Durchbruch in der Therapie

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MALIGNES MELANOM
Durchbruch in der Therapie
Das Verständnis der molekularen Pathogenese des Tumors hat sich in kurzer Zeit stark
verbessert. Auf dieser Grundlage konnten neue Medikamente entwickelt werden, die bei
inoperabler Metastasierung zu einer deutlichen Verlängerung des Überlebens führen können.
ie Behandlung des malignen Melanoms macht
zur Zeit rasante Fortschritte. Die positive Entwicklung betrifft vor allem die medikamentöse Therapie von Patienten mit Tumoren in fortgeschrittenen
Stadien, also bei inoperabler Metastasierung. Innerhalb von drei Jahren wurden vier neue Substanzen
zugelassen: Ipilimumab, Vemurafenib, Dabrafenib
und Trametinib. Weitere Substanzen sind im Zulassungsverfahren.
D
Molekular- und Immuntherapien
In den vielen Jahren zuvor lag das mediane Überleben der Patienten bei circa neun Monaten, das DreiJahres-Überleben deutlich unter zehn Prozent. Durch
ein besseres Verständnis der molekularen Pathogenese des Melanoms und der Funktion des Immunsystems wurden jetzt neue therapeutische Ansatzpunkte
eröffnet. Dementsprechend lassen sich diese Therapieansätze in zwei Gruppen zusammenfassen: Zum
einen sind es die molekular-zielgerichteten Therapien. Sie beruhen auf der Entdeckung von Treibermutationen in Schlüsselmolekülen von Signalwegen,
die für das Wachstum und Überleben der Tumorzellen wichtig sind. Kleine, chemisch hergestellte Moleküle („nibs“) können in die Zelle wandern und die
Aktivierung dieser Signalwege wieder blockieren.
Zum anderen die immunonkologischen Therapien,
welche die Aktivierung der körpereigenen Immunzellen zum Ziel haben. Dies gelingt am besten über
die Blockade von inhibitorischen Signalen mit therapeutisch verabreichten Antikörpern („mabs“), welche die entsprechenden Strukturen auf den Zelloberflächen blockieren.
In Bezug auf die molekularen zielgerichteten Therapien ist der RAS-RAF-MEK-ERK Signalweg relevant. Er wird bei 40 bis 60 Prozent der Melanome
durch ein mutiertes BRAF-Gen, bei 15 bis 20 Prozent durch ein mutiertes NRAS-Gen und bei zwei bis
fünf Prozent durch ein mutiertes KIT-Gen aktiviert.
Diese Mutationen sind in der Regel exklusiv, das
heißt, in einem Tumor findet sich entweder eine
BRAF-Mutation, NRAS-Mutation oder KIT-Mutation. Zwei BRAF-Inhibitoren, welche das mutierte
BRAF hemmen, sind mittlerweile zur Monotherapie
des metastasierten Melanoms zugelassen: Vemurafenib und Dabrafenib. Durch diese Substanzen lassen
sich bei BRAF-mutierten Patienten Ansprechraten
von 50 bis 60 Prozent erzielen, das mittlere Überle-
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ben wird in den bisher vorliegenden Studien auf bis
zu 20 Monate verlängert. Der Therapieerfolg ist jedoch häufig nicht von Dauer.
Nach durchschnittlich sieben Monaten kommt es
zu einem erneuten Wachstum der Metastasen. Unterschiedliche Resistenzmechanismen liegen dem zugrunde und sind bereits molekular charakterisiert
worden. Aktuell wird versucht, die Resistenzentwicklung durch Kombinationen von Signalweg-Inhibitoren zu verhindern oder doch zumindest hinauszuzögern. Eine besonders vielversprechende Kombination ist die aus einem BRAF- und einem MEK-Inhibitor, welche den RAS-RAF-MEK-Signalweg auf
zwei Stufen blockiert. Die Kombination dieser beiden Substanzen hat in mittlerweile drei Phase-IIIStudien zu einer signifikanten Verbesserung der
Prognose im Vergleich zur Monotherapie mit einem
alleinigen BRAF-Inhibitor geführt: die COMBID-Studie (Dabrafenib plus Trametinib versus Dabrafenib), die COMBI-V-Studie (Dabrafenib plus Trametinib versus Vemurafenib) und die coBRIM-Studie (Vemurafenib plus Cobimetinib versus Vemurafenib). Eine weitere Phase-III-Studie mit einer solchen Kombination (Encorafenib plus Binimetinib
versus Encorafenib versus Vemurafenib) ist noch zur
Rekrutierung offen.
Mehrere MEK-Blocker in Prüfung
Bei malignen Melanomen ohne BRAF-Mutation ist
die molekulare zielgerichtete Therapie deutlich
schwieriger. Für die etwa 20 Prozent der Melanome
mit NRAS-Mutationen werden MEK-Inhibitoren angewandt, die den Signalweg unterhalb von NRAS
blockieren. Aktuell werden zwei Studien mit den
MEK-Inhibitoren Binimetinib und Pimasertib im
Vergleich zu einer Monochemotherapie mit Dacarbazin durchgeführt. Aus den bislang vorliegenden
Daten zeichnet sich ab, dass die alleinige MEK-Blockade zwar eine Verbesserung gegenüber Chemotherapie, aber noch nicht den durchschlagenden Erfolg
für diese Patientengruppe darstellt. Daher werden
bei NRAS-mutierten Melanomen in Phase-I/II-Studien Kombinationen von MEK-Inhibitoren mit anderen Substanzen wie dem CDK4/6-Inhibitor
LEE011 getestet. Erste Daten zur Verträglichkeit
dieser Kombination wurden bereits vorgestellt. Im
Falle von metastasierenden Melanomen mit aktivierenden KIT-Mutationen wurden verschiedene FallsePerspektiven | Deutsches Ärzteblatt | 7. November 2014
Das macht deutlich, dass es bei diesen neuen
Therapieansätzen zu Nebenwirkungen kommen
kann, die teilweise neu und unerwartet sind, dem
Behandler besondere Aufmerksamkeit und Erfahrung abverlangen sowie eine gute interdisziplinäre
Betreuung erfordern. Bei den BRAF-Inhibitoren,
welche das mutierte BRAF in den Tumorzellen inhibieren, ist hier insbesondere die paradoxe Aktivierung des normalen BRAF in den nichtmalignen
Körperzellen zu nennen. Klinisch äußert sich das in
Zweittumoren (wie Plattenepithelkarzinomen der
Haut und Zweitmelanomen), Keratinozytenproliferationen im Sinne von warzenähnlichen Läsionen
und hyperkeratotischen Hand-Fuß-Syndromen. Bei
rien vorgestellt, welche mit cKIT-Inhibitoren behandelt wurden. Die Ansprechrate lag bei circa 20 Prozent, die Ansprechdauer bei drei bis vier Monaten.
Die therapeutische Nutzung des körpereigenen Immunsystems wurde durch die Entdeckung sogenannter „Checkpoints“ vorangebracht. Diese „Checkpoints“ regulieren die Aktivität der T-Zellen. Durch
therapeutische Antikörper können inhibitorische Signale auf den T-Zellen blockiert werden. Dadurch
werden die T-Lymphozyten aktiviert mit der Folge
einer verbesserten Tumorabwehr. Zwei Checkpoints
werden aktuell beim Melanom mit Erfolg therapeutisch blockiert: das CTLA-4 und das PD-1. Der
CTLA-4 blockierende Antikörper Ipilimumab ist seit
dem Jahr 2011 zugelassen zur Therapie des fortgeschrittenen Melanoms. Er erreicht bei einer Untergruppe von circa 20 Prozent der Patienten ein Langzeitüberleben von mindestens drei Jahren. Die PD-1
blockierenden Antikörper Nivolumab und Pembrolizumab befinden sich aktuell im Zulassungsverfahren. Neue Daten wurden in diesem Jahr vorgestellt,
welche das Potenzial dieses Therapieansatzes weiter
untermauerten. Zu Nivolumab wurden Langzeitdaten
einer Studie vorgestellt mit Ein-, Zwei-, und DreiJahres-Überlebensraten von 63 Prozent, 48 Prozent
und 41 Prozent. Erste Daten einer Phase III Studie
(CA209–037-Studie, Nivolumab versus Chemotherapie nach Progress unter Ipilimumab) konnten eine
signifikant bessere Ansprechrate von 32 Prozent für
Nivolumab gegenüber elf Prozent für Chemotherapie
bei vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem
Melanom zeigen. Pembrolizumab wurde in einer erweiterten Phase-I-Studie an 411 Melanompatienten
getestet. Die 12- und 18-Monats-Überlebensraten
waren 69 Prozent und 62 Prozent. Weitere Daten aus
Phase-III-Studien zu Nivolumab und Pembrolizumab werden in Kürze erwartet.
Besondere Aufmerksamkeit erregte die Kombination aus Ipilimumab und Nivolumab mit sehr hohen
Ein- und Zwei-Jahres-Überlebensraten in allerdings
einem noch kleinen Patientenkollektiv. Einschränkend scheint hier die hohe Toxizität der beiden Substanzen bei gleichzeitiger Gabe zu sein. Die Daten einer Phase-III-Studie zu dieser Kombination versus
Nivolumab versus Ipilimumab stehen jedoch aus.
Eine weitere Entwicklung ist die Kombination aus
Immuntherapie und molekular-zielgerichteter Therapie. Es wurden bereits erste Daten zu der Kombination Vemurafenib + Ipilimumab vorgestellt. Nachdem
es bei dieser Kombination zu erhöhter Hepatotoxizität gekommen war, wurde die Studie vorzeitig beendet. Bei der Dreifach-Kombination Dabrafenib +/–
Trametinib + Ipilimumab kam es gehäuft zu Colitiden schweren Grades. Daher wird diese DreifachKombination momentan nicht weiter untersucht,
wohl aber die besser verträgliche Zweifach-Kombination Dabrafenib + Ipilimumab, die voraussichtlich
weiterentwickelt wird.
Perspektiven | Deutsches Ärzteblatt | 7. November 2014
Foto: picture alliance
Aktivierung des Immunsystems
den MEK-Inhibitoren sind außer akneähnlichen
Hautveränderungen kardiale und ophthalmologische Nebenwirkungen zu beachten. Bei den Immuntherapien sind es vor allem autoimmunologisch bedingte Entzündungen, die verschiedene Organe betreffen können und sich unter anderem als Colitis,
Dermatitis, Hepatitis, Hypophysitis und Pneumonitis äußern können.
Die Erfolge in der Therapie des inoperabel metastasierten malignen Melanoms können als Durchbruch bezeichnet werden. Das fortgeschrittene Melanom ist dadurch von einem als nicht therapierbar geltenden Tumor zu einem Modelltumor für die Anwendung der neuen Substanzklassen BRAF-Inhibitoren
und Checkpoint-Inhibitoren geworden, die jetzt bei
einer Vielzahl anderer Tumorerkrankungen ebenfalls
getestet werden. Andererseits kann eine inoperabel
metastasierte Melanom-Erkrankung bislang nur in
einer Untergruppe von Patienten langfristig kontrolliert oder gar geheilt werden. Daher gilt weiterhin,
dass die Behandlung vorzugsweise im Rahmen klini▄
scher Studien erfolgen sollte.
Malignes Melanom im metastasierten Stadium:
histologisches
Präparat nach
Hämatoxylin-EosinFärbung unter dem
Lichtmikroskop
Prof. Dr. med. Ralf Gutzmer
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie,
Medizinische Hochschule Hannover
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