Pilzsuppe als Kläranlage und Biobrennstoffzelle

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Pilzsuppe als Kläranlage und Biobrennstoffzelle
Am Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) der Universität Freiburg hat Sabine Sané auf der
Basis ihrer Doktorarbeit ein Konzept entwickelt, wie Mikroschadstoffe im Abwasser abgebaut
werden könnten und gleichzeitig das Abwasser als wertvolle Rohstoffquelle dienen könnte.
Dafür bekam sie als eine von vier Forscherinnen und Forschern den mit insgesamt 10.000
Euro dotierten Huber Technology Preis „Zukunft Wasser“. Die Hauptrolle in ihrem Ansatz
spielt ein Enzym , das vom Baum-Weißfäulepilz Trametes versicolor abgesondert wird: die
Laccase. Diese soll sowohl einen Schadstoffabbau ermöglichen als auch die Leistung einer
Biobrennstoffzelle erhöhen.
Tüftelt an der Verbesserung von Kläranlagen im Sinne der Energieeffizienz: Doktorandin Sabine Sané am IMTEK
Freiburg © Conny Ehm
Schadstoffe im Abwasser sind unter anderem Schwermetalle, synthetische organische Stoffe,
Viren und Bakterien. Liegt die Konzentration im Mikrogrammbereich pro Liter, spricht man von
Mikroschadstoffen, deren Nachweisbarkeit besser geworden ist. „Der Abbau von
Mikroschadstoffen war bisher nicht im Gespräch, weil man erst jetzt mit neuen Technologien
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die Möglichkeit hat, sie nachzuweisen“, erklärt Sabine Sané, Doktorandin in der Abteilung
Bioelektrochemische Systeme am Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) der Universität
Freiburg.
Substanzen, die nicht durch Kläranlagen abgebaut werden, sind etwa Arzneimittelrückstände
aus Privathaushalten, zum Beispiel auch Hormone. „Die Antibabypille wird von vielen
Menschen genommen“, so Sané, „ein Teil davon wird über den Urin wieder ausgeschieden.“
Auch Ibuprofen und Diclofenac sind synthetische Chemikalien, die nicht abgebaut werden,
sondern im Ökosystem bleiben und akkumulieren. Hinzu kommen Kontrastmittel für die
Röntgendiagnostik aus Krankenhausabwässern und Antibiotika aus der Massentierhaltung.
Ein Baumpilz schafft Abhilfe
Der Baumpilz Trametes versicolor wächst in der Natur an Bäumen und ist in der Lage, den komplizierten Bestandteil
Lignin des Holzes abzubauen. © IMTEK, Universität Freiburg.
Da sich die Stoffe nachweislich im aquatischen Ökosystem anreichern, lohnt es, einen Blick
darauf zu werfen und Grenzwerte festzulegen. Bekannt ist, dass beispielsweise Antidepressiva
den Stoffwechsel und das Verhalten von Fischen beeinflussen: Leider macht es sie nicht
fröhlicher, sondern aggressiver. Östrogene hingegen können Fische unfruchtbar machen.
Ein Baumpilz könnte nun Abhilfe schaffen. Die Schmetterlingstramete (Trametes versicolor)
gehört zur Familie der Stielporlingsverwandten und wächst vorwiegend auf Rotbuchen
Mitteleuropas. Sie zersetzt auch verbautes Holz und ist dabei in der Lage, Lignin abzubauen.
Die Arbeit verrichtet die Laccase, ein Enzym, das gekoppelte Oxidationen aromatischer
Substanzen mit der Reduktion von Sauerstoff unter Bildung von Wasser katalysiert. Es verfügt
über eine außerordentliche Stabilität gegenüber höheren Temperaturen und Lösungsmitteln.
Seit ein paar Jahren wird der Baumpilz schon in der Forschung eingesetzt, wobei er ähnlich wie
Bakterien kultiviert werden kann.
Wie Schimmel auf Apfelsaft
Mithilfe des Pilzenzyms können Schadstoffe in ihre Bestandteile zerlegt werden. „Die Laccase
oxidiert die Mikroschadstoffe und ist dabei nicht wählerisch“, sagt Sané, „sie ist offen für
Substrate, hat keine hohe Spezifität.“ Im Vergleich zur Abwasserreinigung mit Ozon oder
Aktivkohle scheint der Pilz die clevere Alternative zu sein. Aktivkohle muss hergestellt und
wieder entsorgt werden und die Ozonmethode benötigt viel Strom und geschultes Personal, da
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Trametes versicolor in synthetischem Kulturmedium ähnelt durchaus einem Schimmel auf Apfelsaft. Allerdings kann
der Baumpilz Mikroschadstoffe abbauen. © IMTEK, Universität Freiburg
viele gefährliche Produkte entstehen. Dennoch: Wenn Laccase erst in Mikroorganismen
exprimiert und dann isoliert wird, ist auch sie teuer in der Herstellung.
Aus dem Grund kam die Biologin auf die Idee, das ganze Pilzgemisch einzusetzen, und stellte
fest: „Wenn der Pilz auf einer flüssigen Kultur seine Nährstoffe bekommt, wächst er darauf, wie
Schimmel auf dem Apfelsaft.“ Offenbar scheidet Trametes dann nicht nur Laccase ab. „Unsere
Idee ist, dass er einen ganzen Enzymkomplex ins flüssige Medium abgibt“, erklärt sie, „und
den ungereinigten Überstand nimmt man zum Schadstoffabbau.“
Dies ist nur ein Teil des Konzeptes, für den die Doktorandin einen Preis der Huber Technology
Stiftung 2014 zum Thema „Ressourcen und Energie aus Wasser“ erhalten hat. Der Preis wurde
für eine energieeffiziente Abwasserreinigung ausgeschrieben, um junge Wissenschaftler zu
motivieren, neue Wege im Sinne der Umwelt zu gehen. Der zweite Teil von Sanés Konzept: Mit
demselben Baumpilz lässt sich außerdem die Leistung einer hybriden mikrobiellenzymatischen Brennstoffzelle verbessern.
Kostengünstige Energieeffizienz mit Trametes
In einer hybriden mikrobiell-enzymatischen Brennstoffzelle können die Mikroorganismen, die
schon im Abwasser vorhanden sind, an die Anode anlagern und übertragen auf sie Elektronen
aus ihrem Stoffabbau. „Statt mit Sauerstoff können die Bakterien mit der Anode atmen“,
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So soll die Kultur von Trametes in das Kläranlagenkonzept eingebaut werden: Die Laccase aus dem Pilz betreibt die
Biobrennstoffzelle und baut im Abwasser Mikroschadstoffe ab. © IMTEK, Universität Freiburg
verdeutlicht Sané, „gleichzeitig verstoffwechseln sie den organischen Kohlenstoff im Abwasser
– man muss ihnen nicht extra etwas geben.“ Für einen Stromkreislauf müssen die Elektronen
zum anderen Pol, der Kathode, wandern. Hier sitzt die Laccase, die als Katalysator für die
Elektronenübertragung auf den Sauerstoff fungiert. Da die Laccase jedoch nur eine kurze
Lebensdauer von etwa zwei Wochen hat, wird eine solche Brennstoffzelle bisher nur im
Labormaßstab verwendet. Auch hier ist das Isolieren und Aufreinigen des Enzyms sehr
aufwendig. Wieder war Sanés Idee, diese Schritte zu überspringen und gleich die „komplette
Pilzsuppe zu nehmen, in der neben dem Enzym noch alles Mögliche drin ist". Das Ergebnis: Die
Brennstoffzelle lief genauso gut, wenn nicht noch ein wenig besser als mit aufgereinigtem
Enzym. „Es hat uns erstaunt, dass es so einfach funktioniert“, gesteht die Forscherin. „In der
Arbeit konnten wir zeigen, dass man die Lebensdauer der Kathode ganz entscheidend
verlängern kann, indem man den Pilzüberstand immer wieder austauscht.“ So kam die
Kathode auf eine Lebensdauer von vier Monaten und Sané hatte nicht das Gefühl, das Ende
schon erreicht zu haben. „Danach ist mir leider mein Reaktor ausgetrocknet“, sagt sie. Ihre
Vision ist eine Kombination von zwei Verfahren mit der Laccase: eine Pilzfarm im Abwasser,
kombiniert mit einer Kläranlage - eine autarke Abwasseranlage, die schon ihre eigene Energie
mitbringt und zudem noch Mikroschadstoffe entfernt. „Clever wäre, den Pilz direkt auf
demselben Abwasser zu kultivieren, in dem die Brennstoffzelle ist und aus dem die Arzneimittel
abgebaut werden“, meint Sané, „man hätte das Wasser gereinigt und obendrein Strom
gewonnen.“ Das Konzept steht bereits, nun geht es an die Umsetzung.
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Fachbeitrag
13.10.2014
Stephanie Heyl
BioRegion Freiburg
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Sabine Sané
Institut für Mikrosystemtechnik - IMTEK
Universität Freiburg
Georges-Koehler-Allee 103
79110 Freiburg
Tel.: 0761 / 203-73262
E-Mail: Sabine.Sane(at)imtek.uni-freiburg.de
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Energiegewinnung aus Abfall
Umweltbiotechnologie
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