SANIERUNG UND ERWEITERUNG WOHN- UND GESCHÄFTSGEBÄUDE 1120 WIEN TIVOLIGASSE 21 - BONYGASSE 42 nutzfl. gesamt 3.060m² nutzfl. lokale 810m² nutzfl. wohnungen 2.250m² 3 Geschäftslokale 34 Wohnungen Balkone: 25m² Loggien: 78m² Terrassen: 150m² Mietergärten: 110m² 26 PKW-Stellplätze generalplanung BM Ing. Fritz BRANDSTÄTTER Bauplanungs- und Management GmbH architektur D.I. Walter BRUNAUER www.arconeurope.com Thomas UNTERWEGER generalunternehmer G&M MAIER GmbH Komm. Rat Manfred MAIER Hischstettner Straße 19-21 1220 Wien baubeginn FEBRUAR 2009 baufertigstellung MAI 2010 herstellungskosten €4,6 Mio Im zwölften Wiener Gemeindebezirk, im Spannungsfeld zwischen mondänem Schönbrunn und dem vielschichtigen, multikulturellen Gefüge rund um den Meidlinger Markt, erfolgte eine umfassende Sanierung, Erneuerung und städtebauliche Verbesserung einer 80 Meter langen und 22 Meter breiten Liegenschaft, die vormals größtenteils als Tankstelle, Garage und Werkstatt genutzt wurde. Das Grundstück, das sich zwischen Tivoligasse und Bonygasse erstreckt, befand sich in einem herunter gekommenen, von strukturellen Schwächen geprägten Zustand. Es bestanden Probleme bei der Erschließung wie auch in der Qualität der Wohnungsgrundrisse, (u.a.: Fehlen von sanitären Einrichtungen) der überwiegende Teil der Wohnungen stand leer. Der aus der Gründerzeit stammenden Straßentrakt an der Tivoligasse wie auch die angrenzenden Hofgebäude erfuhren eine umfangreiche Sanierung sowie straßenseitig eine Aufstockung um zwei Geschoße. Der Abbruch eines Teils des Garagengebäudes schuf Platz für die Errichtung eines sechs geschoßigen Neubaus in der Bonygasse. Weiters wurde ein Freiraumkonzept entwickelt, in dem sich großzügige, begrünte Außenanlagen zwischen den Baukörpern erstrecken und diese miteinander verbinden. 1. Soziale Aspekte So entstanden neben 34 geförderten Mietwohnungen mit hohem, zeitgemäßem Standard und Nutzflächen von 35 bis 100m2 drei Geschäftslokale, von denen derzeit zwei durch Kleinunternehmer sowie eines durch einen Kindergarten genutzt werden. Durch die Entscheidung, das Bauvorhaben in Zusammenarbeit mit dem Wohnfonds Wien und unter Inanspruchnahme von Fördergeldern durch das Land Wien umzusetzen ergaben sich Synergieeffekte, die nicht zuletzt zu leistbarer Wohnfläche mit Mietobergrenzen führten und damit einen Beitrag zum Gemeinwohl darstellen. Weiters wurde ein Anteil der Wohnungen durch das Wohnservice Wien vergeben. Auf Grund dessen und durch das Konzipieren von unterschiedlichen Wohnungsgrößen und grundrissen wurde die Grundlage für einen hohen Grad an sozialer Durchmischung geschaffen. Das vor dem Umbau nicht barrierefrei gestaltete Bestandsgebäude wurde (teilweise aufwendig) an die geltenden Bestimmungen angepasst, somit entspricht der gesamte Komplex den aktuellen Anforderungen, alle Wohnungen, Geschäfte und Allgemeinräume sind nun barrierefrei erschlossen. Kommunikationsbereiche: Wege verbinden und erschließen, schaffen Zugang zu privaten und halböffentlichen Zonen. Die Innenhöfe bieten Platz für Kleinkinderspielplatz und allgemeine Freiflächen, sind möglicher Treffpunkt für die Bewohner der gesamten Anlage und stellen somit einen wesentlichen Teil der Verbesserung der Wohnqualität dar. 2. Ethische Aspekte Als Planer ist man natürlich in erster Linie seinem Auftraggeber und meist auch den finanziellen Interessen des selbigen verpflichtet. Dies führt allerdings dazu, dass häufig Kompromisse auf Kosten der (gestalterischen) Qualität eingegangen werden. Jedoch hat man in dieser Funktion auch eine Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit, denn meist bildet ein Gebäude auch einen Teil des öffentlichen Raumes. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, bei unterschiedlichsten Interessen eine für Alle vorteilhafte Strategie zu finden. Durch das Entwickeln von Lösungen die eine Verbindung zwischen Konstruktion, Funktion und gestalterischer Qualität möglich machen, (siehe Fassade Bonygasse) wird beim Bauherrn auch ein erhöhtes Verständnis für die Gestaltung jener Bereiche geweckt, die ansonsten oft in den Hintergrund tritt. 3. Ökologische Aspekte Unter nachhaltigem bzw. ökologischem Bauen versteht man heute oft nur das Anbringen von entsprechender Wärmedämmung und den Einbau alternativer Systeme für die Energiegewinnung. Umfassend betrachtet gestaltet sich dieses Thema jedoch weitaus komplexer, viele Faktoren spielen eine Rolle. Im dargelegten Projekt sind dies insbesondere: Innerstädtische Verdichtung: Das Schaffen zusätzlicher Wohnnutzfläche im innerstädtischen Bereich mit meist guter öffentlicher Verkehrsanbindung schafft Lebensraum in der Nähe der Arbeitsplätze bzw. Lernstätten der Bewohner. Dies leistet einen Beitrag zur Verminderung des Verkehrsaufkommens. Entfernen oder Verlegen von Nutzungen mit Konfliktpotential in Wohngebieten: Die Tankstelle wurde aufgelassen, die damit verbundenen Emissionen somit gestoppt. Das kontaminierte Erdreich musste im gesamten Bereich des Innenhofes bis auf eine Tiefe von vier Metern ausgewechselt und anschließend mit einem speziellen Wasserfilterverfahren gereinigt werden. Die Kosten dafür beliefen sich auf knapp 300.000€. Entkernung von Innenhöfen, Schaffen von Grünflächen: Vor Umbau waren auf der rund 1.800m2 großen Liegenschaft keine begrünten Bereiche vorhanden. (siehe Bildmaterial) Durch teilweise Entkernung wurden großzügige Räume geschaffen, die als für alle Bewohner des Objekts zugängliche Freiflächen oder Eigengärten ausgeführt wurden. Der verbliebene Teil vom tonnenförmigen Dach des ehemaligen Werkstätten- und Garagengebäudes wurde mit einem Gründach versehen. Begrünte Dächer erfüllen neben den bekannten Qualitäten auch in bauphysikalischer Hinsicht hervorragend die Aufgabe der Wärmedämmung und sind gleichzeitig ein ausgezeichneter Speicher gegen sommerliche Überwärmung. Autofreie Innenhöfe: Vor der Sanierung der Liegenschaft war diese beinahe zur Gänze ihrer Grundfläche dem Individualverkehr verschrieben. Diese Bereiche wurden im Zuge der Umsetzung zu Geschäfts-, Wohnnutz- bzw. Freiflächen umgewandelt. Dadurch wurden die damit verbunden Emissionen (Lärm, Abgase) aus den an Wohnraum grenzenden Bereichen beseitigt. Erhaltung von Bestandsobjekten: Oft ist es ökonomisch vorteilhafter, bestehende Objekte, sofern sie nicht unter Dankmalschutz stehen oder sich in einer sogen. „Schutzzone“ befinden abzubrechen und durch Neubauten zu ersetzen. Neben dem Verlust von historischer Bausubstanz verursacht der Abbruch solcher Gebäude große Mengen an schwer zu sortierendem Bauschutt sowie Sondermüll. In diesem Fall erfolgte eine thermische Sanierung der Bestandsobjekte. Die Energieversorgung erfolgt über das Netz der Fernwärme Wien. 4. Innovative Aspekte Die neu geschaffene Straßenfront in der Bonygasse übt sich in minimalistischer Zurückhaltung. Eine auf den ersten Blick kühle Fassade; die Strenge der orthogonalen Gliederung in Verbindung mit Vorsprüngen und Einschnitten wird durch die südliche Ausrichtung und die damit verbundene Sonneneinstrahlung zum Leben erweckt. Die eigentliche Schnittstelle zwischen Wohn- und Außenraum liegt allerdings hinter der Gebäudefront. Die vorgesetzte, entkoppelte Konstruktion aus Fertigteilen schafft Freiräume, schützt vor sommerlicher Überwärmung, Schall und direktem Einblick, schafft somit eine Pufferzone. Durch die gewählte Konstruktion konnte an dieser Fassade auf das Aufstellen eines Baugerüstes zur Gänze verzichtet werden. Der erhaltene Teil des Garagengebäudes wurde durch eine Zwischendecke in zwei Nutzungsbereiche gegliedert. Die Konstruktion wurde statisch verbessert, bestehenden Zugbänder der Halle wurden in die neu geschaffene Stahlbetondecke integriert. In der unbelichteten unteren Ebene wurde eine, durch ihre Farbgebung benutzerfreundliche und angstfreie Garage für 26 PKW eingebaut, darüber wurde eine helle, attraktive Gewerbefläche mit Atrium geschaffen. Die vorgenommene Aufstockung am Bauteil in der Tivoligasse erforderte die klare Trennung zwischen alt und neu. Durch die Erweiterung um zwei Geschoße präsentiert sich die Straßenfassade von nun an in neuem Erscheinungsbild und steht somit im Spannungsfeld zwischen historischem Erbe und Gegenwartsarchitektur. Auf die Verbesserung der Umweltsituation durch die Sanierung des kontaminierten Erdreichs folgte ein zielgerichteter Prozess zur Erhaltung und Revitalisierung der historischen Strukturen. Darüber hinaus waren Erweiterung und Modernisierung der Objekte auf der Liegenschaft so wie das Schaffen von Grünräumen wesentliche Schritte zur Verbesserung von Wohnqualität bzw. Wohnumgebung und somit der gesamten städtebaulichen Situation, alle wesentlichen Bereiche der Stadterneuerung umfassend.