Ehemalige Fabrik wird zum Streitobjekt

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SAMSTAG, 3. AUGUST 2013 NR. 177, AZ 8712 STÄFA, FR. 2.70 www.zsz.ch
beglückwünscht.
Ehemalige Fabrik
wird zum Streitobjekt
HORGEN. Der Gemeinderat hat die alte Fabrik im
Wannenthal aus dem Schutzinventar gestrichen. Jetzt
kämpft der Heimatschutz mit einem Rekurs gegen den
drohenden Abriss.
ARTHUR SCHÄPPI
Nur gut zehn Monate nachdem
der Horgner Gemeinderat im
Rechtsstreit um die Erhaltenswürdigkeit der 130-jährigen EisenFachwerkbrücke in Sihlwald gegen den Zürcher Heimatschutz
unterlegen ist, liegt er mit derselben Organisation schon wieder im
Mehr Region.
zsz.ch
Clinch. Diesmal geht es um die
ehemalige Fabrik im Wannenthal
im Horgner Neudorfquartier.
Und: erneut um die Frage, ob das
Streitobjekt gerettet oder niedergerissen werden soll.
Der Gemeinderat schätzt den
Zustand der fast hundertjährigen
Fabrik als derart schlecht ein,
dass er sie aus dem Inventar der
Abo-Service: 0848 805 521, [email protected]
kunst- und kulturhistorischen
Schutzobjekte von kommunaler
Bedeutung gekippt hat und zum
Abbruch freigeben will.
Fabrik wurde 1920 erbaut
Effektiv plattgemacht werden
soll das Gebäude indes erst, wenn
auch die Gemeindeversammlung
damit einverstanden ist. Und
wenn sie eine 2006 festgelegte
Schutzbestimmung im Zusammenhang mit einer damals geplanten, aber nie realisierten
Arealüberbauung wieder annulliert.
Inserate: 044 515 44 55, [email protected]
Gegen die Streichung des Gebäudes aus dem Inventar und die
Abbruchpläne wehrt sich jetzt
der Heimatschutz mit einem Rekurs vor Baurekursgericht. Für
ihn ist die 1920 erstellte Industriebaute ein «baukünstlerisch
und sozialgeschichtlich wichtiger
Zeuge» und die Begründung des
Gemeinderates für den Abbruch
nicht stichhaltig. Auf Widerstand
stösst das gemeinderätliche Ansinnen auch bei der IG Neudorf,
die sich schon einmal gegen den
Abriss eines Gebäudes im QuarSeite 3
tier einsetzte.
Redaktion: 044 718 10 20, [email protected]
REGION
ZÜRICHSEE-ZEITUNG BEZIRK HORGEN
SAMSTAG, 3. AUGUST 2013
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Heimatschutz kämpft für Rettung
der Fabrik im Wannenthal
HORGEN. Der Gemeinderat gibt
die bislang geschützte Fabrik im
Wannenthal zum Abbruch frei –
allerdings unter dem Vorbehalt,
dass vorgängig die Gemeindeversammlung eine frühere
Schutzklausel wieder aufhebt.
Der Heimatschutz reagiert mit
einem Rekurs.
benes Gutachten. Der Architekt attestiert dem Objekt zwar, dass es «bautechnisch und baukünstlerisch interessant»
sei – aber aus denkmalpflegerischer und
ortsbaulicher Sicht «nicht schützenswert». Auch sei der Erhalt des Gebäudes
wegen seines schlechten Zustands «nicht
sinnvoll», zumal der dafür erforderliche
Ersatz – oder die Rekonstruktion – von
zahlreichen Bauteilen «nur mit aussergewöhnlich hohem Aufwand» möglich
wären. Mit dem desolaten Zustand der
Backsteinfassade, der eine Sanierung
nicht mehr zulasse, hatte auch die Firma
Oetiker ihr Gesuch begründet und dazu
eine Expertise der Keller AG, Ziegeleien und der Empa eingereicht.
ARTHUR SCHÄPPI
Ein dreiteiliger Neubau mit 14 Wohnungen – und daneben die umgenutzte und
um ein Attikageschoss aufgestockte Fabrikbaute mit zehn Wohnungen und einem Restaurant: So würde sich heute die
im Wannenthal-/Neudorfquartier einst
von der Hans Oetiker AG und zwei weiteren Landeigentümern geplante Überbauung «Drei auf einen Streich» präsentieren – wenn sie denn je realisiert worden wäre. Um das private Bauvorhaben
zwischen Zuger-, Schärbächli- und Wannenthalstrasse in Einklang mit städtebaulichen Anliegen zu bringen, hatte die
Gemeindeversammlung 2006 einen privaten Gestaltungsplan gutgeheissen.
Darin explizit festgeschrieben wurde die
Erhaltung des «schützenswerten», im
kommunalen Inventar aufgeführten Fabrikgebäudes. Im Detail geregelt werden
sollte der Schutz später mit einer übergeordneten Verfügung.
Doch es kam anders. 2008 gab die
Hans Oetiker AG als nunmehr faktisch
alleinige Landeigentümerin – die Gemeinde besitzt dort nur einen MiniLandspickel – bekannt, dass sie das Projekt der renommierten Architektin Gret
Loewensberg nicht realisiere und stattdessen das Bauland verkaufen wolle.
Neuerliche Berechnungen hätten ergeben, dass «Mietwohnungen nicht mehr
rentabel erstellt werden können» und
wohl nur das Schaffen von Wohneigentum in Frage komme, lautete die Begründung. Dies aber widerspreche der Absicht der Firma, bezahlbare Mietwohnungen zu erstellen. Begünstigt haben
dürften den damaligen Rückzug auch
unerwartet grosse Altlasten, auf die man
auf dem Areal gestossen war.
Heimatschutz geht vor Gericht
Aus Schutzinventar entlassen
Seither ist es still um das Gelände geworden. Die leer stehende, verwahrloste Fabrik gammelt weiter vor sich hin – ohne
dass es je zu einer Handänderung gekommen wäre und ohne dass die Gemeinde eine Schutzverfügung erlassen
hätte. Und auch ohne dass die Baumaschinen aufgefahren wären. Auf Gesuch
der Hans Oetiker AG hat der Gemeinderat nun aber die Fabrik aus dem Inventar der kunst- und kulturhistorischen
Schutzobjekte von kommunaler Bedeutung gekippt und damit einem späteren
Abbruch zugestimmt. Allerdings unter
Baukünstlerisch interessant ist die Fassade der leer stehenden Fabrik an der Schärbächlistrasse in Horgen. Allerdings ist sie in einem sehr schlechten Zustand. Bild: Sabine Rock
dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass die
Fabrik erst niedergerissen werden darf,
wenn die Gemeindeversammlung vorgängig in einem separaten Verfahren die
Schutzklausel aus dem 2006 festgesetzten Gestaltungsplan streicht oder diesen
ganz aufhebt, wie Hochbauvorstand Joggi Riedtmann (SP) betont. Hintergrund
der Entlassung des Gebäudes aus dem
Schutzinventar sei nicht etwa ein Baugesuch, sondern der Zustand der Fabrik
und namentlich der Fassade, der so
schlecht sei, dass der Erlass einer Schutzverfügung «keinen Sinn» gemacht hätte.
Bei ihrem Entscheid stützt sich die
Behörde auf ein von ihr in Auftrag gege-
Auf die Streichung der Fabrik aus dem
Inventar reagiert der Zürcher Heimatschutz nun aber mit einem Rekurs beim
Baurekursgericht. Das von der Gemeindebehörde beigezogene Gutachten qualifiziert er dabei als «fehler- und lückenhaft». Dass das Gebäude angeblich derart baufällig sei, dass es zwingend abgebrochen werden müsse, sei für den
Heimatschutz «nicht nachvollziehbar» –
auch nicht aus den von den Behörden
vorgelegten Dokumenten. Das Wannenthalquartier sei geprägt von seiner industriellen Vergangenheit und der Fabrik,
die der Souverän mit dem Gestaltungsplan ausdrücklich erhalten wolle, argumentieren die Heimatschützer weiter.
Und anders als im Gutachten dargestellt,
existiere der Bau nicht erst seit 1940, sondern schon seit 1920.
Vor allem aber handle es sich bei
der einstigen Fensterfabrik, in der später
die Maschinenfabrik Schweiter und die
Webmaschinenfabrik Brügger einquartiert waren, um «einen baukünstlerisch
und sozialgeschichtlich wichtigen Zeugen». Dies auch deshalb, weil alle Bauteile, insbesondere aber Tragstruktur,
Fassade, Fenster und Maueranker, weitgehend erhalten geblieben seien. Zudem
sei die Fassade ein frühes Beispiel für die
Verwendung von Zementstein als Sichtbauwerk.
Auf Kritik stossen die Abbruchpläne
auch bei der IG Neudorf, die seinerzeit
gegen die Neuüberbauung opponiert
hatte. «Es geht doch nicht an, dass man
eine geschützte Industriebaute einfach
verwahrlosen lässt, damit man sie doch
noch abreissen kann», meint IG-Vertreter und Historiker Hans-Ulrich Schiedt.
Dank des Gestaltungsplans hätten die
Eigentümer einen grösseren Gegenwert
erhalten, als sie für die Erhaltung der
Fabrik ausgeben müssten. Schiedt vermutet hinter den Abbruchplänen «eine
Gewinnoptimierung im Rahmen eines
spekulativen Verkaufs». Das Quartier sei
auch besorgt, ob der noch immer im
Boden schlummernden Altlasten und
verlange dazu endlich umfassende Informationen.
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