Jürgen Bellers Planungsprozesse und ihre Defizite in Wirtschaft und

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Jürgen Bellers
Planungsprozesse und ihre Defizite in Wirtschaft und Politik
S. 1-16
Einleitung
Planen ist seit altersher ein ubiquitäres Phänomen, auch wenn der Begriff in der Nachkriegszeit
angesichts totalitärer Planungsperversionen im Faschismus und Stalinismus tabuisiert war. Im
individuellen und zwischenmenschlichen Bereich ist Planen existentiell notwendig, um potentiell
widrige N at ur- sowie soziale Umweltgegebenheiten zu bewältigen. Auf dieser anthropologischen
Ebene ist Planen unumstritten, Planen in dem Sinne verstanden, daß verfügbare Mittel systematisch
und optimal, gemäß eines auch zeitlichen Konzeptes zur Erreichung eines vorgegebenen Zieles
eingesetzt werden. Spätestens seit den gesamt- oder teilgesellschaftlichen Planungsversuchen im
merkantilistischen und kameralistischen Absolutismus ist es allerdings umstritten, ob und in welchem
Umfang gesellschaftliche und wirtschaftliche Planung im überindividuellen Umfang vonnöten ist.
Planung soll dabei definiert werden als Handlungsfolge zur Erarbeitung, Entscheidung und
Durchsetzung
einer raum-zeitlich abgestimmten Ziel-Mittel-Konzeption, durch die - mehr oder weniger
verbindlich fÜr den zu gestaltenden Bereich - Handlungsabläufe Über einen längeren Zeitraum
antizipierend, nicht bloß reaktiv möglichst optimal in die gewünschte, zieladäquate Richtung gebracht
werden sollen. Unter dem Begriff werden hier sowohl Gesamt- als auch Fachplanungen, sowohl
indikative als auch imperative Planungen verstanden. Die Frage nach der Planbarkeil. stellt sich
insbesondere
im Bereich der Innenbeziehungen von Nationalstaaten, da hier infolge der von Weber und
Elias beschriebenen zunehmenden Zentralisierung, Zivilisierung, Rationalisierung, Dynamisierung und
Differenzierung des Gesellschaftslebens seit Ende des Mittelalters die soziale Verflechtung und damit
auch die Regelungs- und Planungsbedürftigkeit seitens einer zentralen Instanz stark anstieg - im
Gegensatz zu den nationalstaatlichen Außenbeziehungen, die bis heute nicht in dem Maße miteinander
verflochten sind. Der analytische Charakter dieser begrifflichen Unterscheidung ist jedoch zu beachten.
Zwar ist die territoriale Grenze eines N ationalstaates durch einen deutlichen Abfall der
Transaktionsdichte gekennzeichnet und von daher ist diese Trennung zwischen Innen- und
Außenpolitik gerechtfertigt, das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß - um einen Begriff von
Rosenau zu verwenden - die linkages zwischen beiden Politikbereichen zunehmend vernetzter werden
und Planung internationale Ereignisse und Prozesse berücksichtigen muß, bzw. internationale
Beziehungen müssen selbst geplant werden, um natio
nalstaatliche Planung abzusichern - ein nicht unerhebliches Problem, da Umfang und Geltungsbereich
der Planungen meist nationalstaatlich begrenzt sind.
Angesichts der wachsenden Interdependenz in der Staatenwelt ist internationale Planung und
Planung des Internationalen die Frage und das zu lösende Problem der Zukunft, das von den
betroffenen Disziplinen allerdings bisher kaum behandelt wurde. Die Verwaltungswissenschaft als die
"Planungswissenschaft" par excellence ist weiterhin im wesentlichen nationa]staatlich ausgerichtet, und
die Teildisziplin der Politikwissenschaft, die sich mit der internationalen Politik oder im weiteren Sinne
mit allen internationalen Beziehungen befaßt, kümmert sich wenig um Planungsprozesse, sieht man
von den wenigen Wissenschaftlern ab, die sich mit Integrationsprozessen beschäftigen, und sieht man
von Militärwissenschaftlern ab, die den Ablauf von Kriegen, die ja Planungen darstellen, analysieren.
Das ist z.T. Folge einer ausgeprägten Aversion gegen Planungen nicht nur in der Innenpolitik,
sondern auch im außenpolitischen Bereich. Das hat eine lange Tradition, ebenso wie aber auch das
Streben nach Planung geschichtlich seit Beginn der Neuzeit aufzuweisen ist. Gegen die
absolutistischen Planungsmaßnahmen kämpfte - um den historischen Faden wieder aufzunehmen - vor
allem das sich emanzipierende liberale Bürgertum an, mußte dann aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts
selbst zu partiellen, insbesondere sozialpolitischen Planungen greifen, um der
Destabilisierllng des politischen und wirtschaftlichen Systems durch die Proletarisierung _veiter
Schichten zu begegnen. Diese Tendenz wurde im stets etatistischen Deutschland gefördert durch
Planungen im betrieblichen Bereich, durch die beginnenden kommunalen Planungen, durch die
Planungen der Eisenbahnverwaltungen, durch die wachsenden Etats der Schatzämter und anderer
Ministerien, durch die staatliche Gewerbeförderllngspolitik, durch die umfangreiche
Kriegswirtschaftsplanung
eines Rathenau seit 1914 sowie durch die Sozialisierungsversuche der
sozialdemokratisch geführten Regierungen der Nachkriegszeit. Mit Ende der Inflation im Jahre 1924
und der Dominanz bürgerlicher Kräfte wurden diese Planungsansätze Mitte der 20er Jahre jedoch
weitgehend wieder abgebaut.
Ein solches Auf unf Ab zwischen planungsfeindlichen und planungsförderlichen Tendenzen ist in der
Folgezeit bis zur Gegenwart noch mehrmals zu beobachten: von den durch die Weltwirtschaftskrise
ausgelösten und im Nationalsozialismus zunehmend intensivierten Planungen seit 1930 über die
Planungsaversion der Erhard-Ära bis zur Planungseuphorie der frühen sozialliberalen Koalition. Da mit
der weltweiten Desillusionierung über die Möglichkeiten von Planungen seit Mitte der 70er Jahre eine
erneute Phase der Planungsdebatte und eine konservativkritische Debatte über Regierbarkeit überhaupt
eingeleitet zu sein scheint, die z. T. von der falschen Alternative: Markt versus Planung bestimmt wird,
ist es sinnvoll, auf der Basis der bisherigen Erfahrungen - jenseits solcher Dichotomisierungen - zu
diskutieren, in welchem Umfang Planung in der Innenpolitik liberal- sozialstaatlich verfaßter
Nationalstaaten notwendig undmöglich ist. Daß überhaupt geplant werden muß, wird in der
Bundesrepublik allgemein akzeptiert, wie allein schon die Tatsache zeigt, daß trotz allem Auf und Ab
auch in planungsfeindlichen Zeiten der Umfang vormals entwickelter Planungen nicht auf einen Punkt
Null zurückgeschraubt wurde. Der Typus Industriegesellschaft mit seinen großen investiven Risiken
und mit seiner gesellschaftlich-räumlichen Segmentierung verlangt jenseits aller Ideologien Planung.
Eine Diskussion über die Möglichkeiten und Grenzen von Planung ist auch deshalb vonnöten, weil sich
unsere Gesellschaft in einem Wandel befindet, der auch nach neuen Planungsvorstellungen verlangt.
Folgende Entwicklungen sind diesbezüglich hervorzuheben:
1. die wachsende Komplexität, Kompliziertheit und Vernetzllng der sozialen Beziehungen und
Subsysteme;
2. die weltanschauliche Segmentierung, verbunden mit einem gewissen Wandel der Wertstrukturen;
3. ein nicht friktionsloser wirtschaftlicher Wandel, und
4. der tendenzielle Übergang zu einem postindustriellen Gesellschaftstyp.
An säkularen Mega-Problemen zählt Karl Friedrich von Weizsäcker auf:
- das Problem der weltweiten sozialen Gerechtigkeit; - das Problem von Abrüstung und Frieden;
- und das Problem des ökologischen Gleichgewichts.
Bisherige Planungssysteme waren auf solche Probleme nicht ausgerichtet, sie entsprachen eher der
partikularisierenden Struktur pluralistischer Gesellschaften. Was not tut, sind Gesamtplanungen, die
jedoch im Gegensatz zu Fachplanungen weitaus schwieriger zu realisieren sind - und zwar aus
folgenden Gründen:
Aus der Binnenperspektive planungstragender Organisationen ist als Problem zu verzeichnen, daß
die Überfülle an Informationen z. T. nicht adäquat verarbeitet, abgespeichert und rechtzeitig wieder
abgerufen werden kann - ein partiell unvermeidlicher Vorgang, weil administrative Einheiten selektiv
wahrnehmen müssen, um entscheidungsfcihig zu bleiben. Zwar hat das politisch-administrative
Informations- und Entscheidungssystem eine der Umwelt entsprechende Differenzierung der eigenen
Binnenstruktur ausgebildet, es ist jedoch bisher nur in geringem Maße gelungen, die
sozioökonomischen Zusammenhänge dieser Umwelt durch analoge Verknüpfungsmuster im
politischadministrativen
System zu reproduzieren - trotzt aller Versuche um eine Integration von
Informationssystemen. Dazu kommen unterschiedlich gewichtige Interesseneinflüsse sowie föderale
und sektorale Politikverflechtungen im Sinne von Scharpf. In der Außenpolitik verschärft sich das
Problem, weil hier zusätzlich weltweit Informationen aus potentiell mittlerweile rd. 150
Nationalstaaten zu verarbeiten sind.
Oft reagieren Organisationen auf solche Überforderungen durch Abschottung, sie verfestigen sich in
eingefahrenen Routinen und vermögen sich nicht mehr dem Wandel anzupassen. Allgemein drohen
Organisationen pathologisch entwe1er überkompliziert, übersteuert oder überstabilisiert zu werden. Die
strukturelle Uberlastung durch ein Zuviel an zu berücksichtigenden Möglichkeiten, Interessen und
Sachverhalten, mangelnde Klarheit hinsichtlich Umfang und Verantwortungsbereich sowie
widersprüchliche Anforderungen führen zu einer Überkomplizierung, die vom jeweiligen
Organisationsmitglied nur noch schwer zu verarbeiten ist. Das pathologische Grundmuster der
Übersteuerung ist im Gegensatz zur Überkomplizierung durch eine übermäßige Reduktion von
Komplexität und Kontingenz (Beispiel: Kategorien des Ost- West-Konfliktes als Erklärungsmuster für
alles) gekennzeichnet, so wenn durch zu niedrige oder zu enge Vorgaben Mitarbeiter motivational
unterfordert werden. Hier werden mögliche Handlungsenergien unterdrückt. Überstabilisiert sind
solche Organisationen, die ihr Selbstbewußtsein verloren haben und zum Opfer externer Einflüsse
wurden, sei es von Verbänden oder sei es seitens angeblicher Sachzwänge. Daraus resultie- rende
Planungsmängel haben psychische und soziale Kosten sowie Herrschaftskosten im allgemeinen zur
Folge.
Hinsichtlich der Zielbestimmung von Planungen treten Schwierigkeiten dahingehend auf, daß Ziele
- um zumindest für eine Mehrheit von Akteursgruppen konsensfähig zu sein - allgemein und
unverbindlich abgefaßt werden, auch mit dem Hintergedanken, daß solche Ziele später nicht eingeklagt
werden können. Nicht operationalisierte Zielvorgaben, die oft nur Resultante eines politischen
Aushandlungsprozesses sind, erschweren natürlich eine systematisch deduzierte, konzise Planung.
Typisch hierfür sind so manche Kommuniques außenpolitischer Treffen und Tagungen. Die
Diplomatensprache insgesamt ist durch diese Unverbindlichkeit gekennzeichnet.
Sind Pläne mit ihren Zielangaben, Anweisungen, Orientierungen und Vollzugsorganen, mit ihren
Geboten, Verboten und Anreizen sowie mit ihren Durchsetzungs- und Überzeugungsstrategien und
schließlich mit ihren Angaben zu zeitlichen Realisierungsetappen noch relativ leicht aufzuteilen, so
beginnt das zentrale Problem erst recht mit der DurchfÜhrung des Plans. Die diesbezügliche
Implementationsforschung, wie sie in der Bundesrepublik Mitte der 70er Jahre nach den Desillusionen
über die sozialliberalen Planungsbemühungen entstand und wie sie vor allem von der Soziologin
Renate Mayntz repräsentiert wird, kam insgesamt zu dem Ergebnis, daß Planungen z. T. nur partiell
realisiert werden, denn angesichts des Verweigerungs- und Vetopotentials von Betroffenen wie
Verbänden, Unternehmungen und Bürgern neigt z. B. die untere Verwaltungsebene dazu, die
Planvorgaben gemäß der Vor-Ort- Gegebenheiten anzupassen und unter bestimmten Umständen sogar
in einen Aushandlungsprozeß mit den Betroffenen zu treten, in dem deren Stillhalten mit einer
Preisgabe von Planzielen erkauft wird.
Von Interesse ist hier insbesondere der forschungsstrategische Wechsel, den der in diesem Bereich
führende DFG- Forschungs"{erbund "Implementation politischer Programme" vollzog, nämlich von
einer Perspektive, in der die Implementation als eine nachgeordnete Phase im policy-process betrachtet
wurde, zu einer umfassenderen Perspektive, in der man die analytische Trennung von Zielsetungsund
Implementationsphase sowie die hierarchische Zuordnung beider Phasen als realitätsfremd aufhob
zugunsten des Konzepts der sog. Makroimplementation von Dahme, Grunow und Hegner. MakroImplementation wird als ein Prozeß verstanden, der von der Politikformulierung bis zur abschließenden
Ergebnisbewertung reicht. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, daß schon die Zielsetzung
Auswirkungen auf die Implementation haben kann, oder umgekehrt die Art der Implementation den
Modus der Problemwahrnehmung in der Politikformulierungsphase zu beeinflussen vermag. Es ist ja
ein bekanntes Phänomen, daßgesetzgeberische Zielvorgaben, z. B. im Arbeitsrecht, mangels Konsenses
bewußt unklar gelassen werden, mit der Folge, daß sie dann nicht implementiert werden können und z.
B. vor den Gerichten landen. Es muß allerdings darauf aufmerksam gemacht werden, daß die
Implementationschancen von Politik bereich zu Politikbereich unterschiedlich sind. In der
Bildungsgesamtplanung sind die Chancen relativ niedrig: infolge des starken Forderungsdrucks, der
hohen Forderungsheterogenität, der geringen Steuerungsmöglichkeit von Bildungsverhalten, wegen der
leichten Politisierbarkeit und wegen der Konfliktanflilligkeit der gemeinsamen Kompetenz von Bund
und Ländern. Im Verkehrssektor sind die Implementationschancen aufgrund der starken
Bundeskompetenzen eher höher, auch wenn dem durch die begrenzten
Informationsverarbeitungskapazitäten des Bundes Grenzen gesetzt sind. Fachplanungen sind überhaupt
leichter zu bewältigen, während Fachplanungen umgreifende Gesamtplanungen wie z.B. die
Regionalpolitik auf zahlreiche Widerstände stoßen.
Versucht man, vergleichend zwischen Systemen, auch Entwicklungsländern eine Liste möglicher
Gründe für Implementationsmängel zu erstellen, so lassen sich folgende Ursachenbündel anführen:
- bestehende soziale, wirtschaftliche und machtpolitische Strukturen: von Oligarchien über Klientel bis
zu einem sich wechselseitig blockierenden Parteien- und Verbandssystem;
- Einflüsse seitens der internationalen Umwelt, Beispiel: Erdölkrise;
- mangelnde institutionelle Verankerung von Planungsinstanzen im Behördensystem;
- Mangel an durchführungsreifen Planungsprojekten aufgrund einer nicht ausreichenden
administrativen Kapazität;
- fehlende Koordination von Budgetplanung und Entwicklungsplanung; - überhaupt mangelnde
staatliche Ressourcen;
- fehlender Wille zur Implementation, Planungsvorhaben werden nur zur Legitimation proklamiert;
- oft globale Planungen ohne Beachtung regionaler und und sektoraler Differenzierungen;
- Mobilisierung und Erhöhung des Erwartungsniveaus infolge überhöhter Planungsziele, was dann zum
Scheitern der Planungen insgesamt führt;
- ungenügende Prognosemöglichkeiten infolge politischer und wirtschaftlicher Instabilität.
Die Wirkungen von Planungsprozessen sind demnach oft begrenzt, bzw. invers oder paradox im
Vergleich zu den ursprünglichen Zielen. Man erreicht das Gegenteil vom Geplanten. Die
Evaluationsforschung, die sich hiermit beschäftigt, hat z. B. u. a. aufgedeckt, daß staatlichen
Förderungsmaßnahmen zur Entwicklung wirtschaftlich peripherer Regionen nur deren partielle
Aufwärtsentwicklung bewirkt haben, es bildeten sich in diesen Regionen neue höherentwickelte Inseln,
während deren Umland weiter unterentwickelt blieb, bzw. deren Unterentwicklung wurde
vergleichsweise verschärft. Eine Ursache dieser disfunktionalen Folgen ist u. a., daß - meist
breitgestreut - finanzielle Anreize gegeben wurden, ohne diese in infrastrukturelle Maßnahmen
einzubetten. In einem optimalen, kybernetisch verstandenen Planungszyklus gehen solche Ergebnisse
als Korrektiv und Problem anstoß in einen erneuten Planungsprozeß ein. Allerdings kann die Macht
und Anziehungskraft der Zentren stärker sein als noch so gut gemeinte Planungen.
Gerade auch, was den Evaluationsaspekt betrifft, ist aufschlußreich für die Grenzen von Planung das
partielle Scheitern des Planning-ProgrammingBudgeting-Systems (abgekürzt: PPBS), wie es Mitte der
60er Jahre unter Beteiligung der Rand-Corporation in der us-amerikanischen Administration als
Entscheidungshilfe
eingeführt und dann in einigen westeuropäischen Staaten übernommen, mittlerweile
aber wieder allgemein zumindest in seiner rigiden Form, zuletzt in Frankreich aufgegeben wurde. Ziel
war eine inhaltliche Koordination von Aufgaben- und Ausgabenplanungen; die einzelnen
Haushaltsansätze sollten nicht mehr wie bisher einfach fortgeschrieben, ggf. um einen bestimmten
Prozentsatz erhöht, oder je nach Lage pauschal gekürzt werden. Vielmehr sollte jährlich der Bedarf neu
überprüft und evaluiert, die Projekte in eine Prioritätenliste eingeordnet und je nach dem die Finanzen
gekürzt oder aufgestockt werden. Sieht man einmal davon ab, daß administrative Einheiten dies
Verfahren als Kontrolle und potentielle Einflußbeschneidung auffassen und sich dagegen wehren, und
sieht man davon ab, daß das PPBS eine Machtverlagerung von der Legislative zur Exekutive zur Folge
haben kann, so gibt es zusätzlich nicht unerhebliche technische Probleme, die vor allem in der
Erfassung des Nutzens eines Projektes bestehen.
Das betrifft vor allem die quantifizierende, mit monetären Größen arbeitende Kosten-NutzenAnalyse aus der Betriebswirtschaftslehre, da außerhalb des betrieblichen Bereichs vielleicht noch die
Kosten, aber schwerlich der oder die Nutzen von Projekten in Geldeinheiten umrechenbar sind. Läßt
sich das durch einen Krankenhausbau gerettete Leben wirklich mit dem Jahresarbeitslohn bemessen,
multipilziert mit der Zahl der Jahre, die der Gerettete nun zusätzlich noch arbeiten kann? Auch sind
Opportunitätskosten bei öffentlichen Vorhaben nur schwer zu erfassen, ebenso sind zu evaluierende
Projekte z. T. nicht vergleichbar. Das Beurteilungskriterium darf zudem nicht nur die Effizienz sein.
Es mußte daher zunehmend auf weichere, nicht unbedingt quantifizierende Evaluationsmethoden wie
die Nutzwert- oder die Kosten- Wirksamkeitsanalyse zurückgegriffen werden, die subjektive
Informationen und Einschätzungen der Planer und Planungsbetroffenen mit einbezieht und die
Wirksamkeit von Projekten mit einer Gesamtbetrachtung von Zielen, Kosten und Gewinnen zu
beantworten sucht, wobei rein quantifizierende Methoden nur noch ein Element unter anderen sind.
Positiv
am PPBS zu beurteilen ist sicherlich das durch dies Verfahren intensivierte Ziel- und
Programmbewußtsein, die bessere Koordination sowie die Aufstellung mehrjähriger Programm- und
Finanzpläne. Instrumente hierzu sind sog. Analytische Studien, die Informationen über alternative
Möglichkeiten zur Zielerreichung enthalten, sowie die umfassenderen Programm- Memoranden, die die
Zielauswahl und die sonstigen Empfehlungen der Ministerien oder der Behörden angeben und
erläutern. Aufgaben- und Finanzplanung lassen sich zudem in Form einer Matrix gegenüberstellen.
Dies alles steht allerdings unter dem Vorbehalt des oben über die Möglichkeit einer konsistenten
Zielfindung Gesagten. Ebenso ist miteinzukalkulieren, daß derart die Komplexität des
Planungsprozesses erhöht und damit die oben erwähnten Schwierigkeiten verstärken werden.
Kapitel 1
Problemstellung und Gang der Untersuchung
Mit der Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen der Implementation von Planungen, wie sie sich
heutzutage drängend stellt, ist die Fragestellung dieser Untersuchung gegeben. Es gilt,
empirischgeneralisierend
die Bedingungen des Erfolgs, bzw. des Scheiterns von Planungen herauszuarbeiten.
Spezifisch wird dabei auf den Grenzbereich von Innen- und Außenpolitik abgehoben, der wegen seines
Grenzbereichscharakters bisher von keiner der relevanten Wissenschaften systematisch aufgearbeitet
wurde. Darüber hinaus ist es Ziel der Untersuchung, solche Gegenstandsbereiche zu erfassen, die von
der Implementationsforschung bisher wenig berücksichtigt wurden. Dazu gehören - wie bereits erwähnt
- sowohl die internationale und Außenpolitik/ Außenwirtschaftspolitik als auch die
Unternehmensplanungen
für die Binnen- und Außenwirtschaft. Denn auch die politik- und sozialwissenschaftliche
Implementationsforschung sollte bemüht sein, von den Ergebnissen anderer Wissenschaftsdisziplinen
zu lernen, soweit sie ihrem Gegenstandsbereich oder genauer: ihrer Fragestellung isomorph sind.
Grundsätzlich wird hier davon ausgegangen (was im Verlaufe der Untersuchung allerdings noch
tatbestandsmäßig untermauert werden wird), daß es keine prinzipiellen, nur graduelle Unterschiede
zwischen Innen- und Außenpolitik/internationler Politik gibt. Internationale Politik ist nicht
vollkommen anarchisch, und Innenpolitik ist nicht vollkommen gesetzlich geordnet. Sowohl hier als
auch dort kommen Normbrüche vor, die z. B. Implementationsmängel bei Planungen zur Folge haben.
Das Strafgesetzbuch wird nicht von allen eingehalten, ebensowenig das Völkerrecht. Daraus aber - wie
oft geschehen - den Schluß zu ziehen, für die internationale Politik gäbe es keine Regelungen,
überzeugt nicht, da man einen analogen Schluß auch für die Innenpolitik ziehen müßte. Aber den
Schluß zieht keiner. Daß in beiden Sozialsphären Konflikte auftreten, ist für menschliche
Gesellschaften als normal zu bezeichnen (und wiederum nur ein Beweis für die grundsätzliche
Gleichgestaltetheit bei der Bereiche).
Aus diesen Gründen werden hier vergleichend Planungsbeispiele sowohl aus der Außen/
Außenwirtschaftspolitik als auch aus der Innen/Entwicklungspolitik nebeneinander gestellt. Der
Vergleich wird ermöglicht durch ein gemeinsames, aus der Planungs- und Implcmentationsforschung
stammendes Kategoriengerüst, das - aufbauend auf dem bereits in der Einleitung Gesagten - im
nächsten Abschnitt wissenschaftshistorischer Sicht systematisch entwickelt werden soll. Zentral sind
dabei als forschungsleitende Kategorien die Phasen des Planungsprozesses:
Zielsetzung und Strategiewahl
Methoden und Instrumente zur Durchsetzung der Planungsziele
Evaluation der Planungsfolgen.
Vor diesem Hintergrund werden dann die Implementationshemmnisse dargelegt.
Die Untersuchungen zur Planung in der Außenpolitik basiert zunächst einmal auf einem Versuch, erste
Ansätze zu einer Theorie außenpolitischer Planungen zu wagen. Diese sind im Sinne von Hypothesen
zu verstehen, die es anhand der folgen den außenpolitischen Fallbeispiele noch zu überprüfen gilt,
denen jedoch bereits eine Reihe von Kategorien zu entnehmen sind, die für das Folgende
forschungsleitend sein können. Im Anschluß an das Kapitel zu betrieblichen Planungsprozessen
(Kapitel IV) wird im Kapitel V. auf die Möglichkeiten und Grenzen einer Steuerung sozialer und
politischer Prozesse durch Recht und Völkerrecht eingegangen, da das Recht eines der bedeutenden
Planungsinstrumente ist. Erst wenn man auch weiß, was das Recht kann, weiß man auch, wie weit
Planung trägt. Im Schlußkapitel wird generalisierend auf der Basis der bis dahin gewonnenen
Ergebnisse versucht, Bedingungen anzugeben, unter denen Planungen erfolgreich sind, und unter
welchen sie scheitern.
Kapitel 2
Wissenschaftsgeschichtliche Ableitung der forschungsrelevanten Kategorien
1 Der Weg der "Planungswissenschaft" zur Implementationsforschung: Ansätze zu einer
Theorie der Implementation innenpolitischer Planungen
Wenn hier von" Planungswissenschaft" die Rede ist, so ist dieser Terminus als Konstrukt zu verstehen,
da es in der Bundesrepublik eine Institutionalisierung einer derartigen Disziplin nicht gibt. Die
Wissensbestände, aus denen die Planungswissenschaft besteht, bzw. die Wissenschaftler, die sich mit
ihr beschäftigen, sind vielmehr inter- und multidisziplinär zusammengesetzt: aus Rechts- und
Verwaltungswissenschaften,
aus Politik- und Sozialwissenschaften, aus Betriebs- und
Volkswirtschaftslehre und aus der Soziologie. (Daher entstammen die Fallbeispiele dieser
Untersuchung demgemäß diversen Gegenstandsbereichen.) Dem Entstehen der Planungswissenschaft
kommt dabei zustatten, daß sich diese Disziplinen zunehmend gegenüber ihren Nachbardisziplillen zu
öffnen beginnen. Klaus König spricht z.B. von" integrativen Tendenzen in der
Verwaltungswissenschaft" I, der Wissenschaft, die der Planungswissenschaft genetisch und begrifflich
wohl am nächsten steht. König stellt fest, daß die Verwaltungs- ( wie die Planungs-) Wissenschaft die
Separierung von Politik und Verwaltung überwunden habe, daß sie - unter amerikanischem Einfluß die organisationssoziologische und betriebswirtschaftliehe Human-Relations-Bewegung, die
kybernetichen Kommunikationstheorien sowie die Public Policy- Ansätze integriert habe sowie die
politökonomischen und systemtheoretischeIl Tendenzen der 70er Jahre verarbeitet habe. Die
Forschungsperspektive hat sich mittlerweile derart ausgeweitet, daß der Erfolg staatlichplanender
Programme vor dem Hintergrund der politischen Kultur ("Verwaltungskultur") des jeweiligen
Nationalstaates untersucht wird. 2 Thematisch konnte die Planungswissenschaft zudem vieles aus den
wissenschaftlichen und politischen Diskussionen um die Stadt-/ Regional- und Wirtschaftsplanung
übernehmen.3
Provisorisch soll hier zunächst die Fragestellung der Planungswissenschaft unter
politikwissenschaftlichem Aspekt mit der Analyse der Phasen des (staatlichen, öffentlichen,
herrschaftlichen) policy- und politics-Prozesses definitorisch umrissen werden:
Problemanstoß,-wahrnehmung und -definition; Bestimmung von Ziel(en), Zielalternativen und
Strategien (Methoden); (sozialstatistische) Bestandsaufnahme, Datensammlung, Prognose;
Politikformulierung (Entscheidung, Programmierung); technische und organisatorische
Politikdurchführung (Implementation). Die Programmwirkungin Form von "output" (z.B. ein Gesetz),
von "outcome" (Planungsnahmen zur Realisierung des outputs) und "impact" (im Sinne von
intendierten bzw. nicht-intendierten langfristigen Wirkungen) stellt dabei keine Phase des
Planungsprozesses
dar; sie ist vielmehr dessen (funktionales oder dysfunktioneies) Ergebnis, daß im
systemtheoretisch/kybernetischen Modell ggf. wieder als Anstoß(input) in die Phase der
Problemwahrnehmung eingeht.4 Auf einer anderen Ebene liegt die Bestimmung des Planungsprozesses
nach den Typen von Methoden, die in ihrem Verlauf angewandt werden, sei es nun die militärische
Gewaltanwendung oder sei es die Bilanzierung im betrieblichen Bereich. Beide kategorialen Ebenen
sollen bei den empirischen Untersuchungen berücksichtigt werden.
Wenn wir uns nun - nach diesen anfänglichen Klärungen - der geschichtlichen Entwicklung von
Planung (und Planungswissenschaft) zuwenden, so soll zur Erfassung der historischen Dimension über die Definition von Görlitz5 hinausgehend - Planung nicht nur als Planen jeglichen menschlichen
Handels, als seit je her gegebene anthropologische Konstante zum systematischen Einsatz gegebener
Mittel zur Erreichung eines gesetzten Zieles verstanden werden. Das ist selbstverständlich und bedarf
unter der hier verfolgten Fragestellung keiner weiteren Thematisierung. Worauf es hier zunächst
ankommt, ist, den Planungsbegriff nicht derart weit zu fassen, daß unter ihn die gesamte menschliche
Geschichte seit den letzten Eiszeiten fällt.
Die größtenteils wasserwirtschaftlich bedingten Planungen der frühen" FlußHochkulturen" (China,
Mesopotamien, Ägypten) sollen daher wegen ihres partiellen und häufig zufälligen Charakters
definitorisch ausgeschlossen werden. Der Beginn "moderner" Planung, mit dem wir uns hier
ausschließlich beschäftigen wollen, wird mit dem Entstehen ausdifferenzierter Gesellschaftssysteme
(Trennung von Religion und Politik; von persönlicher Herrschaft, Politik und Verwaltung, usw.) im
aufgeklärten Absolutismus und Merkantilismus angesetzt. Merkantlistische Wirtschaftspolitik mit dem
Ziel einer aktiven Handelsbilanz und ihrem dirigistischen Instrumentarium intendierte bereits
(potentiell) gesamtgesellschaftliche Planung. Zwar brachte die sukzessive Übernahme der
wirtschaftlichen und politischen Macht durch das liberal gesonnene Bürgertum im 18. und 19.
Jahrhundert z.T. einen Abbau dieser Planungsmaßnahmen mit sich, doch die sozial und ökonomisch
desaströsen und anarchischen Konsequenzen eines staatlich kaum regulierten Kapitalismus ließen in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Einsicht in die Notwendigkeit staatlicher Planung wieder
wachsen (z.B. Bismarcksche Sozial- und Kolonialpolitik).
Wissenschaftsgeschichtlich schlug sich dies in einer Aktualisierung hegelianisehen Staatsdenkens
nieder, sei es sozial-konservativ-monarchistisch in der Verwaltungslehre L. v. Steins, sei es
sozialistisch-reformistisch bei Lassalle und den Katheder-Sozialist€ n oder sei es
sozialistischrevolutionär
bei Marx und Engels. Allerdings hatter die "Linken" eine Planungstheorie im engeren
Sinne nicht ausgearbeitet (wa, u.a. die Hilflosigkeit der sozialdemokratischen Regierung
Ebert/Scheidemann im Jahre 1919 erklärt.) Erst mit der zunehmenden Kartellisierung der
kapitalistischen Wirtschaft um die Jahrhundertwende näherte sich auch die sozialistische
Theoriebildung dem Phänomen der Planung im Kapitalismus (Hilferding, Lenin, mit Ausläufern bis zur
heutigen DDR- offiziellen "StamokapTheorie"). Die autarkistische, langfristig angelegte
Kriegswirtschaft der Jahre 1914/18 brachte einen erneuten Ausbau der staatlichen Planung mit sich,
wie er sich literarisch-wissenschaftlich im Werk von Rathenau, Wissell und Moellendorff niederschlug
(" gemeinwirtschaftlicher Sozialismus" , siehe auch die diversen Sozialisierungsstrategien von damals:
industrielle Selbstverwaltung, Sozialisierung der Schlüsselsektoren, offensive Teilsozialisierung,
"sozialistische Inseln", dual wirtschaftliche Strategien).6 Diese Ansätze wurden jedoch mit
Stabilisierung der Weimarer Republik (1924 - 1930) abgebaut. In ihrer stalinistisch-totalitären Variante
wurden sie nur in der UdSSR realisiert.
Unabhängig von dieser Traditionslinie ist das "Planungsdenken" von Max Weber, Karl Mannheim
und Hans Freyer einzuordnen. Zwar ist der Webersche Idealtypus des zweckrationalen Handels wegen
seiner individualistischen Prägung und aufgrund seiner Beziehbarkeit sowohl auf Markt- als auch auf
Planrationalität für die hier verfolgte Fragestellung zu diffus; relevant auch für die weitere Forschung
wurde allerdings sein Begriff von Bürokratie, die im Rahmen der Weberschen Geschichtsphilosophie
als Teil des Prozesses zunehmender Rationalisierung und Berechenbarkeit aller sozialen und
natürlichen Bereiche (in Form deren Beherrschung) zu begreifen ist.7 Hieran knüpft Mannheim in
seinem Werk "Man and Society in an Age of Reconstruction" (New York/London 1940 11) an, geht
aber weit über Weber hinaus, indem er der Planung eine strategische Positon für die Überwindung der
Krise der Industriegesellschaft zuweist. Spätestens mit Hitlers Machtergreifung hielt er es zudem für
unabdingbar, daß die sozioökonomische Rationalisierung in Form funktioneller Planung ergänzt
werden müsse durch eine individuelle und gesellschaftliche Rationalisierung substantieller Art (z.B.
hinsichtlicher ethischer Verantwortlichkeit).8 (Nicht- totalitäre) Planung ist nach Mannheim nicht
Bedrohun_, sondern Voraussetzung von Freiheit.
Ahnlich wie Mannheim wendet sich Freyer gegen ein technizistisches Planungsdenken, das Planung
aus den historischen Zusammenhängen künstlich herauslösen will. Planung ist für ihn ein
Herrschaftsphänomen, das in der Zustimmung der Beherrschten, dem Volk, fundiert ist, bzw. fundiert
sein muß. Einerseits ist er damit auf der Höhe der gegenwärtigen Planungsdiskussion, die ja gerade
z.B. die Nicht-Durchsetzbarkeit von Planungen aufgrund bestehender Herrschaftsstrukturen betont,
andererseit sind durch die enge Koppelung von Volk, Herrschaft und Planung totalitäre Konsequenzen
nicht ausgeschlossen.9 Aber die Frage, ob Planungen scheitern können, war noch gar nicht im Zentrum
des Interesses.
Mit den Planungsexzessen im Stalinismus sowie mit der zumindest partiellen Planung im
nationalsozialistischen Regime waren nach 1945 in der liberalistisch geprägten Wiederaufbauphse
weitergehende Planungsmaßnahmen, die über die Setzung von Rahmenbedingungen und Anreizen
hinausgingen, diskreditiert. Dieser Zeit entsprach die Kritik Poppers am historizistischen und
holistischen Planungskonzept Mannheims, dem er seine inkrementalistisch "Stückwerk-Sozialtechnik"
(muddling through) als einzig realistische und freiheitsbewahrende Alternati"e gegenüberstellte.lo
Diese zielen auf begrenzte Maßnahmen, deren Erfolg erst ausprobiert werden sollte, ehe daran
anschließendeMaßnahmen gefahrlos in Angriff genommen werden könnten. Mannheims
Gesamtplanung wirft er vor, daß sie den nicht zu bewältigenden Informationsbedarfhierfür verkenne;
daß eine Geselbchaft als ganze allein schon aus wissenschaftstheoretischen Gründen gar nicht
rekonstruierbar sei; daß die Ziele solcher Planung wissenschaftlich, geschichtsmetaphysisch
("historizistisch") oder sonstwie gesamtgesellschaftlich autoritativ nicht festzulegen seien; und daß
schließlich Kontereffekte nicht beachtet worden seien, weil jeder planende Eingriff die sowieso schon
problematische soziale Komplexität noch erhöhe. Im Prinzip ähnliche Argumentationsweisen von
Dahrendorf, Hayek, Jonas, Simon, Lindbiom u.a. zeigen, daß es sich bei der Kritik Poppers geradezu
um die klassischen Topoi der Planungsfeindlichkeit in den 50er und 60er Jahren handelt, wie sie dann
erneut in den 80er Jahren aufgenommen werden sollten. Damit ist aber auch der Beginn dessen zu
verzeichnen, was im weitesten Sinne hier unter Implementationsproblematik verstanden wird.
N. Luhmann löste mit seinen in den 60er Jahren entstandenen Beiträgen die Planungsdiskussion aus
der Dichotomie "Freiheit vs. Unterdrückung", indem er - systemtheoretisch - Planung (vor allem
seitens der Verwaltung) als eine von mehreren funktional äquivalenten Methoden zur
Komplexitätsabsorption, zur Problemlösung und damit insgesamt zur Systemstabilisierung begreift.
Planung, die als Festlegen von Entscheidungsprämissen für zukünftige Entscheidungen difiniert wird,
hat nach Luhmann gegenüber dem Marktmechanismus den Vorteil, daß ihre Folgeprobleme selbst
reflexiv Gegenstand von Planung sein und damit auch z.T. behoben werden können. Eine genügende
und umweltadäquate Innendifferenzierung des politischen Systems sei dabei Voraussetzung für eine
funktionierende Komplexitätsverarbeitungskapazität.ll Zwar suchte H. Schelsky - gegen diesen Trend mit einem Vortrag beim Darmstädter Gespräch 1966 mit der symptomatischen Überschrift "Über die
Abstraktheiten des Planungsbegriffes in den Sozialwissenschaften" noch einmal klärend in die Debatte
einzugreifen, indem er zwischen dem technischen, dem historisch- politischen (Freyer) und dem
systemfunktionalen Planungsbegriff unterscheidet und für sich selbst den institutionellen
Planungsbegriff reklamiert, der zur Grundlage hat, daß Planung nur in rechtlich und herrschaftlich
verfaßten Institutionen möglich ist. Aber der steuerungstech_ische Planungsbegriff, wie er in der
Reformphase der Kennedy- und JohnsonAra in den Vereinigten Staaten virulent war und der informationstheoretisch - zur begrifflichen Auflösung von Macht und Herrschaft in dosier- und
lenkbare input- und output- Beziehungen tendiert, war - gefördert durch die Wirtschaftskrise 1966/67,
durch die Studentenunruhen der Zeit, durch die Bildung der Großen Koalition sowie durch einen
allgemeinen Reformwillen (Picht, Dahrendorf) -längst in der Bundesrepublik angekommen und wurde
quasi mit der sozialliberalen Regierungsübernahme 1969 regierungsoffiziell im Bundeskanzleramt
institutionalisiert.
Planung wurde zur "Vierten Gewalt" hypostasiert.12 Vorbereitet von der wesentlich aus der
Wissenschaft rekrutierten "Projektgruppe Regierungs- und Verwaltungsreform" beim Bundesminister
des Innern, wurde zu Beginn der 70er Jahre unterdem sozialdemokratischen Kanzleramtsminister Prof.
Dr. jur. H. Ehmke ein integriertes Aufgabenplanungssystem und Koordinations- system der
Bundesregierung
aufzubauen versucht, das - stark beeinflußt vom amerikanischen Budgetierungssystem PPBS ex an te die zahlreichen Planungsvorhaben der Ministerien zunächst überhaupt einmal informatorisch
erfassen, dann koordinieren und programmatisch aufeinander abstimmen, in ihren Kosten, Folgekosten
und Nebenwirkungen abschätzen sowie schließlich in eine Prioritäten liste einordnen sollte.
Spätestens beim letzten Punkt zeigten sich die Ministerien (und die hinter ihnen stehenden Interessen
und Verbände) nicht mehr kooperationswillig, so daß das System fragmentarisch blieb. Ähnlich
verhielt es sich mit der gesamtwirtschaftlichen Rahmenplanung, der mittelfristigen Finanzplanung des
Bundes und der Länder sowie der Personalplanung.13 Die politökonomische Planungsforschung vor
allem marxistischer Provenienz (siehe hier insbesondere Volker Ronge) hatte bereits frühzeitig auf die
informationellen und finanziellen Restriktionen politischer Planung im Kapitalismus hingewiesen, die
wegen der privaten Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel auch prinzipiell nicht zu überwinden
seien.
Auf der theoretischen Ebene ist das Scheitern dieser Planungen u.a. in der analytischen Verengung
des Ansatzes sog. entscheidungslogischer Planungsmodelle begründet, der in seiner einfachsten Form
von der planenden Zuordnung von gegebenen Mittel zu gegebenen Zwecken bei Vorhandensein
vollständiger Informationen und bei vollständiger Kontrollierbarkeit der Nebenwirkungen ausgeht eine offensichtlich von der homo- oeconomicus-Fiktion der Volkswirtschaftslehre beeinflußte
Vorstellung. Auch wenn dieses Modell zunehmend um Annahmen über eine komplexere Umwelt und
über Informationsknappheiten, durch Einführung unterschiedlicher Entscheider-Situationen
(Sicherheits-, Risiko-, Ungewißheitssituation) sowie durch Aufgabe der Fix-Ziel-Unterstellung und
deren Ersetzung durch eine Alternativenauswahl u. dgl. modifiziert wurde (z.B. bei Tinbergen), so
bleibt das Zweck-Mittel-Schema doch erhalten, in dem "Umwelt" nur als Störgröße erscheint.
Kybernetisch-systemtheoretische Planungsmodelle postulieren demgegenüber die Notwendigkeit
von Austauschprozessen zwischen System und Umwelt. "Ein System muß, wenn es sich erhalten will,
seine eigene Komplexität zu der Umwelt in ein Verhältnis der Entsprechung bringen ... und im übrigen
seine geringe Komplexität durch verstärkte Selektivität wettmachen."14 Die Planung als
ausdifferenzierte
Leistung des politisch-administrativen Systems steigert die Eigenkomplexität (und damit
Stabilität) des Gesamtsystems. - Die - problematische - Fixierung von Planung auf das Ziel der
Sicherung von Systemrationalität sowie deren Abkoppelung von der sinnbezogenen, lebensweltlichen
und individuellen Handlungsrationalität hat aber wiederum - in einer nächsten dialektischen Reaktion
der wissenschaftlichen Diskussion - Mitte der 70er Jahre systemtheoretisch orientierte Marxisten und
Gesellschaftsreformer (Offe, Habermas, Scharpf, Naschold u.a.) dazu veranlaßt, ein Planungskonzept
zu entwerfen, das - unter Wiederaufnahme des politisch-herrschaftlichen Moments - die Mobilisierung
betroffener Gruppen zur Durchsetzung von Planungszielen vorsieht.
Damit ist ein - in der Umweltorientierung der kybernetischen Systemtheorie angelegter Perspektivenwechsel vorgezeichnet, der Planung nicht mehr nur von Seiten des Planerstellers, sondern
auch und vor allem von Seiten des PIanadressaten betrachtet. Gefördert wurde dies durch das Scheitern
der Planungskonzepte der sozialliberalen Koalition, bzw. durch deren nicht vorhergesehene Folgen;
durch die Weltwirtschaftskrisen seit 1974/75 und die in deren Folge eingetretene Verengung des
staatlichen Handlungsspielraums; durch die Verschärfung der sozialen Konflikte; und durch den
Wandel von einer dominant materialistischen Wertekultur zu einer postmaterialistischen Wertekultur,
was vor allem in den 80er Jahren Probleme bei der Akzeptanz von Planungsmaßnahmen von Seiten der
Betroffenen mit sich brachte. Politisch manifestiert sich das - bezogen auf die Bundesrepublik
Deutschland - in der Bürgerinitiativ-Bewegung sowie dem Aufkommen der "Grünen", wissenschaftlich
in einer Distanzierung von den umfassenderen Planungskonzepten und einer Hinwendung zur em
prischen Analyse einzelner Phasen von Planungsprozessen. Neuste Frucht dieser Entwicklung ist die
sog. Akzeptanzforschung, wie sie auch regierungsoffiziell angesicht der Schwierigkeiten bei der
Durchsetzung z.B. der Atomenergienplanungen gefördert wird.
Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Implementationsund
Evaluationsforschung. Der Ansatz der Implementationsforschung war bereits im
"Politikverflechtungsansatz" von F. Scharpf angelegt, der die durch die föderale Binnenstruktur der
Bundesrepublik ausgelösten Dezentralisierungsprobleme zum Ausgangspunkt der Analyse nimmt. Das
Theorem der "situativen Verwaltung", wie es u.a. im Sonderforschungsbereich 101 der Universität
München erarbeitet wurde, nähert sich von der rechtlichen Seite dem Phänomen, daß die Applikation
rechtsförmiger Regelungen in der administrativen Praxis immer die jeweilig lokal-historischen
Besonderheiten der Situation berücksichtigt. 15 Die in den USA entwickelte Implementationsforschung
im engeren Sinne (Jeffrey Pressman, Aaron Wildavsky) beschäftigt sich insbesondere mit der Frage,
wie und warum politische Programme - seien es distributive oder redistributive (Lowi), seien es
regulative, Anreiz- oder Dienstleistungsprogramme, seien es konditionale oder finale16 - anschließend
an die policy-process-Phase der Politikformulierung nicht programmgemäß vollzogen und umgesetzt
werden. (Stichwort: "Vollzugsdefizite") Es wird hier umfassender von Programmen gesprochen, um
auch Planungen, die nicht so bezeichnet werden(z.B. manche Gesetze), einbeziehen zu können.
Unterschieden wird dabei zwischen präskriptiv orientierter Implementationsforschung, die zwischen
einem explizit oder implizit identifizierbaren Ziel (Soll), diesem zugeordneten Maßnahmen sowie
deren Wirkungen (Ist) evaluativ vergleicht, und deskriptiv orientierter Implementationsforschung, die
vorrangig ohne Politik beratung zu beabsichtigen - emprisch-analytisch Handlungsabläufe beschreibt
(z.b. die oft auf der kommunalen Ebene festzustellenden bargainingProzesse zwischen Verwaltungen =
Implementeure und deren Adressaten - Betroffene, Verbände, Unternehmungen usw. - bei der
Exekution von bundesstaatlichen Gesetzesvorgaben, die dann nur z.T. durchgeführt werden).17
Insbesondere in der deskriptiven Variante kommt der Wandel in der Planungswissenschaft von einer
ex-ante- zur ex-post-Orientierung zum Ausdruck.
Zwar hat Luhmann - entgegen diesen empirizistischen Trend in der Planungsforschung - 1984
nochmals versucht, eine" allgemeine Theorie" "sozialer Systeme" (Frankfurt a.M.), u.a. auch der
Planung zu entwerfen. Über bisherige systemtheoretische Ansätze hinausgehend sind hier 1. das
Konzept autopoietischer Systeme (Maturana/Varela), und 2. das der "Selbstreferenz", die beide zum
Ausdruck bringen wollen, daß für moderne Gesellschaften typische Systeme in ihrem internen
Operieren zirkulär auf sich selbst reagieren, sich selbst reproduzieren, in gewisser Hinsicht also
geschossen sind und sich selbst steuern, zur Vermeidung eines unendlichen Regresses der
Selbstreferenz aber auch wiederum auf Umweltkontakte angewiesen sind. Planung im Sinne
gesamtgesellschaftlicher Steuerung kann demnach nur noch - analog zu den Aussagen der NeoKorporatismus-Theorie - in der Konditionalisierung der Randbedingungen des Austauschprozesses
zwischen diesen Systemen sowie in der Anregung zur Selbststeuerung bestehen.
So anregend solche Theorien sein mögen, so sollte sich die weitere Forschung jedoch auf einer
"niedrigeren" Ebene auf folgende Schwerpunkte konzentrieren, wie sie sich aus der
Implementationsdiskussion ergeben haben:
- Ausbau des herrschafts- und machtorientierten Ansatzes einer Verwaltungspolitologie (Garl Böhret)
- Analyse optimaler Organisationsformen für Planungsprozesse (z.B. "Planungszelle",
Managementmodelle, neue Formen gesellschaftlicher Selbststeuerung,
Entrechtlichung/Entbürokratisierung, Bedeutung Neuer Medien, außenpolitischer Planungsstab, u.a.)
(G.W. Wittkämper)
- geistesgeschichtliche Rückbesinnung bei der Zielbestimmung (Staatslehre, Topik)
- Erweiterung der Datenbasis für Planungen (Indikatoren)( W. Zapf, außen politische Datenbank E.
Azar, u.a.)
- Analyse der unbeabsichtigten Nebenwirkungen ("side effects")
- weitere Untersuchungen zum "Steuerungs-Mix", zur optimalen Kombination verschiedener
Steuerungsinstrumente( Markt + Plan + staatlich gesetzter Anreiz + Verhandlungen u.dgl.).
In diesem Zusammenhang ist ist auch die vorliegende Untersuchung zu sehen.
Seiten 156-217
Kapitel 7
Implementationsprobleme von Entwicklungsverwaltungen und -planungen
1Einleitung
Zu einer von den Konferenzen und Resolutionen der Entwicklungsländer immer wiederholten
Forderung gehört die nach einer verstärkten staatlichen Tätigkeit bei der wirtschaftlichen Entwicklung
in den Problem regionen der Dritten Welt.! Angesichts des Scheiterns der mehr oder weniger
liberalistischen Entwicklungsstrategie der Ersten Dekade (Weltmarktintegration) ist die Hoffnung in
das heilsame Wirken des laissez.faire nicht nur unter den Eliten der Entwicklungsländer geschwunden
un_ der Akzent vermehrt auf staatliche Interventionen gelegt worden. Die Vergabe von
Entwicklungshilfeleistungen wird daher zunehmend an das Vorhandensein nationalstaatlicher
Entwicklungsplanungen gebunden. Auch in der "Ersten Welt", z.B. in der Bundesrepublik
Deutschland, ist ja das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft nie als grundsätzlicher Ausschluß von
planender Staatstätigkeit vor allem im Infrastrukturbereich verstanden worden. Planung wird hier im
umfassenden Sinne verstanden, einerseits als staatlicherseits erfolgende empfehlende Setzung von
Anreizen, andererseits als verbindlichvorschreibende Planung, inklusive aller Zwischenpositionen
zwischen diesen Extremen.
Was jedoch in den Industrieländern weitgehend verwaltungsmäßig problemlos und
selbstverständlich vonstatten geht (das soll nichts aussagen über den Zielerreichungsgrad staatlicher
Maßnahmen!), funktioniert in den Agrarstaaten der südlichen Hemnissphäre oft nur bei starken
sozialen Friktionen, die die administrative Effizienz beeinträchtigen. Die Probleme und Restriktionen
solcher Entwicklungsverwaltungen seien hier nur stichwort artig aufgerissen, wobei hier insbesondere
auf die Entwicklungsplanung abgehoben wird:
- traditionale soziale und machtpolitische Strukturen (Oligarchien, Cliquen, Klientel, Patronagen,
Korruption); Internationale Umwelt
- mangelnde institutionelle Verankerung von Planungsinstanzen (als eigene Behörde? im
Finanzministerium? beim Staatspräsidenten? in allen Ministerien und auf allen Ebenen? InstanzenKonkurrenz?)
- fehlende Koordination zwischen Budget- und Entwicklungsplanung - fehlende statistische Daten,
keine Kontinuität zur Vorgänger-Planung
- mangelhafte Ziel-Operationalisierung, Mangel an durchführungsreifen Projekten, ungenügende
administrative Kapazität, nicht ausreichende Qualifikation der Planer, die daher risikoscheu
- oft globale Entwicklungspläne ohne Beachtung regionaler und sektoraler Differenzierungen
- Mobilisierung und Erhöhung des Erwartungsniveaus infolge von Planungszielen, was zu deren
Aufgabe führt
- personelle Aufblähung der Planungsbürokratien
- nur schwaches staatliches Gewaltmonopol, nicht durchgreifende Sanktionen - mangelhafte
Prognosemöglichkeit infolge politischer Instabilität
- keine Planung der Planung, d.h. keine systematische Herstellung solcher sozialen und ökonomischen
Bedingungen, die Effizienz und Konsistenz von Pla_' nung ermöglichen
Eine Entwicklungsverwaltung, die sich die wirtschaftliche Förderung eines Nationalstaates, einer
Region in ihm oder einer einzelnen Unternehmung zum Ziel gesetzt hat, muß - will sie Erfolg haben diese Problembereiche mitbedenken und strategisch in ihre Planungen mit einbeziehen.
Staatlich-administrative Wirtschaftsförderung wird hier definiert als die konzeptionelle, planende
und ausführende Tätigkeit von Politikern und Verwaltungsfunktionären, mit den Mitteln finanzieller
Anreizsetzung, mit der Bereitstellung von Informationen, mit Gesetzgebungsmaßnahmen usw. das
EinkommensjBeschäftigungsjInvestitionsjlnfrastruktur- Niveau eines Raumes (N ationalstaat, Region,
Sub region) im Vergleich zum vorherigen Stand und im Vergleich zu analogen Räumen zu heben, mit
dem - wohl unbestrittenen - Ziel, die Wohlfahrt der Bewohner zumindest nach dem Pareto-Optimum zu
steigern. Adressaten der Maßnahmen sind in der Regel Unternehmungen (staatliche und private) sowie
eigens dafür vorgesehene (und ggf. international finanzierte) Entwicklungsprojekte. Die zentrale und
zunehmende Bedeutung des Staates für die Planung der ökonomischen Entwicklung läßt es notwendig
erscheinen, zunächst einmal generell die Grenzen und Möglichkeiten administrativ-politischen
Handelns in sich industrialisierenden Agrargesellschaften theoretisch auszuloten sowie darin
anschließend die wichtigsten Entwicklungsstrategien dieser staatlichen Apparate darzustellen. Erst vor
diesem weiteren Hintergrund ist ein rechtes Verständnis der Mittel, Methoden und Instrumente der
staatlichen Wirtschaftsförderung möglich.
2 staatlich-administratives Handeln in sich ind ustrialisierenden Agrargesellschaften
Die staatlichen Apparate der Dritten Welt sind - trotz aller zuweilen militaristischer Gebärden gegenüber den sozialen und ökonomischen Einflüssen des Inund Auslandes meist nur recht schwach.2
aufgrund eines mangelhaften Steuersystems nur sehr begrenzt, was nicht selten zu ökonomisch und
gesamtgesellschaftlich ineffizienten Ausweichfinanzierungen führt (indirekte Konsumsteuern, hohe
Import- und Exportzölle, Auslandsverschuldung usw.). Traditionale, vorindustrielle Machtstrukturen
vor allem auf dem Lande erweisen eine oft erstaunliche Überlebensfähigkeit und setzen der zumeist aus
den städtischen Zentren kommenden staatlichen Tätigkeit enge Grenzen. Gegen lokale Honoratioren
oder Selbstverwaltungsstrukturen oder gegen autarke agrarische Subsistenzwirtschaften vermag der
Staat nicht viel durchzusetzen, wenn die Adressaten ihm nicht entgegenkommen.3
Auf der anderen Seite sind die staatlichen Akteure den Pressionen der ihnen örtlich nahen
städtischen Schichten ausgesetzt, sowohl der städtischen Unterschichten, die an niedrigen
Nahrungsmittelpreisen interessiert sind (auf Kosten der bäuerlichen Bevölkerung), als auch der z.T.
luxurierenden städtischen MitteIund Oberschichten, denen z.B. am Kauf langlebiger Konsumgüter
(ggf. aus dem Ausland) gelegen ist. Dazu kommen Verpflichtungen gegenüber dem Militär, dem
Ausland, multinationalen Unternehmungen, Entwicklungshilfegebern usw..
H. Elsenhans hat diese Konstellation in seinem Modell der "Staatsklasse" zu konzeptualisieren
versucht.4 Für ihn ist die Staatsklasse eine privilegierte Bürokratie, die den Produktionsprozeß leitet,
ohne selbst über die Produktionsmittel als Privateigentum zu verfügen. Sie steht dabei in einem
Interessenkonflikt zwischen eigener Privilegierung und Legitimierung gegenüber den "Massen". Zur
Aufrechterhaltung ihrer Stellung bedarf sie der Massenloyalität mit welchen Mitteln auch immer.
Hiernach ist der Staatsapparat zwar zahlreichen sozialen und ökonomischen Restriktionen unterworfen,
er besitzt aber durchaus aufgrund des Legitimierungszwanges die Fähigkeit zu reformerischem, aktiv
gestaltendem Handeln, u.a. mit den Mitteln der Wirtschaftsförderung. Selbst marxistische Theoretiker
wie Elsenhans lehnen einen Planungsfatalismus ab. Zudem zeigt insbesondere der südostasiatische
Raum, wie strategische Gruppen (u.a. im Staatsapparat) die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes
vorantreiben können.5
Damit ist nichts darüber ausgesagt, mit welchen Strukturfehlern (gemessen anhand des " westlichen"
Rationalitätsmodells) die Bürokratien in sich entwickelnden Ländern behaftet sind. Erwähnt seien nur:
- Bürokratien als Organisationen eines leichteren sozialen Aufstiegs, bzw. leichterer sozialer Sicherung,
mit der Folge einer personellen Aufblähung
- Überzentralisierung
- Konkurrenz privater Parallelverwaltungen
- dualistische bürokratische Strukturen (städtisches vs. agrarisches Wertsy
stern) (verschiedenen ethnische Wertsysteme)6
Mit der zunehmenden sozioökonomischen Differenzierung und Integration (nation building) der
Entwicklungsgesellschaften werden jedoch - wie die Erfahrungen der Industrieländer zeigen - die
partikularistischen, auf bestimmte Stämme und Schichten der Regionen orientierten Tendenzen der
Bürokratien in der Dritten Welt erodieren. Das sei hier als Prognose gewagt, obwohl ansonsten die
Voraussagen diverser Modernisierungstheorien nicht eingetreten sind?
Damit werden Verwaltung und Bürokratie zunehmend fähig, die ihr klassisch zugeschriebenen
Aufgaben wahrzunehmen:
1. Die Entscheidungsfunktion, d.h. die Funktion, in wichtigeren Einzelfällen (fallweise) Weisungen zu
erteilen und Entscheidungen zu treffen.
2. Die Organisationsfunktion, d. die Erarbeitung von Dauerregelungen und die Organisationspflege.
3. Die Kontrollfunktion, d.h. die Überwachung des richtigen Funktionierens der untergeordneten
Organe.
4. Die Disziplinarfunktion, d.h. das Eingreifen bei Verfehlungen einzelner Elemente, die Entscheidung
in solchen wie in persönlichen Streitfällen und schließlich die Straffunktion.
5. Die Fachfunktion, d.h. die Funktion, in speziellen Fachfragen die unteren Organe sachverständig
anzuleiten und zu beraten.
6. Die Planungsfunktion, d.h. die Funktion der vorausschauenden Ausarbei tung von
Regelungen für den besseren Aufbau und die Vergrößerung des Organismus.
7. Die Personalfunktion, d.h. die Menschenführung, im besonderen die Auswahl, Aufnahme,
Erziehung, Bestimmung der Entlohnung und des Aufstieges sowie die Entlassung der einzelnen
Personen.8
Allgemein kann für die Dritte Welt festgehalten werden, daß der Anteil staatlicher Aktivitäten im
Wirtschaftssektor wächst. Das ist Folge der Schwäche der jeweiligen natIOnalen Kapitale, die Konsequenzen einer geringen Sparquote, bzw. übermäßigen Luxuskonsums der Sparfähigen - nicht
genügend zu investieren vermögen. Diese" Lücke" füllt z.T. die staatliche Investitionstätigkeit, die
hoch aus der Zeit der Politik forcierter Importsubstitutionen einen steigenden Prozentsatz am
Bruttosozialprodukt einnimmt. (Allerdings sind aufgrund der - exportorientierten
Industrialisierungsstrategie in den 60er und 70er Jahren Tendenzen zu einer gewissen Entstaatlichung
zu verzeichnen.) Der Einfluß des Staates auf die wirtschaftliche Entwicklung läßt sich mit folgender
Formel quantifizieren:
X= Sst/sxw
Sst = staatliche Ersparnisse
s = marginale Sparquote der Steuerzahler
W = Steuereinnahme/Transferzahlungen des Staates9
Öffentliche Unternehmungen als den Prototypen von Wirtschaftsforderung durch Verwaltung dienen
instrumental folgenden Aufgaben:
- der Raumordnungspolitik
- der Konjunkturpolitik (u.a. Preispolitik; prozyklische, antizyklische, über konjunkturelle
Investitionspolitik)
- der Strukturpolitik (u.a. Einfluß auf die Bra"chenstruktur)
- der Wettbewerbspolitik (öffentliches Unternehmen als neuer Konkurrent für ein privatwirtscha
'tliches Monopol)
- der Sozialpolitik I vor allem innerbetriebliche, z.B. in Form einer VorbildWirkung für die I
rivatwirtschaft)
- der Fiskalpolitik ( ":innahmen über öffentliche Unternehmungen)
- der Gesellschaftsreform
Überhaupt sind öffe] tIiche Unternehmungen eine der Voraussetzungen für die Existenzfähigkeit auch \
on Marktwirtschaften, da sie die Infrastrukturvorleistungen erbringen, die wob I aufgrund eines
betriebswirtschaftlichen Gewinnkalküls nicht erbracht werden w irden.lo Dazu kommen die
(gesetzlichen) Regelungen und Kontrollen, die der staG tJiche Apparat und das politische System
gegenüber der Privatwirtschaft zur An' 'endung bringen, um den Wettbewerb aufrechtzuerhalten, um
gesamtgesellschaftlic 11 nicht erwünschte Auswirkungen der Auslandskapitale zu verhindern usw.
Verwaltungsbeamte inder Dritten Welt entwickeln in diesem Kontext nicht seIten erStaunhclie unt
nehmerische "hi keiten hinsichtlich der Wirtschaftsförderu_ und sei es in Reaktion auf den Konkurrenz
. Macht zwischen prlvatem und öffentlichem Sektor
und als Instrument zur Herrschaftssicherung der Bürokratie,u Allerdings gibt es in vielen
Entwicklungsgesellschaften auch (noch) den Typ des BeaJrlten als eines "vorsichtigen
Befehlsempfangers", der nach Möglichkeit Verantwortung vermeidet.12
Wichtiger als diese ndividual- und sozial psychologischen Merkmale ist die Strukturierung des Verb
iltnisses zwischen politischem und administrativem System. Für ein wirtschaft! iches Wachstum ist'
hier - nach Riggs - vor allem zentral ein Gleichgewicht zwisch, n beiden Teilsystemen, das
wachstumshemmende Dominanzen und Monopolans >rüche des einen Teils über den anderen
verhindert.13
3 Strategien der Entwicklungsplanung
Um die Möglichkeiten und Restriktionen, die Wirkungen, den Erfolg und Mißerfolg sowie überhaupt
den Einsatz von öffentlicher Wirtschaftsförderung adäquat ermessen zu können, bedarf es in dem nun
folgenden Analyse-Schritt der Darlegung der möglichen Entwicklungsstrategien, die von den
Entwicklungsverwaltungen verfolgt werden und anhand deren Zielvorgaben die Wirtschaftsförderung
beurteilt werden muß. Auf einer allgemeinen systemtheoretischen Ebene lassen sich zunächst folgende
Strategien zur Steuerung des sozialen Wandels unterscheiden: 14
Auf dieser Basis können weiterhin folgende Differenzierungen vorgenommen werden:
1. Abwehrstrategien zur Lösung aktueller Probleme, u .a. mit den Mitteln des Verhandelns, der
Berufung auf verbindliche Vorschriften, des Vorwegentscheidens, des Aushandeln, der Kompensation,
des Überzeugens
2. die Strategie der Partizipation zur Integration und Neutralisierung von gegen das jeweilige
Planungsziel Mobilisierten.15 I
3. die Strategie gezielter Reformen zur Reduzierung des Konfliktpotentials
4. die Strategie der gezielten Repression zur Unterdrückung mißliebiger Entwicklungen, wie da sind:
ESKALATION- SANKTION "KONSTRUKTIVE"
AKTIONSTUFE
1 Soziale Sank Ideologische Konsolidierung;
Klientelbildung
tion (1)
2 Juridifizierte
Entwicklung des Herrschaftsinstrumentarium;
Reformgesetzgebung
Sanktion
3 Terroristische
Ausnahmezustand oder
Staatsstreich
Sanktion
16
Weiterhin sind unter dem Rubrum" Abwehrstrategien" Entlastungs- Ventilund
Lokalisierungsstrategien zu erwähnen sowie die Strategie der instituionellen Differenzierung, durch
die Probleme zerlegt und damit entschärft werden.
Bei den Strategien aktiv-planender Struktursteuerung lassen sich folgende Grundtypen
unterscheiden:
1. die Strategie der Instrumentalisierung privatwirtschaftlicher Instanzen zu gesamtgesellschaftIichen
Zwecken
2. die Steigerung des Institutionalisierungsgrades des politisch-administrativen Systems
Spezifisch nun bezogen auf die Frage öffentlicher Wirtschaftsförderung sind folgende polare
Strategievarianten aufzuführen:
- Befriedigung der Basis-Bedürfnisse (Nahrung, Kleidung, Unterkunft) der Armsten in den ärmsten
Regionen durch unmittelbare Hilfsmaßnahmen - versus: allgemeines wirtschaftliches Wachstum, auch
unter Inkaufnahme einseitiger, präferentieller Wirtschaftsförderung bestimmter privilegierter Schichten
und Regionen, in der Hoffnung, das Wachstum werde langfristig - wie in den bereits industrialisierten
Nationalstaaten des Nordens - sich auf alle Schichten und Regionen ausbreiten
(modernisierungstheoretischer "trickle-down-" Effekt);
- gleichgewichtiges Wachstum in allen Regionen und Branchen (Nurkse, Rosenstein-Rodan), bezogen
auf
Angebot und Konsumenten- Nachfrage versus: ungleichgewichtiges Wachstum (Hirschman) mit der
Schaffung von Wachstumszentren, die innovativ auf das jeweilige Umland wirken (sollen), indem das
Ungleichgewicht Zentrum- Peripherie zu Wettbewerb und unternehmerischen Aktivitäten stimuliert;
- Assoziation in den Weltmarkt durch Förderung konkurrenzfähiger Exportindustrien, mit deren
Deviseneinnahmen die binnenländische Industrialisierung finanziert werden soll
versus: (partielle) Dissoziation, bzw. Importsubstitution mit dem Ziel einer Reduktion der Export- und
Weltmarktabhängigkeiten, um einen in sich ausgeglichenen, nicht monostrukturellen nationalen
Binnenmarkt unter Beachtung der jeweiligen kulturellen Eigentümlichkeiten aufzubauen; 17
- Mobilisierung von inländischem Kapital, oft zu Lasten der Konsumfähigkeit der eigenen
Bevölkerung (siehe Entwicklungsmodelle UDSSR und VR China)
versus: Mobilisierung und Einsatz von ausländischem Kapital;
-' neoklassische Wachstumsförderung mit der Schwerpunktsetzung auf die
Förderung der Investitionen
versus: post-keynesianische Wachstumstheorie mit der Betonung der Nachfrageförderung;
versus: Primat der Sozialinvestitionen;
- Vorrang der wirtschaftlichen Entwicklung
versus: Vorrang der sozialpsychologischen Entwicklung (Bildungsinvestitionen, Alphabetisierung);
- wirtschaftliche Entwicklung über Markt- oder Planungsmechanis men versus: (macht- )politische
Entwicklung durch Schaffung starker Verbände und Parteien, die z.B. soziale Strukturreformen oder
eine wachstumsnotwendige Steigerung der Konsumenten-Nachfrage erkämpfen.
4 Methoden und Instrumente der öffentlichstaatlichen Wirtschaftsförderung in
Entwicklungsländern
Nachdem im vorherigen Abschnitt die möglichen Strategien und Ziele von öffentlicher
Wirtschaftsförderung dargestellt wurden, gilt es nun, die Methoden und Instrumente zur Erreichung
dieser Ziele darzulegen.
Die Instrumente der Wirtschaftsförderung, die der Stützung investitionsschwacher Unternehmungen,
bzw. evtI. sogar der Ersetzung privatwirtschaftlicher Initiativen dienen (wenn diese zu schwach, bzw.
gar nicht vorhanden ist), lassen sich in direkte Instrumente und indirekte Instrumente unterscheiden. Zu
den direkten Instrumenten gehört die unmittelbare Projektförderung, in deren Rahmen einem
Förderungsobjekt finanzielk Hilfen, Planungskonzepte sowie qualifiziertes Personal zur Durchführung
der Planungen zur Verfügung gestellt werden. Dieser Förderungsform verwandt ist die "institutional
promotion"; die sich vor allem des organisatorischen Aspekts der Projektförderung annimmt.
Zu den indirekt wirkenden subsidiären Instrumenten sind vor allem zu rechnen:
a) die Fiskalpolitik, und
b) die Infrastrukturpolitik.
Typische und häufig angewandte Beispiele für a) sind: Steuernachlässeferlässe; Ausnahmen bei der
Ex- und Importzollabgaben zur Erleichterung von Ausoder Einfuhr; staatliche Rückversicherung
gegenüber Risiken bei Außenhandelsgeschäften; staatliche Krediterleichterungen, Subventionen,
präferentielle Verkehrstarife und Vergabepraktiken, Protektionismus, staatlichen Abnahme- und
Verkaufsgarantien
usw..
Zum Typ b) sind zu zählen: Straßenbau, Verbesserung des Kommunikationssystems überhaupt (z.B.
Telephone)';-Kuf- und Ausbau des Ausbildungssystems, in einem weiteren Sinne auch die Garantie
politisch stabiler und rechtsstaatlicher Rahmenbedingungen. Von diesen auf dem Freiwilligkeitsprinzip
beruhenden Anreizen, die den Investoren offeriert werden und die sie ablehnen können, wenn durch sie
das Gewinnkalkül nicht verbessert wird, sind zu unterscheiden die staatlichen Zwangsmaßnahmen.
Sie zielen durch Ansiedlungsgebote und -verbote, Mobilitätsbegrenzungen für Arbeitnehmer u. dgl.
auf eIne direkte autoritative Lenkung prIvater Investoren. Da dies jedoch nur im begrenzten Maße
möglich ist, diese vielmehr eher mit Investitionsverzicht reagieren, werden hier häufig
Unternehmungen in Staatsbesitz aktiv, bzw. private Unternehmungen werden verstaatlicht. 18
Unter diesem Aspekt sind auch die zunehmend in der Dritten Welt geschaffenen "Industrie-Parks"
oder die industriellen Freizonen zu erwähnen, die durch die günsti_en finanziellen und
infrastrukturellen Bedingungen ausländisches Kapital anzureizen vermögen, die auch Arbeitsplätze
schaffen, deren Auswirkungen auf das jeweilige Entwicklungsland hinsichtlich Erhöhung des
Qualifikationsniveaus und des Technologietransfers jedoch eher skeptisch zu beurteilen sind. 19
In einem weiteren Schritt kann differenziert werden zwischen:
1. Vorbereitungsinstrumenten, vor allem Planungsmaßnahmen aller Art (von der zentralen bis zur
gemeindlichen Ebene), und
2. Verwirklichtungsinstrumenten wie Informationsvermittlung an die Interessierten, insbesondere
zweckund
zielgerichtete Informationsvergabe; wie finanzielle Anreiz-, Abschreckungs- und
Anpassungsmittel; wie produktionsoder haushaltsorientierte Infrastrukturleistungen; und wie
schließlich die bereits erwähnten Zwangsmittel.
In der konkreten Politik wird dies zumeist zu einem Instrumentenmix kombiniert, bestehend u.a. aus
Einzelansiedlungsprogrammen, Industrie-, Gewerbe und Technologiepark sowie globalen oder
speziellen, regionalen oder sektoralen Aktions- und Förderprogrammen.2o
Zentral für den Erfolg staatlicher Wirtschaftsrörderung ist die Art der Organisationsform des
öffentlichen Eingriffs. Hier sind Fragen zu klären wie:
- zentrale, dezentrale, förderalistische oder regionale Organisationsform der Entwicklungsagentur
- institutionelle Zuordnung der Agentur: bei der Regierung? beim Staatspräsidenten? beim Finanz- oder
einem anderen Ministerium? in Autonomie? oder als interministerielle oder anderwärtig
interorganisatorische
Planungsinstanz?
Für eine autonome Organisationsform spricht, daß sie der Aversion des privaten Kapitals gegenüber
staatlichen Maßnahmen entgegenkommt sowie wahrscheinlich flexibler zu reagieren in der Lage ist.
Dagegen spricht, daß die Koordination mit den anderen staatlichen Instanzen, insbesondere die
unabdingbare mit dem Budget des Finanzministeriums, erschwert wird. Interminsteriellen Organe sind
wegen des hohen Konsensbedarfs oft sehr unbeweglich und benötigen für Entscheidungen viel Zeit.21
Vor allem wird von der Entwicklungsagentur und ihren Mitarbeitern verlangt werden müssen, daß
sie das hergebrachte verwaltungsmäßig-regeihafte Handeln im engeren, bürokratischen Sinne
überwinden und stattdessen zusätzlich soziale Kompetenz und soziales Engagement für die Betroffenen
entwickeln.22 impliziert auch eine Änderung des Qualifikationsprofils. Dementsprechende
Managementmethoden (z.B. Management durch gemeinsame Zielbildung) sind einzuführen. Evtl. wäre
hier auch an eine" advokative" Verwaltung im Sinne einer prononcierten Interessenvertretung für
diejenigen zu denken, denen das staatliche Handeln vorrangig dienen soll. Die Anforderungen an eine
Entwicklungsverwaltung gehen summarisch aufgelistet aus dem Schema nach Culbert hervor:
5 Analyse des individuellen und gesellschaftlichen Bedarf (Opportunity jFeasibility-Studies)
Ehe mit der staatlichen Wirtschaftsförderung begonnen werden kann, ist eine demographische,
soziologische und ökonomische Analyse vonnöten, ob überhaupt ein Bedarf, bzw. eine Nachfrage nach
den Erzeugnissen des industriellen oder gewerblichen Projektes besteht, das gefördert werden soll.
Zunächst sollte der gesellschaftliche Bedarf ermittelt werden.23 Hierzu ist mit Hilfe sozialer
Indikatoren (wIe z.B. HeIzgerate oder sanitäre Anlagen pro Kopf der Bevölkerung) statistisch
festzustellen, wo - gemessen an bestimmten politisch vorgegebenen Ziel- und Wert vorstellungen Mängellagen in einem bestimmten Nationalstaat bestehen, die eine Förderung der Produktion
dementsprechender Produkte rechtfertigen würde. (Das gilt vorrangig für eine binnenmarktorientierte
Produktion, bei Exporten sind die Ausfuhrbezugsländer demgemäß zu analysieren.) Es reicht jedoch
nicht nur aus, daß ein gesellschaftlicher Bedarf besteht, dieser muß zudem zahlungskräftig sein, bzw.
durch staatliche Maßnahmen ggf. in seiner Zahlungsfähigkeit gestärkt werden.24
Wie mit der Frage der Zahlungsfähigkeit bereits angedeutet wurde, sind auf einer zweiten Ebene die
individuellen Präferenzen zu ermitteln, die Auskünfte über gegebene oder erwartbare N_e nach
bestimmten Produkten, bezogen auf bestimmte Schichten, Regionen oder auch gewerbliche Branchen,
zu geben vermögen. Hier kann die sozial wissenschaftliche Methode der (meist auf Stichproben
(schriftlich oder mündlich) angewandt werden, sowie hier überhaupt das Instrumentarium des
Marketing gut einzusetzen wäre (z.B. gesamtwirtschaftliche Projektionen aufgrund der Trendanalyse
vergangener Entwicklungen und deren linearer Extrapolation in die Zukunft).25 Nordens üblichen
Marketing-Methoden zur Stimulierung von Nachfragewünschen (u.a. durch Werbung) ist in
Entwicklungsländern
sicherlich nicht angebracht, da es hier zunächst gilt, den vorhandenen Bedarf zu
befriedigen.
Schließlich sind die "natürlichen Gegebenheiten" zu erforschen, die eine Förderung erleichtern oder
erschweren, wie da sind:
- geographische Lage (nah oder entfernt zu den potentiellen Nachfragezentren) (Mobilitätsstrukturen)
(Klima)
- infrastrukturelle Ausstattung
- Wettbewerbsverhältnisse und Konkurrenzfähigkeit des jeweiligen Produkts
oder des jeweiligen Projektes
- Bevölkerungsstruktur (Verhältnis aItjung; arm reich; männlich - weiblich; gebildet ungebildet) (Familiengrößen)
- Export/Importbeziehungen
- Berufstruktur /Beschäftigungsgrad
- Branchenstruktur und Unternehmensgrößen (zur Bestimmung der Nachfrage nach
weiterzuverarbeitenden Prodrukten)
Alle Faktorengruppen geben empirisch und prognostisch Aufschluß darüber, inwieweit
Nachfragepotentiale für bestimmte Prodrukte bestehen.
Das Gelingen von öffentlicher Wirtschaftsförderung ist zentral abhängig von einer
realitätsadäquaten Prognose der zukünftigen Entwicklung sowie von einer Optimierung des
zieladäquaten Mitteleinsatzes. Was die Vorausschätzung der Zukunft betrifft, so sind exploratorische
und normative Prognosen zu unterscheiden.
Exploratorische Prognosen gehen von weitgehend objektivierten, bzw. objektivierbaren, aus den
Naturwissenschaften stammenden Vorausberechnungen der Zukunft aus und gestalten ihnen gemäß das
zu fördernde Wirtschaftsprojekt. Bei normativen Prognosen wird demgegenüber der
Entwicklungsablauf aus den wirtschaftlichen und sozialen Erfordernissen und politischen
Zielsetzungen abgeleitet.
In Wirtschaftsförderungsprojekten sind natürlich beide hier nur idealtypisch getrennten
Prognosetypen realiter meist eng miteinander verwoben. Zu den gebräuchlisten Prognosetechniken
gehört die Trendanalyse, die im wesentlichen aus einer Extrapolition des bisherigen
Entwicklungsverlaufs besteht, oft graphisch dargestellt durch Kurven, die über ihren Endpunkt hinaus
zeitlich in die Zukunft verlängert werden. Das hat zur Voraussetzung, daß die Annahme einen hohen
Grad von Wahrscheinlichkeit hat, die aus dem bisherigen Entwicklungsverlauf abgelesene
Gesetzmäßigkeit, bzw. Entwicklungsrichtung gelte auch in der Zukunft. Das ist dann nicht der Fall,
wenn externe Ereignisse, die nicht in die Gesetzmäßigkeit einberechnet wurden, in der Vergangenheit
des öfteren auftraten und ein weiteres Auftreten nicht auszuschließen ist, so daß dadurch die
Prognosequalität stark beeinträchtigt wird. (Beispiel: Erdölpreisschocks von 1973/74 und 1979/80)
Solche
Unwägbarkeiten lassen sich dadurch reduzieren, daß man eine Prognose (z.B. des Verkehrsbedarfs
und des Bedarfs an Automobilen) auf mehrere Entwicklungsstränge basiert (z.B. Entwicklung der
Bevölkerung, des Bruttosozialproduktes, des Umfangs des Straßenbaus), indem deren Zusammenhang
mit dem Verkehrsaufkommen der Vergangenheit korrelationsstatistisch analys!ert wird, um mit diesen
Daten die abhängige Variable: Verkehrsbedarf als Resultante der unabhängigen Variablen:
Bevölkerung, BSP, Straßenbau vorauszuschätz_n.
Noch valider werden die Daten, wenn man die Zeitk Irventechnik hinter sich läßt und vielmehr in
Form von Modellen den inneren Zusa mmenhang eines Prozesses mathematisch simuliert. Will man
z.B. - um bei unsl'rem Beispiel zu bleiben - den zu erwartenden Verkehrsbedarf ermitteln, so kanll von
folgenden - empirisch zu fundierenden - Wahrscheinlichkeiten ausgegang,'n werden, die die oben
erwähnten Datenreihen ergänzen: Wahrscheinlichkeit, daß Automobile aus dem Verkehr gezogen
werden (Unfall, Verkauf außerhalb des Erhebungsgebietes, Tod der Fahrzeuginhaber usw.),
Wahrscheinlichkeit der Abwa.nderung aus dem Erhebungsgebiet, wahrscheinliche Lebensdauer der
AutomobileP
In der Planungsliteratur wird die Phase, in der es um die Projektion der in die Planung eingehenden
(meist ökonomischen) Größen geht (wie Aus- und Einfuhr; Spar/Investitionsquote; Gesamtverbrauch
und -investitionen; Marktgröße usw.), die Phase der Programmierung genannt. Nach der
Produktionsfunktion von Harrod und Domar z.B. läßt sich u,a. berechnen, wieviel Arbeitskräfte bei
gegebenem Bevölkerungswachstum, bei gegebener Sparquote und bei gegebenem Stand der
Technologie im Produktionsprozeß aufgenommen werden können.28 Am einfachsten läßt sich dabei
aufgrund vorhandener alters- und geschlechtsspezifischer Geburten- und Sterberaten die Entwicklung
der Gesamtbevölkerung voraussagen. Das gilt auch für das Arbeitskräftepotential, konstante alters- und
geschlechtsspezifische Erwerbsquoten vorausgesetzt. Allerdings kommen hier schon Unsicherheiten
ins Spiel, bzw. Faktoren, die sich relativ rasch ändern können, wie Länge der Schul- und Militärzeit,
Umfang der Frauenbeschäftigung usw.29 schwieriger wird die Berechnung der Arbeitsproduktivität, da
hier Faktoren wie: Ernährungsphysiologischer und gesundheitlicher Zustand der Bevölkerung,
Wohnungssituation, Umfang der Sozialversicherung, politisches Klima usw. die Prognosequalität
beeinträchtigen.
Der Endverbrauch wiederum läßt sich als Residualgröße bestimmen (Rest, '!ler übrig bleibt" , wenn
die Neuinvestitionen, der staatliche Verbrauch und das Saldo der Handelsbilanz festgelegt wurden)
oder autonom berechnen u.a. aus der Einkommens- und Bevölkerungsentwicklung. Die Höhe der
jeweils Entwicklungslandspezifischen Einkommenselastizitäten je Produkt ist hierbei
miteinzukalkulieren.
(Einkommenselastizität = Änderung der von Gut X nachgefragten Menge/ Änderung des
Einkommens)
Die Vorausschätzungen lassen sich dadurch einem Kohärenztest unterziehen, ihre
Prognosegenauigkeit kann dadurch überprüft werden, daß man Größen wie Spar- und
Investitionsquote, die nach der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung komplementär sind ("je mehr
gespart wird, um so mehr kann investiert werden"), unter der Perspektive analysiert, ob das
definitionsgemäß gegebene Komplementaritätsverhältnis auch realiter sich wiederfindet. Analog kann
für andere Größen verfahren werden. Vom besonderem Interesse sind langfristige Strukturwandlungen
der Angebot- und Nachfrageseite. So hat z.B. schon im 19. Jahrhundert der sächsische Statistiker Engel
empirisch festgestellt, daß bei wachsendem Einkommen der Anteil der Nachrungsmittelausgaben an
den gesamten Konsumaufwendungen sinkt.3ODie Entwicklung der für die Produktionstätigkeit eines
wirtschaftssektors interessanten Gesamtnachfrage wird durch die Entwicklung der Nettonachfrage (=
Bestand am Ende einer Periode - Bestand am Anfang der Periode) und der Ersatznachfrage bestimmt,
wobei letztere wiederum durch die Höhe und Altersaufbau des Bestandes beeinflußt wird. Solche
Strukturänderungen wirken sich nicht nur unmittelbar auf den betroffenen Wirtschaftssektor oder das
betroffene Unternehmen aus, sondern indirekt auch auf vorgelagerte (Zuliefer- )Branchen. Diese
Verflechtungsbeziehungen lassen sich gut durch eine Input-Output- Tabelle erfassen, wie es sie bereits
für einige Entwicklungsländer gibt.
In diesem Zusammenhang ist auch die Drei-Sektoren- These nach Fourastie zu erwähnen, nach der
im Prozeß der Industrialisierung der sog. primäre Sektor (=Agrarsektor) ständig abnimmt, während
zunächst der sekundäre (industrielle) und dann der tertiäre Dienstleistungssektor stark anwachsen.31
Planungsmaßnahmen sind nicht nur auf wirtschaftliche Sektoren im engeren Sinne beschränkt,
sondern werden auch angewandt z.B. im Bildungssektor. Eine grundlegende, emprisch nachgewiesene
Prognoseformel ist hier beispielsweise:
N²=C² N(Y/N) 0,67
Y = Volkseinkommen
N = Bevölkerungszahl
N²= Zahl der Personen mit einer Ausbildung an höheren Schulen
Dementsprechende Berechnungen ergaben, daß mit wachsendem Wohlstand Y /N die Zahl der
Personen mit höherer Schulausbildung langsam zunimmt. Daraus läßt sich wiederum die Zahl der
zukünftig benötigten Lehrer ableiten. Aber diese Formel ist anhand der Erfahrungen der
Industriegesellschaften des Nordens entwickelt worden und gilt nur begrenzf,bzw. in einem nicht
bekannten Maße für Entwicklungsländer.
Eine auch prognostische, vor allem aber verfahrenspraktische Planungstechnik ist das
Netzplanverfahren, mit dessen Hilfe ein Projekt in seine einzelnen Ereignisse und Phasen zerlegt und
mit dem der zeitliche Abstand und die Reihenfolge zwischen diesen Ereignissen bestimmt werden
kann. Im folgenden sei beispielhaft ein Netzplan für die Einführung eines industriellen Produktes
wiedergegeben:
Die Zeitdaten werden vom Planer gemäß dessen Interessen oder gemäß externer
Vorgaben festgelegt. Durch dieses Verfahren werden Planungsprozesse vor allem übersichtlich, Fehler
und Mängel sind leichter zu erkennen. In der Realität sind allerdings vorweg nicht immer präzise
Zeitvorausberechnungen möglich, so daß mit ungefähren Vorausschätzungen und
Wahrscheinlichkeiten gearbeitet werden muß. Solche Netzpläne werden daher als probabilistische
bezeichnet, während die vorhergehend behandelten deterministischen Charakter haben. Eine
Verfeinerung der Netzplantechnik ist das sog. Entscheidungsnetz, alternative Wege in das Netz
einbaut, je nach dem, ob ein jeweiliges Ereignis Erfolg oder Mißerfolg im Sinne der Planungsabsicht
gebracht hat.
6 Implementationsprobleme bei Planungen in Entwicklungsgesellschaften
Planung hat die Aufgabe, die rationale Zuordnung und Anwendung von Mitteln für das unter 2.
analysierte System von Zielen zu leisten, unter Einsatz der genannten Methoden und unter besonderer
Berücksichtigung der materiellen und immateriellen Ressourcen, über die eine Planungsagentur
angesichts nationaler und internationaler Machtstrukturen effektiv verfügt. Diese Optimierung des
ZweckMittel- Verhältnisses kann als technische Planung bezeichnet werden. Die politische
Planungsfähigkeit ist demgegenüber die Möglichkeit, machtpolitische Strukturen (u.a. durch die
Mobilisierung von bestimmten Schichten) ändern zu können.32
Der nachkolonialistische Staat, wie er - fortwirkend bis heute - von der Kolonialmacht geschaffen
wurde, ist nun grundlegend dadurch gekennzeichnet, daß das institutionelle Instrumentarium der
technischen Planung nach außen hin recht beeindruckend ist ("hauptstädtischer Wasserkopf der
Bürokratien"), daß aber aufgrund der sozialen Abgehobenheit der städtischen Eliten die politische
Planungsfähigkeit gegen Null geht, so daß viele Planungskonvolute von Entwicklungsländern faktisch
ohne Wirkung bleiben. Das gilt weniger für die ersten drei typischen Phasen von Planungsprozessen
(Diagnosejlnformationsphase; Bestimmung der Entwicklungsstrategie; Entwicklungsprogrammierung)
, obwohl auch, z.B. bei der Datenbeschaffung, mit Schwierigkeiten zu rechnen ist, z.B. hinsichtlich der
Resistenz von Betroffenen, die die Auskunft verweigern. Das gilt aber natürlich für die Phase der
Durchführung (Implementation), und infolgedessen auch für die Evaluationsphase. Die mangelnden
Erfolge haben natürlich negative Auswirkungen auf die Identifikation der Bevölkerung oder auch nur
der Beamtenschaft mit den Planungszielen sowie auf die Motivation und Partizipation bei der
Planungsdurchführung. Je langfristiger dabei die Planungen zeitlich konzipiert sind (kurz-, mittel- und
langfristige Planungen), um so größer werden die Exekutionsschwierigkeiten. - Zu den externen
Problemen treten interne Planungsprobleme (Stimmigkeit der Planungsziele unterein- ander;
Konsistenz zwischen Mitteln und Zielen; institutionelle Verankerung des Planungsbüros; Abstimmung
von Teilpolitiken; Verhältnis Politik - Planung).
Kommt man zu den Methoden der Planung, so werden die Schwierigkeiten nicht geringer. Gemäß
der bereits erwähnten prefeasibility- Vorstudien müssen vor Inangriffnahme eines Projektes
Entscheidungen getroffen werden über Standort und Größe und zu erwartende (Produktions- und
Transport-) Kosten, für die es zwar zuweilen Regeln und Standardziffern gibt, die jedoch in ihrem
Werk dadurch eingeschränkt werden, daß sie auf unsicheren statistischen Grundlagen beruhen und
kurzschlüssig aus der vollindustrialisierten Welt des Nordens auf noch halbagrare
Entwicklungsgesellschaften übertragen werden. Zumindest sind diese Daten infolge in Imponderabilien
politisch gesetzt, vor allem, was z.B. die Annahmen über das zukünftige Wachstum des
Bruttosozialproduktes betrifft. Hier spielen dann auch Prestigemomente ein, denn jede Regierung will
aus legitimatorischen Gründen in einem möglichst guten statistischen Bild erscheinen. 33
Auf der theoretischen Makrophase von Planungsprozessen lassen sich diese Probleme noch am
ehesten verdecken, da hier mit hoch aggregierten Globaldaten gearbeitet wird (Größe der
Produktionsfaktoren, Kapitalbestand, Qualifikationsquoten usw.). Die Grundfrage lautet hier: "Wieviel
muß jedes Jahr investiert werden, um die aus dem gesamten zukünftigen Verbrauch resultierende
Befriedigung zu maximieren, wenn die Produktionsfunktionen, die Präferenzen der Bevölkerung für
verschiedene Verbrauchsniveaus und die zeitliche Verteilung des Verbrauchs, das
Bevölkerungswachstum und der Anfangskapitalbestand gegeben sind."34 über die technische
Entwicklung und deren Auswirkungen auf den Wirtschaftsprozeß noch recht gering. Eine in diesem
Zusammenhang zu nennende, wichtige und oft verwandte Größe, die zudem relativ verläßlich ist, stellt
der sog. Kapitalkoffizient dar. Er wird aus der Relation zwischen den Investitionen und dem
zusätzlichen jährlichen Einkommen (inkl. Gewinnen, Zinsen, Löhnen und Gehältern) berechnet.
Um der regionalen, sozialen und sektoralen Diversität des Planungsgegenstandes (meist eines
Nationalstaates) gerecht zu werden, müssen die Planungen nach Regionen und Sektoren spezifiziert
werden. Hier werden die Schwierigkeiten bei einer exakten Berechnung und Prognose der statistischen
Größen schon erheblich, da oft so gut wie keine Erhebungstechniken vorhanden sind. Aber solche
Berechnungen sind zur Planung und Prognose notwendig, will man z.B. aus einer gegebenen
Einkommenstruktur die zu erwartende Nachfrage und den zu erwartenden Produktionsumfang
berechnen.
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich aus preislichen Bewertung der genannten Größen, da das
Preissystem in Entwicklungsländern durch Monopolisierungen oder durch Inflationsprozesse verzerrt
ist. Trotz aller Bedenken kann hier aber auf internationale Preise des weltmarktes zurückgegriffen
werden, wenn diese nicht zu starken Schwankungen unterliegen.
Die Probleme bei der Implementation in Entwicklungsgesellschaften sind - neben den Problemen
der Gewinnung einer adäquaten Informations- und Progn0sebasis - sehr groß: Oft bauen die Pläne nicht
aufeinander auf, es gibt keine Anschlußplanungen. Das liegt eben auch an der mangelnden
Informationsbasis, die längerfristige Prognosen nicht erlaubt und von daher einen häufigeren Wechsel
der Planungsgrundlage mit sich bringt. Ähnliches gilt für die Finanzierungsmöglichkeiten, von denen
Planung ja zentral abhängt, die aber ebenfalls Schwankungen unterliegen.
Implementationsmängel sind jedoch nicht immer Fehler in der Implementation selbst, sondern auch
oft Folge unrealistischer Ziel bestimmungen , die die Ressoucen eines Landes weit hinter sich lassen.
Diese Ziele sind oft nur unzureichend in Planungs- und Programmierungsmodelle sowie operative
Anweisungen für die Bürokratie umgesetzt. Das führt dann zu dem erwähnten Mangel an
durchführungsreifen Projekten, der Ausdruck ist ungenügender administrativer Kapazitäten.
7 Fragen der Evaluation von öffentlichen Wirtschaftsprojekten in Entwicklungsgesellschaften
Die letzte typische Phase in Planungsprozessen ist die Evaluation, d.h. der Bewertung der Ergebnisse
vor dem Hintergrund der angestrebten Ziele und der Kosten von eingesetzten Mitteln und
Instrumenten. Diese letzte Phase ist aber - bei einem ideal verlaufenden Planungsprozeß - auch
wiederum in einem gewissen Sinne die erste, nämlich dahingehend, daß die Ergebnisse und deren
Bewertung wiederum in die Bestandsaufnahme (Informationssammlung, Analyse) eines weiteren
Planungsprozesses eingehen, der ja zumeist eine Fortsetzung vorhergehender Planungen ist.
Evaluationen sind nicht nur zur Erfolgskontrolle der Planer und zur Planrevision vonnöten, sie sind
auch unabdingbar zur Legitimation von Projekten gegenüber den politischen und finanzierenden
Instanzen. Insbesondere die Betriebswirtschaftslehre hat eine Reihe von Evaluationstechniken
entwickelt. Eine davon ist die Cost-Benefit-Analyse, die die Wirkung eines Investitionsprojektes auf
die Ziele (meist Erhöhung der sozialen Wohlfahrt) festzustellen beabsichtigt.35 einfach formuliert
werden dabei die positiven Beiträge zur Zielerreichung als Erträge mit den Kosten zur Erstellung eines
Projektes miteinander verglichen. Wenn die Erträge in ihrer Summe größer sind als die Kosten, so ist
das Projekt positiv zu beurteilen. Da es angebracht ist, eine solche Evaluation nicht erst nach
Durchführung eines Projektes zu machen, sondern vor deren Beginn oder zumindest während dessen
Verlaufs, muß in der Cost-benefit-Analyse meist mit Wahrscheinlichkeitsgrößen (erwarteter Ertrag,
bzw. erwartbare Kosten) gerechnet werden.
Ein Grundproblem besteht darin, die verschiedenen Größen (Ertrag, Kosten, Ziele usw.) auf eine
gemeinsame Größe beziehen zu können, mit der sie vergleichbar gemacht werden. In einer ersten
Aggregierungsstufe werden alle Größen auf ein Ziel bezogen. In einer zweiten Stufe werden die
Größen je Ziel dadurch auf eine gemeinsame Ebene lokalisiert, daß für jedes Ziel vom Planer gemäß
dessen Zielvorstellungen und Kenntnissen Gewichtsfaktoren festgelegt werden. In einer dritten Phase
werden die bisher gewonnenen Aggregatdaten auf einen gemeinsamen Zeitpunkt, meist die Gegenwart,
bezogen, auch hier wiederum mit Hilfe von (zeitlichen) Gewichtungsfaktoren.36
Zur quantitativen Bestimmung der Größen von Ertrag und Kosten genügt es oft nicht, auf die
jeweiligen Marktpreise zurückzugreifen, da diese durch Unvollkommenheiten des Marktes (Monopole,
staatliche Interventionen usw.) verzerrt sind. Es erweist sich daher als notwendig, sog. Schattenpreise
zu ermitteln.37 Wachstum jede zusätzlich investierte DM gesamtgesellschaftlich wertvoller angesehen
als jede zusätzliche DM im laufenden Konsum, so ergeben sich Verzerrungen bei der Berechnung des
Ertrages(=Konsum) und der Kosten(=Investitionen). Die beiden unterschiedlich bewerteten Größen
müssen daher durch einen Umrechnungsfaktor kompatibel gemacht werden. Der Schatten preis, das
Wertverhältnis zwischen einer investierten und einer konsumierten DM, bestimmt sich aus dem
Gegenwartschaftswert
des aggregierten Konsums aus einer marginal investierten DM, dividiert durch den
Wert einer konsumierten DM. Dadurch, daß der zukünftige Konsum einer gegenwärtigen Investition
auf diese Gegenwart bezogen und umgerechnet wird, wird die (überhöhte) Bedeutung der Investition
im Vergleich zum Konsum relativiert. Auch für die anderen Größen sind ggf. analoge Berechnungen
durchzuführen. Beispielsweise muß bei der Bestimmung der indirekten Opportunitätskosten des
Faktors Arbeit danach gefragt werden, zu Lasten welcher Einkommensart (Lohn- oder
Besitzeinkommen) die Löhne des betreffenden Projektes finanziert werden und wie hoch die relevante
Sparfunktion im industriellen Sektor ist.
Um die Cost-Benefit-Analyse realitätsadäquat durchführen zu können, bedarf es zusätzlich
Annahmen über die Verzinsung einer Größe in der Zeit, um z.B. den zukünftigen Wert einer Investion
(z.B. in 5 Jahren) berechnen zu können. Hier kann unter Umständen auf die jeweils gegebene
Verzinsungsrate bei der Nationalbank zurückgegriffen werden. Auf ähnliche Art und Weise ist es
möglich, statt der Schattenpreise die des Weltmarktes zu verwenden, soweit diese weitgehend
unverzerrt sind.
Bei Coest-Benefit-Analysen darf jedoch nicht vergessen werden, daß sie keine
gesamtgesellschaftlichen Projektbewertungen zu leisten vermögen. Manchen möglichen indirekten
Effekte lassen sich quantitativ oft gar nicht erfassen. Auch Zielbestimmungen können ,}ft nicht
mathematisch exakt dargestellt werden. Gerade das Beispiel des EntwicJ:lungsmodells " Iran unter dem
Schah" hat gezeigt, welche Folgen die Nichtberücksichtigung kulktureller auswirkungen von
wirtschaftlichen Entwicklungsprojekten hatte.
Diesem Schaubild kann die Skala möglicher Wirkungen von Projekten entnommen werden, die auch
von Evaluationen erfaßt werden müßte. Solche gesamtgesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen
Wirkungen lassen sich am ehesten fassen, wenn man nicht einzelne Projekte, sondern die Gesamtheit
von Projekten einer bestimmten Art (z.B. im Gesundheitssektor) in einer bestimmten Zeit zur
Grundlage der Evaluation nimmt. Hier kann dann der Gesundheitszustand vor Einführung der
Projektgesamtheit verglichen werden mit dem nach Einführung der Projekte, um derart Verbesserungen
oder Verschlechterungen feststellen zu können.
Die hier ideal herausgearbeiteten Evaluationsverfahren kontrastieren scharf mit der Evalualierungs-"
Realität" in den Entwicklungsländern, vor allem, was solche Projekte betrifft, die unter der Kontrolle
der einheimischen Verwaltungen stehen. Oft fehlt überhaupt ein ausgebautes Berichtswesen, da die
unteren Ebenen eine durch Berichte mögliche Kontrolle seitens der Zentralen vermeiden wollen. Und
wenn Berichte vorliegen, sind sie oft nur Daten-Kompilationen, ohne daß diese weiter analytisch
durchdrungen wären.
Von dieser Problemlage zu unterscheiden ist die Frage, ob die Evaluation von einer projektinternen
oder projektexternen Instanz durchgeführt wird. Durch eine projektinterne Handhabung ließen sich
zumindest die eben erwähnten Probleme vermeiden. Allerdings ist derart die Unabhängigkeit einer
Evaluation in Frage gestellt. Andererseits haben externe Evaluierer eine gewisse Distanz zum Projekt,
wodurch so manche spezifisch lokale Bedingungen nicht wahrgenommen werden.39
8 Regionalisierung von Planung und öffentlicher Wirtschaftsförderung als Mittel gegen
Planungsmängel?
Den aufgezeigten Mängeln und Schwierigkeiten bei der Planung und Durchführung von öffentlich
geförderten Wirtschaftsprojekten hofft man neuerdings durch eine Regionalisierung und
Dezentralisierung der Planungsinstanzen und -ebenen zu begegnen. Dadurch soll vor allem ein besserer
Zugang zu den lokalen und regionalen Ressourcen und Informatione n und eine erhöhte
Situationsadäquanz und Flexibilität erreicht werden. Durch den Einbezug regionaler Eliten und durch
die Beteiligung der Bevölkerung sollen Implementationshemmnisse überwunden werden.
Das folgende Schema stellt die bisherige, kritisierte und die neue, regionalisierte Planungsart
gegenüber:
(a) repräsentiert die traditionelle, zentralistische Planung und Wirtschaftsförderung, die von einer
Zentrale aus bis zur kleinsten Einheit ein Projekt oder ein Projektensemble durchplant. Die
Kommunikationsbeziehungen (und damit auch die hierarchische Struktur) sind demgemäß einseitig
von "oben" nach "unten" gestaltet. Demgegenüber sind im Modell (b) die Kommunikationsbeziehungen
wechselseitig, d.h. es gibt nicht nur Vorgaben seitens der Zentrale, diese werden vielmehr
durch Informationen seitens der "Basis" modifiziert, wenn nicht gar erst konstituiert.
Die sich hier stellende Frage ist die, ob eine Regionalisierung wirklich die erhofften Ziele erreicht.
Dies soll im folgenden dadurch tentativ beantwortet werden, daß zunächst theoretische Ausführungen
über die (wirtschaftliche) Entwicklung im regionalen Raum erfolgen, die dann vor dem Hintergrund
mit Erfahrungen und Ergebnissen regionaler Entwicklungsplanungen insbesondere in Lateinamerika
überprüft werden. Zentral ist die Theorie der Wachstumspole, womit hier an die obige
Strategiediskussion angeknüpft werden soll. Hiernach vollzieht sich die wirtschaftliche Entwicklung
eines Nationalstaates über die (regionale) Konzentration von wirtschaftlicher Aktivität einiger weniger
Unternehmungen oder Unternehmergruppen. Diese wirken jedoch impulsgebend auf vor- und
nachgelagerte Industrien und benachbarte Regionen. Diese Knotenpunkte hoher wirtschaftlicher
Wachstumsraten entstehen bevorzugt an ökonomisch günstig ausgestatteten Standorten: solchen mit
guten Verkehrsverbindungen (Häfen, Flugplätze, Straßennetz) mit einer ausgebauten sozialen
Infrastruktur, mit Rohstoffvorkommen und nach Möglichkeit mit einem nachfragekräftigen Markt.
Diese ökonomischen Agglomerationen führen langfristig zur räumlichen Polarisation zwischen
zentralen und peripheren Räumen. Allerdings können sich Zentrum und Peripherien auch wechselseitig
ergänzen: Wachsende Märkte für primär landwirtschaftliche Produkte in den Wachstumspolen bieten
Anreize für die umliegenden landwirtschaftlichen Betriebe und stimulieren die Einführung von
Innovationen.4o
Die Identifikation solcher Wachstumspole gibt Hinweise darauf, wo die öffentliche Verwaltung mit
ihrer Wirtschaftsförderung optimaliter zu beginnen hat. Im Vergleich zur Wachstumspoltheorie, die
von der primären Wachstum schaffenden Aktivität bestimmter Unternehmungen und Branchen
ausgeht, setzt die Wachstumszentrentheorie vorrangig an bereits vorhandenen zentralen Orten an, die um attraktiv auf Unternehmungen wirken zu können - staatlicherseits weiter infrastrukturell
ausgestattet werden müssen.41 naturwüchsig gegebenen Standorte dienen der öffentlichen Verwaltung
als Leitlinie von Förderungsmaßnahmen und verhindern auf jeden Fall eine Mittelvergabe nach dem
"Gießkannenprinzip". Regionale Förderungen müssen dabei koordiniert werden mit interregionalen
und nationalen Entscheidungsparametern. Im Vergleich zur Wachstumspoltheorie, die von der
primären Wachstum schaffenden Aktivität bestimmter Unternehmungen und Brachen ausgeht, setzt die
Wachstumszentrentheorie vorrangig an bereits vorhandenen zentralen Orten an, die - um attraktiv auf
Unternehmungen wirken zu können - staatlicherseits weiter infrastrukturell ausgestattet werden
müssen.42 natürwüchsig gegebenen Standorte dienen der öffentlichen Verwaltung als Leitlinie von
Förderungsmaßnahmen und verhindern auf jeden Fall eine Mittelvergabe nach dem
"Gießkannenprinzip". Regionale Förderungen müssen dabei koordiniert werden mit interregionalen
und nationalen Entscheidungsparametern.
Die staatlichen Wirtschaftsf6rderungen sollten sich der Theorie nach an einem hierarchischen
Modell aufeinander bezogener abgestufter Ober-, Mittel- und Unterzentren orientieren, wobei die
höheren, regionalen Zentren generellere Dienstleistungsaufgaben für einen großen Raum anbieten,
während Unterzentren nur ein spezifisches, für einen kleineren Raum gedachtes Angebot bereitstellen
und ansonsten auf die übergeordneten Zentren verweisen. Zur adäquaten Ausstattung dieser Zentren
bedarf es natürlich einer Analyse der Nachfrage- und Absatzpotentiale der betreffenden Region.
Empirische Untersuchungen zeigen, daß sich nur bestimmte Unternehmungstypen in staatlichen
Förderungsgebieten ansiedeln. Das sind vor allem: If<f Unternehmen, deren Produktionsstätten
historisch bedingt in Fördergebieten liegen;
Unternehmen der Konsumgüterindustrie;
Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen;
Staatsunternehmen;
Finanzschwächere Unternehmen.
Weiterhin ist zu beachten, daß Unternehmungen oft nur die Produktionsstätten ins Fördergebiet
legen, während die Verwaltungen anderswo angesiedelt werden. Zudem unterscheiden
Unternehmensleitungen zwischen zentralen und peripheren Produktionsorten, wobei die letzteren,
weniger bedeutend für den gesamten Produktionsprozeß, bevorzugt in die regional unterentwickelten
Fördergebiete verlagert werden, wo sie auch schnell wieder bei Bedarf aufgelöst werden können (da in
diesen Gebieten z.B. die gewerkschaftliche Gegenmacht oft schwächer ist als an den zentralen Orten).
Hauptanlässe filr die Auslösung einer unternehmerischen Standortentscheidung sind:
- das Vorhandensein von Kapazitätsbedarf;
- das Vorhandensein von Kapazitätsüberschüssen
- das Vorhandensein unternehmensinterner oder -externer Standortunzuläng lichkeiten.
Generell sind folgende Faktoren der Standortwahl zu beachten:
- geeignetes Gelände einschl. Ver- und Entsorgung - Nähe zu benötigten Roh-, Hilfs- und
Betriebsstoffen
- Nähe zu den Abnehmern
- quantitativ und qualitativ ausreichendes Arbeitsangebot
- Imagewert von Gemeinden
- Ansiedlungsbeihilfen
- Gewerbesteuerhebesatz
- Energiekosten
- Beratung durch städtische Stellen
- den Versorgungs- und Freizeitbereich betreffende Faktoren
- gute schulische Versorgung
- breite Palette an privaten tertiären Diensten
- genügend Freizeiteinrichtungen
- geringe Umweltverschmutzung
- hinreichendes kulturelles Angebot
- gute ärztliche Versorgung
45
Fünf Strategien zur regionalen Entwicklung lassen sich unterscheiden, wenn ein
Entwicklungszentrenkonzept vorliegt:
1. Die Verbesserung der Kommunikationen aller Art (verkehrsinfrastrukturell, postalisch usw.) zwischen
den Zentren. Dadurch wird das Potential jeden einzelnen Zentrums besser mobilisiert, allein bedingt
durch die infolge des größeren Raumes erhöhte Arbeitsteilung. Zudem wird die ländliche Bevölkerung
vermehrt durch solche Maßnahmen in den Geld- und Wirtschaftskreislauf einbezogen.
2. Dynamisierung der regionalen Metropolen als neuen Wachstumspolen und Gegengewichten zu den
nationalen Wachstumszentren. Dadurch werden auf das Umland dieser regionalen Metropolen spin-offEffekte ausgeübt.
3. Darüberhinaus: Aktivierung weiterer regionaler Zentren als sekundären Zentren industriellen
Wachstums, bzw. als Dienstleistungs- und Marktzentren durch Ansiedlung von wirtschaftlichen
Unternehmungen.
4. Programm zur Landreform und zur sozialen Entwicklung. Ifierzu gehört auch der Bau von sanitären
Einrichtungen, Schulen sowie die Modernisierung von landwirtschaftlichen Anbaumethoden.
5. Schließlich lassen sich alle genannten Strategien in unterschiedlichen Versionen miteinander
kombinieren, um sowohl das Ziel einer wirtschaftlichen Entwicklung als auch das Ziel einer
Überwindung von Marginalität erreichen zu können.46 Anhang sind Beispiele regionaler
Entwicklungsprojekte aus verschiedenen Teilen der Dritten Welt wiedergegeben.
Was hier jedoch vorerst noch interessiert, sind methodologische Fragen der
Regionalplanung sowie die Frage nach deren Effektivität.
Methoden der Re.e;ionalisierun.e;
Methodisch läßt sich der durch regionalpolitische Maßnahmen erreichte regionale
Einkommenszuwachs durch die Relation zwischen dem Zuwachs des regionalen Exports, bzw. der
lokalen Investition auf der einen Seite und dem Anteil, der regional konsumiert wird, auf der anderen
Seite berechnen. Mathematisch sieht die dementsprechende Formel so aus:
Einkommen- Zuwachs des Exports 1
zuwachs = und der lokalen X ---------------------------Investition 1-(lokale Konsumneigung X Einkommen, das durch lokale
Konsumausgaben geschaffen wurde)
Von der Größe des regionalen oder lokalen Einkommenszuwachses in einer Poriode hängt der
Umfang möglicher Investitionen und staatlicher Subventionen für diese in der nächsten Poriode ab.
Voraussetzung für ein Wachstum ist, daß der Einkommenszuwachs in der Region selbst verausgabt
wird. Die kommunikative Erreichbarkeit eines Ortes (VK), die ja ein wichtiges Kriterium für dessen
wirtschaftliche Förderung ist (da von einem Ort hoher Erreichbarkeit größere Wachstumsimpulse
erwartet werden können), läßt sich nach dem Potential-Ansatz wie folgt berechnen: Ein solches
Potential mißt die Erreichbarkeit eines gegebenen Punkts k von allen anderen Punkten i (inkl. k) in
einem Territorium:
Vk = wi Pi
------------(dik )a
wobei die Zeichen folgendes bedeuten:
wi Pi = Masse aller Orte im Raum
Pi = die Größe der Bevölkerung in jedem Ort
wi = Koeffizient, der die verschiedenen Pi gewichtet
dik = Distanz zwischen k und jedem der anderen Orte
a = ein empirisch bestimmter Exponent, der den Grad indiziert, zu dem die Distanz das Potential
beeinflußt.
Neue wirtschaftliche Wachstumszentren sollten wegen der hohen Sekundäreffekte an Orten hoher
Erreichbarkeit geschaffen werden. Zur Erfassung der intersektoralen wirtschaftlichen Beziehungen
einer Region werden gerne Input/OutputMatrixen verwandt, die die wirtschaftlichen Transaktionen
z.B. von der Industrie
zum Sektor: indirekte Steuern quantitativ wiedergeben. In der folgenden Tabelle ist diese Transaktion
der Zahlenkombination (1 )/( 4) zu entnehmen. (Betreffendes ist eingekreist.)
Diese merhodischen Ansätze gehen von einer Verbindung der Regional- mit diversen Sektoralpolitiken
aus. Wir hatten ja schon bei den Darlegungen zur kommunikativen Erreichbarkeit gesehen, wie hier
Regional- und Verkehrspolitik mit einander kombiniert werden mußten.47
Für die Messung der Zentralität eines Ortes gibt es verschiedene Verfahren und Indikatoren:
- der Grad der Fähigkeit, anfallende menschliche Bedürfnisse zu befriedigen;
- das Verhältnis zwischen tatsächlich vorhandenenTelephonanschlüssen gemes
sen hinsichtlich des Bezugsraums (so Christaller);
- die Zahl der im Dienstleistungssektor Tätigen;
- die gewerbliche Differenzierung, gemessen an der Anzahl der in der einzelnen Gemeinde
vorhandenen Gewerbeklassen;48
Auch mit der Faktoren-Analyse läßt sich statistisch die Bedeutung bestimmter Variablen (z.B.
Pendlerströme, Beschäftigte in Einzelhandelsgeschäften, Krankenhausbetten, Fachärzte) für die
Zentralität empirisch exakt bestimmen. Die Schwelle oder Mindestgröße, ab der ein Industriestandort
förderungswürdig ist, kann allerdings nur spezifisch für jedes Entwicklungsland einzeln festgelegt
werden.
Die hier in den Industriestaaten gewonnenen Werte lassen sich nicht ohne weiteres übertragen.
Steht die staatliche Verwaltung nun vor der Frage zu entscheiden, welche Industrieansiedlung
förderungswiirdig ist, so haben sich folgende Kriterien bewährt:
die Größe des intraregionalen Multiplikator- und Akzelerator- Effektes auf vorund nachgelagerte
Industrien (hinsichtlich Arbeitsplatz- und Einkommensschaf fung usw.)j
Umfang der Beseitigung von Disproportionalitäten auf dem Arbeitsmarkt; die optimale Ausnutzung
des verfügbaren Industriegeländes; der Auslastungs
grad der öffentlichen Infrastruktur, bzw. der Beitrag zum Ausbau der Infrastrukturen (unter besonderer
Berücksichtigung einer möglichst geringen Beanspruchung offentlicher Finanzen);
Sicherung von Arbeitsplätzen.49 Befriedigung von Bedürfnissen bestimmter po
litisch festgelegter Zielgruppen;
Adäquanz zum "Image" einer Stadt oder Region als Dienstleistungs- oder Produktionszentrum u.
dgl. (z.B. keine umwelt verschmutzenden Industrieansiedlungen) .
Drei Fallbeisoiele
Vor diesem Hintergrund sei nun weiter auf die Frage eingegangen, inwieweit
Regionalisierungsmaßnahmen
wirklich die von ihnen prätendierten Ziele (wie bessere
Situationsadäquanz, Planungsflexibilität, gleichgewichtiges Wachstum, Basismobilisierung und partizipation) erreichen. Angesichts der Vielzahl hier zu beachtender Faktoren und Einschränkungen,
wie sie oben aus diversen Theorien referiert wurden, sind die Chancen eher pessimistisch zu beurteilen.
Das zeigen auch die folgenden drei Fallbeispiele aus Lateinamerika, nämlich aus Nordost- brasilien,
Kolumbien und Peru. Dabei wird sich zeigen, daß selbst ein ausgefeiltes regionalpolitisches
Instrumentarium sozioökonomische Prozesse nur begrenzt zu steuern vermag.
Zunächst sei einiges stichwortartig zur historischen Entwicklung in Lateinamerika ausgeführt:
- Initiierung von Planung durch die CEPAL, der UN- Wirtschaftskommission für Lateinamerika, unter
Prebisch, seit 1948 (Planungsempfehlungen, Programmierungsstudien, Errichtung eines
Wirtschaftsplanungsinstituts, Ausbildung von Planern)
Anstöße durch die" Allianz für den Fortschritt" (Charta von Punta deI Este 1961), Bindung
amerikanischer Entwicklungshilfe an das Vorhandensein von Planungen; die kleineren Staaten sehen
sich dazu allerdings 1961 noch aus technischen und personellen Gründen außerstande
- etatistische Tradition
- Vorgabe von Rahmendaten seitens der CEPAL (10-Jahres-Pläne; compre
hensive plans)
Beispielu_..giQnalisierter Planunp;en: BRASILIEN
Allgemeines: Der Anteil des Staates an der brasilianischen Volkswirtschaft sowohl bezüglich des
Bruttoinlandspodukts als auch bezüglich der Bruttoanlagekapitalbildung beträgt ungefähr die Hälfte,
allerdings mit senkender Tendenz. Es ist aber eine Zunahme des Anteils der öffentlichen
Unternehmungen zu verzeichnen. Steuerreformen von 1965 - 68 schwächten finanziell die
Teilstaatregierungen. Jedoch wurde die Ausgabenstruktur dezentralisiert. Dazu kommen staatliche
Monopole, öffentliche Kredite, Steuerbefreiungen, Subentionen, Zölle gegen Konsumgüterimporte,
Erleichterung von Produktionsmittelimporten, die Förderung des Exports von Industrieprodukten.
.Regionale Entwicklungsplanung in Nordostbrasilien durch die Suden_ (Ent
wicklungsbehörde des Nordostens) 50
Ziele:
- Beendigung der fortdauernden und sich verstärkenden Peripherisierung des Nordostens durch
autozentrierte Entwicklung
- Bekämpfung der daraus folgenden sozialen Unruhen
- Uberwindung von Engpässen für die Nationalwirtschaft
Analyse:
- niedrigeres regionales Einkommen
- geringeres regionales Wirtschaftswachstum
- fehlende Investitionsgüterindustrie
- technische Rückständigkeit der Industrieanlagen
- Marginalisierung der Massen
- Diskriminierung des Nordostens (Subventionen und Industrialisierung vor allem im Süden,
Transferzahlungen des Nordens an den Süden, relativ höhere Steuerbelastung im Norden)
- Anfälligkeit der Landwirtschaft (Dürren)
Strategie:
- Forcierung der Industrialisierung zur Absorption von Arbeitslosigkeit - Umstrukturierung der
Landwirtschaft (Differenzierung der Erzeugnisse)
Abbau der Kapitalflucht
- Durchführung landwirtschaftlicher Ansiedlungsprogramme
- Erforschung und rationale Nutzung der regionalen Bodenschätze
Wirkungen:
- subregional und subsektoral unausgewogene industrielle Förderungspolitik (erneute sub
regionale Heterogenisierung)
- einseitige Förderung arbeitssparender Produktionsweisen(" high tech")
- Diskriminierung lokaler Unternehmer, Prämiierung "moderner" Unternehmen
- Beschränkung der Förderung auf Mittel- und Großbetriebe (unter Bevorzugung des Auslandes)
nicht Wachstumszentren, sondern Monopole wurden geschaffen
- Durchführung umfangreicher Infrastrukturmaßnahmen - Schaffung einer eigenen Basisindustrie
- Erhöhung der Grundqualifikation der Erwerbstätigen - erhöhte Mobilisierung und Partizipation
- allgemeines Wirtschaftswachstum
Planungsprobleme:
- mangelnde Koordination der Einzelpläne trotz Sudene
- ungenügende Steuerung durch indirekte Instrumente, keine Kontrolle über Banken
- Ausklammerung des Agrar-Sektors
ße.e;ional.e;esellsc4.!!:n__n-.i!!_Kolumbien. 51
Wirkungen:
- Verbesserung der Energieversorgung und der Standortbedingungen
- Ausbau der Bewässerungssysteme, Erhöhung der landwirtschaftlichen Pro duktivität
- Verbesserung des interregionalen Austausches
- Basismobilisierung durch Errichtung von Grundschulen sowie landwirtschaft liche Muster- und
Demonstrationsbetriebe
- Stimulierung zentralstaatlicher Reformprogramme
- einseitige Förderung der schon vorhandenen expansiven Wachstumszentren ohne" spreadeffects"
- Immigration in die Wachstumszentren
- fehlende Integralplanung, einseitige Förderung von large- scale-engineering
projects
_ep;ionalpolitik ill!. militär-reformistischen Peru 52
Wirkungen der velasquistischen Politik nachholender und polarisierter Ent
wicklung:
- Festschreibung der räumlichen Arbeitsteilung durch öffentliche Investitionen trotz
entgegengesetzter regional politischer Imperative
- Scheitern der Gründung von Industrieparks in unterentwickelten Regionen
- Verschärfung der Landflucht und interregionalen Einkommensunterschiede durch neue
\Vachstumszentren
- Dezentralisierung sekundärer und tertiärer Wirtschaftsaktivitäten (insb. Grundstoff- und
Metallindustrie)
auf nur wenige kompensatorisch Gegenpole zu Lima-Metropolitana
- lediglich relative" Blüte" subventionssicherer Rohstoffenklaven und Export industriezentren
- regionale Industrieansiedlungen, die nur mit qualifizierten Arbeitskräften aus Lima betrieben
werden können
Resümierend läßt sich feststellen, daß zwar eine höhere Beteiligung der Bevölkerung an den Zielen
von Entwicklung realisiert werden konnte, aber nicht ein ausgeglichenes regionales Wachstum. Das
Ergebnis ist also ambivalent. Der Partizipationseffekt ist sicherlich auf die größere örtliche Nähe von
Regionalplanungen zurückzuführen; die Tatsache einer Konstanz ungleichgewichtigen Wachstums
darauf,
daß im regionalen Rahmen die gleichen Machtstrukturen, Eliten und Bürokraten mit den gleichen
Konzepten vorherrschend sind wie auf der nationalen Ebene.
Daran könnten evtl. die Planungsprinzipien etwas ändern, die eine GTZPlanungsgruppe anhand ihrer
Arbeit in Süd-Minas (Brasilien) entwickelt hat, wie da sind: Problemorientierung (d.h. keine
allumfassenden Planungsansätze), sektorintegrierte Planung, enger Implementationsbezug (ständige
Kooperation zwischen Planern und Politikern), hohe Transparenz des Planungs- und
Entscheidungsprozesses,
logische Zäsuren für die Berichterstattung, phasen verschobenes Arbeiten, so daß die
Ergebnisse einer bereits realisierten Teilphse noch als Korrektur in die nächste Phase eingehen;
Steigerung der internen Arbeitsdisziplin und -systematik; Bevorzugung prägmatischer Analyse- und
Prognosemodelle gegenüber aufwendigen, überkomplizierten Verfahren. Wie der
Dezentralisierungsansatz jedoch in Verbindung mit anderen Planungsansätzen optimiert werden kann,
soll in der Schlußbetrachtung angerissen werden.
9 Resümee
Lange Zeit war das Thema: "Verwaltung und wirtschaftliche Entwicklung" kein Thema in der
wissenschaftlichen Diskussion. Das lag zum Großteil an der juristisch-positivistisch beschränkten
Tradition der Verwaltungswissenschaft in Deutschland. Das änderte sich erst zu Beginn der 70er Jahre,
als u.a. die "policyAnsatz" aus dem angelsächsischen Raum rezipiert wurde. Nun traten Fragen nach
der Interessenselektivität von politisch-administrativen Systemen, nach der Verselbständigung von
Verwaltungen, nach der Rekrutierung des Verwaltungspers0nals, nach der Problemwahrnehmung und
Informationsverarbeitung sowie nach der politisch-administrativen Steuerbarkeit ökonomischer und
sozialer Prozesse in den Vordergrund der Debatte.53 Zusammenhang wurde auch das Konzept der"
aktiven Politik" entwickelt, mit den Merkmalen einer autonomen und politikbestimmten
Programmentwicklung, der Verarbeitung übergreifender Zusammenhänge, einer prognostischen
Orientierung, einer umfassenden Interessenberücksichtigung sowie einer umwelt verändernden
Zielsetzung. 54 Verwaltungsdefizite führte Ellwein dabei auf Mängel der politischen Führung zurück,
Mayntz auf eine zu geringe Steuerungskapazität von Politik und Verwaltung und marxistische
Theoretiker entweder auf die Überforderung von Staat und Politik durch die Anforderungen des
Wirtschaftsystems und der Befriedigung der Massenbedürfnisse oder auf die strukturellen
Restriktionen staatlich-planender Tätigkeit im kapitalistischen Staat überhaupt. Diese kontroverse
Diskussion ist allein schon deshalb wichtig, weil hier nicht mehr nur das analysiert wird, was für die
politische und Verwaltungspraxis relevant ist, sondern darüberhinaus gesamtgesellschaftliche
Zusammenhäng mit einbezogen werden.
Das wurde auf die Untersuchungen von Verwaltungen in Entwicklungsländern übertragen. Hier
steht nicht mehr - wie noch zu Beginn der 60er Jahre - die Beschränkung auf die Verbesserung der
Organisations- und Managementfähigkeit von Administrationen im Mittelpunkt, vielmehr wurde das
Konzept der" development administration" entwickelt, das ausging von der administrativen Fähigkeit,
die wirtschaftliche Entwicklung steuern zu können. Da sich das bald als illusorisch erwies, wurde
dieser Ansatz in den 70er Jahren abgelöst von einem system theoretisch- funktionalistischen Ansatz,
der Verwaltung in ihrer Funktion für das Gesellschaftssystem thematisiert.
Dazu gehört auch, daß Entwicklungsverwaltung nicht mehr nur technokratisch - allein nach dem
ökonomischen Effizienzkriterium agierend - verstanden wird, sondern auch bezogen auf normative
Werte, die es durch Verwaltung zu realisieren gilt. Zunehmend Berücksichtigung fand dabei, daß es
unmöglich ist, die Wertewelt des industrialisierten Nordens in die Agrargesellschaften des Südens zu
transplantieren. Unter diesem Aspekt gewannen Strategien einer Basisverwaltung oder von autonomen
Institutionen an Bedeutung, die nicht den zentralisierten Verwaltungsstrukturen des Nordens
entsprechen. Autonome Institutionen vermögen leichter z.B. Konflikte durch Segmentalisierung von
Problemen zu entschärfen. Zudem sind sie - wie Basisorganisationen - kleiner und reaktionsfähiger. Sie
sind leichter durch die Öffentlichkeit zu kontrollieren, sie stehen miteinander in Konkurrenz, was die
Kreaktivität fördert. Auch Vorurteile hinsichtlich von Ämterpatronage sind zu überwinden, denn sie
braucht nicht unbedingt die Effizienz zu beeinträchtigen, wie das Beispiel der USA zeigt. Vielleicht
wäre nur wie dort das aufgrund politischer Konstellationen vergebene Amt zeitlich zu befristen. Das
Implementationsziel der Planung wird also dadurch erreicht, daß der Implementationsanspruch gesenkt
wird, d.h. man gibt nicht mehr vor, eine gesamte Region planend "von oben" erfassen zu können;
vielmehr wird die Entwicklung z.T. den Eigenaktivitäten der autonomen, unteren Instanzen überlassen.
Darauf muß auch die administrative Zusammenarbeit in der Entwicklungspolitik Rücksicht nehmen,
wie sie mittlerweile von fast allen Industriestaaten praktiziert wird. Diese Verwaltungshilfe besteht vor
allem aus administrativer Ausund Fortbildung von Beamten aus der 3. Welt, aus Beratung, aus
Forschung und Einzelstudien, aus Sachlieferungen und finanziellen Zuwendungen. Zurecht beklagt
jedoch Michael Protz, daß die bundesrepublikanische Verwaltungshilfe konturlos und ohne rechtes Ziel
sei.55
Kapitel 8
Möglichkeiten und Grenzen von Planung auf kommunaler und regionaler Ebene ein Weg aus der
Krise?
1Vorspann
Planung ist ein Kind der Krise. Wenn hergebrachte, traditionale Regelungsweisen versagen - sei es,
weil sie den geänderten sozialen und ökonomischen Verhältnissen nicht mehr angepaßt sind, sei es,
weil sie von den Bürgern nicht mehr akzeptiert werden -, so ist eine bewußte politische Entscheidung
über neue Regelungen vonnöten, die normalerweise möglichst präzise Angaben über das anzustrebende
Ziel, über die hierzu einsetzbaren Instrumente und Ressourcen (materiell und informationeIl) sowie
über die Möglichkeiten einer Erfolgskontrolle (Ziel - Ergebnis - Vergleich) umfassen. Das wird dann
landläufig als Plan bezeichnet, bzw. der Ablauf, in dem die genannten Elemente oder Phasen realisiert
werden, als Planung.!
Mit Planung versucht man, eine gesellschaftliche Entwicklung in eine solche Richtung zu bringen,
daß sie den Zielen eines Gemeinwesens entspricht. Andernfalls würde diese Entwicklung der Kontrolle
entgleiten und nicht erwünschte Wirkungen hervorrufen. Planung als ein Handeln, das möglichst
optimal die Zielvorgabe mit den vorhandenen Mitteln in Beziehung setzen will, ist nicht zu verwechseln
mit Planwirtschaft in dem Sinne, daß eine gesamte Wirtschaft gemäßeines nationalen,
zentralen Planes imperativ reguliert wird. Planung ist vielmehr in allen Gesellschaftsbereichen
anzutreffen: Ein Unternehmen plant den Absatz eines Produktes zur Steigerung des Ertrages; ein
Ministerium plant die Liberalisierung eines Wirschaftssektors; eine Hausfrau plant den Ablauf des
Tages; und eine Kommune plant die Stadtentwicklung. Planung - quasi eine ubiquitäre,
anthropologische
Konstante des menschlichen Daseins - ist durchaus vereinbar mit Instrumenten, die
nicht autoritativ-regelnden Charakter haben, sondern z. B. Anreize finanzieller und ideeller Art setzen.
Planung gibt es seit jeher, auch auf der kommunalen Ebene, sei es hinsichtlich des Verlaufs der
Stadtmauer oder sei es hinsichtlich des Wegenetzes.2
Diese Eigenart von Planungen legt die Frage nahe, ob nicht durch den konzentrierten und koordinierten
Einsatz von Planungsinstrumenten die z. T. krisenhaften Entwicklungen auf der kommunalen und
regionalen Ebene gesteuert werden können, wie z.B. Konzentration der Standorte in großen
Agglomerationen, Verslumung von Stadtteilen, Wegzug der Bürger ins Umland, Zerfall der
Stadtkultur, Verwüstung der Städte durch den Straßenverkehr, wachsende Kriminalität, usw.
2 Rechtliche Ansatzpunkte für kommunale Planungen
Betrachtet man das Baurecht in der Bundesrepublik Deutschland und die kommunale
Selbstverwaltungsgarantie (natürlich sind sie je nach Bundesland unterschiedlich ausgeprägt), so sind in diesem zentralen Gebiet kommunaler Tätigkeit - die Chancen zu einer erfolgreichen Steuerung nicht
unbedingt als schlecht zu bezeichnen. Grundlegend ist hier zunächst das Prinzip der gemeindlichen
Selbstverwaltung nach Art. 28 II GG, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der
Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Hierher gehört auch das Recht, Satzungen zu erlassen, mit
denen u. a. die Benutzung kommunalen Eigentums und der öffentlichen Einrichtungen, der
Anschlußund
Benutzungszwang an Wasserleitungen, die Kanalisation und Müllabfuhr, die Straßenreinigung und
ähnliche Einrichtungen, Schlachthöfe und Bestattungseinrichtungen sowie Bebauungspläne geregelt
werden.3 Gesetzgebungsrecht, sondern weithin gesetzesabhängig. Ebenso sind die Einnahmen und der
Stellen plan zum Großteil von staatlichen Vergaben vorgezeichnet. Zu diesen eigenen Aufgaben der
Kommune kommen übertragene Aufgaben (Wirkungskreise), die auf Weisung des Landes oder Bundes
zu erfüllen sind. Die Kommunen sind die hauptsächlichen Träger öffentlicher Einrichtungen und
verfügen von daher über ein erhebliches Verwaltungsvermögen. 4
Zentrale gemeindliche Planungsinstrumente wie Bauleitplanung und Flächennutzungsplanung fallen
unter die institutionelle Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes (trotz ihrer Einbindung in
übergeordnete Zusammenhänge), da diese Planungsformen" ganz entscheidend durch die
Berücksichtigung lokaler Besonderheiten und Interessen geprägt ist und daher zu jenen
Angelegenheiten mit ganz überwiegend örtlichem Bezug zählt, deren eigenverantwortliche
Wahrnehmung
den Gemeinden verfassungskräftig ...gewährleistet ist."5 gesetzgeberischen
Eingriffsmöglichkeiten in diese kommunalen Planungsrechte sind wiederum verfassung_mäßigen
Schranken unterworfen (Pflicht zur Beachtung des Gemeinwohls und des Ubermaßverbots,
Wesensgehalt des Art. 28 GG als nicht tangierbare Schranke überörtlicher Bestimmungen).
Das Bundesbaugesetz von 1960 mit seinen verschiedenen Novellierungen weist den Gemeinden
weitgehende Rechte zu, wie sie für die deutsche Geschichte erstmaligsind. Vor 1945 gab es lediglich
das Fluchtliniengesetz vom 2.7.1975, das die Gemeinden mit der Festlegung der Verkehrsflächen und
der Baugrenzen/linien beauftragte. In diesem Rahmen war bereits auch ein Bebauungsplan vorgesehen.
Das Preußische Wohnungsgesetz von 1978 ergänzte das Fluchtliniengesetz um weitere, bei der
Planung zu berücksichtigende Gesichtspunkte wie Gesundheit, Wohnungsbedürfnis, Belange des
Verkehrs usw. Dominant blieb jedoch die Baupolizeiordnung, die außerhalb der gemeindlichen
Kompetenz lag. Der Gesetzentwurf für ein Städtebaugesetz vom Juni 1926, der einen weitergehenden
Flächenaufteilungsplan in der Rechtsform gemeindlicher Satzungen vorsah, scheiterte.
Bedingt durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges, verabschiedeten die meisten
Bundesländer nach 1945 Aufbaugesetze6 schon deutlich Vorläufer der heutigen Flächennutzungs- und
Bebauungspläne sind. Im Flächennutzungsplan ist für das gesamte Gemeingebiet die sich aus der
beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren
Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darzustellen. Erst der daraus abgeleitete Bebauungsplan
erlangt aber unmittelbare rechtliche Außenwirkung gegenüber den
Grundstückseigentümern. Trotz der lediglich verwaltungsinternen Verbindlichkeit der
Flächennutzungsplanungen (inneradministrativer Rechtsetzungsakt) kommt ihnen jedoch dahingehend
eine potentielle große Bedeutung zu, da auf ihrer Basis die Koordination zwischen den verschiedenen
kommunalen und überkommunalen Fach- und Teilplänen noch am ehesten geleistet werden kann.
Hierzu trägt auch bei, daß nach 1 Bundesbaugesetz nicht weniger als 18 öffentliche und private Belange
gegeneinander und untereinander abzuwägen sind. Grundlegend und meist langfristig werden im
Flächennutzungsplan die planerischen Absichten der Kommune hinsichtlich der Standorte für
Wohnbau, Gewerbeflächen, Industrieansiedlungen, landwirtschaftlichen und Grünflächennutzungen
und der bebauungsfreien Flächen, aber auch hinsichtlich der daraus folgenden finanziellen
Engagements, festgelegt. Hinter solchen Festlegungen steht normativ ein Leitbild kommunaler
Entwicklungen, wie es von der Gemeindevertretung zumindest mehrheitlich verfolgt wird, sei es nun
das Leitbild der" gegliederten und aufgelockerten Stadt" wie in der Nachkriegszeit oder sei es das der"
Verdichtung" in den 60er Jahren 7
Flächennutzungspläne haben technisch-funktionale Aufgaben (Vorgabe des Wegenetzes und der
Infrastruktur), ästhetisch-gestalterische Aufgaben (Stadtbild) und wirtschaftlich-soziale Aufgaben
(Wirtschaftsförderung u. ä.). Die Koordinationsleistung der Flächennutzungspläne ist zu unterscheiden
von dem Versuch einer kommunalen Globalsteuerung mittels der sog. Stadtentwicklungsplanung, wie
sie in 1 Abs. 5 BBauG vorgesehen ist. .
"Eine Entwicklungsplanung der Gemeinden... ist eine Planung, die Zielvorstellungen für den
Gesamtbereich gemeindlicher Tätigkeiten oder für Teilbereiche aufzeigt oder aufeinander abstimmt.
Sie setzt den Rahmen für eine, insbesondere den sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen
Erfordernissen dienende, städtebauliche Entwicklung und Ordnung des Gemeindegebiets einschließlich
der raumwirksamen Investitionen de_ Gemeinde und deren Zeit- und Rangfolge."g ihres
bloßrahmensetzenden Charakters - allgemein als zu komplex und wenig flexibel erwiesen, so daß
zunehmend von ihnen Abstand genommen wurde.9 Steuerung der gesellschaftlichen
Gesamtentwicklung im kommunalen Bereich nach selbst definierten Zielvorstellungen"
vorzunehmenlO - unter Einschluß der Raum-, Zeit-, Finanzund Sozialdimension.
Diese Planungsansätze sind ähnlich wie die umfassenden simultaner; Programm-, Aufgaben- und
Finanzplanungen auf gesamtstaatlicher Ebene u. a. gescheitert am übergroßen Informationsbedarf, an
den Schwierigkeiten exakter Prognosen sowie an den unterschiedlichen Interessen, die von
verschiedenen Verwaltungseinheiten repräsentiert werden und die wegen ihrer externen Verankerung
im sozialen und verbandlichen Bereich nur schwer koordinierbar sind. Das stark formalisierte
Baurechtsverfahren erwies sich außerdem als nur schwer integrierbar.u wesentlichen nur
übriggeblieben die Landesentwicklungspläne und -programme, an denen sich ja auch die Bauleitpläne
im Rahmen deren Genehmigung durch den Regierungspräsidenten orientieren müssen. Zudem finden
sich Rudimente in sektoralen Entwicklungsplanungen.12 Sieht man von dieser immer mehr in den
Hintergrund
tretenden "Meta-Ebene" ab, so war und ist für die absehbare Zukunft das zentrale
Planungsinstrument der Gemeinden der allgemein rechtsverbindliche, exekutierbare und einklagbare
Bebauungsplan, der grundsätzlich auf einem Flächennutzungsplan beruht. In ihm wird u. a. festgelegt:
Art und Maß der baulichen Nutzung;
Bauweise; Mindestgröße und Mindesttiefe der Grundstücke; Flächen für den Gemeinbedarf;
Wohn-, Verkehrs-, Grün- und Gewerbeflächen; usw.13 In diesem Rahmen stehen den Gemeinden z. T.
tiefgreifende Rechte zur Verfügung.
1. Bauvorhaben müssen von ihr auf der Basis des Bebauungsplans genehmigt werden. Eine
Genehmigung ist auch davon abhängig, daß der Straßenanschluß, die Versorgung mit Licht, Wasser
und Kanalisation sowie das Vorhandensein weiterer Infrastrukturein- richtungen gesichert sind.
2. Um die Ziele eines Bebauungsplanes langfristig sichern zu können, kann die Gemeinde nach §§ 4 bis
18 eine Veränderungssperre beschließen, des Inhalts, daß erhebliche oder wesentlich wertsteigernde
Veränderungen der Grundstücke nicht vorgenommen werden dürfen. Die Veränderungssperre muß als
Satzung beschlossen werden und ist von der höheren Verwaltungbehörde zu genehmigen. Eine
ähnliche Zielsetzung hat die Zurückstellung von Baugesuchen § 15 , nach der die
Baugenehmigungsbehörde die Entscheidung über die Zuläs&igkeit eines Vorhabens bis zu zwölf
Monaten aussetzen kann, wenn negative Auswirkungen auf den Bebauungsplan zu befürchten sind.
3. Grundstücksteilungen und Grundstücksverkäufe sind genehmigungspflichtig.
4. Nach 24 bis 25a haben die Gemeinden ein gesetzliches Vorkaufsrecht, das seit 1976 auch als Mittel
einer Bodenbevorratungspolitik angewandt werden kann.
5. Weiterhin stehen Duchführungsgebote zur Verfügung: Anordnung von Baumaßnahmen, Pflanzgebot,
Nutzungsgebot, Abbruch!(ebot, Erhaltung baulicher Anlagen. Die Gebote können durch die
Duldun[:spflicht seitens der Badennutzer ( 39 f) oder durch die Aufhebung, Beendigung und
Verlängerung von Miet- und Pachtverhältnissen ( 39 g) durchgesetzt werden.
6. Zur Realisierung der Ziele des Bebauungsplans können Grundstücke im Rah
men des sogenannten Umlegungsverfahrens ausgetauscht werden.
7. Als weitreichendstes Instrument ist das der Enteignung zu nennen, die allerdings nur unter Beachtung
gesetzlich eng umrissener Voraussetzungen zum Einsatz kommen kann.
8. Die Gemeinde hat das Recht und die Pflicht, für bauliche Maßnahmen und für die sonstige Nutzung
die
erforderlichen Flächen bereitzustellen (Straßen, Wege, Plätze usw.). Dafür hat sie grundsätzlich die
Kosten zu tragen, Grundstückseigentümer können allerdings mit einem Beitrag zu den
Erschließungskosten
herangezogen werden.
9. Nach dem Städtebauförderungsgesetz von 1971 kommt das Recht hinzu, Gebiete, die städtebauliche
Mißstände aufweisen, förmlich zu Sanierungsgebieten zu erklären. In solchen Gebieten können
Ordnungsmaßnahmen (wie Umzug der Bewohner und Betriebe; Beseitigung baulicher Anlagen u. dgl.)
sowie Ballrnaßnahmen (Neubau, Modernisierung, Errichtung von Ersatzbauten usw.) angeordnet
werden, um das Ziel einer Sanierung des betreffenden Gebietes zu erreichen. Sanierungen werden mit
Mitteln des Bundes und der Länder finanziell gefördert. (vgl. insgesamt BGBl. 1. S. 2318)
Trotz aller gesetzlichen Beschränkungen kann das Satzungsrecht in der Städtebauförderung und im
städtebaulichen Planungsverfahren allgemein dadurch wirksam zur Anwendung kommen, daß nach der
neueren Rechtslehre den Kommunen im (städtebaulichen) Planungsrecht ein weitgehender
Ermessensund
Abwägungsspielraum konzediert wird.14 als inneradministrative Rechtsetzungsakte mit Verbindlichkeit
lediglich für die Verwaltung - in weiteren Bereichen über den Städtebau im engeren Sinne
hinaus kommunale Rechtsetzungsakte zur Planung z. B. der Schul- oder der Verkehrsentwicklung
(Schulentwicklungs- und Generalverkehrspläne). Zu nennen sind hier weiterhin Grünordnungen,
Kindergartenbedarfsplan, Altenhilfeplan, Jugendhilfeplan. Auch wenn es sich bei diesen Planungen oft
nur um Datensammlungen, Trendextrapolationen und Skizzen handelt, so stellen doch solche
Rudimente die unentbehrliche Grundlage darauf aufbauender, ausgebauter Planungen dar. Die bloß
inneradministrative Rechtswirksamkeit hat zur positiven Kehrseite, daß dieses Instrument flexibler zu
handhaben ist, weil die Fülle gesetzlicher Verfahrensvorschriften wie bei Eingriffen in die Rechte der
Bürger (z. B. bei Polizei verordnungen) nicht zu beachten sind.
"Zu den Instrumenten normativer Außensteuerung gehört neben der Satzung die Rechtsverordnung."
15 aufgrund ihrer Selbstverwaltungsautonomie tätig, sondern aufgrund einer einfachen Delegation aus
einem (staatlichen) Gesetz. Die Aktivität der Gemeinde - meist als unterer Verwaltungsbehörde - leitet
sich aus einem bestimmten Fachgesetz ab (z. B. im Natur- und Landschaftsschutzrecht). " Anders als
bei Satzungen kann von der Ausbildung eines zweiten, in der Normstruktur eigenständigen
planerischen Typus bei kommunalen Verordnungen nicht gesprochen werden." 16 darin, daß eine
Satzung nur Einrichtungen der Gemeinde, nicht aber Dritte zu erfassen vermag, während
Verordnungen für alle gelten.
3 Instrumentelle Planungen
Ansatzpunkte
kommunaler
Zusätzlich zu den boden- und baurechtlichen Kompetenzen der Gemeinde stellen die wirtschaftlichen
Tätigkeiten und Unternehmen einen weiteren, wesentlichen Bereich gemeindlicher
Gestaltungsmöglichkeiten darP zu nennen, die nach den Sparkassen gesetzen der Länder der
Bevölkerung Gelegenheit zur sicheren und verzinslichen Anlegung von Ersparnissen geben sowie das
Kreditbedürfnis der Kommunen befriedigen sollen.18
Seit einigen Jahren vermitteln kommunale Wohnungsämter Wohnungen. Kommunen beteiligen sich
an Wohnungsbaugesellschaften. Es gibt die gemeindlichen Verkehrs-, Energie- und
vVasserversorgungsbetriebe. Die Rechtsform der kommunalen wirtschaftlichen Unternehmungen kann
öffentlich-rechtlich (Anstalt, Regiebetrieb u. dgl.) sein oder privatrechtlich (GmbH, AG). Kommunale
Energiebetriebe sind z. B. oft privat rechtlich organisiert. Solche Betriebe sind jedoch nur begrenzt im
Rahmen umfassenderer Planungen einsetzbar, da sie nach betriebsund privatwirtschaftlichen
Rentabilitätskriterien geführt werden. Angesichts der begrenzten Wirkungskraft des Satzungsrechts
gewinnen privatrechtliche Vereinbarungen der Kommunen zunehmend an Bedeutung. Die Stadt kann
als Vermieter auftreten und die Vermietung von bestimmten Auflagen abhängig machen, die ihren
Zielen und Planungen entsprechen. Das kommunale Eigentum und Vermögen kann sowieso zumindest
z. T. instrumentell in diesem Sinne eingesetzt werden, wenn z. B. die Gemeinde ihr Hausrecht nutzt.
Die Gemeinde verfügt über ein gewisses Potential wirtschaftlicher Ressourcen, auch wenn sie die
Höhe der Steuereinnahmen sowie den horizontalen und vertikalen Finanzausgleich nur peripher
beeinflussen können. Dazu kommen die öffentlichen Einrichtungen des Bildungs-, Sozial-,
Gesundheits- und Sportwesens (Schulen, Museen, Krankenhäuser, Jugendheime, Altenheime, Bäder,
Sportstätten, auch Verwaltungsgebäude, Fuhrpark, usw.). Diese materiellen, finanziellen und - nicht zu
vergessen - auch umfangreichen personellen Ressourcen können - koordiniert im Rahmen eines
Planungsprozesses eingesetzt- insgesamt von nicht unerheblicher Gestaltungskraft sein.
In diesem Sinne wohnt allen Fachkompetenzen der Kommune ein Planungsmoment inne: Die
Stadtbibliothek hat einen Anschaffungsplan, es gibt eine Personalplanung, usw.
4 Implementationshemmnisse kommunaler Planungen
Die grundgesetzlich statuierte kommunale Selbstverwaltungsgarantie ist z. T. nur Illusion, weil die
kommunalen Planungen in vielfältige bundes- und landesrechtIiche Vorgaben eingebunden sind.
Vorrangig ist hier zu nennen die Landesentwicklungsplanung, an die die Bauleitplanung ausgerichtet
werden muß.19
I Das Satzungsrecht der Kommunen ist von den gesetzichen Vorgaben sehr eingeengt. Im
finanzwirtschaftIichen Bereich sollen sich die Kommunen in ihrer Finanz- und Investitionsplanung an
den zentralstaatlichen Leitsätzen der jeweiligen Konjunkturpolitik orientieren, wie es z. B. in 19
Stabilitätsund Wachstumsgesetz vorgesehen ist (Einbeziehung der Gemeinden in die antizyklische
Kreditbeschränkung)20 Einnahmen nicht von der Kommune bestimmbar.
II Das zentrale kommunale Gestaltungsrecht, die Bauleitplanung, ist im wensentIichen instrumentell
prohibitiv, nicht aber imperativ ausgerichtet, wie es den Grundprinzipien einer liberalen
Gesellschaftsordnung entspricht. Es ist z. B. bei bestehenden Bauleitplänen nur schwer zu verhindern,
daß die Wohnnutuzng bestimmter Stadtteile geändert wird: Familien werden verdrängt (u. a. wegen
hoher Mietpreise) und ersetzt durch Studenten oder Ausländer, die nicht so hohe Wohnansprüche
haben. Das hat oft zur Folge, daß Stadtviertel verkommen und dann modernisiert werden müssen.
Diese Modernisierung vollzieht sich in Form der Errichtung rentabler Eigentumswohnungen, die nur
kaufkräftige Schichten erwerben können - ein ganzer Stadtteil kann derart sukzessive städtebaulich und
sozial umstrukturiert werden, ohne daß dem entgegengesteuert werden kann.
III Die verstärkte Bürgerbeteiligung in Planungsprozessen hat natürlich einerseits den Vorteil, daß
dadurch Planungen von den Betroffenen mitgetragen werden (und derart die für Planungen
erforderlichen Informationen auch bereitgestellt werden), andererseits bedeutet "Bürgerbeteiligung" im
Falle eines Konflikts zwischen Bürgern und "Verwaltung" natürlich auch zumindest potentiell eine
Verzögerung, wenn nicht gar Verhinderung des Planungsverfahrens.
IV Die Kommunen wurden mit zahlreichen sozialstaatIichen Aufgaben belastet, ohne daß ihre
finanzielle
Ausstattung dementsprechend ausgeweitet worden ware.
V Auch räumliche Ressourcen stehen vor allem in Großstädten für eine weitreichende Planung nur
begrenzt zur Verfügung.
VI Die zunehmende VerrechtIichung der Flächennutzungs- und Bauleitplanung hat zur Möglichkeit
(und
Realität) vermehrter Klagen geführt - mit planungsverzögernden oder gar planungsaussetzenden
Wirkungen. Bei der Vielzahl zu beachtender Vorschriften sind Behörden oft überfordert, so daß
Verfahrensfehler
schnell entstehen.21
VII Sozial- und Umweltplanungen stellen neuartige Herausforderungen dar, für die die bisherigen
Instrumente, Erfahrungen und Kenntnisse nicht ausreichen.
VIII Als Ergebnis der Planungsdebatte der 7aer Jahre ist überhaupt allgemein festzuhalten, daß in
liberalsozialstaatIichen
Systemen ökonomische und soziale Prozesse nur begrenzt steuerbar sind - es sei denn,
man ist bereit, weitgehend Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bürger in Kauf zu nehmen. Das kann
jedoch auch paradoxe, nicht erwartete Nebeneffekte zur Folge haben: z. B. führte die sozial- und
gesellschaftspolitisch motivierte bessere Absicherung der Mieter - neben anderen Gründen - zu einem
Rückgang der Investitionen für den Mietwohnungsbau, so daß sich die Position der Mieter angesichts
der entstandenen Knappheit preisgünstiger \Vohnungen insgesamt evtJ. sogar verschlechtert hat.
IX Z. T. sind Planungen.aufgrund der Eigenart des zu regelnden Sozialbereiches prinzipiell nur schwer
durchführbar. So klagen z. B. die Sportstättenplaner über den schnellen und schwer prognostizierbaren
Wandel der Bedürfnisse: Heutzutage sind infolge des Boris-Becker-Booms Tennisanlagen gefragt, und
Fußballplätze sind nicht mehr ausgelastet. Aber wer könnte es - einen derart modischen und vielleicht
nur kurz andauernden Trend vor Augen - verantworten, nun vermehrt Tennisanlagen zu bauen?
X Die Schulentwicklungsplanung hat mit der Schwierigkeit doppelter Kom petenzstränge zu
kämpfen: das Land ist zuständig für die personelle Ausstattung der Schulen mit Lehrpersonal, während
die Gemeinden die sachlichen und baulichen Voraussetzungen zu leisten haben - gemäß bestimmter,
wiederum vom Land vorgegebener Richtsätze.22 sich in den Altenhilfeplänen der Sozialämter, die sich
in diesem Bereich mit den Wohlfahrtsverbänden koordinieren müssen. Das gilt auch für die
städtebauliche Sanierung und Entwicklung nach dem Städtebauförderungsgesetz; denn Bund, Länder
und andere Körperschaften entscheiden hier über den Einsatz der Mittel gemeinsam. Sie finanzieren
jeweils ein Drittel der Gesamtkosten, die zur Verfügung gestellt werden; es hat sich hier zudem keine
einheitliche Rechtssystematik entwickelt. Dadurch entstehen erhebliche Verwaltungsund
Verfahrensaufwendungen.23
Das sich hier niederschlagende Subsidiaritätsprinzip, daß nämlich nach Möglichkeit die jeweils untere
und kleinere Einheit (Kommune, Verband u. dgl.) die öffentlichen und privaten Aufgaben erledigen
soll (soweit sie hierzu in der Lage ist), soll allerdings hiermit nicht nur in einem negativen Licht
erscheinen. Denn dieses Prinzip sichert die Orts- und Problemnähe bei der Bewältigung der jeweils
anstehenden Aufgabe. Da in einer komplexen Gesellschaft aber nicht alles dezentral durchzuführen ist,
hat dieses Prinzip was nicht vergessen werden sollte - zur Kehrseite einen wachsenden
Koordinationsbedarf
zwischen den beteiligten Stellen, der Planung erschwert.
XI Allgemeine Planungsprobleme, die nicht nur die Kommune betreffen (z. B. hinsichtlich der
Möglichkeit einer konsistenten Ziel konstruktion , einer Gewichtung und Operationalisierung der Ziele
oder der Evaluation von Wirkungen und Ergebnissen) sollen nicht Erwähnung finden.
5 Rechtliche Ansatzpunkte für regionale Planungen
Mit Inkrafttreten des Bundesraumordnungsgesetzes im Jahre 1965 sind für nahezu alle Stufen der
Verwaltung Raumplanungen vorgesehen, die untereinander und mit den kommunalen Planungen zu
koordinieren sind. Dabei sind die jeweils übergeordneten Planungen maßgebend für die
nachgeordneten. In ihnen werden die allgemeinen Leitlinien rechtsverbindlich festgelegt, die dann auf
den weiteren Planungsebenen zu berücksichtigen und zu konkretisieren sind.24 abhängig von den
Informationen, die die untere Ebene gibt - oder verweigert, so daß das Verfahren nicht
einseitigautoritativ
sein kann. Daher wurde das hierarchische Konzept auch formell ergänzt um das sogenannte
Gegenstromprinzip, nach dem die obere Ebene die Bedürfnisse der unteren zu beachten hat. Auch sind
die unteren Ebenen in den Planungsbeiräten höherer Instanz vertreten (z. B. in den
Bezirksplanungsräten Nordrhein-Westfalens, die bei den Bezirksregierungen gebildet werden und die
sich überwiegend aus kommunalen Vertretern zusammensetzen).25 Das rechtliche Instrumentarium der
Bundesländer reicht von der Anpassungspflicht kommunaler Bauleitpläne an die landesplanerischen
Vorgaben (z. B. Landesentwicklungsprogrammen in Gesetzesform) bis zur Aufsichts- und
Planungsbefugnis des Landes z. B. gegenüber Landesplanungsgemeinschften. Es gibt zudem
landesplanerische Veränderungssperren, für verbindlich erklärbare Flächensicherungspläne, ein eigenes
Widerspruchsrecht sowie in Ausnahmefällen die Zurückstellung von Baugesuchen, dazu kommt als
Durchsetzungsmittel die allgemeine Kommunalaufsicht.
6 Instrumentelle Ansatzpunkte für regionale Planungen
In der regionalen Raumordnung sind vor allem folgende Instrumente von Bedeutung: Grundlage sind
das Bundesraumordnungsprogramm mit den darauf fußenden Landesentwicklungsplänen (die
Terminologie schwankt hier von Bundesland zu Bundesland). In ihnen wird mit rechtlicher Wirkung,
unter Integration raumwirksamer Fachplanungen, die überörtliche Entwicklungskonzeption
(Entwicklungsschwerpunkte, zentralörtliches Netz, Entwicklungsachsen) für das Bundesgebiet, für die
einzelnen Bundesländer und für die Regionen unter Zuhilfenahme auch zeichnerischer Darstellungen
umrissen. Instrumente zur Erarbeitung der Pläne sind: das Raumordnungskataster, in dem alle
wichtigen Maßnahmen zur Flächennutzung eingetragen werden; die Informationspflicht der Behörden;
die landesplanerischen Gutachten zur Unterrichtung der Gemeinden; sowie die Raumordnungsberichte
zur Darstellung der weiteren Absichten der jeweiligen Regierung. Zur Umsetzung dieser Vorgaben
wird ein Raumordnungsverfahren durchgeführt, mit dem festgestellt wird, ob einzelne kommunale
Vorhaben mit den allgemeinen, übergeordneten Plänen übereinstimmen.
7 Implementationshemmnisse regionaler Planungen
I Zentrales, im Grundgesetz (Art. 72) festgelegtes Ziel der Raumordnungspolitik ist die Einheitlichkeit
der Lebensverhältnisse in allen räumlichen Bereichen der Bundesrepublik Deutschland. Auch wenn das
nicht im Sinne eines Egalitarismus zu verstehen ist, sondern in dem Sinne, daß die von verschiedenen
Räumen unterschiedlich wahrgenommenen Funktionen (Erholung), Wohnung, Arbeiten usw.)
gleichberechtigt zu behandeln sind, so ist doch - trotz aller raumordnungspolitischen Maßnahmen- eine
z. T. wachsende Diskrepanz im Entwicklungsniveau von Regionen festzustellen. Die Verwaltungs- und
Industriezentren expandierten weiter zu Lasten der Peripherien. Und wenn es gelingt, in diesen
Peripherien Subzentren zu schaffen, so ging dies wiederum nur auf Kosten der verbleibenden
Peripherie, die vergleichsweise stagnierte, bzw. sich rückläufig entwickelte. Der Trend zu Zentren
scheint ein nur schwer umkehrbarer Prozess zu sein, der mit den Effizienz- und
Kommunikationsvorteilen in den großen Agglomerationen zusammenhängt - ein Trend, der durch die
Kommunal- und Funktionalreform und durch die Ablösung der Kleinkrankenhäuser zugunsten einer
Spezialisierung im Krankenhauswesen gefördert wird.26 27
II Die direkten, prohibitiven Instrumente der Raumordnungspolitik (Ansiedlungsverbot,
Investitonsverbot, Zuzugsbeschränkung, Ansiedlungsgebot) sind nur begrenzt wirksam, da sie sich
meist nur auf einzelne Objekte, nicht aber auf größere Flächen beziehen. Die indirekten Instrumente,
wie sie in Form vor allem von staatlichen Investitionszuschüssen im Rahmen der Bund-LänderGemeinschaftsaufgabe eingesetzt werden, weisen zwar Erfolge auf, indem z. B. in strukturschwachen
Gebieten investiert wird. Es kann dabei jedoch nicht genau unterschieden werden, ob die Investition
nun aufgrund des Zuschusses bzw. aufgrund einer analogen Unterstützung (z. B. Sonderabschreibung)
erfolgte, oder ob sie nicht sowieso unternommen worden wäre, und man den Zuschuß nur als
willkommene Zugabe mitnahm (" Mitnahmeeffekt"). 28
III Als nahezu unüberwindlich erweisen sich die Probleme bei der rechtlich gebotenen vertikalen (BundLand-Gemeinde) und horizontalen (zwischen Fachressorts) Koordination der Planungen. Angesichts
der Divergenz der Interessen einigt man sich hier oft nur auf den kleinsten Nenner (indem z. B. ein
Drittel des Bundesgebietes als f6rderungswürdig deklariert wird) oder man vertagt das Problem, oder
man einigt sich auf den Besitzstand. Man kann auch die Entscheidungen derart segmentieren, daß sie
als einzelne mit dem anstehenden Problem nur noch wenig zu tun haben. Schließlich neigt die Politik
bei starken Interessendivergenzen dazu, das ganze auf die Verwaltung abzuschieben, die damit jedoch
oft überfordert ist.29 Das Koordinationsproblem ist nicht nur durch die Unterschiedlichkeit der
Interessen zu vestehen, sondern auch durch die Unterschiedlichkeit der Planungstypen
(fachspezifische/raumspezifische Planungen) mit je unterschiedlichen Zeithorizonten,
Informationsbedürfnissen, administrativen Orientierungen, Entscheidungsstrukturen, Aufbau- und
Ablauforganisationen usw.30
IV Die Raumordnung verfügt (ähnlich übrigens wie die zweite zentrale Querschnittspolitik, der
Umweltschutz) über eine zu geringe institutionell gesicherte Steuerungskapazität. Von ihr Belangen
betroffene, andere Politikbereiche (z. B. Agrarpolitik) vermag sie kaum in ihrer Eigendynamik zu
beeinflussen.
8 Schlußbetrachtung
Versucht man ein Quintessenz aus dem Gesagten zu ziehen, so kommt es,will man die
Planungsfci.higkeit verbessern, nicht so sehr auf eine Verstärkung des rechtlichen Instrumentariums an,
das z. T. ja vorhanden ist und eben nur nicht vor Ort angewandt wird. Das hatte ja die sogenannte
Implementationsforschung zum Ergebnis, wie sie Mitte der 70er Jahre auch in der Bundesrepublik
Deutschland als Folge des desillusionierenden Scheiterns von Planungs- und Reformvorhaben der
sozialliberalen Koalition entstand. Die Skepsis gegen das alleinige Vertrauen auf rechtliche Satzungen
wird auch dadurch gefördert, daß strenge Normen nicht selten eher dazu provozieren, umgangen zu
werden. Zudem vermögen gesetzliche Normen nur schwer zu motivieren.
Worauf es ankommt, ist der politische Wille und die politische Kapazität zur Implementation des
Geplanten - und zwar nicht durch einen schieren politischen Dezisionismus und Autoritatismus,
sondern im Rahmen und mit den Mitteln, die der sozialstaatlich- demokratische Verfassungs- und
Rechtsstaat vorgibt. Hier ist der Titel einer von Paul Kevenhörster herausgegebenen Veröffentlichung
aufzugreifen: "Lokale Politik unter exekutiver Führerschaft"31 Hier ist auch auf die Thesen von
Banner zu verweisen, indem vor allem für den süddeutschen Gemeindeverfassungstyp mit einem
starken präsidentiellen Oberbürgermeister plädiert wird. Die Frage, die sich hier direkt anschließt, ist
die, wie das optimaler zu organisieren wäre: Soll die Führung dadurch gestärkt werden, daß ihr ein Stab
zugeordnet wird, der allerdings - wie bekannt - entweder mehr "über" der Verwaltung schwebt und von
dieser z. T. als "wesensfremdes Element" abgelehnt wird, oder der umgekehrt ein derartiges
Eigengewicht gewinnt, daß er von der Führung nicht mehr kontrolliert werden kann. Das gleiche gilt
für die diversen Promotoren-Modelle.
Unter dem Aspekt praktischer Empfehlung ist zur Stärkung der Führungsposition vor allem an
folgende Maßnahmen zu denken:
- Ausbau der zentralen Verwaltungsaufgaben auf dem Gebiet der Organisation
und der Datenverarbeitung,
- Schulung der Führungskräfte hinsichtlich der Personallenkung, der Personal
und Nachwuchsplanung, der sozialen Betreuung usw.,
- Ausbau leistungsorientierter Kontrollen32
- eine systematische Aufgabenkritik (Zweck- und Vollzugskritik) , um ggf. unnötigen
administrativen Ballast abwerfen zu können.
Das Beispiel einer Führung durch Koordination und Projektmanagement ist das Planungsmodell der
Stadt Nürnberg. Im Jahre 1970 kam es aufgrund eines Auftrages des Oberbürgermeisters von N
ürnberg zum Entwurf eines Stadtentwicklungsplanes durch die Projektgruppe 'Stadtberatung' des
Kommunalwissenschaftlichen Forschungszentrums Berlin für die Stadt Nürnberg. In einem ersten
Bericht der grundsätzlich entscheidungsorientiert arbeitenden Projektgruppe wurde eine Empfehlung
zur Einrichtung eines 'Ausschusses für Stadtforschung, Stadtentwicklung und Stadterneuerung (AFS)'
sowie auf seiten der Verwaltung einer' Arbeitsgruppe Nürnberg-Plan (AGN)' mit einem zentralen
Planungsstab - später 'AGNS (tab)'- ausgesprochen. Nach Gründung dieser Gremien erwies sich die
'AGN' als die wesentliche Koordinationsstelle der Nürnberg-Planung. Ihr gehörten der
Oberbürgermeister als Vorsitzender, ein Bürgermeister, ein berufsmäßiges Stadtratsmitglied für
Wirtschaftswesen als Geschäftsführer sowie übrige Referenten respektive ihre Vertreter, Mitglieder des
'AGN-S' und eine Reihe von Fachplanern an. Diese Arbeitsgruppe setzte zur vorbereitenden Planung
einzelne Projektgruppen ein, in denen jeweils ein Vertreter des' AGN-S' mitarbeitete. Die
Projektgruppen
beschäftigten sich mit der Planung der Bereiche Investitionen und Finanzen, Soziales (mit
Untergruppe Umweltschutz), Verkehr, Versorgung und Wirtschaftsförderung sowie
Hochschulangelegenh_iten. Weitere Schwerpunkte der planerischen Gruppenarbeit lagen auf dem Feld
Offentlichkeitsarbeit, der Entwicklung eines kommunalen EDV-Informationssystems und der
Planungsdokumentation.
Hauptaufgaben des AGN-Stabes sollten die Durchführung und Koordination der
Grundlagenforschung, der Aufbau eines gemeindlichen Informationssystems, eine integrierende
Investitionsplanung sowie die Betreuung der Regionalbezeichnungen und der Öffentlichkeit sein. Die
Hauptaufgabenbereiche wurden also sowohl von den jeweiligen Projektgruppen als auch vom AGNStab
betreut. Wichtig ist, daß dabei die exekutive Führung gewahrt bleibt.
Als besonderer Vorteil der auf diese Weise strukturierten Organisationsform wurde die Integration
relativ vieler Verwaltungsangehöriger angesehen, die zu einem Aufbruch tradierter
Autonomietendenzen der Verwaltung und dadurch zur Verringerung des zu erwartenden
Konfliktpotentials beitragen sollte. Ein entscheidender Nachteil wurde in dem zur Implementation
dieses Planungsmodells notwendigen Kommunikationsaufwand gesehen. Im politischen Bereich bedarf
es besserer Mechanismen bei der Auswahl des Führungspersonals sowie eine Intensivierung der
Transmissionsfunktion von Parteien zwischen Bürgerschaft und politisch-administrativem System, um
derart die notwendige Unterstützung für die Durchführung von Planungen mobilisieren zu können.33
Führung darf nicht bedeuten, daß man sich über die Verwaltung oder gar die gesetzgebenden
Körperschaften hinwegsetzt. Sie muß vielmehr das Informationspotential der Verwaltung, die
Zielsetzung der Gemeinderäte sowie die relevanten Interessen in ein einheitliches Konzept zu
integrieren suchen. Voraussetzung dafür ist natürlich, daß Führung und demokratische Vertretung
solche Zielvorstellungen und Leitbilder entwerfen. Stehen solche Leitbilder fest, so ist es Aufgabe der
politischen Führung, sie durchzusetzen. Das schließt natürlich nicht aus, daß sie den Zeitumständen
anpaßbar bleiben müssen.
Die Notwendigkeit politischer Führung bezieht sich nicht nur auf den kommune-internen Bereich,
sie ist auch gegenüber den staatlichen Instanzen von Ländern und Bund vonnöten. Ihnen gegenüber
kann jedoch nur dann Durchsetzungspotential entwickelt werden, wenn sich die Kommunen
untereinander vermehrt koordinieren (es gibt dazu ja bereits Gremien und Organisationen: Städtetag u.
dgl.) und damit die Konkurrenz zwischen ihnen reduzieren. Hierzu sind in der KommunalwissenschaCt
institutionalisierte Kontraktsysteme entwickelt worden, in dessen Rahmen die Gemeinden eines
bestimmten Raumes eine Vielzahl von Maßnahmen multilateral, nicht zentral gemeinsam entscheiden,
und zwar derart, daß die dabei entstehenden jeweiligen Vor- oder Nachteile in der Gesamtbilanz aller
Maßnahmen ungefähr gleichmäßig auf alle Gemeinden verteilt werden. Das
System ist nur dann stabil, wenn z. B. einer Gemeinde garantiert wird, daß ihre gegenwärtigen
Nachteile in der Zukunft durch Vorteile kompensiert werden. Es werden "Maßnahmen-Pakete"
geschnürt, die über einen fängeren Zeitraum für alle Beteiligten sowohl Vor- als auch Nachteile
enthalten.34
Erfolgreiche Implementation von Planungen ist auch davon abhängig, daß. möglichst gen au anhand
expliziter Kriterien gemessen wird, ob das gesetzte Ziel auch erreicht worden ist. D. h. die Evaluation
im Sinne eines Ziel-Mittel-ErgebnisVergleichs gehört integral mit zum Planungsprozeß selbst. Wie bei
den anderen Phasen des Planungsprozesses sollte man auch in dieser letzten Phase der Evaluation nicht
einem technokratischen Steuerungsglauben verfallen, der den Zielerreichungsgrad wohlmöglich
quantitativ exakt erfassen will, um dann bei Zielabweichung gegensteuern zu können. Auch Evaluation
ist ein politisch zu betrachtendes Phänomen, was natürlich die Anwendung z. B. quantifizierender
Kosten-NutzenAnalysen in begrenzten Bereichen nicht ausschließt. Aber die Diskussion der
Evaluationsmethodologie
des letzten Jahrzehnts hat gezeigt, daß solche Methoden nur das messen, was
sich quantifizieren läßt- und das ist nur ein Teil dessen, was Politik und Lebensqualität ausmacht.
Daher beruhen neuere Evaluationstechniken wie die Nutzwertanalyse auf subjektiv normativen
Einschätzungen hinsichtlich der Rangfolge z. B. von Zielen oder Beurteilungskriterien. Eine solche
Rangfolge wird nun nicht mehr schein-wissenschaftlich, sondern politisch, durch eine politisch
bewußte Entscheidung begründet. Neben der ökonomischen Rationalität (Effizienz des ZielMittelEinsatzes) bedarf es zusätzlich einer politischen Rationalität.35
Diese politischen Beurteilungskriterien werden natürlich von den demokratischen
Vertretungskörperschaften sowie von der politischen Führung festgelegt. Ob diese Festlegung nun
wiederum ihrerseits rational ist, kann im Medium der lokalen und allgemeinen öffentlichen Diskussion
erörtert und über den Wahlmechanismus in den Entscheidungsprozeß eingehen.36
Kapitel 9
Zusammenfassung und Perspektiven
Der Negativkatalog hinsichtlich der Möglichkeit von Planung ist lang. Hier selen abschließend nur
einige wesentliche Faktoren aufgeführt:
Zwar ist in der Außenpolitik bei militärischer Gewalta !wendung und bei einer asymmetrischen
internationalen Konstellation( sprich: d, r militärischen Überlegenheit einer Seite) mit einer hohen
Chance der Plan mgsimplementation zu rechnen, wie der FalklandjMalvinas-Konflikt zeigt; abe hierbei
dürfen die finanziellen und politischen Kosten und Nebenwirkungen einer solchen militärischen Aktion
nicht vergessen werden. Z.T. werden sogar .lußenpolitische Planungen, wie der Dawes- und der
Young- Plan, aufgestellt, von deren Erfüffung und Realisierung keiner der Beteiligten ausgeht.
Fehlende Zielpräzision, bzw. Zielbekanntgabe machen außenpolitische Planungen überhaupt schwer
evaluierbar. Dazu kommt gerade in der Außenpolitik die oft mangelnde Umweltperzeption seitens der
Entscheidungsträger(was ja u.a. auf britischer Seite mit zum Ausbruch des FalklandjMalvinas- Krieges
mit beigetragen hat.)
Das gilt weniger im Bereich betrieblicher Planungen, bei der als Bezugseinheit immerhin die
monetäre Größe existiert. Hier tritt jedoch als gravierendes Problem die nur schwere Kalkulier- und
Prognostizierbarkeitbarkeit betriebsexterner Marktentwicklungen (bei den Kreditgebern, bei den
Konsumenten, bei den Vorund Nachlieferern, usw.) auf, was nicht selten zum Konk. rs einer
Unternehmung beigetragen hat.
Dies Problem potenziert sich im außenwirtschaftlichel Bereich, wo zusätzlich zur geringeren
Informationsdichte über Auslandsmärkte fehlendes Vertrauen in die Bonität und Zahlungsfähigkeit des
Auslandskunden kommen kann. (Die Vertrauensfrage stellt sich natürlich auch umgekehrt hinsichtlich
d( s Importeurs gegenüber dem Exporteur.)
Entwicklungsverwaltungen in der Dritten Welt leiden oft darunter, daß Planungen gegen den
Widerstand manifester Klientel und sonstiger Interessengruppen nicht durchsetzbar sind. Oft ist die
Verwaltung von diesen Klientel personell durchsetzt. Regionalisierungsversuche beheben diese
Restriktionen kaum, können sie sogar noch verstärken, da auf den unteren Ebenen ebenfalls solche
Klientel bestehen, z.T. noch in stärkerem, da kleinräumigeren Maße.
Kommunalpolitische Planungen können ebenfalls. an solchen Strukturen scheitern, wobei - bezogen
auf deutsche Kommunen - eigens noch deren finanzielle Abhängigkeit von Bund und Land sowie vom
BundfLänder-Planungsverbund hier erwähnt werden muß.
Dieser Negativkatalog kann aber nicht die Tatsache zum Verschwinden bringen, daß realiter geplant
wird, z. T. auch mit Erfolg. Unter normativfriedenspolitischem Aspekt ist vor allem erfreulich, daß bei
symmetrischen internationalen Konstellationen und bei der Anwendung diplomatischer Methoden
(diese allerdings verbunden mit der Androhung von Gewalt oder sonstiger Druckmittel) ein KonfliktManagement mit friedlicher Lösung möglich ist (siehe Fallbeispiele Kuba,Berlin und Helgoland).
Auch im betrieblichen Bereich gibt es - allein bedingt durch die hierarchische Struktur von
Betrieben - erfolgreiche Markteroberungsstrategien, auch hinsichtlich von Auslandsmärkten. Was
Auslandsmärkte betrifft, liegt das u.a. daran, daß die hier herrschenden Unsicherheiten z.T.
überkompensiert werden durch Sicherungsmechanismen, wie sie vor allem in diesem
Wirtschaftsbereich entwickelt wurden( Termingeschäfte, Versicherungen,
Investitionsschutzabkommen, usw.). Das gibt Außenhandelsplanungen eine größere Chance der
Implementation. Dazu kommt, daß auch das privat- und staatsrechtliche zwischenstaatliche Recht
sowie zwischenstaatliche Sitten und informelle, nicht kodifizierte Übereinkünfte eine größeres Maßan
Planungssicherheit abgeben, als dies angesichts einer potentiell anarchischen Staatenwelt erscheinen
mag. Aber auch in dieser Staatenwelt gehören Kriege zur Ausnahme.
Entwicklungsplanungen auf regionaler Ebene, wie sie hier anhand dreier Beispiele aus
Lateinamerika analysiert wurden, sind auch nicht durchweg als erfolglos zu qualifizieren: Sie
bewirkten zumindest eine partielle Aufwärtsentwicklung des betreffenden Raumes und vor allem
Lerneffekte bei der involvierten Bevölkerung, die mobilisiert wurde.
Solche Mobilisierungsstrategien gibt es auch für kommunalpolitische Planungen, und die Beispiele
der Städte Wiesbaden und München zeigen z.B., daß solche Mobilisierungen, verbunden mit einer
hierfür aufgeschlossenen Verwaltung, die Krisenerscheinungen von Großstädten(Verslumung,
Aussterben der Innenbezirke, usw.) zu bekämpfen vermag.
Daß Planungen nur partiell realisiert werden und daß der Planungsprozeß z. T. im Zick-Zack-Kurs
abläuft, sollte nicht larmoyant beklagt werden. Politik hat nun einmal eine andere Rationalität als wohl
möglich wissenschaftlich deduzierende Planung.
Worauf es ankommt, ist ein geändertes Verständnis von Planungsprozessen, durch das Planung nicht
als ständig defizient erscheint, weil sie an zu hoch gesteckten, letztendlich rationalistischen Kriterien
gemessen wird. Planung ist in Gesellschaftssystemen mit mehreren Entscheidungszentren nicht
technokratisch
wohlmöglich von Wissenschaftlern exekutierbar, darauf hatte schon Popper in seiner Kritik an
Mannheim hingewiesen, Planungen sind nicht als fixe Struktur zu dogmatisieren, sie müssen vielmehr
je nach sich sich ändernden Umweltbedingungen angepaßt werden. Das wurde - so z. B. vom
Bildungsforscher Helmut Becker - schon frühzeitig als rollende oder iterative Planung bezeichnet.
Gerade der Bildungssektor ist hierfür ein gutes Beispiel: Man betrachte sich unter diesem Aspekt
z.B. einmal die Gesamthochschulplanung in diversen Bundesländern der Bundesrepublik, wie sie zu
Beginn der 70er Jahre initiiert wurde. Zwar wurde die Gesamthochschule( d.h. die organisatorische
ZUsammenfassung von Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen, Akademien und Universitäten
in einer Region) nur bei Neugründungen realisiert, also nicht zur Regel, entgegen den ursprünglichen
Planungen. Aber immerhin wurde beispielsweise in Nordrhein - Westfalen die Integration von
pädagogischen Hochschulen und Universitäten an nahezu allen Orten erreicht, auch wenn es noch nicht
überall universitätsintern voll realisiert ist.
Im Gegensatz zu Popper darf man sich jedoch höchstens in der Implementation von Planungen mit
einer inkrementalistischen Stückwerks technik begnügen, nicht aber bei der Ziel- und
Programmfestlegung. Hier bedarf es eines ständigen Diskussionsprozesses über futorologische
Entwürfe möglicher Zukünfte und Optionen, die ganzheitliche Vorstellungen über die Organisation und
Entwicklung unserer Gesellschaft wiedergeben müssen - jedoch nicht in substantialistischer Form,
sondern
stets vorbehaltlich und revidierbar, da nicht irrtumsfrei.
Derartige Vorstellungen zu in sich stimmigen, widerspruchsfreien Konstellationen konsequent zu
verdichten und Entwicklungs- abschnitte ihrer schrittweisen Herausbildung aufzuzeigen (vor dem
Hintergrund qualitativ beschreibender und
quantitativer Trendver-läufe unter verschiedenen Randbedingungen), versucht das eher intuitive von
Kahn und Wiener entwickelte Szenario- Writing, wie es bereits oben dargelegt wurde.
Darüber hinaus muß sich der Wandel des Planungsverständnisses - um mit der Begriffiichkeit von
Habermas zu sprechen - in der Abkehr von technokratischen Planungskonzepten widerspiegeln, nach
denen gemäß angeblicher Sachzwänge Wissenschaftler die Planungen aufstellen. Heutzutage geht man
einerseits von einem pragmati- schen Planungsmodell aus, nach dem Wissenschaftler und politische
Entscheidungsträger kooperieren, und andererseits von einem partizipativen Modell, nach dem die
Planungsbetroffenen zunehmend in den Planungsprozeß integriert werden - sowohl als Quelle von
Informationen als auch zur Mobilisierung desjenigen sozialen Drucks, ohne den Planung nicht
implementiert werden kann. Denn Planung ist ein Herrschaftsphänomen und daher politisch zu
betrachten - an diese lange Zeit vergessene Aussage von Freyer und Schelsky ist wieder zu erinnern.
Zur Realisierung eines solchen Planungsverständnisses, das ganzheitliche Zukunftsvorstellungen,
inkrementalistische Durchführungstechniken sowie das Aufgreifen sozialer Bewegungen zu integrieren
versucht, ist von Seiten der Wissenschaft umfassende Theoriearbeit vonnöten, vor allem hinsichtlich
der Theorien sozialen Wandels, seien sie nun marxistisch oder system theoretisch , aber auch
hinsichtlich
der Organisations- theorie, die Modelle entwerfen sollte. wie in flexiblen Projektgruppen alle
an der Planung beteiligten Akteure, wie Wissenschaftler, Politiker und Betroffene, optimal
zusammenzu- fassen sind, sowie schließlich hinsichtlich der sogenannten Planung der Planung, d. h.:
der Frage, was planbar ist und was nicht. In diesem Zusammenhang sollen auch z. B. die Überlegungen
HerderDorneichs zu einem Steuerungsmix im Gesundheitswesen Erwägung finden. Insgesamt sollte
dabei weniger das Verifikations- als das Plausibilitätskriterium im Vordergrund stehen.
Von Seiten einer sich selbst bewußten politischen starken Führung bedarf es einer Koordination der
Instrumente, vor allem der wirtschaftssteuernden, ohne daßein Zuviel an Koordination zu
Entscheidungsunfahigkeit führt. Pluralismus darf dabei nicht heißen, allen Interessen paritätisch
nachzugeben. Die Führung muß schon wissen, was sie will. D.h. sie muß geistesgeschichtlieh,
anknüpfend an Tradition und politische Kultur einer Gesellschaft, die Ziele ihrer Planungen begründen
können, um überzeugend zu sein und die notwendige Legitimität gewinnen zu können. Legitimität
kann dabei nicht nur heißen, daß man eine (wohl möglich nur knappe) Mehrheit im Parlament hat. Das
ist selbstverständlich. Legitimität heißt hier vor allem, daß die politische Führung von einer breiten
Welle der Solidarität in der Bevölkerung getragen zu muß, um die Widerstände gegen ihre Planungen
überwinden zu können. Um Bevölkerungen mobilisieren zu können, bedarf es jedoch der
charismatischen Führerpersönlichkeiten, die - wie schon Max Weber vermutete - alleinig noch in der
Lage sind, aus" dem Gehäuse der Hörigkeit" bürokratisierter und klientelistischer Hyperstrukturen
ausbrechen zu können. Es ist kein Zufall, daß es dem Charismatiker Brandt gelang, seine
außenpolitischen Planungen hinsichtlich einer" Neuen Ostpolitik" gegen erbitterte Widerstände von
Verbänden und Parteien, aber unterstützt von einem massiven Wählervotum und von"
Bürgerinitiativen, durchzusetzen. Politische Führung ist aber andererseits auch deshalb vonnöten, um
den Forderungsdruck infolge der Mobilisierungsstrategie kanalisieren zu können. Denn solche Prozesse
laufen leicht Gefahr, nicht mehr steuerbar zu werden und in die falsche Richtung zu laufen, wie - um
beim Beispiel Ostpolitik zu bleiben - der durch diese in der DDR erweckte Nationalismus und die in
deren Folge entstandene Brandt- Begeisterung zeigen. Das konnte zum Schaden der gesamten
Ostpolitik - das SED-Regime nur verunsichern und ostpolitischen Initiativen abgeneigt gegenüber
machen.
Charismatische Persönlichkeiten, die natürlich weiterhin parlamentarischen und sonstigen
Kontrollen unterliegen, schaffen das Vertrauen, das Menschen brauchen, um auf längerfristige
Planungen trotz deren Risiken zu setzen. Das gilt nicht nur für die Politik, sondern auch für die
Wirtschaft. Gerade im Außenhandel besteht ja das Problem des wechselseitigen Vertrauens zwischen
Exporteur und Importeur. Dies kann letztendlich auch nicht durch die besten Informationssysteme
geschaffen werden. Hier bedarf es der Überzeugungskraft der Unternehmerpersönlichkeit im Sinne
Schumpeters, der durch seine Person für die Bonität seines Angebots steht. Nur eine solche
Persönlichkeit kann auch die Mitarbeiter ohne Autoritätsverlust und ohne Überdezentralisierung der
betrieblichen Hierarchie motivieren - dem betrieblichen Äquivalent für die politische
Mobilisierungsstrategie.
Natürlich soll damit nichts gegen den Ausbau von Informationssystemen in Politik und
Wirtschaft gesagt werden. Es sind ja gerade solche Entscheidungsträger vonnöten, die politischen
Durchsetzungswillen mit der Fähigkeit verbinden, weiterhin umfassend Informationen aus der auch
widrigen Umwelt aufzunehmen. Unabdingbar zur Nutzung solcher Informationen ist allerdings das,
was man landläufig als "Fingerspitzengefühl" bezeichnet. Erst dadurch werden Daten in einen größeren
Zusammenhang eingeordnet, der sich aus Lebenserfahrung und umfassender Weitsicht bestimmt.
Um es philosophisch auszudrücken: Macht und Weisheit müssen zusammenkommen, um eine gute
politische Planung zu ermöglichen.
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