Fortbildung Mütterliche Infektionen mit dem Risiko der prä- und perinatalen Übertragung – Teil I Labormedizinische Aspekte wichtiger Infektionen im Überblick Gisela Enders Im Rahmen der Schwangerschaftsbetreuung muss der Gynäkologe verschiedene pränatal und perinatal übertragbare Infektionen berücksichtigen, z.B. Röteln, Hepatitis B, Cytomegalie und Toxoplasmose. Um mögliche Folgen für den Feten abzuwehren, heißt es, diese Infektionen zu erkennen bzw. wenn nötig zu intervenieren. Das geht nicht ohne entsprechende labormedizinische Diagnostik. Teil I des Artikels startet mit der Röteln- und Hepatitis-B-Infektion. Die Fortsetzung zu Cytomegalie und Toxoplasmose lesen Sie in Ausgabe 01/2006. durchgeführt. Für die Toxoplasmose wird ein Screening in den westlichen Bundesländern zwar seit mehr als zwei Jahrzehnten diskutiert, aber weitgehend abgelehnt, während in den ostdeutschen Bundesländern bis zur Wiedervereinigung ein obligatorisches Screening vorgeschrieben war und auch heute noch inoffiziell praktiziert wird. Ein Antikörper-Screening in der Frühschwangerschaft für die Cytomegalie, die derzeit bedeutendste Infektion in der Schwangerschaft, wurde bisher nicht in Betracht gezogen (Enders 2003). Foto: Prof. G. Enders Infektionsdiagnostik in der Schwangerschaft und beim Neugeborenen Zeitgerecht entnommene Blutproben – die Basis einer sicheren Serodiagnostik. I n der Mutterschaftsvorsorge sind in Deutschland Untersuchungen für fünf schwangerschaftsrelevante Infektionen obligatorisch (Tab. 1). Diese werden mit verschiedenen Testmethoden 38 In Hinblick auf das diagnostische Vorgehen bei der schwangeren Frau, beim Feten sowie beim Neugeborenen sind für eine gezielte Labordiagnostik anamnestische Angaben zur Schwangeren und auch zum Neugeborenen äußerst hilfreich. Um Auffälligkeiten beim Fetus zu erkennen bzw. auszuschließen, ist in Deutschland das Ultraschallscreening der DEGUM-Stufe 1 dreimal in der Schwangerschaft obligatorisch. Bei auffälligem Befund wird die Schwangere zur Ultraschallkontrolle der DEGUM-Stufe 2/3 in ein pränataldiagnostisches Zentrum überwiesen. Dort kann – wenn nötig – auch eine invasive Pränataldiagnostik durchgeführt werden. Für die Mehrzahl der schwangerschaftsrelevanten Infektionen steht heute eine treffsichere Serodiagnostik in Form sogenannter Basis- und Zusatztests zur Verfügung. Während in der Schwangerschaft die serologische Diagnostik vorrangig ist, steht bei der invasiven Pränataldiagnostik der Erregernachweis im Vordergrund. Dieser wird heute weitgehend mit molekularbiologischen Verfahren (Polymerase-Kettenreaktion, PCR) durchgeführt. Mit letzteren sind – im Vergleich zu den konventionellen Techniken, z.B. der Erregeranzucht – die Befunde innerhalb von einem bis zwei Tagen nach Probeneingang verfügbar. Bei der Befundbewertung sowie bei prognostischen Hinweisen zum Schwangerschaftsausgang muss aber stets auf die Grenzen der jeweils angewandten Methode hingewiesen werden. Bei Neugeborenen mit klinischen Auffälligkeiten, besonders bei fehlenden oder unvollständigen anamnestischen Angaben, wird die sogenannte STORCHDiagnostik (Syphilis, Toxoplasmose, other infectious organisms [z.B. Varizellen, Parvovirus B19], Röteln, Cytomegalie, Herpes simplex/Hepatitis/HIV) mittels Erreger- und/oder IgM- und IgA-Antikörpernachweis durchgeführt (Klein u. Remington 2001). Diese Untersuchungen sollten möglichst sofort nach Geburt oder innerhalb der ersten 14 Tage erfolgen. Nur so kann eine pränatale von einer frühpostnatalen Infektion unterschieden werden. Anhand des Nachweises von IgG-Antikörpern zum Ende des ersten Lebensjahres kann man z.B. bei Röteln und Toxoplasmose auf gynäkologie + geburtshilfe 6·2005 Tabelle 1 Obligatorisches Infektionsscreening im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge in Deutschland Infektion Trimenon Test spez. Nachweis von seit Syphilis 1. Trim. [3. Trim.] TPPA TPHA Gesamt-AK ~1950 Röteln 1. Trim. HAH EIA EIA Gesamt-AK IgG-AK IgM-AK (unter best. Voraussetzungen) ~1972 ~1982 Hepatitis B [1. Trim.] 3. Trim. EIA EIA HBsAg (wenn pos., dann Anti-HBC-gesamt und IgM-AK) selektiv seit 1987/90; obligatorisch seit 1994 HIV 1,2 1. Trim. [3. Trim.] HIV-EIA (= Suchtest d. 4. Generation) Gesamt-AK und p24-Ag 1987/88 seit 1990 vermehrt; mit Einverständnis der Schwangeren Chlamydia trachom. 1. Trim. [3. Trim.] SDA (strand displacementamplification) DNA 4/1995 [ ] = bei Risikofaktoren zusätzlich zu empfehlen eine pränatale Infektion, bei Cytomegalie auf eine prä- oder frühpostnatal erfolgte Infektion schließen. Bei Hepatitis B ist eine solche Schlussfolgerung aufgrund der im 2. Lebensmonat beginnenden Grundimmunisierung mit dem Hepatitis-B-Impfstoff nicht möglich. Röteln: Labormedizinische Aspekte Von allen Infektionen in der Schwangerschaft waren und sind die Röteln wegen ihrer hohen Missbildungsrate besonders gefürchtet. Die Übertragung des Erregers erfolgt durch Tröpfcheninfektion. Die Infektion ist mit Exanthem vergesellschaftet und verläuft bei Kindern oft subklinisch und unerkannt. So ist das Hauptrisiko für das Vollbild der Rötelnembryopathie (RE) (klassisches Rubella-Syndrom: Herzmissbildungen, Augendefekte, Hördefekte; erweitertes Rubella-Syndrom) mit bis zu 90 Prozent auf akute Röteln in der 1. bis 10. Schwangerschaftswoche (SSW) begrenzt, zwischen der 11. und 17. SSW kommt es in etwa 20 Prozent zu RE-Einzelmanifestationen, vor allem von Hördefekten (Miller et al. 1982). Nach eigenen Untersuchungen sinkt das Risiko für Hördefekte ab der 11. bis zur 17. SSW von 20 auf 8 Prozent. Es gilt also, eine primäre Rötelninfektion in den ersten 17 SSW zu diagnostizieren, gynäkologie + geburtshilfe 6·2005 um evtl. über eine invasive pränatale Diagnostik eine fetale Infektion nachzuweisen oder auszuschließen. Derzeit liegt die Seronegativrate für Röteln bei Frauen im gebärfähigen Alter und bei Schwangeren in Deutschland bei nur ca. 2 bis 3 Prozent, im Vergleich zu 11 Prozent im Jahr 1982 (Daten Labor Enders). Damit ist das Risiko, an akuten Röteln in der Schwangerschaft zu erkranken, stark gesunken und infolgedessen auch das RE-Risiko. Die RE-Inzidenz beträgt in Deutschland zurzeit 0,1/100.000 Lebendgeburten (Feb. 2005). Die Rötelnembryopathien (RE) waren schon vor Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes 2001 meldepflichtig. Wie man weiß, wurden und werden aber bis heute nicht alle RE-Fälle gemeldet – vor allem die nicht, bei denen RE-bedingte Hördefekte erst sehr spät erkannt werden. — Screening in der Mutterschaftsvorsorge Laut Mutterschaftsrichtlinien (letzter Stand vom 2003) muss bei der Erstuntersuchung im 1. Trimenon vom Frauenarzt die Anamnese der Schwangeren erfragt und die Impfdokumente gesichtet werden. In Deutschland wird zur Bestimmung der Rötelnimmunitätslage zur Zeit noch der Hämagglutinationshemmtest (HAH) verwendet. Bei niederen HAHTitern (1:8, 1:16) wird zur Absicherung zusätzlich ein IgG-Test (enzyme-linked immunosorbent assay = EIA) durchgeführt (Tab. 2). Die im EIA gemessenen IgG-Antikörper werden anhand eines WHO-Standards in IU bewertet. In den meisten westeuropäischen Länder und in den USA wurde der HAHTest durch den IgG-EIA-Test ersetzt. Diese Bestrebungen sind auch in Deutschland im Gange. Dazu werden jedoch aktuell genauere Richtlinien ausgearbeitet (Enders G, Pustowoit B, in Vorbereitung). Bei einem HAH von 1:32 und unauffälliger Anamnese ist Immunität auch für weitere Schwangerschaften anzunehmen. Dabei ist zu bedenken, dass im Vergleich zur natürlichen Infektion durch die Impfung eine schwächere Immunität aufgebaut wird, die auch mit zunehmendem Abstand zur Impfung abnimmt. Bei Auffälligkeiten in der Anamnese ist trotz dokumentierter Vorbefunde eine RötelnAntikörperbestimmung im HAH- (bzw. IgG-) und IgM-Test angebracht. Auffälligkeiten müssen dem Labor mitgeteilt werden, denn nur dann kann der Laborarzt auch eine IgM-Antikörperbestimmung und evtl. Zusatzteste durchführen und abrechnen (Tab. 2). In Fällen, in denen anamnestische Angaben fehlen z.B. wegen Sprachbarrieren bei erst kürzlich zugewanderten Frauen aus Ländern ohne Rötelnimpfprogramm oder bei Notarztdiagnosen (z.B. V. a. Allergie), sollten ebenfalls IgM-Antikörper bestimmt und evtl. Zusatzteste durchgeführt werden. Beispiele – auch aus letzter Zeit – zeigen, dass bei einem erstmals in der aktuellen Schwangerschaft bestimmten HAHTiter von z.B. 1:128 (bzw. IgG-Wert von ca. 160 IU/ml) aufgrund unzureichender Kommunikation zwischen Arzt und schwangerer Frau Immunität angenommen wurde, aber dann Kinder mit dem Vollbild der Rötelnembryopathie zur Welt kamen. Drei solcher Fälle wurden im Labor Enders in den Jahren 2003/2004 retrospektiv diagnostiziert. — Infektionsdiagnostik in der Schwangerschaft Außerhalb des Screenings werden bei Kontakt mit Röteln oder Verdacht auf 39 Fortbildung Infektionen während der Schwangerschaft Mutterschaftsvorsorge - Röteln-Antikörper-Screening Tabelle 2 — Frauenarzt: Anamnese erfragen! — frühere Röteln oder Impfung? Y Befunddokumente zu Immunstatus und Impfung überprüfen u. in Mutterpass übertragen — Kontakt, verdächtige Symptomatik aussschließen! — Labor: Bestimmung des Immunstatus (HAH ggf. IgG-EIA): HAH < 1:8, Y keine Immunität AK-Kontrolle 17.SSW, bei Kontakt/Symptomen sofort! HAH ≥ 1:32, Y Immunität anzunehmen HAH 1: 8 / 1:16 mit Bestätigung im IgG-EIA: IgG-EIA <15 IU/ml Y fragliche Immunität AK-Kontrolle bis 17.SSW empfohlen IgG-EIA ≥15 IU/ml Y Immunität anzunehmen trotzdem AK-Kontrolle bis 17. SSW empfohlen — auffällige Anamnese dem Labor mitteilen: dann trotz pos. Röteln-Vorbefunde inbesondere bei hohen HAH-Titer (>1:128) und IgG-Wert (ca. >160 IU/ml) IgM-AK-Bestimmung und Zusatzdiagnostik sowie weitere serologische Kontolle zum Titerverlauf veranlassen Röteln in der Schwangerschaft zunächst HAH-/IgG- und IgM-Antikörper bestimmt. Dabei werden IgM-Antikörper mit indirekten, heute aber vorrangig mit µ-capture EIAs, z.T. mit rekombinanten Antigenen, nachgewiesen. Um asymptomatische Reinfektionen – die ein kleines, nicht kalkulierbares fetales Risiko beinhalten und die hauptsächlich durch sehr hohe Antikörpertiter auffallen – erkennen zu können, sollten die Seren zur Ermittlung der Endtiter im HAH- bzw. IgG-Test austitriert werden (Enders G, unveröffentlicht). Bei positivem IgM-Befund, der nicht immer mit einer primären akuten Infektion gleichzusetzen ist, wird die Untersuchung durch die Zusatzteste (IgG-Aviditätstest und IgG-Immunoblot) ergänzt. Mit dieser kombinierten Serodiagnostik lässt sich bei Einsendung der ersten Blutprobe bis zur 16. SSW, bei hohem Aviditätsindex und dem Nachweis der E2-Bande im IgG-Immunoblot, trotz positiver IgM-Antikörper, eine akute Infektion mit sehr hoher Treffsicherheit seit Beginn der Schwangerschaft ausschließen. Ein positiver IgM-Befund bei nie40 derem Aviditätsindex und fehlender E2Bande spricht dagegen für eine akute Infektion. Bei Entnahme der Blutprobe bis zur 20. SSW ist die Treffsicherheit dieser Diagnostik etwas geringer (Best J u. Enders G 2006; Enders G 2006, zur Veröffentlichung eingereicht). Bei Ausschluss einer akuten Infektion sind die Ursachen der positiven IgMBefunde meist langpersistierende IgMAntikörper nach früherer Infektion oder Impfung, IgM-Antikörper nach kürzlicher Impfung oder nach Reinfektion. Reinfektionen sind serologisch außer durch die erwähnten sehr hohen HAH- bzw. IgG-Werte auch durch einen erhöhten Aviditätsindex und durch die Entwicklung der E2-Bande nach Wildviruskontakt charakterisiert. Mit den langpersistierenden IgMAntikörpern in der Schwangerschaft, die nicht selten mehr als drei bis sechs Jahre nach früherer Infektion oder Impfung persistieren, ist kein fetales Infektionsoder Rötelnembryopathierisiko verbunden. Dies konnte durch das Fehlen von IgM-Antikörpern in Nabelschnurblutproben der Neugeborenen von Müttern mit langpersistierenden IgM-Antikörpern eindeutig bewiesen werden (Enders G, unveröffentlicht 2005). Somit kann an den Frauenarzt und seine Patientin die Mitteilung erfolgen, dass mütterliche langpersistierende IgM-Antikörper kein Risiko für das Kind bedeuten. Dies gilt auch für die Folgeschwangerschaften. Aufgrund dieser effektiven Rötelnserologie ist eine invasive Pränataldiagnostik heute seltener indiziert als in den Jahren bis 2002. Sie beschränkt sich in der Regel auf labordiagnostisch verifizierte primäre Rötelninfektionen und gelegentlich auch bestätigte Reinfektionen bis zur 17. SSW sowie auf den geringen Prozentsatz von Schwangeren, bei denen der Grund für den positiven IgM-Antikörperbefund trotz der Zusatzteste nicht abklärbar ist. Mit Hilfe der pränatalen Diagnostik kann eine fetale Rötelninfektion durch den Nachweis des Rötelnvirus mit der RT-nPCR (zum Teil mit Bestätigung der Virusanzucht in Zellkultur) in Chorionzotten (frühestens ab 11.–18. SSW), im Fruchtwasser (ab 18. SSW) sowie im Fetalblut (ab 21. SSW) erfolgen. Im Fetalblut ist zusätzlich der Nachweis von spezifischen IgM-Antikörpern ein treffsicherer Marker für eine fetale Infektion. Ein unauffälliger Ultraschallbefund der DEGUM-Stufe 2/3 schließt eine fetale Rötelninfektion nicht aus, da über Ultraschallauffälligkeiten bei Röteln weltweit nur ausnahmsweise berichtet wurde (Best u. Enders 2006). — Infektionsdiagnostik beim Neugeborenen Neugeborene, deren Müttern in der Schwangerschaft akut an Röteln erkrankten, können die bekannte Voll- oder Teilsymptomatik der Rötelnembryopathie aufweisen oder – trotz pränataler Infektion – asymptomatisch sein. Auch bei mütterlichen Infektionen nach der 20. SSW kommt es zu fetalen Infektionen, jedoch ohne Folgen für den Fetus. Die Labordiagnose einer pränatalen Rötelninfektion wird durch den Nachweis spezifischer IgM-Antikörper im Nabelschnurblut gesichert. Diese sind bei ca. 98 Prozent der Neugeborenen mit pränataler Rötelninfektion mit oder ohne Symptome vorhanden und bleiben in gynäkologie + geburtshilfe 6·2005 Fortbildung abnehmenden Raten auch noch bis zum 4. bis 6. Lebensmonat nachweisbar. Im selben Zeitraum ist bei diesen pränatal infizierten Neugeborenen im Rachensekret und Urin Rötelnvirus-RNA mittels RT-nPCR bzw. infektiöses Virus in der Zellkultur festzustellen. Maßnahmen bei verschiedenen Rötelnproblemen — Niedere HAH- oder IgG-Antikörperwerte vor allem nach früherer Impfung: Hierbei stellt sich die Frage einer Schutzwirkung vor einer Reinfektion nach Kontakt mit Wildvirus. Dieses Problem wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen, da sich, wie erwähnt, mit zunehmender Durchimpfung der Anteil der Frauen mit niederen Antikörperwerten besonders im fortgeschrittenen Schwangerschaftsalter erhöht. Deshalb werden bei niederen Titern vor geplanter Schwangerschaft ein bis zwei weitere Nachimpfungen meist mit dem Masern-Mumps-Röteln-Impfstoff (MMR) empfohlen, wodurch jedoch in der Mehrzahl kein bleibender Rötelntiteranstieg erfolgt. In solchen Fällen wird aber nicht dazu geraten, eine gewünschte Schwangerschaft aufzuschieben, weil man auf Grundlage langjähriger Beobachtungen nach ein bis zwei Rötelnimpfungen trotz niederer oder sogar negativer Antikörperwerte eine Basisimmunität gegen primäre Infektion annehmen kann. Bei Eintritt der Schwangerschaft sollten aber serologische Kontrollen bis zur 17. SSW erfolgen, um eine eventuelle Reinfektion zu erkennen. — Impfung vor und in der Schwangerschaft: Bei Frauen mit Kinderwunsch und ohne Impfanamnese sollte der Rötelnimmunitätsstatus festgestellt und dann seronegativen Frauen eine Impfung mit Kontrolle des Impferfolgs angeboten werden. Dabei gilt seit neuerem die Empfehlung, eine Schwangerschaft innerhalb von vier Wochen nach Impfung zu vermeiden. Sollte aber dennoch eine akzidentelle Impfung innerhalb von 4 Wochen vor Konzeption oder auch in der Frühschwangerschaft erfolgt sein, besteht keine Indikation zum 42 Infektionen während der Schwangerschaft Schwangerschaftsabbruch (Enders G 2005). — Freistellung in medizinischen, pflegerischen, erzieherischen und Lehrberufen: In Deutschland werden auf Grundlage des Mutterschutzgesetzes und der bestehenden Verordnungen einheitlich in allen Bundesländern seronegative Schwangere in Risikoberufen bis zur 20. SSW freigestellt. Nach diesem Zeitpunkt besteht für den Fall einer Rötelnprimärinfektion kein Risiko mehr für bleibende Schäden beim Neugeborenen. Bei Frauen mit fraglichen oder niederen HAHbzw. IgG-Werten, die nicht selten von Labor zu Labor variieren, wird bei der Befundinterpretation „Immunität nicht gewährleistet“ von den Betriebsärzten häufig eine Freistellung beantragt. Seit Dezember 2002 wird eine Immunglobulingabe zum Schutz von seronegativen Schwangeren nach Rötelnkontakt nicht mehr empfohlen. Erstens konnte der Schutzwert dieser passiven Prophylaxe nie eindeutig bewiesen werden und zudem wurde deshalb und wegen der geringen Nachfrage auch die Produktion des hochtitrigen Röteln-Hyperimmunglobulins eingestellt. — Mutterschaftsvorsorge: In mehreren westeuropäischen Ländern, vor allem in Skandinavien, Frankreich und England wurde oder wird aufgrund der sehr guten Durchimpfung das offizielle antenatale Screening für Rötelnantikörper eingestellt. Dennoch lassen z.B. in Schweden ca. 50 Prozent der Schwangeren ihre Rötelnimmunitätslage auf eigene Kosten weiterhin bestimmen. Eine derartige Umstellung kann in Deutschland erst bei optimaler Durchimpfung von Kleinkindern und einer noch geringeren Inzidenz von akuten Röteln in der Frühschwangerschaft in Betracht gezogen werden. Deshalb sollte die obligatorische Mutterschaftsvorsorge für Röteln noch eine Zeit lang aufrecht erhalten werden. Hepatitis B: Labormedizinische Aspekte Die Hepatitis-B-Infektion ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten. Sie kann nach einem akuten Stadium ent- weder ausheilen oder chronifizieren. Nach Angaben der WHO haben etwa 2 Milliarden Menschen diese Infektion durchgemacht und 5 bis 7 Prozent der Weltbevölkerung (300–420 Mio. Menschen) sind chronisch infiziert. Für chronisch Infizierte besteht das Risiko im Laufe ihres Lebens eine Leberzirrhose oder ein hepatozelluläres Karzinom zu entwickeln. Der Prozentsatz der Hepatitis-B-Virusträger in Deutschland liegt, wie auch in anderen westlichen Industrieländern mit niedriger Endemizität, bei weniger als 1 Prozent. Übertragungswege des Hepatitis-B-Virus Die Hepatitis-B-Infektion wird im Wesentlichen parenteral durch Blut, bei Sexualverkehr durch bluthaltige Sekrete von akut-infizierten Patienten oder Hepatitis-B-Trägern oder vertikal von der Mutter auf das Kind übertragen. Eine frühpostnatale Infektion kann durch engen Kontakt von Neugeborenen mit infizierten Eltern erfolgen. In Ländern mit hoher Hepatitis-B-Endemizität ist – neben einer Infektion in der frühen Kindheit – die vertikale Transmission am häufigsten. In Ländern mit niedriger Endemizität, wie beispielsweise Deutschland, sind die hauptsächlichen Risikofaktoren zum Erwerb einer Hepatitis-B-Infektion der Drogenmissbrauch (i.v.) und hohe Promiskuität im Jugend- und Erwachsenenalter. Aber auch die vertikale Übertragung ist in Deutschland von Bedeutung, da nach unseren Ermittlungen ohne die Simultanimpfung jährlich mehr als 1.200 HBV-infizierte Neugeborene zu erwarten wären. Nach perinataler Infektion werden 90 Prozent der Kinder zu chronischen Trägern, im Vergleich zu nur 5 bis 10 Prozent der Personen, die sich erst nach dem 12. Lebensjahr infizieren. Die Übertragung der Hepatitis-BInfektion von der Mutter auf das Kind erfolgt in über 90 Prozent intrapartum und nur in 10 Prozent intrauterin gegen Ende der Schwangerschaft. Risikofaktoren für die spätintrauterine Transmission sind akute Infektionen im 3.Trimenon mit hoher HBV-DNA-Konzentration und drohende Frühgeburtlichkeit. Da die Haupttransmission intrapartum erfolgt, gynäkologie + geburtshilfe 6·2005 Fortbildung ist eine invasive pränatale Diagnostik nicht indiziert. Wird eine solche aus genetischer Indikation durchgeführt, kann während der mütterlichen virämischen Phase eine iatrogene Infektion des Feten nicht völlig ausgeschlossen werden (Geipel A. et al. 2001). Die Transmissionsrate beträgt bei asymptomatischen, chronisch infizierten, sogenannten „Carrier-Müttern“ ca. 10 bis 20 Prozent und bei HBsAg-positiven Müttern mit positivem HBeAg-Befund bzw. mit hoher HBV-DNA-Viruslast 80 bis 90 Prozent. Da die perinatal infizierten Kinder in 90 Prozent zu chronischen Trägern – mit dem damit verbundenem Risiko für Spätschäden – werden, ist das obligate HBV-Screening in der Mutterschaftsvorsorge gerechtfertigt. Damit können die akut- bzw. chronisch-infizierten HBVMütter erkannt und durch die Simultanimpfung perinatale Hepatitis-BInfektionen bei Neugeborenen verhütet werden. — Screening in der Mutterschaftsvorsorge In Deutschland ist das HBsAg-Screening seit Oktober 1994 obligatorisch. Die Untersuchung erfolgt ab der 32. SSW, also möglichst nahe am Geburtstermin, mit einem Test, der mindestens 5 ng/ml HBsAg nachweisen kann. Der Befund muss zur Information des Geburtshelfers in den Mutterpass eingetragen werden. Die Untersuchung kann entfallen, wenn Immunität besteht z.B. nach Schutzimpfung (international >10 IU/ml, in Deutschland >100 IU/ml anti-HBsAg). Mitte 1999 wurde in Deutschland bei HBsAg-Positivität die Untersuchung auf HBeAg (bisher der Marker für aktive Virusvermehrung) und auf Anti-HBe eingestellt. An deren Stelle wird gegenwärtig der DNA-Nachweis mittels PCR zur Beurteilung der Infektiosität und Erfassung der Mutanten eingesetzt. Eine obligate Anti-HBc-Bestimmung ist in Deutschland im Gegensatz zur Schweiz nicht empfohlen, da eine isolierte Anti-HBc-Prävalenz von nur 1,4 Prozent bei HBsAg-Negativität in der deutschen Population mittleren Alters besteht. In dieser Gruppe sind allerdings 7,7 Prozent HBV-DNA-positiv und damit infektiös (Jilg u. Hottenträger 2001). gynäkologie + geburtshilfe 6·2005 Infektionen während der Schwangerschaft Hepatitis B-Screening in der Schwangerschaft und Maßnahmen Laborparameter HBsAg Anti-HBc Diagnose Meldepflicht Tabelle 3 Neugeborene: Simultanimpfung? Anti-HBc-IgM negativ Y nicht erforderlich nicht erforderlich kein Anhalt für – eine Infektion nein positiv Y positiv negativ chronische Infektion nein ja, noch im Kreißsaal innerhalb von 12 h! positiv Y positiv positiv auf Wunsch HBV-DNA quantitativ akute/ kürzliche Infektion ja ja, noch im Kreißsaal innerhalb von 12 h! Diagnostik der verschiedenen Stadien der Hepatitis-B-Infektion Tabelle 4 HBsAg Anti-HBc Laborparameter Anti-HBc Viruslast IgM HBV-DNA (LightCycler-PCR) Anti-HBs Akute Infektion pos. pos. pos. pos. neg. Chron. Infektion pos. pos. neg. pos./neg. neg. Ausgeheilte Infektion neg. pos. neg. neg. pos. Sonderfälle: Akute/chron. Hep. B bei Mutanten neg. pos. pos./neg. pos. neg. Status Bei welchen Befunden im Rahmen der Hepatitis-B-Testung in der Mutterschaftsvorsorge eine Meldepflicht besteht und wann eine Simultanimpfung des Neugeboren erfolgen soll, ist aus Tabelle 3 ersichtlich. Ein positiver HBsAg-Befund muss durch Wiederholungsuntersuchung bestätigt und im Anschluss Anti-HBc und Anti-HBc-IgM bestimmt werden. Die Laborparameter für die Diagnose der verschiedenen Stadien der Hepatitis-B-Infektion können aus Tabelle 4 entnommen werden. Bei akuter Infektion wird bei bestimmter Sachlage der Nukleinsäurenachweis zur Feststellung der Viruslast mittels LightCycler-PCR durchgeführt (Infektiosität <100.000 cop/ml gering, <500.000 cop/ml mittel, >500.000 cop/ml hoch). — HBsAg-positive Mütter/Mütter mit unbekanntem HBsAg-Status Bei Neugeborenen von HBsAg-positiven Müttern ist unabhängig vom Geburtsgewicht innerhalb von 12 Stunden die Aktiv-/Passiv-Simultanimpfung vorgeschrieben. Eine serologische Voruntersuchung ist nicht erforderlich. Die 2. und 3. Impfung erfolgt in der 4. Lebenswoche und im 6. Lebensmonat. Erstaunlich ist, dass in Deutschland trotz des ScreeningAngebots ca. 20 bis 29 Prozent der Schwangeren ohne dokumentierte HBsAg-Testung zur Entbindung kommen (Dausch E u. Jilg W 2001, Parasher et al. 2001). Bei Neugeborenen von Müttern, deren HBsAg-Status nicht bekannt und bei denen noch vor bzw. sofort nach der Geburt die serologische Kontrolle nicht möglich ist, wird ebenfalls unmittelbar post partum zunächst nur die Grundimmunisierung mit dem HB-Impfstoff begonnen. Bei nachträglicher Feststellung einer HBsAg-Positivität der Mutter kann beim Neugeborenen innerhalb von sieben Tagen postnatal noch die passive Immunisierung nachgeholt werden. Durch die Hepatitis-B-Simultanimpfung der Neugeborenen von Hepatitis-B-infizierten Müttern kann in über 95 Prozent eine Infektion des Neugeborenen vermieden werden. Die spätintrauterin infizierten Neugeborenen profitieren allerdings nicht mehr von dieser postpartalen Simultanimpfung. Außerdem 45 Fortbildung kann es in weniger als 3 Prozent durch sogenannte Vaccine-HBsAg-escapeMutanten zu einer späteren Hepatitis-BInfektion kommen. An das RKI wurden im Jahr 2001 26, 2002 acht und 2003 sieben Fälle von HBV-erkrankten Kindern im ersten Lebensjahr – teils trotz erfolgter Passiv- oder Simultanimpfung – gemeldet. Nicht geimpfte, perinatal oder frühpostnatal infizierte Neugeborene von chronisch infizierten Müttern sind wie auch die Simultangeimpften zunächst bei Geburt HBsAg-negativ, werden aber innerhalb der ersten drei Lebensmonate HBsAg-positiv. Bisherige Langzeitbeobachtungen über einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren zeigen, dass diese Kinder langfristig – trotz teilweise erhöhter Leberwerte – asymptomatisch bleiben. Allerdings sollten alle HBsAg-positiven Kinder in gewissen Abständen serologisch und klinisch überwacht werden. — Nutzeffekt der Simultanimpfung Nach unseren Daten zur Mutterschaftsvorsorge von 1994 bis 1999 für 131.266 Schwangere mit 21 Prozent Ausländeranteil lag die durchschnittliche jährliche Positivrate für HBsAg bei 0,87 Prozent und für HBeAg bei 0,1 Prozent (unveröffentlichte Daten). Durch Hochrechung auf die mittlere Geburtenrate (783.000) in diesem Zeitraum ergibt sich unter Berücksichtigung der jeweiligen Transmissionsrate (bei nur HBsAg- bzw. HBsAg- und HBeAg-positiven Schwangeren), dass durch die Simultanimpfung bei Geburt rein rechnerisch jährlich bei mehr als 1.200 Neugeborenen eine Hepatitis B-Infektion verhütet wird. Deshalb ist das HBsAgScreening im 3. Trimenon eine sehr wichtige und Kosten/Nutzen-effiziente Mutterschaftsvorsorgeuntersuchung. Für den Zeitraum Juni 1999 bis Januar 2005 (153.827 Schwangere) konnte bei einer ähnlichen HBsAg-Positivrate von 0,83 Prozent infolge des Wegfalls der HBeAg-Testung (1999) eine entsprechende Analyse nicht mehr erfolgen. Probleme und Hinweise — Impfschutz: Ein Wert von >10 IU/ml anti-HBsAg-Antikörper wird international – außer in Deutschland 46 Infektionen während der Schwangerschaft (>100 IU/ml!) – als schützend angesehen. Die Schutzdauer nach Impfung wird mit mehr als 10 Jahren angenommen, sodass eine Boosterimpfung nach Kleinkinderimpfung im Jugendalter wahrscheinlich nicht notwendig ist. Wesentlich ist, dass für die Elimination der HBV-Transmission hohe Impfraten bei Säuglingen, Kleinkindern, Jugendlichen und Erwachsenen erzielt werden. — Mutterschaftsvorsorge: Frauenärzte sollten bei der Schwangerschaftsvorsorge die HBsAg-Testung ihren Patientinnen nachdrücklich ans Herz legen, damit bei Entbindung die Immunitätslage bekannt ist, um unnötige und kostenaufwändige Impfungen und Nachtestungen zu vermeiden — Impfung in der Schwangerschaft: Die Hepatitis-B-Impfung ist in der Schwangerschaft nicht kontraindiziert. So wird bei HBsAg-negativen Schwangeren bei Intimkontakt zu HBsAg-positiven Partnern oder engem Kontakt zu HBsAg-positiven Heimkindern eine Simultanimpfung (aktiv/passiv) mit Fortführung der Impfserie empfohlen. Im Hinblick auf Maßnahmen für das Neugeborene, muss dann vor Entbindung die Immunitätslage überprüft werden. — Therapie: Eine Therapie mit Lamivudin in der Schwangerschaft, ist in Deutschland nicht zugelassen. Sie wurde aber schon in Studien (z. B. in den Niederlanden) bei hochvirämischen Müttern im letzten Schwangerschaftsmonat durchgeführt. Durch Senkung der Viruslast und Reduktion des Transmissionsrisikos sollte so eine fetale Infektion verhindert werden, was jedoch nicht in allen Fällen gelang. — Entbindung: Bei Hepatitis-B-Infektion in der Schwangerschaft wird eine Sectio nicht generell empfohlen. Sie ist nur in Sonderfällen z.B. akute Infektion in Spätschwangerschaft und hoher HBV-DNA-Viruslast indiziert. — Immunstatus nach Impfung: Bei der Regelimpfung im Kindes- und Jugendalter wird eine serologische Kontrolle nicht empfohlen. Nach Simultanimpfung von Neugeborenen von Müttern mit positivem oder unbekanntem HBsAg-Status sollte einen Monat nach Abschluss der Grundimmunisierung (3. Impfung) der Impferfolg laut STIKO kontrolliert werden (HBsAg, anti-HBs, anti-HBc). Davon wird leider kaum Gebrauch gemacht! — Stillen: Bei Neugeborenen von Müttern mit chronischer Hepatitis-BInfektion besteht nach regelrecht durchgeführter Simultanimpfung kein Infektionsrisiko durch das Stillen. Bei einer hochinfektiösen Mutter (HBsAg und HBeAg positiv bzw. mit erhöhter HBV-DNA-Viruslast) wird in Österreich vom Stillen abgeraten, nicht so in Deutschland, England oder Skandinavien. — Prophylaxe: Im medizinisch-pflegerischen Bereich muss zum Schutz vor einer Ansteckung durch Nadelstichverletzungen oder durch anderen Blutkontakt vom Arbeitgeber eine Untersuchung zum Hepatitis-BImmunstatus und ggf. eine Hepatitis-B-Impfung angeboten werden. Dies wird von den Angestellten nicht immer wahrgenommen, was in der Vergangenheit nicht selten zu nosokomialen HBV-Infektionen geführt hat. Im Allgemeinen sind im Fall einer Exposition die von der STIKO empfohlenen Maßnahmen zu beachten. — Ausblick: Auf Grund der Impfung der jüngeren Alterskohorten wird die Verbreitung von Hepatitis B voraussichtlich innerhalb der nächsten 10 bis 20 Jahren deutlich zurückgehen. Literatur unter www.gynundgeburtshilfe.de Für die Mithilfe bei der Fertigstellung dieses Beitrags möchte ich mich bei den Diplom-Biologinnen Simone Exler, Marion Biber, Veronika Rilling und Anja Daiminger sehr herzlich bedanken. Prof. Dr. med. Gisela Enders Labor Prof. G. Enders und Partner Institut für Virologie, Infektiologie und Epidemiologie e.V. Vorsitzende G. Enders Rosenbergstraße 85 70193 Stuttgart gynäkologie + geburtshilfe 6·2005