Genotoxizität, Kanzerogenese und Polymorphismus Überblick • • • • Grundlagen Genotoxizität & Mutagenität – Definitionen – Erbgutschädigende Wirkungen – Zelluläre Schutzmechanismen • DNA-Reparatur • Apoptose Kanzerogenese – Definition – Stufenmodell der Kanzerogenese – Krebsauslösende Faktoren Polymorphismus – Definition – Beispiele Grundlagen Chromosom: Aufbau Karyotyp 46: XY www.humangenetik-online.de Grundlagen Aufbau: Desoxyribonukleinsäure (DNA) Guanin Purinbasen Adenin Thymin Pyrimidinbasen Cytosin Grundlagen Basenpaarung Grundlagen Proteinsynthese publications.nigms.nih.gov Genotoxizität Definition • Genotoxizität ist die Schädigung oder Veränderung des Erbguts (genetisches Material, Desoxyribonukleinsäure = DNA) in der Zelle durch biologische, chemische (Substanzen) oder physikalische (energiereiche Strahlung, hohe Temperatur) Noxen. • Die Bestimmung der Genotoxizität eines Stoffes ist Teil der Toxizitätsbestimmung eines Stoffes. • Substanzen, die als genotoxisch positiv getestet werden, müssen jedoch nicht zwingend mutagen oder karzinogen sein. • Genotoxizität nicht gleich Mutagenität Genotoxizität Noxen Nahrungszubereitung, Kontaminanten Strahlung, Chemikalien, etc. mpkb.org/doku.php/home:pathogenesis:epidemiology Emissionen aus Verbrennungen, Benzol im Treibstoff. Sonnenlicht Tabakrauch, Alkohol Genotoxizität Genotoxische Noxen • • • • Physikalische – Strahlung Chemische – Umwelt – Pharmaka – Nahrungszubereitung Biologische – DNA-Viren (Hepatitis-B, HPV) – RNA-Viren Spontane, endogene – Oxidative Schäden, Bildung v. Thyminglycol •OH, O2 Thymin Thyminglycol Genotoxizität Zelluläre Folgen www.toxikologie.uni-mainz.de Genotoxizität Arten von DNA-Schäden • • • • • • • • • • Depurinierung (spontan) Basenverlust ca. 5000 pro Zelle pro Tag Desaminierung (spontan) Chemische Modifikation – radikalische, Thyminglykol – Alkylierung, viele Umweltchemikalien Pyrimidindimere (75 %), UV-Strahlung T-T,T-C,C-T 6, 4 Photoprodukte (21 %) Basenschaden zu (65 %) nach Röntgenbestrahlung DNA-Einzelstrangbruch (25 %) Gehäufte Läsionen (4 %) DNA-Protein-Vernetzung (4 %) DNA-Doppelstrangbruch < 1 % Genotoxizität Endogene Schäden und Reparatur Schätzwerte für die endogene Schädigung und Reparatur humaner DNA Typ der Schädigung Schädigungen pro Stunde / Zelle Maximale Reparaturrate Basenpaare pro Stunde / Zelle De-Purinisierung 1000 oA De-Pyrimidinisierung 55 oA Cytosin-Deaminierung 15 oA Einfache Strangbrüche 5000 2 x 105 N7-Methylguanin 3500 oA O6-Methylguanin 130 104 Oxidationsprodukte 120 105 oA : Die bisher festgestellten Werte entsprechen nicht den theoretisch erwarteten Induktionsraten Marquard: DNA-Repartur Zelluläre Schutzmechanismen DNA-Reparatur Apoptose Zelluläre Schutzmechanismen DNA-Reparatur Hoeijemakers,2001 Zelluläre Schutzmechanismen DNA-Reparatur-Systeme des Menschen DNA-Schaden Einzelstrangbrüche Modifikation an Basen, Basenverlust Ursachen z.B. Verlust der Methylierung; Desaminierung von C z.B.Thermische Depurinisierung Reparatur-Mechanismus Beteiligte Enzyme Direkte Reparatur DNA-LIgase DNA-Glycosylasen und Basenexcisions-Reparatur DNA-Polymerase ß; DNA(BER) Ligase Fehlerhafte Stellen in einem Strang Thymindimere Kurze Deletionen oder Insertionen NucleotidexcisionsUV-induzierte Vernetzung Reparatur(NER) von benachbarten T's zufällige Mutationen; Fehler der DNAPolymerase bei der Replikation Mismatch-Reparatur (MMR) Endonucleasen; DNA-Polymersae und PCNA; DNA-Ligase. Beteiligung von TFIIH (transkriptionsgekoppelte Reparatur) MutSa (MSH2/MSH6) oder MutSß (MSH2/MSH3)für Erkennung der Fehlpaarung; MutL (MLH1/PMS2) und (MLH1/MLH3) für Strangdiskriminierung und Endonclease. DNA-Polymerase d DNA-Reparatur Basen-Excisions-Reparatur (BER) DNA-Reparatur Nucleotid-Excisions-Reparatur (NER) * Der Reparatur-Komplex wird aus vielen Untereinheiten (~16 Untereinheiten in 4 Sub-Komplexen, u.a. NEF1 bis NEF4) zusammengesetzt DNA-Reparatur Mismatch-Reparatur (MMR) biochemie.web.med.uni-muenchen.de Apoptose • Aus dem Griechischen, bezeichnet das Abfallen der Blätter von Bäumen im Herbst • Der "programmierte Zelltod", die Apoptose, ist ein natürlicher Mechanismus zur Selbstzerstörung von Zellen. Er funktioniert bei Menschen, Tieren und Pflanzen gleichermaßen. Das genetisch angelegte Selbsttötungs-Programm ist lebensnotwendig, damit alte, kranke oder nicht mehr benötigte Zellen absterben und beseitigt werden • Komplexer, streng kontrollierter zellulärer Vorgang • Störung im Gleichgewicht zwischen Apoptose und Zellproliferation → gravierende Krankheiten Normale Zelle Membran zieht sich zusammen „membrane blebbing“ Chromatinkondensation Apoptotische Körperchen Kernzerfall Phagozytose, Makrophagen Mutagenität Definitionen • Mutagenität bezeichnet die Induktion permanenter vererbbarer Veränderungen (Mutationen) in Menge oder Struktur des genetischen Materials von Zellen oder Organismen. • Eine Mutation in den Keimzellen der Fortpflanzungsorgane kann auf die Nachkommen übergehen. • Sprunghaft auftretende, erbliche Änderung eines Merkmals • Definition des Gefährlichkeitsmerkmal „erbgutverändernd“ (mutagen) nach Chemikaliengesetz (ChemG), §3 ChemG „……..wenn sie durch Einatmen, Verschlucken oder Aufnahme über die Haut eine Änderung des genetischen Materials bewirken können“ Mutagenität Mutationsarten (I) • • • • Gen-Mutationen – Punkt-Mutationen (einzelne Basenpaare) – Kleine Deletionen (3-6 Basenpaare) Chromosomen- Mutationen – Translokationen, Brüche, etc. Genom-Mutationen (Chromosomenzahl) – Polyploidie – Aneuploidie (Trisomie) Indirekte DNA-Schäden – DNA-Reparatur – Fehlverteilung der Chromosomen Mutagenität Mutationsarten (II) • Man bohrt nicht in der Nase • Mann bohrt nicht in der Nase (Punktmutation) • Max bohrt nicht in der Vase (Punktmutationen) • Man bohrt ___ in der Nase (Kleine Deletion) • Man bohrt nicht über den Wolken (Translokation) (In der Nase wird die Freiheit wohl grenzenlos sein) Mutagenität Folgen einer Punktmutation DNA mRNA 3‘ C T … .. C … 5‘ 3‘ T .. T .. C … 5‘ 5‘ G A G 3‘ 5‘ A A G 3‘ 5‘ G A G 3‘ 5‘ A A G 3‘ Aminosäure Glutaminsäure Lysin Polypeptid GLU LYS Mutagenität Janus-Kopf-Charakter der DNA-Reparatur • DNA-Reparaturvorgänge können auch Mutationen erzeugen – fehlerhaft wirkende DNA-Polymerasen, die bestimmte Schäden in der DNA tolerieren • Mutationen und Krebs können einerseits durch DNA-Reparatur verhindert, andererseits durch fehlerhafte Reparatur (Läsionstoleranz) bewirkt werden Mutagenität Mutationen „gute“ Mutationen „schlechte“ Mutationen Xeroderma pigmentosum Kanzerogenese Definition • Kanzerogenität / -genese = Entstehung von Tumoren • Tumor = unkontrollierte, autonom wachsende Neubildung von Gewebe (Neoplasie) • benigne oder maligne Maligner Tumor = „Krebs“ „Cancer“, lat. für Krebs „Carcinos“, gr. für Krebs Kanzerogenese Überblick Karzinogenese Auslöser endogene exogene Tumor, Krebs Zeit ↓↑ Zahl ↓↑ Mechanismen Antikarzinogenese DNA-Reparatur Chromatin Organisation „Transcription coupling“ Zellzyklus Stopp Apoptose benigne maligne Stufenmodell der Kanzerogenese am Beispiel der Kolonkanzerogenese Promotion Initiation (mutagene Wirkung) Normales Epithel Progression (selektive Stimulation) (Entartung) Radikale, Hormone, Fettsäuren Aberrante Krypte Karzinom Adenom Initiation Promotion Progression DNASchädigung Selektiertes klonales Wachstum der initiierten Zellen Akkumulation weiterer DNA Mutationen durch gesteigerte Proliferation modifiziert nach Fearon und Vogelstein, 1990 Stufenmodell der Kanzerogenese Krebsauslösende Faktoren • siehe genotoxische Faktoren, Kanzerogenese geht immer mit Anhäufung von Mutationen einher • Abschätzung des Beitrags zur Krebsentstehung – Ernährung 35 % – Tabak 30 % – Fortpflanzung, Sexualverhalten 7% – Beruf 4% – Alkohol 2% – Luft-, Wasserverunreinigung 2% – UV-Strahlung 2% – Medikamente 1% • Rolle der Ernährung ist komplex, beteiligt sind: – endogene Nahrungsbestandteile – Kanzerogene v. Mikroorganismen (Aflatoxine) – Pyrolyseprodukte aus der Zubereitung (aromatische Kohlenwasserstoffe, heterocycl. Amine – Zusammensetzung (Anteil an Fett, Fleisch, Ballaststoffen, pflanzl. Nahrungsmittel Polymorphismus Definition • gr. Polymorphismos = „Vielgestaltigkeit“ • Auftreten einer oder mehrerer Genvarianten innerhalb einer Population – Die Auftretenshäufigkeit der Genvariante muss > 1 % sein, andernfalls ist es eine Mutation – Statt von Genvariante wird von Sequenzvariation gesprochen • Arten von Sequenzvariationen: – Einzelnukleotidpolymorphismen (Single Nucleotide Polymorphisms, SNP) – Insertions- und Deletionspolymorphismen – Multiplikationen Polymorphismus Ursachen • Fehler bei der Replikation (als Folge der Zellteilung) → Erkennung bzw. Einbau der falschen Aminosäure • Strukturelle Veränderung von Basen → spontan oder induziert Polymorphismen Folgen einer Substitution auf Enzymebene • Keine Auswirkung – (stille Mutation) – UUU=Phe UUC=Phe • Einbau anderer AS – (neutrale oder Fehlsinnmutation) UUA=Leu • Stop-Codon – (NonsenseMutation) – UAA=Stop Polymorphismus Beispiel: Polymorphismen im Phase I Metabolismus Polymorphismen der Cytochrom P 450-haltigen Monooxygenasen Polymorphismus Beispiel: CYP 2D6 - Isoenzym • 1,5 % aller hepatischen CYP-Enzyme • • setzt 20-25 % aller klinisch bedeutsamen Medikamente um etwa 50 Allele bekannt • nicht induzierbar • stark völkerabhängige Variabilität Phänotyp Abkürzung Allele Extensive Metabolisierer (normal) EM Homozygot für Wildtyp Durchschnittliche (Immediate) Metabolisierer IM 1 defektes Allel 1 Wildtypallel Schlechte (poor) Metabolisierer PM 2 defekte Allele Extrem schnelle (ultrarapid) Metabolisierer UM Vervielfachtes d. Wildtyps