Verdichten, Verjüngen, Verlängern?

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Verdichten, Verjüngen,
Verlängern?
Sanieren – Alte Immobilien- und Baubestände können Belastung sein, bieten aber
auch Chancen für Modernisierung und Verdichtung. Entsorgen oder erneuern,
heisst dann die Frage, umbauen oder neubauen?
VON DANIEL STOCKER UND MAX STEINER * –
Die heutigen städtischen Strukturen in der
Schweiz sind grösstenteils das Ergebnis einer historisch entstandenen Siedlungsentwicklung. Die Stadtzentren mit den ältesten Bausubstanzen befinden sich im Kern,
meist in unmittelbarer Nähe zu einem
Gewässer. Im Zuge des Wachstums stiess
das städtische Gebiet in Aussenräume vor,
es bildeten sich so genannte Agglomerationsgürtel. Die höchste Attraktivität weisen
aber nach wie die alten Zentrumslagen auf.
Dort treffen verschiedene Interessen und
Nutzungssegmente aufeinander wie Wohnen, Handel, Verkauf, Büro, Beherbergung. Entsprechend stark ist die Nachfrage
nach Flächen an diesen innerstädtischen
Standorten.
Die entscheidenden Faktoren
Gerade dort finden sich aber meist die
ältesten Gebäude, welche immer weniger den Anforderungen von zeitgemässen
Nutzungen entsprechen. Und das weitere
Wachstum auf innerstädtischen Grundstücken ist begrenzt, nahezu jede Parzelle
ist bebaut. Für Ausdehnungen in die Breite
fehlt der Platz, einzig in die Höhe scheint
der Raum unendlich. Als Eigentümer solcher älterer Liegenschaften wird man früher oder später unweigerlich mit der Frage
konfrontiert, ob eine kleine oder umfassende Sanierung angebracht ist, ob sich für
eine zukunftsweisende (Neu-)Positionierung des Gebäudes am Markt ein Umbau
IMMOBILIEN BUSINESS / September 2012
oder gar ein Neubau aufdrängt und ob das
Nutzungspotenzial ausgeschöpft ist. Ziel
bei Anlageobjekten ist meistens eine Wertsteigerung oder zumindest Werterhaltung,
doch nicht für jede Liegenschaft gilt dieselbe Massnahme als optimale Lösung. Was
sind nun die relevanten Faktoren für eine
entsprechende Immobilienstrategie?
Zentrale Beurteilungskriterien sind die
Lage, die Wirtschaftlichkeit/Nachhaltigkeit und der Zustand der Bausubstanz des
Gebäudes. Weiter sind die gesetzlichen
Rahmenbedingungen, wie Denkmalschutz
oder Einschränkungen per Baurecht zu
beachten. Die technische Lebensdauer
einer Immobilie beträgt 75 bis 100 Jahre,
die Lebensdauer der einzelnen Bau- und
Einrichtungsteile ist allerdings wesentlich
kürzer. Aus diesem Grund müssen bei einem Gebäude bis zum Erreichen seines
Lebensendes mehrere Teil- und Gesamterneuerungen vorgenommen werden. Die
Lebensdauer der einzelnen Bauteile hängt
etwa von Material, Konstruktion, Sorgfalt
der Arbeit, Art und Umsicht der Benutzung, Qualität der Bewirtschaftung, Umwelteinflüssen, technischen Änderungen
infolge neuen Bedürfnissen/Fortschritt ab.
Kosten und Erträge
Um die geeigneten Massnahmen zu treffen, sind folglich die Kosten für einen Umbau beziehungsweise Neubau (inklusive
Abbruch) sowie die realisierbaren Erträge
nach den erfolgten baulichen Massnahmen
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abzuwägen. Nicht immer rechnet sich dabei ein Neubau, da die Wertvernichtung
der bestehenden Substanz zu stark ins
Gewicht fallen kann. Zudem werden nicht
allerorts mit einem Neubau automatisch
höhere Mieterträge generiert. Um die Rendite auf die Investitionen zu optimieren,
bedarf es hierzu einer genauen Marktbeobachtung.
Hinzu kommt, dass sich viele Objekte in
privatem Eigentum befinden und dort die
Zeit, die Möglichkeiten oder der Wille fehlen, die eigenen Liegenschaften maximal
rentabel zu bewirtschaften. Teilweise fehlt
auch das Know-how dazu oder eine konkrete Immobilienstrategie. Die Demodierung der Liegenschaft nimmt dadurch weiter zu. Sie verliert zunehmend an Wert oder
wird längerfristig vom Markt verdrängt.
Wann sich ein Ersatzbau lohnt, lässt sich
an einem aktuellen Bauprojekt aufzeigen,
welches Colliers International begleitete.
Dabei handelte es sich um ein Mehrfamilienhaus, gegen Ende des 19. Jahrhunderts
in Zürich gebaut. Das Gebäude steht in einem beliebten Wohnquartier. Die Bausubs­
tanz ist in einem sehr schlechten Zustand.
Die Liegenschaft ist nicht im Inventar für
erhaltenswerte Bauten aufgeführt und darf
abgebrochen werden. Das Grundstück ist
unternutzt, die Grundrisseinteilung nicht
mehr zeitgemäss. Der Energieverbrauch
und die Unterhaltskosten sind entscheidend zu hoch. Trotz attraktiver Lage fällt
eine Gesamtsanierung ausser Betracht, da
sich die bestehende Struktur nicht zufriedenstellend anpassen und sich das Gebäu-
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Bauten, Besitzer,
Benutzer
Die durchschnittliche Wohnfläche pro
Kopf nahm in der Schweiz zwischen
1980 und heute von 34 auf 48 Quadratmeter zu, 2030 dürfte der Wohnflächenbedarf gemäss Schätzungen bereits
rund 55 Quadratmeter betragen.
Die durchschnittliche Anzahl Personen
pro Haushalt wird in der Schweiz von
aktuell 2,17 bis 2030 auf 2,02 abnehmen.
Die ständige Wohnbevölkerung in der
Schweiz wird von derzeit rund 7,9 Millio-
de vor allem nicht sinnvoll erweitern lässt.
Mittels eines Ersatzbaus kann das Potenzial der Liegenschaft ausgeschöpft und
somit das Grundstück optimal ausgenützt
werden. Attraktive Wohnungen und ein
auf dem aktuellen Stand der Technik basierendes Gebäude (Minergie) können realisiert werden. Die Betriebskosten und der
Unterhalt werden auf ein Minimum reduziert. Die Mieterträge können nachhaltig
auf ein höheres Niveau angehoben werden,
was wiederum notwendig ist, um nach den
angefallenen notwendigen Baukosten weiterhin eine adäquate Rendite zu erzielen.
Anreize begünstigen
Investitionen
Diese Bau- respektive Investitionskosten
sind ein entscheidender Faktor pro oder
kontra einen Neubau. Die Schwelle bei den
Investitionskosten für eine Sanierung liegt
bei zirka 70 Prozent der Erstellungskosten
für einen Neubau. Entsprechende Mittel
beziehungsweise Finanzierung müssen bei
der Eigentümerschaft in beiden Fällen vorhanden sein. Bei einer Sanierung können
häufig nicht alle Defizite behoben werden (Grundrisseinteilung, Nachhaltigkeit
usw.). Somit bleibt ein Umbauobjekt häufig
gegenüber einem Neubau im Nachteil. Andererseits wird dabei die Kostenseite meist
nicht so stark belastet.
nen bis 2030 auf 8,7 Millionen Menschen
ansteigen.
Im Jahr 2000 waren 89 Prozent der 1,46
Millionen Gebäude in der Schweiz im
Besitz von Privatpersonen. 2,2 Prozent
gehörten Gemeinde/Kanton/Bund, 1,8
Prozent Wohnbaugenossenschaften und
1,4 Prozent Bau- oder Immobiliengesellschaften.
In der Stadt Zürich waren 2010 immerhin 71 Prozent der knapp 54 000
Wohnungen im privaten Eigentum.
15 Prozent gehörten Wohnbaugenossenschaften und 13 Prozent waren im
öffentlichen Eigentum.
Von den total rund 1,6 Millionen Gebäuden in der Schweiz wurden 21 Prozent
vor 1919 erbaut, 34 Prozent zwischen
1919 und 1970 und 24 Prozent zwischen
1971 und 1990.
34 Prozent der knapp 54 000 Gebäude in
der Stadt Zürich wurden vor 1931
gebaut und 23 Prozent wurden zwischen
1931 und 1950 erstellt. Nur gerade 16
Prozent der Gebäude sind jünger als 30
Jahre.
2010 wurden in der Stadt Zürich 693
Wohnungen abgebrochen, wovon
27 Prozent vor 1931 erstellt wurden.
Den Hindernissen gegenüber stehen diverse Anreize zum Investieren. So sind die
aktuellen Zinsen auf Hypotheken nach wie
vor sehr tief. Im zweiten Quartal 2012 sind
die Zinssätze noch weiter gesunken. Allerdings dürfte die Talsohle bald erreicht sein.
Ebenso regen Förderprogramme wie das
Gebäudeprogramm des Kantons Zürich,
welches Beiträge an die wärmetechnische
Sanierung von Gebäudeteilen beisteuert,
zu Sanierungen an. Zusätzlich vereinfacht
Zürich beim Baugesetz die Rahmenbedingungen bei Massnahmen.
Ein weiterer Treiber ist der Aspekt, dass
werterhaltende Unterhaltsarbeiten steuerlich in Abzug gebracht werden können.
Grob geschätzt, lässt sich sagen, dass die
jährlichen Kosten für den Unterhalt inklusive notwendiger Erneuerungen 0,5 bis 1
Prozent der Gebäudeversicherungssumme
entspricht.
Durch drei wesentliche Änderungen im
Planungs- und Baugesetz des Kantons
Zürich soll die energetische Sanierung
der Gebäudehülle neuerdings deutlich
einfacher werden. So könnte das Bewilligungsverfahren beschleunigt werden, das
heisst ohne Publikation und Aussteckung
(ausgenommen sind geschützte Objekte).
Die Nutzung von Sonnenenergie auf Dach
oder an Fassade wird in allen Zonen möglich, und nachträglich angebrachte Aussenwärmedämmungen dürfen bis zu 35
Zentimeter betragen. Diese Änderungen
könnten noch dieses Jahr durch den Regierungsrat in Kraft gesetzt werden.
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Ökologisches Bewusstsein
Ein weiterer Beschleuniger von Sanierungen und Neubauten sind gesellschaftliche Entwicklungen. Die Bevölkerung,
der Flächenkonsum pro Kopf, die Anzahl
Ein- und Zweipersonenhaushalte, das ökologische Bewusstsein sowie die Kaufkraft
nahmen in den letzten Jahren stetig zu.
Entsprechend erhöhte sich die Nachfrage
nach qualitativ hochwertigen Wohnflächen, insbesondere an Lagen mit guten
Anschlüssen an Arbeitsplatzzentren.
Dies führte und führt zur baulichen Verdichtung auf den bestehenden Liegenschaften, ohne hingegen das historische
Bild der Innenstadt zu verlieren. Der Trend
zur Nachhaltigkeit wird weiterhin unvermindert zunehmen und das Bewusstsein
für den schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen gewinnt an Gewicht.
Dies wird den künftigen Wert von Liegenschaften stark beeinflussen.
* Max Steiner, Beratung & Entwicklung, dipl. Architekt FH / MAS FHO Daniel Stocker, Leiter Research & Market , Analysis, dipl. Geograph UZH, Colliers International Zürich AG
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