Mit dem Theaterstück «Hampfluta Simpilärhäärd schuf Klaus Arnold ein stimmiges Sittengemälde. Freilichtspiel «U Hampfluta Simpilärhäärd» überzeugt auf mehreren Ebenen Sturm in labiler Gefühlswelt Verständnislos. Der Gemeindepräsident (Renato Arnold) zeigt wenig Verständnis für die Gefühle seiner Tochter. Sarah Arnold und Daniel Tscherrig als Liebespaar. FOTOS THOMAS ANDENMATTEN SIMPLON DORF | Beim Freilichttheater«U Hampfluta Simpilärhäärd» werden gekonnt örtliche wie zeitliche Grenzen überwunden. ANDREAS ZURBRIGGEN Das Rad der Fortuna dreht sich unaufhörlich. Als eines der wohlhabendsten Länder der Welt ist die Schweiz heutzutage Sehnsuchtsort für viele Migranten. Vor 150 Jahren war die Situation genau umgekehrt: Etlichen Bewohnern der agrarisch geprägten Walliser Bergdörfer blieb nichts anderes übrig, als auszuwandern. So auch in Simplon Dorf, das in der Mitte des 19. Jahrhunderts von einer regelrechten Auswanderungswelle erfasst wurde. Das Stück «U Hampfluta Simpilärhäärd» von Klaus Arnold bringt diese Thematik nun auf die Freilichtbühne. Auf dem Dorfplatz von Simplon Dorf entsteht dabei ein Sittengemälde, bei dem ein eindringliches Gefühlsgemisch zwischen Verzweiflung, Hoffnung und Sehnsucht entsteht. Reisebereit. Einige Simpilär haben ihre Habseligkeiten zusammengepackt. Ihr Ziel: Auswandern nach San Jerónimo Norte. Liebesentzug Ganz unterschiedliche Schicksale werden in den 13 Episoden erzählt, bei denen sich das Geschehen in der Alten wie der Neuen Welt abspielt – sowie dem Ozean dazwischen. Das erhoffte Eldorado ist für die Auswanderer nämlich Argentinien und dorthin macht sich eine heterogene Gruppe von auswanderungswilligen Simpilärn auf. Bis es so weit ist, braucht es jedoch Überzeugungsarbeit. Und diese leistet ein Agent (gespielt von David Arnold) mit Hilfe des anrüchigen Gemeindepräsidenten (gespielt von Renato Arnold) nicht ganz uneigennützig. Rund 35 nicht professionelle Schauspieler verwandeln den Dorfkern von Simplon während den zwei Stunden der Aufführung in einen Ort der Reflexion, der Spurensuche und der im Inneren und Äusseren ausgetragenen Kämpfe. Den Reiz des Stücks macht dabei nicht unbedingt die Rahmenhandlung aus, die neben der Auswanderungsgeschichte des 19. Jahrhunderts auch noch eine detektivische Indiziensuche im Heute verarbeitet, sondern das Beleuchten der einzelnen Schicksale, die verschiedenartiger nicht hätten sein können und zu gänzlich unterschiedlichen Auswanderungsgründen führen. Besonders eine unvollendete Liebesgeschichte, in welcher der Liebesentzug nur durch eine «Hampfluta Simpilärhäärd» ertragen werden kann, weiss zu berühren – exzellent spielen Sarah Arnold und Daniel Tscherrig die Rollen des entzweiten Liebespaars. Musikalische und visuelle Farbtupfer Als Scharnier zwischen Argentinien und dem Wallis wirkt im Theaterstück die Musik. Ihr kommt in «U Hampfluta Simpilärhäärd» eine tragende Rolle zuteil. Extra für die Aufführungen in Simplon Dorf komponierte Donat Burgener von argentinischer und Walliser Volksmusik inspirierte Musik voller wehmütigem Charakter. Diese ist nicht nur vorzüglich komponiert, sondern durchdringt die Inszenierung schlüssig in der Interpretation der zehn involvierten Musiker wie auch des als Dorfbewohner auftretenden Chors. Neben der akustisch bunt angelegten Klangwelt verleiht auf der visuellen Ebene das Kunstwerk «Heimaterde – tierra natal» von Edelbert W. Bregy der Kulisse einen Farbtupfer. Wohltuende Mehrschichtigkeit Es ist ein vielschichtiges Freilichtspiel, das dieser Tage in Simplon Dorf über die Bühne geht. Die verschiedenen Ebenen zu einem Ganzen formte der Regisseur Willy- Franz Kurth. Ihm gelingt es, durch eine temporeiche Inszenierung dem Stück von Klaus Arnold Stringenz zu verleihen. Eine besondere Augenweide sind die vielen ins Dorfgeschehen eingebauten Details, die parallel zur Haupthandlung ablaufen. Stimmig sind zudem die multimedialen Elemente, die Kurth geschickt in den Aufführungsverlauf integriert. Mit Film wird eine Mehrschichtigkeit erreicht, die wohltuend keine geradlinige Dramaturgie aufkommen lässt. Jenseits von Heimatkitsch überzeugt «U Hampf luta Simpilärhäärd » mit einer Handlung, die auf historischen Tatsachen basiert und die durch die Flüchtlingsdramen der heutigen Zeit nichts an Aktualität eingebüsst hat. Den mit dem Aktualitätsbezug einhergehenden und in das Stück eingebauten moralischen Impetus hätte man sich jedoch gegen Ende etwas subtiler vorstellen können. 2015. Eine Grossmutter (Elisabeth Gerold) bereist mit ihrer Enkelin (Sonja Arnold) Simplon Dorf und findet interessante Indizien. 3.8.15