Bauen mit Glas - Glasbau-und-mehr

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Passive Nutzung der Sonnenenergie
Text und Fotos Dipl. - Ing. (FH) Jens Baumgartner
Gefahren moderner Glasbauten, Prinzipien eines ökologischen Glasbaus mit Beispielen
(Veröffentlicht 09+10/2005)
Glas ist aufgrund seiner Transparenz
und Festigkeit ein einzigartiger Baustoff. Neben Ziegeln und Metallen ist
er einer der ältesten von Menschen
geschaffenen Werkstoffe und seit
mehr als 7000 Jahren bekannt. Doch
erst die Römer ziehen und glätten im
Gussverfahren vor gut 2000 Jahren
eine heiße, zähflüssige Masse aus
Sand, Kalk und Natron zu einem
scheibenförmigen Produkt.
Das bläulich-grüne Flachglas ist
noch undurchsichtig, lässt aber als
Fensterverschluss diffuses Licht in
die Räume ein. Diese Erfindung
verändert die Architektur. Aber im
gleichen Maße wie diese Entwicklung
bauökologisches und -biologisches
Bauen fördert - wie z.B. Nutzung der
Sonnenenergie, natürliche Belichtung
und Sichtkontakt zur Außenwelt muss festgestellt werden, dass ohne
die Beachtung einiger Prinzipien
Glasbauten entstehen, die für den
Menschen kaum nutzbar sind.
mit den alten Bautraditionen radikal
zu brechen. 'Licht, Luft und Sonne'
sollen die bestimmenden Elemente
der neuen Räume sein. So entsteht das
'Neue Bauen' mit den Materialien
Stahl, Glas und Beton.
Als früher Visionär des Modernen
Glasbaus tritt ab 1914 Paul Scheerbart
auf. Sein Traum ist es, die geschlossenen Räume der alten Backsteinkultur
durch
eine
neue
Glasarchitektur zu beseitigen, bei der
alle Wände 'ganz aus Glas bestehen aus farbigen Gläsern'.
1919 plant Mies van der Rohe seine
ersten revolutionären Hochhäuser, bei
denen er zum ersten Mal in der Baugeschichte die Idee verfolgt, alle
Außenwände mehrgeschossiger Bürogebäude ganz aus Glas zu erstellen.
Am Beginn der architekturhistorischen Moderne um 1917 steht der
Anspruch einer neuen Avantgarde,
Frühzeitig erkennt van der Rohe
zwei bedeutende Aspekte seiner Planungen mit Glas: 1. sieht er das Problem der Sonneneinstrahlung mit der
Gefahr der Überhitzung und 2. den
Effekt der sich verändernden Reflexionen mit der Gefahr der daraus entstehenden Maßstablosigkeit des Gebäudes. Denn je nach Standort des
Betrachters reflektiert Glas das Licht
oder spiegelt die Umgebung wieder.
Bild 1: Chile Haus von F. Höger (Hamburg 1924)
Bild 2: Deichtor Haus von BRT (Hamburg 2002)
Die Moderne ersetzt die traditionelle Backsteinkultur mit Lochfassaden aus Wand und Fenster …
… durch transparente Bauten mit Licht, Luft und
Öffnungen. Glasdoppelfassaden (GDF), ob aus
Moderner Glasbau
Ohne Antworten auf diese und andere offene Fragen wie z.B. die totale
Öffentlichkeit im Glashaus, entwerfen
die neuen Architekten Gebäude aus
Glas, die dem Nutzer einige Unannehmlichkeiten bieten.
Fehlentwicklungen
Überhitzung
Das Prinzip der 'Sonnenfalle' (Gewächshaus, Wintergarten, …) beruht
darauf, dass Glas für die Kurzwellenstrahlung der Sonne durchlässig ist.
Die hinter dem Glas liegenden Materialien werden durch die Sonnenstrahlung erwärmt und geben ihrerseits
eine Langwellenstrahlung mit niedriger Temperatur ab. Für sie ist das Glas
nicht durchlässig und deshalb entsteht
der so genannte 'Gewächshauseffekt'.
Schon seit den ersten großflächigen
Verglasungen im 16. Jahrhundert ist
das daraus folgende Problem bekannt:
Unabhängig von der geographischen
Lage kommt es zu starken Überhitzungen im Sommer und zu starken
Auskühlungen im Winter. Der Architekturhistoriker Julius Posener resümiert seine Erfahrungen mit dem Bau-
Bild 3: Büroneubau von Behnisch Architekten
(Hamburg 2010)
Glas oder Folienmembranen, sollen u.a.für ein erträgliches Raumklima sorgen
haus in Dessau, 1926 mit einer einfach verglasten Vorhangfassade ausgeführt, mit: 'Im Sommer zu heiß und
im Winter zu kalt'.
Bis in die späten 60ger Jahre des
letzten Jahrhunderts werden Gebäude
einfach verglast, obwohl die Isolierglasscheibe bereits seit 1854 patentiert ist. Dass sie dennoch bewohnbar
sind, verdanken sie hauptsächlich der
Erfindung der Klimatechnik und den
günstigen Energiepreisen bis zum
ersten Ölpreisschock.
Maßstablosigkeit
In den USA entstehen seit der Entwicklung des Silikonklebstoffes 1963
die ersten Vorhangfassaden in Klebetechnik. Nun ist es möglich, dem Gebäude mit undurchsichtig gefärbten
oder verspiegelten Gläsern den Anschein einer glatten Haut zu geben.
Wie von van der Rohe befürchtet,
sprengt die Reflexion häufig das Auffassungsvermögen der Betrachter.
Totale Öffentlichkeit
In Deutschland und einigen anderen
Teilen Europas verläuft die Entwicklung des Glasbaus nach dem 2.
Weltkrieg genau entgegengesetzt zu
der in den USA. Architektonische
Transparenz, mit durchsichtigem Glas
vielfach an öffentlichen Gebäuden
verwirklicht, wird gleichgesetzt mit
Demokratie und Bürgernähe.
Der neue Plenarsaal des Deutschen
Bundestages in Bonn und andere Bauten entstehen im Zenit einer Epoche,
in der die Transparenz zur Nacktheit
verkommen ist. Die Einsehbarkeit,
dies haben Mies van der Rohe und die
anderen Vordenker nicht bedacht,
machen die Menschen im transparenten Gebäude zu Dauerstatisten.
Mit dem gläsernen Haus entsteht so
auch der gläserne - und bezeichnenderweise nicht der transparente Mensch.
Etwa zeitgleich mit dem Fall der
Berliner Mauer beginnt die Umsetzung einer Transparenz der Verhüllung, bei der Glas die Gebäude ganz
oder partiell verhüllen kann. Dafür
kommt gegossenes, bedrucktes oder
gefärbtes Glas zur Anwendung. Somit
findet de facto eine Angleichung an
die Entwicklung der 60er Jahre in den
USA statt, allerdings unter Beach-
tung bauökologischer und -biologischer Gesichtspunkte.
Internationaler Investorenstil
Insbesondere die vorgehängten Fassaden der neuen Moderne sind wenig
ökologisch: Die ursprüngliche Idee,
durch transparente Glasmembranen
die Grenze zwischen Innen- und
Außenraum aufzuheben und Licht,
Luft und Öffnungen in die von
Mauern befreiten Gebäude zu
bringen, weicht schließlich einer hermetisch abgeschlossenen Hülle. Einem
U-Boot gleich, muss den nun luftdicht
versiegelten Gebäuden jeder Kubikmeter Atemluft von außen durch
eine zentrale Klimaanlage zugeführt
werden. Kühlung, Wärme und Licht
verbrauchen Unmengen an Energie.
Da die Betriebskosten noch nebensächlich sind, entstehen zuerst in den
USA und dann rund um die Welt,
immer größere Glaspaläste. Kritiker
sprechen vom 'Internationalen Investorenstil' (Wigginton), da die Gebäude
selbst in großen Höhen mit dem tragenden Stahlgerüst und der vorgehängten Fassade aus Glas nur etwas
mehr als 20 Zentimeter dick sind. Die
Grundfläche entspricht also knapp der
Nutzfläche - und das bei freier Raumaufteilung aufgrund der weit gespannten Stahlkonstruktion.
Entwicklungen
im Glasbau
In den 60ger Jahren prägen sich zwei
latent schon existierende unterschiedliche bauökologische Entwicklungs-
Tabelle 1: Eckdaten zur Glas- Geschichte - Teil 1
Zeitpunkte:
Entwicklungen in der Glasherstellung und -verwendung:
Vor 5000 v. Chr.: Verwendung von natürlichem Glas (Bimssteine und Obsidiane) für
Schmuck, Werkzeuge und Waffen
Um 3500 v. Chr.: Beginn der gezielten Glasproduktion, vermutlich in Ägypten
Um 650 v. Chr.: Assyrische Tontafel mit dem ältesten überlieferten Glasrezept
Um 100 v. Chr.: Erfindung der Glasmacherpfeife vermutlich in Sidon, im alten Syrien
Ab 60 v. Chr.: Herstellung von Flachglas durch Gießen im Tischverfahren. Verwendung in Thermen und Museen sowie für die Fenster reicher Römer
Um 1000: Flachglasherstellung im Zylinderstreckverfahren: Mit der Glasmacherpfeife wird Glasschmelze zum Zylinder geblasen. Die Kappen werden
abgetrennt, der Glaszylinder von innen durchgeschnitten. Erneutes Erhitzen öffnet den Zylinder, die Scheibe wird dann geglättet; und im
Mondglasverfahren: Mit der Glasmacherpfeife wird die Glasschmelze
so lange schnell geschleudert, bis eine kreisrunde Scheibe entsteht.
Um 1150: Beginn der Frühgotik u.a. mit Bauten in Saint Denis und Chartres.
Erstes Zeitalter der Glasarchitektur beginnt
1688: NEHOU entwickelt das Gießverfahren für die Flachglasherstellung neu.
Der Name Spiegelglas weist auf die hauptsächliche Verwendung hin
1750-1850: Goldenes Zeitalter der Botanik. Es entstehen viele bedeutende
Gewächshäuser in Holz/ Eisen- Glaskonstruktion
Ab 1806: Beginn der Fensterverglasung auch für untere Schichten, nachdem sie
die Fenster Jahrhunderte lang z.B. mit Ölpapier bespannen mussten
1827: Erster Glaskuppelbau für ein Palmenhaus in Bretton Hall von JOHN C.
LOUDON (Durchmesser: 30,5 m; Höhe: 18 m)
1829-1832: Mit der Galerie d'Orléans entsteht in Paris die erste Passage
1833: In Paris entstehen im botanischen Garten Treibhäuser aus Eisen und Glas.
Mit der Galerie d'Orléans zusammen bestehen jetzt die technischen
Grundlagen für die Bautypen Ausstellungshalle und Bahnhof
1850: Im Spiegelglasverfahren hergestellte Gläser erreichen 350 x 500 cm²
1851: Sir JOSEPH PAXTON überträgt die Prinzipien des Gewächshausbaus
auf den Kristallpalast in London
1854: STEDSON erhält Patent auf Isolierglas in den USA
1880-1900: Mit der 1. Schule von Chicago erfolgt der Übergang zum totalen Skelettbau. Es entstehen Wolkenkratzer mit großflächiger Verglasung
1909: Entwicklung von Verbundsicherheitsglas (VSG)
1914: Auftreten von PAUL SCHEERBART. Kölner Werkbundausstellung mit
einem Glashaus von BRUNO TAUT und Inschriften von SCHEERBART
1911-1912: Das Faguswerk von WALTER GROPIUS und ADOLF MEYER erhält
eine der ersten Curtain Wall Fassaden (=Vorhang- Fassaden)
1917: De Stijl-Gruppe. Beginn der architekturhistorischen Moderne
linien verstärkt aus: Die 1. Richtung
setzt auf eine moderne, technikorientierte Lösung ökologischer Probleme,
während die 2. an alten, traditionellen
Erfahrungen anknüpfen will.
Hightech- Architektur
Ausgehend von den Berichten an den
Club of Rome und dem Aufsatz von
Mike Davies "Eine Wand für alle
Jahreszeiten", beginnt die Entwicklung der Intelligent Glass Facades.
Mit der intelligenten Fassade findet
ein Paradigmenwechsel in der modernen Architektur statt, zurück zur natürlichen Belüftung und Einführung
dynamischer Verschattungssysteme
für ein Maximum an Sichtbezug zum
Außenraum.
Die Glasfassade erhält neue Funktionen wie Wärme- und Schallschutz
sowie die Stromerzeugung durch Photovoltaikelemente. Aber die Regelung
dieser technischen Gebäudeausrüstung
beansprucht komplexe technische Systeme, daher u.a. der Name HightechGebäude. Auch hier bedingt das
transparente Bauen hohe Betriebskosten für Instandhaltung und Energie,
obwohl die Glasindustrie gleichzeitig
Hightech- Gläser u.a. für erhöhten
Wärmeschutz anbietet.
Vorläufiges Ende dieser Entwicklungen ist die Glas- Doppel- Fassade
(GDF) aus den 90ger Jahren. Diese
Nur mit Hightech- Werkzeugen zu
planenden (Computersimulation), herzustellenden (CNC-Technologie) und
zu betreibenden (24 Stunden / 7 Tage
Online- Überwachung aller technischen Funktionen) Gebäude haben ihr
Ziel (noch) nicht erreicht: Hoch energieeffiziente Gebäude mit hohem
Nutzerkomfort zu sein.
Ökologische Architektur
Parallel zu einer medial sehr wirkungsvoll dargestellten Hightech Architektur entsteht eine fast unscheinbare Öko- Architektur, die im Dissens
mit den Werten der modernen Industriegesellschaft liegt. Die häufig belächelten Öko- Freaks leisten jedoch
beachtliche Pionierarbeiten bei der
Wiederentdeckung alter und Entwicklung neuer ökologischer Bauprinzipien. Eines ihrer wichtigsten Projekte
ist die Nutzung der Sonnenenergie
durch Solararchitektur.
Prinzipien ökologischen
Glasbaus
Seit jeher besteht der Wunsch des
Menschen nach einem Haus, das ohne
zusätzlichen Energieaufwand im Winter warm und im Sommer kühl - also
den Erfahrungen Poseners entgegengesetzt - konstruiert ist. Hierfür sind,
abhängig vom Bauort, Fragen 1. der
Gebäudeausrichtung, 2. des Bautyps
und 3. der Glastechnik zu klären.
Nach Vitruv ist die Beachtung des
Breitengrades wichtig: Im sonnenar-
tiefstehende Wintersonne weit in den
Raum einlässt.
Damit ist die Problematik der
Ganzglashäuser (Bild 4/2) offensichtlich. Ohne wirksame Speichermassen und/oder eine äußere Verschattung (die wirkungsvoller ist als
eine Innenliegende, bei der sich die
Luft immer noch im Innenraum erwärmen kann) kommt es im Sommer
zur starken Überhitzung.
Ein alter Grundsatz wird hier verletzt: Weil jede Himmelsrichtung eigene klimatische Bedingungen auf-
Bild 4: Glashaustypen
(Zeichnungen nach Pottgiesser, Uta: Fassadenschichtungen Glas, Berlin: Bauwerk Verlag, 2004, S. 13)
men Norden können die Solarhäuser
primär nach Süden, in den sonnenreichen südlichen Ländern nach den
topographischen Merkmalen und der
Windrichtung ausgerichtet werden.
Gebäudeausrichtung
Das 'Sonnenhaus des Sokrates'
(Bild 4/1), von ihm um 400 v. Chr.
für das südeuropäische Klima entworfen, weist einige noch heute
gültige Prinzipien für die Sonnenenergienutzung auf.
So ist es trichterförmig und nach
Süden ausgerichtet angelegt. Nach
Süden hat es eine hohe und breite
Seite und eine tiefe und schmale nach
Norden. Die Seitenwände und der
Boden sind massiv, um die Wärme
für die kalten Nachtstunden besser
speichern zu können. Es hat ein
Vordach, das die hoch stehende Sommersonne abhält, wenn keine zusätzliche Erwärmung nötig ist, und die
weist, kann ein Gebäude nicht rundherum gleich gebaut sein.
Bautypen
Das Halbglashaus (Bild 4/3) stellt
trotz der größeren Speichermassen
nur eingeschränkt eine Lösung des
Überhitzungs- und Auskühlungsproblems dar. Wirkungsvoll ist es dann,
wenn die Glasflächen nicht direkt
nach Süden weisen und in einem
angemessenen Verhältnis zu den nicht
(wenig) verglasten Wänden stehen.
Häuser mit nicht eingedecktem
Atrium wie das Römische Atriumhaus
aus dem 4. Jh. v. Chr. und das Peristylhaus aus dem 2. Jh. v. Chr. gehören
zu den ältesten Bauformen der Welt.
Auch heute entstehen mit verglasten
Atriumhäusern (Bild 4/4) ökologisch
hochwertige Bauten, wenn die teilverglasten Flächen wie normale Außenwände geplant werden (Abschläge
beim U- Wert sind möglich).
Das Atrium stellt somit eine Art
überdachten Innenhof oder eine transparente Verbindung zweier eigenständiger Gebäude dar. Bei großer Hitze
kann auf Durchzug gelüftet werden,
was kühlend auf die angrenzenden
Gebäude wirkt. Kommt es nachts bzw.
im Winter zur Auskühlung des Atriums, verhindert die eigene Wärmedämmung der angrenzenden Bauten
einen starken Temperaturabfall.
Das Halb- Atriumhaus (Bild 4/5) ist
aus diesen und den schon zu Bild 4/3
erwähnten Gründen eine häufig
anzutreffende Variante bei beengten
Bauplätzen. Der Wintergarten kann
den Sonderformen (Bild 4/6) zugeordnet werden.
Glastechnik
Auf die dargestellten Probleme der
1. sommerlichen Überhitzung und des
2. winterlichen Wärmeschutzes
hat die Industrie mit einer breiten
Palette an Produkten reagiert.
Sonnenschutzgläser
Eine besondere Bedeutung kommt
den Sonnenschutzgläsern zu. Eingefärbte Gläser werden in den dreißiger
Jahren in den USA als Sonnenschutzverglasungen für PKW entwickelt. In
den 60ern und 70ern entsteht durch
den bevorzugten Einsatz von mit Metalloxiden grün, grau und bronze eingefärbten Gläsern ein neuer Modetrend.
Schon bald stellt sich der Nachteil
dieses Trends heraus: Für Bauten in
den nördlicheren Breiten wiegt der
kurzzeitige Sonnenschutz im Hochsommer die zu geringe Lichtdurchlässigkeit in den drei anderen Jahreszeiten nicht auf. Die Räume sind für
die Nutzer ohne elektrische Beleuchtung zu dunkel.
Mit Edelmetall beschichtete Sonnenschutzgläser weisen geringere Tageslichttransmissionen (τ), Gesamtenergietransmissionsgrade (g) und
Emissionsgrade (E) auf (Tabelle 1).
Die Glasbeschichtungen der 60er bis
80er Jahre, die noch relativ dick sind,
bringen die bekannten Spiegelfassadengebäude hervor.
Neuere, dünner beschichtete Gläser
werden auch Low- E- Verglasungen
genannt und größtenteils mit Silber,
aber auch mit Gold und Kupfer,
beschichtet. Der Emissionsgrad E be-
schreibt das Vermögen eines Körpers,
hier des Glases, Wärme abzustrahlen.
Die vorgenannten Sonnenschutzmaßnahmen wirken nur statisch. Soll
die Einstrahlung von Licht und solarer Energie an das situationsbezogene
Angebot angepasst werden, kommen
schaltbare Gläser zur dynamischen
Steuerung zum Einsatz.
Es gibt u.a. Gläser mit thermotropen
und thermochromen sowie elektrooptischen Schichten. Die ersten beiden verändern bei Temperaturwechsel
die Strahlungstransmission, das letztere durch Anlegen einer Spannung an
Flüssigkristallen oder elektrochromen
Materialien. Tabelle 2 zeigt die Wirksamkeit dieser noch jungen Innovationen.
Offensichtlich reichen die eingefärbten und reflektierenden Gläser mit
ihren hohen g- Werten für den Schutz
vor sommerlicher Erwärmung nicht
aus. Für die Herstellung von Isoliergläsern können sie und die schaltbaren Gläser jedoch verwendet werden.
Nach der 'Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden', kurz 'Energie- Einsparverordnung' (EnEV) 2002, und verschärft
nach der EnEV 2006, ist ein kleiner
g- Wert zumindest bei großen Glasflächen von Bedeutung.
Wärmeschutzgläser
Die Entwicklung bei den Wärmedämmgläsern verläuft in den vergangenen drei Dekaden rasant. Noch bis
ca. 1980 erhalten Wohngebäude Einfachverglasungen mit einem Ug- Wert
von ca. 5,8 W/(m²K). In der Zeit von
1985 bis 1995 verbessert sich durch
die Doppelverglasung der Ug- Wert
um die Hälfte. Mit der Wärmeschutzverordnung 1995 (WSVO 95) wird
der Einsatz von Wärmeschutzverglasungen mit einem Ug- Wert von ca.
1,2 W/(m²K) vorgeschrieben.
Erreicht werden diese niedrigen UgWerte durch Isolierverglasungen mit
Edelgasfüllung und, bei höheren Anforderungen, durch Beschichtung des
Glases.
Solares Energieangebot
und seine Nutzung
Bei einem Sonnenstundenangebot
von ca. 1500 Stunden pro Jahr in der
mitteleuropäischen Klimazone vom
ca. 48. bis 60. nördlichen Breitengrad
reichen bei Niedrigenergiehäusern
(NEH) schon 40 bis maximal 60%
Verglasungsanteil an der Südfassadenfläche aus, um mit den Isolierverglasungen beträchtliche solare Wärmegewinne zu realisieren.
Netto- Wärmegewinne, also Wärmegewinne durch die Verglasung abzüglich der Wärmeverluste durch die
Verglasung, entstehen erst, wenn passivhaustaugliche Dreischeiben Isolierverglasungen mit Edelgasfüllung zum
Einsatz kommen. Größere Glasflächenanteile als 40 % bringen sowohl im
NEH als auch im Passivhaus keine
weiteren Energiegewinne, da sie nicht
mehr genutzt werden können und
weggelüftet werden müssen.
Eine andere Möglichkeit zur Energiebilanzbeeinflussung besteht darin,
zum Ausgleich bei einem höheren
Südfenster- Anteil den Anteil der
Nordverglasung zu vergrößern. Die
Wärmeverluste erhöhen den Energiebedarf um ca. 15%.
Tabelle 2: Kennwerte verschiedener Sonnenschutzgläser im Vergleich zu Float- und Weißglas
τ- Wert:
0,90
0,92
g- Wert:
0,87
0,90
E- Wert:
0,78
0,54
0,55
0,67
0,67
0,65
ca. 0,80
ca. 0,80
ca. 0,80
Low- E- Verglasungen:
- höchste Anforderungen
- normale Anforderungen
ca. 0,10
bis ca. 0,77
ca. 0,20
bis ca. 0,70
ca. 0,04 - 0,06
ca. 0,08 - 0,12
elektrochrome Schicht:
- Isolierglas, klar
- Isolierglas, abgedunkelt
ca. 0,50
bis ca. 0,15
ca. 0,40
bis ca. 0,14
Glasart:
Floatglas, 4 mm einzeln
Weißglas, 4 mm einzeln
grün gefärbtes Glas
grau gefärbtes Glas
bronze gefärbtes Glas
Bei Gebäuden mit großen Glasflächen lohnen sich aufgrund der
kommenden EnEV 2006, nach der
auch Energieverbräuche für Lüftung,
Kühlung und Licht erfasst werden,
nur noch Glasflächenanteile von 50 65%. Eine aufwändige Klimatisierung
solcher Gebäude verschlechtert die
Primärenergiebilanz erheblich.
Trotz des geringen Sonnenstundenangebots und trotz des hohen Entwicklungsstandes in der Glastechnologie besteht in unseren Regionen
ein sommerliches Überhitzungsproblem. Erst die Einsatzreife z.B.
schaltbarer Verglasungen mit niedrigen g- Werten wird im Sommer die
Wärme draußen und im Winter drinnen halten.
Solarfassaden
Die Entwicklung von Solarfassaden
durch alternativ denkende Kreise hat
eine wechselvolle Geschichte. 1948
entsteht mit dem Peabodyhouse in
Massachusetts das erste wirkliche
Solarhaus, dessen Heizwärmebedarf
zu gut 80% mit Solarenergie gedeckt
wird. 1962 bauen J. Michel und F.
Trombe in den Pyrenäen eine patentierte Solarwand, die aus einer doppelten Glasscheibe und einer in wenigen cm Abstand dahinter stehenden
schweren, dicken Mauer aus schwarz
gestrichenem Beton besteht. Die Betonwand dient als passiver Wärmespeicher, während die im Zwischenraum zirkulierende erwärmte Luft zur
Bild 6: HTC- Gebäude Kehrwieder, Westansicht
Abb. 5: Gebäude des Hanseatic Trade Center (HTC) auf der Kehrwiederspitze in Hamburg als
Beispiel konsequenter Planung mit Sonnenlicht (Westansicht)
Erwärmung anderer Bauteile weitergepumpt wird.
Beispiele passiver solarer
Energienutzung
Beim Trombe- System, wie auch bei
der transparenten Wärmdämmung
(TWD), bestehen noch nicht zufrieden stellend gelöste Probleme hinsichtlich des versperrten Ausblicks
und einer zwingend notwendigen
Verschattung während des Sommers.
Bis zum Einsatz wirkungsvoller Sonnenschutzgläser bietet z.B. ein maßvoller Glasflächenanteil an den nach
Süden orientierten Gebäudeflächen
einen wirksamen Überhitzungsschutz.
Somit sind auch bei diesen Solarfassaden die Entwicklung hinsichtlich
Nutzerkomfort und/ oder Ästhetik bis
heute noch nicht abgeschlossen.
Ein weiteres Beispiel ist das Gebäudeensemble des Hanseatic Trade
Centers (HTC) in Hamburg (Bilder 5
bis 8). Auf der Kehrwiederspitze gelegen, gilt es als Tor zur neuen Hafen-
Bild 7: HTC- Glasturm, Süd- Ost- Ansicht
Bild 8: HTC- Gebäude Sandtorkai, Südansicht
Als erstes Gebäude weltweit erhält das
Bürohochhaus der Roche Diagnostics
AG in Rotkreuz
(Schweiz) eine Closed
Zeitpunkte:
Entwicklungen in der Glasherstellung
und -verwendung:
Cavity Facade (CCF-Fassade).
1919/1922 L. MIES VAN DER ROHE entwirft seine ersten revolutionären mehrgeschossigen Bürogebäude, bei denen alle Außenwände komplett aus Glas
bestehen
Tab. 3: Eckdaten zur Glasgeschichte - Fortsetzung
Um 1925
Entstehen des Internationalen Stils
Zweites Zeitalter der Glasarchitektur beginnt
1927
Werkbundausstellung in Stuttgart Weißenhof: Verglaste Fensterbänder
werden ein bedeutendes Architekturelement
Ab 1928
Herstellung von 'Thermisch voll vorgespanntem Glas', bekannt als Einscheiben- Sicherheitsglas (ESG)
Ab 1938
Deutsches Reichspatent für die Sicherheitsglas GmbH Kuntzendorf/
Niederlausitz für das Herstellungsverfahren einer Doppelscheibe mit
Randverbund (Isolierglas)
Isolierglas, das am Rand verlötet ist, wird unter dem Namen Thermopane
in den USA patentiert
Ab 1950
Die 2. Schule von Chicago, begründet von MIES VAN DER ROHE, baut eine
neue Generation von verglasten Hochhäusern
Glasbau Hahn stellt einen Pavillon komplett aus Glas vor
Drittes Zeitalter der Glasarchitektur beginnt
1956
Glasbau Hahn entwickelt die erste hängende Verglasung
Ab 1959
Glasherstellung im Floatverfahren, bei dem die Glasschmelze auf einem
Zinnbad schwimmt
Ab 1963
Structural Sealant Glazing Facades in den USA nach Erfindung des
Silikonklebstoffs. Deutscher Begriff: Structural Glazing Fassade. Gebäude erhalten Fassaden, die den Eindruck einer glatten Haut entstehen
lassen
Bis 1980
Einfachverglasung mit einem Ug- Wert von ca. 5,8 ist in großen Teilen
Europas üblich
1981
MIKE DAVIS veröffentlicht: Eine Wand für alle Jahreszeiten: Die intelligente Umwelt schaffen
Ab 1984
Einführung von Isolierglas mit einem Ug- Wert von ca. 2,8
1986/87
Rosenthal-Verwaltungsgebäude in Selb u. Neoplan Vertriebszentrum in
Stuttgart erhalten die ersten Structural Glazing Fassaden Deutschlands
1987
Ab 1990
Südfassade des Institut du Monde Arabe in Paris entsteht als Prototyp
einer sich mit der Umgebung verändernden Hülle
Einführung von Wärmeschutzverglasung mit einem U- Wert ab ca. 1,2.
Es wird bis heute mit einem Marktanteil von rund 90% verwendet
1992
Bei der Fa. Fischer in Talheim entsteht eine der ersten Treppen mit
Wangen und Stufen aus Glas
1995
In der Stadtverwaltung in ST- Germain en Laye werden zum ersten Mal
Glasstützen als tragende Druck- Elemente eingesetzt
1997
Ganzglaskugelkalotte in Augsburg als Kuppel aus tragendem Glas.
Verbundsicherheitsglas (VSG) aus 2 x teilvorgespanntem Glas (TVG)
überträgt die Druckkräfte der Kuppel in die Auflager
1999
Museumsüberdachung in Augsburg als Tonne aus tragendem Glas,
ähnlich dem Prinzip der Ganzglaskugelkalotte
2000
Es gibt vermehrt Hinweise darauf, dass ein Bauen mit Glas, insbesondere
mit Glasdoppelfassaden, von einem Forschungsprogramm begleitet
werden muss. Trotz massiven EDV- Einsatzes hat vieles den Charakter
von Experimenten.
2002
Der Post- Tower in Bonn ist das erste weitgehende Ganzglasgebäude in
Deutschland. Es wird mit einer Doppelfassade ausgeführt, deren Glaszwischenraum als Abluftkamin mit steuerbaren Öffnungen konstruiert ist.
2004 Die TU-Bibliothek in Cottbus (HERZOG & DE MEURON) erhält eine vor
die raumabschließende Isolierverglasung gehängte Verkleidung aus einer
einschaligen Verglasung, bedruckt mit großen weißen Buchstaben. Es
entsteht eine Wirkung eines Vorhangs
city erbaut wird es von 1994 bis 2002
u.a. von Gerkan, Marg und Partner
(GMP), Hamburg (Atriumgebäude),
Nägle, Hoffmann & Tiedemann und
Partner, Frankfurt/ Main (Glasturm)
und Kleffel, Köhnholdt, Gundermann,
Hamburg.
Das HTC- Gebäude Sandtorkai (Bilder 5, 8) verfolgt, ebenso wie der halb
verglaste Turm (Bilder 5, 7), das
Konzept, durch einen relativ geringen
Anteil Südverglasung und großen
Speichermassen der sommerlichen
Überhitzung vorzubeugen.
Im Inneren des Atriumbaus (Bilder
5, 6) werden die Wände wie im Außenbereich in Klinkermauerwerk ausgeführt. Sie dienen mit den Stahlbeton- Tragelementen als Speichermasse. Die um den Atriumhof liegenden
Räume können im Winter mit vorgewärmter Zuluft versorgt und im
Sommer über Abluftöffnungen nachts
gekühlt werden.
Zusammenfassung
Ziel des Beitrags ist es, Fehlentwicklungen im Glasbau aufzuzeigen,
einige Prinzipien ökologischen Glasbaus vorzustellen und mit Beispielen
zu belegen.
Dem Bauen mit Glas gehört die
Zukunft. Eine sachverständige Verwendung der Technik und die Berücksichtigung bauöko- und biologischer Belange werden neue Glasgebäude hervorbringen, die für Nutzer
und Betrachter gleichermaßen befriedigend sind.
Verwendete Literatur:
Behling, S.; Behling, S.: Glas - Konstruktion und Technologie in der
Architektur, München: Prestel, 1999.
Compagno, A.: Intelligente Glasfassaden,
5. rev. und akt. Aufl., Basel; Boston;
Berlin: Birkhäuser; 2002.
Feist,
W.:
Gestaltungsgrundlagen
Passivhäuser, Darmstadt: Das Beispiel,
2000.
Krewinkel, H.- W.: Glasarchitektur, Basel:
Birkhäuser, 1998.
Meyerhöfer, D. (Hrsg.): Konstruktion und
Poesie, Hamburg: Junius, 2002.
Treberspurg, M.: Bauen mit der Sonne,
Wien: Springer, 2. Aufl., 1999.
Wagner, A.: Energieeffiziente Fenster und
Verglasungen, Köln: TÜV- Verlag, 2. Aufl.,
2000.
Wigginton, M.: Glas in der Architektur,
Stuttgart: DVA, 1997.
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