Mikrobielle Laccasen zur Synthese organischer Substanzen

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Biokatalyse
Mikrobielle Laccasen zur Synthese
organischer Substanzen
VERONIKA HAHN, FRIEDER SCHAUER
INSTITUT FÜR MIKROBIOLOGIE, UNIVERSITÄT GREIFSWALD
Das Enzym Laccase katalysiert Hunderte von Kopplungs- und Derivatisierungsreaktionen. Die Effizienz der Reaktion sowie umweltfreundliche
Reaktionsbedingungen sind weitere Vorteile für die organische Synthese.
Exploiting the enzyme laccase as biocatalyst allows a variety of synthetic
reactions with high effectiveness.
ó Die Laccase kommt sowohl in Insekten
und Pflanzen als auch in Mikroorganismen
wie Bakterien und Pilzen vor. So divers wie
die Quellen der Laccasen sind auch ihre
physiologischen Funktionen. Beispielsweise
kann Laccase in Weißfäulepilzen beim Abbau
von Lignin, aber auch von Kohle von Bedeutung sein. Daneben ist sie an der Humusbildung sowie an Polymerisations- und Syntheseprozessen in Zellen beteiligt, wie z. B. bei
der Pigmentsynthese in Sporen von Bakterien und Pilzen oder der Sklerotisierung von
Insektenzellen.
Bisherige biotechnische Anwendungen
beziehen sich auf die chlorfreie Bleichung von
Papier, die Entfernung von Farbstoffen bei der
Textilherstellung sowie von unerwünschten
Phenolen aus Most. Daneben wird die Laccase in Biosensoren und Brennstoffzellen eingesetzt. Dafür stehen verschiedene Laccasen,
insbesondere aus Weißfäulepilzen zur Verfügung. Der zinnoberrote Zunderschwamm (Pycnoporus cinnabarinus) beispielsweise produziert große Mengen an extrazellulärer Laccase und scheidet dabei kaum Nebenenzyme
aus, sodass die Laccase relativ einfach isoliert werden kann. Dabei können Verbindungen wie 2,5-Dimethylanilin oder 3,4-Dimethoxybenzylalkohol den Pilz anregen, Laccase zu produzieren, wodurch die Enzymausbeute gesteigert wird. Verschiedene LaccasePräparate sind inzwischen käuflich, darunter die Laccase des Pilzes Myceliophthora thermophila. Das Laccase-Gen wird dabei in
einem Schimmelpilz (Aspergillus spec.) überexprimiert, um eine höhere Ausbeute des
Enzyms zu erreichen. Diese Art der LaccaseProduktion ermöglicht einen umfassenden
Einsatz für die Herstellung neuer organischer
Moleküle. In diesem Zusammenhang stellen
OH
O2
4
Laccase
2 H2O
chinoide Monomere
(oxidierte monoaromatische
Produkte)
R
O
4
Radikal
R
Di- und Oligomere
(homo- oder heteromolekulare
Hybridmoleküle)
Polymere
(Biomaterialien)
˚ Abb. 1: Reaktionsprinzip der Laccase, Bildung von Radikalen und mögliche Reaktionsprodukte.
vor allem die Synthese von Feinchemikalien
und Biomaterialien sowie die Derivatisierung
von Wirkstoffen neue Anwendungsgebiete
dar.
Laccase zur Herstellung von
Feinchemikalien
Laccasen haben als kupferhaltige Oxidasen
einige besondere Eigenschaften: Als extrazelluläre Enzyme besitzen sie eine außerordentlich hohe Enzymstabilität, etwa gegenüber erhöhter Temperatur oder Lösungsmitteln. Weiterhin ist das breite Spektrum von
aromatischen Substraten hervorzuheben. Die
Oxidation von hydroxylierten aromatischen
Substanzen führt zum Abzug eines Elektrons
und – unter gleichzeitiger Reduktion molekularen Sauerstoffs zu Wasser – zur Bildung
von freien Radikalen (Abb. 1). Auf diese Weise
können zahlreiche aromatische Laccase-Substrate „aktiviert“ werden. Sie sind dann in der
Lage, mit Molekülen der gleichen Art, anderen Laccase-Substraten oder auch mit Hunderten von Nicht-Laccase-Substraten zu reagieren und Kopplungsreaktionen mit verschiedenen Molekülen zu vollziehen. So können diverse chemische Substanzklassen
mittels Laccasen verknüpft oder derivatisiert
werden (Tab. 1), weshalb diese Art der Synthese als kombinatorische Biochemie bezeichnet wird. Als Ausgangssubstrat dient z. B. 2,5Dihydroxyacetophenon (Tab. 1C), eine Substanz, die von Laccase oxidiert werden kann.
Die durch die Oxidation von unterschiedlichen Laccase-Substraten entstehenden Radikale unterliegen je nach den gewählten Bedingungen verschiedenen Reaktionen. Dabei
können homo- und heteromolekulare Reaktionen unterschieden werden. Bei der homomolekularen Reaktion werden zwei Moleküle der gleichen Substanz verknüpft; bei der
heteromolekularen Kopplung erfolgt eine
Reaktion zwischen unterschiedlichen Verbindungen. Dabei zählen zu den möglichen
Reaktionspartnern sowohl Verbindungen, die
durch Laccase oxidiert werden können, als
auch Substanzen, die nicht oxidiert werden
können wie L-Phenylalanin (Tab. 1C). Auf dieBIOspektrum | 05.09 | 15. Jahrgang
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Aminosäurederivate
Farbstoffe
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lackartige
Überzüge
funktionalisierte
Oberflächen
Chemotherapeutika
Kopplung und Derivatisierung
Anthelminthika
Klebstoffe
von Molekülen mittelsLaccase
Fungizide
Biomaterialien
Cephalosporine
Penicilline
Polymere
˚ Abb. 2: Überblick über die potenziellen Einsatzmöglichkeiten der mittels Laccase
synthetisierten Produkte.
se Weise ist die Bildung von homo- oder
heteromolekularen Hybridmolekülen
und damit eine effiziente Synthese von
zahlreichen Feinchemikalien möglich.
Die Reaktionspartner können in Abhängigkeit von der Anzahl und Art der Substituenten sowie der Reaktionszeit einmal oder mehrmals verknüpft werden,
was zur Bildung von Di-, Tri- oder Polymeren führt (Tab. 1). Die Verknüpfung
der Moleküle und somit der Bindungstyp ist abhängig von den Reaktionspartnern. Die homomolekulare Reaktion führt zu C-C- (Tab. 1A) [1], C=C[2] und auch C-O-Bindungen [3]. Die
heteromolekularen Hybridmoleküle
können bei phenolischen Reaktionspartnern über C-C- (Tab. 1B) [4], C=C[2] und C-O-Bindungen [5] oder bei der
Reaktion von aromatischen Aminen
über C-N (Tab. 1C) [6] verknüpft sein.
Bei Ringbildungen werden mehrere
Bindungen geknüpft (z. B. C-S und C=N,
Tab. 1D) [7]. Auf diese Weise können
zahlreiche Wirkstoffe oder Grundstrukturen von medizinisch relevanten
Verbindungen wie Antibiotika, Aminosäuren, Azole oder Salicylsäureester
derivatisiert werden. Gerade die Synthese von C-N-verknüpften Hybridmolekülen eröffnet interessante Möglichkeiten. So können die mittels Laccase
hergestellten Verbindungen nicht nur
als Feinchemikalien für die Synthese
weiterer organischer Substanzen
genutzt werden, sondern auch als Ausgangsstoff für neue Wirkstoff-Derivate
für die Herstellung oder weitere schonende Optimierung von verschiedenen
Medikamenten fungieren [8].
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Gewinnung von Hybridmolekülen mittels Laccase
Die Synthese von neuen Verbindungen
mithilfe der Laccase eröffnet eine Vielzahl an Variationsmöglichkeiten. Die
zahlreichen Laccase-Substrate und die
– speziell bei der heteromolekularen
Kopplung – große Auswahl an Reaktionspartnern erlaubt die Herstellung
unterschiedlicher Substanzen (Abb. 2).
Die Gewinnung von Hybridmolekülen
umfasst mehrere Prozesse und Methoden, wobei die gewünschte Verbindung
erst mittels Laccase synthetisiert, dann
gereinigt wird, um letztlich als Reinsubstanz weiter charakterisiert und auf
Anwendungseigenschaften geprüft zu
werden. So wurde beispielsweise ein
trimeres Produkt bei der Reaktion der
dihydroxylierten Verbindung 2,5-Dihydroxyacetophenon und der Aminosäure L-Phenylalanin synthetisiert
(Tab. 1C). Im Labor werden dazu die
beiden Ausgangsstoffe mit der Laccase, z. Β. aus Myceliophthora thermophila im wässrigen Milieu, meist in Puffer, inkubiert. Der pH-Wert des Puffers
entspricht dabei dem pH-Optimum der
jeweiligen Laccase; je nach gewünschtem pH-Bereich können Laccasen mit
unterschiedlichen pH-Optima genutzt
werden. Die Reaktion ist von Sauerstoff
abhängig, aber Kofaktoren sind nicht
erforderlich. Die Bildung der angestrebten Hybridmoleküle wird meist
von einer Farbreaktion begleitet und
kann mithilfe der HPLC (Hochleistungsflüssigkeitschromatografie) verfolgt und mittels geeigneter Detektoren, etwa einem UV/Vis-Detektor,
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Tab. 1: Übersicht über mögliche Laccase-katalysierte Reaktionen, die Bindungs- und Produkttypen sowie die Quelle der für die Synthese genutzten Laccase
und die Ausbeute des Produkts. Die Bindung zwischen den Reaktionspartnern ist rot gekennzeichnet.
Reaktionspartner
Bindungstyp,
Produkttyp
Strukturformel des
Reaktionsprodukts
Quelle der Laccase
Ausbeute
Literaturdes Produkts zitat
Homomolekulare Reaktion
A
3-(2-Chloroethyl)-6-hydroxy2,4-dimethylbenzoesäure
methylester (Salicylsäureester)
Cl
C-C,
Dimer
OH
Pycnoporus cinnabarinus;
Trametes spec. Laccase C
85 %
[1]
Polyporus anceps
25 %
[4]
Pycnoporus cinnabarinus;
Myceliophthora thermophila
40 %
[6]
keine Angabe
zur biologischen Quelle
95 %
[7]
O
O
O
O
OH
Cl
Heteromolekulare Reaktion
B
1,4-Hydrochinon;
Mithramycin (AntitumorAntibiotikum)
OH
C-C,
Dimer
O
Zuckerrest
O
H
O
O
OH
OH
C
2,5-Dihydroxyacetophenon;
L-Phenylalanin (Aminosäure)
1,4-Hydrochinon;
4-Amino-5-ethyl-3-mercapto1,2,4-triazol (Azolderivat)
C-S, C=N
Dimer
elektronisch ausgewertet werden. Die Isolation des Produkts erfolgt mittels Festphasenextraktion. Die sich daran anschließende
Gefriertrocknung ermöglicht die Gewinnung
von Feststoffen. Auf diese Weise können sehr
hohe Produktausbeuten von 20 bis 80 Prozent, bei ausgewählten Reaktionen sogar von
95 Prozent erzielt werden [7]. Vielfach wird
eine weitere Optimierung der Laccase-vermittelten Reaktion angestrebt, das heißt die
Reaktionsbedingungen wie die Menge der
Laccase oder der Ausgangsstoffe werden variiert, um eine möglichst hohe Produktausbeute
zu erreichen. Die isolierten Produkte können
unter anderem mittels massenspektroskopischer Methoden und NMR (KernresonanzSpektroskopie) strukturell charakterisiert
werden. Der vorgestellte biokatalytische Prozess stellt aufgrund seiner Effizienz, den milden umweltschonenden Reaktionsbedingungen bei Atmosphärendruck und Raumtemperatur eine Alternative zu konventionellen che-
OH
H
N
O
D
O
O
C-N,
Trimer
O
H
O
S
N
N
N
OH
O
OH
Zuckerrest
O
N
H
O
O
N
mischen Verfahren zur Synthese von organischen Substanzen dar.
ó
azolo(4,3-B)(4,1,2)benzothiadiazine-8-ones. Tetrahedron
50:4019–4024
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Tetrahedron 61:4615–4619
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DOI: 10.1016/j.molcatb.2009.04.002
[7] Bhalerao UT, Muralikrishna C, Rani BR (1994) Laccase
enzyme-catalyzed efficient synthesis of 3-substituted-1,2,4-tri-
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Frieder Schauer
Veronika Hahn
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Institut für Mikrobiologie
F.-L.-Jahn-Straße 15
D-17487 Greifswald
Tel.: 03834-864204
Fax: 03834-864202
[email protected]
BIOspektrum | 05.09 | 15. Jahrgang
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