ursächlicher Therapien nicht der Fall war. Von Bedeutung ist in Österreich, dass
regionale Überwachungsprogramme der Helicobacter-pylori-Resistenzentwicklung eingesetzt werden, da diese für die Auswahl erfolgreicher Behandlungsstrategien zur
Helicobacter-pylori-Eradikation von wichtigster Bedeutung sind.
SCHLÜSSELWÖRTER
Eradikationstherapie;
Helicobacter
pylori;
Österreich;
Ulcus
ventriculi;
Gastritis;
Medikamente
VII
ABSTRACT
TITEL
Inflammatory Diseases of the Stomach and Their Therapies: From a Historical Review to
the Latest State of Science.
INTRODUCTION
With 50% of the world population infected, the spiral-shaped, flagellated, gram-negative
and microaerophilic bacteria Helicobacter pylori causes the most common chronic
bacterial infection. It is widely recognized that Helicobacter pylori plays a decisive role in
the development of chronic gastritis, gastroduodenal ulcer disease, MALT(mucosaassociated lymphoid tissue)-lymphoma and gastric cancer.
AIM
This diploma thesis aimed to review the inflammatory diseases of the stomach (Ulcus
ventriculi and Gastritis), and in addition to elaborate the therapeutic changes. The history
of the main gastroenterological discoveries and of the pharmacological substances
relating to the stomach was part of this thesis. Another aim was to identify the prevailing
eradication therapy of Helicobacter pylori in Austria.
METHODS
This diploma thesis is based on a detailed literature research including information from
the medical databases “PubMed” and “Europe PubMed Central“, and also from specialistliterature and professional journals in German and English language.
RESULTS
As a result of the increasing development of resistance to clarithromycin the cure rates for
the „Standard-Triple-Therapy“ (proton pump inhibitor + clarithromycin + amoxicillin or
metronidazole) have declined steadily in the past few years. This is the reason why the
clarithromycin-containing triple therapy is not recommended in Austria anymore. The
eradication therapy in Austria is currently applied following the guidelines of the European
“Consensus-Conference”. These guidelines cause a few problems in the clinical practice,
because the choice of the first- and second-line therapy is depending on the local
resistance rates, but in Austria there is only limited information about the currently existing
primary resistance rates to clarithromycin. At the moment it is most likely that there are
high resistance rates for these pharmaceuticals in greater parts of Austria. The best
opportunity for the first-line treatment is the sequential therapy (5 days proton pump
inhibitor + amoxicillin, another 5 days proton pump inhibitor + clarithromycin +
metronidazole) or the non-bismuth quadruple therapy (proton pump inhibitor + amoxicillin
+ metronidazole + clarithromycin or levofloxacin). Bismuth-containing quadruple therapies
VIII
for the first-, second- and standby-therapy are currently not available on the Austrian
market (neither in Germany or Switzerland), because of the high rates of side-effects.
Neither is tetracycline licensed in Austria. Levofloxacin is recommended in the second-line
therapy, but because of the partially high resistance rates to this pharmaceutical in
Austria, the patients should be tested for resistance before starting the second-line
treatment.
CONCLUSION
Nowadays ulcer disease and gastritis can be treated by modern pharmaceuticals without
any major complications, but because of missing causative treatments it was not possible
for a long time. Control-programs for the local resistance rates are of utmost importance
for the choice of successful treatment-regimes for the eradication of Helicobacter pylori in
Austria.
KEYWORDS
Eradication
therapy;
Helicobacter
pylori;
Austria;
Ulcus
ventriculi;
Gastritis;
Pharmaceuticals
IX
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
A.
Arteria
Aa.
Arteriae
ASS
Acetylsalicylsäure
ATP
Adenosintriphosphat
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
Ca2+
Calcium
CaCO3
Calciumcarbonat
CagA
Cytotoxin-assoziiert
cAMP
Cyclisches Adenosinmonophosphat
chron.
chronisch
Cl-
Chlorid
cm
Zentimeter
CMV
Cytomegalievirus
CO2
Kohlenstoffdioxid
CYP
Cytochrom P
DGVS
Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und
Stoffwechselkrankheiten
ECL
Enterochromafine-like
EHPSG
European Helicobacter pylori Study Group
engl.
englisch
EU
Europäische Union
evtl.
eventuell
GERD
gastroesophageal reflux disease
GI-Trakt
Gastrointestinal-Trakt
h
Stunde/Stunden
+
H
Wasserstoff
H2RA
Histamin-H2-Rezeptorantagonisten
HCl
Chlorwasserstoff (in Wasser gelöst: Salzsäure)
HCO3-
Hydrogencarbonat (Bikarbonat)
H.pylori
Helicobacter pylori
X
HSV-1
Herpes-simplex-Virus 1
HWZ
Halbwertszeit
IARC
International Agency for Research on Cancer
IL-8
Interleukin-8
INR
International Normalized Ratio
i.v.
intravenös
K+
Kalium
Mb.
Morbus
mg
Milligramm
Mg[OH]2
Magnesiumhydroxid
MALT-Lymphom
mucosa-associated lymphoid tissue lymphoma
ml
Milliliter
mmol
Millimol, Faktor 10-3 = entspricht einem tausendstel
Mol. (0,001 mol)
mmol/l
Millimol pro Liter
N.
Nervus
n. Chr.
nach Christus
Na+
Natrium
NaHCO3
Natriumbikarbonat
NH3
Ammoniak
[NH4]2CO3
Ammoniumkarbonat
NSAR
Nicht-steroidale Antiphlogistika
Ö
Österreich
ÖGD
Ösophago-Gastro-Duodenoskopie
PGE2
Prostaglandin E2
p.o.
per os
PCR
Polymerase Chain Reaction
PPI
Protonenpumpeninhibitor(en)
r-RNA
ribosomale Ribonukleinsäure
s.u.
siehe unten
syn.
Synonym
T.
Tunica
tgl.
täglich
TZA
trizyklische Antidepressiva
XI
u.a.
und andere
USA
United States of America
VacA
Vacuolisierendes Antigen
Vit
Vitamin
WHO
World Health Organization
WQT
Wismut-basierte Quadrupeltherapie
v. Chr.
vor Christus
x
multipliziert
z.B.
zum Beispiel
μm
Mikrometer, Faktor 10-6
>
größer
<
kleiner
+
plus
°C
Grad Celsius
XII
ABBILDUNGS- und TABELLENVERZEICHNIS
Abbildung
(copyrighted:
1:
Elektronenmikroskopisches
free
use
for
any
purpose)
Bild
von
Helicobacter
pylori
[http://upload.wikimedia.org/wikipedia/
commons/d/d6/EMpylori.jpg] Stand: 01. November 2013.. ................................................... 53
Tabelle 1: Historischer Überblick über wichtige Entdeckungen in der Gastroenterologie
(PPI: Protonenpumpeninhibitoren) [3, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 35, 46, 71] ................... 9
Tabelle 2: Protektive und aggressive Faktoren der Magenschleimhaut (PGE2: Prostaglandin E2, H.pylori: Helicobacter pylori, NSAR: Nicht steroidale Antiphlogistika) [27, 28]
Modifiziert nach Böcker et al. [30] ........................................................................................ 15
Tabelle 3: Zuordnung der nachgewiesenen Helicobacter-Spezies (H.: Helicobacter)
Modifiziert nach Malfertheiner P. [21] ................................................................................... 58
Tabelle 4: Wichtige Virulenzfaktoren von Helicobacter pylori und deren Effekte. Modifiziert
nach Mobley HLT, Mendz GL, Hazell SL et al. [21, 71] ........................................................ 61
Tabelle 5: Diagnostische Tests zum Nachweis einer Helicobacter-pylori-Infektion mit
Informationen über Sensitivität/Spezifität. Modifiziert nach Hirschl AM [79] und Fischbach
W, Malfertheiner P, Hoffmann JC, Bolten W, Kist M, Koletzko S. [73] .................................. 67
Tabelle 6: Evidenzbasierte Indikationen zur Helicobacter-pylori-Eradikationstherapie nach
den Leitlinien der europäischen Konsensuskonferenz von Florenz/Maastricht. (MALTLymphom: mucosa-associated lymphoid tissue lymphoma; PPI: Protonenpumpeninhibitoren; NSAR: Nicht-steroidale Antiphlogistika) Modifiziert nach Malfertheiner P. [79,
80] ....................................................................................................................................... 73
Tabelle 7: Erstlinienbehandlungen nach europäischer Konsensuskonferenz in Regionen
mit
hohen
Clarithromycin-Resistenzen
(>20%)
und
in
Regionen
mit
niedrigen
Resistenzraten von Clarithromycin (<20%). (PPI: Protonenpumpeninhibitoren; WQT:
Wismut-basierte Quadrupeltherapie; mg: Milligramm; tgl.: täglich; d: Tage) Modifiziert
nach Malfertheiner P. [80] Mit Ergänzungen nach Högenauer C. [84] und Malfertheiner P,
Megraud F, O'Morain CA, Atherton J, Axon AT, Bazzoli F, et al. [85] ................................... 66
XIII
Tabelle 8:. Therapiealgorithmus zur Eradikation von Helicobacter pylori (PPI: Protonenpumpeninhibitoren; WQT: Wismut-basierte Quadrupeltherapie; Ö: Österreich, D: Deutschland, CH: Schweiz) Modifiziert und adaptiert nach Malfertheiner P. [80]. ............................. 67
Tabelle 9: Therapiealgorithmus zur Eradikation von Helicobacter pylori in Österreich aus
dem Jahr 1998 (PPI: Protonenpumpeninhibitoren; mg: Milligramm; tgl.: täglich; d: Tage)
Modifiziert und adaptiert nach Ferenci P, Hentschel E, Krejs GJ, Pesendorfer FX, Renner
F [90] Mit Ergänzungen nach Högenauer C. [84].. ............................................................... 80
Tabelle 10: Therapiealgorithmus zur Eradikation von Helicobacter pylori in Österreich aus
dem Jahr 2003 (PPI: Protonenpumpeninhibitoren; mg: Milligramm; tgl.: täglich; d: Tage)
Modifiziert und adaptiert nach Dragosics B. Ferenci P, Hentschel E, Krejs GJ,
Pesendorfer FX, Renner F et al. [88] Mit Ergänzungen nach Högenauer C. [84].. ............... 81
Tabelle 11: Therapiealgorithmus zur Erstlinientherapie der Eradikation von Helicobacter
pylori in Österreich aus dem Jahr 2009 (PPI: Protonenpumpeninhibitoren; mg: Milligramm;
tgl.: täglich; d: Tage) Modifiziert und adaptiert nach Tribl B. [40].. ........................................ 82
XIV
INHALTSVERZEICHNIS
Eidesstattliche Erklärung .......................................................................................... I
Zitat
............................................................................................................... II
Widmung
.............................................................................................................. III
Danksagung ............................................................................................................. IV
Vorwort
.............................................................................................................. V
Zusammenfassung .................................................................................................. VI
Abstract
........................................................................................................... VIII
Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................... X
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ................................................................. XIII
1
EINLEITUNG .................................................................................................. 1
2
ALLGEMEINER TEIL ..................................................................................... 3
2.1
Die Geschichte des Magens und seiner Krankheiten ......................................... 3
2.1.1 Frühe Beobachtungen .................................................................................... 3
2.1.2 Das 18. Jahrhundert ....................................................................................... 3
2.1.3 Das 19. Jahrhundert ....................................................................................... 3
2.1.4 Das frühe und mittlere 20. Jahrhundert ........................................................... 4
2.1.5 Das späte 20. Jahrhundert .............................................................................. 6
2.2
Anatomie des Magens ......................................................................................... 11
2.2.1 Makroskopische Anatomie ............................................................................ 11
2.2.2 Mikroskopische Anatomie ............................................................................. 12
2.2.2.1 Wandschichten.................................................................................. 12
2.2.2.2 Das enterische Nervensystem ........................................................... 12
2.2.2.3 Die Drüsen des Magens .................................................................... 13
2.2.3 Funktionelle Anatomie .................................................................................. 13
2.3
Physiologie des Magens ...................................................................................... 14
2.3.1 Die Wirkung von Pepsin ................................................................................ 15
2.3.3 Säuresekretion.............................................................................................. 16
2.3.2.1 H+/K+-ATPase.................................................................................... 16
2.3.2.2 Stimulation der Säuresekretion.......................................................... 16
2.3.2.3 Hemmungen der Säuresekretion ....................................................... 17
2.4
Gastritis
............................................................................................... 19
2.4.1 Definition .............................................................................................. 19
2.4.2 Klassifikation ........................................................................................ 19
2.4.2.1 Akute Gastritis ....................................................................... 19
2.4.2.2 Chronische Gastritis ............................................................... 20
2.4.2.2.1 Typ-A-Gastritis......................................................... 21
2.4.2.2.2 Typ-B-Gastrits ......................................................... 21
2.4.2.2.3 Typ-C-Gastrits ......................................................... 22
2.4.2.2.4 Sonderformen .......................................................... 22
2.4.2.2.4.1 Riesenfaltengastritis ............................... 23
2.4.3 Klinisches Bild und Komplikationen ...................................................... 23
2.4.3.1 Akute Gastritis ....................................................................... 23
2.4.3.2 Chronische Gastritis ............................................................... 23
2.4.4 Diagnostik ............................................................................................ 25
XV
2.4.4.1 Akute Gastritis ....................................................................... 25
2.4.4.2 Chronische Gastritis ............................................................... 25
2.4.5 Behandlungsindikation und Pharmakotherapie ..................................... 26
2.4.5.1 Akute Gastritis ....................................................................... 26
2.4.5.2 Chronische Gastritis ............................................................... 26
2.5
Ulcus ventriculi
............................................................................................... 27
2.5.1 Definition ................................................................................... 27
2.5.2 Epidemiologie ........................................................................... 27
2.5.3 Ätiologie und Risikofaktoren...................................................... 27
2.5.3.1 Stressulkus ................................................................. 28
2.5.4 Morphologie .............................................................................. 29
2.5.5 Klinisches Bild und Komplikationen ........................................... 29
2.5.6 Diagnostik ................................................................................. 31
2.5.7 Therapie ................................................................................... 31
2.5.7 Allgemeine Maßnahmen ................................................ 31
2.5.8 Pharamkotherapie ......................................................... 32
2.6
Die operative Therapie ........................................................................................ 33
3
GESCHICHTE DER MEDIKAMENTÖSEN THERAPIE und
PHARMAKOLOGISCHE EIGENSCHAFTEN .............................................. 35
3.1
3.2
3.3
3.4
Mineralische Antacida ......................................................................................... 35
3.1.1 Geschichtliche Aspekte ........................................................................ 35
3.1.2 Wirkstoffe ............................................................................................. 36
3.1.3 Wirkung ............................................................................................... 36
3.1.4 Nebenwirkungen .................................................................................. 37
3.1.5 Arzneimittelinteraktionen ...................................................................... 38
Histamin-H2-Rezeptorantagonisten .................................................................... 39
3.2.1 Allgemeine geschichtliche Aspekte ...................................................... 39
3.2.2 Allgemeine pharmakologische Eigenschaften ...................................... 39
3.2.3 Cimetidin .............................................................................................. 40
3.2.3.1 Geschichtliche Aspekte .......................................................... 40
3.2.3.2 Allgemeine pharmakologische Eigenschaften ........................ 40
3.2.3.3 Nebenwirkungen .................................................................... 41
3.2.4 Ranitidin ............................................................................................... 41
3.2.4.1 Geschichtliche Aspekte .......................................................... 41
3.2.4.2 Allgemeine pharmakologische Eigenschaften ........................ 41
3.2.4.3 Nebenwirkungen .................................................................... 42
3.2.5 Famotidin, Nizatidin, Roxatidin ............................................................. 42
3.2.5.1 Geschichtliche Aspekte .......................................................... 42
3.2.5.2 Allgemeine pharmakologische Eigenschaften ........................ 42
3.2.5.3 Nebenwirkungen .................................................................... 43
Protonenpumpenhemmer ................................................................................... 43
3.3.1 Geschichtliche Aspekte ........................................................................ 43
3.3.2 Wirkung ............................................................................................... 44
3.3.3 Nebenwirkungen .................................................................................. 45
3.3.4 Arzneimittelinteraktionen ...................................................................... 46
Schleimhautschützende Mittel............................................................................ 48
3.4.1 Sucralfat ............................................................................................... 48
3.4.1.1 Geschichtliche Aspekte .......................................................... 48
XVI
3.5
4
3.4.1.2 Allgemeine pharmakologische Eigenschaften ........................ 48
3.4.1.3 Nebenwirkungen .................................................................... 49
3.4.2 Misoprostol ........................................................................................... 49
3.4.2.1 Geschichtliche Aspekte .......................................................... 49
3.4.2.2 Allgemeine pharmakologische Eigenschaften ........................ 50
3.4.2.3 Nebenwirkungen .................................................................... 50
Anticholinergika ............................................................................................... 51
3.5.1 Geschichtliche und allgemeine pharmakologische Aspekte.................. 51
HELICOBACTER-PYLORI ........................................................................... 53
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
4.6
4.7
4.8
5
Einleitung .......................................................................................................... 53
Epidemiologie ...................................................................................................... 55
Übertragungsweg ................................................................................................ 57
Mikrobiologische Eigenschaften ........................................................................ 58
Bakterielle Virulenzfaktoren ................................................................................ 59
Pathogenese ........................................................................................................ 61
Diagnostik .......................................................................................................... 62
4.7.1 Indikationen für die Diagnostik ............................................................. 62
4.7.2 Diagnostische Methoden ...................................................................... 62
4.7.3 Invasive Methoden ............................................................................... 63
4.7.3.1 Histologie ............................................................................... 63
4.7.3.2 Urease-Schnelltest................................................................. 64
4.7.3.3 Kultur ..................................................................................... 65
4.7.3.4 Andere Methoden .................................................................. 65
4.7.4 Nicht-invasive Methoden ...................................................................... 65
4.7.4.1 Der 13C-Harnstoff-Atemtest .................................................... 66
4.7.4.2 Stuhlantigentests ................................................................... 66
4.7.4.3 Antikörperbestimmungen ....................................................... 66
4.7.5 Resistenztestung .................................................................................. 67
Eradikationstherapie ........................................................................................... 68
4.8.1 Einleitung ............................................................................................. 68
4.8.2 Indikationen zur Eradikationstherapie ................................................... 72
4.8.3 Richtlinien zur Eradikationstherapie nach europäischer
Konsensuskonferenz ............................................................................ 74
4.8.3.1 Erstlinientherapie ................................................................... 74
4.8.3.2 Zweitlinientherapie ................................................................. 76
4.8.3.3 Therapie bei Penicillin-Allergie ............................................... 77
4.8.3.4 Nebenwirkungen .................................................................... 78
DISKUSSION ............................................................................................... 80
5.1 Therapiestrategie Österreich ........................................................................ 80
5.1.1 Therapiestrategien zur Helicobacter-pylori-Eradikation (1997/1998) .... 80
5.1.2 Therapiestrategien zur Helicobacter-pylori-Eradikation (2003) ............. 81
5.1.3 Aktuelle Therapiestartegien zur Helicobacter-pylori Eradikation (2013) 83
5.1.3.1 Resistenzentwicklung in Österreich und Europa .................... 83
5.1.3.2 Erstlinientherapie ................................................................... 85
5.1.3.3 Zweitlinientherapie ................................................................. 87
5.1.3.4 Eine mögliche neue Strategie zur Eradikation ........................ 87
XVII
4.8.5 Therapiestrategie USA ....................................................................... 88
4.8.5.1 Einleitung ............................................................................... 88
4.8.5.2 Therapiestrategie ................................................................... 88
6
MATERIAL UND METHODEN ............................................................ 91
7
LITERATURVERZEICHNIS ................................................................. 92
XVIII
1
EINLEITUNG
Die säurebedingten Krankheiten sind Störungen bei denen die Magensäure und
Pepsin notwendig sind, aber deren alleiniges Vorkommen keinen pathogenen
Faktor darstellen. Obwohl die Magensäure und Pepsin von der Natur aus Ätzmittel
sind, so führen diese normalerweise aufgrund intrinsischer Schutzmechanismen
zu keinem Schaden oder zu Symptomen. Wenn die protektiven Faktoren gestört
sind oder wegfallen, so können gastrale oder duodenale Ulcera entstehen. [1]
Diese stellen relativ häufige Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts (GI-Trakts)
dar, welche bei jeder zehnten erwachsenen Person im Verlauf des Lebens auftreten können. Ebenso können auch Gallensäuren zur Entstehung des Ulcus
ventriculi und der Gastritis beitragen. [2] Die Therapie und Prävention dieser
säurebedingten Störungen besteht, sollte keine Helicobacter-pylori-Infektion vorliegen, aus der pharmakologisch induzierten Reduktion der Magensäure und dem
protektiven Aufbau der Schleimhaut. [1]
1702 wird das Ulcus ventriculi erstmals von Michael Ettmüller (1644-1682) in dem
in Amsterdam erschienenen Werk „De doloribus stomachi“ als „Ulcus in urifio
ventriculi“ schriftlich festgehalten. [3] Die gastralen Ulzera waren bis zum Jahr
1900 die häufigste Form der Ulkuskrankheit. Das Ulcus duodeni hingegen wurde
zu dieser Zeit noch für eine Rarität gehalten. 1912 gibt Ewald sogar ein Verhältnis
von 1:45 zugunsten des Ulcus ventriculi an. Diese Angaben verlagerten sich aber
im Laufe der Zeit immer mehr in Richtung des Ulcus duodeni, bis Kalk feststellte,
dass er fast drei Mal so viel Ulcera duodeni diagnostizierte als Ulcera ventriculi.
Die Inzidenz der Ulcera ventriculi blieb dennoch stabil. Nach und nach kam es in
der Geschichte der Gastroenterologie und Pharmakologie zu neuen Entdeckungen, die zum Verständnis des Magens und der Therapie der Krankheiten
beitrugen. Die Mortalitätsrate der gastralen Ulzera nahm unter anderem im
Vergleich von 1962 (3,5 pro 100.000) zu 1979 (1 pro 100.000) deutlich ab. [4,5]
Heutzutage werden Magen- und Duodenalulcera aufgrund moderner Medikamente ohne größere Komplikationen medikamentös behandelt, was lange Zeit
aufgrund fehlender ursächlicher Therapien nicht der Fall war. [6]
1
Ein wesentlicher Grundstein für die Forschung und die Therapie der Ulkuskrankheit wurde mit der Entdeckung von Helicobacter pylori (H.pylori) gelegt. [1]
Vor dieser Entdeckung war die Therapie der Ulkuskrankheit nur auf die
Unterdrückung der Säuresekretion fokussiert. [7] Heutzutage gilt als gesichert,
dass eine Infektion mit H.pylori bei der Ulkuskrankheit und der Typ-B-Gastritis eine
Schlüsselrolle in derer Entstehung spielt. Dessen Eradikation ist der therapeutisch
wirksamste Ansatzpunkt in der Therapie bei nachgewiesenen H.pylori-positiven
Patienten. [8] Zu den wichtigsten Arzneimitteln, die zu Gastritiden und/oder zur
Ulkuskrankheit führen können, zählen die nicht-steroidalen Antiphlogistika
(NSAR), die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und auch Glucocorticoide. Weitere wichtige Faktoren in der Pathogenese der Ulkuskrankheit
stellen unter anderem Rauchen, Alkohol und Stresssituationen, wie z.B.
großflächige Verbrennungen oder große chirurgische Eingriffe dar. Schließlich
sind es aber auch psychische und soziologische Faktoren, welche die Entstehung
der Ulkuskrankheit begünstigen können. [2,8]
Die Inzidenz des Ulcus ventriculi beträgt aktuell 50/100.000, die des Ulcus
duodeni zeigt eine Inzidenz von 150/100.000 Erkrankungen jährlich, wobei die
Häufigkeit aufgrund zahlreicher Faktoren, welche in der Arbeit noch näher
behandelt werden, abnehmend ist. [9]
Die Ulkuskrankheit betrifft jährlich 5 Millionen Amerikaner und stellt einen
signifikanten Faktor der Morbidität in den USA dar. Allein die medizinischökonomischen Kosten dieser Krankheit belaufen sich dort auf rund 4 Milliarden
US-Dollar jährlich. [10]
Die Gastritiden unterteilt man in die akute und die chronische Gastritis. Es handelt
sich dabei um eine Entzündung der Magenschleimhaut und wird je nach Ätiologie
klassifiziert. Dabei stellt besonders die Typ-B-Gastritis, hervorgerufen vor allem
durch H.pylori, mit ca. 80% aller Patienten mit chronischer Gastritis, die häufigste
Form dar. So ist es auch die Typ-B-Gastritis, welche unter anderem im engen
Zusammenhang mit der in dieser Arbeit beschriebenen Ulkuskrankheit, dem
Magenkarzinom und dem MALT-Lymphom (mucosa-associated lymphoid tissue
lymphoma) steht. [9,11]
2
2
ALLGEMEINER TEIL
2.1 Geschichte des Magens und seiner
Krankheiten
2.1.1 Frühe Beobachtungen
Das peptische Ulkus ist eine Krankheit von Mensch und Tier seitdem die
säurebildenden Organe als Behelfsmittel der Verdauung eine Rolle spielen.
Hippokrates prägte im 5. Jahrhundert v. Chr. den Begriff „pepsys“. Dieser war der
Auffassung, dass die aufgenommene Nahrung „gekocht“ und in folgende vier
Säfte umgewandelt wird: in Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle. Eine Störung
bezüglich einer dieser Säfte führt zu Krankheit. Diese Theorie herrschte für
ungefähr 2000 Jahre, bis Theophrastus Bombastus von Hohenheim (genannt
Paracelsus, geboren 1493, gestorben 1541), ein Professor der Medizin in Basel,
zu einer anderen Ansicht kam. Dieser war nämlich der Auffassung, dass die
Krankheiten der Menschen durch chemische Veränderungen verursacht und
durch die Kräfte und Energie des Universums geleitet werden. [12]
2.1.2 Das 18. Jahrhundert
1702 wird das Ulkus erstmals von Michael Ettmüller (1644-1682) in dem in
Amsterdam erschienenen Werk „De doloribus stomachi“ als „Ulcus in urifio
ventriculi“ schriftlich festgehalten. [3] Doch auch bereits im Mittelalter waren die
Symptome der Erkrankung geläufig. [6] Die ersten Vermutungen und Versuche
zum sauren Magensaft und dem möglichen Zusammenhang mit der Verdauung
gehen auf den italienischen Physiologen Lazzaro Spallanzani (1729-1799) und
den französischen Wissenschaftler René de Réaumur (1683-1757) zurück. [12]
2.1.3 Das 19. Jahrhundert
Der englische Physiologe William Prout konnte im frühen 19. Jahrhundert
schließlich auf Basis der vorliegenden Versuche von Spallanzani und de Réaumur
3
den tatsächlichen Säuregehalt im Magen nachweisen und legte mit dieser
Entdeckung den Grundstein für die moderne Gastroenterologie. 1904 wurde I.P.
Pavlov für die Entdeckung der neuro-reflexgesteuerten Stimulation der Magensaftsekretion aus dem Jahr 1895 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. [12,13] 1836
beschreibt Theodor Schwann in Berlin einen wasserlöslichen Bestandteil im
Magensaft mit der Fähigkeit „Eiklar“ zu verdauen und nannte es „Pepsin“, nach
dem griechischen Wort für die Verdauung. Außerdem veröffentlichte Ismar Boas
(1858-1938), der Begründer der Gastroenterologie als ein Spezialfach und der
Herausgeber des ersten medizinischen Journals für Erkrankungen des Verdauungstrakts, Studien zur Funktion des Magens. [12] Der erste Versuch einer
Gastroskopie geht auf Kussmaul zurück, der diese im Jahr 1868 an einem
professionellen Schwertschlucker durchführte. 1881 verwendete Mikulicz erstmals
ein starres Endoskop, musste die Verwendung aber aufgrund der gefährlichen
Prozedur aufgeben. [14] 1893 entdeckte der italienische Histologe Camillo Golgi
(1844-1926) durch Anfärbung mit Silbernitrat den Säureaustritt aus den Parietalzellen, wofür er im Jahre 1906 zusammen mit Santiago Ramon y Cajal mit dem
Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurde. [3] G. Bizzozero, ein zu seiner Zeit
bekannter Anatom, wurde 1893 in Turin (Italien) zum Erstbeschreiber eines spiralförmigen Mikroorganismus aus der Magenschleimhaut des Hundes, dessen pathogenetische Bedeutung für den Menschen erst ca. 100 Jahre später erkannt wurde.
[15,16,71] Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte W. Jaworski, ein polnischer,
klinischer Forscher und Professor der Jagiellonia-Universität in Krakau (Polen), die
Anwesenheit von spiralförmigen Mikroorganismen in der Magenschleimhaut des
Menschen und nannte es „Vibrio rugula“. Er vermutete den Zusammenhang
zwischen diesen Bakterien und dem Auftreten von Erkrankungen des Magens und
publizierte seine Erkenntnisse im „Handbook of Gastric Diseases“. Dieses Werk
war aber aufgrund der in Polnisch verfassten Texte nicht sehr bekannt und wurde
erst durch die Übersetzung von Konturek et al. populär. [16]
2.1.4 Das frühe und mittlere 20. Jahrhundert
Im Jahre 1905 erfolgte die Entdeckung von „Gastrin“ durch J.S. Edkins. [12] Der
Pathologe Krienitz kam zu der Erkenntnis, dass in der Umgebung von Magenkarzinomen Spirochäten vorkommen. [15] Die Arbeiten von L. Popielski, einem
4
polnischen Pharmakologen, aus dem Jahr 1920 und von C.F. Code aus dem
Jahre 1956 deckten das Histamin-vermittelte Konzept der gastralen Sekretion auf.
[12] Dragutin Karl Schwarz, 1868 in Kroatien geboren und 1917 in Wien
gestorben, war seiner Zeit ein einzigartiger klinischer Forscher bezogen auf die
Ätiopathogenese von Magensäure in Verbindung mit dem peptischen Ulkus und
prägte 1910 in Laibach (zu dieser Zeit noch Teil der österreichischen Monarchie)
folgende Feststellung: „Ohne sauren Magensaft kein peptisches Geschwür.“, oder
kurz: „Ohne Säure kein Ulkus.“. Schwarz vermutete, dass die Gastrektomie die
beste Therapiemöglichkeit für eine exzessive Magensäuresekretion und peptische
Ulzera darstellt. [3,12,13,16,17] 1912 prägte der Freiburger Pharmakologe
Hermann Fühner die Bezeichnung „Histamin“ für die Substanz „ß-Aminoethylimidizol“ nach der griechischen Bezeichnung für das Gewebe („histos“). [3]
1926 entdeckten O. Loewi und E. Navratil Acetylcholin nach Vagusreizung im
Froschherzen. [46] 1927 konnte Charles Herbert Best nachweisen, dass Histamin
in verschiedenen Organen des menschlichen Körpers, wie z.B. in der Lunge und
der Leber, in nicht zu verachtenden Konzentrationen vorhanden ist. [3] 1928
vermutet Konjetzny erstmals die pathogene Bedeutung der Spirochäten bei
Defekten der Magenschleimhaut und erkannte, dass das peptische Magenulkus
die Folge einer chron. Gastritis darstellt. [15, 35] Der in Berlin geborene Rudolf
Schindler (1888-1968) gilt als der wohl bekannteste Endoskopiker weltweit und
wurde mit seinem konstruierten starren Endoskop zum Begründer der RoutineGastroskopie. 1923 verfasste er in München das Werk „Lehrbuch und Atlas der
Gastroskopie“, wodurch er sich als der weltweit führende Endoskopiker etablierte,
da er 400 komplikationslose Gastroskopien vorweisen konnte. 1932 entwickelte er
mit dem Berliner Techniker Georg Wolf das erste semiflexible Endoskop, welches
ca. 25 Jahre lang weltweit als Standardendoskop eingesetzt wurde, bis es vom
Fiberskop abgelöst wurde. Er gilt ebenso als der Erstbeschreiber der Gastritis.
[18,19] 1938 konnte Doenges bei 50% der von ihm in den USA durchgeführten
Untersuchungen an Leichenmägen feststellen, dass sich, auch ohne dem
Vorhandensein von Magenkarzinomen, Spirochäten auf der Magenschleimhaut
befinden. Erst 1940 kamen Freedberg und Baron zu der Erkenntnis, dass die
Spirochäten auch in der Nähe von Magenulzerationen vorkommen. Sie sprachen
den Spirochäten allerdings keine ätiologische Funktion zu. [15,71] 1940
präsentierten Freedberg und Baron ihre Entdeckungen. Bei diesem Vortrag kam
5
es zu einer Diskussion mit den Mitgliedern des Publikums, die berichteten, dass
die von ihnen eingesetzte Syphilis-Therapie mit Quecksilber, Arsen und Wismut in
einigen Fällen zur vollständigen Remission der Ulkuskrankheit führte. Zwischen
1950 und 1960 konnte Susumo Ito an der „Harvard Medical School“ die ersten
detaillierten anatomischen Beschreibungen der Magenschleimhaut durch die
Elektronenmikroskopie veröffentlichen. Er beschrieb auch „spirilli“ in manchen
seiner
Präparate.
1967
veröffentlichte
er
ein
Foto
mit
einem
dieser
Mikroorganismen, was sich erst später als ein vergrößertes H.pylori im Inneren
einer Parietalzelle herausstellte. [71]
2.1.5 Das späte 20. Jahrhundert
In den frühen 1970iger Jahren gelang es Sir J.W. Black, basierend auf L.
Popielski’s Histamin-Konzept, den Histamin-H2-Rezepetor nachzuweisen. Im Zuge
dieser Entdeckung konnte er die Antagonisten des Rezeptors ermitteln, was sich
in der Regulierung der Magensäuresekretion und der Ulkustherapie als äußerst
günstig erwies. Aufgrund dieser Errungenschaften wurde Sir J.W. Black 1972 mit
dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.
Mit der Entdeckung der Protonen-Pumpen und derer Inhibitoren (PPI) im Jahr
1973 durch G. Sachs, die sich in Bezug auf die Hemmung der Magensäuresekretion und der Ulkustherapie als noch effektiver erwiesen als die H2-RezeptorAntagonisten, wurde die Gastrektomie in der Ulkustherapie, die seit der ersten
Gastrektomie von Billroth, Pean, Moynihan und Ridiger 1881 als Standardbehandlung der Ulkuskrankheit durchgeführt wurde, von nun an als obsolet
betrachtet. [12,13] Durch die Billroth-I- und Billroth-II-Operation konnte die gastrale
Phase ausgeschaltet werden und dadurch kam es zu einer Reduktion der
Magensäuresekretion von ca. 50%. [17] Trotz all der pharmakologischen
Fortschritte, zeigten sich dennoch periodische Verschlimmerungen und Rückfälle
(Rezidive) der Ulkuskrankheit, teilweise innerhalb eines Jahres sogar 70-80% der
Ulkuspatienten, und so blieb diese Krankheit weiterhin „unbesiegt“. [12,13,17]
Nach Einführung des ersten fiberoptischen, flexiblen Gastroskops ist es Steer und
Colin-Jones 1975 gelungen, durch Biopsien der Magenschleimhaut, bei
bestehenden Magenulcera, gram-negative Bakterien im Antrum des Magens in
6
80% nachzuweisen. Am „Royal Perth Hospital in Western Australia“ kam es im
Jahr 1982 durch die australischen Wissenschaftler B.J. Marshall (Mediziner) und
J.R. Warren (Pathologe) zum Durchbruch in der Entdeckung von Helicobacter
pylori (H.pylori). Ihnen ist bei Patienten mit chron. Gastritis und Magenulcera die
Isolierung und kulturelle Anzüchtung eines Urease-bildenden Mikroorganismus
(H.pylori) in der gastralen Mukusschicht gelungen. [3,15,71,74] In einer
Veröffentlichung vom Juni 1984 berichten Marshall und Warren von 100
untersuchten Einzelproben von entnommenen Biopsien aus dem intakten Magenantrum, welche im Rahmen einer Gastroskopie durchgeführt wurden. Das von
ihnen
zu
diesem
Zeitpunkt
noch
unbekannte
spiralig
oder
gekrümmte
beschriebene Bakterium („unidentified curved bacilli“) konnte in 58 Proben nachgewiesen werden. Der Verdacht der Pathogenität dieses Bakteriums erhärtete
sich bei den Wissenschaftlern dadurch, dass es in nahezu allen Proben von den
Patienten mit nachgewiesener aktiver chronischer Gastritis, Duodenal- oder
Magenulkus präsent war. [20] Der von den australischen Wissenschaftlern
Marshall und Warren als zunächst „Campylobacter pyloridis“ und danach zu
„Campylobacter
pylori“
klassifizierte
Keim,
wurde
5
Jahre
nach
seiner
Veröffentlichung im Jahr 1989 von C.S. Goodwin, J.A. Armstrong und T. Chilvers
nach r-RNA-Analysen und Untersuchungen der Struktur zu „Helicobacter pylori“
umbenannt. [3,71]
Nach der Entdeckung von H.pylori erwachte erst 1987 das Interesse der Kliniker
an diesem Bakterium, als die Kenntnis vermittelt wurde, dass eine erfolgreiche
Behandlung der H.pylori-Infektion bei Ulcus duodeni zu einer drastischen Senkung
der Rezidivrate dieser Krankheit führt. So wurde schließlich die Suche nach
effektiven
Behandlungsstrategien
intensiver.
Zahlreiche
Studien
mit
ver-
schiedenen antibakteriellen Substanzen zeigten, dass eine Sonderbehandlung
von Nöten ist, um die H.pylori-Infektion erfolgreich zu behandeln. [21]
Festzuhalten
ist,
dass
die
Entdeckung
von
H.pylori
richtungsweisende
Auswirkungen auf die Therapie der Ulkuskrankheit hatte und immer noch hat, und
dass im Jahre 2005 die Signifikanz der Entdeckung mit dem Nobelpreis für
Medizin für R. Warren und M. Marshall gewürdigt wurde. Die H.pyloriEradikationstherapie wurde an Patienten mit chronischen, immer wiederkehrenden
7
Magenulzera getestet, und ist die aus der Entdeckung resultierende Therapie.
Dass ausgehend durch verschiedene Faktoren, vor allem die der verbesserten
Lebensbedingungen, aber vermutlich auch der etablierten Eradikationstherapie,
die Prävalenz der Infektion mit H.pylori in den letzten Jahrzenten sinken zu
scheint, zeigten weiterführende epidemiologische Untersuchungen. [22] Durch die
Entdeckung von H.pylori wurde auch erstmals in der langen Geschichte der
Humanmedizin eine ätiopathogenetische Klassifikation der Gastritiden möglich.
Ebenso konnte man das erste Mal die häufigste Form der Gastritiden, die H.pyloriGastritis, eine der häufigsten Infektionskrankheiten in der Humanmedizin,
erfolgreich kausal therapieren. Die Ulkuskrankheit, welche sich als H.pyloriGastritis-Folgekrankheit herausgestellt hat und mit lebensbedrohlichen Folgen
verbunden sein kann, konnte aufgrund der beschriebenen Tatsachen ebenso auf
Dauer geheilt werden. [21]
8
Historischer Überblick über wichtige Entdeckungen in der Gastroenterologie
tabellarisch zusammengefasst
5. Jahrhundert v. Chr.
Hippokrates
4 Säfte-Theorie
16. Jahrhundert n. Chr.
Paracelsus
Krankheiten
durch
chemische
Veränderungen; geleitet von Kräften
und Energie des Universums
1702
M. Ettmüller
Das Ulkus wird erstmals schriftlich
festgehalten:
„Ulcus
in
urifio
ventriculi“
1752
R. de Réaumur,
erste Vermutungen und Versuche
1793
L. Spallanzani
zum sauren Magensaft
Frühes 19. Jahrhundert
W. Prout
Säuregehalt im Magen bewiesen.
I. Boas
Erste Studien zur Funktion des
Magens; Begründer der
Gastroenterologie als Spezialfach
1836
T. Schwann
Entdeckung von „Pepsin“
1868
Kussmaul
Erster Versuch einer Gastroskopie
1881
Mikulicz
Verwendung eines starren
Endoskops
1881
1893
Billroth, Pean, Moynihan, Erste Durchführungen von
Ridiger
Gastrektomien
Camillo Golgi
Säureaustritt aus den Parietalzellen
durch
1906:
Anfärbung
mit
Nobelpreis
Silbernitrat
für
Medizin
zusammen mit Santiago Ramon y
Cajal
G. Bizzozero
Erstbeschreiber eines spiralförmigen
Mikroorganismus
in
der
Magen-
schleimhaut eines Hundes
1895
I.P. Pavlov
neuro-reflexgesteuerten Stimulation
der Magensaftsekretion
1904: Nobelpreis für Medizin oder
Physiologie
Ende 19. Jahrhundert
W. Jaworski
Spiralförmige
Mikroorganismen
in
menschlicher Magenmukosa nachgewiesen. „Vibrio rugula“
9
1905
J.S. Edkins
Entdeckung „Gastrin“
1910
D. K. Schwarz
„Ohne Säure kein Ulkus.“
1920
L. Popielski,
Histamin-vermitteltes Konzept der
1956
C.F. Code
gastralen Sekretion
1926
O. Loewi, E. Navratil
Entdeckung von Acetylcholin am
Froschherzen
1928
Konjetzny
Pathogene
Bedeutung
der
Spirochäten;
peptisches
Ulkus
ist
Folge
der
chronischen Gastritis
1932
R. Schindler
Begründer der Routinegastroskopie;
Erstbeschreiber
der
Gastritis.
erstes semiflexibles Endoskop.
1950er
Susumo Ito
erste
detaillierte
anatomische
Beschreibungen der Magenschleimhaut
durch
die
Elektronen-
mikroskopie (mit „spirilli“)
1970
Sir J.W. Black
Histamin-H2-Rezepetor und pharmakologische Antagonisten
1972: Nobelpreis für Medizin oder
Physiologie
1973
G. Sachs
Entdeckung der Protonen-Pumpen
und derer Inhibitoren (PPI)
1975
Steer, Colin-Jones
Biopsien der antralen Schleimhaut
mit
Nachweis
gram-negativer
Bakterien
1982
B.J. Marshall,
Entdeckung von Helicobacter
J.R. Warren
(Campylobacter) pylori
2005: Nobelpreis für Medizin oder
Physiologie
Tabelle 1: Historischer Überblick über wichtige Entdeckungen in der Gastroenterologie
(PPI: Protonenpumpeninhibitoren) [3,12,13,14,15,16,17,18,19,35,46,71]
10
2.2 Anatomie des Magens
2.2.1 Makroskopische Anatomie
Der Magen ist ein dehnbares sackförmiges Organ des GI-Trakts mit einem
potenziellen Fassungsvermögen von ungefähr 1200 bis 3000 ml und ist im linken
oberen Quadranten des Abdomens, gleich unter dem Diaphragma, zwischen dem
Ösophagus, der Speiseröhre, und dem Duodenum, dem Zwölffingerdarm,
lokalisiert. Die Form gleicht dem Buchstaben J. Die seitlichen Bereiche des
Magens werden üblicherweise in zwei Kurvaturen eingeteilt, wobei die mediale,
konkave, kleine Kurvatur die rechte obere Grenze, und die konvexe, große
Kurvatur die linke untere Grenze des Magens bildet. Außerdem unterteilt man ihn
in fünf Bereiche, und zwar in die Cardia, den Fundus, den Corpus, das Antrum
und den Pylorus. Die Cardia befindet sich gleich links der Mittelinie direkt im
Eingangsbereich aus dem Ösophagus zum Magen. Makroskopisch ist hier eine ZLinie zu sehen, die den abrupten Übergang der Mucosa des Ösophagus in die der
Cardia aufzeigt. Der Fundus ist eine kuppelförmige, nach kranial reichende Ausbuchtung des Magens und liegt links über dem gastroösophagealen Übergang.
Den größten Teil des Magens nimmt der Corpus ein, welcher unter dem Fundus
beginnt und sich bis zur Incisura angularis, einer Einbuchtung in der kleinen
Kurvatur, ausbreitet. Von der Incisura angularis und der distalen, unteren Grenze
des Corpus bis zum Pylorus befindet sich das Antrum. Der, dem Antrum nachfolgende, Pylorus enthält einen ausgeprägten, dicken, ringförmigen Muskel mit
einer Länge von 1-2cm, den Sphincter pylori, der den Magen mit dem Duodenum
verbindet. Die arterielle Blutversorgung wird von direkten (A. gastrica sinistra) und
indirekten (A. lienalis und A. hepatica communis) Ästen des Truncus coeliacus der
Aorta descendens gewährleistet, und projiziert sich auf Höhe des 12. Thorakalwirbels. Die Aa. gastricae sinistra et dextra versorgen die kleine Magenkurvatur
und die Aa. gastroomentales sinistra et dextra sind für die arterielle Versorgung
der großen Kurvatur verantwortlich. [23,24,25] Die nervale Innervation erreicht den
Magen sympathisch über das Ganglion coeliacum und auf parasympathischen
Weg. Der Magenschmerz wird vom Zentralnervensystem, ausgehend von den
afferenten sympathischen Bahnen geleitet. Die parasympathische Innervation
erfolgt durch den N. vagus, welcher die Verdauung durch Sekretion der Drüsen
reguliert und die Motilität des Antrums steuert. [24,25]
11
2.2.2 Mikroskopische Anatomie
Die innere Oberfläche wird von der Mukosa (1 mm hoch) und Submukosa ausgekleidet und bildet wahllos angeordnete Schleimhautfalten, welche sich im
Bereich des Antrums longitudinal ausbilden und bei starker Magenfüllung verstreichen. [24,25] Die Mukosa des gesamten Magens wird von einem einschichtigen zylindrischen Oberflächenepithel bedeckt. Dieser Magenschleimhaut
liegt ein 100-200μm dicker Schleimteppich auf, welcher aus zwei Muzin-Typen
(MUC5AC, MUC6) besteht. Bei mikroskopischer Lupenvergrößerung der Mukosa
zeigt diese ein Oberflächenrelief in Form von Magenfeldern, den Foveolae
gastricae. Von diesen Foveolae ausgehend ziehen tubulöse Magendrüsen in die
Lamina propria. Als Isthmus bezeichnet man den Übergang von der Foveola in
den Drüsenschlauch. [26]
2.2.2.1 Wandschichten
Die Wand des Magens besteht aus 4 Einheiten. Von innen nach außen unterscheidet man die Tunica (T.) mucosa, welche sekretorische Drüsen enthält, die T.
submucosa, welche hauptsächlich ein Verbindungsgewebe darstellt und Lymphozyten, Plasmazellen und neurovaskuläre Bestandteile aufzeigt. Der T. submucosa
folgt die T. muscularis propria. Diese besteht aus drei verschieden angeordneten
Lagen, und zwar aus den longitudinalen, circulären und schrägen Fasern. Vor
allem die circulär angeordneten Fasern winden sich um den Corpus und verdicken
sich im Bereich des Ausgangs des Magens und bilden dabei den Schließmuskel,
den Musculus sphincter pylori. Schließlich folgt auf die T. muscularis propria die T.
serosa. [24,25] Die der Bauchhöhle zugewandten Seite des Magens wird von
Serosa überzogen. [26]
2.2.2.2 Das enterische Nervensystem
Der Magen-Darm-Trakt besitzt in seinen Wänden ein eigenständiges Nervensystem, welches aus zwei ganglienzellhaltigen Nervenfasergeflechten besteht:
- Plexus submucosus: innerer submuköser Plexus (Meissner-Plexus), äußerer
submuköser Plexus
- Plexus myentericus (Auerbach-Plexus).
Die interstitiellen Zellen von Cajal sind als Schrittmacher und Vermittler zwischen
dem enterischen Nervensystem und der Muskulatur für die Motorik des Verdauungskanals von Bedeutung. [26]
12
2.2.2.3 Die Drüsen des Magens
Die Zellen des Corpus und des Fundus setzen sich aus den Parietal- (Beleg-),
Haupt-, Neben- (Schleim-) und den Enterochromaffine-like (ECL) Zellen zusammen. Diese exokrinen Zellen zeigen im Drüsenschlauch keine gleichmäßige
Verteilung. So befinden sich im oberen Bereich des Drüsenschlauches, dem
Drüsenhals, vor allem die Nebenzellen und auch die Parietalzellen, und in der
unteren Hälfte, dem Hauptteil, die Hauptzellen. Die ECL-Zellen sind unter der
Mukosa lokalisiert und für die Sezernierung von Histamin verantwortlich. Hauptzellen sezernieren, vor allem durch den Parasympathikus und durch Gastrin ausgelöst, Pepsinogene und Lipase. Parietalzellen sezernieren sowohl Salzsäure
(Protonen und Chlorid-Ionen) als auch den Intrinsic-factor, welcher für die Aufnahme von Vit-B12 im terminalen Ileum notwendig ist. Ein Mangel des Intrinsicfactors verursacht die reduzierte Absorption von Vit-B12 im Ileum und hat die
perniziöse Anämie zur Folge. Die Zellen des Antrums, sowie die der Cardia
enthalten hauptsächlich schleimbildende (Neben-) Zellen, welche Muzin und
Pepsinogen ausschütten. Nur im Antrum vorkommend sind die endokrinen Zellen,
bestehend aus G-Zellen, die Gastrin absondern, einem Peptidhormon, das über
den Blutweg die ECL-, Parietal- und Hauptzellen stimuliert. Die G-Zellen werden
durch das enterische Nervensystem und chemische Reize stimuliert. Auch nur im
Antrum vorkommend sind die D-Zellen, welche Somatostatin sezernieren. Die
Drüsen der Cardia und des Pylorus enthalten rein muköse Drüsen. [24,25,26,27]
2.2.3 Funktionelle Anatomie
Der Magen hat im Verdauungssystem zwei große Hauptfunktionen. Die aufgenommene Nahrung passiert den Magen durch die gastroösophageale Verbindung,
wo diese durch die Magensäure und die Verdauungsenzyme zum Chymus, dem
Speisebrei, verarbeitet werden. Hier beginnt bereits die Protein- und Fettverdauung. Außerdem stellt der Magen für die aufgenommene Nahrung eine Art
Reservoir dar, welches den Chymus in kontrollierten Schritten in Richtung Dünndarm transportiert. [24,25,27] Funktionell wird ein proximaler von einem distalen
Magen unterschieden. Der proximale Magen wird von der Cardia, dem Fundus
und dem ersten Drittel des Corpus gebildet und besetzt die Rolle der Speicherfunktion. Im Gegensatz dazu setzt sich der distale Magen aus den restlichen zwei
Drittel des Corpus und dem Antrum zusammen und übernimmt die Rolle der
13
Durchmischungs- und Aufbereitungsfunktion. Im Rahmen der Ernährung übernimmt der Magen die wichtige Rolle durch seine sekretorischen, motorischen und
humoralen Mechanismen. Aufgrund der Tatsache, dass der Magen kein lebenswichtiges Organ darstellt, kann bei Bedarf eine vollständige Gastrektomie durchgeführt werden. Bevor die Nahrung den Magen durch die Engstelle des unteren
Pylorus in Richtung Dünndarm passiert, wirkt der Pylorus als eine Art Sieb, der zu
große, nicht ausreichend aufbereitete Nahrungsmittel vor dem Eintritt in das
Duodenum aussortiert bis diese adäquat verarbeitet sind. Eine Hypertrophie des
Pylorus hat zur Folge, dass die Nahrung den Magen nicht in Richtung Dünndarm
verlassen kann und resultiert in schwallartigem Erbrechen und wird am häufigsten
bei Neugeborenen beobachtet. [24,25,27]
2.3 Physiologie des Magens
Pro Tag werden in den Drüsen und von den oberflächlichen Zellen des Magens
ein- bis zwei Liter Magensaft produziert, deren pH-Wert zwischen 1,0 und 7,0
schwankt. Der pH-Wert ist davon abhängig, ob sich der Magen in der digestiven
(aktiven) oder in der interdigestiven (unstimulierten) Phase befindet. Für die interdigestive Phase ist ein Na+-reiches (140-150 mmol/l) und H+-armes Milieu typisch,
die digestive Phase dagegen ist Na+-arm (kleiner 10 mmol/l) und H+-reich. Die
Hauptkomponenten des Magensafts sind Wasser, Salzsäure (HCl), Ionen (Na+, K+
und Cl-), der Intrinsic-factor, Pepsine, Schleim aber auch verschluckter Speichel
und zurückfließender Duodenalsaft. Die Schleimbarriere der Epitheloberfläche des
Magens ist reich an HCO3- (Bikarbonat) und schützt das darunterliegende Epithel
durch die Aufrechterhaltung des pH-Wertes der oberflächlichen Magenschleimhaut von 6-7 vor der Selbstverdauung durch HCl und Pepsine aus dem Lumen
(pH-Wert 1-2). Alkohol und Gallensäuren können diese schützende Schicht unterbrechen und stören. [9,28,29]
Die meisten Zellen des GI-Trakts produzieren Prostaglandine. Die beiden
wichtigsten stellen dabei Prostaglandin E2 (PGE2) und I2 dar. Lokal produzierte
Prostaglandine stimulieren die Sekretion von Schleim und HCO 3-, reduzieren die
Säuresekretion und wirken der Vasokonstriktion der Schleimhautblutgefäße
entgegen. Störungen bei der Sekretion und den schützenden Mechanismen sind
in der Entstehung des peptischen Ulkus und der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) beteiligt, aber auch für die Schädigung der Magenschleimhaut
14
durch nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAR) mitverantwortlich. Die Magensäure
fördert die proteolytische Verdauung von Nahrungsbestandteilen und ist ein
wichtiger Faktor bei der Absorption von Eisen. [29] Außerdem wirkt HCl in der
Destruktion von aufgenommen Bakterien unterstützend, wobei H.pylori dabei eine
Ausnahme darstellt. [27]
PROTEKTIVE FAKTOREN
Oberflächliche Muzinschicht,
Mukuszusammensetzung,
intaktes Epithel
Bikarbonat
Normale Blutzirkulation
PGE2
AGGRESSIVE FAKTOREN
Pepsin, Gallensäuren, Pankreasenzyme
Alkohol, Rauchen, Medikamente (NSAR,
Acetylsalicylsäure (ASS))
H.pylori
Salzsäure, Gastrin, Histamin, gesteigerter
Vagotonus
Ischämie, Stress, neurale Einflüsse
Tabelle 2: Protektive und aggressive Faktoren der Magenschleimhaut (PGE2: Prostaglandin E2, H.pylori: Helicobacter pylori, NSAR: Nicht steroidale Antiphlogistika) [28,29]
Modifiziert nach Böcker et al. [30]
2.3.1 Pepsin
HCl ist ebenso für die Umwandlung von inaktivem Pepsinogen in Pepsin verantwortlich. [27] Die Hauptfunktion von Pepsin ist die Einleitung der Verdauung
von aufgenommenen Proteinen. Außerdem spielt Pepsin eine äußerst wichtige
Rolle in der Entstehung des Ulcus ventriculi und Ulcus duodeni. Bei Fehlen von
Pepsin kann Magensäure allein kein Ulkus verursachen. Demzufolge könnten sich
die Hemmung der Umwandlung von Pepsinogen zu Pepsin und die optimale
Aufrechterhaltung des pH-Wertes des Magensaftes in der Therapie der Ulkuskrankheit positiv auswirken. [31] Der saure pH-Wert im Magen initiiert die
Aktivierung der sezernierten Pepsinogene. Bei einem pH-Wert zwischen 5,0 und
3,0 kommt es zu einer langsamen Aktivierung von Pepsinogen, wobei die Geschwindigkeit bei Absinken des pH-Wertes auf unter 3,0 dramatisch zunimmt. Das
dabei entstehende Pepsin trägt zur Autoaktivierung bei, indem es Pepsinogen
aufspaltet. Steigt der pH-Wert auf über 3,5 an, so kommt es zu einer reversiblen
Inaktivierung von Pepsin. Irreversibel wird diese Inaktivierung durch pH-Werte ab
7,0. [27]
15
2.3.2 Säuresekretion
Die Rolle der Säuresekretion und dessen Regulierung ist für die Pathogenese der
peptischen Ulcera von großer Bedeutung und ist ein wichtiger Ansatzpunkt für die
Arzneimittelwirkungen. [29] Die Mukosa des Fundus und des Corpus besitzen
Parietalzellen (syn. Belegzellen), die HCl sezernieren. Es befinden sich
schätzungsweise eine Milliarde solcher Parietalzellen in der menschlichen Magenmukosa, welche die Fähigkeit besitzen mehr als 3 x 10 6 Wasserstoff-Ionen pro
Sekunde zu produzieren. Aufgrund dieser intensiven Säureproduktion ist der
Magensaft sehr sauer und hat somit einen niedrigen pH-Wert, der bei hoher
Säuresekretion bei unter 1 liegen kann. Die tubulo-vesikulären Strukturen, die
unter der apikalen Membran liegen, beinhalten die Protonen-Kalium-Pumpe, die
sogenannte H+/K+-ATPase, welche den Motor für die Säuresekretion darstellt. Die
maximale Rate der Säuresekretion ist abhängig vom Alter und dem jeweiligen
Geschlecht. Männliche Personen produzieren maximal 10-30 mmol pro Stunde,
wobei weibliche Personen eine bis zu 25-40% niedrigere Rate aufweisen. [27,28]
2.3.2.1 H+/K+-ATPase
Die H+/K+-ATPase ist das, in den Parietalzellen vorkommende, verantwortliche
Enzym für die Pumpfunktion der Säuresekretion, indem primär-aktiv, durch ATPVerbrauch, H+ im Austausch gegen K+ in das Drüsenlumen sezerniert wird. Die in
der apikalen Membran vorhandenen Kaliumkanäle sorgen für eine ausreichende
Verfügbarkeit von K+ im Lumen. Aus dem CO2 stammen die sezernierten H+Ionen. Aus der wässrigen Umgebung des Zytosols dissoziiert CO 2 zu HCO3- und
H+. Das Enzym Carboanhydr(at)ase führt zu einer Beschleunigung dieses Prozesses. Über apikale Kanäle diffundiert Cl- in das Magenlumen, sodass Salzsäure
(HCl) sezerniert wird. Der pH-Wert steigt aufgrund des, durch die H+-Sekretion
ausgelösten, Überschusses an zytosolischem HCO3-. Durch einen basolateralen
HCO3-/Cl--Austauscher verlässt HCO3- die Zelle. Dieser liefert die nötige Menge
Cl- für die Sekretion in das Lumen. Schließlich regulieren die basolateralen
Na+/H+-Austauscher zusätzlich den im Zytosol herrschenden pH-Wert. [27,32]
2.3.2.2 Stimulation der Säuresekretion
Die Säuresekretion kann entweder durch direkte Stimulation von Rezeptoren auf
den Parietalzellen, unter anderem durch Histamin, Acetylcholin oder Gastrin
gesteigert werden, oder auch über den indirekten Weg durch Stimulation der
16
Histaminfreisetzung aus den ECL-Zellen, welche den Parietalzellen sehr nahe
gelegen sind, bzw. zum Teil aus den Mastzellen. Die Histaminfreisetzung, der
wichtigste Stimulus für die Säuresekretion, wird wiederum durch Acetylcholin und
Gastrin stimuliert. [27,29] Histamin entfaltet seine Wirkung über H2-Rezeptoren auf
Parietalzellen. Dies führt zu einer Steigerung der Säuresekretion durch eine
cAMP-vermittelte Stimulation der Protonenpumpe. [52] Die Hemmung der
Histamin-H2-Rezeptoren war therapeutisch gesehen äußerst erfolgreich, bis diese
durch die noch wirksameren Protonenpumpenhemmer überholt wurden. Die
Hemmung der Acetylcholin- und Gastrinrezeptoren hat sich jedoch therapeutisch
nicht bewährt. [8] Die G-Zellen in den Antrumdrüsen und auch im Duodenum
sezernieren Gastrin. Dessen Freisetzung wird durch die Magendehnung, durch
luminale Aminosäuren und durch das Gastrin-releasing peptide (GRP) stimuliert,
wobei die Magendehnung den stärksten Reiz zur Gastrin-Sekretion darstellt,
weshalb eine Magenausgangsstenose eine Übersäuerung des Magens zur Folge
hat. Ebenso kann die Freisetzung aber auch durch Ca2+ aus dem Plasma oder
Noradrenalin erhöht werden. Gastrin ist für die direkte Stimulation der Säuresekretion, für die Verstärkung der digestiven Peristaltik im Antrum, für den
Blutfluss, auch für die Stimulation des Mukosawachstums in Magen, Dünndarm
und Dickdarm, aber auch für die Stimulation der ECL-Zellen verantwortlich. Die
Stimulation zur Säuresekretion der ECL-Zellen wird durch die Bindung von Gastrin
an die Gastrin/Cholecystokinin(CCK)2-Rezeptoren bewirkt, wodurch der intrazelluläre Ca2+-Spiegel steigt. Aminosäuren und kleine Peptide stimulieren direkt
die Gastrin-sezernierenden Zellen, wie auch Milch und Calciumsalze wirken, was
somit erklärt, warum der Gebrauch von Calcium-enthaltenden Salzen als Antazida
unangebracht ist. [9,27,29]
2.3.2.3 Hemmungen der Säuresekretion
Gehemmt wird die Freisetzung durch Somatostatin und luminale Säure. Somatostatin stellt den wichtigsten Hemmer der Säuresekretion dar und wird von den DZellen, durch CCK und einen pH-Abfall <4, aus verschiedenen Lokalisationen
abgegeben. [27,29,52] Ebenso bekannte wichtige Inhibitoren der Säuresekretion
stellen EGF (epidermal growth factor), TGF-α (Transforming growth factor),
Neurotensin, Sekretin, das Peptid YY, Prostaglandin E2, CCK, Serotonin,
Interleukin-1, GIP (gastric inhibitory polypeptide), GLP-1 und GLP-2 (Glucagonlike Peptide) dar. [28,52] Somatostatin und das VIP (vasoaktives intestinales
17
Peptid) antagonisieren die Histaminwirkung und hemmen bzw. vermindern somit
auf direktem Wege die stimulierte Säuresekretion. Auf indirekte Weise werden die
Histaminsekretion aus den ECL-Zellen und die Gastrinsekretion aus den G-Zellen
des Antrums gehemmt. Cholinerge Agonisten hemmen die Sekretion von Somatostatin, da der N.vagus indirekt die Säuresekretion stimuliert. Die direkte vagale
Erregung kann auch durch die Freisetzung von Acetylcholin, welches direkt den
Muscarin-3-Rezeptor an den Parietalzellen aktiviert, die Säuresekretion auslösen
und gilt als Basis für die Entstehung für Stress-Ulzera. [29] Die Somatostatinsekretion wird aber durch Gastrin stimuliert. Somit stellt die Wechselwirkung mit
Gastrin eine negative Rückkoppelung dar. Auch aus dem Duodenum und Jejunum
gibt es eine Rückkopplungshemmung der Säuresekretion durch Lipide, Säure und
der erhöhten Osmolalität im Dünndarm. Dabei spielt unter anderem Sekretin aus
den S-Zellen des Duodenums eine wichtige Rolle, welches die Gastrinfreisetzung
hemmt und die Freisetzung von Somatostatin fördert. PGE2 hemmt die Parietalzellen und reduziert die Histamin- und Gastrinfreisetzung. [27]
18
2.4 Gastritis
Ca. 50% der Weltbevölkerung, und 35% der europäischen Bevölkerung (mit
regionalen Unterschieden) leiden an einer Gastritis. [21]
2.4.1 Definition
Unter einer Gastritis versteht man jede histologisch gesicherte Infiltration der
Magenschleimhaut durch Entzündungszellen. [30,33]
2.4.2 Klassifikation
Die Gastritiden unterteilt man klinisch in die akute und die chron. Gastritis. [9,33]
Für Kliniker, Endoskopiespezialisten und Pathologen führte die Einführung der
verschiedenen
Klassifikationen
zu
einer
besseren
Übereinstimmung
der
Gastritiden. Die histologische Auswertung der Magenschleimhaut ist für die
Klassifikation und Diagnose der Gastritiden von wichtiger Bedeutung. [34]
2.4.2.1 Akute Gastritis
Bei der akuten oder aktiven Gastritis überwiegen in der Mukosa der Magenschleimhaut die Granulozyten. [30] Die akute hämorrhagische oder erosive
Gastritis kann entweder durch exogene Noxen, wie Alkoholexzesse, ASS, NSAR,
Glucocorticoide, Zytostatika und Strahlentherapien, oder durch endogene
Ursachen, wie Stresssituationen, entstehen. Stresssituationen stellen psychische
und/oder physische Belastungen wie Verbrennungen, Schockzustände, intrakranielle Erkrankungen aber auch Leistungssport („Runner’s stomach“) dar. [9,33]
Dabei kommt es zu einer Störung der Mukosabarriere, mit der Folge, dass es zu
einer verstärkten Rückdiffusion von H+-Ionen kommt, und die Schleim- und
Bikarbonatproduktion abnimmt. Auch die ATP-Bildung der Mukosa, die Zellregeneration und die Durchblutung werden dadurch beeinträchtigt. [36] Eine
weitere Form der akuten Gastritis ist die akute H.pylori-Gastritis, welche häufig im
Kindesalter auftritt, aber meist erst im chronischen Stadium diagnostiziert wird.
Eine sehr seltene Form der akuten Gastritis ist die akute phlegmonöse oder eitrige
Gastritis, welche häufig als Folge einer Sepsis mit schlechter Prognose auftritt.
[33]
19
2.4.2.2 Chronische Gastritis
Ein ausschließlich lympho-plasmazelluläres Infiltrat ist ein Merkmal für die chron.
Gastritis. Die Einteilung der chron. Gastritis erfolgt durch zwei Klassifikationssysteme, der ABC-Klassifikation und der Sydney-Klassifikation. [9,30] Die ABCKlassifikation beinhaltet ätiologische und histologische Kriterien und zeigt folgende
Haupttypen:
- Typ-A-Gastritis (Autoimmungastritis)
- Typ-B-Gastritis (bakterielle „H.pylori-“ Gastritis)
- Typ-AB-Gastritis (Mischform der autoimmun-bakteriellen Gastritis)
- Typ-C-Gastritis (chemisch-reaktive Gastritis)
Des Weiteren werden diverse andere Sonderformen der Gastritiden unterschieden.
Basierend auf der ABC-Klassifikation, die 1988/89 von Heilmann, Sollte et. al,
Wyatt und Dixon eingeführt wurde, wurde 1990 die Sydney-Klassifikation von
Misiewicz et al. eingeführt, die noch zusätzlich zu der ABC-Klassifikation
endoskopische, topographische und morphologische Kriterien enthält. [9,11,21,30,
35] Histologische Parameter beinhalten:
- den Grad der Entzündung
(Dichte der Infiltration der T.propria mit
Lymphozyten und Plasmazellen)
- die Aktivität der Entzündung (Dichte der Infiltration der T.propria mit
neutrophilen Granulozyten)
- die Atrophie des Drüsenkörpers
- die Dichte der H.pylori-Besiedelung
- die intestinale Metaplasie
Es werden vier Stufen (normal - geringgradig - mittelgradig – hochgradig) bei der
Sydney-Klassifikation unterschieden. Diese Klassifikation wurde zunächst nach
europäischen Richtlinien eingeführt. Um aber amerikanische und europäische
Richtlinien zu vereinen, wurde im September 1994 in Houston im Zuge des
Kongresses der European Helicobacter pylori Study Group (EHPSG) eine neuaufgelegte Fassung der Sydney-Klassifikation („Updated-Sydney-Classification“),
mit minimalen Modifikationen, eingeführt. Die Biopsie-Empfehlungen im Zuge der
Gastroskopie wurden erweitert. [21,35] Zur Einschätzung des Schweregrades der
Gastritis und der Atrophie der Magenschleimhaut werden ebenso spezielle Score20
systeme eingesetzt, die das Risiko für die Entstehung eines Magenkarzinoms einschätzen. Dazu gehören die Systeme:
- OLGA (Operative Link for Gastritis Assessment)
- OLGIM (Operative Link for gastric Intestinal Metaplasia) [80]
2.4.2.2.1 Typ-A-Gastritis
Die Autoimmungastritis macht in etwa 2,5-5% aller Gastritiden aus und ist vor
allem in der Cardia und dem Corpus lokalisiert. Diese kommt durch eine immunologisch vermittelte Zerstörung der tiefen Corpusdrüsen zustande, welche evtl.
genetisch bedingt sein könnte. Die Autoimmunreaktionen richten sich in 90% der
Fälle gegen die Parietalzellen und die H+/K+-ATPase, sowie in 70% der Fälle
gegen den Intrinsic-factor. Auffallend ist, dass besonders Nordeuropäer an der
Typ-A-Gastritis betroffen sind. Histologisch zeigt sich ein dichtes lymphozytäres
Entzündungsinfiltrat in der Corpus- und Fundusschleimhaut mit Drüsendestruktionen und reaktiver Hyperplasie der Parietalzellen. Die Folge ist eine
Achlorhydrie und eine perniziöse Anämie. Im Verlauf der Erkrankung zeigen die
Parietalzellen fortschreitende Destruktionen, was eine Schleimhautatrophie zur
Folge hat. [9,30,33]
2.4.2.2.2 Typ-B-Gastritis
Die bakterielle Gastritis entsteht fast ausschließlich durch die Infektion der Magenschleimhaut mit H.pylori und macht mit einem Vorkommen von ca. 80% aller
Gastritiden die häufigste Form aus. H.pylori wirkt wie ein Antigen auf die Mukosa
des Magens und löst eine lokale Immunantwort aus. Die Folge ist eine chronische
aktive Gastritis. [9,21,73] Fast 100% der H.pylori-infizierten Personen entwickeln
eine Gastritis. [61] Die Typ-B-Gastritis ist vor allem im Magenantrum lokalisiert.
[9,30] Die Dichte der Kolonisation von H.pylori bestimmt das Ausmaß der Gastritis.
[15] Eine sehr seltene Form der bakteriellen Gastritis stellt die Infektion mit
Helicobacter-heilmannii dar. [9] Die Prävalenz des Keimes beim Menschen beträgt
ca. 0,5%. [73] Dieser Keim ist zwei bis drei Mal so lang wie H.pylori, hat eine
klassische korkenzieherartige Struktur, und wurde von dem Pathologen Konrad
Heilmann entdeckt. Diese ist eine von Hunden und/oder Katzen übertragene
Zoonose. Diese ist fast ausschließlich bei Männern und im Antrum, in herdförmiger Anordnung in gleichen Grübchen, zu finden. Bei Verdacht auf eine
21
Infektion mit diesem Bakterium, sollte in den Tiefen der Grübchen gesucht
werden. Diese Form der Gastritis ist im Vergleich zur H.pylori-induzierten Gastritis
geringgradig und weniger aktiv, es lassen sich fast nie Erosionen oder
Ulzerationen finden. [9,21,30] Allerdings ist dieses zoonotisch vorkommende
Bakterium mit dem Auftreten eines MALT-Lymphoms assoziiert. [73]
2.4.2.2.3 Typ-C-Gastritis
7-15% aller Patienten mit chron. Gastritis zeigen eine chemisch-reaktive Gastritis.
Diese ist wie die Typ-B-Gastritis im Antrum lokalisiert und wird durch endogene
oder exogene Faktoren induziert. Zu den endogenen Faktoren zählen unter
anderem Galle oder Pankreassekret und die exogenen Faktoren beinhalten
Alkohol, NSAR oder ASS. Morphologisch zeigt sich eine Rötung der Magenschleimhaut und eine ausgeprägte und polypöse Verdickung des Faltenreliefs.
Außerdem finden sich fibrinbedeckte Erosionen, die histologisch foveoläre Hyperplasien mit reaktiven Epithelatypien aufweisen. Außerdem zeigen sich histologisch
dilatierte Gefäße, nur geringgradige chronische nichtaktive Entzündungsinfiltrate in
der oberen T. propria, mäßige apikale ödematöse Veränderungen des Stromas
und reaktive Proliferationen von glatten Muskelzellen. Selten finden sich herdförmige intestinale Metaplasien. Auch Lymphfollikel sind nicht nachzuweisen.
[9,21,30,33]
2.4.2.2.3 Sonderformen
Die diversen, selteneren Gastritiden können durch zahlreiche ätiologische
Faktoren verursacht werden und machen ca. 3-4% aller Gastritiden aus. Dazu
zählen
unter
anderem
die
eosinophilen
Gastritiden,
die
metaplastisch-
atrophischen Gastritiden oder Gastritiden viraler Genese, z.B. durch das Herpesoder Cytomegalievirus (CMV). Ebenso seltene Ursachen für Gastritiden stellen
Parasiten dar. Außerdem zählt man die granulomatösen Gastritiden (z.B. bei
Sarkoidose, Mb. Crohn, Whipple-Krankheit, bei Fremdkörpern oder WegenerGranulomatose) und die lymphozytären Gastritiden, welche unter anderem bei der
Zöliakie auftreten kann, zu den Sonderformen. Auch die Riesenfaltengastritis
(syn.: Mb. Ménétrier) und die kollagenen Gastritiden sind seltene Formen der
Gastritis. [9,11,24,33,36]
22
2.4.2.2.3.1 Riesenfaltengastritis
Die Riesenfaltengastritis wird bei erwachsenen Personen durch eine H.pyloriInfektion verursacht und wird meist als Zufallsbefund bei asymptomatischen
Patienten im Rahmen der ÖGD diagnostiziert. [36] Die Riesenfaltengastritis
kommt vor allem im Corpus und Fundus vor. Die Riesenfalten können lokal oder
generalisiert auftreten. Nach der Eradikation von H.pylori normalisiert sich das
histologische und endoskopische Bild wieder weitgehend. Sollten die Riesenfalten
trotz erfolgreicher Eradikation persistieren, muss ein diffus wachsendes Magenkarzinom oder ein Lymphom ausgeschlossen werden. [21]
2.4.3 Klinisches Bild und Komplikationen
Es besteht oft nur ein bescheidener Zusammenhang zwischen einer Gastritis und
Symptomen wie Schmerzen und/oder Übelkeit. Viele Patienten mit einer bestehenden Gastritis haben tatsächlich keine Symptome, welche auf den Magen
zurückzuführen sind. [11] Die klinische Bedeutung der Gastritiden besteht in der
Schädigung der Magenschleimhaut und der damit verbundenen Prädisposition
zum Ulcus ventriculi, der atrophischen Gastritis, der intestinalen Metaplasie und
der malignen Entartung des Magens (Adenocarcinom, MALT-Lymphom). [34]
2.4.3.1 Akute Gastritis
Die akute Gastritis kann sich klinisch durch verschiedene Symptome, abhängig
vom Schweregrad, präsentieren. Dazu zählen unter anderem die Inappetenz,
Übelkeit und Erbrechen, die Regurgitation, ein Druckgefühl im Oberbauch und der
epigastrische Druckschmerz. Auch unangenehmer Geschmack im Mund kann bei
akuter Gastritis als ein Symptom auftreten. Komplikationen stellen die Magenblutung bei erosiver Gastritis dar, aber auch Stress-Ulzera können als
Komplikation der akuten Gastritis auftreten. [9,33] Die akute Gastritis heilt in den
meisten Fällen spontan ab. [36] Die akute H.pylori-Gastritis wiederum heilt nicht
spontan ab und geht in eine chron. Gastritis über, die bei 10-20% der H.pyloriinfizierten Patienten klinisch manifest wird. [15]
2.4.3.2 Chronische Gastritis
Oft bestehen bei einer chronischen Gastritis keinerlei Symptome. Bei einer
Infektion der Magenschleimhaut mit H.pylori kann evtl. Halitosis (Mundgeruch)
auftreten. Unspezifische Oberbauchbeschwerden (dyspeptische Symptome),
23
Übelkeit und Erbrechen kann man bei der Antrumgastritis mit H.pylori-Besiedelung
bei jeder fünften infizierten Person beobachten. [9,61,80] Typisch ist aber die
lange latente Periode. [61] Komplikationen der Typ-B-Gastritis sind vor allem die
Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre. 20-30% der Patienten mit einer H.pyloriGastritis entwickeln im Laufe ihrer Erkrankung ein Ulkusleiden. [21] Das Magenkarzinom stellt mit einem Risiko von 1:3000 eine weitere Komplikation der Typ-BGastritis dar. Der endgültige Beweis dafür, dass die H.pylori-induzierte Gastritis
eine präkanzeröse Kondition darstellt, ergab sich bei 3 unabhängigen epidemiologischen Studien aus dem Jahr 1991. Diese konnten den statistisch signifikanten
Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der H.pylori-Durchseuchung und der
Magenkarzinome nachweisen. Das relative Risiko für die Entstehung einer
malignen Entartung der Magenschleimhaut aufgrund einer zugrundeliegenden
H.pylori-Gastritis lag in diesen Studien zwischen 2,8 und 6,9. [21] Andere
Folgeerkrankungen sind das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom oder Marginalzonen-B-Zell-Lymphom des MALT (früher Pseudolymphom genannt) mit einem
Risiko von 1:40.000 (laut Herold G. und Mitarbeiter). [9,17,33] Die Inzidenz
korreliert mit der Prävalenz der H.pylori-Infektionen. Z.B. kann in Venezien (Oberitalien) bei einer H.pylori-Prävalenz von 87% eine sehr hohe Inzidenz von 13,2 pro
100.000 Einwohner angegeben werden. Im Vergleich dazu kann England, mit
einer H.pylori-Prävalenz von 50-60%, eine weitaus niedrige Inzidenz aufweisen. In
den USA wird die Inzidenz bei H.pylori-infizierter Population mit 1:30.000 bis
1:80.000 angegeben. Generell kann bei >95% aller Patienten mit einem MALTLymphom eine zugrundeliegende chronische H.pylori-Gastritis diagnostiziert
werden. Dass das Risiko bei zugrundeliegender H.pylori-Infektion für die Entwicklung des Magenlymphoms um den Faktor 4.0-6.0 erhöht wird, zeigten serologische Untersuchungen aus großen Fall-Kontroll-Studien. [73] Auch die idiopathische chronische Urtikaria oder ätiologisch unerklärte Eisenmangelanämie
können klinisch durch die Typ-B-Gastritis hervorgerufen werden. [9,33] Die
Eradikation von H.pylori führt zu einer Heilung der betroffenen entzündeten
Magenschleimhaut mit daraus resultierender normaler gastraler Sekretion. [61]
Einige der Patienten mit einer Typ-A-Gastritis zeigen weitere Autoimmunerkrankungen
wie
Mb.
Addison,
Diabetes-mellitus-Typ-I,
die
Hashimoto-
Thyreoiditis oder andere. Die Komplikationen der Typ-C-Gastritis sind vor allem
das duodenale und gastrale Ulkus. [9,33]
24
2.4.4 Diagnostik
Aufgrund der nahezu immer altersunabhängigen bestehenden Differentialdiagnose zum Magenkarzinom und der damit verbundenen nicht abgrenzbaren
Symptome, ist bei Bestehen der geschilderten Beschwerdesymptomatik immer
eine Gastroskopie indiziert. Die Ösophago-Gastro-Duodenoskopie (ÖGD), mit
Biopsien zur histologischen und evtl. mikrobiologischen Begutachtung, ist die
Untersuchung der Wahl. [37]
2.4.4.1 Akute Gastritis
Zur Abklärung einer akuten Gastritis sollte die Aufklärung einer gegebenenfalls
vorliegenden exogenen Ätiologie erfolgen. In der ÖGD sind makroskopisch
Schleimhauterytheme mit teilweise vorhandenen Petechien, sowie erosive
Schleimhautdefekte zu sehen. [36]
2.4.4.2 Chronische Gastritis
Die bei der ÖGD durchgeführten Biopsien müssen stets aus dem Corpus und dem
Antrum des Magens entnommen werden. Makroskopisch finden sich, ähnlich wie
bei der akuten Gastritis, Schleimhauterytheme und auch erosive Schleimhautläsionen. Bei der Typ-A-Gastritis sollten serologische Untersuchungen vorgenommen werden, um Antikörpertiter gegen Parietalzellen und den Intrinsic-factor
zu bestimmen. Ebenso sollten weitere Autoimmunerkrankungen ausgeschlossen,
und der Vit-B12-Spiegel kontrolliert werden. Um eine Typ-B-Gastritis auszuschließen oder zu diagnostizieren muss die Magenschleimhaut auf das
Vorhandensein von H.pylori untersucht werden (siehe Kapitel 4: Helicobacter
pylori, 4.7 Diagnostik). Die makro-endoskopische Befunderhebung ist für die
chron. Gastritis und das Vorliegen einer H.pylori-Infektion nicht ausreichend. Das
makroskopische Bild kann sich mit einer Vorwölbung der Magenschleimhaut durch
eine lymphatisch-bedingte Hyperplasie zeigen, was als „Gänsehautphänomen“
bezeichnet wird. In den meisten Fällen ist diese aber nicht nachweisbar, und so
kann trotz vorhandener Infektion der Magenschleimhaut keine makroskopische
Auffälligkeit beobachtet werden. [15,35,78] Histologische Charakteristika der
H.pylori-induzierten Gastritis beinhalten den teilweisen Ersatz des Oberflächenepithels mit einem Regenerationsepithel, zum Teil Schleimdepletionen, Lymphfollikelbildungen, intestinale Metaplasien und/oder fokale Atrophien. Histologisch
25
zeigen sich nach Konjetzny typische „glanduläre Mikroerosionen“ mit, zwischen
den Deckepithelien in der T. propria liegenden, Lymphozyten und Plasmazellen.
Diese Erosionen sind die Eintrittspforte für die Säure und Pepsin, die dadurch
noch größere Erosionen hervorrufen können. Diese sind dann erstmals in der
ÖGD zu erkennen und können aufgrund ihrer morphologischen Eigenschaften von
anderen Gastritiden unterschieden werden. [15,21] Bei der Riesenfaltengastritis
(Mb. Ménétrier) imponieren in der ÖGD, makroskopisch betrachtet, Riesenfalten
(> 10mm), welche trotz maximaler Luftinsufflation nicht verstreichen. Histologisch
findet sich eine foveoläre Hyperplasie. [36]
2.4.5 Behandlungsindikation und Pharmakotherapie
2.4.5.1 Akute Gastritis
Die akute Gastritis sollte je nach Schweregrad therapiert werden. [33] Wichtigste
therapeutische Maßnahme ist das Ausschalten evtl. vorliegender Noxen und die
Eradikation
bei
Vorhandensein
einer
H.pylori-Infektion.
[36]
Die
akute
hämorrhagische oder erosive Gastritis sollte bei leichten Formen symptomorientiert behandelt werden. Kamille oder Scharfgarbe wirken bei leichten Formen
antiinflammatorisch. Melisse zeigt eine sedative Wirkung und ist krampflösend.
Diese naturheilkundlichen Verfahren können in Form von Tee oral verabreicht
werden. Schwere Formen sollten durch maximale Säuresuppression (hochdosierte PPI) therapiert werden. [33]
2.4.5.2 Chronische Gastritis
Bei der Typ-A-Gastritis besteht bei Vit-B12-Mangel eine Behandlungsindikation.
Therapeutisch wird Vit-B12 durch subkutane oder intramuskuläre Injektionen
substituiert. Die Typ-B-Gastritis ist bei vorhandenem oder drohendem gastroduodenalem Ulkus, bei Dyspepsie, bei intestinaler Metaplasie oder positiver Familienanamnese bezüglich eines Magenkarzinoms behandlungsbedürftig. Die Therapie
besteht hauptsächlich in der Eradikation von H.pylori (s.u.). Bei Oberbauchschmerzen mit gastroduodenalen Erosionen bzw. Ulcera ist die Typ-C-Gastritis zu
behandeln. Die wichtigste therapeutische Maßnahme ist die Vermeidung oder
Beseitigung der ursächlichen Noxe und eine Säuresuppression durch PPI.
Generell sollte bei der chron. Gastritis auf diätetische Maßnahmen geachtet
werden. Diese beinhaltet leichte Vollwertkost. Des Weiteren sollten über den
26
ganzen Tag verteilt mehrere kleine Mahlzeiten eingenommen werden. Die
Phytotherapie mit Bitterstoffen nimmt einen weiteren wichtigen therapeutischen
Teil der chronischen Gastritis ein. So können unter anderem Tausendgüldenkraut,
Enzian oder Wermut zur Stimulation der Magensaftsekretion, der Durchblutung
der Magenschleimhaut und Tonisierung des GI-Trakts beitragen. [33]
2.5 Ulcus ventriculi
2.5.1 Definition
Allgemein stellt ein Ulkus einen Schleimhautdefekt dar, der die T. muscularis
mucosae und meist auch tiefere Wandschichten überschreitet. Endoskopisch
werden Schleimhautdefekte mit einem Durchmesser von größer als 5mm als
Ulzerationen bezeichnet. [4,9,30]
2.5.2 Epidemiologie
Vorwiegend sind Personen zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr betroffen. [38,
39] Die Geschlechteraufteilung dem Ulcus ventriculi betreffend, ist mit einem
Verhältnis von 1:1 ausgeglichen. Die Inzidenz des Ulcus ventriculi beträgt
50/100.000 Erkrankungen jährlich, wobei die Häufigkeit abnehmend ist. Etwa 7580% der Patienten mit einem Ulcus ventriculi, und ca. 95% der Patienten mit
einem Ulcus duodeni zeigen eine Infektion mit H.pylori. [9,15,21,33] Analysiert
man aber nur die Patienten mit einem Ulcus ventriculi, die nicht in einem
Zusammenhang mit einer NSAR/ASS-Einnahme stehen, so kann man auch beim
Ulcus ventriculi in 93-95% der Fälle davon ausgehen, dass dieses mit einer
zugrundeliegenden H.pylori-Gastritis assoziiert ist. [21] Im 7. und 8. Lebensjahrzent zeigt sich eine Häufung der Komplikationen der Ulkuskrankheit. Dabei
sind Männer 1,5mal häufiger betroffen als Frauen. [39]
2.5.3 Ätiologie und Risikofaktoren
An erster Stelle der Risikofaktoren für die Entstehung eines Ulcus ventriculi oder
Ulcus duodeni steht die chron. H.pylori-Gastritis. [9,21] Das Lebenszeit-Risiko bei
bestehender H.pylori-Infektion ein Ulkus zu entwickeln liegt durchschnittlich bei 1
von 6. [61] Ursächlich in der Entstehung der Ulkuskrankheit ist auch die
Verminderung der protektiven Schutzmechanismen und die Verstärkung der
27
aggressiven Faktoren. Die Ursache für ein Ulcus ventriculi ohne eine zugrundeliegende H.pylori-Infektion ist am häufigsten mit der Einnahme von NSAR (z.B.
Diclofenac, Ibupufen oder andere) oder ASS assoziiert, da diese die protektiv
wirksamen Prostaglandine hemmen. [9,15] Weltweit verwendeten laut Hui AJ et al.
(2004) mehr als 30 Millionen Menschen regelmäßig NSAR. In den USA wurden
bei Patienten mit anfangs negativen Endoskopiebefunden zwei bis drei Monate
nach dem Start der NSAR-Therapie Endoskopie-Verlaufskontrollen durchgeführt,
welche zeigten, dass die Inzidenz der Ulkuskrankheit unter laufender NSARTherapie 6-12% beträgt. Das Risiko bei chronischem NSAR-Gebrauch eine
Ulkuskomplikation zu erleiden liegt jährlich bei ca. 2%. Ob es unter chronischem
NSAR-Gebrauch zu einer Ulkuskomplikation kommt, hängt vor allem davon ab, ob
in der Historie bereits eine Ulkusblutung stattgefunden hat, da Ulcera zu Rezidiven
neigen. Ebenso spielt die Dosis der NSAR eine entscheidende Rolle. [4] Glucocorticoide verursachen bei alleiniger Einnahme meist kein Ulkus, NSAR aber
erhöhen das Ulkusrisiko um den Faktor 4.0. [4,9] Eine Kombination beider Wirkstoffe erhöht das Risiko der Ulkusentstehung um den Faktor 15. [9] In den USA
führen die NSAR mit 25% zu den häufigsten berichteten Arzneimittelnebenwirkungen, wobei jährlich geschätzte 16.500 Arthritis-Patienten an den
Folgen der daraus resultierenden gastrointestinalen Toxizität versterben. [4] Trotz
der steigenden Verschreibungen der NSAR kommt es zu einer Abnahme der
Inzidenz und Prävalenz der peptischen Ulkuskrankheit, was aus der Abnahme der
H.pylori-Infektionen resultieren kann. Weitere medikamentöse Ursachen für die
Ulkusentstehung stellen unter anderem Clopidogrel, Sirolimus, Spironolacton,
SSRI und Paracetamol dar. [40] Des Weiteren spielt auch Rauchen eine wichtige
Rolle in der Entstehung eines Ulkus und verzögert das Abheilen des Ulkus trotz
entsprechender Therapie. [4,9,30] Das Magenkarzinom selbst ist ebenso ein
Risikofaktor für die Ulkuskrankheit. Auch systemische Erkrankungen, wie z.B. Mb.
Crohn, können in der Entstehung eines Ulkus beitragen. [21] Selten ist das
Zollinger-Ellison-Syndrom,
ein
Hyperparathyroidismus,
eine
eosinophile
Gastroenteritis, eine systemische Mastozytose, eine Strahlenschädigung, eine
Vaskulitis, eine Ischämie oder eine virale Infektion (HSV-1, CMV) Ursache des
H.pylori-negativen Ulkus. [33,40]
28
2.5.3.1 Stressulkus
Ähnlich der Entstehung einer akuten Gastritis spielt auch bei der Ulkusentstehung
der Faktor Stress (nach Polytrauma, großflächige Verbrennungen >35% der
Körperoberfläche, große operative Eingriffe, Langzeitbeatmung, Sepsis, Urämie,
Hypoxämie) eine wichtige Rolle. [4] Stress-Ulzera können bei 5-20% der Patienten
unter intensivmedizinischer Behandlung beobachtet werden. Stress verursacht
meist einmalige Ulzerationen, welche zu ca. 60% im Magen, zu ca. 30% im
Duodenum und bei ca. 10% sowohl im Magen als auch im Duodenum lokalisiert
sind. [9,30] Die zwei wichtigsten Risikofaktoren für eine Stressulkus-Blutung stellt
eine maschinelle Beatmung >48 Stunden und Koagulopathien (Thrombozyten
<50.000 Zellen/mm3 oder INR > 1,5) dar. [41] Bedrohliche Blutverluste durch
Schleimhautblutungen treten bei 5-15% der Patienten auf. Präventiv sollte bei
Patienten unter intensivmedizinischer Behandlung mit den entsprechenden Risikofaktoren eine Prophylaxe mit PPI i.v. eingeleitet werden, um einen pH-Wert >4 zu
erreichen. [9,30,36] Ein Stressulkus zeigt typische Schleimhautdefekte mit
multiplen, diffus angeordneten, oberflächlichen Erosionen im Fundus und Corpus.
[41]
2.5.4 Morphologie
Vorwiegend ist das Ulcus ventriculi an der kleinen Kurvatur im Bereich des Übergangs vom Corpus zum Antrum (Angulushöhe) lokalisiert. Gründe für diese Ulkusprädiktionsstelle mögen sein, dass in diesem Bereich die „Säurestraßen“
zusammenfließen, und dass dieser Abschnitt ein zirkuläres Muskelbündel aufweist, und die hohe Wandspannung eine relative lokale Minderdurchblutung
hervorruft. Außerdem sind dort die vaskulären Anastomosen schlechter ausgebildet, als in anderen Abschnitten des Magens. [21] Im akuten Stadium finden
sich makroskopisch betrachtet runde Defekte mit flachen Rändern. Im chronischen
Stadium hingegen zeigt sich der Ulkusrand bereits aufgeworfen. Kurz nach Beginn
des Heilungsprozesses kann eine gefäßreiche „rote Narbe“ inspiziert werden, die
sich im Verlauf der Abheilung zu einer sternförmigen „weißen Narbe“ entwickelt.
Beim Heilungsprozess wächst ein einreihiges Regenerationsepithel vom Ulkusrand in Richtung Zentrum des Ulkus. Dabei kommt es zu einer Umdifferenzierung
in ein intestinales Epithel, was für eine Metaplasie spricht. Die Folge ist ein Verlust
der Beweglichkeit der Schleimhaut, welche letztendlich zu Motilitätsstörungen
führt. [30]
29
2.5.5 Klinisches Bild und Komplikationen
Das Ulcus ventriculi manifestiert sich klinisch durch Oberbauchschmerz, Appetitlosigkeit und postprandiales Völlegefühl. Außerdem kommt es zu einem Sofortschmerz nach der Nahrungsaufnahme. Ein Drittel der Ulkuspatienten zeigen die
ersten Symptome erst im Komplikationsstadium. 20% aller Ulkuspatienten zeigen
eine Blutung, welche die gefährlichste Komplikation mit einer Letalität von ca. 10%
ist. [9] Die Inzidenz beträgt zwischen 50 bis 170 pro 100.000 Personen pro Jahr.
Betroffen sind vor allem ältere Patienten (>60 Jahre) und Patienten unter Antikoagulationstherapie oder Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmer.
[4,40] Die Symptomatik äußert sich bei präpylorischen Ulzera durch Hämatemesis
(Bluterbrechen) und bei den postpylorischen Ulzerationen durch Melaena
(Teerstuhl). Auch die Blutungsanämie oder Symptome des hypovolämischen
Schocks können beobachtet werden. Der Blutverlust kann leicht (<250ml/24h),
mittelschwer (bis 1000ml/24h) oder schwer (>1000ml/24h) sein. Eine sofortige
notfallmäßige therapeutische Gastroskopie mit Blutstillung durch Clipapplikation
oder Unterspritzung mit Fibrin oder Suprarenin sind indiziert. [9,38] 40-50% der
Patienten mit einem blutenden Ulkus erlitten laut früherer Studien innerhalb von 10
Jahren eine nochmalige obere gastrointestinale Blutung, insofern keine adäquate
Therapie erfolgte. [42] Bei 5% aller Ulkuspatienten mit einer Perforation können
plötzliche massive Schmerzen im Epigastrium auftreten, was eine absolute
Operationsindikation darstellt, da die daraus mögliche resultierende Peritonitis
eine hohe Letalität aufweist. [9,38] Die Inzidenz für eine Perforation beträgt
zwischen 7 bis 10 pro 100.000 Personen pro Jahr. [40] Generell lässt sich die
Symptomatik einer Ulkusperforation in einen Drei-Stufen-Prozess einteilen. Innerhalb der ersten zwei Stunden nach der Perforation kommt es zu abrupt einsetzenden Abdominalschmerzen. Diese können zu Beginn im Epigastrium
lokalisiert sein, können sich jedoch rasch generalisieren. Zwischen der zweiten
und zwölften Stunde nach der Perforation kommt es zu einer Verschlechterung
des klinischen Zustandsbildes mit Zunahme der Schmerzen, vor allem bei
Palpation des Hypogastriums. Zwölf Stunden nach der Perforation kommt es zu
einer zunehmenden Verschlechterung des Zustandsbildes des Patienten, mit
Fieber, Zeichen der Hypovolämie, der abdominellen Aufblähung und der erhöhten
Bauchdeckenspannung. In einer Studie mit 40 durchgeführten Untersuchungen
der Ulkuspatienten mit einer Perforation wurden diese in 62% im Bulbus duodeni,
30
in 20% in der pylorischen Region und in 18% im Corpus des Magens
nachgewiesen. [39,40] Etwa 50% ist NSAR-induziert. [40] Eine weitere mögliche
Komplikation stellt die Penetration in das neben dem Magen gelegene Pankreas
dar (häufigste Form), welche sich durch Rückenschmerzen aufgrund einer bestehenden Pankreatitis äußern kann. Außerdem ist eine Penetration in das Kolon
oder in die Leberpforte möglich. Dabei sind ausstrahlende, schwere und therapieresistente Schmerzen charakteristisch. Spätkomplikationen sind narbige Veränderungen und eine daraus resultierende Magenausgangsstenose, mit klinischen
Symptomen wie Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, Abdominalschmerzen und
Erbrechen. Auch die Pylorusinsuffizienz mit Reflux von Galle und Duodenalsaft
stellt eine Spätkomplikation dar. [4,9,38,40] Das Ulcus ventriculi weist im Antrum
zu 47,4%, und im Corpus zu 6,2% eine intestinale Metaplasie auf, was ein
wichtiger Faktor bei der Karzinogenese im Magen darstellt. [21] Bei 3% der
Patienten mit einem chronischen Ulcus ventriculi kommt es zu einer karzinomatösen Entartung. [4,9,38]
2.5.6 Diagnostik
Diagnostische Methode der Wahl ist wie bei der Gastritis-Diagnostik die ÖGD. [4]
Diese sollte bei allen anhaltenden Magenbeschwerden (>3 Wochen) durchgeführt
werden. [43] Differentialdiagnostisch besteht die Möglichkeit eines benignen Ulkus
oder seiner malignen Entartung. Um die Malignität bei einem Ulcus ventriculi
auszuschließen ist es wichtig, dass die vorgenommenen Biopsien an mehreren
Stellen des Ulkus entnommen werden. [36] Empfohlen werden 6-12 Biopsien aus
dem Ulkusrand (5-7x) und dem Ulkusgrund (2-3x). Außerdem werden bei jeder
ÖGD mit diagnostiziertem Ulcus ventriculi zusätzliche 2 Biopsien aus dem Antrum
und Corpus empfohlen, um abzuklären, ob das Ulkus in Folge einer H.pyloriGastritis entstanden ist, oder ob diese These ausgeschlossen werden kann. [21,
52] Makroskopisch imponierende Ulzera >2cm sind primär malignomverdächtig.
[36] Die Biopsien schließen nicht immer die Malignität eines Ulkus aus. 0,8% 4,3% der zunächst als benigne diagnostizierten Ulcera stellen sich nach wiederholten Biopsien als maligne heraus. Fehlerquelle ist zumeist eine zu geringe
Anzahl an entnommenen Biopsien. [40] Zur Therapiekontrolle ist die Endoskopie
notwendig, da die Ulkusabheilung bioptisch gesichert werden muss. [4,36] Das
Röntgen der Magen-Darm-Passage wird heute nur noch bei Ablehnung der
31
Endoskopie durchgeführt, da die diagnostische Trefferquote niedriger ist als bei
der Endoskopie. [36] Es ist von großer Bedeutung ein perforiertes Ulkus schnell zu
diagnostizieren, da die Prognose deutlich verbessert ist, sollte die Therapie innerhalb der ersten sechs Stunden nach der Perforation durchgeführt werden. [39] Im
Falle einer Perforation kann sich im Thorax-Röntgen freie Luft unter dem
Diaphragma zeigen, was aber nicht zwingend erforderlich ist, weshalb bei
Abwesenheit freier Luft eine Perforation nicht ausgeschlossen werden kann. [4]
Außerdem ist eine Computertomographie diagnostische Methode der Wahl. [40]
2.5.7 Therapie
2.5.7.1 Allgemeine Maßnahmen
Die Allgemeinmaßnahmen beinhalten bei Möglichkeit das Absetzen ulzerogener
Medikamente. [43] Vor Beginn jeder medikamentösen Therapie sollte der Patient
über die Einhaltung regelmäßiger Essenszeiten, eines ausgeglichenen Lebensstils, auf die Einstellung des Rauchens und das Vermeiden von konzentriertem
Alkohol aufgeklärt werden. Auch Coffein und die Röstprodukte des Kaffees regen
die Säuresekretion an und sollten somit vermieden werden. Ebenso sollte auf den
Verzehr scharf gewürzter Speisen und der Säurebildung anregender Gewürze,
wie Senf oder Pfeffer verzichtet werden. Milchkonsum kann zwar aufgrund der in
wenigen
Minuten
erreichten
Neutralisierung
des
Magensaftes
zu
einer
Schmerzlinderung führen, da sie jedoch den pH-Wert des Magens auf 5,0 bis 6,0
anhebt, kann es innerhalb der nächsten Stunde zu einem Reboundeffekt mit einer
vermehrten Säuresekretion kommen. [2,33]
2.5.7.2 Pharmakotherapie
Die Eradikation von H.pylori spielt eine entscheidende Rolle in der Therapie der
Ulkuskrankheit (s.u.). [4] Durch die Eradikationstherapie konnte die vorher
bestehende These: „Einmal ein Ulkus, immer ein Ulkus!“ revidiert werden. [21]
Eine Metaanalyse, bestehend aus 24 randomisiert kontrollierten Studien mit 2102
Patienten mit H.pylori-Infektion-assoziierter Ulkuskrankheit (Ulcus ventriculi und
Ulcus duodeni), ergab, dass die Ulkusremissionsrate innerhalb von 12 Monaten
bei erfolgreicher Eradikationstherapie für das Ulcus ventriculi 97%, und für das
Ulcus duodeni 98% beträgt. Im Vergleich dazu betrugen die Ulkusremissionsraten
bei nicht erfolgreicher Eradikation für das Ulcus ventriculi nur 61%, und für da
Ulcus duodeni nur 65% angegeben. [96] Die meisten Magentherapeutika (Anta32
cida, Sucralfat, H2RA, Prostaglandinanaloga) können die bestehende Dichte der
H.pylori-Kolonisation im Antrum und Corpus des Magens nicht beeinflussen.
Antacida und H2RA können bei bestehender H.pylori-Infektion die Gastritis im
Bereich des Corpus verstärken, da aufgrund deren Einnahme weniger Säure im
Magen vorhanden ist und sich somit die H.pylori-Kolonisation verdichten kann.
Durch die Säureverminderung kann schließlich das von H.pylori gebildete
Ammoniak nicht abgepuffert werden, was wiederum zu einer Verschlechterung der
Gastritis führt. Zu einer Suppression von H.pylori führt eine durchgeführte
Monotherapie mit PPI. Früher wurden vor allem im angloamerikanischen Raum
Wismutsalze zur Suppression und Elimination von H.pylori eingesetzt. Diese
führten zu einer Verbesserung der Gastritiden. Doch nur in 5-10% konnte durch
die Monotherapie von Wismutsalzen eine Keimeradikation erreicht werden.
Außerdem kam es nach Absetzten der Therapie zu Rezidivinfektionen mit H.pylori.
So wurden die Ausgangszustände schnell wieder erreicht. [44] Der Kernbereich
der Pharmakotherapie ohne eine zugrundeliegende H.pylori-Infektion ist die
Suppression der Säuresekretion. [4] Eine ideale Bedingung für die Genesung
peptischer Geschwüre ist ein intragastraler pH-Wert, der zwischen 3 und 4 liegt.
Die Medikamente, die bei der Ulkustherapie zum Einsatz kommen, haben die
Aufgabe die aggressiven Faktoren auszuschalten und die Schleimhautresistenz zu
steigern. [2] H2RA und PPI sind derzeit die Medikamente der Wahl zur Förderung
der Heilung der Ulkuskrankheit ohne zugrundeliegender H.pylori-Infektion. Das
Ulcus ventriculi tendiert dazu langsamer als das Ulcus duodeni abzuheilen. [4] 9095% aller Ulcera ventriculi heilen durch die Therapie mit PPI ab. Sollte die
zugrundeliegende
Krankheit
(H.pylori,
NSAR-Dauereinnahme) fortbestehen,
kommt es in 50-80% der Fälle zu einem Rezidiv. [36]
2.6 Die operative Therapie
Die H.pylori-Eradikationstherapie ist der Grund für die heute heilbare Ulkuskrankheit. Dadurch werden früher praktizierte Operationsverfahren als obsolet betrachtet. Die elektive operative Therapie stellt heute eine absolute Ausnahme dar
und wird nur noch bei schweren Komplikationen, wie z.B. bei einer endoskopisch
nicht stillbaren Blutung (5-10% der Patienten mit einer Magenblutung), oder bei
chronisch-rezidivierenden und therapieresistenten Ulzera (suffiziente medikamentöse Therapie 12 - 16 Wochen ohne therapeutisches Ansprechen) durch33
geführt. [9,33,36,37,39] Auch das Magenkarzinom und die Magenausgangsstenose sind Indikationen für eine Operation. Die operative Therapie bei
chronischer Gastritis ohne auftretende Komplikationen (z.B. konsekutive Ulkusblutung) ist nicht notwendig, sollte aber bei Progression der Typ-A- und Typ-BGastritis zum Magenkarzinom durchgeführt werden. Die nicht-resezierenden Verfahren sind die Ulkusübernähung und die Ulkusumstechung. [9,37] Vor Beginn der
Notfall-Operation sollte eine endoskopische Markierung des Ulkus, z.B. mit
Methylenblau oder Tusche, durchgeführt werden. [43] Die „Billroth-I-Operation“ ist
die Resektion der distalen zwei Drittel des Magens mit folgender Gastroduodenostomie (End-zu-End- oder End-zu-Seit-Anastomose). Der Vorteil dieses
operativen Verfahrens liegt in dem Erhalt der physiologischen duodenalen
Nahrungspassage. Bei der „Billroth-II-Operation“ werden ebenso die distalen zwei
Drittel des Magens reseziert, wobei allerdings bei dieser Technik das Duodenum
blind verschlossen, und eine Anastomose mit dem Jejunum, angelegt wird
(Gastrojejunostomie). Dabei wird die zur Anastomosierung benötigte Jejunalschlinge entweder retrokolisch oder antekolisch in den Oberbauch verlagert. Bei
der antekolisch durchgeführten Variante, welche seltener durchgeführt wird, wird
die zu- und abführende Jejunalschlinge durch die sogenannte Braun-Fußpunktanastomose kurzgeschlossen. Mögliche Komplikationen und Folgen der Billroth-Iund Billroth-II-Operation sind Verletzungen der Gallenwege, die Ausbildung eines
Dumping-Syndroms, Refluxösophagitiden durch den vermehrten Gallereflux und
das Magenstumpf-Karzinom. [9,33,37,38,39,43,44] Die Operationsletalität beträgt
in etwa 2%. [44] Die dritte resezierende Variante ist die Y-Gastrojejunostomie
nach Roux. [43]
34
3
GESCHICHTE DER MEDIKAMENTÖSEN
THERAPIE UND PHARMAKOLOGISCHE
EIGENSCHAFTEN
3.1 Antacida
3.1.1 Geschichtliche Aspekte
Ocker, Natron und Heilerden waren bereits ägyptischen Rezepten zufolge
Bestandteile der Arzneimittel gegen Magenbeschwerden. Die Siegelerde (Terra
sigillata) war zu griechisch-römischer Zeit bei Magenerkrankungen sehr beliebt.
So empfahl Dioskurides (1. Jahrhundert n. Chr.) bei Magenbeschwerden die
Siegelerde aufgrund ihrer adstringierenden Eigenschaften. Ebenso indizierte er
bei Magenbeschwerden auch „Alaun“ (Alumen). Pilinius (1. Jahrhundert n. Chr.)
verwendete bei Magenerkrankungen gepulverte Korallen, welche Calciumcarbonat
(CaCO3) enthalten. Des Weiteren setzte Pilinius „Indigo“, die als Farbstofflieferant
bekannte Pflanze, die nach Gärprozessen bei Ulcera zur Anwendung kam, ein. Im
Mittelalter und der frühen Neuzeit wurde bei Magenerkrankungen neben der
beliebten Siegelerde auch der „armenische Bolus“, die Tonheilerde, gegeben.
Auch Alabaster, Bernstein und Natron fanden zu dieser Zeit Anwendung. [3] Auch
der ruhmreiche arabische Arzt Abu Ali Al-Husain Ibn Abdullah Ibn Sina, genannt
Avicenna (um 980-1037 n. Chr.) empfahl zu seiner Zeit bei dyspeptischen
Beschwerden leichtverdauliche Nahrungsmittel oder auch Kuhmilch, da diese die
Magensäure in geringem Ausmaß abpuffern kann. Adolf Kussmaul (1822-1902)
empfahl bei Magenbeschwerden erstmals Wismut, was aber relativ häufig zu
Nebenwirkungen führte. [6] Mineralische Antacida wurden im 17. und 18.
Jahrhundert vor allem aus dem Tierreich vertreten. So wurden Calciumcarbonat(CaCO3)-enthaltende Krebsaugen, Perlmutt und gebranntes Hirschhorn,
welches Ammoniumcarbonat-haltig ([NH4]2CO3) ist, als Heilmittel eingesetzt. Die
Paracelsisten verwendeten erstmals verschiedene Metalle als therapeutisches
Heilmittel, unter anderem feingepulvertes Eisen, Blei und Zinn. Erst im 17.
Jahrhundert erkannte Johann Baptist van Helmont, dass ein Überfluss an
Magensäure ein unangenehmes Gefühl und Krankheit auslösen kann. Seit der
frühen Wende zum 20. Jahrhundert zeigte die Anwendung der mineralischen
35
Antacida einen stetigen Fortschritt. Nach Anregung von Kohlschütter wurden
aluminiumhaltige Antacida eingesetzt. So wurde von der Firma Wander aus Bern
„Alucol®“ als erstes Präparat auf den Markt gebracht. Auch das von Carl
Hofstädter im Jahr 1842 beschriebene Antacidum „Hydrotalcit“, konnte sich 1972
nach der Synthese durch japanische Forscher als Arzneimittel etablieren. [3] Auch
aktuell ist „Hydrotalcit“, unter dem Marktnamen „Talcid®“ am Markt erhältlich. [36]
1915 setzten B. Sippy und R. Doll die Schonkost, angereichert mit Antazida und
neutralisierenden Inhalten, als Therapie des peptischen Ulkus ein. [6,12] 1960
wurde von der Firma Byk Gulden „Magaldrat“ veröffentlicht, und ist in Österreich,
Deutschland und der Schweiz derzeit unter verschiedenen Marktnamen (unter
anderem als „Riopan®“ oder „Marax®“) im Handel vertreten. [8]
3.1.2 Wirkstoffe
Alkalische Stoffe werden durch Natriumbikarbonat, Natriumalginat, Calciumcarbonat und Magnesiumoxid vertreten, welche sofort wirksam sind. Aluminiumsalze enthalten Aluminiumhydroxid (Al(OH)3) oder Aluminiumphosphat.
Magnesiumsalze
sind
z.B.
Magnesiumtrisilicat
und
Magnesiumhydroxid
(Mg(OH)2). [33]
3.1.3 Wirkung
Die meisten Antacida enthalten Mg(OH)2 und/oder Al(OH)3. [45] Antacida sollten
generell in Form einer Suspension verabreicht werden, da dadurch eine bessere
neutralisierende Wirkung beobachtet werden kann als bei der Verabreichung von
Tabletten oder anderen Darreichungsformen. Sollten Tabletten verwendet werden,
sollten diese vor dem Schlucken gründlich zerkaut werden um den maximalen
Effekt zu erreichen. [1] Die therapeutische Bedeutung der Antacida ist in den
letzten Jahren aufgrund neuer Prinzipien (PPI, H2RA) weitgehend zurückgegangen und hat an Bedeutung verloren, da die für eine zum Ziel führende
Therapie erforderlichen Antacidamengen inakzeptabel hoch sind und ein hohes
Nebenwirkungsrisiko beinhalten. [8,46,51] Die Indikation ist bei Sodbrennen oder
säurebedingten Krankheiten während der Schwangerschaft gegeben. [8] Das
Wirkprinzip beruht auf der Verminderung der Aggressivität der Magensäure durch
direkte Neutralisierung, indem die Protonenkonzentration des Magensafts durch
36
orale Gabe von basischen, anorganischen Wirkstoffen herabgesetzt wird. [46]
Dadurch wird auch indirekt die Aktivierung von Pepsinogen zu Pepsin unterdrückt.
[29] Darüber hinaus wirkt der Aluminium-Komplex auch zusätzlich mukosaprotektiv. [36] Pro Dosiseinheit schwankt die neutralisierende Kapazität der
Antacida zwischen 10-30mmol HCl. Die Parietalzellen produzieren pro eingenommene Mahlzeit für mindestens 3 Stunden ca. 45mmol HCl pro Stunde.
Deshalb sind pro Mahlzeit 6-8 Dosiseinheiten zur Neutralisation der gebildeten
HCl erforderlich. [51] Um eine optimale Wirkung der Antacida zu erreichen, sollten
diese zwei bis drei Stunden post prandial eingenommen werden, da sich die
Wirkdauer um bis zu vier Stunden verlängert. Auf nüchternen Magen würden sie
nach bereits 30 Minuten entleert werden. [45,46,57] Die Wirkdauer eines
Antacidums hängt vom eingesetzten Präparat und der Verweildauer im Magen ab.
[45] Generell können Antacida den pH-Wert des Urins um die Einheit 1 erhöhen.
[1] Ausgeschieden werden die Aluminium- und Magnesiumsalze mit dem Stuhl.
[51]
3.1.4 Nebenwirkungen
CaCO3 und NaHCO3 neutralisieren sehr schnell und effektiv H+, aber durch die
schnelle Senkung der Protonenkonzentration wird gasförmiges CO2 frei und dem
Körper eine große Menge Na+ zugeführt. Aus diesem Grund ist NaHCO3 bei
Hochdruckpatienten, Patienten mit Herzinsuffizienz oder mit Ödemen kontraindiziert. Die Bikarbonat- und Carbonat-enthaltenden Antacida können Nebenwirkungen wie Regurgitation, Übelkeit und/oder Flatulenzen auslösen. Die dabei
entstehende Gasmenge ist der größte Störfaktor bei Patienten mit der Einnahme
von NaHCO3. [1,46] Mg(OH)2-enthaltende Antacida beschleunigen die MagenDarm-Passage und zeigen als Hauptnebenwirkung Diarrhöen. Al(OH)3-enthaltende Antacida wirken auf die glatte Muskulatur des Magens relaxierend, verzögern so die Magenentleerung und verursachen häufig Obstipationen. [8,45,51]
Die Kombination der beiden Hydroxide findet sich in „Magaldrat“ und „Hydrotalcit“
und hat sich als optimal erwiesen, da sich die gegensätzlichen Nebenwirkungen
aufheben und eine normale Verdauungsfunktion aufrecht erhalten werden kann.
[8,29,33] Aluminiumhaltige Antacida können durch Ausschleusung von Phosphat
zur Osteomalazie führen. [1,36] Wenn im Serum der Aluminiumspiegel langfristig
40ng/ml übersteigt, können sie auch durch die Ablagerung von Aluminium im
37
Gehirn zu Encephalopathien, und durch Ablagerung im Knochen zu Osteoporose
führen. [51] Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion sollten diese Präparate
nicht verwenden, da diese zu Magnesium- und Aluminiumakkumulationen (mit
Intoxikationsgefahr) führen können. [36] Bei calciumhaltigen Antacida besteht die
Gefahr einer reaktiven Hypersekretion aufgrund der direkt stimulierenden Wirkung
der Calcium-Ionen auf die Belegzellen. Außerdem sollten sie wegen weiterer
Nebenwirkungen, wie der entstehenden Alkalose, der Hyperkalzämie und der
Nephrokalzinose nicht angewendet werden. [33,51]
3.1.5 Arzneimittelinteraktionen
Des Weiteren ist bei gleichzeitiger Einnahme von Antacida mit anderen Pharmaka
Vorsicht geboten, da das Interaktionspotenzial der Antacida sehr groß ist. Durch
die Alkalisierung des Magensafts und durch Bindung unlöslicher Komplexe
können z.B. die Resorption von Ovulationshemmern, Allopurinol, Phenytoin,
Atenolol, Propanolol, Thyroxin, Tetrazyklinen, Benzodiazepinen oder Herzglykosiden vermindert oder gehemmt werden. Die Bioverfügbarkeit von Levodopa
und Metoprolol werden wiederrum durch Antacida verbessert. Die Einnahme
anderer Medikamente muss aus diesen Gründen mindestens zwei Stunden vor
oder nach der Applikation der Antacida erfolgen. [33,51]
38
3.2 Histamin-H2-Rezeptorantagonisten (H2RA)
3.2.1 Allgemeine geschichtliche Aspekte
Die Entdeckung und Einführung der Histamin-H2-Rezeptorantagonisten (H2RA)
des Pharmakologen Sir James Whyte Black war für die Ulkustherapie ein großer
therapeutischer Fortschritt. Zu diesen Erkenntnissen kam Black zusammen mit
dem Pharmakologen Michael Parsons, den Chemikern John Emmet und Graham
Durant und dem stellvertretenden Forschungsleiter William Duncan und C.R.
Ganelli, welche sie 1972 in „Nature“ unter dem Titel „Definition and Antagonism of
H2-Receptors“ veröffentlichten. [3]
3.2.2 Allgemeine pharmakologische Eigenschaften
H2RA unterdrücken die durch Histamin, Gastrin oder Acetylcholin hervorgerufene
Salzsäure- und Pepsinsekretion besonders effektiv. Auch beim Zollinger-EllisonSyndrom (Überproduktion von Gastrin) zeigen die H2RA eine gute Wirksamkeit.
[8,46,51] Gegenüber den PPI weisen H2RA einen schnelleren Wirkungseintritt auf
und können somit bei akuter Symptomatik eingesetzt werden. Sie beschleunigen
die Heilung von gastralen und duodenalen Ulcera und wirken sich positiv auf die
Linderung der damit verbundenen Beschwerden aus. Außerdem sind sie bei Fortsetzung der Einnahme als Rezidivprophylaxe des Magen- und Duodenalulkus geeignet. [8] Die Heilungsrate der Ulcera liegt unter H2RA-Therapie bei ca. 88% in 8
Wochen. [4] H2RA inhibieren in erster Linie die basale Säuresekretion, was die
effiziente blockierende Wirkung der nächtlichen Säuresekretion erklärt. Nach der
oralen Aufnahme werden sie schnell absorbiert und zeigen nach 1-3 Stunden die
höchste Serumkonzentration. Es stehen außerdem Präparate zur intramuskulären
und intravenösen Injektion zur Verfügung (ausgenommen Famotidin). Sehr schnell
wird der therapeutische Bereich bei i.v.-Gabe erreicht. [1,29] Aufgrund der Säuresekretionshemmung kann die Resorption anderer Arzneimittel beeinflusst werden,
weshalb ein Einnahmeabstand von zwei Stunden empfohlen wird, um dieses
Problem zu umgehen. [8] Die therapeutische Bedeutung der H2RA hat letztendlich
durch die Einführung der PPI abgenommen. Die Nebenwirkungen sind generell
gering und zeigen bei der Verwendung von Cimetidin die stärkste Ausprägung.
[46] Innerhalb weniger Tage entwickelt sich bei der Einnahme von H2RA eine
39
Toleranz. [51] Kleine Mengen (10-35%) dieses Wirkstoffes unterliegen dem
Metabolismus in der Leber. Ausgeschieden werden die H2RA durch die Nieren.
Bei erniedrigter Kreatinin-Clearance ist es wichtig, die verabreichte Dosis zu
reduzieren und anzupassen. Des Weiteren können die H2RA die Plazenta
passieren und werden mit der Muttermilch ausgeschieden. Obwohl es keine
teratogenen Risiken mit sich bringt, ist während der Schwangerschaft trotzdem
Vorsicht geboten. [1]
3.2.3 Cimetidin
3.2.3.1 Geschichtliche Aspekte
1974 wurde Cimetidin zur Zulassung freigegeben. Zuvor wurden nach klinischer
Prüfung von „Metiamid®“ zwei Fälle von Agranulozytose beobachtet. 1976
schließlich wurde „Tagamet®“ in Großbritannien und 1977 in den USA und
anderen Ländern zugelassen. Da mit diesem Medikament zum ersten Mal ein
nebenwirkungsarmer und wirksamer Hemmstoff der histamin- und gastrininduzierten Säuresekretion zur Verfügung stand, erreichte „Tagamet®“ die
Führungsposition auf der Liste der weltweit am häufigsten eingesetzten
Medikamente. Es kam zu einer deutlichen Abnahme der chirurgischen Eingriffe
und auch der Krankenhausaufenthaltsdauer von Ulkuspatienten. [3] In den
1970er-Jahren wurden in Ländern wie den USA, den Niederlanden, Italien und
Schweden ca. 1% der jährlichen Gesundheitskosten für die Ulkuskrankheit
verwendet. Mit Einführung der H2RA konnte eine Senkung der Kosten um ca.
30% erreicht werden. Zur Kostenreduktion hat auch die Langzeittherapie mit der
halben therapeutischen Dosis der H2RA geführt, da die Ulkusrezidive um 90%
(laut Ruder-Studie), und die Ulkuskomplikationen um 80% (laut Armstrong et al.
1994) reduziert werden konnte. [21] Derzeit sind in Österreich „Cimetag®“
(GlaxoSmithKline Pharma), „Neutromed®“ (Wabosan Arzneimittel), „Ulcostad®“
(Stada Arzneimittel) und andere Generika im Handel erhältlich.
3.2.3.2 Allgemeine pharmakologische Eigenschaften
Cimetidin wird als Einzeldosis nach dem Abendessen eingenommen. Die
empfohlene Dosis ist 1 x 800mg p.o. oder 2 x 200mg i.v., welches langsam
verabreicht werden muss. [43] Die Wirkdauer bei i.v.-Gabe beträgt 4-5 Stunden.
[1]
40
3.2.3.3 Nebenwirkungen
Die Langzeitanwendung von Cimetidin in hohen Dosen führt zu einer Abnahme
der Bindung von Testosteron an den Androgenrezeptor und blockiert in der Leber
das CYP, welches Östradiol hydroxyliert. Dies kann zu Galaktorrhoe, Gynäkomastie, Libidoverlust, reduzierter Spermienanzahl und Impotenz führen. [1,29]
Ebenso kann es durch Blockade des Cytochrom-P450-Enzyms zu einer Störung
der Biotransformation bei einer großen Anzahl von Wirkstoffen kommen. [46] Zu
diesen zählen unter anderem orale Antikoagulantien und trizyklische Antidepressiva (TZA). [29] Allergische Reaktionen, Müdigkeit, Haarausfall, Muskelschmerzen,
Bewusstseinsstörungen,
Schwindel,
Diarrhoe,
Serum-Kreatinin-
Anhebung und/oder Transaminasen-Erhöhungen sind weitere dokumentierte
Nebenwirkungen. Die i.v.-Verabreichung von Cimetidin kann zu Blutdruckabfall,
Bradykardie und/oder einem Exanthem führen. [43] Aufgrund der zahlreichen und
erheblichen Nebenwirkungen werden andere H2RA bevorzugt.
3.2.3 Ranitidin
3.2.3.1 Geschichtliche Aspekte
Die Firma Glaxo, mit B.J. Price, John W. Clitherow und John W. Bradshaw,
entdeckte die Substanz „AH 19065“, welche unter dem Namen „Ranitidin“ im Jahr
1981 auf den Markt kam. „Zantic®“ wurde in Deutschland 1982 zugelassen und
ist heute noch in Deutschland und der Schweiz unter gleichem Namen im Handel
erhältlich. [3,8] Außerdem ist Ranitidin unter dem Namen „Sostril®“ in
Deutschland verfügbar. [43] In Österreich ist „Ranitidin“ derzeit unter dem Namen
„Zantac®“ am Markt vertreten. [8]
3.2.3.2 Allgemeine pharmakologische Eigenschaften
Ranitidin ist in der Unterdrückung der Säuresekretion 4-10mal wirksamer als
Cimetidin. Therapeutische Studien aus dem Jahr 1982 zeigten, dass zweimal
täglich verabreichte Dosen von 150mg Ranitidin eine effektive Alternative zu
täglich verabreichten 1000mg (250mg, 4mal täglich) Cimetidin ist. Außerdem
reduziert Ranitidin, als abendliche 150mg Einzeldosis, die Inzidenz des
Ulkusrezidivs. [47] Zur Therapie der gastroduodenalen Ulkuskrankheit wird
Ranitidin als abendliche Einzeldosis nach dem Abendessen eingenommen. Die
empfohlene Dosis ist 1 x 300mg p.o. oder bei stationären Patienten 2-4 x 50mg
41
i.v. als langsam verabreichte Infusion. [43] Die Wirkdauer bei i.v.-Gabe beträgt 6-8
Stunden. [1]
3.2.3.3 Nebenwirkungen
Ranitidin wird in der Regel gut vertragen. Die Inzidenz von Nebenwirkungen ist
kleiner als 2%. Kopfschmerz, Müdigkeit, Schwindel und leichte gastrointestinale
Beschwerden wie Diarrhöen, Obstipationen oder Übelkeit sind die häufigsten
Nebenwirkungen, führen aber selten zu einem Behandlungsabbruch und bessern
sich meist ohne Unterbrechung der laufenden Behandlung. [8,48] Auch Ranitidin
interagiert wie Cimetidin mit den CYP in der Leber, aber nur mit einer Affinität von
10% von dem Wert, den Cimetidin aufzeigt. [48]
3.2.4 Famotidin, Nizatidin und Roxatidin
3.2.4.1 Geschichtliche Aspekte
Die Firma Frosst Pharma stellte 1985 den dritten H2RA „Famotidin“ unter dem
Marktnamen „Pepdul®“ vor und ist in Deutschland unter gleichem Namen immer
noch zum Verkauf zugelassen. In Österreich wird „Famotidin“ unter dem Handelsnamen „Ulcusan®“ verkauft. In der Schweiz jedoch ist „Famotidin“ nicht erhältlich.
[3,8] In Großbritannien wurde 1987 von der Firma Glaxo „Nizatidin“ unter dem
Produktnamen „Axit®“ eingeführt. In Deutschland waren seit dem Jahr 1989 die
Präparate „Nizax®“ und „Gastrax®“ im Handel verfügbar. Bei dem Prodrug
„Roxatidinacetat“ muss der Acetatrest erst abgespalten werden. 1979 wurde diese
Substanz in Japan von K. Shibita, T. Haxa, N. Yamakoshi und S. Kuruta entwickelt
und 1986 als „Altat®“ eingeführt. In Deutschland wurde 1989 „Roxit®“ auf den
Markt gebracht. [3]
4.2.4.2 Allgemeine pharmakologische Eigenschaften
Famotidin ist ein hochselektiver H2-Rezepetorantagonist und ist bezüglich der
Säuresekretionshemmung 20 bis 50 Mal wirksamer als Cimetidin, und 8 Mal
wirksamer als Ranitidin. Placebo-kontrollierte Studien zeigten, dass Famotidin in
der Behandlung von duodenalen und gastralen Ulcera sehr effektiv wirkt. So
wirken zweimal täglich verabreichte Dosen von 20mg oder eine abendliche Dosis
von 40mg Famotidin, gemessen an Heilungsraten und Symptomlinderungen,
ähnlich oder besser im Vergleich zu täglich verabreichten 800mg Cimetidin oder
300mg Ranitidin. [49] Bei i.v.-Verabreichung von Famotidin wirkt dieses 10-12
42
Stunden. Famotidin und Nizatidin sind in Bezug auf die Interaktionen mit den CYP
in der Leber sicherer als Cimetidin und Ranitidin und zeigen keine signifikanten
Arzneimittelinteraktionen. [1]
4.2.4.3 Nebenwirkungen
Die Inzidenz der Nebenwirkungen von Famotidin scheinen ähnlich der berichteten
Nebenwirkungen von Cimetidin und Ranitidin zu sein. Im Gegensatz zu Ranitidin
verursacht Famotidin aber keine antiandrogenen Nebenwirkungen und beeinflusst
den hepatischen Metabolismus nur unwesentlich. [50]
3.3 Protonenpumpenhemmer
3.3.1 Geschichtliche Aspekte
Der Durchbruch in der Behandlung der Magenulcera gelang mit der Entdeckung
und Einführung der PPI. [6] PPI gelten heute als „State of the art“ in der
Ulkustherapie. G. Sachs, T. Berglindh und J. Cupoletti waren maßgeblich an
deren Entwicklung beteiligt. „Timoprazol“, die erste entwickelte Substanz aus dem
Jahr 1975, konnte in klinischen Prüfungen nicht überzeugen. So folgte im Jahr
1981 „Omeprazol“. [3,7] Diese Substanz wurde 1979 von U. Junggren, S.E.
Sjöstrand, P. Berntsson, A. Brändström und L. Olbe in der Firma Astra Hässle in
Göteborg entwickelt. [46] PPI führten zu einer Senkung der Säureproduktion von
80-90%, während die H2-Rezeptorantagonisten die Säureproduktion um 40-50%
reduzierten. 1989 wurde in einer großen Studie nachgewiesen, dass die PPI den
H2-Rezeptorantagonisten in der Ulkustherapie vorzuziehen sind, da „Omeprazol“
größere Heilungserfolge aufweisen konnte als „Ranitidin“. [3] Heute ist
„Omeprazol“ in Österreich unter dem Produktnamen „Losec®“, in Deutschland
und der Schweiz unter dem Namen „Antra®“ erhältlich. „Lansoprazol“, eine
japanische Entwicklung, zählt zu den Prodrugs, und wurde von der Firma Takeda
in Deutschland als „Agopton®“ auf den Markt gebracht, und ist auch unter
gleichem Namen in Österreich und der Schweiz im Handel vertreten. Die Firma
Byk Gulden (2007 an die dänische Nycomed-Gruppe verkauft) mit Sitz in
Konstanz begann in Zusammenarbeit mit G. Sachs unter der Leitung von B. Kohl
mit der Synthese von „Benzimidazolen“. 1981 wurden bereits erste Vorläufer
patentiert. Der Durchbruch gelang 1993 mit der Substanz „BY 1023“. Nach
43
klinischen Studien und der Zulassung wurde 1994 Pantoprazol als „Pantozol®“
auf den Markt gebracht, und ist derzeit in Deutschland und der Schweiz unter
gleichem Handelsnamen weiterhin erhältlich. In Österreich wird „Pantoprazol“
unter dem Namen „Pantoloc®“ (und andere) am Markt vertrieben. [3,8]
„Esomeprazol“, das S-Isomer von „Omeprazol“, wurde als „Nexium®“ von der
Firma Astra in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf den Markt gebracht
und ist aktuell im Handel erhältlich. [8, 29] „Rabeprazol“, auch ein Wirkstoff der
PPI, wird unter dem Marktnamen „Pariet®“ verkauft.
3.3.2 Wirkung
Die hochpotenten PPI hemmen die H+/K+-ATPase in den Parietalzellen irreversibel. [1,8,36] Bei allen Wirkstoffen handelt es sich um lipophile schwache
Basen. [51] Die orale Verabreichung der PPI ist die am häufigsten gebräuchliche
Methode, obwohl einige Präparate zur Injektion zur Verfügung stehen (Esomeprazol, Pantoprazol, Lansoprazol). So kann die einmalige Gabe von 80mg
Pantoprazol i.v. die Säureproduktion innerhalb einer Stunde zu 80-90% inhibieren.
Diese Wirkung hält bis zu 21 Stunden an. Um zu verhindern, dass die Magensäure die PPI degeneriert, gibt es unterschiedliche orale Darreichungsformen mit
verschiedenen Rezepturen, damit der Wirkstoff erst im Dünndarm freigesetzt wird:
-
Magensaftresistente
Pharmaka
mit
Gelatine-Kapseln
(Omeprazol,
Esomeprazol, Lansoprazol)
-
Magensaftresistente Granula, welche in Form von Puder zur Suspension
appliziert werden (Lansoprazol)
-
Magensaftresistente Tabletten (Pantoprazol, Rabeprazol, Omeprazol)
[1,51]
Idealerweise werden die PPI 30 Minuten vor dem Frühstück t eingenommen. Sie
werden im Dünndarm sehr schnell absorbiert, an Proteine gebunden und umfassend mit relativ kurzer HWZ durch hepatische CYP (besonders CYP2C19 und
CYP3A4) metabolisiert. CYP2C19 wird polymorph exprimiert. [1,7,54,56] Es
wurden bereits mehrere Varianten von CYP2C19 bestimmt. So besitzen Asiaten
im Gegensatz zur weißen und afroamerikanischen Rasse den CYP2C19-Genotyp,
der mit einem langsameren Metabolismus der PPI einhergeht. Aufgrund dieser
Tatsache lässt sich schließen, weshalb die asiatische Rasse eine gesteigerte
Wirksamkeit und/oder Toxizität aufweisen kann.
44
Über den systemischen Kreislauf werden sie durch Diffusion über die basolaterale
Membran in die Parietalzellen, und anschließend in die Canaliculi transportiert, wo
sich der Wirkstoff im sauren Milieu als schwache Base stark anhäuft. [1,29,51]
Dort wird es von Protonen-katalysierenden Formationen zum tetrazyklischen
Sulfonamid aktiviert, um zu verhindern, dass es nicht durch die Canaliculi
zurückdiffundiert. Die aktivierte Form bindet kovalent an die Sulfhydrylgruppe der
Cysteine in der H+/K+-ATPase und inaktiviert die Pumpmoleküle irreversibel. [1]
Allein die erneute Synthese des Enzyms kann zu einer Normalisierung der
Säuresekretion führen, weshalb die Wirkung einer einmalig verabreichten Dosis 12 Tage anhält. [51] PPI sind daher nur für eine längerfristige, konsequent durchgeführte Therapie geeignet. [8] Da nicht alle Pumpen oder alle Parietalzellen zur
gleichen Zeit aktiv sind, benötigt man verschiedene Dosierungen der PPI zur
maximal gewünschten Säuresuppression. Mit der maximalen Wirkung ist nach
täglicher Applikation nach 3-4 Tagen zu rechnen. [1,29,51] Chronisch-renale
Krankheiten führen zu keiner Anhäufung bei einmal-täglich verabreichten PPI.
Lebererkrankungen reduzieren den hepatischen Abbau von Omeprazol und
Lansoprazol. Eine Dosisreduktion wird für beide Wirkstoffe empfohlen. [1]
PPI sind eine wichtige Komponente in der Therapie der H.pylori-Eradikationstherapie. [29] Bei einer H.pylori-Infektion sollte der pH-Wert bei > 5,5 gehalten
werden, da die verabreichten Antibiotika zur Eradikation in diesem pH-Bereich ihre
optimale Wirkung entfalten können. [52] Weiters werden sie zur Therapie der
chron. Gastritis, der Refluxösophagitis und des Zollinger-Ellison-Syndroms eingesetzt. [29,51] PPI führen zu einer schnelleren Ulkusheilung als H2RA. [4] Die
Heilungsrate durch verabreichte PPI liegt bei über 90% nach 4 Wochen. H2RA im
Vergleich dazu, zeigen nach 4 Wochen eine Heilungsrate von 70%. [52]
Pantoprazol (1x40mg täglich) und Omeprazol (1x20mg täglich) sind bezüglich des
kurzfristigen (< oder gleich 8 Wochen) therapeutischen Einsatzes bei der akuten
Ulkuskrankheit gleichermaßen wirksam. [53]
3.3.3 Nebenwirkungen
Die Einnahme von PPI kann die Symptome des Magenkarzinoms demaskieren.
[29] Nur selten zeigen sich Nebenwirkungen. Die häufigsten Nebenwirkungen mit
1-2% beinhalten Übelkeit, Abdominalschmerzen, Obstipation, Flatulenzen und
Diarrhöen. [1,29,46,53] Außerdem wurde über Schwindel, Somnolenz, Verwirrt45
heit, Impotenz, Gynäkomastie, reversible Seh-, Hör- und Geschmacksstörungen
und Schmerzen in Muskeln und Gelenken berichtet. Bei i.v.-Applikation sind die
geschilderten Symptome der Sinneswahrnehmung häufiger als bei oraler
Applikation ausgeprägt. Eine Hypergastrinämie mit Hyperplasie der ECL-Zellen ist
auch häufig bei hohen Dosen Omeprazol zu beobachten. PPI sollten bei Patienten
mit Erkrankungen der Leber, bei schwangeren oder stillenden Frauen mit Vorsicht
eingenommen werden. [1,29,46,51] Chronische PPI-Einnahme (>1 Jahr) ist mit
einem erhöhten Risiko von Knochenfrakturen, ohne adäquatem Trauma assoziiert, da der H+-Mangel im Magensaft die Ca2+-Resorption einschränkt. Des
Weiteren kann eine erhöhte Anfälligkeit zu bestimmten Infektionen (z.B. nosokomiale Pneumonie) beobachtet werden. [1,51]
3.3.4 Arzneimittelinteraktionen
Bei Kindern unter 2 Jahren sind PPI kontraindiziert. [51] Da die PPI, wie
beschrieben, durch hepatische CYP metabolisiert werden, kann es zu Störungen
der Biotransformation anderer Wirkstoffe kommen, die auf gleiche Weise
abgebaut werden. Es wurde beobachtet, dass PPI mit Warfarin (Vit-K-Antagonist
zur Antikoagulation) interagieren (Esomeprazol, Lansoprazol, Omeprazol, Rabeprazol). Auch mit Diazepam (Benzodiazepin) (Esomeprazol, Omeprazol) und
Cyclosporinen (Omeprazol, Rabeprazol) werden Interaktionen beschrieben. [1]
Die Resorption und Bioverfügbarkeit einiger Antimykotika (z.B. Itraconazol), Vit-B12
und Eisen (Fe2+) kann durch PPI reduziert werden. [51]
Unter allen PPI hemmt nur Omeprazol das Enzym CYP2C19 (abnehmende
Elimination von Phenytoin und anderen Medikamenten) und induziert die Expression von CYP1A2. Diese Expression führt zu einem Anstieg des Abbaus von
z.B. Imipramin (TZA), anderen antipsychotischen Medikamenten und Theophyllin.
[1] Johanniskrautextrakte und auch Rifampicin können zu einer Verringerung der
Bioverfügbarkeit von PPI führen, und den Abbau beschleunigen. [51] Wichtig ist
auch, dass PPI nicht mit H2RA kombiniert werden dürfen, da H2RA die H +Konzentration im kanalikulären System der Parietalzellen reduzieren und dadurch
die H+-abhängige Aktivierung der PPI herabgesetzt wird. [51]
Es gibt Hinweise dafür, dass die gleichzeitige Anwendung von PPI mit Clopidogrel
zu Interaktionen führen kann. [1] Clopidogrel wird in Kombination mit Aspirin in der
Therapie des akuten Koronarsyndroms als „State of the art“ angesehen, da es das
46
Risiko erneuter Ischämien reduziert. [54] Andere Indikationen sind z.B. bei
frischem Schlaganfall oder bei Patienten mit koronaren Stents gegeben. [55]
Studien liefern Hinweise, dass es sich dabei um keinen einheitlichen Gruppeneffekt der PPI handelt, sondern dass das CYP-450-Isoenzym CYP2C19 und
dessen Bedeutung in deren Stoffwechselwegen dabei eine wichtige Rolle spielt.
So wird das Prodrug Clopidogrel über CYP2C19 zu dessen wirksamen Metaboliten, einem Thiolderivat, aktiviert. Ältere Studien berichteten über signifikante
Einschränkungen der Hemmung der Blutplättchenaggregation bei der Kombination
beider Wirkstoffe. Pantoprazol spielt dabei eine untergeordnete Rolle, da die
gleichzeitige Anwendung von Pantoprazol mit Clopidogrel gastrointestinale
Blutungen reduziert, ohne dabei das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse zu erhöhen. [1,53,54,56] In dem 90-tägigen Behandlungszeitraum einer kanadischen
Studie aus dem Jahr 2009 waren andere eingesetzte PPI (Omeprazol, Lansoprazol, Rabeprazol) mit einem Anstieg des Risikos einen Myokardinfarkt zu erleiden mit 27% assoziiert. Diese Untersuchungen waren für die „United States
Food and Drug Administration“ und die „European Medicines Agency“ noch im
gleichen Jahr der Anlass, von der Kombination Clopidogrel und PPI (besonders
Omeprazol) abzuraten. [54] Bei Patienten die aber auf die gleichzeitige Gabe von
PPI und Clopidogrel angewiesen sind, sollten PPI verwendet werden, bei denen
die Wahrscheinlichkeit einer Inhibition von CYP2C19 niedriger ist (Pantoprazol).
[54,56] Eine aktualisierende Literaturrecherche zur Beurteilung klinischer Studien
der Jahre 2011 und 2012 über beschriebene Interaktionen zwischen PPI und
Clopidogrel erschien im Jahr 2013. Diese ergab, dass bei der Mehrheit dieser
durchgeführten Studien keine signifikanten Interaktionen hervorgerufen wurden.
Zwei in dieser Literaturrecherche enthaltende Reviews berichten sogar davon,
dass keine signifikanten Unterschiede bei der Anwendung von Clopidogrel und
individuellen PPI beobachtet werden konnte. Insgesamt können Kliniker den
Patienten also versichern, dass die Kombinationstherapie bei Patienten mit hohem
Risiko für gastrointestinale Blutungen ungefährlich ist. Die parallele Therapie der
PPI sollte dennoch vorsichtshalber abgebrochen werden, wenn die Indikation
klinisch nicht gerechtfertigt ist. [55]
47
3.4 Schleimhautschützende Mittel
Einen neuen Aspekt in der Behandlung der Ulkuskrankheit brachte André Robert
ein, der das Prinzip der Zytoprotektion erarbeitete. Zytoprotektive Medikamente,
wie Sucralfat, Misoprostol oder Wismut haben oft auch eine antisekretorische
Komponente. Doch wurden auch diese Medikamente zur Behandlung der Ulkuskrankheit durch die Entwicklung und Einführung der PPI verdrängt. [17]
3.4.1 Sucralfat
3.4.1.1 Geschichtliche Aspekte
Das basische und schwer lösliche Aluminiumsalz eines Saccharoseschwefelsäureesters, Sucralfat, ist eine japanische Entdeckung, deren Synthese von M.
Nametaka 1967 veröffentlicht wurde. Die Firma Chugai in Japan brachte 1979 den
Stoff unter dem Namen „Ulcermin®“ auf den Markt. 1981 wurde in Deutschland
das Präparat „Ulcogant®“ von der Firma Merck/Lipha in den Handel eingeführt
und ist heute noch in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Verkauf zugelassen. [3,8]
3.4.1.2 Allgemeine pharmakologische Eigenschaften
Sucralfat wirkt nur im sauren pH mukosaprotektiv, da Aluminium nur in Gegenwart
von Säure freigesetzt wird. [1,29] Die übliche Dosis beträgt 4x1g täglich und sollte
eine Stunde vor den Mahlzeiten eingenommen werden. [1,36,46] Diese Substanz
bildet auf Schleimhautdefekten einen oberflächlichen, unlöslichen, schützenden
Film, der neutralisierend wirkt und die Schleimhaut vor Salzsäure, Pepsinogen und
Gallensäure schützen soll. Besonders am Ulkusgrund geht Sucralfat mit
basischen Proteinen eine Komplexverbindung ein. [4,36,46] Ca. 30% von
Sucralfat kann 3 Stunden nach oraler Applikation im Magen immer noch nachgewiesen werden. [29] Doch durch den viskösen Schleimhautfilm kann die
Absorption anderer Medikamente (z.B. Phenytoin, Theophyllin, Digoxin, Cimetidin,
Ketoconazol,
Amtriptylin,
Tetrazykline,
Fluorchinolone)
gehemmt
werden.
Aufgrund dieser Tatsache sollte Sucralfat erst zwei Stunden nach der Einnahme
anderer Medikamente eingenommen werden. [1,29] Sucralfat besitzt auch eine
topische Wirkung auf die Magenschleimhaut, indem es die Sekretion von Prostaglandinen, Bikarbonat und Muzin stimuliert. Außerdem werden die Schleimhautdurchblutung und die Gefäßneubildung gesteigert. [4,29] Kontrollierte klinische
48
Studien zeigen, dass Sucralfat auf die Ulkusheilung einen beschleunigenden Einfluss hat. [8] Die Heilungsrate von Sucralfat in der Ulkustherapie ist ähnlich der
von den H2RA und liegt bei ca. 88% in 8 Wochen. Die Verwendung von Sucralfat
bei säurebedingten Krankheiten ist in den letzten zurückgegangen. Eingesetzt
wird es noch zur Prophylaxe der Stressulcera und bei anderen Krankheiten mit
Schleimhautentzündungen und/oder Schleimhautulzerationen, wie z.B. bei Mundsoor, bei Strahlentherapie-bedingter Proktitis oder solitären rektalen Ulzerationen.
[1]
3.4.1.3 Nebenwirkungen
Da Sucralfat nur in minimalen Dosen absorbiert wird, zeigt es ein exzellentes
Sicherheitsprofil, mit der Aluminium-induzierten Obstipation als häufigste Nebenwirkung (2%). [1,4] Noch seltener zeigen sich Mundtrockenheit, Übelkeit,
Erbrechen und/oder Kopfschmerzen. [29]
3.4.2 Misoprostol
3.4.2.1 Geschichtliche Aspekte
In den 1940er Jahren konnte der schwedische Physiologe Ulf Svante Hansson
von Euler (1905-1983) in der Prostatadrüse langkettige oxygenierte Fettsäuren
nachweisen. Niemand ahnte zu dieser Zeit, dass sich diese Fettsäuren als
wichtige Mediatorstoffe in allen Organen zeigen. Im Verlauf der nächsten Jahrzehnte wurden erst die vielfältigen pharmakologischen Wirkungen der Prostaglandine entdeckt. 1974 gelang es nachzuweisen, dass die Effekte der
Prostaglandin-E-Abkömmlinge eine Hemmung der basalen Säuresekretion und
auch aller Formen der Histamin- und Gastrin-induzierten Säuresekretion hervorrufen. Schon vor der Aufklärung der Arachidonsäurekaskade und die auf die
Prostaglandinbildung hemmenden Einflüsse von Acetylsalicylsäure und den NSAR
waren die ulcerogenen Wirkungen dieser Medikamente bekannt. Dass niedrige
Prostaglandin-Dosen eine Steigerung der Mucusproduktion und Erhöhung der
Bikarbonatsekretion bewirken, fand man 1980 heraus. Die schnelle Inaktivierung
der Prostaglandine durch die im Magen vorkommenden Dehydrogenasen stand
dem therapeutischen Einsatz noch im Weg. 1977 wurde von E.Z. Dajani und D.R.
Driskill „Misoprostol“ (Prostaglandin E1-Derivat) synthetisiert. 1985 erhielt
Misoprostol die Zulassung. Die Firma Boehringer aus Mannheim und Searle
49
Endopharm führten 1986 das Produkt unter dem Namen „Cytotec®“ ein. [3]
Dieses Präparat wird heute noch in der Schweiz unter gleichem Namen verkauft.
Im Januar 2006 wurde in Deutschland das Präparat von der Firma Pfizer vom
Markt genommen. Heute wird „Misoprostol“ in Deutschland als „Arthotec®“ verkauft. In Österreich jedoch ist die Firma Pfizer (Pfizer Corporation Austria) immer
noch Zulassungsinhaber des Produktes „Cyprostol®“. Das ProstaglandinAnalogon „Latanoprost®“, eingeführt 1997 von Pharmacia&Upjohn, zeigte ein
völlig neues Indikationsgebiet und konnte in Form von Augentropfen zur
Glaukombehandlung eingesetzt werden. Im Jahr 2001 folgte das Präparat
„Travoprost®“. [3]
3.4.2.2 Allgemeine pharmakologische Eigenschaften
Misoprostol ist das stabile Analogon von Prostaglandin E1. [29] Misoprostol wird
oral appliziert und ist zunächst selbst unwirksam, bis es in der Leber in die
wirksame Misoprostolsäure überführt wird. [51] Die Hauptwirkung von Misoprostol
ist der lokale Effekt an der Magenschleimhaut. Es wirkt direkt an den ECL-Zellen.
Dieser Effekt bewirkt, dass die basale und stimulierte Säuresekretion reduziert und
die Schleimhaut geschützt wird. Weiters stimuliert es die Schleimhautdurchblutung
und steigert die Sekretion von Muzin und Bikarbonat. [4,29,51] Die Misoprostolsäure kann über EP3-Rezeptoren die H+/K+-ATPase in den Parietalzellen
hemmen. [51] Misoprostol wird bei der Anwendung von NSAR als Ulkusprophylaxe eingesetzt. [8] Eine Metaanalyse aus 33 randomisiert-kontrollierten
Studien zeigt, dass Misoprostol den H2RA und PPI in der Ulkusprophylaxe bei
chronischem NSAR-Gebrauch vorzuziehen ist, da eine Hochdosis-Therapie mit
Misoprostol (4 x 200µg täglich) die einzig wirksame prophylaktische Medikation
ist, die die Ulkuskomplikationen senkt. Die Gründe dafür sind, dass Misoprostol
die NSAR-bedingte Hemmung der Cyclooxygenase und den damit verbundenen
Abbau der Prostaglandine korrigiert und eine normale Physiologie des Magens
wiederherstellt. [1,4] Es zeigte sich bei Patienten mit chronischem NSARGebrauch und guter Einnahme-Compliance von hoch dosiertem Misoprostol, dass
93% der Patienten in 12 Wochen kein Ulkus entwickelten. Im Vergleich dazu
entwickelten bei PPI-Einnahme 82% der Patienten kein Ulkus. [4]
50
3.4.2.3 Nebenwirkungen
Therapeutisch kann Misoprostol aufgrund ausgeprägter Nebenwirkungen kaum
eingesetzt werden. Häufige Nebenwirkungen stellen schwere Diarrhöen mit und
ohne Abdominalschmerzen (30% der Fälle), Übelkeit und Erbrechen dar. Selten
kann es zu Menstruationsstörungen oder zu Kontraktionen des Uterus mit Wehenauslösung kommen, weshalb die Schwangerschaft eine absolute Kontraindikation
für Misoprostol darstellt. [1,4,46,51] Außerdem kann es zu einer Verschlimmerung
einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung führen und sollte somit bei diesem
Patientengut vermieden werden. [1]
3.5 Anticholinergika
3.5.1 Geschichtliche und allgemeine pharmakologische
Aspekte
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verwendeten Ärzte in der Therapie des
peptischen Ulkus den Extrakt „Belladonna“. Dieser Extrakt enthält das Alkaloid
Atropin, einen nicht-selektiven Muskarinantagonisten, welches die Sekretion der
Magensäure durch Unterdrückung der Wirkung von Acetylcholin kompetitiv
hemmt. Im Altertum und im Mittelalter verwendeten Frauen diesen Extrakt in Form
von Augentropfen als eine Art Kosmetikum, um durch die daraus resultierenden
großen Pupillen attraktiver zu wirken („bella donna“). Es kann auch aus weiteren
zahlreichen Solanaceen-Arten gewonnen werden. Vor allem aus der erwähnten
Atropa belladonna (der Tollkirsche), aus Datura stramonium (dem Stechapfel) und
aus Hyoscyamus niger (dem Bilsenkraut). In diesen Pflanzen kommt auch in verschiedenen Mengen das chemisch verwandte und in mancher Weise ähnlich
wirkende Skopolamin (Hyoscin) vor. Da Atropin alle M-Rezeptor-Subtypen in
gleichem Maße hemmt, kommt es zu einer generellen Parasympatholyse. Aufgrund der daraus resultierenden und teils erheblichen Nebenwirkungen, wie verschwommener Sicht (Akkomodationsstörungen), Photophobie, Tachykardien,
Mundtrockenheit, trockene Haut durch Hemmung der Schweißbildung, Verlangsamung der Magenentleerung, der Harnblasendysfunktion und der Gefahr der
Intoxikation, war Atropin nicht sonderlich beliebt. [6,12,13,33,46,57] So verordnete
auch der Weimarer Arzt Christoph Wilhelm Hufeland (1762-1836) bei Ulkusleiden
Belladonna und Kirschlorbeer zur Lösung der Eingeweidespasmen. Obwohl
51
Anticholinergika schon vor dem sicheren Wissen über die vagale Innervation der
Säuresektion zur Ulkustherapie eingesetzt wurden, wurden diese erst in den
1950iger und 1960iger Jahren genauer untersucht. Es konnten keine bedeutenden
Heilungserfolge mit Anticholinergika zur Ulkusbehandlung festgestellt werden, da
diese in der Mehrzahl nicht ausreichend selektiv wirkten. Daher wurden 1985 die
Präparate
„Ambutoniumbromid“
(Praxiten
SP®),
„Fentoniumbromid“
(Ulcesinium®) und „Methantheliniumbromid“ (Vagantin®) vom Markt genommen.
1970 wurde „Pirenzepin“ als „Gastrozepin®“ eingeführt, nachdem eine Forschergruppe der Firma Thomae aus Biberach den M1-Rezeptorsubtyp entdeckte.
„Pirenzepin“ ist eine hydrophile, trizyklische, atropin-ähnlich wirkende Substanz
und besitzt eine zehnfach höhere Affinität zum M1-Rezeptortyp als zu den anderen
Rezeptor-Subtypen. [3,46] Dieses Antimuskarinikum war zu Beginn der Entdeckung ein großer Fortschritt in der Behandlung der Magenulcera, allerdings
gelang aufgrund der kurz darauf eingeführten H2RA nicht der gewünschte therapeutische Durchbruch. [6] „Telenzepin“, auch ein M1-Rezeptorantagonist, wurde
wie „Pirenzepin“ zur Ulkusbehandlung eingesetzt. [1,58] Die M1-RezeptorAntagonisten reduzieren die basale Säuresekretion um 40-50%. Allerdings zeigten
auch diese beiden Präparate signifikante anticholinerge Nebenwirkungen. [1]
Heute werden Anticholinergika in der Therapie des Ulcus ventriculi als obsolet
betrachtet und haben in diesem Indikationsgebiet somit ihre therapeutische
Bedeutung völlig verloren. [51] Angewendet wird Atropin unter anderem als
Antidot bei Intoxikation mit Cholinesterase-Hemmern vom Organophosphat-Typ
oder zur Unterdrückung muscarinartiger Nebenwirkungen bei der Therapie der
Myasthenia gravis. [46]
52
4
HELICOBACTER-PYLORI
Abbildung 1: Elektronenmikroskopisches Bild von Helicobacter pylori
(copyrighted: free use for any purpose)
[http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d6/EMpylori.jpg]
Stand: 01. November 2013
4.1 Einleitung
Die Menschen infizierten sich vor ca. 58.000 Jahren mit H.pylori. [59] Andere
Quellen berichten davon, dass die Menschen bereits vor 100.000 Jahren H.pylori
akquirierten. Seinen Ursprung nahm es im Süden von Afrika, bei Mitgliedern der
San, einem der ältesten Völker der Welt und einem Stamm, bestehend aus Jägern
und Sammlern. Im Zuge der Völkerwanderung breitete sich H.pylori nach und
nach auf alle Kontinente der Erde aus. [60] H.pylori ist eine übertragbare
bakterielle Infektion der oberflächlichen Magenschleimhaut. Die Infektion resultiert
aus einem progressiv zugeführten Schaden von H.pylori auf die Magenschleimhaut mit eventueller Beeinträchtigung der Funktion des Magens. [61] In
den neunziger Jahren bestätigte sich die These der Infektion mit H.pylori als die
Hauptursache für die Entstehung der gastralen und duodenalen Ulcera durch
zahlreich bestätigte Studien. [3,62] Ebenso konnte zur gleichen Zeit der
53
Zusammenhang des Bakteriums mit der Entstehung des Magenkarzinoms assoziiert werden. Das Risiko für die Entwicklung eines Magenkarzinoms war im Jahr
2000 laut dem Grazer Prof. Dr. Krejs bei bestehender H.pylori-Infektion durchschnittlich 6x höher. [63] Nach der aktuellen S3-Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) aus dem Jahr 2009
ist das Risiko ein distales Magenkarzinom zu entwickeln bei H.pylori-positiven
Patienten, im Gegensatz zu nicht-infizierten Personen, um den Faktor 2-3 erhöht,
und hängt von den Wirts-, Umwelt- und bakteriellen Virulenzfaktoren ab (s.u.). [73]
In Ländern wie Österreich entwickeln 1% der H.pylori-positiven Patienten während
ihrer Lebenszeit ein Magenkarzinom. Im Gegensatz dazu entwickelt nur einer aus
750 nicht-infizierten Personen ein Magenkarzinom. [63] Weltweit gesehen zählt
das Magenkarzinom zu den vierthäufigsten Malignomen und stellt die zweithäufigste karzinombedingte Todesursache dar. Vermutet wird, dass ca. 700.000
Menschen pro Jahr an einem Magenkarzinom versterben. Eine Analyse der WHO
(World Health Organization) zeigte, dass es in der EU, im Zeitraum zwischen 1970
und 2003, zu einer deutlichen Abnahme der Mortalität der Magenkarzinome kam.
[64] Ebenso ist gesichert, dass die H.pylori-Infektion die häufigste Ursache für die
Typ-B-Gastritis darstellt. [61,74] H.pylori wurde 1994 von der IARC (International
Agency for Research on Cancer) der WHO aufgrund durchgeführter Studien als
definitives Karzinogen der „Klasse 1“ eingestuft. [61,65,66,67] Malfertheiner et al.
berichteten im November 2012, dass H.pylori mit einem geringen Risiko für die
Entstehung kolorektaler Adenome und Kolonkarzinome assoziiert ist. [68] Das
MALT-Lymphom kann durch die kontinuierliche Infiltration von lympho-plasmazellulären Bestandteilen der Magenschleimhaut entstehen. Das mit einer H.pyloriInfektion assoziierte MALT-Lymphom ist eine monoklonale Proliferation der
kanzerogenen B-Zellen, die in die Drüsen des Magens infiltriert sind. Das MALTLymphom
ist typischerweise niedrig maligne („low-grade“). Die H.pylori-
Eradikation kann in den meisten Fällen zu einer Remission des MALT-Lymphoms
führen, sollte diese früh genug durchgeführt werden. [61] Für die Praxis ist die
Infektion mit H.pylori ebenso von Bedeutung, da es einzelne Medikamente, wie LThyroxin und L-Dopa in ihrer Bioverfügbarkeit negativ beeinflussen kann. [80]
54
4.2 Epidemiologie
H.pylori ist nach der Todesursachenstatistik für ca. 2% der Todesfälle in den
Ländern der westlichen Welt verantwortlich. [15] H.pylori verursacht mit 50% die
häufigste chronische bakterielle Infektion der Weltbevölkerung. Die Prävalenz
variiert abhängig von verschiedenen Faktoren und beträgt in Entwicklungsländern
mehr als 80%, und in entwickelten städtischen Regionen weniger als 40%. [62,66,
69,74,75,76] In einigen Industrieländern (unter anderem in Polen, Griechenland,
Japan) sind bis zu 80% der über 55 jährigen Menschen H.pylori-positiv. [15,21,44]
Bei australischen Ureinwohnern (1%) und im Nordosten von Malaysia (4%) finden
sich wiederum, mit unklarer Ursache, sehr niedrige Infektionsraten. [15,21] Im Jahr
2000 waren in Österreich in etwa 30% der Gesamtbevölkerung mit H.pylori
infiziert. [63] In einer österreichischen Studie aus Graz, von Prof. Dr. Krejs, wurden
im Zeitraum von Februar 2000 bis Februar 2001 242 Medizinstudenten (103
männlich, 139 weiblich, zwischen dem 21.-39. Lebensjahr, Durchschnittsalter: 26
Jahre) auf das Vorhandensein einer H.pylori-Infektion mit dem
13
C-Harnstoff-
Atemtest untersucht. Von diesen 242 Medizinstudenten wurden 23 (10%) positiv
auf H.pylori getestet. 34 Versuchsteilnehmer, die über dyspeptische Beschwerden
klagten, wurden 4 (12%) positiv auf H.pylori untersucht. Unter den 208
asymptomatischen Medizinstudenten wurde bei 19 Teilnehmern (9%) eine
H.pylori-Infektion nachgewiesen. [70] Obwohl die meisten H.pylori-positiven
Personen lebenslang asymptomatisch bleiben, verursacht es in 100% der
infizierten Personen eine chron. aktive Gastritis. [66, 80] Die durchschnittliche
Inzidenz in Westeuropa beträgt 0,5-2% pro Jahr. [44] Die Akquirierung einer
H.pylori-Infektion erfolgt typischerweise in der Kindheit, meist vor dem 10. Lebensjahr. Kinder unter 10 Jahren aus sozial hochentwickelten Nationen akquirieren die
Infektion typischerweise mit einer Rate von 0-5% pro Jahr, während die Rate bei
Kindern in Entwicklungsländern bei 13-60% pro Jahr betragen kann. [71] Andere
Quellen hingegen berichten, dass die bevorzugte Altersgruppe bei den zwischen
11- und 16-jährigen Jugendlichen liegen soll. In dieser Altersgruppe wurde die
Prävalenz von H.pylori in Speichel und Stuhl in 55,9% bzw. 50% nachgewiesen.
[95] Es wird angenommen, dass die Prävalenz erwachsener Menschen auf die
Rate der Akquirierung während der Kindheit zurückzuführen ist, und ebenso von
den sozialen und ökonomischen Konditionen ihrer Familie während dieser
Zeitperiode abhängt. [61,74,76] In der westlichen Welt breitet sie sich vorwiegend
55
intrafamiliär aus. [15,66,67] Eine große Anzahl an Geschwistern oder Elternteile,
die an Dyspepsie leiden, stellen Risiken für eine H.pylori-Infektion dar. So waren
die DNA-Typisierungen, bzw. 66% der Antikörperprofile der bei den Familienangehörigen nachgewiesenen H.pylori-Stämme, identisch oder sehr ähnlich. [15]
Das relative Risiko, dass ein Kind eine H.pylori-Infektion akquiriert ist ungefähr 8x
höher wenn die Mutter H.pylori-positiv ist, und in etwa 4x höher, wenn der Vater
mit H.pylori infiziert ist. [71] Auch das Magenkarzinom tritt gehäuft innerhalb dieser
Familien auf. [44, 67] Das Alter, die Volkszugehörigkeit, sozioökonomische
Konditionen (besonders ökonomische Entwicklungen einer geographischen
Region, beengte Wohnverhältnisse, untere gesellschaftliche Zugehörigkeit,
fehlende Warmwasserversorgung, Trinkwasser- und Nahrungsqualität, mangelnde
Hygiene) und die Migration aus einer Hochprävalenz-Region sind die bestimmenden Faktoren der Prävalenz der Infektion. [15,21,61,66,67,73,74,76] So
sind etwa 50% der Erwachsenen ab dem 60. Lebensjahr Keimträger. Querschnittsstudien zeigen, dass mit zunehmendem Lebensalter die Durchseuchungsfrequenz mit 1% pro Lebensjahr zunimmt. Zurückzuführen ist die höhere Rate an
Infektionen der heute älteren lebenden Menschen auf die, in derer Kindheit und
Jugend,
vorherrschenden
Lebensbedingungen
(ungünstigere
soziale
und
hygienische Rahmenbedingungen), und des damals allgemein vorherrschenden
höheren Ansteckungsrisikos. Daher kann die heutige höhere Prävalenz der
H.pylori-Infektion bei älteren Personen als Kohortenphänomen, und nicht als
kumulative Neuinfektion, interpretiert werden. [21,44] Studien zeigen, dass die
Durchschnittsrate der Infektion in den höher entwickelten Ländern aufgrund der
immer besser werdenden Lebensbedingungen, vor allem der verbesserten
hygienischen Konditionen, zu fallen scheint, was ebenso auf die ausgedehnte Verwendung von Antibiotika zur Therapie verschiedenster Infektionen zurückzuführen
sein könnte. [61,71,74,76] Anerkannte Präventionsstrategien zur Verhinderung
einer H.pylori-Infektion existieren allerdings nicht. Ebenso gibt es noch keine
wirksame H.pylori-Impfung. Schätzungen zufolge könnte diese nach einem zehnjährig-andauernden Impfprogramm zu einer signifikanten Prävalenzreduktion der
H.pylori-Infektion und der assoziierten Erkrankungen führen, und könnte bei einer
55%igen Effektivität auch noch kosteneffektiv sein. [73] Vermutet wird, dass die
Inzidenz des Magenkarzinoms durch eine Impfung um >40% reduziert werden
könnte. [72] In Deutschland ist die Infektionsrate zwischen Frauen/Männern unter56
schiedlich. Im Alter <30 Jahre liegt sie bei 25/30%, im Alter zwischen 30-34 Jahren
bei 19/16%, bei >35 Jahren 12/24%. [73] Ein Zusammenhang mit Nikotinund/oder Alkoholkonsum konnte als Risikofaktor nicht bestätigt werden. Eine angemessene Ernährung, vor allem der regelmäßige Verzehr von Obst, Gemüse
und Vit-C unter idealen hygienischen Bedingungen, scheinen vor einer Infektion
mit H.pylori zu schützen. [74] Studien konnten beweisen, dass besondere Berufsgruppen wie z.B. Krankenpflegepersonal oder Ärzte signifikante Durchseuchungsraten aufweisen, die mit der Dauer der Berufsjahre proportional ansteigt. Somit
besteht ein berufsbezogenes Risiko für die H.pylori-Infektion. [15,73]
Die
Eradikation von H.pylori bei symptomatischen Patienten ist ein kosteneffektives
Vorgehen. [66]
4.3 Übertragungsweg
Die Magenschleimhaut, sowie die Schleimhaut mit gastraler Metaplasie (Duodenum, Ösophagus) des Menschen stellt für H.pylori das Hauptresorvoir dar und
kann den Menschen ohne entsprechende Therapie lebenslang kolonisieren.
[15,21,71,74,75] Bezüglich der Übertragung von H.pylori von Mensch zu Mensch
werden „gastro-orale“ (durch Erbrechen, Magensaft, Reflux), „oro-orale“ (durch
verunreinigtes Wasser, möglicherweise Speichel, Schleimhautkontakt, und/oder
Zahnbelag) und „fäkal-orale“ (durch Fäzes, Schmierinfektionen) Übertragungswege diskutiert, sind aber weiterhin noch nicht gänzlich aufgeklärt. Wie bereits beschrieben stellt den wichtigsten Übertragungsweg der enge Kontakt von Kindern
mit H.pylori-infizierten Familienangehörigen dar. Die einzigen geprüften möglichen
iatrogenen Übertragungen sind durch kontaminierte/unsterile endoskopische
Verfahren und unachtsame pH-Untersuchungen gegeben. [15,61,62,73,74,75,76,
77] In der Magenschleimhaut von verschiedenen Tieren (Nagetieren, Primaten,
Frettchen, Schweinen, Katzen, Pferden, Kälbern, Geparden) wurden andere
Helicobacter-Stämme nachgewiesen, die bei Menschen noch nicht gefunden
wurden, und somit als Ansteckungsquelle oder Keimreservoir keine Bedeutung
haben. [15,76,77]
57
Helicobacter Spezies
Wirt
H.pylori
Mensch
H. mustelea
Frettchen
H. felis
Katze, Hund
H. nemestrinae
Affen
H. acinonyx
Gepard
H. heilmannii
Mensch
H. canis
Hund
Tabelle 3: Zuordnung der nachgewiesenen Helicobacter-Spezies (H.: Helicobacter)
modifiziert nach Malfertheiner P. [21]
4.4 Mikrobiologische und biochemische
Eigenschaften
H.pylori ist ein gram-negatives, mikroaerophiles Bakterium mit einer einfach gebogenen oder spiralig angeordneten (mit bis zu 3 Windungen) Zellform, das sich
äußerst gut an die im Magen vorherrschenden Bedingungen anpasst. [21,61,62,
71] Die Zellwand gleicht den Merkmalen gram-negativer Bakterien. [35] Die
äußere Membran besitzt eine Lipopolysaccaridstruktur, und stellt ein Endotoxin
dar. [15,78] Es hat eine Größe von 0,6 x 3,5µm und besitzt mit 1,65 x 106 Basenpaaren ein kleines Genom, welches 1997 das erste Mal sequenziert wurde. Die
ausgeprägte genetische Variabilität ist ein charakteristisches Merkmal von
H.pylori, da nur sehr selten idente Stämme von verschiedenen Personen isoliert
werden können. Ein ident-isolierter Stamm zweier verschiedener Personen weist
auf einen direkten epidemiologischen Zusammenhang der Infektion hin. H.pylori
ist durch die 5 - 7 am Pol befindlichen Geißeln (Flagellen) hochbeweglich, sodass
es sich auch im Mukus fortbewegen kann. Diese Geißeln sind von einer
säurefesten Flagellenhülle umgeben. Es wächst sehr schnell in vitro und benötigt
dafür ein spezielles Nährmedium, und eine Umgebung mit reduziertem O2-Gehalt
und hohen CO2-Konzentrationen. Die optimale Temperatur für das Wachstum
beträgt 37°C. Um H.pylori künstlich anzuzüchten braucht das Bakterium ein
reichhaltiges Nährmedium, wie es z.B. bei Blutagarplatten oder Kochblutplatten
vorzufinden ist. Auf Agar-Platten erscheint H.pylori nach 3-4 Tagen in Form von
kleinen (1,5mm), weichen, glänzenden und transparent-wirkenden Kolonien. Diese
58
Anzüchtung ist die Voraussetzung für die Resistenztestung der Eradikationstherapie. [15,17,21,61]
4.5 Bakterielle Virulenzfaktoren
Es besteht die Kenntnis einiger wichtiger Charakteristika über H.pylori, doch von
dem vollständigen Verständnis der Pathogenese kann noch nicht gesprochen
werden. Einige Virulenzfaktoren, die für die Kolonisation in der Magenmukosa, die
Gewebszerstörung und das Überleben des Bakteriums von wesentlicher
Bedeutung sind, inkludieren die hohe Motilität im viskösen Mukus, die UreaseProduktion und die Fähigkeit des Bakteriums, durch Adhäsine (Zell-Zell-Adhärenz)
mit den oberflächlichen Zellen der Schleimhaut eine spezielle Bindung einzugehen. Auch immunmodulatorische Faktoren, Zytotoxine, Katalase, die Alkoholdehydrogenase, proteolytische Enzyme (Glucosesulfatase), Hitzeschockproteine
(HspA, HspB) und Lipopolysaccaride stellen wichtige virulente Faktoren von
H.pylori dar und ermöglichen die Langzeitpersistenz von H.pylori. All diese
Faktoren erlauben H.pylori, sich gegen die Abwehrmechanismen des Wirts (z.B.
Säure, Mukus, Peristaltik, Phagozyten) durchzusetzen und sich ein Keimreservoir
zu schaffen. [15,21,61,71] Die hohe Beweglichkeit macht es H.pylori möglich, aus
den sehr sauren Bereichen im Magenlumen in die alkalischen Umgebungen zu
entkommen. H.pylori produziert in unmittelbarer Umgebung die Urease, was Urea
(Harnstoff) hydrolysiert und dabei Ammoniak und Kohlendioxid freisetzt. Die dabei
entstehende „Ammoniakwolke“, die H.pylori umgibt, neutralisiert die Magensäure
und sichert H.pylori ein entsprechendes Nährmedium zur Kolonisation, und
schützt es gleichzeitig vor den Einflüssen der Magensäure. Des Weiteren hat die
Urease einen toxischen Effekt auf die Epithelzellen, indem sie die „Tight-junctions“
der Zellen durchbricht, und die Zellen somit zugrunde gehen. Auch die produzierte
Alkoholdehydrogenase hat eine schädigende Wirkung auf die Magenschleimhaut,
da hohe Alkoholspiegel in der Umgebung von H.pylori Acetaldehyd bilden kann.
Durch die von H.pylori gebildete Phospholipase C wird dem Bakterium, nach
Überwinden der Phospholipidschicht, die Adhärenz an die Rezeptoren der Epithelschichten ermöglicht. Die Phospholipase A hat die Aufgabe, die in der Zellmembran vorkommenden Phospholipide abzubauen und zu verdauen. Die
Produktion von Toxinen (Vacuolisierende Antigen: VacA), sind für die Schleimhautläsionen, durch Störungen der Vorgänge des intrazellulären Membran59
umbaus, verantwortlich. VacA wird von 50% der H.pylori-Stämme als zunächst inaktives Protein durch aktive Mechanismen aus H.pylori in die Umgebung ausgeschieden und wird durch das saure Milieu des Magens in die aktivierte Form
übergeführt. Die Aktivierung bewirkt die hochgradige Resistenz gegen die im
Magensaft enthaltenden Pepsine und gegen die Säure und führt zu einer
Vakuolisierung intrazellulärer Membranen. So kann es durch den Weitertransport
in das Duodenum, nach Aktivierung im Magen, auch dort zu Läsionen führen.
[15,21,61,71,78] Die VacA-produzierenden Stämme scheinen somit ein Faktor in
der Ulkusentstehung zu sein. Da das Toxin aber in 30-40% der asymptomatischen
Patienten mit einer H.pylori-Gastritis gefunden wurde, und bei 30% der Ulkuspatienten nicht vorhanden war, wird vermutet, dass es sich dabei um keinen
essentiellen Faktor in der Ulkusgenese handeln kann. [78]
Das CagA-Antigen (Cytotoxin-assoziiertes Antigen) ist ein weiteres wirksames
schleimhautschädigendes Antigen und kommt nur bei CagA-positiven Stämmen
vor. Dieses wird in den USA und den in Europa vorhandenen H.pylori-Stämmen in
ca. 50-70% der Fälle, und den in Asien vorkommenden Stämmen in mehr als 90%
gebildet. [15,61,71,78] Das bei H.pylori-Stämmen vorhandene Cag-A-Gen
korreliert mit schweren Verläufen der H.pylori-Infektionen, vor allem der
peptischen Ulkuskrankheit. Auch die Schwere der Gastritis ist davon abhängig.
Die Cag-Pathogenitätsinsel ist die bezeichnete Region fehlender bakterieller,
genetischer Faktoren. Diese „Insel“ scheint für die IL-8-Ausschüttung aus den
Epithelzellen erforderlich zu sein. Das Zytokin „IL-8“ nimmt für die Ulkus- und
Gastritisentstehung eine zentrale Rolle ein, spielt aber auch in der Entwicklung
des MALT-Lymphoms und des Magenkarzinoms eine signifikante Rolle. [15,78]
60
Virulenzfaktor
Kolonisation
Gewebsschädigung
Effekt
Flagellum
Beweglichkeit in Muzinschicht
Urease
Neutralisation der Magensäure
Adhäsine
Bindung an Epithelzellen
Urease
Toxischer
Effekt
auf
Epithelzellen;
durchbricht „Zell-tight-junctions“
CagA
Führt zu Ulcera und schweren Formen
der Gastritis
VacA
Schädigung des Epithels
Proteolytische Enzyme
Glucosesulfatase degeneriert Muzin
Phospholipase A
Verdauung
von
Phospholipiden
in
Zellmembranen
Alkoholdehydrogenase
Überlebensfähigkeit Superoxiddismutase/
Schleimhautschädigung
Schützt H.pylori vor der Phagozytose
Katalase
Tabelle 4: Wichtige Virulenzfaktoren von Helicobacter pylori und deren Effekte. Modifiziert
nach Mobley HLT, Mendz GL, Hazell SL et al. [21,71]
4.6 Pathogenese
Die genetisch bedingten Konstellationen des Wirts, die eine H.pylori-Infektion begünstigen, stellen vor allem das Geschlecht, der HLA-Genotyp (DQA 1301), die
Lewis-b-Blutgruppenantigene und die individuelle Magenphysiologie dar. [15,21]
Der pathogene Effekt von H.pylori kommt vor allem durch die Virulenzfaktoren zustande, aber auch durch die reaktive, immunmodulatorische Antwort der Wirtsschleimhaut. Der pathogene Effekt führt zu einem direkten Schaden an der
Magenschleimhaut. Im Rahmen der H.pylori-Infektion kommt es zu signifikanten
Veränderungen der Magensekretion und führt, durch die Hemmung der Bildung
und Freisetzung von Somatostatin aus den antralen D-Zellen, zu einer für die
H.pylori-Infektion typischen Hypergastrinämie. Die D-Zell-Dichte nimmt ab. So wird
der hemmende Effekt von Somatostatin auf die G-Zellen vermindert, was eine gesteigerte Ausschüttung von Gastrin zur Folge hat und letztendlich in einem Anstieg
von Pepsinogen endet. Die erfolgreiche Eradikation führt zu einer vollständigen
Reversibilität der Hypergastrinämie und zu einer Wiederherstellung der D-ZellenDichte. [15]
61
4.7 Diagnostik
4.7.1 Indikationen für die Diagnostik
Der Erregernachweis von H.pylori macht nur dann einen Sinn, wenn bei dem
Patienten, mit positiver Bestätigung, die Bereitwilligkeit zur Eradikation dieses
Erregers besteht. Dieser Nachweis ist die Voraussetzung für die H.pylorispezifische antibiotische Therapie. Alternativ zur PPI-Behandlung kann bei
Patienten mit dyspeptischen Beschwerden die H.pylori-Diagnostik und -Therapie
durchgeführt werden. Eine Besserung der Symptome kann durch die Eradikation
allerdings nur in 6-14% beobachtet werden. Aufgrund der guten Verfügbarkeit
endoskopischer Diagnostik sollte nicht nur mit nicht-invasiven Methoden gearbeitet werden. Die ÖGD mit Biopsieentnahmen ist bei allen älteren (>50 Jahre)
Patienten mit akut aufgetretener Dyspepsie, bei allen Patienten mit Gewichtsverlust, Schluckstörungen, persistierendem Erbrechen, Eisenmangelanämie,
gastrointestinalen Blutungen oder Patienten aus Gebieten mit hohen Magenkarzinominzidenzen durchzuführen. [79,80] Bei Patienten mit dyspeptischen
Beschwerden im Alter < 50 Jahren ohne Alarmsymptome kann auf die Endoskopie
verzichtet werden. Stattdessen sollte ein nicht-invasiver Nachweis erfolgen. Bei
positivem H.pylori-Nachweis sollte dann eine Therapie eingeleitet werden. [80]
4.7.2 Diagnostische Methoden
Generell unterscheidet man die invasiven Tests im Rahmen der ÖGD, von den
nicht-invasiven Untersuchungsmethoden. [80] Zur Diagnostik geeignet sind vor
allem die Testverfahren, die selbst in der Lage sind, das Bakterium direkt nachzuweisen. Dazu zählen vor allem die Histologie und die Erregeranzucht in der
Kultur, aber auch der Nachweis typischer Antigene im Stuhl oder der spezifischen
Stoffwechselprodukte. Zu den Stoffwechselprodukten gehören Ammoniak (NH3)
beim Urease-Schnelltest und CO2 beim
13
C-Harnstoff-Atemtest. So weisen direkte
Testverfahren also eine aktuelle Infektion nach. Indirekte Nachweismöglichkeiten
beinhalten den Nachweis spezifischer Antikörper im Blut, Serum, Speichel und/
oder Urin und können somit eine aktuelle und/oder zurückliegende H.pyloriInfektion nachweisen. [73,79] Außer für die Serologie sollten PPI und/oder Antibiotika für mindestens 2 bzw. 4 Wochen abgesetzt werden, um eine verlässliche
Diagnostik einer H.pylori-Infektion zu gewährleisten, da die Sensitivität aller
direkten Nachweisverfahren durch die H.pylori-suppressive Therapie reduziert
62
wird. [73,79] Sollte das vorgegebene Abstandsintervall von 2 Wochen bei vorheriger PPI-Einnahme nicht eingehalten werden, kommt es in bis zu 80% zu falsch
negativen Testergebnissen. Ob auch H2RA die Keimdichte von H.pylori, und somit
die Sensitivität der diagnostischen Tests reduzieren, ist bisher umstritten. Abhängig von der Intensität und der Dauer der vorausgegangenen Therapie mit PPI
oder Antibiotika ist mit der Wiederherstellung der ursprünglichen Keimdichte erst
nach mehreren Tagen oder Wochen zu rechnen. Da die Dyspepsie in der
klinischen Routine anfangs mit PPI vorbehandelt wird, stellt diese Tatsache ein
Problem für die Diagnostik der H.pylori-Infektion in der Praxis dar und sollte daher
berücksichtigt werden, um falsch negative Testergebnisse zu vermeiden. Der
Therapieerfolg der Eradikationstherapie wird aber durch die vorgeschaltete PPIEinnahme nicht beeinflusst. [73] Da die Prävalenz in Österreich abnehmend ist,
sollten aufgrund des niedrigen prädiktiven Wertes eines positiven Testergebnisses
mindestens zwei positiv vorliegende Testergebnisse vorhanden sein. [79] Für das
endoskopisch nachgewiesene Ulcus duodeni hingegen reicht bereits ein einziges
positives Testergebnis (Urease-Schnelltest) zur Therapieeinleitung. [73] Auch
molekularbiologische Methoden und Methoden zur direkten Visualisierung des
Erregers auf der Magenschleimhaut, durch die Endomikroskopie, spielen in der
täglichen klinischen Diagnostik eine geringe Rolle. [79] Welches Testverfahren
letztendlich zur Anwendung kommt, hängt von den individuellen Fragestellungen
und besonderen Gegebenheiten ab. Auch die Invasivität und die erforderte
Testgenauigkeit sind wichtige Punkte, die in die Auswahl des Testverfahrens einfließen. Für epidemiologische Fragestellungen werden für gewöhnlich nichtinvasive Tests herangezogen. In der klinischen Routine werden die invasiven
diagnostischen Nachweismethoden bevorzugt. [73]
4.7.3 Invasive Methoden
7.4.3.1 Histologie
Im Rahmen der ÖGD werden die entnommenen Zangenbiopsien auf das Vorhandensein von H.pylori untersucht. Die Biopsien werden auf die Ureasetätigkeit
überprüft und sind das Basismaterial für sowohl histologische- als auch mikrobiologische Methoden. [15,61,79,80] Aufgrund der fleckförmigen Verteilung der
H.pylori-Dichte steigt die Sensitivität der histologischen Untersuchung, wenn die
Biopsien an mehreren Stellen (nach den updated Sydney-Empfehlungen) ent63
nommen werden. Für die histologische Begutachtung werden zwei Biopsien aus
dem Antrum und zwei Biopsien aus dem Corpus benötigt. Die aus dem Antrum
(große und kleine Kurvatur) getätigte Biopsie wird 2-3cm präpylorisch entnommen.
Die aus dem Corpus wird ca. 8cm aboral der Cardia (große Kurvatur) und 4cm
oral der Angulusfalte (kleine Kurvatur) entnommen. Ziel der Biopsien ist, dass
sowohl Bereiche mit höherer Keimdichte (Antrum und große Kurvatur) und
höherer Prävalenz maligner Vorstufen (Corpus und kleine Kurvatur) erfasst
werden. Die höhere Keimdichte ist am häufigsten im Antrum zu erwarten, kann
jedoch besonders bei Hypoacidität auch allein im Corpus nachgewiesen werden.
[73] Eine Biopsie wird für den Urease-Schnelltest benötigt. Für eine gegebenenfalls geplante mikrobiologische Untersuchung werden ebenso 2 Biopsien entnommen. [15] Bei speziellen Fragestellungen nach prämalignen Läsionen, sollte
ebenso eine Biopsie aus der Angulusfalte entnommen werden. [73] Bei der
histologischen Untersuchung kann zusätzlich zum direkten Bakteriennachweis,
durch konventionelle histologische Anfärbemethoden (Hämatoxilin und Eosin),
auch noch der Zustand der Magenschleimhaut beurteilt werden. Außerdem ist es
möglich, die Entzündung und die Atrophie zu graduieren. Aber auch durch die
klassische Färbemethode der Versilberung nach Warthin-Starry, die auch Warren
bei der Erstbeschreibung von H.pylori anwandte, lässt sich die H.pylori-Infektion
nachweisen. Auch die Infektion mit Helicobacter heilmannii lässt sich dadurch
nachweisen. Die Giemsafärbung hat sich neben den anderen Färbemethoden
auch durchgesetzt, da sie mit einem geringeren methodischen Aufwand verbunden ist. Die Sensitivität beträgt 80-98% und die Spezifität zeigt eine Rate von
90-98%. [15,73,78,79,80] Ein falsch positiver Befund nach histologischer Untersuchung ist bei spezialisierten Pathologen sehr selten. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Spezifität der histologischen Untersuchung von nahezu
100% angenommen werden. [73]
7.4.3.2 Urease-Schnelltest
Der durchgeführte Urease-Schnelltest bei der frisch entnommenen Antrumbiopsie
weist eine hohe Sensitivität (90-95%) und Spezifität (90-95%) auf. Bei einer
akuten Blutung im oberen GI-Trakt kann die Sensitivität, aus bisher nicht eindeutigen Ursachen, reduziert sein. Die Überwucherung des Magens mit Ureasebildenden Bakterien kann zu falsch positiven Testergebnissen führen. [73] Der pHWert verändert sich beim Urease-Schnelltest insofern, dass er sich dem
64
alkalischen Bereich nähert, wodurch es zu einer Aktivierung des Farbindikators
kommt. Durch die Farbänderung wird das Vorliegen von H.pylori angezeigt. Das
Ergebnis kann nach 30 Minuten abgelesen werden. [15,78,79] Der Test basiert im
Gegensatz zum
13
C-Harnstoff-Atemtest nicht auf der Detektion von CO2, sondern
auf dem Nachweis von NH3. [61] In der klinischen Praxis ist der Test besonders
vorteilhaft, da er schnell durchzuführen ist, und der Arzt innerhalb kurzer Zeit eine
H.pylori-Infektion nachweisen und die Therapie schnellstmöglich einleiten kann.
[78]
7.4.3.3 Kultur
Eine Spezifität von 100% weist nur der kulturelle Erregernachweis auf und ist
somit der „Goldstandard“ unter den Nachweismethoden. [15,79] Auch die
Sensitivität ist unter optimalen Bedingungen sehr hoch (70-90%). [79] Optimale
Bedingungen beinhalten die einwandfreie Probengewinnung, der rasche Transport
in einem geeigneten Transportmedium zur Verhinderung der Austrocknung, das
bestmögliche Kulturmedium (bevorzugt frische Blutagar-Platten oder WilkinsChalgren-Agar mit Erythrozytenkonzentrat-Zusatz unter Verwendung zusätzlicher
Substanzen, um die Kontamination anderer Mikroorganismen zu vermeiden) und
die Qualität der Analytik im Labor. [15, 78, 79]
7.4.3.4 Andere Methoden
In der klinischen Routine noch wenig etabliert ist die immunhistochemische
Nachweismethode oder die In-situ-Hybridisierung. Mit der In-situ-Hybridisierung
lassen sich parallel zur Identifikation von H.pylori noch zusätzlich Resistenzgene
nachweisen. [79] Als eine empfindliche Untersuchungsmethode hat sich die PCR
erwiesen. Mit dieser Methode lassen sich verschiedene H.pylori-Stämme nachweisen. [15] Das Äquivalent von zwei H.pylori-Genomen ist nachweisbar. Im
Mittelpunkt der Untersuchung stehen das VacA-Gen und das CagA-Gen, welche
für H.pylori spezifisch sind. [78] Diese Untersuchungsvariante weist eine
Sensitivität und eine Spezifität von 90-95% auf. [79]
4.7.4 Nicht-invasive Methoden
Diese Methoden beinhalten Atemtests, verschiedene Verfahren zum Antikörpernachweis und Antigentests des Stuhls. Eingesetzt wird letzterer und der 13C-Atem-
65
test vor allem zur Therapieverlaufskontrolle, und sind die nicht-invasiven Testverfahren erster Wahl. [79,80]
4.7.4.1 Der 13C-Harnstoff-Atemtest
Dieser Test stellt die genaueste nicht-invasive Methode dar, bei dem mit 13C-Harnstoff (stabiles chemisches Reagenz) nach standardisiertem Vorgehen die UreaseEnzymaktivität von H.pylori nachgewiesen wird. [15,61,79] Das oral zugeführte
13
C-Harnstoff wird durch die Urease zu
13
CO2 und NH3 abgebaut. Das CO2 wird
über die Lunge abgeatmet und wird dabei (massenspektrometisch oder infrarotspektometrisch) gemessen. [15,21] Die Sensitivität und Spezifität betragen 8595%. [79] Die Sensitivität ist nach einer Magenteilresektion beeinträchtigt, was auf
die resultierende verminderte Oberfläche der Magenschleimhaut zurückzuführen
ist. [73] Atemluftproben sind leicht zu gewinnen und lassen sich unproblematisch
lagern. [79]
4.7.4.2 Stuhlantigentests
Weiters zeigt der monoklonale Antigentest des Stuhls eine hohe diagnostische
Genauigkeit mit einer Sensitivität von 85-95%, und einer Spezifität von 85-95%.
[79,80] Die Ergebnisse sind mit denen des
13
C-Harnstoff-Atemtests vergleichbar.
[15,79] Bei dieser Testvariante werden H.pylori-Antigene im Stuhl des Patienten
untersucht. [15,61,79] Zu beachten ist dabei aber, dass es unterschiedliche Stuhlantigentests (quantitative laborbasierte Tests und Schnelltests) gibt. [79]
4.7.4.3 Antiköperbestimmungen
Hierbei kommen nur gut evaluierte, quantitative Testverfahren aus dem Serum in
Frage. Nicht ausreichend nachgewiesen sind die Testverfahren aus Urin und/oder
aus Speichel und ebenso auch nicht die Schnelltests zum Antikörpernachweis aus
Vollblut. [73,79] Die serologischen Testverfahren weisen einen guten negativen
Vorhersagewert auf. [79] Vor allem kommt dieses Testverfahren zur Anwendung,
wenn die nicht-invasive Diagnostik während einer antibiotischen Therapie oder
gleichzeitigen PP-Einnahme erfolgt. Methode erster Wahl ist der serologische
Nachweis von H.pylori-Antikörpern bei der Ulkusblutung und bei fortgeschrittener
Magenschleimhautatrophie. [80] Bei diesem Testverfahren wird Patientenblut auf
das Vorhandensein von gegen H.pylori-Antigene gerichtete Antikörper (IgG)
untersucht, was üblicherweise mittels ELISA-Tests durchgeführt wird, welche eine
66
Quantifizierung der Antikörper möglich machen. [35,80] Allerdings genügt der
alleinige serologische Nachweis von Antikörpern gegen H.pylori oder dessen
Virulenzfaktoren nicht aus, um eine therapeutische Entscheidung zu treffen. [73]
Eine weitere mögliche Indikation ist bei einer geringen Erregerdichte gegeben.
Zum Einsatz kommt dieses diagnostische Verfahren also dann, wenn die direkten
Testverfahren keine optimale Sensitivität aufzeigen. Diese Methode kommt ansonsten eher für epidemiologische Studien in Betracht. [79] Um ausgeprägte
atrophische Veränderungen der Magenschleimhaut nachzuweisen, eignet sich besonders der serologische Nachweis von „Pepsinogen I und II“ und „Gastrin 17“.
[80]
Diagnostik
Invasiv
Nicht-invasiv
Testverfahren
Sensitivität
Spezifität
Histologie
80-98 %
90-98 %
Urease-Schnelltest
90-95 %
90-95 %
Kultur
70-90 %
100 %
PCR
90-95 %
90-95 %
13
C-Harnstoff-Atemtest
85-95 %
85-95 %
Antikörperbestimmung
70-90%
70-90%
85-95%
85-95%
aus dem Serum (IgG)
Stuhlantigentest
Tabelle 5: Diagnostische Tests zum Nachweis einer Helicobacter-pylori-Infektion mit
Informationen über Sensitivität/Spezifität. Modifiziert nach Hirschl AM [79] und Fischbach
W, Malfertheiner P, Hoffmann JC, Bolten W, Kist M, Koletzko S. [73]
4.7.5 Resistenztestung
Bei erstmaligem Therapieversagen sollte immer eine Kultur angelegt werden, um
eine Resistenztestung durchführen zu können, um die Resistenzentwicklung
etwaiger Antibiotika zur Zweilinientherapie zu bestimmen. [73,80] Die prätherapeutische Resistenzbildung ist ein wichtiger negativ-beeinflussender Faktor
zum Therapieerfolg. [80,86] Der Hauptgrund für dieses Phänomen ist eine Punktmutation der H.pylori-DNA, die oft mit einem unangebrachten Antibiotika-Gebrauch assoziiert ist. [81] Die Resistenztestung bezüglich Fluorchinolonen und
Makroliden ist mit molekularbiologischen Nachweismöglichkeiten in Biopsien, und
67
für Clarithromycin auch im Stuhl, durchführbar. Mittels Anzüchtung einer Kultur ist
es möglich, jede beliebige Substanz auszutesten. [79] Der Agardilutionstest (syn.:
E-Test) gilt unter den diagnostischen Methoden der Resistenztestung als der
Goldstandard zur Bestimmung der antimikrobiellen Empfindlichkeit langsam
wachsender Bakterien, und sollte somit in der Routinediagnostik zur Sensibilitätstestung von H.pylori (vor allem auf Metronidazol) eingesetzt werden. [73]
4.8 Eradikationstherapie
4.8.1 Einleitung
Allgemein betrachtet, besteht die Eradikationstherapie aus einem Medikament,
das die Säuresekretion hemmt, um einen pH-Wert von >5,5 zu erreichen, und
zwei oder mehr zusätzlichen Medikamenten, die das Ziel haben, das Bakterium
abzutöten. Zwei oder mehr Antibiotika werden benötigt, um zu verhindern, dass
sich Resistenzen bilden. In Kombination wirken sie additiv und synergistisch, was
eine kürzere Gesamttherapiedauer und niedrigere Einzeldosen zur Folge hat. Invitro haben sich zahlreiche Antibiotika als wirksam erwiesen, in-vivo konnten sich
jedoch nur einzelne Substanzen durchsetzen. Die am meisten verwendeten Antibiotika zur Eradikation sind Clarithromycin, Amoxicillin, Metronidazol, Tetrazykline, Fluorchinolone und evtl. Rifabutin. [15,61,78]
Clarithromycin (Makrolide; Klacid®, Klaciped®, und andere)
Neben Azithromycin ist Clarithromycin das am häufigsten eingesetzte MakrolidAntibiotikum. [83] Es bindet speziell an die bakteriellen 50S-Untereinheiten der
70S-Ribosomen und führt durch Unterbrechung der Proteinsynthese zum Untergang der Bakterien. Sie haben ein weites Wirkspektrum (Gram-positive-, Gramnegative-, intrazelluläre- und schraubenförmige Erreger) und wirken in der Regel
bakteriostatisch. Sie werden im ambulanten Bereich, vor allem bei der Behandlung
respiratorischer Infekte, besonders häufig eingesetzt. Clarithromycin ist zwar
magensäureresistent, zeigt dennoch bei gleichzeitiger Säuresuppression eine
noch bessere Wirkung. [15,61,78,82,83] Die Mutationen, die eine Resistenzbildung zur Folge haben, sind Punktmutationen auf der „23SrRNA-Komponente“
der Ribosomen. Die drei häufigsten Mutationen, die auftreten sind „A2143G“,
„A2142G“ und „A2142C“. Diese sind für 90% der primären Resistenzbildungen für
Clarithromycin in der westlichen Welt verantwortlich. [81]
68
Amoxicillin (Aminopenicillin)
Amoxicillin war das erste Antibiotikum, das zur Eradikation von H.pylori eingesetzt
wurde. [81] Amoxicillin ist ein säurestabiles, halbsynthetisches Penicillin (ßLactam-Antibiotikum), ist hocheffizient, hat ein weites Wirkspektrum und benötigt
zur optimalen Wirkung aber ebenso eine zusätzliche Säuresuppression, da es
biologisch nur bei pH-Werten zwischen 5,5 – 7,5 aktiv ist. [15,61,78] Die Wirkung
kommt durch die Störung der Mureinbiosynthese zustande, welche für den Aufbau
der Zellwand der Bakterien verantwortlich ist. Durch den fehlerhaften Aufbau der
Zellwand, hervorgerufen durch Hemmung der Transpeptidase, kommt es zum
Zelluntergang. [82] Da es sehr selten Resistenzen aufweist, ist eine prätherapeutische Resistenztestung nicht erforderlich. [15,61,78]
Metronidazol (Imidazole)
Metronidazol ist ein Prodrug der Nitroimidazol-Gruppe, ist also primär inaktiv und
erst durch seine Metaboliten wirksam, und wird vor allem gegen anaerobe
Bakterien und Protozoen eingesetzt. [81,82] Dieses benötigt keine Säuresuppression zur Wirkung. Nach erfolgloser Therapie mit einem Nitroimidazol ist in
fast allen Fällen eine Resistenzbildung zu erwarten.
Der Entstehungs-
mechanismus ist kompliziert, aber noch nicht ganz aufgedeckt. Veränderungen
auf dem „rdxA-Gen“ sind von primärer Relevanz, aber es war noch nicht möglich,
ein exaktes Feld der Punktmutation zu identifizieren, welches das Phänomen erklären könnte. Andere Gene, wie „frxA“ scheinen ebenso involviert zu sein. [81]
Tetrazykline
Tetrazykline wirken über die induzierte Störung der bakteriellen Proteinbiosynthese. Dabei kommt es zur Beeinträchtigung der Translation an den 30SUntereinheiten der bakteriellen Ribosomen. [82] Tetrazykline zeigen ein weites
Wirkspektrum und benötigen zur Wirkung keine Säuresuppression. [61] Resistenzbildungen sind äußerst selten. [81]
Wismut
Wismut-Salze, vor allem Wismut-Subsalicylat und die kolloide Suspension von
Wismut-Zitrat werden in verschiedenen Ländern ebenso eingesetzt. Ihr Einsatz ist
dazu gedacht, direkt und lokal an der Schleimhaut des Magens, besonders im
69
Antrum ihre bakterizide Wirkung (Blockade der Atmungskette in H.pylori) zu entfalten. Auch Wismut-Salze sind nicht auf eine zusätzliche Säuresuppression angewiesen und führen nicht zu Resistenzen. Allerdings ist es in Österreich nicht
zugelassen. [15,61,78]
Fluorchinolone (früher: Gyrasehemmer)
Fluorchinolone haben ein weites antibakterielles Wirkspektrum (Gram-positive und
Gram-negative Bakterien), eine gute Gewebegängigkeit und sind allgemein gut
verträglich. Ihr Einsatzgebiet umfasst Infekte des Urogenital- und Magen-DarmTrakts, Infekte der Haut, des Knochens und der Atemwege. [83] Fluorchinolone
blockieren die DNA-Gyrase, die Topoisomerase Typ II und Typ IV. Die Resistenz
kommt durch eine Punktmutation der Region „gyrA“ zustande. [81,86] Die Fluorchinolone werden anhand ihres Wirkspektrums in 4 Gruppen unterteilt. Die Mitglieder der Gruppe 3 und 4 besitzen im Vergleich zu denen der Gruppe 1 und 2
eine höhere Wirksamkeit.
-
Gruppe 1: Norfloxacin (Ö: „Floxacin®, „Zoroxin®“, u.a.)
-
Gruppe 2: Ciprofloxacin (Ö: „Agyr®, „Ciproxin®“, u.a.)
-
Gruppe 3: Levofloxacin (EU: „Tavanic®“ u.a., USA: „Levaquin®“ u.a.)
-
Gruppe 4: Moxifloxacin (Ö: „Avelox®“, “Actira®”, “Octegra®”, u.a.) [82,83]
Die erfolgreiche Eradikation von H.pylori hat sich in den letzten Jahren als
schwierig erwiesen. In bis zu 30% der Fälle versagt aus verschieden Gründen (wie
z.B. Rauchen, Alkoholkonsum, Alter, Indikationsstellung des Arztes, mangelnde
Compliance mit daraus resultierender geringer Antibiotikakonzentration, prätherapeutische Resistenzentwicklung, Ausmaß der Säurehemmung) die Erstlinientherapie. [15,73,86] Die in der klinischen Praxis angewandten Therapieschemata
sollten je nach den Empfehlungen aus randomisierten, kontrollierten Therapiestudien erfolgen, die bei den jeweiligen Intention-to-treat-Analysen Eradikationsraten von mindestens 80% gezeigt haben. [73] Andere Quellen berichten von
einer generellen Regelung, dass die Erfolgsrate mindestens >90% betragen muss,
bevorzugt werden sogar regionale Erfolgsraten von >95%. [97] Die schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen eines Therapieregimes sollten bei unter 5%
bleiben. Die eingesetzten Medikamente der einzelnen Therapieschemata sollten
vor der Mahlzeit eingenommen werden, da auch Antibiotika laut pharmako70
kinetischen Studien bei der Einnahme auf nüchternen Magen eine bessere
Resorption zeigen. [73] Definitionsgemäß wird dann von einer erfolgreichen
Eradikation gesprochen, wenn H.pylori frühestens 4 Wochen nach Therapieende
nicht mehr nachgewiesen werden kann. Dann verschwinden auch die neutrophilen
Granulozyten vollständig, die Epithelien und deren Schleimproduktion regenerieren sich, und auch die Anzahl der Lymphozyten und Plasmazellen nimmt
drastisch ab, verschwinden jedoch nicht zur Gänze. [21] Es ist nicht von Nöten,
dass nach korrekt durchgeführter und erfolgreicher H.pylori-Eradikationstherapie
eine routinemäßige Suche nach einer Reinfektion erfolgt, da das Risiko bei
Erwachsenen eine Rezidivinfektion mit H.pylori zu erleiden in Industrieländern
(Österreich) sehr niedrig ist (1% pro Jahr). In Entwicklungsländern ist das Risiko
mit 13-24% höher. Bei Kindern (>5Jahre) beträgt die Rezidivinfektionsrate >2%
pro Jahr. [17,73]
71
4.8.2 Indikationen zur Eradikationstherapie
Die evidenzbasierten Indikationen für eine H.pylori-Eradikationstherapie sind in
den Leitlinien der europäischen Konsensuskonferenz von Florenz/Maastricht
definiert. Diese wurde 1997 zum ersten Mal publiziert. Die aktuelle Fassung ist
bereits die vierte Überarbeitung dieser Richtlinie zur Behandlung von H.pylori
(Maastricht-IV-Konsensus) und wurde von 44 Experten aus 24 Ländern aktiv erarbeitetet. [84,85] Die Indikation zur Eradikationstherapie ist den Leitlinien zu
Folge immer dann gegeben, wenn im Rahmen der bestehenden H.pylori-Infektion
gastroduodenale Läsionen auftreten, die durch die Behandlung geheilt und dazu
noch weitere Komplikationen im Krankheitsverlauf verhindert werden können. Nur
das Magenkarzinom als Komplikation der Infektion kann durch die Behandlung
nicht mehr geheilt werden. [80] Die Eradikation kann aber mit dem Ziel der Magenkarzinomprophylaxe bei Risikopatienten eingeleitet werden. Ebenso kann die
H.pylori-Eradikationstherapie zu einer Verhinderung der Progression beitragen
und das Neuauftreten von kanzerösen Veränderungen (intestinale Metaplasie,
Atrophie) verhindern. Die peptische Ulkuskrankheit mit zugrundeliegender
H.pylori-Infektion ist eine obligate Behandlungsindikation. Auch abgeheilte und
anamnestische Ulcera sollten mittels Eradikation therapiert werden. Bei unkompliziertem H.pylori-positiven Ulkus muss die Therapie unmittelbar nach der
diagnostischen Sicherstellung eingeleitet werden. Bei kompliziertem H.pyloripositiven Ulkus (z.B. nach Blutung) sollte mit der Therapieeinleitung abgewartet
werden, bis die orale Nahrungsaufnahme wieder möglich ist. [73] Die H.pyloripositive funktionelle Dyspepsie (dyspeptischer Symptomenkomplex bei negativer
Endoskopie), die länger als 4 Wochen besteht, gehört zu den fakultativen
Behandlungsindikationen. Zu einer anhaltenden Beseitigung der dyspeptischen
Beschwerden kommt es allerdings nur bei einer Minderheit der Patienten (Wahrscheinlichkeit: 5-10%). Andererseits kommt es bei 10-25% der Patienten unter der
Eradikationstherapie zu relevanten gastrointestinalen Nebenwirkungen, vor allem
zur Antibiotika-assoziierten Diarrhö. Das MALT-Lymphom und die atrophische
Gastritis sind weitere Indikationen zur Eradikation. Auch für Patienten, die vor der
Langzeiteinnahme von NSAR stehen (Risikoabnahme der Ulkusentstehung durch
H.pylori-Eradikation), oder, die sich einer partiellen Magenteilresektion (subtotale
Gastrektomie) eines Magenkarzinoms unterzogen haben, sowie Verwandten
ersten Grades von Patienten mit einem Magenkarzinom, wird eine Eradikation
72
empfohlen. Auch können Patienten mit bestehender Eisenmangelanämie ohne
andere Ursache oder Patienten mit idiopathisch-thrombozytopenischer Purpura
von der Eradikationstherapie profitieren. [73,79,80,86] Mb. Ménétrier, die lymphozytäre Gastritis und die Autoimmungastritis im präatrophischen Stadium stellen
seltene Indikationen dar. [15,86] Bei Patienten mit Symptomen des Refluxes und
Patienten mit GERD hat die H.pylori-Infektion keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Allerdings sollte bei Langzeiteinnahme von PPI die H.pylori-Eradikation
unbedingt erfolgen, da das Persistieren der Infektion bei PPI-Langzeitbehandlung
zu einer Corpus-prädominanten Gastritis mit beschleunigtem Verlust der Drüsenkörper und zur daraus resultierender atrophischen Gastritis führt. Diese stellt eine
präneoplastische Form des Magenkarzinoms dar und muss auch nach erfolgreicher Eradikation von H.pylori in regelmäßigen Abständen (alle 2-3 Jahre)
endoskopisch kontrolliert werden. Die Patienten, welche unter ASS-Therapie eine
Ulkuskomplikation erlitten haben, sollten auf H.pylori untersucht werden, da bei
positivem Nachweis und daraus folgender Eradikation weitere Komplikationen
verhindert werden können. [80] Es sind derzeit keine absoluten Kontraindikationen
für eine H.pylori-Eradikationstherapie bekannt. [73]
Indikationen
Spezielle Indikationen
Duodenalulkus/Magenulkus
Eisenmangelanämie (ohne
Funktionelle Dyspepsie
sonstige gesicherte Ursache
MALT-Lymphom
Idiopathische-
Atrophische Gastritis
thrombozytopenische Purpura
Vor Beginn einer chronischen NSAR-Einnahme
Vitamin-B12-Mangel
Nach partieller Magenteilresektion
Ausschluss anderer Ursachen
Langzeiteinnahme von PPI
Mb. Ménétrier
(nach
Verwandte ersten Grades von Patienten mit lymphozytäre Gastritis
einem Magenkarzinom
Aspirin-induzierte Läsionen (Anamnese: Blutung)
Tabelle 6: Evidenzbasierte Indikationen zur Helicobacter-pylori-Eradikationstherapie
nach den Leitlinien der europäischen Konsensuskonferenz von Florenz/Maastricht.
(MALT-Lymphom: mucosa-associated lymphoid tissue lymphoma; PPI: Protonenpumpeninhibitoren; NSAR: Nicht-steroidale Antiphlogistika) Modifiziert nach Malfertheiner
P. [79, 80].
73
4.8.3 Richtlinien der Eradikationstherapie nach
europäischer Konsensuskonferenz
4.8.3.1 Erstlinientherapie
Bei der „Standardtripeltherapie“ (PPI + Clarithromycin + Amoxicillin oder Metronidazol) kam es in den letzten Jahren aufgrund von Resistenzentwicklungen zu
einem hohen Wirkverlust. [80] Die aktuellsten Daten berichten darüber, dass nur
noch maximal 70% der Patienten mit dieser Tripeltherapie geheilt werden können,
was nicht der vorgegebenen 80%-Hürde entspricht. [85] Neue und wirksame
Therapieschemata beinhalten sequenziell verabreichte Antibiotika oder die gleichzeitige Gabe der Pharmaka in Form von konkomitierenden „Quadrupeltherapien“.
Diese Kombination besteht aus verabreichten PPI + Clarithromycin + Amoxicillin +
Metronidazol. Allerdings wird je nach Resistenzlage von H.pylori, Clarithromycin
gegen Levofloxacin ausgetauscht. [80]
In den aktuellen und neuen europäischen Empfehlungen wird abhängig von den
regional unterschiedlich bestehenden Resistenzlagen gegen Clarithromycin die
Erstlinientherapie ausgewählt. Bei einer regionalen Resistenzlage gegen Clarithromycin < 20% bleibt die „Standardtripeltherapie“ als Erstlinientherapie weiterhin
bestehen. [80] Wenn die Dauer der Therapie von 7 Tage auf 10-14 Tage erhöht
wird, kann dies zu einer Erhöhung der Erfolgsrate der Eradikation von weiteren
5% kommen. [85] Bei regionalen Clarithromycin-Resistenzen >20% ist die
Wismut-basierte „Quadrupeltherapie“ (WQT) als Erstlinientherapie anzuwenden.
Diese besteht aus der in einer Kapsel enthaltenden, neuen galenischen
Zusammensetzung von Wismutsubcitrat, Metronidazol und Tetrazyklin, in
Kombination mit 2x täglich verabreichten PPI. [80] Die PPI führen zu einem
höheren Ausmaß der Säurehemmung, sind ausreichend hoch zu dosieren und
sind für den Therapieerfolg bei Einsatz von Clarithromycin und Amoxicillin von
wichtiger Bedeutung. [73,87] Esomeprazol und Lansoprazol sollten aufgrund ihres
Wirkungsweges (CYP2C19) in der Eradikation von H.pylori nicht verwendet
werden. Die zweimalige Verabreichung von PPI führt zu höheren Therapieerfolgen. Die Standarddosis beträgt für Omeprazol 20mg, für Pantoprazol 40mg
und für Rabeprazol 20mg. [87] Sollten PPI vom Patienten nicht vertragen werden,
besteht die Möglichkeit den PPI durch einen H2RA zu ersetzen. [96]
Malfertheiner et al. untersuchten 2011 den Unterschied zwischen WQT und der
klassischen Tripeltherapie bei 440 erwachsenen Patienten mit nachgewiesener
74
H.pylori-Infektion. Das primäre „Outcome“ der Studie wurde an der erfolgreichen
Eradikation gemessen. Zwei negative
13
C-Harnstoff-Atemtests (28 bzw. 56 Tage
nach Eradikation) waren für den erfolgreichen Nachweis erforderlich. Verglichen
mit dem Goldstandard der Eradikationstherapie (PPI + Amoxicillin + Clarithromycin
= French-Triple) wies die WQT ein ähnliches Sicherheitsprofil vor. Die meisten
Nebenwirkungen beinhalteten gastrointestinale und zentralnervöse Störungen. Die
Eradikationsrate lag bei der WQT bei 80% (174 von 218), bei der Standardtripeltherapie bei 55% (123 von 222). Im Hinblick auf die steigenden Resistenzraten von Clarithromycin könnte nach Malfertheiner et al. über eine Erstlinientherapie der WQT nachgedacht werden. [88] 1
1
Ist in Österreich allerdings nicht anwendbar, da Wismut am österreichischen Markt nicht
erhältlich ist. (siehe 5.1 Therapiestrategie Österreich)
75
Erstlinientherapie:
Erstlinientherapie:
Clarithromycin-Resistenz < 20%
Clarithromycin-Resistenz > 20%
Medikament
Dosierung
1. Variante (French-Triple) 7-14d
PPI
Clarithromycin
Amoxicillin
Medikament
Dosierung
Wismut-basierte Quadrupeltherapie:
Standarddosis, 2x tgl.
PPI
Standarddosis, 2x tgl.
500 mg, 2x tgl.
WQT
4x3 Kapseln (10d)
1g, 2x tgl.
Sequenzieller Therapie: Insgesamt 10d
Ersten 5d:
2. Variante (Italian-Triple) 7-14d
PPI
Standarddosis, 2x tgl.(5d)
Standarddosis, 2x tgl.
Amoxicillin
1g, 2x tgl.
Clarithromycin
500 mg, 2x tgl.
Weitere 5d:
Metronidazol
400 mg, 2x tgl.
PPI
PPI
Standarddosis, 2x tgl.
Clarithromycin
500mg, 2x tgl.
Metronidazol
400mg, 2x tgl.
„Konkomitierende“ Vierfachtherapie:
5-7d (bis zu 14 Tage)
PPI
Standarddosis, 2x tgl.
Clarithromycin
2x500mg
oder
Levofloxacin
2 x 250mg
Metronidazol
400mg, 2x tgl.
Amoxicillin
1g, 2 x tgl.
Tabelle 7: Erstlinienbehandlungen nach europäischer Konsensuskonferenz in Regionen
mit hohen Clarithromycin-Resistenzen (> 20%) und in Regionen mit niedrigen
Resistenzraten von Clarithromycin (<20%). (PPI: Protonenpumpeninhibitoren; WQT:
Wismut-basierte Quadrupeltherapie; mg: Milligramm; tgl.: täglich; d: Tage) Modifiziert
nach Malfertheiner P. [80] Mit Ergänzungen nach Högenauer C. [84] und Malfertheiner P,
Megraud F, O'Morain CA, Atherton J, Axon AT, Bazzoli F, et al. [85]
4.8.3.2 Zweitlinientherapie
Die Zweitlinientherapie wird bei Therapieversagen je nach vorausgegangener
Erstlinientherapie ausgewählt. Levofloxacin ist dabei das effektivste Antibiotikum
der Zweitlinientherapie und wird in der Regel in Kombination mit Amoxicillin ein76
genommen. [80] Empfohlen wird, dass die Zweitlinientherapie auf 10 Tage
auszudehnen ist, auch wenn es dafür keine formalen Studien gibt. [73] Wichtig ist
aber auch, die regionalen Resistenzentwicklungen von Levofloxacin zu beachten,
die in den letzten Jahren in Europa auch angestiegen sind. [80] Es liegen bereits
präklinische- und klinische Studien zu dem neuen Fluorchinolon „Sitafloxacin“
(bislang nur in Japan zugelassen) vor, welches möglicherweise die Resistenzen
der üblichen Fluorchinolone überwinden kann. [86] Sollte die Zweitlinientherapie
ebenfalls nicht erfolgreich sein, so wird eine Resistenztestung von H.pylori
empfohlen. Bei der „Drittlinientherapie“ wird unter anderem Rifabutin als AlternativMedikament eingesetzt. Rifabutin weist äußerst selten Resistenzen auf. Gegen
das Antibiotikum Amoxicillin entwickeln sich sehr selten Resistenzen, weshalb es
bei guter Verträglichkeit beliebig oft eingesetzt werden kann. [80]
Regionen mit niedrigen
Regionen mit hohen
Clarithromycin-
Clarithromycin-Resistenzraten
Resistenzraten
Erstlinientherapie
PPI + Clarithromycin +
WQT
Amoxicillin / Metronidazol
falls diese nicht verfügbar sein
sollte (z.B.: Ö, D, CH):
oder
Quadrupeltherapie ohne
Wismut (sequenziell oder
Zweitlinientherapie
WQT
konkomitierend)
WQT
PPI +
oder
Levofloxacin + Amoxicillin
PPI +
Levofloxacin + Amoxicillin
Drittlinientherapie
Abhängig von der Testung der jeweiligen Resistenzen
Tabelle 8: Therapiealgorithmus zur Eradikation von Helicobacter pylori (PPI: Protonenpumpeninhibitoren; WQT: Wismut-basierte Quadrupeltherapie;
Ö:
Österreich,
D:
Deutschland, CH: Schweiz) Modifiziert und adaptiert nach Malfertheiner P. [80].
4.8.3.3 Therapie bei Penicillinallergie
Bei Patienten mit bestehender Penicillin-Allergie, die in Regionen mit niedriger
Clarithromycin-Resistenz leben, stellt die Kombination PPI + Clarithromycin +
Metronidazol die Erstlinientherapie dar. Hingegen wird in Regionen mit hohen
77
Clarithromycin-Resistenzraten die WQT empfohlen. In Regionen, die eine niedrige
Rate an Fluorchinolon-Resistenzen aufweisen, werden Levofloxacin + PPI + Clarithromycin als Zweitlinientherapie bei Penicillinallergie empfohlen. [85]
4.8.3.4 Nebenwirkungen
Die Patienten sollten über die häufigsten Nebenwirkungen aufgeklärt werden, um
Therapieabbrüchen entgegen zu wirken. Über signifikante Nebenwirkungen wird
nur in 5-20% berichtet. Die Nebenwirkungen von PPI sind im Kapitel 3 (3.3.3
Nebenwirkungen PPI) beschrieben. Die häufigsten Nebenwirkungen von Clarithromycin beinhalten gastrointestinale Störungen (Diarrhoe; 25%: Geschmacksstörungen - bitter). In Kombination mit Kalziumantagonisten kann es in Folge der
CYP3A4-Hemmung zu hypotonen Episoden, und nach Abschluss der Behandlung
zu kardiovaskulären Störungen kommen. Unter Amoxicillin-Einnahme kann es
ebenso zu gastrointestinalen Störungen (Diarrhoe) kommen. Auch über Kopfschmerzen wird gehäuft berichtet. Die Nebenwirkungen unter einer MetronidazolTherapie sind dosisabhängig und beinhalten einen metallischen Geschmack im
Mund und die Dyspepsie. Tetrazykline führen zu gastrointestinalen Störungen und
zur Photosensibilität. Sie sollten bei Kindern <8 Jahren nicht eingesetzt werden,
da Tetrazykline zu Farbveränderungen/Ausbleichen der Zähne führen. [15,83,96]
Wismut-Salze weisen eine relativ hohe Rate an Nebenwirkungen auf. Sie führen
zu einer Schwarzfärbung der Zunge und des Stuhls, zu Übelkeit und/oder
schweren gastrointestinalen Störungen (Übelkeit, Erbrechen). Sie werden nur
minimal absorbiert, sollte aber die Nierenfunktion beeinträchtigt sein, so können
die erhöhten Plasmakonzentrationen in einer Enzephalopathie enden. [29,86,96]
Fluorchinolone weisen als häufigste Nebenwirkungen gastrointestinale und
zentralnervöse Störungen auf. Auch von Phototoxizität wird berichtet. Zu beachten
ist eine evtl. Verlängerung der QT-Zeit im Elektrokardiogramm und die mögliche
Gefahr der Sehnenrupturen. Außerdem kann es zu Erhöhungen der Transaminasen kommen. Selten treten schwere Nebenwirkungen auf, wie z.B.
Knorpelschäden, Sehnenscheidenentzündungen. [86] Ebenso selten kann es
unter einer Fluorchinolon-Behandlung zu einer Verschlechterung einer Myasthenia
gravis kommen. Auch neurologische und psychiatrische Nebenwirkungen kommen
nicht selten vor. [83] Sollte in der Drittlinientherapie Rifabutin eingesetzt werden,
sollten die Patienten über Nebenwirkungen, wie z.B. gastrointestinale Störungen
78
(Übelkeit, Erbrechen, Dyspepsie, Diarrhoe), Ausschläge und die Möglichkeit der
Rotverfärbung des Urins aufgeklärt werden. [96]
79
5
DISKUSSION
5.1 Therapiestrategie Österreich
Die Erkrankungen des oberen GI-Trakts (insbesondere Gastritiden, Ulkusleiden,
Refluxleiden) zählten 1998 zu den häufigsten Diagnosen in Österreich. Die Ausgaben der Sozialversicherungen für die Behandlungen haben sich zwischen den
Jahren 1988 und 1998 laut der „Initiative Arznei&Vernunft (1998)“ von rund 180
Millionen österreichischen Schilling (ca. 13 Millionen Euro) auf mehr als eine
Milliarde österreichische Schilling (ca. 72 Millionen Euro) pro Jahr verfünffacht.
Laut der Ausgabe „Initiative Arznei&Vernunft“ aus dem Jahr 2003 haben die
Kosten für die Sozialversicherungsträger, im Vergleich von 72 Millionen Euro im
Jahr 1998, mehr als 124 Millionen Euro pro Jahr betragen. [89,90]
5.1.1 Therapiestrategien zur Helicobacter-pylori
Eradikation (1997/1998)
Die Eradikationsschemata aus den Jahren 1997/1998 waren in Österreich auf drei
Regime (Regime 1, Regime 2, Regime 3) ausgelegt, die in Tabelle 9 zu sehen
sind. [90]
Medikament
Dosierung
Regime 1
PPI
Standarddosierung, 1x tgl. (7d)
„Italian-Triple“
Clarithromycin
250mg, 2 x tgl. (7d)
Metronidazol
500mg, 2 x tgl. (7d)
Regime 2
PPI
Standarddosierung, 2x tgl. (7d)
„French-Triple“
Clarithromycin
500mg, 2 x tgl. (7d)
Amoxicillin
1000mg, 2 x tgl. (7d)
Ranitidin Wismutcitrat
400mg, 2x tgl. (7d)
Clarithromycin
250mg, 2 x tgl. (7d)
Metronidazol
500mg, 2 x tgl. (7d)
Regime 3
Tabelle 9: Therapiealgorithmus zur Eradikation von Helicobacter pylori in Österreich aus
dem Jahr 1998 (PPI: Protonenpumpeninhibitoren; mg: Milligramm; tgl.: täglich; d: Tage)
Modifiziert und adaptiert nach Ferenci P, Hentschel E, Krejs GJ, Pesendorfer FX, Renner
F. [90] Mit Ergänzungen nach Högenauer C. [84]
80
5.1.2 Therapiestrategien zur Helicobacter-pylori
Eradikation (2003)
Die Eradikationsschemata aus dem Jahr 2003 waren in Österreich, ebenso wie
aus den Jahren 1998/1999 auf drei Regime (Regime 1, Regime 2, Regime 3) ausgelegt, die in Tabelle 10 zu sehen sind. Der Unterschied bestand nur aus minimalen Veränderungen. Beim 1. Regime wurde die PPI-Dosis von 1 x tgl. auf 2 x
tgl. gesteigert. Beim 3. Therapieregime wurde als Alternative zu „Ranitidin Wismutcitrat“ (400mg, 2 x tgl. 7d) der H2RA „Famotidin“ (80mg, 2 x tgl. 7d) empfohlen.
Außerdem wurde anstatt „Clarithromycin“ und „Metronidazol“, „Clarithromycin“ und
„Metronidazol“ oder „Amoxicillin“ empfohlen. Die Dosis von „Clarithromycin“ wurde
von 250mg, 2 x tgl. (7d) auf 500mg, 2 x tgl. (7d) verdoppelt. [89, 90]
Medikament
Dosierung
Regime 1
PPI
Standarddosierung, 2x tgl. (7d)
„Italian-Triple“
Clarithromycin
250mg, 2 x tgl. (7d)
Metronidazol
500mg, 2 x tgl. (7d)
Regime 2
PPI
Standarddosierung, 2x tgl. (7d)
„French-Triple“
Clarithromycin
500mg, 2 x tgl. (7d)
Amoxicillin
1000mg, 2 x tgl. (7d)
Ranitidin Wismutcitrat
400mg, 2x tgl. (7d)
Regime 3
oder
Famotidin
80mg, 2 x tgl. (7d)
Clarithromycin
500mg, 2 x tgl. (7d)
und
Metronidazol
500mg, 2 x tgl. (7d)
oder
Amoxicillin
1000mg, 2 x tgl. (7d)
Tabelle 10: Therapiealgorithmus zur Eradikation von Helicobacter pylori in Österreich aus
dem Jahr 2003 (PPI: Protonenpumpeninhibitoren; mg: Milligramm; tgl.: täglich; d: Tage)
Modifiziert und adaptiert nach Dragosics B. Ferenci P, Hentschel E, Krejs GJ,
Pesendorfer FX, Renner F et al. [89] Mit Ergänzungen nach Högenauer C. [84]
81
5.1.3 Therapiestrategien zur Helicobacter-pylori
Eradikation (2009)
2009 wurden in Österreich zur Erstlinientherapie vier Eradikationsschemata
empfohlen. Die Tripeltherapien waren weiterhin Teil der Erstlinientherapie. Alternativen stellten die sequenzielle Therapie und die Wismut-freie Quadrupeltherapie
dar. Die Zweitlinientherapie, mit einer 10- bis 14-tägigen Therapiedauer, wurde
zusätzlich durch Levofloxacin, Moxifloxacin und Rifabutin ergänzt. [40]
Medikament
Dosierung
Schema 1
PPI
Standarddosierung, 2x tgl. (7d)
„Italian-Triple“
Clarithromycin
250 - 500mg, 2 x tgl. (7d)
Metronidazol
400 - 500mg, 2 x tgl. (7d)
Schema 2
PPI
Standarddosierung, 2x tgl. (7d)
„French-Triple“
Clarithromycin
500mg, 2 x tgl. (7d)
Amoxicillin
1000mg, 2 x tgl. (7d)
Schema 3
Ersten 5d: PPI
Standarddosis, 2x tgl.(5d)
sequenzielle Therapie
Amoxicillin
1g, 2x tgl.
Weitere 5d: PPI
Standarddosis, 2x tgl.
Clarithromycin
500mg, 2x tgl.
Metronidazol
500mg, 2x tgl.
Schema 4
PPI
Standarddosierung, 2x tgl. (7d)
Wismut-freie
Clarithromycin
250 - 500mg, 2 x tgl. (7d)
Quadrupeltherapie
Metronidazol
400 - 500mg, 2 x tgl. (7d)
Amoxicillin
1000mg, 2 x tgl. (7d)
Tabelle 11: Therapiealgorithmus zur Erstlinientherapie der Eradikation von Helicobacter
pylori in Österreich aus dem Jahr 2009 (PPI: Protonenpumpeninhibitoren; mg: Milligramm;
tgl.: täglich; d: Tage) Modifiziert und adaptiert nach Tribl B. [40]
82
5.1.4 Aktuelle Therapiestrategien zur Helicobacter-pylori
Eradikation (2013)
Die aktuellste und vierte Auflage des Maastricht-IV-Konsensus stellt für Österreich
einige Probleme dar. Die darin enthaltenen Empfehlungen zur Erstlinientherapie
haben sich grundlegend geändert (siehe 4.8.2. Richtlinien der Eradikationstherapie nach europäischer Konsensuskonferenz). Ein Problem ist die Abhängigkeit bezüglich der regionalen Resistenzraten von Clarithromycin bei der
Wahl zur Erst- und Zweitlinientherapie. Es sind außerdem nur sehr limitierte
Informationen zu den aktuellen Clarithromycin-Resistenzraten von zuvor unbehandelten Patienten (Primärresistenzen) in Österreich vorhanden. Die vorhandenen Daten stammen aus einer europäischen Resistenzstudie mit nur wenig
inkludierten österreichischen Patienten und aus Wiener und Grazer Studien, die
bei Kindern durchgeführt wurden. Diese weisen vermutlich hohe Raten an
Resistenzen von Clarithromycin, Metronidazol und Levofloxacin auf. Außerdem
wird ausgehend vom Maastricht-IV-Konsensus für einige Fälle eine Quadrupeltherapie mit Wismut empfohlen. [84] Aktuell spielen Wismut-enthaltende
Quadrupel-Eradikationstherapien für die Erstlinien-, Zweitlinien- oder Reservetherapie in Österreich (und auch in Deutschland und der Schweiz) keine Rolle, da
die Rate an Nebenwirkungen relativ hoch ist und diese somit nicht am Markt
erhältlich sind. [86] Ebenfalls sind in Österreich Tetrazykline nicht zugelassen.
Diese können nur über die internationale Apotheke angefordert werden. [73,84]
5.1.4.1 Resistenzentwicklungen in Österreich und Europa
In den letzten Jahren konnten weltweit zunehmende Resistenzbildungen der
angewandten Antibiotika beobachtet werden. [15,85] Vor allem die Resistenzbildung gegen Clarithromycin führt zu niedrigeren Erfolgsraten mit teilweise sehr
hohen Wirkverlusten der italienischen und französischen Tripeltherapien. [73,80]
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich bei Versagen eines makrolidhaltigen Therapieschemas gegen Clarithromycin Resistenzen ausbilden, liegt bei >50%. Daher
muss vor dem erneuten Einsatz von Clarithromycin unbedingt eine Resistenzbestimmung erfolgen. [73] 1998 hat die Clarithromycin-Resistenzrate in Europa
noch 9% betragen, im Jahr 2008/2009 betrug sie zuletzt durchschnittlich 17,6%.
[85] Die Prävalenzraten in Zentral-, West- und Südeuropa übersteigen mittlerweile
die 20%, was für diese Länder eine hohe Resistenzrate bedeutet. [85] So zeigt
83
z.B. Griechenland eine Resistenzrate von 40%, Spanien von 15-20% und Portugal
34,7%. Italien hatte im Jahr 2000 noch eine Clarithromycin-Resistenzrate von 1,814%, ein paar Jahre später betrug die Rate 24,1%. [81] Die Resistenzrate für
Clarithromycin in Budapest beträgt aktuell 17-33%, in Polen 22%, in Bulgarien
18,4-23,4% und in Litauen 24,7%. [91] Nordeuropäische Länder zeigen eine
Prävalenz von <10%. [85] So zeigt Finnland eine Resistenzrate von 2%, und
Schweden von 1,5%. Norwegen hingegen weist eine Resistenzrate von 5,9% auf.
Frankreich hat eine Clarithromycin-Resistenzrate von 17,5%. [81] Nach einem
Therapieversagen entstehen zusätzlich Sekundärresistenzen, teilweise auch
Doppelresistenzen gegen die häufig eingesetzten Antibiotika Clarithromycin und
Amoxicillin oder Metronidazol. [80,86] Selgrad et al. berichteten im November
2013 von den aktuellen Resistenzraten in Zentral-Deutschland. Die Primär-,
Sekundär-, und Tertiärresistenzraten gegen Clarithromycin betrugen 7,5%, 63,2%
bzw. 75,4%. Gegen Levofloxacin betrugen die Resistenzraten 11,7%, 17,6% bzw.
36,4% und gegen Metronidazol 32,7%, 63,2% bzw. 80,1%. Die Resistenzraten
gegen Amoxicillin und Rifabutin waren im Vergleich dazu sehr niedrig (<5%). [92]
Besonders von Resistenzbildungen betroffen ist Metronidazol, wobei die
Resistenzraten weltweit sehr große Unterschiede aufweisen. [15] Diese Resistenz
führte zu einem signifikanten Abfall der Erfolgsaussichten einer Metronidazolhaltigen Tripeltherapie („Italian-Triple“). [73] Um die Jahrtausendwende fanden
sich gegen Fluorchinolone in Europa Resistenzen von ca. 5%. In Bulgarien fanden
sich kürzlich Resistenzraten von 18,2%. [86] In Budapest/Ungarn werden
Levofloxacin-Resistenzraten von 27% angegeben. [91]
Eine multizentrische europäische Studie aus Schwerpunktkrankenhäusern im
Raum Wien zeigte, dass bei untersuchten Patienten relativ hohe primäre
Resistenzraten vorliegen. Für Clarithromycin betrug die Rate um die 36%
(Österreich: Spitzenreiter in Europa), und für Levofloxacin ca. 23%. [79,93] Im
Jahr 2011 wurde an der Medizinischen Universität Graz eine retrospektive Studie
(2004-2008) zu Trends in der Antibiotikaempfindlichkeit von H.pylori am Institut für
Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin durchgeführt. Dabei wurde bei 546
H.pylori-Isolaten eine Resistenztestung vorgenommen. 99,8% der Isolate waren
auf Amoxicillin und Tetrazyklin sensibel. Für Clarithromycin wurden Resistenzraten zwischen 65,4% und 68,8% gefunden. Metronidazol wies Resistenzraten
von 35,5% bis 53,9% auf. Ciprofloxacin wies 2004 noch eine Resistenzrate von
84
5,4% auf, die 2008 allerdings auf 13,3% anstieg. [82] Von Bedeutung ist demnach
weiterhin, dass regionale Überwachungsprogramme der H.pylori-Resistenzentwicklung eingesetzt werden, da es für die Auswahl erfolgreicher Behandlungsstrategien zur H.pylori-Eradikation von wichtigster Bedeutung ist. [80,92]
5.1.4.2 Erstlinientherapie
In Österreich wurden seit einigen Jahren als Erstlinientherapie zur Eradikation von
H.pylori fast ausschließlich einwöchige Tripeltherapien eingesetzt. Zunächst
konnte auch hierzulande Eradikationsraten von >90% erzielt werden. Diese sank
aber zuletzt in vielen Ländern. So auch in Österreich. [93] Auch wenn es für
Österreich derzeit nur limitierte Daten zur aktuellen Primärresistenzlage für
Clarithromycin und Levofloxacin bezüglich H.pylori gibt, muss im Großraum
Österreich mit einer hohen Resistenzrate für diese Pharmaka gerechnet werden.
Somit wird nach den Empfehlungen der europäischen Konsensuskonferenz bei
hohen Resistenzraten > 20% als Erstlinientherapie keine klassische Tripeltherapie
(mit Clarithromycin) mehr empfohlen. [80,84] Eine primäre H.pylori-Resistenztestung könnte eine Alternative darstellen.
Sequenzielle Therapie
Die beste Möglichkeit für die Erstlinientherapie ist, ohne zuvor durchgeführte
Resistenztestung, ein sequenzielles Schema oder eine Quadrupeltherapie ohne
Wismut. [84] Die Dauer der sequenziellen Therapie beträgt insgesamt 10 Tage.
Die ersten 5 Therapietage bestehen aus der gleichzeitigen Einnahme von PPI mit
Amoxicillin, die restlichen 5 Tage werden die PPI gemeinsam mit Clarithromycin
und Metronidazol eingenommen (siehe Tabelle 7). [80,84] Dieses Eradikationsschema zeigt Erfolgsraten von >80%, auch in Ländern mit hohen ClarithromycinResistenzraten. Levofloxacin kann bei der sequenziellen Therapie alternativ
Clarithromycin ersetzen. Eine Studie aus Italien aus dem Jahr 2012 zeigt
bezüglich dieser Alternative Eradikationserfolge von >90%, ebenso auch in
Regionen mit hohen Clarithromycin-Resistenzraten. In dieser besagten Studie
wurden 180 Patienten mit einer H.pylori-Infektion in zwei Studiengruppen randomisiert. Die Gruppe A wurde mit einer 5-tägigen Quadrupeltherapie therapiert,
während die Gruppe B eine 10-tägige Levofloxacin-basierte sequenzielle Therapie
erhielt. Die Intention-to-treat-Analyse zeigte für die Quadrupeltherapie (5 Tage)
eine Eradikationsrate von 92,2% und für die sequenzielle Therapie 93,3%. Die
85
sequenzielle Therapie ist eine sichere und kosteneffektive Alternative. Allerdings
kostet
sie durchschnittlich
9
US-Dollar mehr als die
„konkomitierende“
Vierfachtherapie (Quadrupeltherapie). [84,93,94] Das einzige Problem der
sequenziellen Therapie ist das komplikationsreiche Einnahmeschema und
erfordert somit eine gute Compliance des Patienten. [84]
Quadrupeltherapie ohne Wismut („konkomitierende“ Vierfachtherapie)
Diese therapeutische Variante der H.pylori-Eradikation ist eine Alternative zur
sequenziellen Therapie. Gemeinsam mit PPI werden 3 Antibiotika (Metronidazol,
Amoxicillin, Clarithromycin oder Levofloxacin) für 5 bzw. 7 Tage eingenommen
(siehe Tabelle 7). [80,84] Die Eradikations-Erfolgsraten sind mit denen der
sequenziellen Therapie vergleichbar, ebenfalls für Länder mit hohen Clarithromycin-Resistenzen. Dieses Eradikationsschema lässt sich einfacher anwenden als das komplexe sequenzielle Therapieschema. Allerdings können bei
der Quadrupeltherapie ohne Wismut mehr Nebenwirkungen festgestellt werden,
was nicht selten zu Therapieabbrüchen führen kann. [84]
Tripeltherapie
Die Tripeltherapien werden als Erstlinientherapie bei Clarithromycin-Resistenzraten <20% empfohlen. [80] Die Tripeltherapien zeigen bei hohen ClarithromycinResistenzraten Eradikationserfolge, die weniger als 70% betragen. Da, wie bereits
beschrieben, für Österreich wenige Daten zur Resistenzentwicklung und
Resistenzlage vorhanden sind, kann die Tripeltherapie grundsätzlich gesehen als
Alternative zur Erstlinientherapie eingesetzt werden. Allerdings muss dann mit
einem geringeren Erfolg der Therapie gerechnet werden. [84]
Therapie bei Penicillin-Allergie
Bei Patienten mit einer Penicillin-Allergie muss das Eradikationsschema angepasst werden. Die sequenzielle- und die Quadrupeltherapie ohne Wismut
enthalten Amoxicillin. So wird in Regionen mit niedrigen ClarithromycinResistenzraten die Tripeltherapie (Kombination von Clarithromycin + Metronidazol
oder
Levofloxacin)
empfohlen.
In
Regionen
mit
hohen
Clarithromycin-
Resistenzraten (vermutlich auch Österreich) wird eine Resistenztestung vor
Einleitung der Therapie empfohlen, da die Quadrupeltherapie mit Wismut in
Österreich nicht erhältlich ist. [84]
86
5.1.4.3 Zweitlinientherapie
Zur Zweitlinientherapie wird laut dem Maastricht-IV-Konsensus alternativ vor allem
Levofloxacin empfohlen. Die S3-Leitlinie der DGVS empfiehlt Moxifloxacin als eine
mögliche Alternative. Da auch für Levofloxacin in Österreich teilweise hohe
Resistenzraten nachgewiesen wurden, sollte vor Einleitung der Zweitlinientherapie
eine Resistenztestung nach erfolgloser Erstlinientherapie durchgeführt werden.
[79,84,86]
5.1.4.4 Eine mögliche neue Strategie zur Eradikation
In der „Wiener Klinischen Wochenschrift“ wurde im Januar 2012 von Zazgornik J.
und Mittermayer H. aus Linz eine mögliche neue Strategie zur Eradikation von
H.pylori veröffentlicht. In dieser Studie wurden an neun H.pylori-Stämmen die
wachstumshemmenden Wirkungen von 3%igem Wasserstoff-peroxid, 8,4%igem
Natriumbikarbonat, 2%iger Ascorbinsäure, Zitronensäure mit Natriumzitrat und
außerdem von 7- und 14%igen Zitronensäure-Lösungen in vitro getestet. Nach
ihren Beobachtungen hemmt von all den genannten Substanzen Zitronensäure
(nicht
nur
die
Zitronensäure-Lösungen
sondern
auch
Zitronensäure
mit
Natriumzitrat) das Wachstum von H.pylori-Stämmen in vitro. Zitronensäure ist eine
günstige Substanz und wird von der Nahrungsmittelindustrie künstlich hergestellt
und ist ebenso in vielen Früchten enthalten. Sollten große Mengen Zitronensäure
eingenommen werde, kann dies zu Irritationen der Augen, der Haut und des GITrakts führen. Mögliche Nebenwirkungen, die aber selten vorkommen, sind
„Brennen“ im Hals und Mund, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Oberbauchschmerzen und die metabolische Azidose. Ein Glas Milch kann die Nebenwirkungen der Zitronensäure verhindern. Ob sich diese neuen Beobachtungen
klinisch verwirklichen, muss noch weiter beobachtet und bewertet werden. [95]
87
5.2 Therapiestrategie USA
5.2.1 Einleitung
Die aktuellste Fassung der Richtlinien zur Diagnose und Therapie von H.pylori in
den USA stammt aus dem „American Journal of Gastroenterology“ aus dem Jahr
2007. Diese ist die überarbeitete Ausgabe der zuvor 1998 erschienenen
„Guidlines“. Da die Informationen aus dieser „Guidline“ nun schon einige Jahre
zurückliegen, entsprechen diese wohl nicht mehr vollständig dem Wissensstand
von 2014. In der aktuellsten Auflage wurde angenommen, dass etwa 30-40% der
US-amerikanischen Bevölkerung mit H.pylori infiziert sind. Ebenso wie in den
meisten entwickelten Ländern, ist auch in den USA weiterhin ein Rückgang der
Prävalenz zu erwarten. [96]
5.2.2 Therapiestrategie
Die empfohlenen Erstlinientherapien in den USA beinhalteten im Jahr 2007 die 14tägigen Clarithromycin-enthaltenden Tripeltherapien oder die WQT für 10-14
Tage. Die sequenzielle Therapie wurde 2007 als eine gute Alternative für die Clarithromycin-basierten Tripeltherapien und die WQT angesehen (Schema: siehe
Tabelle 7). Die Standardtripeltherapie, die nach internationalen Leitlinien 7 Tage
eingesetzt wird, wird in den USA für 14 Tage verschrieben. Eine große
amerikanische Studie berichtete darüber, dass die 7- und 10-tägige Einnahme der
Tripeltherapie gleichwertige Erfolge aufweisen (77% versus 78%). Eine Metaanalyse aus 7 Studien mit insgesamt 900 Patienten zeigt, dass die 14-tägige
Einnahme der Standardtripeltherapie bessere Eradikationsraten aufzuweisen hat,
als das 7-tägige Einnahmeschema. [96] Diese Therapieoption hatte 2007 Eradikationsraten zwischen 70% und 85%. Die WQT hat laut den „US-Guidlines“ von
2007 eine Eradikationsrate zwischen 75% und 90% aufgewiesen. Eingesetzt wird
die WQT derzeit bei Patienten mit einer Penicillinallergie oder bei Patienten, die in
der Anamnese eine Therapie mit Makroliden aufweisen. Kritikpunkte zur WQT
sind die Komplexität der Einnahme und die möglichen schweren Nebenwirkungen.
Eine Eradikationsrate von >90% konnte laut randomisierter klinischer Studien aus
Italien nur die sequenzielle Therapie aufweisen. Diese wird bei Kindern,
Erwachsenen und älteren Patienten gut vertragen und zeigt nicht mehr Nebenwirkungen als die Standardtripeltherapie. Eine große Multicenter-Studie konnte
88
eine Effektivität von 82% (sequenzielle Therapie) zu 44% (Clarithromycinenthaltende Tripeltherapie) bei Patienten mit Clarithromycin-resistenten H.pylori
feststellen. [96]
Eine Multicenter-Studie aus den USA hat die Daten der Resistenzraten von 19931999 veröffentlicht. Diese haben in den USA zu diesem Zeitraum für Metronidazol
37%, für Clarithromycin 10% und für beide Antibiotika in Kombination 3,9% betragen. Die Resistenzrate für Amoxicillin betrug 1,5%. Zwischen 1998 und 2002
wurden in den USA Resistenzraten für Metronidazol von 25% (-12%), für Clarithromycin 13% (+3%) und für beide Antibiotika in Kombination 5% (+1,1%)
angegeben. Die Resistenzrate für Amoxicillin betrug 0,9% (-0,6%). Diese
Resistenzraten direkt miteinander zu vergleichen ist schwierig. Die Metronidazolund Amoxicillin-Resistenzraten blieben relativ stabil oder haben abgenommen,
während die Resistenzrate von Clarithromycin zugenommen hat. [96] Die
steigenden Resistenzraten von Clarithromycin haben aktuell auch in den USA zu
einem inakzeptablen Rückgang der Behandlungserfolge der Clarithromycinenthaltenden Therapieschemata geführt. [97,98,99] Sie verliert laut Graham und
Shiotani bereits an Effektivität, wenn die regionale Clarithromycin-Resistenzrate
zwischen 7% und 10% liegt. [99] Eine begründete Anwendung liegt in den USA
derzeit noch dann vor, wenn der Patient nicht gegen Penicillin allergisch ist und
wenn in der Anamnese zuvor noch kein Clarithromycin eingenommen wurde. Für
Patienten mit einer Penicillinallergie kann Amoxicillin wahlweise durch Metronidazol ersetzt werden. [96] Sollte ein hocheffektives Therapieschema regional
nicht einsetzbar sein, empfehlen Graham und Fischbach eine 14-tägige konkomitierende Quadrupeltherapie, eine 10-tägige Sequenzialtherapie oder eine 14tägige WQT (siehe Tabelle 7). [98] Auch in den USA kommt es zu einer immer
mehr ansteigenden Resistenzrate von Fluorchinolonen. [99] Levofloxacin wird in
Form von einer Tripeltherapie (PPI + Levofloxacin + Amoxicillin) zur Zweitlinienund Drittlinientherapie in den USA eingesetzt und zeigen dort Eradikationserfolge
zwischen von 63 - 94%. [96]
Bevorzugt wird in den USA aktuell die konkomitierende Quadrupeltherapie und die
Sequenzialtherapie (siehe Tabelle 7). Die heutige Alternative dazu stellt die WQT
dar, die auf bis zu 14 Tage verlängert wird, sollte eine Metronidazol-Resistenz
befürchtet werden (siehe Tabelle 7). [99] Diese Kombination hat bei 10-tägiger
Einnahme eine allgemeine Effektivität von 92 - 93% und bei Metronidazol89
resistenten H.pylori auch noch beachtliche 86-91%. [100] Wird die Einnahmedauer
von 10 auf 14 Tage erhöht, so können höhere Erfolgsraten beobachtet werden
(92%). [96,100] Laut einer Studie der „University of Texas-Houston School of
Public Health” wird eine allgemeine Effektivität von 97,1% angegeben. Außerdem
konnten 100% der Metronidazol-resistenten H.pylori-Stämme mit der Eradikation
(14 Tage WQT) erfolgreich behandelt werden. [100]
90
6
MATERIAL UND METHODEN
Nach Fertigstellung des Konzeptformulars und der voraussichtlichen Gliederung
der Diplomarbeit wurde das eingereichte Thema sowohl von der Abteilung Prüfung
als auch seitens des Studienrektors freigegeben. Im Anschluss daran wurde mit
einer systematischen, themenrelevanten Literaturrecherche begonnen. Die
Literaturbeschaffung von Fachlexika, sowohl aus dem deutschsprachigen als auch
englischsprachigen Raum, erfolgte durch Kauf und freundliche Entlehnung der
Bibliothek der Medizinischen Universität Graz und der Grazer Karl-FranzensUniversität. Ebenso Ziel der Literatursuche waren verschiedene Literaturdatenbanken im Internet, unter anderem Literatur aus der medizinischen Meta-Datenbank „Pubmed“ und „Europe Pubmed Central“. Es wurden aber auch Fachzeitschriften, frühere und aktuelle Publikationen und Papers nach themenrelevanten
Inhalten durchsucht. Nach Beendigung der Literatursammlung und dem Einlesen
in das Fachgebiet wurde die Literaturarbeit verfasst.
91
7
LITERATURVERZEICHNIS
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