06-03-03_KOPF.qxd:Layout 1 25.05.2011 15:46 Uhr Seite 16 16 Michael Nast, Güstrow/FNR Technik 06 I 11 | Deutsches IngenieurBlatt AN EINEN ZWEIGESCHOSSIGEN HOLZSTAPEL auf einem massiven, gemauerten Sockelpodest erinnert der Neubau des neuen Hauptsitzes der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) in Gülzow. Nachhaltig gelungen Ein Verwaltungsbau als Beispiel für das Bauen mit nachwachsendenden Rohstoffen und für künftige nachhaltige Baukultur im öffentlichen Raum Nomen est omen: Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), einer der Projektträger des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), hat ihren neuen Verwaltungssitz als bundesweites Pilot-, Modell- und Vorbildprojekt für nachhaltiges und ökologisches Bauen auch für das öffentliche Bauen konzipiert und dieser Tage seiner Bestimmung übergeben. Mit dem überwiegend aus nachwachsenden Rohstoffen gebauten Bürogebäude haben die FNR, der die Forschung, Entwicklung, Markteinführung und Öffentlichkeitsarbeit für nachwachsende Rohstoffe obliegt, im öffentlichen Bauwesen all’ die Innovationen und jene effiziente Nutzung von Energie und Ressourcen realisiert, die derzeit sonst eher die privaten Bauherrn verwirklichen. Iris Kopf Seit über siebzig Jahren wird auf dem Landgut Gülzow, einem kleinen Ort in der Nähe der Barlachstadt Güstrow, Pflanzenzüchtung und Agrarforschung betrieben. Auf dem ehemaligen Gutsgelände hat noch heute die Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern ihren Sitz. Seit 1994 befindet sich im Herrenhaus Gülzow auch die Geschäftsstelle der 1993 gegründeten Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR). Als die Bürokapazitäten für die wachsende Mitarbeiterzahl der FNR nicht mehr ausreichten, wurde zusätzlicher Raum an anderen Standorten in der Umgebung bereitgestellt, was jedoch ein Problem für die Zusammenarbeit der FNRMitarbeiter war. Da die Sanierung und Umnutzung von historischer Bausubstanz am Standort ebenfalls zu keiner Lösung führte, fiel die Entscheidung für einen Neubau in direkter Nachbarschaft des Herrenhauses. Der Betrieb für Bau und Liegenschaften des Landes Mecklenburg-Vorpommern (BBL M-V) bereitete die Planung und Umsetzung des Bauvorhabens vor. Mit finanzieller Hilfe des Bundes und des Landes Mecklenburg-Vorpommern wurde der Neubau realisiert. Es fanden sich in dem Bundesland mit unterdurchschnittlicher Holzbauquote auch kompetente Architekten, Fachplaner und Handwerker, die das Projekt gemeinsam umsetzen konnten. Pilot-, Modell- und Vorbildprojekt Die Aufgabenstellung für das beauftragte Architekturbüro matrix architektur, architekten BDA, Rostock, war der Entwurf eines Bürogebäudes für 31 Mitarbeiter der FNR, die an temporär eingerichteten Dienststellen außerhalb Gülzows arbeiteten. Das Gebäude sollte nicht nur in wesentlichen Teilen aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, sondern in seiner Gestaltung erkennbar die Ziele und inhaltliche Arbeit der FNR verkörpern. Es sollte außerdem ein Pilotprojekt des Landes Mecklenburg-Vorpommern werden mit dem Ziel, den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen zu demonstrieren und die Wirtschaftlichkeit anhand eines gebauten Beispieles zu überprüfen. Dazu wurden parallel zur Entwurfsplanung eine Lebenszyklusanalyse und eine Ökobilanzierung durchgeführt. Zur Berechnung wurde das FNR-geförderte Software-Programm LEGEP (www.legep.de) verwendet. Das Programm erlaubt genaue Aussagen über die Performance eines Gebäudes in energetischer und stofflicher Hinsicht sowie langfristige Prognosen der Betriebskosten. Zusätzlich handelt es sich um ein Modellprojekt zur Umsetzung von NiedrigstenergieStandards im Verwaltungsbau des Landes. Ziel ist es, den Nachweis der Wirtschaftlichkeit für Maßnahmen zu erbringen, die die aktuellen Energiestandards der EnEV 2009 unterschreiten. SchieleundSchoen1946#####985632741269852#####Schiele19Schoen46######978497949######XcFHi876BHTRG########875GbLuRbdP=######SchieleSchoen#######ipTrEbJfeBDS 06-03-03_KOPF.qxd:Layout 1 25.05.2011 15:46 Uhr Seite 17 17 Deutsches IngenieurBlatt | 06 I 11 DAS ERDGESCHOSS ist teilweise unterirdisch, ebenerdig schließen sich im Norden Büro- und Technikräume sowie das Treppenhaus an. Auf dem Sockel in klassischer Massivbaukonstruktion aus Beton und Ziegeln ist ab dem 1. Obergeschoss komplett in Holz gebaut, wobei unterschiedliche Konstruktionen eingesetzt wurden. Die Außenwände und ein Teilbereich des Daches bestehen aus einer Holzrahmenkonstruktion mit Zellulose- und Holzfaserdämmstoffen. Einige Innenwände, die Zwischendecke und die Sheddächer sind als Massivholzkonstruktion aus Brettstapelelementen gebaut, die in vielen Bereichen sichtbar geblieben sind. Auch das Treppenhaus besteht über alle drei Geschosse komplett aus Massivholz. Dem Brandschutz wird mit einer Innenverkleidung aus Gipskarton und einer REI-30-Unterhang-Decke genüge getan. Im Foyer wurden neben Holz ebenfalls massive Baustoffe verwendet. Die zentral im Gebäude stehende, zwei Geschosse hohe Stampflehmwand mit ihren mehrfarbigen Schichten und mit Einschlüssen verschiedener Materialen bildet das zentrale Gestaltungselement im Atrium. Sie ist darüber hinaus durch ihre Masse als thermisches Speicherelement ein wichtiger Bestandteil des Energiekonzeptes. Eine in die Wand eingelegte Bauteilaktivierung unterstützt diese Funktion. Lehmbaustoffe zählen zu den mineralischen Naturbaustoffen, deshalb ergänzen sich Lehm und Holz bei historischen wie bei modernen Bauweisen sehr gut – hier jedoch nicht in einer Verbundkonstruktion, sondern als funktional eingebundenes massives Wandelement. Auch die Klinkerpflasterung des Foyers ist matrix architektur Die Grundidee des Neubaus verkörpert einen zweigeschossigen Holzstapel auf einem massiven, gemauerten Sockelpodest. Der Entwurfsansatz setzt das Material Holz aber nicht nur konstruktiv ein, sondern auch als Ausgangspunkt der Gestaltung und führt zur Übereinstimmung von innerer und äußerer Wahrnehmung. Die Fassade besteht komplett aus recyceltem Eichenholz. Um die Idee des Langholz-Stapels zu unterstützen, ist sie nur an Nord- und Südfassade glatt besäumt, Ost- und Westfassade haben dagegen eine lebhaft profilierte Struktur. In die horizontal gegliederte Fassade sind vertikale Lochfenster eingeschnitten, deren Leibungen in Anlehnung an die farbigen Holzfenster der bestehenden Gebäude des alten Gutes mit grün gefärbtem Glas eingefasst sind. Auch der massive Sockel nimmt mit der rotbunten Klinkerfassade Bezug auf die historischen Bauten der Umgebung. Der Neubau hat eine fast quadratische Grundfläche von 17 x 16,5 Metern und ist zehn Meter hoch. Er ist vom „Alten Institut“ in der Nachbarschaft abgerückt und bildet als einladende Geste für den Haupteingang vor seiner Südfassade eine kleine Platzsituation. Das Sockelgeschoss nutzt die Hanglage des Geländes und ist zur Hälfte eingegraben. Damit fügt sich der Bau in Baukörperhöhe und Geschossigkeit in die bestehende Umgebungs-Bebauung ein. In dem teilweise unterirdischen fensterlosen Erdgeschoss befinden sich ein großer Archivraum mit Rollregalen als Zentralarchiv für die FNR sowie ein Lagerraum. Ebenerdig mit dem Außengelände schließen sich an der Nordseite Büro- und Technikräume sowie das Treppenhaus an. Südlich vorgelagert liegt unterirdisch unter dem Eingangsvorplatz eine Zisterne mit 196 Kubikmetern Löschwasserreserve für die gesamte Liegenschaft. Sie dient gleichzeitig als Pufferspeicher innerhalb des Energiekonzeptes. Aufgrund vieler erdberührender Bauteile wurde das Erd- beziehungsweise Sockelgeschoss in Massivbauweise ausgeführt. Der Hauptzugang zum Gebäude befindet sich an der Südseite im 1. Obergeschoss und führt in ein atriumartiges Foyer, das über eine zweigeschossige Holz-Glasfassade in der südlichen Außenwand und über drei Lichtbänder in den Sheddächern belichtet wird. Vom Foyer aus gelangt man in einen großen Besprechungsraum, der auch für öffentliche Veranstaltungen genutzt werden kann, sowie in Einzelbüros. Die Büro- und Besprechungsräume im 1. Obergeschoss können rollstuhlgerecht erreicht werden. Im 2. Obergeschoss befindet sich neben Einzelbüros ein Großraumbüro für Projektgruppen, das über eine Galerie mit dem Foyer räumlich verbunden ist. Das Foyer kombiniert beide Obergeschosse zu einer durchgehenden Nutzungseinheit. Die vertikale Erschließung ermöglicht ein Treppenhaus auf der Gebäudenordseite. In Abstimmung zwischen Bauherren und Nutzer wurde auf einen Aufzug verzichtet. matrix architektur Michael Nast/FNR Entwurf und Raumprogramm mit Corporate Identity Baukonstruktion und Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen Technik BEI DER EINWEIHUNG des neuen Bürogebäudes in Gülzow zerschnitten (v.l.n.r.) der Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates, Georg Schirmbeck, der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz von Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Till Backhaus, die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ilse Aigner, und der Vorsitzende des Vorstandes der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, Dr. Jörg Rothermel, das grüne Band und eröffneten damit das neue, durch und durch „grüne“ Bürogebäude aus nachwachsenden Rohstoffen – und empfahlen es zur Nachahmung. IM 1. OBERGESCHOSS befindet sich – an der Südseite – der Hauptzugang zum Gebäude. Er führt in ein atriumartiges Foyer, das über eine zweigeschossige Holz-Glasfassade in der südlichen Außenwand und über drei Lichtbänder in den Sheddächern belichtet wird. www.deutsches-ingenieurblatt.de SchieleundSchoen1946#####985632741269852#####Schiele19Schoen46######978497949######XcFHi876BHTRG########875GbLuRbdP=######SchieleSchoen#######ipTrEbJfeBDS 06-03-03_KOPF.qxd:Layout 1 25.05.2011 15:46 Uhr Seite 18 06 I 11 | Deutsches IngenieurBlatt matrix architektur Technik 18 matrix architektur IM LÄNGSSCHNITT ist das Sockelgeschoss mit Archiv und Zisterne deutlich zu erkennen, das in massiver Bauweise (Ziegel, Beton) ausgeführt wurde. LÄNGSSCHNITT AUSSENWAND: 1. Dachaufbau: einlagige Kunststoffbahn mit PV-Einlagen, einlagige Bitumenbahn, 30 mm EPS Dämmung unter PV-Modulen, 24 mm Sparschalung, 0-220 mm Gefällekeilung, Holzbalken 0-220/60 mm mit Zellulosedämmung WLG 040, 240/60 mm Holzbalkendecke mit Zellulosedämmung WLG 040, feuchtadaptive Dampfsperre sd > 100, 18 mm OSB/4 20. Wandaufbau Außenwand, Holzbau (West/Ost): bis 160 mm Eichholzfas sade, Insektengitter, 40 /80 mm Lattu ng als Element mit Ei chen holz, Wi ndfolie, 6 0 mm Holz weichfa serpla tte, Stöße win ddicht verklebt, WLG 045, 240 mm Holzrahmenbauwand mit 80/240 mm Holzstützen mit Zellulosedämmung, WLG 040, 15 mm OSB/4 (Dampfsperre), 12,5 mm Gipskartonplatte 25. Wandaufbau Außenwand, Mauerwerk: 115 mm Verblendklinker, 40 mm Luftschicht, 160 mm Holzweichfaserdämmung/EPS Dämmung WLG 035, 175 mm Poroton, 10 mm Lehmputz 41. Trespa-Platte 10 mm auf Holz UK 42. Elektrokanal 67/210 mm 60. Deckenaufbau 2. Obergeschoss: 10 mm Teppich, 70 mm Zementestrich mit Fußbodenheizung, PEFolie, 80 mm Holzweichfaserplatte, 200 mm Brettstapeldecke gemäß Statik 61. Deckenaufbau 1. Obergeschoss: 10 mm Teppich, 70 mm Zementestrich mit Fußbodenheizung, PEFolie, 80 mm Holzweichfaserplatte WLG 040, 200 mm Filigranstahlbetondecke 64. Decken aufbau Erdgeschoss : 10 mm Bodenbelag, 70 mm Estrich mit Fußbodenheizung, PE-Folie, 80 mm Holzweichfaserplatte, einlagige Bitumenabdichtung, 250 mm Stahlbetonsohlplatte, 160 mm druckfeste Perimeterdämmung, XPS WLG 035, Bettungspolster gemäß Bodengutachten und Statik 69. Holzakustikdecke 76. Fußleiste, Eichenholz: 60 x 20 mm 91. Eichenholzfenster: dreifach Isolierverglasung, UW-Wert 1,1 W/(m2K) 92. Eichenholzfenster Festverglasung: dreifach Isolierverglasung UW-Wert 1,1 W/(m2K) 93. Glasleibung: grün, 10 mm ESG mit UK und Glashalter 100. Fensterbrett: MDF anthrazit, 20 mm 102. Raffstore mit Flachlamellen: 60 mm matrix architektur IM QUERSCHNITT wird die kompakte Gebäudekubatur deutlich. Die gestaltete Stampflehmwand an der Rückseite des Atriums dient auch der Wärmespeicherung. SchieleundSchoen1946#####985632741269852#####Schiele19Schoen46######978497949######XcFHi876BHTRG########875GbLuRbdP=######SchieleSchoen#######ipTrEbJfeBDS 06-03-03_KOPF.qxd:Layout 1 25.05.2011 15:46 Uhr Seite 19 19 Michael Nast, Güstrow/FNR Technik Michael Nast, Güstrow/FNR Deutsches IngenieurBlatt | 06 I 11 GESTALTUNGSELEMENT und Wärmespeicher: die zweigeschossige Stampflehmwand im Atrium Michael Nast, Güstrow/FNR SICHTBARE HOLZKONSTRUKTIONEN im Atrium – Blick durch den Haupteingang in Richtung Süden IN DEN BÜRORÄUMEN finden sich zahlreiche nachwachsende Rohstoffe: Fenster und Türrahmen aus Eichenholz • Akustikdecken aus Holz, lasiert mit Naturöllasur (silbergrau) • Büro-Innenwände in Holzbauweise, in den Fluren teilweise mit Filzoberfläche • Naturhaarteppiche (stuhlrollengeeignet) • Möbel und Fensterbänke aus modernen Holzwerkstoffen (MDF, durchgefärbt) nicht nur gestaltendes Element, sondern dient der Wärmespeicherung. Die imposante Fassade besteht vollständig aus recyceltem Eichenholz. Die Balken waren bereits für viele Jahrzehnte – wenn nicht sogar Jahrhunderte – Bestandteile von Gebäuden. Sie wurden aufgesägt, auf einer Unterkonstruktion aus Latten zu vorgefertigten Elementen zusammengefügt und an der Fassade montiert. Die Fassadenkonstruktion verdeutlicht hervorragend den Kreislaufgedanken beim Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen. Die Eichenholzfassade wurde in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Klaus Dreiner von der HNE Hochschule für nachhaltige Entwicklung (FH) Eberswalde entwickelt. Um die Umsetzung dieser Experimentalfassade zu überprüfen und die Konstruktion zu optimieren, wurde ein 1:1-Modell einer Fassadenecke erstellt. Es stellt den Konstruktionsaufbau von Wänden und Decke vollständig dar und kann auch weiter als Demonstrationsmodell benutzt werden. Auf Empfehlung der HNE Eberswalde konnte bei den gewähl- ten Querschnitten von 10/4 bis 14/16 Zentimeter auf chemischen Holzschutz vollständig verzichtet werden. Auf den sonst üblichen konstruktiven Holzschutz durch geneigte Ablaufflächen wurde hier aufgrund der Lebenszyklusbetrachtung ebenfalls verzichtet. Die gesamte Konstruktion ist luftumfächert. Auf der Oberseite der Attika sind die Hölzer durch ein Blech abgedeckt. Elemente im Spritzwasserbereich sind so ausgeführt und montiert, dass einzelne „Opferhölzer“ bei Bedarf ausgetauscht werden können. Das Konzept Niedrigstenergiegebäude geht auf Entsprechend den Vorgaben des Bauherrn sollte der Neubau ein Niedrigstenergiegebäude sein, das heißt, die Unterschreitung der EnEV 2009 um etwa dreißig Prozent. Durch das sehr gute Messergebnis zur Gebäudedichtheit nach den Blower-Door-Tests und mit Anrechnung des selbst erzeugten PVStroms wird die EnEV 2009 sogar um fünfzig Prozent unterschritten. Das Gebäude wird gemäß Energieausweis des Ingenieurbüros Ewers (Rostock) einen Primärenergiebedarf für die Heizung von 26 kWh/(m2a) erreichen. Der Gesamtprimärenergiebedarf wird mit 56 kWh/(m2a) angegeben. In der Planungsphase wurden dafür Mehrinvestitionskosten von zwölf Prozent gegenüber einem konventionellen Gebäude errechnet. Um diesen Energiestandard zu erreichen, war eine hochwärmegedämmte Gebäudehülle notwendig, die sich an den Bauteilanforderungen des Passivhausstandards orientiert. Lediglich die Fenster unterschreiten diese Anforderungen, da hier aus Kostengründen auf gedämmte Rahmen verzichtet wurde. Mit den verwendeten Dreifachscheiben erreichen die Fenster insgesamt einen Uw-Wert von 1,1 W/(m2K). Die Blower-DoorTests ergaben eine gemessene Luftwechselrate von n50 = 0,29 l/h. Zweiter wichtiger Punkt des Energiekonzeptes ist die aktive und passive Nutzung der Sonnenenergie. In den Übergangsmonaten www.deutsches-ingenieurblatt.de SchieleundSchoen1946#####985632741269852#####Schiele19Schoen46######978497949######XcFHi876BHTRG########875GbLuRbdP=######SchieleSchoen#######ipTrEbJfeBDS 06-03-03_KOPF.qxd:Layout 1 25.05.2011 15:46 Uhr Seite 20 Technik 20 06 I 11 | Deutsches IngenieurBlatt im Frühjahr und Herbst funktioniert das Foyer als Sonnenfalle. Die über die verglaste Südfassade einstrahlende Sonnenenergie wird in den massiven Bauteilen des Fußbodens und der Stampflehmwand gespeichert und zeitversetzt wieder abgegeben. Um eine Überhitzung zu vermeiden, sieht die Planung an der Südfassade einen festen Sonnenschutz mit Photovoltaikelementen vor. Er wurde aus Kostengründen zurückgestellt und soll bei Bedarf nachgerüstet werden. Dritter Punkt des Energiekonzeptes ist die Wärmespeicherung in der 196 Kubikmeter großen Löschwasserzisterne. Dahin wird nicht Objektdaten Projekt: Neubau des Hauptsitzes der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR), OT Gülzow, Hofplatz 1, 18276 Gülzow-Prüzen Bauherr/Auftraggeber: Betrieb für Bau- und Liegenschaften Mecklenburg-Vorpommern, Neubrandenburg Nutzer: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) Planer: Architekten: matrix architektur Rostock Statik: Ingenieurbüro für Tragwerksplanung Back, Lübeck HLS: Plantec Ingenieurgesellschaft mbH, Elmenhorst Elektro: IHS mbH, Rostock Bauphysik: IBE, Rettin Beratende/prüfende Institutionen: Beratung Holzfassade: HNE Eberswalde/ Fachbereich Holztechnik, Eberswalde Vermesser: Wagner/Weinke, Güstrow SiGeKo: Betrieb für Bau und Liegenschaften M-V Neubrandenburg Brandschutz Prüfer: Dr.-Ing. Frank Riesner, Wismar Gebäudedaten: Büroarbeitsplätze: 31 Bruttogrundfläche: 923 m2 Nettogrundfläche: 732 m2 Bruttorauminhalt: 3.256 m2 Hauptnutzfläche: 533 m2 Bürofläche: 357 m2 Archiv und Technik: 179 m2 Atrium, Flure, Treppenhaus: 195 m2 Energiedaten: Heizenergiebedarf: 15,9 kWh/(m2a) Nutzenergie Heizung: 34,6 kWh/(m2a) Gesamtenergiebedarf: 56 kWh/(m2a) (Vergleichswert EnEV 2009: 112 kWh/(m2a) CO2-Emission: 14 kg/(m2a) U-Wert Außenwand: 0,15 W/(m2K) Baukosten: KG 300 + 400 Gesamtbaukosten: 1.584.622 € KG 300 + 400 Mehrkosten für nachwachsende Rohstoffe: 62.502 €(4,10 %) Bauzeit: 6.4.2010 bis 10.05.2011 nur die überschüssige Wärme aus den Räumen im Sommer, sondern vor allem auch die Abwärme des Servers abgeleitet. Hier fallen in der Spitzenlast bis vier Kilowattstunden Wärmeleistung an. Diese Energie wird mittels eines speziellen Serverschrankes direkt an der Entstehungsstelle abgenommen und dann über Wasserleitungen und einen Wärmetauscher in die Zisterne eingebracht. Der Temperaturbereich des Wassers in der Zisterne bewegt sich zwischen null und zwanzig Grad Celsius. Beheizt wird das Gebäude mit einer Wasser/Wasser-Wärmepumpe, die die Energie aus der Löschwasserzisterne bezieht. Für die Leistungsspitzen bei Heizung und Kühlung stehen zusätzlich oberflächennahe geothermische Kompaktsonden zur Verfügung. Die Verteilung der Energie im Haus erfolgt über ein Rohrsystem, das sowohl in den Estrichen – vergleichbar einer konventionellen Fußbodenheizung – als auch in den massiven Speicherbauteilen des Foyers eingebaut ist (Lehmwand und Fußboden mit Klinkerpflaster). Ein wichtiger Baustein des Gebäude-Energiekonzepts ist die kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Die Lüftungsanlage versorgt alle Büros im Bereich der Fassade mit Frischluft. Dadurch kann in der Heizperiode auf die Fensterlüftung verzichtet werden, was die Lüftungswärmeverluste verringert. Die Abluft wird oberhalb des Atriums und in den Nebenräumen abgezogen und über einen Wärmetauscher für die Frischluft bereitgestellt. Die Frischluft wird über einen Erdwärmetauscher unterhalb des Gebäudes angesaugt, der die Luft vorkonditioniert und im Winter erwärmt sowie im Sommer abkühlt. Die aktive Nutzung solarer Energien durch Photovoltaik ergänzt das Konzept. Eine Kunststoffdachabdichtung mit integrierten Photovoltaikzellen erreicht einen Ertrag von ca. 2.483 kWh/a. Auf den Sheddachflächen wurde die Wirtschaftlichkeit einer Photovoltaikanlage ebenfalls nachgewiesen, sie ließ sich jedoch aus Kostengründen vorerst nicht realisieren. Um eine Nachrüstung zu ermöglichen, ist die Anschlussinstallation vorgesehen. Im Falle der Nachrüstung von Photovoltaikmodulen auf den Sheds könnte aus dem FNR-Bürogebäude ein klimaneutrales Gebäude werden, wie von der Bundesregierung bis 2050 gewünscht. Nachhaltigkeit und Komfort gibt es nicht zum Nulltarif Für die Gesamtkosten der Baumaßnahme stand unter Berücksichtigung des Einsatzes nachwachsender Rohstoffe und eines Energiestandards unter EnEV 2009 ein Kosten- Beispiele für Baukonstruktionen aus nachwachsenden Baustoffen Im neuen Bürogebäude der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR) in Gülzow sind einige Materialien und Konstruktionen gewählt worden, die beispielgebend für das nachhaltige Bauen der Zukunft sein können. Hier einige Beispiele dafür, was sich in Gülzow die Architekten und Ingenieure haben einfallen lassen: Außenwand: 1. und 2. Obergeschoss: Holzrahmenbau mit Dämmstoffen aus Zellulose- und Holzfaserdämmstoffen Erdgeschoss: Ziegelmauerwerk mit Holzfaserdämmstoff (im nicht erdberührten Bereich) Fassade: 1. und 2. Obergeschoss: Eichenaltholz Erdgeschoss (Sockelgeschoss): Klinkerfassade Decken: 1. und 2. Obergeschoss: Ziegenhaarteppich (stuhlrollengeeignet), Zementestrich, Holzfaserdämmung (Schallschutz), Brettstapeldecke, Holzakustikdecken quer zur Raumrichtung, Stromschienen zur individuellen Beleuchtung mit Möglichkeit der Nachrüstung, Langfeldbeleuchtung wie Möblierung Büroräume: Fenster und Türrahmen aus Eichenholz Akustikdecken aus Holz, lasiert mit Naturöllasur (silbergrau) Büro-Innenwände in Holzbauweise, in den Fluren teilweise mit Filzoberfläche Naturhaarteppiche (stuhlrollengeeignet) Möbel und Fensterbänke aus modernen Holzwerkstoffen (MDF, durchgefärbt) Glastüren Treppenhaus: Trittstufen (schwebende Blockstufen) und Podeste aus geölter Eiche Treppenhauswände in massiver Holzbauweise, teilweise sichtbar, teilweise mit Gipskarton verkleidet, teilweise mit Lehmputz/Wandheizung Fenster-/Leibungsrahmen aus Eiche runde Handläufe aus Eiche obere Brüstung aus Glas mit Eichenhandlauf C ; X [ [ n SchieleundSchoen1946#####985632741269852#####Schiele19Schoen46######978497949######XcFHi876BHTRG########875GbLuRbdP=######SchieleSchoen#######ipTrEbJfeBDS 06-03-03_KOPF.qxd:Layout 1 25.05.2011 15:46 Uhr Seite 21 21 Deutsches IngenieurBlatt | 06 I 11 schutzes gegenüber herkömmlichen Dämmmaterialien und somit einen Komfortgewinn und geringere Kühllasten für das Gebäude in der Sommerzeit. Die für den Energiestandard erforderliche Lüftungsanlage verbessert zudem die Luftqualität erheblich und ermöglicht auch in kleinen Büros eine ausreichende Frischluftzufuhr. Insgesamt belaufen sich die Mehrkosten für den niedrigeren Energiestandard auf circa zwölf Prozent, wobei die Investitionen in die Haustechnik einen Anteil von etwa sieben Prozent ausmachen. Alle Maßnahmen zusammen ergeben wesentlich geringere Betriebskosten in der Nutzung des Gebäudes. Die Wirtschaftlichkeit beruht stets auf den Annahmen zur Energiepreisentwicklung. Bauzeit zwölf Monate – mit Bauelementen aus nachwachsendenden Rohstoffen Dank des hohen Grades an Vorfertigung konnte das gesamte Gebäude innerhalb von zwölf Monaten errichtet werden. Der Rohbau der beiden Obergeschosse dauerte nur wenige Tage. Neben kurzen Montagezeiten durch die Verwendung von Fertigteilen wirkte sich vor allem die deutliche Reduzie- rung der Baufeuchte positiv auf die Bauzeit aus. Und wenn dann auch noch das Zusammenspiel zwischen allen Baubeteiligten stimmt wie in diesem Fall, kann auch ein solches öffentliches Modellvorhaben in der vorgesehenen Bauzeit realisiert werden. Am 10. Mai war es dann soweit: Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Dr. Till Backhaus, Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Jörg Rothermel, Vorstandsvorsitzender der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR), und Georg Schirmbeck, Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates DFWR, zerschnitten gemeinsam ein grünes Band und eröffneten damit das neue, durch und durch „grüne“ FNRBürogebäude aus nachwachsenden Rohstoffen – und empfahlen es zur Nachahmung in den anderen Bundesländern. Technik rahmen von zwei Millionen Euro zur Verfügung. Die Mittel wurden zu einem Viertel vom Eigentümer der Liegenschaft, dem Land Mecklenburg-Vorpommern, und zu drei Vierteln vom Bund aus Mitteln des Konjunkturpaketes II zur Verfügung gestellt. Bereits in der Planungsphase war es wichtig, zu klären, wie hoch die Kosten für den verstärkten Einsatz von Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen auch im Ausbau des Gebäudes sein würden, damit die Gesamtbaukosten nicht aus dem Ruder laufen. Ohne Berücksichtigung der Hüllkonstruktion, die bei den Kosten des Energiestandards berücksichtigt wurden, ergaben sich Mehrkosten von ca. vier Prozent. Dem gegenüber steht ein Mehrwert in Bezug auf ein verbessertes Raumklima, niedrigere Instandhaltungskosten und Vorteile bei den späteren Entsorgungskosten im Lebenszyklus der Bauteile. Die Mehrkosten für den besseren Energiestandard setzen sich zusammen aus den Mehrkosten für die Baukonstruktion, vor allem die besser gedämmte Hüllkonstruktion, und für zusätzliche Maßnahmen und Investitionen in die Haustechnik. Eine mit nachwachsenden Rohstoffen gedämmte Hüllkonstruktion bedeutet eine Verbesserung des sommerlichen Wärme- www.fnr.de www.nachwachsende-rohstoffe.de Literatur Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR): Neubau Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) – Eine Dokumentation zum Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen im öffentlichen Bereich, FNR 2011 SchieleundSchoen1946#####985632741269852#####Schiele19Schoen46######978497949######XcFHi876BHTRG########875GbLuRbdP=######SchieleSchoen#######ipTrEbJfeBDS