Die Perspektive der Solarthermie Gerhard Stryi-Hipp Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) Geschäftsführer European Solar Thermal Technology Platform, ESTTP Vorsitzender Deutsche Solarthermie Technologieplattform, DSTTP Organisator Bundesverband Solarwirtschaft, BSW Stralauer Platz 34, 10243 Berlin, Germany Tel. +49 30 2977788 51, Fax +49 30 2977788 99 [email protected], www.bsw-solar.de Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 1 Die Bedeutung der Solarthermie im künftigen Energiemix • Heute liegt ca. 49% des Endenergiebedarfs in Europa im Bereich Wärme • 80% dieses Bedarfs liegt im Temperaturbereich bis 250°C und kann mit Solarwärme gedeckt werden Strategie: Effizienz und Erneuerbare Energien (EE) • • Wärme und Kälte werden langfristig durch einen EE-Mix gedeckt werden Solarthermie wird im EE-Mix eine herausragende Rolle spielen, da – Biomasse begrenzt ist und auch zur Erzeugung von Strom und Kraftstoffen benötigt wird – Potenziale der Tiefengeothermie limitiert sind – Wärmepumpen Strom (oder Gas) benötigen Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 Transport 31% Heating 49% Electricity 20% Endenergiebedarf in den EU25 2 Solarthermie ist eine unterschätzte Technologie Die Wandlung von Sonnenlicht in Wärme erscheint einfach, … … aber es ist eine große Herausforderung, – Solarwärme mit hoher Effizienz zu erzeugen – Solarwärme zur gewünschten Zeit bereitzustellen – Solarsysteme in konventionelle Heizsysteme einzubinden – Solarkollektoren in die Gebäudehülle zu integrieren – Langlebigkeit zu garantieren bei Arbeits-/Umgebungstemperaturen zwischen -30 °C und 250 °C – Hohe solare Deckungsanteile in der Wärmeversorgung zu erreichen – Solarwärme mit geringen Verlusten vom Sommer in den Winter zu speichern – Solarwärme für Kühlungs- und Prozesswärmezwecke bereitzustellen – Solarwärme zu einer Hauptwärmequelle der Zukunft zu machen => Solarthermie ist eine ingenieurstechnische Herausforderung, die den Schweiß der Edlen wert ist und jetzt aktiv angepackt werden muss Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 3 Entwicklung der Solarthermie zur Hauptwärmequelle VISION -> Marktentwicklung -> Technologische Entwicklung Entwicklung neuer Marktsegmente und Anwendungen: Größere Anlagen für MFH und Gewerbe, solare Nahwärme, solare Kühlung, solare Prozesswärme Erhöhung des Solaranteils pro Gebäude von 10% auf 70% (Bestand) bis 100% (Neubau) Gebäudeintegration Verbesserte Speicher Verbesserte Heiztechnik Preisreduzierung Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 Erhöhung der Anzahl typischer Anlagen: Trinkwarmwasser und Kombisysteme für EFH/ZFH 4 Technologieplattformen beschleunigen die Entwicklung Technologieplattformen sind eine Initiative der Europäische Kommission, um Technologieentwicklung in Europa zu stimulieren. Im Bereich der Solarthermie wurde 2006 auf europäischer Ebene die ESTTP und am 30. August 2007 in Deutschland die DSTTP gegründet. Ziel Technologieführerschaft in spezifischen Branchen bis 2030 erhalten oder erreichen Beteiligte Forschung, Industrie und Politik arbeiten zusammen Initiative Geht von der Industrie aus Hauptaufgaben 1. Erarbeitung einer Vision für 2030 2. Erarbeitung einer Forschungsstrategie Arbeitsprinzip - Die Plattform organisiert sich selbst - Finanzielle Unterstützung für Sekretariat durch EU - Jeder Interessierte kann teilnehmen Bedeutung Einfluss auf die EU- und nationale Forschungspolitik Nächste Sitzung 22./23. Oktober 2007 in Brüssel: www.esttp.org Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 5 Die DSTTP wird gefördert vom Bundesumweltministerium, die Ergebnisse fließen in die Forschungsstrategie des Bundes ein. Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 www.dsttp.de 6 Solarthermie-Innovationen in Deutschland Viele Innovationen wurden bereits realisiert: • Schichten-, Saisonal- und Latentwärmespeicher • Antireflexglas-Kollektoren • Sputterprozess zur Absorberbeschichtung • Neue Kollektorkonzepte (Funktionalität und Design) • Verbesserte Verrohrung zwischen Kollektor und Speicher • Komponenten: Steuerung, Funktionsüberwachung, Wärmeträgerflüssigkeit, Solarpumpen • Solare Kühlung, Hochtemperaturkollektoren • … Ziele • Höhere solare Anteile an der Gebäudewärmeversorgung • Höhere Effizienz bei niedrigeren Kosten • Verbesserte Integration in das konventionelle Heizsystem • Verbesserte Integration in die Gebäudehülle Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 7 Solarthermie Vision 2030 von ESTTP und DSTTP Neue Gebäude 100% solar beheizte Gebäude werden zum Baustandard Gebäudebestand Solare Sanierung mit einem Solaranteil >70% wird der effizienteste Weg der Gebäudesanierung Gewerbliche und sonstige Anwendungen Solarthermie wird nennenswerte Teile des Niedertemperatur-Prozesswärme- und Kühlungsbedarfs decken Gesamtziel: Über 50% des Niedertemperaturbedarfs bis 250°C wird mit Solarthermie gedeckt werden Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 8 Neubau: 100% Solarwärme im SOLARAKTIVHAUS Das 100% solar beheizte Haus wird bis 2030 zum Baustandard – Gesamte Dachfläche ist Kollektorfläche (Solarthermie mit Photovoltaik kombiniert) – Nutzung der Fassaden zur Aufnahme der Solarstrahlung Bild: Schüco – Langzeitwärmespeicher – Aktives Heizsystem – Kompakte Geräte zur solaren Kühlung integriert • Sommer: Kühlung • Winter: Heizung – Sehr guter Wärmedämmstandard Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 Bild: Sun Pro 9 Gebäudebestand: AKTIVSOLARE SANIERUNG Bestandssanierung ist zentrale Herausforderung im Bausektor Die AKTIVSOLARE SANIERUNG wird zur kostengünstigsten Sanierungsart Solaranteil an der Wärmeversorgung > 70% Solartechnik: – Gebäudesanierung mit Solar-Multifunktionsmodulen für Dach und Fassade • Wärmedämmung und Sonnenkollektor • Kombination von Wärme- und Strommodulen, Fenstern etc. – Saisonale Wärmespeicher – Solare Kühlung • Restliche Wärmedeckung mit Biomasse etc. oder Nahwärme Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 Bild: Schüco 10 Solarwärmeanlagen für MFH und Gewerbe Größere Solarwärmeanlagen für MFH, Hotels, Krankenhäuser, Wohnheime und Gewerbe haben großes Wachstumspotenzial Planung und Ausführung müssen weiter verbessert werden, vorgefertigte Heizzentralen werden verstärkt eingesetzt Image: Solvis Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 Image: Wagner & Co 11 Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Solarthermische Großanlagen werden weiter ausgebaut Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 12 Solare Nahwärme und saisonale Wärmespeicherung Rostock 1000 m² Bilder: Solvis, Wagner, T.Freitag Hamburg Bramfeld 3000 m² Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 Saisonaler Wasserspeicher in Chemnitz mit 8.000 m³ 13 Solare Nahwärme in Neckarsulm, Germany Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 Image: Solites 14 Solare Nahwärme Dänemark Marstal, Denmark 12.8 MWth (18365m2) Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 15 Zukunft: Solare Kühlung • • • • Antrieb von Absorptions- und AdsorptionsKühlmaschinen mit Solarwärme Kühlbedarf und Solarangebot passen gut überein Europaweit sind über 100 Anlagen in Betrieb Derzeit werden kleine Anlagen z.B. für Einund Zweifamilienhäuser entwickelt Adsorptionskühlmaschine Bundespresseamt Berlin Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 IHK Freiburg Source: Viessmann, Fraunhofer 16 ISE Solarthermie als architektonische Herausforderung Künftig ist die Gebäudehülle nicht nur Schutz und Gesicht des Gebäudes, sondern auch Energieempfangsfläche und damit Energieversorgungsquelle des Gebäudes Beispiel Luftkollektorfassade eines Bürogebäudes, Hamburg Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 Bild: Grammer Solar und17Bau 100% Sonnenhäuser existieren bereits Beispiel: 80 % Solar + 20 % Holz Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 18 Besucherzentrum im Bayerischen Naturschutzreservat: 100% solar versorgt Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 Image: Sun-Pro 19 Herausforderung: Solarwärmeanlagen in MFH Programm: Solarthermie2000 47% der Wohneinheiten sind in EFH/ZFH, 53% in Mehrfamilienhäusern Bisheriger Fokus: Anlagen > 100m² Kollektorfläche Cohnsches Wohnviertel Hennigsdorf (bei Berlin) Größe: MFH mit 1.300 WE, Sanierung seit 2000 Für 460 WE: Anschluss Fernwärme + Solarwärmeanlage Bauherr: Hennigsdorfer Wohnungsbauges. mbH (HWB) Programm: Solarthermie2000 856 m² Solarkollektoren Wohngebäude Eiselstraße Gera Komplettumbau eines Plattenbaus 2002/2003 Bauherr: Geraer Wohnungsbaugenossenschaft 'Aufbau' Zwei Solarkollektorfelder: 73,2 m² auf 30° Schrägdach Penthouse und 25,3 m² an seiner senkrechten Wand Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 20 Wo liegen die großen Solarpotenziale im Bereich MFH? 3-6 WE 7-12 WE 13-20 WE >20 WE Anzahl WE in 1000 7.865 7.164 1.599 2.084 Anzahl Gebäude in 1000 1.573 716 107 83 Mögliche Kollektorfläche* 23,6 Mio m² 21,5 Mio m² 4,8 Mio m² 6,2 Mio m² Anteil WE 42% 38% 9% 11% * bei 3m² pro WE • 80% der MFH-Wohneinheiten sind in MFH mit 3-12 WE Größte Potenziale: ⇒ MFH mit 3-12 WE für ST-Anlagen mit 15-50 m² Kollektorfläche (3-8 m²/WE) ⇒ Gewerbliche Anlagen: Hotels und Tourismusbetriebe Gewerblicher Bereich stellt hohe ökonomische Anforderungen, aber: ⇒ Hotels haben konstanten, hohen Wärmeverbrauch im Sommer ⇒ Image ist im Tourismus wichtig ⇒ Leichte Integration in das Warmwassersystem Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 21 Barrieren im Mietwohnungsbau Warmmiete 6 • Investor-Nutzer-Dilemma – Wohnbaugesellschaft investiert, Mieter profitiert über geringere Heizkosten => Lösung: Modernisierungsumlage ermöglicht warmmietenneutrale Investition 5,5 Kaltmiete 5 4,5 4 3,5 • • Zustimmung erforderlich: Es müssen alle Parteien mit der (Solar-) Lösung einverstanden sein Hohe Betriebszuverlässigkeit notwendig 3 2,5 2 • Solarertrag muss den Prognosen entsprechen (Einsparung Primärenergie) 1,5 1 • Mangelnde Erfahrungen verunsichern Investoren, Planer und Handwerk 0,5 0 • Mangelnde Standardisierung birgt hohes Fehlerrisiko in Planung und Ausführung Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 Ohne Mit Solarwärmeanlage 22 Viele Akteure bei Realisierung einer GSTA beteiligt WohnungsUnternehmen Vorstand oder Finanzvorstand Entscheidung Architekt (evtl.) Architektur/Gesamtmaßnahmenplanung Technikreferent Anlagenplanung/ -technik Mieter Information über Baumaßnahme und ggf. Modernisierungsumlage Förderstelle/ Finanzierung Ext. Architekt (evtl.) Architektur/Gesamtmaßnahmenplanung Ext. HaustechnikPlanungsbüro Technikplanung/ Ausschreibung/ Bauüberwachung GSTA-Hersteller/ Systemhaus mit Planungsgruppe Planungsunterstützung SolarInstallationsbetrieb Konzeption/Angebot/ Installation Evtl. konventioneller Installationsbetrieb Realisierung konventionelle Heiztechnik => Planer und Architekten spielen eine Schlüsselrolle! Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 23 Offensive große Solarwärmeanlagen Der Markt für große solarthermische Anlagen (größer 15 m², nicht im EFH/ZFH) muss systematisch erschlossen werden mit mehreren parallelen Maßnahmen: 1. Bessere Rahmenbedingungen schaffen Förderung verbessert/Baupflicht in Vorbereitung 2. Informationskampagne Bild: BSW-Solar 3. Qualifizierungsoffensive für Planer/Installateure 4. Technik weiterentwickeln und standardisieren • • • Standards definieren Funktionsüberwachung gewährleisten Ausführungsqualität überwachen Das Bundesumweltministerium hat angekündigt, 2007 mehrere Maßnahmen zur Stimulation des Großanlagenmarktes umsetzen zu wollen Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 Bild: Schüco 24 Qualifizierungs- und Kompetenzoffensive • Haustechnikingenieure haben bislang nur in Einzelfällen mit ST-Anlagen zu tun, Kleinanlagen werden ohne Planer verkauft • Aus Solarthermie 2000 und 2000plus gibt es ein umfangreiches Know-How, das jedoch auf eine kleine Gruppe von Experten begrenzt ist => Es ist eine grundlegende Solarthermie-Weiterbildung von Planern erforderlich Vorgeschlagen sind • Ausbildungsangebote für Ingenieure, Installateure und Architekten schaffen, gemeinsam mit den Branchenverbänden dafür werben • Kompetenznetzwerk gründen – Fachleute mit Erfahrungen mit GSTA sollten ansprechbar sein • Fach-Informationsmaterial praxisgerecht aufbereiten und bereitstellen Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 25 Architekten mit einbeziehen! Bild: Sonnenkraft Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 Bild: Wagenr & Co 26 Perspektive der Solarthermie in Europa Solarthermie in Betrieb Solarthermie in Betrieb pro Einwohner Wärmeerzeugung mit Solarthermie [GWth] [kWth/1000 cap] [Mtoe] 1990 2.2 5 0.14 2005 11.2 24 0.69 Ziel 2020 336 700 20 2030 Langfristziel 3000 7000 200 Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 27 Zusammenfassung • Solarthermie muss im künftigen, nachhaltigen Energiemix eine tragende Rolle spielen • Das Potential der Solarthermie wurde bislang unterschätzt und muss nun systematisch erschlossen werden • Die Solarthermie-Visionen sind ambitioniert: 100% Solarhäuser bei Neubauten 70% Solaranteil in der solaren Sanierung 50% am gesamten Niedertemperaturbedarf • Neue Marktsegmente müssen erschlossen werden: größere Anlagen für Mehrfamilienhäuser und Gewerbe, Prozesswärme und Kühlung • Zur Zielerreichung brauchen wir das aktive Engagement der Fachingenieure Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 28 Lassen Sie uns gemeinsam diese spannende Technik erschließen Perspektive Solarthermie, 18.10.2007 Image: GreenOneTec 29