R Blutgruppen-Modell: Agglutinations-Reaktionen und Vererbung 65566.00 Betriebsanleitung 0 ZWECK UND BESCHREIBUNG Mit dem Blutgruppen-Modell können die Agglutinations-Reaktionen der AB0- und Rhesus-Blutgruppen demonstriert und erarbeitet werden. Dies erfolgt mit Hilfe von Kunststoffsymbolen, die an einer Metalltafel magnetisch haften. Man kennt heute über 130 verschiedene Blutgruppensysteme, deren Erblichkeit durch Familienuntersuchungen erwiesen ist. Was Blutgruppen sind, wie sie bestimmt werden, welchen Erbgängen sie folgen und welche praktische Bedeutung sie haben, läßt sich am besten an den Beispielen des klassischen AB0- und des Rhesus-Systems erläutern, denen nach wie vor das größte Interesse zukommt. Die Kenntnis der AB0-Blutgruppe ist bei Bluttransfusionen, die Kenntnis des Rhesusfaktors bei der Vermeidung von vorgeburtlichen Kindesschädigungen von lebenserhaltender Bedeutung. Vaterschaftsausschlüsse bei Unterhaltsklagen, bei Vaterschaftsanfechtungsklagen und bei Kindesvertauschungen lassen sich in vielen Fällen bereits über die AB0und Rhesus-Bestimmung führen. Bei positiven serologischen Vaterschaftsnachweisen wird in jedem Fall eine Vielzahl weiterer Erythrozyten- und Serumgruppen hinzugezogen. In der Kriminalistik dient die Bestimmung der AB0Blutgruppe aus Blutflecken oder Speichel zur Identifizierung von Tätern, in der frühgeschichtlichen Forschung ermöglicht die Blutgruppenbestimmung aus Knochen Rückschlüsse auf frühe Populationswanderungen. Angesichts der vielfachen Bedeutung der Blutgruppen stellen sie im Rahmen der Humanbiologie ein reizvolles Thema dar, dessen Behandlung erfahrungsgemäß einige didaktische Schwierigkeiten bereitet. Das nachstehend beschriebene Modell ermöglicht eine klare und einprägsame Einführung in das Zusammenspiel von Blutkörperchen-Antigenen und Serum-Antikörpern bei der Blutgruppen-Agglutinationsreaktion sowie eine Einführung bzw. Vertiefung der Grundgedanken und -begriffe der Mendel-Genetik und Chromosomentheorie am Beispiel der AB0- und der Rhesus-Blutgruppen. 1. BLUTGRUPPEN UND AGGLUTINATIONSREAKTION Unter Agglutination versteht man die Zusammenballung der roten Blutkörperchen, die eintritt, wenn man einen Tropfen Blut einer Person mit einem Tropfen Serum einer bestimmten anderen Person vermischt. Ehe man die Agglutinationsreaktion und die Blutgruppen anhand des Modells erklärt, sollte man eine Blutgruppenbestimmung praktisch durchführen (z.B. mit künstlichem Blut 64240.00 bzw. 64241.00). 1.1 AB0-Blutgruppen Zur Erklärung von Befunden über das AB0-Blutgruppensystem benötigt man aus dem Symbolsatz – – – die drei roten Scheiben, welche rote Blutkörperchen darstellen, die an den Scheiben anschiebbaren Antigen-Symbole mit den Aufschriften A (dunkelblau) und B (orange) die Symbole der Antikörper mit den Aufschriften Anti-A (hellblau) und Anti B (hellgelb) (Die Farben der Antikörper-Symbole entsprechen der Färbung der handelsüblichen Testseren Anti-A und Anti-B) – die Symbole der Blutgruppenbezeichnungen A, B, AB, 0 (weiß). Damit lassen sich folgende Befunde und Interpretationen veranschaulichen: 1.1.1 Zustandekommen der Agglutination Man schiebt an die drei Blutkörperchenscheiben gleichabständig je 5 Antigensymbole A und fügt die drei Antikörpersymbole Anti-A hinzu. Das Zusammenpassen der Spitze des Antigen-Symbols mit der Kerbe des Antikörper-Symbols veranschaulicht die Schlüssel-Schloß-Vorstellung der PHYWE SYSTEME GMBH · Robert-Bosch-Breite 10 · D-37079 · Göttingen · Telefon (05 51) 6 04-0 · Telefax (05 51) 60 41 07 Antigen-Antikörper-Beziehung, die beiden einander gegenüberliegenden Kerben den Begriff des „bivalenten Antikörpers“, der sich mit zwei Antigenen verbinden kann. Über die drei bivalenten Antikörper können die drei Modellblutkörperchen „agglutiniert“ werden. Entsprechendes gilt für die Antigensymbole B und die Antikörper Symbole Anti-B (Abb. 1). 1.1.2 Bestimmung der ABO-Blutgruppen Es kommt darauf an, zu verdeutlichen, daß die Blutgruppenzugehörigkeit sich auf die Blutkörperchen-Antigene bezieht. Um die vier Fälle von Abb. 2 nacheinander durchzuspielen, schiebt man jeweils die Antigensymbole einer Zeile des Schemas an die Modellblutkörperchen und fügt die Antikörpersymbole Anti-A bzw. Anti-B der Testseren hinzu. So lassen sich die Ergebnisse der Agglutinationstabelle veranschaulichen. Es wird deutlich, daß Träger der Blutgruppe AB beide Antigene besitzen und es deshalb sowohl mit Anti-A als auch mit Anti-B Serum zur Agglutination kommt, andererseits Träger der Blutgruppe 0 weder Antigen A noch Antigen B besitzen und es deshalb mit keinem der beiden Testseren zur Agglutination kommt. Abb.2: Schema zur Blutgruppenbestimmung 1.1.3 Bluttransfusionsschema Hier ist es wichtig, das natürliche Vorkommen der Anti-A bzw. Anti-B Antikörper im Blutserum bei Personen der Blutgruppen A, B und 0 zu betonen („Isoantikörper“) und hervorzuheben, daß Transfusionsunfälle vor der Kenntnis der Blutgruppen immer dann aufgetreten sind, wenn das Blutserum des Empfängers Antikörper enthielt, welche Blutkörperchen des Spenders agglutinieren konnten. Zur Veranschaulichung der Verhältnisse kann man zunächst die bei Trägern der verschiedenen Blutgruppen vorkommenden Antigen-Antikörper-Kombinationen entsprechend dem Schema von Abb. 3 nacheinander an der Magnettafel vorstellen: Dazu heftet man ein Modellblutkörperchen auf die linke Seite der Magnettafel, schiebt Antigen-A-Symbole an, Anti-B-Antikörpersymbole daneben und das Symbol der Blutgruppe A darüber. Entsprechend kann man die anderen Blutgruppen darstellen bzw. darstellen lassen. Um die Konsequenzen willkürlicher Transfusionen zu veranschaulichen, schreibt man über die linke Seite der Magnettafel „Empfänger“, über die rechte Seite „Spender“, heftet links ein Modellblutkörperchen mit Antigenen und die drei Antikörpersymbole einer bestimmten Blutgruppe an und rechts zwei Modellblutkörperchen mit Antigenensymbolen einer anderen Blutgruppe. Antikörpersymbole läßt man rechts mit der Begründung weg, daß ihre Konzentration bei der Transfusion im Blut des Empfängers so stark verdünnt wird, daß ihre Agglutinationswirkung auf Empfänger-Blutkörperchen vernachlässigt werden kann. Indem man an die Spenderblutkörperchen nacheinander die Antigensymbole schiebt und die Transfusion durch eine Bewegung auf die linke Tafelseite hin simuliert, kann man anschaulich zeigen, wann Agglutination mit einem bestimmten Empfänger-Blut eintreten würde und wann nicht. Dabei wird auch die Bezeichnung von Trägern der Blutgruppe AB als „Universalempfänger“, von 0 als „Universalspender“ verständlich. Bezeichnungen, die allerdings heute keine praktische Bedeutung mehr besitzen, da Transfusionen ohnehin nur zwischen Blut von Angehörigen der gleichen Blutgruppe durchgeführt werden. Abb.3: Transfusionsschema frei in Körperflüssigkeiten, wie z.B. in Speichel, in der Samenflüssigkeit oder im Urin. Auch daraus kann die Blutgruppe bestimmt werden, allerdings nicht aufgrund einer Agglutinationsreaktion sondern aufgrund eines feinen Antigen-Antikörperniederschlags, eines sog. Präzipitats. Um dies an der Magnettafel zu demonstrieren, fügt man zu einer Reihe von freien Antigen-Symbolen die passenden Antikörpersymbole und läßt diese auf beiden Seiten mit Antigenen absättigen. Die Blutgruppenbestimmung aus Speichel, z. B. von Briefmarken auf Erpresserbriefen oder aus Samenflüssigkeit in Opfern von Sexualverbrechern, wird in der Kriminalistik zur Einengung des Kreises potentieller Täter eingesetzt. 1.1.5 Ergänzende Hinweise zu den Antigenen und Antikörpern des AB0-Systems Die AB0-Antigene sind in chemischer Hinsicht Mucopolysaccharide. Sie werden in den ersten Embryonalmonaten gebildet, so daß eine Blutgruppenbestimmung schon beim Neugeborenen mit Erfolg durchgeführt werden kann. Die Isoantikörper Anti-A und Anti-B sind Proteine. Sie entwickeln sich erst im 3. bis 6. Monat nach der Geburt. In dieser Zeit erfolgt die Besiedlung des Darms mit Escherichia coli-Bakterien, auf deren Zellwand man ebenfalls die Antigene A und B nachgewiesen hat. So kann man vermuten, daß die Entstehung der Antikörper Anti-A und Anti-B von den Escherichia coli Antigenen A und B ausgelöst wird: Eine „0“ Person, die auf ihren Blutkörperchen weder Anoch B-Antigene trägt, immunisiert sich gegen die Escherichia coli Antigene, bildet also sowohl Anti-A als auch AntiB-Antikörper. Eine „A“-Person, für die das A-Antigen ja nicht 1.1.4 Ausscheidung von Blutgruppen-Antigenen Bei 75% der weißen Bevölkerung kommen die Antigene des AB0-Systems nicht nur auf den roten Blutkörperchen und anderen Gewebezellen vor, sondern finden sich auch 2 65566.00 fremd ist, bildet nur Anti-B, eine „B“-Person nur Anti-A und eine „AB“-Person weder Anti-A noch Anti-B. Dieser Vorstellung steht die Hypothese gegenüber, daß die Anti-A und die Anti-B-Antikörper direkt unter genetischer Kontrolle entstehen. 1.2 Die Rhesus-Blutgruppen Zur Erläuterung der Rhesus-Blutgruppen benötigt man aus dem Symbolsatz – – – – 2 Blutkörperchen-Symbole die daran anschiebbaren AntigenSymbole mit der Aufschrift „Rh“ (dunkelgrün) das Symbol der Antikörper mit der Aufschrift „Anti-Rh“ (hellgrün) die Symbole der Bezeichnungen der Blutgruppen Rh* und rhAbb. 4: Herüberschieben des Antikörpers, Verbindung der beiden Blutkörperchen und schließlich durch ihre Entnahme kann man die Blutkörperchenzerstörung im Kind andeuten. Der austretende Blutfarbstoff bedingt die Gelbsucht des Neugeborenen, die ungenügende Sauerstoffversorgung die Schädigung des Gehirns. Da das Prinzip der Agglutionationsreaktion bereits bei den AB0-Blutgruppen mit drei Blutkörperchen-Symbolen dargestellt wurde, kann man sich hier mit weniger Symbolen begnügen. Es kann veranschaulicht werden: 1.2.1 Die Bestimmung der Rhesus-Blutgruppe Rhesuspositive Menschen (85% der Bevölkerung) tragen auf ihren roten Blutkörperchen spezielle Rh*-Antigene - im Modell durch Anschieben der Rh*-Symbole darstellbar -, rhesusnegativen Menschen (15% der Bevölkerung) fehlt dieses Antigen - im Modell durch die blanke Blutkörperchenscheibe ohne angeschobene Symbole darstellbar. Das Rhesus-Testserum Anti-Rh* (=Anti-D), das aus Seren von rhesusnegativen Menschen oder von Tieren, die mit Rh*Blutkörperchen immunisiert worden sind, gewonnen wird, agglutiniert Rh*-Blut. Zur Demonstration der Rhesus-Bestimmung im Modell gibt man an der Magnettafel ein AntiRh*-Symbol zu zwei Modellblutkörperchen, die einmal je ein Rh*-Antigen tragen, einmal ohne Antigen bleiben. Im ersten Fall kann man Agglutination zeigen, die Blutgruppe wird mit Rh* bezeichnet, im zweiten Fall gibt es keine Agglutination, die Blutgruppe wird mit rh- bezeichnet. 1.2.3 Die Vermeidung der Sensibilisierung der Mutter Spritzt man einer rhesusnegativen Mutter sofort nach der Geburt ihres ersten rhesuspositiven Kindes eine bestimmte Menge Rh*-Antikörper, so bildet sie selbst keine Antikörper. Die Begründung hierfür kann man an der Magnettafel zeigen, wenn man wieder die Situation von Kind1 herstellt, dann zwei Rh*-Blutkörperchen auf die Seite der Mutter übertreten läßt („bei der Geburt“) und das Rh*-AntikörperSymbol hinzufügt („nach der Geburt“). Die übergetretenen Blutkörperchen werden sofort agglutiniert und durch Abbau unschädlich gemacht. 2. BLUTGRUPPEN UND IHRE VERERBUNG Als Voraussetzung für den sinnvollen Einsatz dieser Modellerweiterungen zur Blutgruppengenetik sollte bei den Schülern mindestens das Prinzip der Reduktion des diploiden Chromosomensatzes bei den Reifeteilungen und des Zusammentretens haploider Keimzellen bei der Befruchtung bekannt sein. Sind darüber hinaus die Grundbegriffe und -vorstellungen der Mendelgenetik und der Chromosomentheorie bereits an einem anderen Beispiel erarbeitet, so kann bei der Behandlung der Genetik der AB0-Blutgruppen darauf zurückgegriffen werden. Neu einzuführen sind dann lediglich Erscheinung und Begriff der multiplen Allelie und der Kodominanz. Es ist aber durchaus möglich, die Grundgedanken und Begriffe der Mendelschen Regeln und der Chromosomentheorie der Vererbung mit Hilfe des Blutgruppen-Modells erstmals einzuführen. 1.2.2 Die Rhesus-Unverträglichkeitsreaktion Ein senkrechter Strich in der Mitte der Metalltafel markiere die Membran zwischen mütterlichem, rhesusnegativem Blut (links), dargestellt durch eine Blutkörperchenscheibe (ohne anschiebbare Symbole) und kindlichem, rhesuspositivem Blut (rechts), dargestellt durch zwei Blutkörperchenscheiben mit angeschobenen Rh*-Antigen-Symbolen (vergleiche dazu Abb. 4). Während der Geburt des ersten Kindes (Kind1) treten bei der Ablösung des Mutterkuchens Blutkörperchen des Kindes in den mütterlichen Kreislauf über, was man durch Wegwischen eines Teils der Membranlinie und Hindurchschieben eines Blutkörperchens von rechts nach links simuliert. Die von den Rh*-Antigen veranlaßte Produktion von Rh*-Antikörpern deutet man durch Hinzufügen des entsprechenden Symbols an. Die Verhältnisse während einer zweiten Schwangerschaft kann man veranschaulichen, wenn man an der Tafel den Index von Kind1 in Kind2 verwandelt, die Membranlinie wiederherstellt und rechts das zweite Modellblutkörperchen wiedereinsetzt. Im Unterschied zur ersten Schwangerschaft enthält jetzt das Blut der Mutter Rh*-Antikörper. Diese treten bereits vor der Geburt des Kindes durch die unverletzte Membran in den Kreislauf des Kindes über und führen zur Agglutination und anschließenden Auflösung von Blutkörperchen. Durch 2.1 AB0-Blutgruppen Zur übersichtlichen Darstellung bzw. Ableitung der Grundkenntnisse über die Genetik der AB0-Blutgruppen enthält der Symbolsatz zusätzlich streifenförmige Chromosomenmodelle. Auf ihnen sind an einer bestimmten Stelle außerhalb der Mitte, dem damit markierten Genort (Locus) die Gen-(Allel-)symbole A oder B oder 0 aufgedruckt. Diese sind in Kursivschrift gehalten, um sie von den Buchstaben A und B zu unterscheiden, die die Blutgruppen-Antigene bezeichnen. Die drei weißen Ringe, die ebenso wie die Chromosomenstreifen auf den Blutkörperchenscheiben 3 65566.00 haften, sollen Zellkerne symbolisieren. Mit Ring versehene Blutkörperchenscheiben können dadurch wahlweise zu kernhaltigen Blutkörperchen-Bildungszellen (Erythroblasten) umgedeutet werden. 2.1.1 Grundvorstellungen über die Genetik der AB0-Blutgruppen Entsprechend Abb. 5 heftet man eine Blutkörperchenscheibe an die Magnettafel, erklärt sie durch Hinzufügen des Ringes zur kernhaltigen Bildungszelle und setzt ein Chromosomenpaar z.B. mit dem Genpaar AA ein. Durch Aufschieben von AntigenSymbolen A und Anheftung des Symbols für die Blutgruppe A kann man den Zusammenhang zwischen Gen und Merkmal erläutern und die Grundbegriffe einführen bzw. vertiefen: ↓ Abb. 6 Abb. 5 Unter der Wirkung eines Gens (Erbanlage, Allel) A entsteht in der Zelle das Antigen A, wird in die Zellmembran eingebaut und kann mit dem Anti-A-Serum nachgewiesen werden: Blutgruppe A. Da bereits ein Allel A zur Ausprägung des Merkmals genügt und ein Allel 0 daneben keine nachweisbare Wirkung entfallet, kann das Erscheinungsbild, der Phänotyp der Blutgruppe A, entweder vor dem reinerbigen homozygoten Genotyp AA, oder dem mischerbigen, heterozygoten Genotyp A0 herrühren. Deshalb bezeichnet man das Gen A als dominant, das Gen 0 als rezessiv. Entsprechendes gilt für die Blutgruppe B. Liegt dagegen der mischerbige Genotyp AB vor, so verwirklichen beide Gene nebeneinander ihre Antigenmerkmale A und B und stellen den Blutgruppen-Phänotyp AB dar. Man bezeichnet deshalb das Verhältnis der beiden Allele A und B zueinander als kodominant. Sind schließlich zwei rezessive 0-Allele vorhanden, so können weder ein A noch ein B-Antigen ausgebildet werden und es entsteht der Phänotyp der Blutgruppe 0. Bei den Gruppen AB und 0 kann im Gegensatz zu den Gruppen A und B somit eindeutig vom Phänotyp auf den Genotyp geschlossen werden. Die Tatsache, daß an einem Genort mehr als zweierlei Allele vorkommen, z.B. dreierlei, A, B oder 0, bezeichnet man als multiple Allelie, die entsprechenden Allele als multiple Allele. Eine einprägsame Zusammenfassung über den Zusammenhang von Genotyp und Phänotyp kann man unter Weglassung der Zellscheiben entsprechend Abb. 6 zusammenstellen. 4 65566.00 Abb. 7 2.1.2 Erbgänge der AB0-Blutgruppen Mit Hilfe der Blutgruppen-Symbole für den Phänotyp und der ChromosomenGen-Symbole für den Genotyp lassen sich einfach und übersichtlich Erbgänge der AB0-Blutgruppen darstellen (Abb. 7). Dabei kann für jeden Fall die Wahrscheinlichkeit abgelesen werden, mit der ein Kind eine bestimmte Blutgruppe erhalten wird. Im linken Beispiel beträgt sie für jede Blutgruppe 25%, im rechten 100% für die Blutgruppe 0. 2.1.3 Anwendungsbeispiele Man kann mittels des Modells an folgendem Beispiel von den Schülern Gutachterprobleme lösen lassen, wenn man die Blutgruppen-Phänotypen der Probanden vorgibt und die Genotypen erschließen läßt. In einer Entbindungsanstalt wurden in einer Nacht vier Kinder geboren und versehentlich nicht gekennzeichnet. Ihre Blutgruppen konnten als A, AB, B und 0 ermittelt werden. Die Bestimmung der Blutgruppen der Elternpaare ergab: 0x0, ABx0, AxB und BxB. Welches Kind gehört eindeutig zu welchem Elternpaar? Indem man jedem Phänotypensymbol an der Magnettafel die möglichen Kombinationen der Chromosomen-GenSymbole zuordnet, gelangt man durch Ausschluß zur richtigen Lösung. Abb. 8 2.2 Untergruppen A1 und A2 Während die Untergruppen des ABOSystems für Bluttransfusionen keine Rolle spielen, ist ihre Kenntnis bei der Erstellung von Vaterschaftsgutachten mitunter von ausschlaggebender Bedeutung. Je zwei Antigen-Symbole in der dunkelblauen Farbe von A tragen die Bezeichnungen A1 und A2. Sie weichen in der Gestaltung der Spitze geringfügig voneinander ab, so daß man veranschaulichen kann, daß beide mit dem gewöhnlichen Anti-A-Serum reagieren können, es aber möglich ist, sie durch Spezialseren Anti-A1 und Anti-A2 (auf deren Darstellung im Modell verzichtet wurde) nachzuweisen. Zur Behandlung der Genetik der beiden Untergruppen sind je drei Chromosomenstreifen vorgesehen mit den Aufdrucken A1 und A2. Für die Lösung von Gutachteraufgaben ist die Kenntnis notwendig, daß sich Gen A1 dominant über Gen A2 verhält. Folgendes Beispiel soll mit Hilfe des Modells gelöst werden: Ein Kind hat die Blutgruppe A2, die Mutter 0. Der Ehemann mit der Blutgruppe A1 beschuldigt einen Mann, Vater des Kindes zu sein, der ebenfalls die Blutgruppe A1 hat. Eine Entscheidung ist möglich durch den Befund, daß die Mutter des Ehemanns die Gruppe A1, die Mutter des Beschuldigten B hatte. Zunächst stellt man mit den Blutgruppen-Symbolen den Fall dar (Abb. 8 oben), dann fügt man mittels der Chromosomen-Gen-Symbole die möglichen Genoty5 65566.00 pen hinzu (Abb. 8 unten) und gelangt so zur Entscheidung, daß der Ehemann der Vater ist. 2.3 Rhesus-Blutgruppen Die Genetik des vollständigen Rhesus-Systems ist noch nicht restlos geklärt. Eine Theorie besagt, daß drei benachbarte Genorte mit je mindestens zwei Allelen C-c, D-d und E-e vorliegen, wobei D=Rh* und d=rh- für die Sensibilisierungsreaktion verantwortlich ist. Im Modell sind lediglich diese beiden Gene vorgesehen und durch je drei Chromosomenstreifen vertreten. Um zum Ausdruck zu bringen, daß der Rhesus-Genort auf einem anderen Chromosomenpaar liegt als der Genort der AB0-Allele, sind die „Rhesus-Chromosomen“ kürzer gestaltet. Abb. 9 zeigt die Modelldarstellung einer Blutkörperchenbildungszelle eines homozygoten, rhesuspositiven und die eines heterozygoten, rhesusnegativen Menschen. Daraus ist ersichtlich, daß sich das Rh—Gen dominant gegenüber dem rh—Gen verhält. Erbgänge und Anwendungsbeispiele bzgl. des Rhesusfaktors können analog zu Abb. 7 und 8 dargestellt werden. 2.4 Dihybrider Erbgang Die Kombination der Symbole des AB0-Systems und des Rhesus-Systems gestattet die anschauliche Ableitung der Grundlagen für die Gesetzmäßigkeiten des dihybriden Erbganges. Entscheidend ist dabei die Demonstration der Zufälligkeit der Anordnungsmöglichkeiten der beiden Chromosomenpaare bei der Reduktionsteilung. Darüber hinaus bietet das Modell die Möglichkeit an, die Konsequenzen durchspielen zu lassen, die sich bei der Kombination eines kodominanten und eines dominant-rezessiven Allelpaares für die Zahl der Phänotypen ergeben. So dient das Modell nicht nur zur Vermittlung und Veranschaulichung von Kenntnissen, sondern auch als Anstoß zu problemlösendem Denken. Abb. 9 6 65566.00