Winzige Partikel als Waffe gegen Tumoren

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Winzige Partikel als Waffe gegen Tumoren
Das Prostatakarzinom (CaP) ist eine der häufigsten bösartigen Krankheiten, die in den Ländern
der EU und den Vereinigten Staaten jährlich insgesamt mehr als 84.000 Todesopfer fordert. In
Kooperation mit der Universität Konstanz versucht das Biotechnologie Institut Thurgau (BITg)
mithilfe kleinster Partikel von biologisch abbaubarem Polyester das CaP, aber auch andere
schwer zu therapierende Tumorarten zu beseitigen. Nun ist es den Forschern um Prof. Dr.
Marcus Groettrup mit einem neuen Ansatz gelungen, im Mausmodell eine erstaunlich gute
Immunantwort gegen das bekannte Antigen zu erhalten.
Prof. Dr. Marcus Groettrup erforscht Wirkstoffe gegen verschiedene Tumorarten. © Uni Konstanz
Gerade mal einen Mikrometer messen die aus Milchsäure und Glykosesäure bestehenden
Mikropartikel, mit denen sich Prof. Dr. Groettrup und sein Team an der Universität Konstanz
beschäftigen. Sie sollen dazu genutzt werden, dass sie von den im Körper vorkommenden
dendritischen Zellen aufgenommen werden. Diese sind als einzige in der Lage, Antigenunexponierte T-Killerzellen zu stimulieren, welche letztlich die gefährlichen Tumorzellen
entfernen. „Die Partikel sind sozusagen eine Darreichungsform, damit die Antigene im Körper
des Patienten dahin gelangen, wo sie gebraucht werden, um eine Anti-Tumor-Antwort zu
erhalten“, erklärt Prof. Marcus Groettrup. Im Körper werden sie in wässriger Umgebung
langsam in ihre Bestandteile Milchsäure und Glykolsäure abgebaut.
Die dendritischen Zellen sitzen in einer unreifen Form unter der Haut oder den Schleimhäuten
und nehmen die Mikropartikel sehr aktiv auf. Diese geben in der Zelle dann langsam die in
ihnen enthaltenen Antigene ab, die wiederum in der Zelle fragmentiert und auf MHC Klasse-Iund -II-Moleküle, einer Gruppe von protein-codierenden Genen, welche für die
Immunerkennung wichtig sind, auf die Zelloberfläche transportiert werden. „Die dendritischen
Zellen wandern in die drainierenden Lymphknoten, in denen die T-Zellen vorbeikommen und
von den dendritischen Zellen stimuliert werden“, berichtet der 45-jährige.
Länger anhaltende Stimulation von T-Zellen möglich
Für den Konstanzer Immunologen liegen die Vorteile der Mikropartikel klar auf der Hand. „Ein
wichtiger Aspekt ist zum einen, dass sie ohne Probleme im Citratzyklus verstoffwechselt
werden, so dass keine Rückstände bleiben“, so Groettrup. Zudem sei die Depotfunktion sehr
günstig, das heißt, dass die Antigene über einen Zeitraum von 30 Tagen abgegeben werden.
„Wir konnten effektiv zeigen, dass, wenn wir eine Maus mit Mikrosphären immunisieren, sie
nach 20 Tagen injizierte T-Zellen immer noch stimuliert. Ein weiterer Vorteil ist darüber hinaus,
dass das Polyester für die klinische Anwendung bereits zugelassen ist, z.B. für die Herstellung
biologisch abbaubarerer chirurgischer Nähte. Daneben können Prof. Groettrup und seine
Mitarbeiter sowohl Peptide als auch Eiweiße und auch Nukleinsäuren einzeln oder zusammen
verkapseln, um den richtigen Cocktail zu definieren.
Groettrup und seine Mannschaft führen Tests in einem transgenen Mausmodell durch, das mit
der Entstehung im Organ, einer darauffolgenden Hyperplasie und carcinoma in situ sowie
anschließender Metastasierung sehr nahe an der menschlichen Erkrankung ist. Dabei konnten
die Forscher neue Erkenntnisse gewinnen. „Wir haben einen neuen Ansatz probiert, der sich
auch auf Tumoren übertragen lässt, von denen keine Antigene bekannt sind“, so der
Universitätsprofessor. Das Forschertram lysierte Tumorzellen mit einem bekannten Antigen
und verkapselte das Lysat in die Mikropartikel zusammen mit Immunstimulanzien (Toll-likeRezeptor-Liganden, einem Rezeptor aus der Fruchtfliege Drosophila), wie z.B. CpG (
Oligonukleotide), die Analoga von bakterieller DNA sind, für welche die dendritischen Zellen
Rezeptoren haben „Wenn wir eine Maus damit immunisieren, sehen wir eine erstaunlich gute
Immunantwort gegen das bekannte Antigen“, berichtet Prof. Marcus Groettrup. Die
Wissenschaftler können daher davon ausgehen, dass auch andere Tumorantigene eines
individuellen Tumors das Immunsystem stimulieren sollten.
Khalid W. Kalim (links) und Dr. Michael Basler sind maßgeblich an der Forschung der Arbeitsgruppe von Prof. Marcus
Groettrup beteiligt. © Universität Konstanz
Sprühtrockner sorgt für ideale Größe
Dieser Ansatz könnte dem Problem Rechnung tragen, dass jeder Tumor andere Antigene
besitzt. Es wäre eine maßgeschneiderte, patientenspezifische Therapie, denn das
Prostatakarzinom wird chirurgisch entfernt. „Gäbe es später dennoch Metastasen, könnte man
das eingefrorene Tumorgewebe lysieren, in Mikrosphären verkapseln und applizieren“, so der
Leiter des Lehrstuhls für Immunologie. Behandelt werden die Mikrosphären-Partikel mit
Ultraschall, so dass sie nicht klumpen, um danach der Maus unter die Haus injiziert zu werden.
Was die Herstellung der Mikrosphären betrifft, wird das Polyester in einer organischen Phase
aufgenommen. „Zuerst wird eine Emulsion durchgeführt, die anschließend in einem
Sprühtrockner zu kleinsten Partikeln versprüht, bei dem das organische Lösungsmittel
komplett verdampft“, berichtet der Konstanzer Immunologe. Durch die Sprühtrocknung
erhalten die Partikel eine ideale Größe, um von den dendritischen Zellen aufgenommen zu
werden.
Drei-Komponenten-Impfstoff im Visier
In absehbarer Zeit möchten Prof. Groettrup und seine Mannschaft nicht nur im Falle des
Prostata-Tumors herausfinden, wie sie Mikrosphären designen müssen, damit das Karzinom
beseitigt werden kann. „Die Tumorimpfung mit Mikrosphären lässt sich auf alle Tumorarten
anwenden, bei denen tumorspezifische Antigene bekannt sind“, betont er. Was die Entwicklung
von Antigenen betrifft, machen die Wissenschaftler derzeit nur kleine Fortschritte. Es hat sich
als schwierig herausgestellt, die vier Antigene des Prostatakarzinoms als hochreine
rekombinante Proteine in Bakterien-, Hefe- oder Säugerzellen herzustellen. „Wir brauchen
diese Proteine nämlich in großen Mengen und sind immer noch am optimieren“, konstatiert
Prof. Marcus Groettrup. Bestehen könnte ein Impfstoff gegen Prostata-Krebs ihm zur Folge aus
zwei bis drei Antigenen (tumorspezifischen Eiweißen), einem Lockstoff für dendritische Zellen
(Chemokinen) sowie zwei verschiedenen TLR-Liganden. Der Konstanzer Biologe ist optimistisch,
dass in zwei bis drei Jahren die Antigenherstellung so weit optimiert sein wird, dass man
„genug Material ohne Probleme“ wird bekommen können.
Industriepartnerschaften sind bei seinem Forschungsprojekt sehr gefragt. „Erst vor kurzem
habe ich aufgrund unserer Publikationen einen Anruf von einer deutschen Firma bekommen,
die mit uns zusammenarbeiten will“, freut sich Prof. Marcus Groettrup. Das Forscherteam ist
auf der Suche nach einer Firma, die die Herstellung der Mikrosphären unter GMP-Bedingungen
durchführt, sowie einem pharmazeutischen Unternehmen, das die Kosten für die Phase-ITestung übernehmen würde.
Fachbeitrag
14.07.2009
mst
BioLAGO
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Prof. Dr. Marcus Groettrup
Universität Konstanz
Lehrstuhl für Immunologie
Universitätsstraße 10
78457 Konstanz
Tel.: +49 7531 882130
E-Mail: Marcus.Groettrup(at)uni-konstanz.de
Universität Konstanz, Fachbereich
Biologie
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Krebserkrankungen – Grundlagenforschung, Erfolge und Trends
Neue Trends in der Immunologie
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