522_586_BIOsp_0509_neu.qxd 18.08.2009 9:27 Uhr Seite 526 MET H ODE N & AN WE N DU NGEN 526 Biokatalyse Mikrobielle Laccasen zur Synthese organischer Substanzen VERONIKA HAHN, FRIEDER SCHAUER INSTITUT FÜR MIKROBIOLOGIE, UNIVERSITÄT GREIFSWALD Das Enzym Laccase katalysiert Hunderte von Kopplungs- und Derivatisierungsreaktionen. Die Effizienz der Reaktion sowie umweltfreundliche Reaktionsbedingungen sind weitere Vorteile für die organische Synthese. Exploiting the enzyme laccase as biocatalyst allows a variety of synthetic reactions with high effectiveness. ó Die Laccase kommt sowohl in Insekten und Pflanzen als auch in Mikroorganismen wie Bakterien und Pilzen vor. So divers wie die Quellen der Laccasen sind auch ihre physiologischen Funktionen. Beispielsweise kann Laccase in Weißfäulepilzen beim Abbau von Lignin, aber auch von Kohle von Bedeutung sein. Daneben ist sie an der Humusbildung sowie an Polymerisations- und Syntheseprozessen in Zellen beteiligt, wie z. B. bei der Pigmentsynthese in Sporen von Bakterien und Pilzen oder der Sklerotisierung von Insektenzellen. Bisherige biotechnische Anwendungen beziehen sich auf die chlorfreie Bleichung von Papier, die Entfernung von Farbstoffen bei der Textilherstellung sowie von unerwünschten Phenolen aus Most. Daneben wird die Laccase in Biosensoren und Brennstoffzellen eingesetzt. Dafür stehen verschiedene Laccasen, insbesondere aus Weißfäulepilzen zur Verfügung. Der zinnoberrote Zunderschwamm (Pycnoporus cinnabarinus) beispielsweise produziert große Mengen an extrazellulärer Laccase und scheidet dabei kaum Nebenenzyme aus, sodass die Laccase relativ einfach isoliert werden kann. Dabei können Verbindungen wie 2,5-Dimethylanilin oder 3,4-Dimethoxybenzylalkohol den Pilz anregen, Laccase zu produzieren, wodurch die Enzymausbeute gesteigert wird. Verschiedene LaccasePräparate sind inzwischen käuflich, darunter die Laccase des Pilzes Myceliophthora thermophila. Das Laccase-Gen wird dabei in einem Schimmelpilz (Aspergillus spec.) überexprimiert, um eine höhere Ausbeute des Enzyms zu erreichen. Diese Art der LaccaseProduktion ermöglicht einen umfassenden Einsatz für die Herstellung neuer organischer Moleküle. In diesem Zusammenhang stellen OH O2 4 Laccase 2 H2O chinoide Monomere (oxidierte monoaromatische Produkte) R O 4 Radikal R Di- und Oligomere (homo- oder heteromolekulare Hybridmoleküle) Polymere (Biomaterialien) ˚ Abb. 1: Reaktionsprinzip der Laccase, Bildung von Radikalen und mögliche Reaktionsprodukte. vor allem die Synthese von Feinchemikalien und Biomaterialien sowie die Derivatisierung von Wirkstoffen neue Anwendungsgebiete dar. Laccase zur Herstellung von Feinchemikalien Laccasen haben als kupferhaltige Oxidasen einige besondere Eigenschaften: Als extrazelluläre Enzyme besitzen sie eine außerordentlich hohe Enzymstabilität, etwa gegenüber erhöhter Temperatur oder Lösungsmitteln. Weiterhin ist das breite Spektrum von aromatischen Substraten hervorzuheben. Die Oxidation von hydroxylierten aromatischen Substanzen führt zum Abzug eines Elektrons und – unter gleichzeitiger Reduktion molekularen Sauerstoffs zu Wasser – zur Bildung von freien Radikalen (Abb. 1). Auf diese Weise können zahlreiche aromatische Laccase-Substrate „aktiviert“ werden. Sie sind dann in der Lage, mit Molekülen der gleichen Art, anderen Laccase-Substraten oder auch mit Hunderten von Nicht-Laccase-Substraten zu reagieren und Kopplungsreaktionen mit verschiedenen Molekülen zu vollziehen. So können diverse chemische Substanzklassen mittels Laccasen verknüpft oder derivatisiert werden (Tab. 1), weshalb diese Art der Synthese als kombinatorische Biochemie bezeichnet wird. Als Ausgangssubstrat dient z. B. 2,5Dihydroxyacetophenon (Tab. 1C), eine Substanz, die von Laccase oxidiert werden kann. Die durch die Oxidation von unterschiedlichen Laccase-Substraten entstehenden Radikale unterliegen je nach den gewählten Bedingungen verschiedenen Reaktionen. Dabei können homo- und heteromolekulare Reaktionen unterschieden werden. Bei der homomolekularen Reaktion werden zwei Moleküle der gleichen Substanz verknüpft; bei der heteromolekularen Kopplung erfolgt eine Reaktion zwischen unterschiedlichen Verbindungen. Dabei zählen zu den möglichen Reaktionspartnern sowohl Verbindungen, die durch Laccase oxidiert werden können, als auch Substanzen, die nicht oxidiert werden können wie L-Phenylalanin (Tab. 1C). Auf dieBIOspektrum | 05.09 | 15. Jahrgang 522_586_BIOsp_0509_neu.qxd 18.08.2009 9:27 Uhr Aminosäurederivate Farbstoffe Seite 527 lackartige Überzüge funktionalisierte Oberflächen Chemotherapeutika Kopplung und Derivatisierung Anthelminthika Klebstoffe von Molekülen mittelsLaccase Fungizide Biomaterialien Cephalosporine Penicilline Polymere ˚ Abb. 2: Überblick über die potenziellen Einsatzmöglichkeiten der mittels Laccase synthetisierten Produkte. se Weise ist die Bildung von homo- oder heteromolekularen Hybridmolekülen und damit eine effiziente Synthese von zahlreichen Feinchemikalien möglich. Die Reaktionspartner können in Abhängigkeit von der Anzahl und Art der Substituenten sowie der Reaktionszeit einmal oder mehrmals verknüpft werden, was zur Bildung von Di-, Tri- oder Polymeren führt (Tab. 1). Die Verknüpfung der Moleküle und somit der Bindungstyp ist abhängig von den Reaktionspartnern. Die homomolekulare Reaktion führt zu C-C- (Tab. 1A) [1], C=C[2] und auch C-O-Bindungen [3]. Die heteromolekularen Hybridmoleküle können bei phenolischen Reaktionspartnern über C-C- (Tab. 1B) [4], C=C[2] und C-O-Bindungen [5] oder bei der Reaktion von aromatischen Aminen über C-N (Tab. 1C) [6] verknüpft sein. Bei Ringbildungen werden mehrere Bindungen geknüpft (z. B. C-S und C=N, Tab. 1D) [7]. Auf diese Weise können zahlreiche Wirkstoffe oder Grundstrukturen von medizinisch relevanten Verbindungen wie Antibiotika, Aminosäuren, Azole oder Salicylsäureester derivatisiert werden. Gerade die Synthese von C-N-verknüpften Hybridmolekülen eröffnet interessante Möglichkeiten. So können die mittels Laccase hergestellten Verbindungen nicht nur als Feinchemikalien für die Synthese weiterer organischer Substanzen genutzt werden, sondern auch als Ausgangsstoff für neue Wirkstoff-Derivate für die Herstellung oder weitere schonende Optimierung von verschiedenen Medikamenten fungieren [8]. BIOspektrum | 05.09 | 15. Jahrgang Gewinnung von Hybridmolekülen mittels Laccase Die Synthese von neuen Verbindungen mithilfe der Laccase eröffnet eine Vielzahl an Variationsmöglichkeiten. Die zahlreichen Laccase-Substrate und die – speziell bei der heteromolekularen Kopplung – große Auswahl an Reaktionspartnern erlaubt die Herstellung unterschiedlicher Substanzen (Abb. 2). Die Gewinnung von Hybridmolekülen umfasst mehrere Prozesse und Methoden, wobei die gewünschte Verbindung erst mittels Laccase synthetisiert, dann gereinigt wird, um letztlich als Reinsubstanz weiter charakterisiert und auf Anwendungseigenschaften geprüft zu werden. So wurde beispielsweise ein trimeres Produkt bei der Reaktion der dihydroxylierten Verbindung 2,5-Dihydroxyacetophenon und der Aminosäure L-Phenylalanin synthetisiert (Tab. 1C). Im Labor werden dazu die beiden Ausgangsstoffe mit der Laccase, z. Β. aus Myceliophthora thermophila im wässrigen Milieu, meist in Puffer, inkubiert. Der pH-Wert des Puffers entspricht dabei dem pH-Optimum der jeweiligen Laccase; je nach gewünschtem pH-Bereich können Laccasen mit unterschiedlichen pH-Optima genutzt werden. Die Reaktion ist von Sauerstoff abhängig, aber Kofaktoren sind nicht erforderlich. Die Bildung der angestrebten Hybridmoleküle wird meist von einer Farbreaktion begleitet und kann mithilfe der HPLC (Hochleistungsflüssigkeitschromatografie) verfolgt und mittels geeigneter Detektoren, etwa einem UV/Vis-Detektor, 522_586_BIOsp_0509_neu.qxd 528 18.08.2009 9:27 Uhr Seite 528 MET H ODE N & AN WE N DU NGEN Tab. 1: Übersicht über mögliche Laccase-katalysierte Reaktionen, die Bindungs- und Produkttypen sowie die Quelle der für die Synthese genutzten Laccase und die Ausbeute des Produkts. Die Bindung zwischen den Reaktionspartnern ist rot gekennzeichnet. Reaktionspartner Bindungstyp, Produkttyp Strukturformel des Reaktionsprodukts Quelle der Laccase Ausbeute Literaturdes Produkts zitat Homomolekulare Reaktion A 3-(2-Chloroethyl)-6-hydroxy2,4-dimethylbenzoesäure methylester (Salicylsäureester) Cl C-C, Dimer OH Pycnoporus cinnabarinus; Trametes spec. Laccase C 85 % [1] Polyporus anceps 25 % [4] Pycnoporus cinnabarinus; Myceliophthora thermophila 40 % [6] keine Angabe zur biologischen Quelle 95 % [7] O O O O OH Cl Heteromolekulare Reaktion B 1,4-Hydrochinon; Mithramycin (AntitumorAntibiotikum) OH C-C, Dimer O Zuckerrest O H O O OH OH C 2,5-Dihydroxyacetophenon; L-Phenylalanin (Aminosäure) 1,4-Hydrochinon; 4-Amino-5-ethyl-3-mercapto1,2,4-triazol (Azolderivat) C-S, C=N Dimer elektronisch ausgewertet werden. Die Isolation des Produkts erfolgt mittels Festphasenextraktion. Die sich daran anschließende Gefriertrocknung ermöglicht die Gewinnung von Feststoffen. Auf diese Weise können sehr hohe Produktausbeuten von 20 bis 80 Prozent, bei ausgewählten Reaktionen sogar von 95 Prozent erzielt werden [7]. Vielfach wird eine weitere Optimierung der Laccase-vermittelten Reaktion angestrebt, das heißt die Reaktionsbedingungen wie die Menge der Laccase oder der Ausgangsstoffe werden variiert, um eine möglichst hohe Produktausbeute zu erreichen. Die isolierten Produkte können unter anderem mittels massenspektroskopischer Methoden und NMR (KernresonanzSpektroskopie) strukturell charakterisiert werden. Der vorgestellte biokatalytische Prozess stellt aufgrund seiner Effizienz, den milden umweltschonenden Reaktionsbedingungen bei Atmosphärendruck und Raumtemperatur eine Alternative zu konventionellen che- OH H N O D O O C-N, Trimer O H O S N N N OH O OH Zuckerrest O N H O O N mischen Verfahren zur Synthese von organischen Substanzen dar. ó azolo(4,3-B)(4,1,2)benzothiadiazine-8-ones. Tetrahedron 50:4019–4024 [8] Mikolasch A, Hessel S, Gesell Salazar M et al. (2008) Synthesis of new N-analogous corollosporine derivatives with antibacterial activity by laccase-catalyzed amination. Chem. Pharm. Bull. 56:781–786 Literatur [1] Ciecholewski S, Hammer E, Manda K et al. (2005) Laccase-catalyzed carbon-carbon bond formation: oxidative dimerization of salicylic esters by air in aqueous solution. Tetrahedron 61:4615–4619 [2] Simmons KE, Minard RD, Bollag J-M (1989) Oxidative cooligomerization of guaiacol and 4-chloroaniline. Environ. Sci. Technol. 23:115–121 [3] Jonas U, Hammer E, Schauer F et al. (1997) Transformation of 2-hydroxydibenzofuran by laccases of the white rot fungi Trametes versicolor and Pycnoporus cinnabarinus and characterization of oligomerization products. Biodegradation 8:321–328 [4] Anyanwutaku IO, Petroski RJ, Rosazza JPN (1994) Oxidative coupling of mithramycin and hydroquinone catalyzed by copper oxidases and benzoquinone. 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