Der Parteienstaat in Deutschland - Bundeszentrale für politische

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Everhard Holtmann
Der Parteienstaat in Deutschland
Erklärungen, Entwicklungen, Erscheinungsbilder
Everhard Holtmann
Der Parteienstaat in Deutschland
Schriftenreihe Band 10100
Everhard Holtmann
Der Parteienstaat
in Deutschland
Erklärungen, Entwicklungen, Erscheinungsbilder
Professor Everhard Holtmann lehrte bis 2012 Systemanalyse und Vergleichende
­Politik an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg. Von 2007 bis 2012 war
er Sprecher des DFG-Sonderforschungsbereiches 580 (Gesellschaftliche Entwicklungen nach dem Systemumbruch). Seit Oktober 2012 ist er Forschungsdirektor am
Zentrum für Sozialforschung Halle e. V. (ZSH).
Bonn 2017
2., überarbeitete und erweiterte Auflage
©Bundeszentrale für politische Bildung / bpb
Adenauerallee 86, 53113 Bonn
Redak­tion: Hildegard Bremer, bpb
Lektorat: Eik Welker, Münster
Diese Veröffent­lichung stellt keine Meinungs­äußerung der Bundeszentrale für politische Bildung dar. Für die inhalt­lichen Aussagen trägt der Autor die Verantwor­tung.
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Umschlagfoto: © picture alliance / Robert B. Fishman
Umschlaggestaltung, Satzherstellung und Layout: Naumilkat – Agentur für Kommunikation und Design, Düsseldorf
Druck: Druck- und Verlagshaus Zarbock GmbH & Co. KG, Frankfurt / Main
ISBN: 978-3-7425-0100-4
www.bpb.de
Inhalt
Einführung
Ist der Parteienstaat ein Auslaufmodell? Krisenzeichen in
Vergangenheit und Gegenwart
13
I.Erklärungen
Parteien als Ausdruck sozialen Wandels und als Agenten
­gesellschaftlicher Konflikte
41
1 Ist alles schon einmal da gewesen? Historische
Pfadabhängigkeiten41
2 Parteien und Gesellschaft: Eine besondere Beziehung
50
3 »Prinzipal« und »Agent«: Parteien als politische
Handlungsbevollmächtigte51
4 Sozialer Wandel und Parteienentwicklung: Brüche und
gleitende Übergänge
53
5 »Eingefrorene« Parteiensysteme: Die struktur­bildenden
Wirkungen langlebiger gesellschaftlicher Konf liktlinien
55
6 Von der Bewegung zur Partei: Ein typisches Stufen­modell
politischer Organisation
57
7 »Protest« als Ferment für Parteigründung
60
8 Nicht mehr selbstverständlich: Der parlamentarische
Vertretungsvorrang der Parteipolitik
64
9 Parteien und Staat: Eine politische Vernunftehe
67
10 Deutungsmuster von Parteienfeindlichkeit
68
11 Der Demokratiemangel demokratischer Eliten­herrschaft
71
12 Handeln unter Bedingungen von Ungewissheit:
Alte Probleme des heutigen Parteienstaates
74
5
Inhalt
II.Entwicklungen
Entwicklungsphasen und Typologien des d
­ eutschen Parteiensystems
von den Anfängen bis heute
77
1 Typologische Unterscheidung von Parteien Sinn und Zweck der Typenbildung
Klassische Typenbildungen – Honoratiorenpartei, Massenintegra­t ionspartei, Allerweltspartei
Neuestes Produkt der Typenbildung – die Kartellpartei
Die Vertrauenskrise der etablierten Parteiensysteme in Europa
und der Aufstieg alternativer Parteitypen
Die »runderneuerte« Volkspartei – eine zukunftsfähige
Perspektive?
2 Fünf-Phasen-Folge der Parteienentwicklung in Deutschland
77
77
79
81
83
86
87
3 Entfaltung des Parteiwesens im Zeichen der Parlamen­tarisierung:
Die erste Entwicklungsphase bis 1918
90
4 Polarisiertes Parteiensystem mit systemfeindlichen Flügelparteien:
Die zweite Entwicklungsphase bis 1933
91
5 Demokratische Neugründung vor Traditionshorizonten und die
Vorherrschaft der Volksparteien: Die dritte Entwicklungsphase
von 1945 bis 1970
Die Union als Pionierin der Volkspartei
Die vorübergehende Bedeutung kleiner Interessenparteien
Die CSU als bayerische Hegemonialpartei
Der Weg zur sozialdemokratischen Volkspartei
Konzentrationsprozesse im deutschen Parteiensystem
94
97
98
101
102
104
6 Wertewandel und Neue Soziale Bewegungen: Die vierte
Entwicklungsphase der 1980er-Jahre
113
7 Die Zäsur der deutschen Einigung: Die fünfte Entwicklungsphase seit 1990
118
Auf bruch aus dem SED-Einparteienregime in ein demokratisches
Parteiensystem – Bürgerbewegung, Blockparteien, neue Parteien 119
Die Sonderrolle der PDS in der formativen Phase des ostdeutschen Parteiensystems
125
6
Inhalt
Ostdeutsche Prägungen des gesamtdeutschen Parteiensystems
Annäherung und Eigenheit – Ostdeutschland im gegenwärtigen
­Parteienstaat der Bundesrepublik
Gesellschaftliche Konf liktlinien im Ost-West-Feld des Parteien­
systems
Der Abstieg der Volksparteien – ein unheilbares Krisensymptom
des Parteienstaates?
Strukturmuster der Gegenwart – ein »f luides« Sechsparteiensystem
8 Piratenpartei und Alternative für Deutschland (Af D): Zwei
gegensätzliche Erscheinungsformen des Typus Protestpartei
»Äpfel und Birnen« in einem Korb? – eine klärende
Vorbemerkung
Was ist eine Protestpartei? – Versuch einer schlanken Definition
Protest als gesellschaftliche Grundstimmung Rational oder rechtspopulistisch? – die soziale und ideologische
Spreizung politischer Proteststimmungen
Die Piraten – eine rationale Protestpartei
Die Alternative für Deutschland (Af D) – eine rechtspopulistische
Protestpartei
Piraten und Alternative für Deutschland – doppelter Test für die
Integrationsfähigkeit des deutschen Parteiensystems
127
130
136
143
149
152
152
152
154
156
160
164
169
III.Erscheinungsbilder
Die Mühen der Tiefebene: Parteiarbeit zwischen Aufgabenerfüllung
und populärer Kritik
173
1 Parteienverdruss: Ein chronisches Krankheitsbild deutscher
politischer Kultur
173
173
173
175
178
Politikverdrossenheit – Beschreibung einer Gefühlslage
Vertrauen als ein Grundwert politischer Kultur
Schlusslicht beim Institutionenvertrauen – die Parteien
Parteienferne – ein versachlichtes Erbe deutscher Tradition
Parteienferne und »unpolitische« Kommunalpolitik – eine h
­ istorische
Liaison
181
7
Inhalt
Starker Staat und Sehnsucht nach Gemeinschaft – alte deutsche
­A nfälligkeiten
Das Janusgesicht der deutschen politischen Kultur
2 Vom Fremdkörper zum Sprachrohr des Volkswillens:
Der Parteienstaat in der Theorie
Wegweisend, aber eine Fehlkonstruktion – ­
die Parteienstaats­theorie von Gerhard Leibholz
Neuerer Erklärungsansatz mittlerer Reichweite –
die Kartellpartei-These
184
189
192
192
196
3 Überdehntes Verfassungsprivileg? Die Rechtsstellung politischer
Parteien197
Ermöglichende und beschränkende Vorgaben von Parteienrecht 197
Festigung, Eingrenzung, partielle Entmachtung –
drei ­Entwicklungs­phasen des Parteienrechts
Parteienverbot in der wehrhaften Demokratie
Kodex des Parteienprivilegs – das Parteiengesetz
Kommunale Institutionenreformen – Neues Steuerungsmodell,
­d irekte Demokratie und die Aushöhlung des repräsentativen
Prinzips
4 Parteienfinanzierung: Kosten der Demokratie Der gespaltene Prinzipal – Spender und Steuerzahler
Kein demokratischer Parteienstaat zum Nulltarif
Tauziehen zwischen Gesetzgeber und Verfassungsgericht
Weggabelungen auf dem Pfad der Parteienfinanzierung
Die Einnahmen der Bundestagsparteien
5 Ohnmacht der Basis, abgehobene Führung? Schein und
Wirklichkeit der »politischen Klasse«
198
200
202
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207
207
209
210
211
214
217
217
Die »politische Klasse« im Sprachgebrauch
Eliten in den Augen der Bevölkerung – bedeutsam, aber für
218
viele entbehrlich
Ein »ehernes Gesetz der Oligarchie«?
221
Politiker als »verschwisterte Rivalen« – Befunde der empirischen
Elitenforschung
222
8
Inhalt
Den Wählern und dem Land verpf lichtet –
das Repräsentations­verständnis der politischen Elite
Von Mitgliedern und Parteiführung bevorzugt – eine effiziente
­Parteiorganisation
Geringer Vertrauensbonus der Bevölkerung, stabile
Vertrauensachsen in den Parteien
Abgekoppelte untere Schichten – das Risiko einer neuen ­
inner­parteilichen Ungleichheit
6 Bei Anruf Job? Ämterpatronage 227
229
232
233
Der politische Charakter von Verwaltung
236
236
239
240
243
Das Spannungsverhältnis zwischen der Politisierung und den
hergebrachten Grundsätzen des Berufs­beamtentums
244
Der politische Beamte – eine Anomalie im Rechtsstaat?
Zum R
­ ollenkonf likt von Korrektheit und Loyalität
245
Parteibonus nicht ohne fachliche Eignung – Reichweite und
Grenzen von Amtspatronage
247
Motivlagen – Machtkontrolle und Belohnung
Protektion ist schwer zu fassen – die Tarnkappe des Patrons
Austausch von Spitzenpositionen nach Regierungswechseln
7 Konkurrenz und Koexistenz: Parteien und parteifreie
Wählergemeinschaften im kommunalen Feld
Vorteile und Mühen der dezentralen Ebene
251
251
Parteien in der Kommunalpolitik – eine nicht standesgemäße
­Verbindung?
253
Kennzeichnend für Kommunalwahlen – Doppelherrschaft von
­Ortsparteien und kommunalen Wählergemeinschaften (KWG)
254
Gründungsmotiv für Wählergemeinschaften – »Sachpolitik,
nicht Parteipolitik«
256
Organisation und soziales Profil kommunaler
Wählergemeinschaften
Einstellungen parteifreier Mandatsträger zur Kommunalpolitik
259
260
Auf dem Weg zu Programmparteien – Themenschwerpunkte
von KWGs
261
9
Inhalt
Bewegung im lokalen Parteiensystem – Institutionenreform,
­gesellschaftliche Polarisierung und ein neuer Lokalismus
8 Navigatoren im Mehrebenensystem: Parteien und ­
Parteipolitiker als Schlüsselakteure des Regierens
Wandel der Parteienfunktionen im Fortgang der politischen
Theorie
Partikularinteressen und Gemeinwohl – die soziale
Ausgleichsfunktion von Parteien
Steuerungsaufgaben im Feld des Regierens
Wandel der Staatstätigkeit – Wandel von Parteifunktionen
Dezentrale Problemlösungen und wechselnde Arenen –
Parteien im deutschen Bundesstaat
Blockierer oder Blockadebrecher – die Rolle der Parteien im
»­verf lochtenen« Föderalismus
9 Verlieren die Parteien das Volk? Zum Verhältnis von
Parteienstaat und Bürgergesellschaft
Absetzbewegungen in Parteivolk und Volk
Die Beziehung zwischen Prinzipal und Agent – nicht rettungslos
­zerrüttet
Von bürgerschaftlichem Engagement zur Parteiarbeit – ein
eher ­seltener Brückenschlag
Soziales Kapital von Bürgern – Anreiz oder Bremse für
politische Beteiligung?
Zivilgesellschaftliche Vorlieben für direkte Demokratie
Abgekoppelte Unterschicht – eine unerwünschte Nebenfolge
der direkten Demokratie
Risiken für das vorhandene Institutionensystem
263
269
269
271
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281
281
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286
288
290
293
Ausblick
Auf dem Weg in den defekten Parteienstaat?
10
295
Inhalt
Anmerkungen
305
Abbildungen und Tabellen
335
Literatur
337
11
Einführung
Ist der Parteienstaat ein Auslaufmodell? Krisenzeichen
in Vergangenheit und Gegenwart
Der Parteienstaat steht unter Stress
Der demokratische Parteienstaat der Bundesrepublik Deutschland ist in­­
zwischen bald 70 Jahre alt. Dabei ist der zeitliche Vorlauf des zentralstaats­
losen Interims zwischen 1945 und 1949, als nur Länder und Gemeinden als
Gebietskörperschaften existierten, noch nicht eingerechnet, gleichwohl es
in dieser Zeit auch politische Parteien gab. Obwohl er in der ­politischen
Landschaft allgegenwärtig ist und obschon in der ­
A lltagssprache die
Bezeichnung »Parteienstaat« mit großer Selbstverständlich­keit verwendet
wird, ist es um das öffentliche Ansehen der Parteipolitik in der Gegenwart,
wie häufig auch schon in der Vergangenheit, nicht zum Besten bestellt.
Tatsächlich durchlebt der deutsche Parteienstaat in den letzten Jahren
den wohl ernstesten öffentlichen Belastungstest seit Gründung der Bundesrepublik. An die stereotyp wiederkehrenden verbalen Ausfälle gegen das
»Parteienkartell« und gegen die als eine Gemeinschaft professioneller Wiederholungstäter abgestempelte »politische Klasse« hatte man sich fast schon
gewöhnt. Neu ist, dass im Namen einer Idee bürgerschaftlicher Beteiligung, nach der die direkte Aktion fordernder Protestbürger als die authentische Ausdrucksform partizipatorischer Demokratie verstanden wird,
nicht mehr nur die Parteien abgekanzelt werden, sondern nun auch der
Vorrang der Parlamente infrage gestellt wird. Im Konf likt um das Bahnprojekt »Stuttgart 21« etwa wurde vorgeführt, wie eine Landesregierung
nebst ihrer parlamentarischen Mehrheit heutzutage in ein »Mediationsverfahren« genötigt werden kann, um eine rechtsstaatlich korrekt zustande
gekommene Entscheidung im Nachhinein gegenüber einer Protestallianz
zu rechtfertigen, deren Betroffenheit zwar legitim ist, deren Änderungsbegehren aber keinen einer Parlamentsbefugnis vergleichbar repräsentativen Rang beanspruchen kann. Dass selbst die Sprecher ausnahmslos aller
Bundestagsparteien in den Chor derer mit einstimmten, die den Stuttgar13
Einführung
ter Mediationsmarathon als »Prototyp« neuer demokra­t ischer Kultur feierten, wirft ein Schlaglicht auf die Vertrauenskrise, die die ­parteienstaatlich
gesteuerte parlamentarische Demokratie derzeit durchmacht. Auch die
Demonstrierenden, die sich hinter dem Banner von Pegida, einer seitens
führender Personen der Af D sekundierten Protestbewegung empörter
Bürger, seit Oktober 2014 in Dresden und andernorts versammeln, pf legen eine grundsätzliche Distanz zum ­repräsentativen System.
Immerwährende Vorzüge der repräsentativen Demokratie
Grundsätzlich ist und bleibt der demokratische Parteienstaat die angemessene Ausdrucks- und Vermittlungsform für zivilgesellschaftliche Mitsprache, sobald diese den Anspruch erhebt, allgemein verbindliche politische Entscheidungen herbeizuführen oder zu korrigieren. Parteipolitik
und Parteienstaatlichkeit sind durch Formen von Versammlungsdemokratie nicht ersetzbar. Dies begründet sich aus den öffentlichen Aufgaben der
Parteien im politischen System. Dem Verfassungsverständnis des Grundgesetzes zufolge bündeln Parteien vielfältige Interessen der Bürger in der
Gesellschaft und vermitteln deren Erwartungen und Forderungen in die
staatliche Sphäre hinein. Dabei besitzen Parteien kein Monopol auf politische Willensbildung. Neben ihnen haben andere, nicht parteiförmig verfasste Aktivitäten, Bürgerinitiativen etwa, und volksunmittelbare Entscheidungsverfahren wie Volksbegehren und Volksentscheide ihren rechtlich
verbrieften Platz. Doch nur Parteien gewährleisten dank ihrer dauerhaften
Organisation die Stetigkeit eines programmgeleiteten politischen Willens,
die für jede vorausschauende Politik notwendig ist. Und nur Parteien sind
aufgrund ihrer – häufig als Funktionärsbetrieb geschmähten – inneren
Entscheidungsabläufe imstande, unterschiedliche Interessenlagen abzuwägen und dabei auch die Belange schwacher Mitglieder der Gesellschaft zu
berücksichtigen.
Mit dem Begriff »Parteienstaat« verbindet sich daher in des Wortes positiver Bedeutung die Vorstellung, dass politische Parteien in modernen
Demokratien eine zentrale Rolle spielen. Bei der Organisation des Volkswillens und seiner Übertragung in die Sphäre des Staatswillens übernehmen sie eine Schlüsselfunktion. Ferner fällt ihnen als »Parteien im Parlament« die Aufgabe zu, die Umsetzung gesetzgebender Entscheidungen in
Regierungs- und Verwaltungshandeln zu überwachen und selbst öffentliche Mitverantwortung für diese Entscheidungen zu übernehmen.1 Soweit
den Parteien überantwortet, erfolgt solche Herrschaftskontrolle nicht
volksunmittelbar, sondern wird an gewählte Vertreter übertragen, die
14
Einführung
kraft allgemeiner Wahlen legitimiert sind. Der demokratische P
­ arteienstaat
gründet folglich im Prinzip politischer Repräsentation, und er gibt diesem Prinzip in Gestalt des Fraktionenparlaments des Bundestages und der
Landtage sein zeitgemäßes Gesicht.
An diesem Repräsentationsmodell wird ersichtlich, weshalb ­Vertreter
von sozialen Protestbewegungen oder von sogenannten Nichtregierungsorganisationen (NRO – im Englischen: Nongovernmental Organization, NGO)
nicht die gleiche demokratische Legitimation besitzen wie gewählte Vertreter der parteienstaatlich formierten parlamentarischen Demokratie. Der
Unterschied wird am Verfahren der politischen Beteiligung anschaulich:
Bei allgemeinen Wahlen (und ebenso bei direktdemokratischen Abstimmungen) ist das Wahlvolk formal bestimmt als Gesamtheit aller Wahlberechtigten. Zugleich ist diese Gesamtheit sozial nicht weiter verlesen: Das
Recht zu wählen ist jedermanns verbrieftes Bürgerrecht, ohne Ansehen
von Herkunft, Geburt, Besitz und Bildung. In der Ausübung dieses Allgemeinrechts äußert sich das Prinzip der Volkssouveränität.
Bei bürgerschaftlichen Massenprotesten hingegen, wie bei den Demonstrationen gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 oder bei den Dresdener Massenauf läufen der Empörungsbewegten von Pegida 2 , sind die Bedingungen
des Dabeiseins nicht an einen Nachweis formaler Berechtigung gebunden.
Der soziale Aktionsradius ist nicht allgemein durch das landesweit zu Wahlen aufgerufene Volk definiert. Stattdessen variiert je nach Streitthema und
»Tatort«, wer sich angesprochenen fühlt und teilnimmt. Zustande kommt
eine Zufallsauswahl, deren soziale Zusammensetzung unausgewogener
ist als bei allgemeinen Wahlen. Bei Stuttgart 21 waren es »vor allem die
Akademiker, die demonstrieren: Die Hälfte der Befragten hat einen UniAbschluss«.3 In ähnlicher Weise war der Hamburger Volksentscheid gegen
die von der gewählten Bürgerschaft einhellig verabschiedete Schulreform
im Jahr 2010 ein plebiszitäres Projekt vornehmlich der gut situierten Mittelschichten. Auch unter den Dresdener Pegida-Demonstrierenden waren
Teilnehmer mit Fachhochschul- bzw. Hochschulreife überrepräsentiert.4
Ein Entscheidungsrecht, das demjenigen eines gewählten Parlaments ebenbürtig wäre, kann ein solcher kollektiver Protest wegen des fehlenden formalen Mandats und mangels breiter gesellschaftlicher Repräsentation folglich nicht beanspruchen.
15
Einführung
Strukturfragen und Moralfragen des Parteienstaates lassen sich
schwer trennen
In der Literatur sind die Grundlagen, Grundfragen und Grundprobleme
des deutschen Parteienstaates ausführlich und sachkundig beschrieben
worden. Die Darstellung der historischen Ursprünge und Verzweigungen
deutscher Parteien und ihrer ideologischen Familien, der Partei­finanzen,
der Parteiorganisation, des inneren Parteilebens und der Mitglieder- und
Wählerprofile, der regionalen Hochburgen und Diasporagebiete, der Parteitypen und der Einordnung der Parteien auf der Links-rechts-Skala des
Parteiensystems sowie der öffentlichen Funktionen von Parteien gehört
mittlerweile zur Standardausstattung wissenschaftlich fundierter Überblickswerke.5 Mit den Schattenseiten des Parteienstaates, das heißt mit Vorgängen, bei denen Parteien und Parteipolitiker vor ihrer Aufgabe inhaltlich und moralisch versagen und dabei die Fundamente des Ansehens der
Politik fortlaufend selbst untergraben, beschäftigen sich hingegen vorzugsweise die Massenmedien und publizistische Streitschriften.6
Der Erkenntnis förderlich ist diese unabgesprochene Arbeitsteilung
zwischen Wissenschaft und parteienkritischer Publizistik nicht. Manche
solide Darstellung des Parteiensystems kommt ohne systematische Berücksichtigung seiner Strukturprobleme aus. Es genügt jedoch nicht, die Struktur der Parteien und ihre Bedeutung für die Demokratie, ihre Funk­t ionen,
ihre Anhänger und ihr Personal in einzelnen Kapiteln nacheinander abzuhandeln, ohne die strukturbedingten Schwachstellen der Parteipolitik
mit in den Blick zu nehmen. Erst recht nicht analytisch befriedigend ist
eine Sichtweise, die sich auf eine ausschließliche Verurteilung von fragwürdigen Praktiken des Parteienstaates beschränkt. Geht es bloß um eine
Fehlermeldung in moralisierender Absicht, die »Postenschacher«, Selbstbereicherung und Machttrieb anklagt und dieses Skandalon für die Standardausstattung der Parteipolitik ausgibt, wird das Bild der Wirklichkeit
auf besondere Weise verzerrt.
Tatsächlich sind im Parteienstaat, so wie in anderen komplexen Gebilden auch, Strukturfragen und Moralfragen eng aufeinander bezogen. Treten Strukturkonf likte auf, so werden diese häufig an moralischen Maßstäben gemessen. Beispielhaft anschaulich wurde dies gleichfalls bei der
Konf liktlage von Stuttgart 21, wo Tausende Versammelte ihr Eintreten für
den Parkschutz als eine Form zivilen Widerstands zum Erhalt der Schöpfung sittlich begründeten. Dasselbe Beispiel zeigt klar: Die Wechselbeziehung zwischen den Strukturen des Parteienstaates und dem öffentlichen
Werturteil über denselben tritt dann besonders deutlich zutage, wenn im
16
Einführung
Verhältnis von Struktur und Moral krisenhafte Störungen auftreten. Verliert die Parteipolitik beispielsweise aufgrund eines auch nur angenommen schlechten Erscheinungsbildes des politischen ­Führungspersonals an
Glaubwürdigkeit, sind ein sinkendes Vertrauen in die Institutionen des Parteienstaates, eine steigende Neigung zur Wahlenthaltung und Umschichtungen in den Wähleranteilen der Parteien die wahrscheinliche Folge. Ein
politisch-kultureller Klimawandel übt Druck auf die politischen Strukturen aus. Umgekehrt kann eine Verschiebung der parteipolitischen Kräfteverhältnisse, wie sie im Ergebnis von »Erdrutschwahlen« eintritt, dazu
führen, dass im umgeschichteten Parteienspektrum Grundsätze der politischen und sozialen Moral gegenüber »dem System« lauter und aggressiver eingefordert werden. Populistische Parteien, die in Zeiten anhaltender Politik(er)verdrossenheit häufig Auftrieb erhalten, werfen den »alten«
Parteien nämlich vorzugsweise vor, in elementaren Gerechtigkeitsfragen
zu versagen. In jüngster Zeit schlägt vor allem die Af D diesen Ton auf der
Klaviatur ihrer öffentlichen Äußerungen an.
Somit steht der Parteienstaat unter einer dauernden inneren ­Spannung.
Ständig werden an die politisch verantwortlichen Stellen Forderungen
herangetragen, mit denen konkrete Leistungsansprüche einhergehen.
Werden diese Erwartungen nicht oder nur unzureichend erfüllt, sind Enttäuschung, Verweigerung, Protest oder auch Vertrauensverluste die Folge.
Wird der Vertrauensentzug zum Dauerzustand, kann dies nicht nur zu
Un­­zufriedenheit mit bestimmten Politikern und Parteien, sondern zur ge­­
nerellen Abwendung von »der Politik« führen oder Antisystemparteien
bzw. Anti-Parteien-Parteien Auftrieb verschaffen.
Wenn moralische Bedenken erhoben werden, wird Politik zwangsläufig
personalisiert. Vieles (freilich nicht alles), was Politikerinnen und Politikern in der öffentlichen Meinung als persönliches moralisches Fehlverhalten angekreidet wird, erzeugt der Parteienstaat aber aus seinen Strukturen
und Abläufen objektiv selbst. So führt beispielsweise an der Notwendigkeit, dass Parteipolitiker Kompromisslösungen vertraulich aushandeln, um
Politikblockaden zu umschiffen, in einem demokratischen Regierungssystem kein Weg vorbei. Gleichwohl steht diese Verfahrensweise in der
Öffentlichkeit stets unter dem Generalverdacht sachlich unzureichender
Lösungen und unschicklicher »Kungelei«.7 Was objektiv notwendig ist,
erscheint subjektiv verschuldet. Man sieht: Es liegt zumindest teilweise in
der inneren Wirkungsweise des »arbeitenden« Parteienstaates begründet,
wenn Parteien und Parteipolitikern vonseiten der Bürgerinnen und Bürger
oder auch anderer Funktionseliten, etwa in Wirtschaft und Medien, Vertrauen entzogen und Unterstützung verweigert wird.
17
Einführung
Der Parteienstaat – gleichermaßen ein System und ein
­Handlungszusammenhang
Geboten ist es deshalb, bei der Darstellung des Parteienstaates analytisch
einen Weg zu beschreiten, der es zulässt, die strukturelle und die mora­
lische Seite des Gegenstandes als zwei Seiten einer Beziehung zu verstehen,
sie dennoch gesondert zu betrachten und dadurch in ein angemessenes
Verhältnis zu bringen. Dies erklärt, weshalb aus sozialwissenschaftlicher
Sicht der Parteienstaat als ein System und zugleich als ein Handlungszusammenhang von Akteuren im Einzugsbereich von Institutionen begriffen wird. Die Systemdimension lässt sich knapp wie folgt umreißen: Wie
andere komplexe Systeme auch ist der Parteienstaat aus interdependenten,
das heißt miteinander verbundenen Untersystemen zusammengesetzt. Er
ist arbeitsteilig nach Rollen bzw. Systemfunktionen (z. B. der Aufnahme
und Bündelung von Interessen) angeordnet und auf übergeordnete integrationsfähige Systemziele wie Freiheit, Sicherheit, soziale Gerechtigkeit
hin ausgerichtet.8 Solche Basisideen ziehen dem System kulturelle Leitplanken ein, mit deren Hilfe die oben erwähnten Moralfragen im Sinne
des Gemeinwohls geklärt werden.
Ebenso stellt der Parteienstaat einen Handlungszusammenhang dar:
Gegebene formale Institutionen (Verfassung, Gesetze, Verfassungsorgane)
eröffnen den Akteuren (Bürgern, Wählern, Parteieliten) Handlungsspielräume und begrenzen diese zugleich. Parteien übernehmen in ­d iesem Spielfeld eine Doppelrolle: Aufgrund ihrer Eigenschaft als dauerhafte Organisation zählen sie zu den Institutionen. Gleichzeitig sind sie aber auch als
Akteur aufgestellt, und zwar sowohl kollektiv als Gesamtpartei als auch
individuell in Person einzelner Parteipolitikerinnen und -politiker. In der
Arena der Politik bilden Parteipolitiker und Wahlvolk eine Akteursverbindung besonderer Art. Gewählte und Wähler sind voneinander abhängig. Politiker erhalten ihr Amt und Mandat durch demokra­t ische Wahlen,
wobei die Möglichkeit bzw. das Risiko des Widerrufs dieses Votums bei
folgenden Wahlen inbegriffen ist. Bürgerinnen und Bürger sind ihrerseits
darauf angewiesen, die Ausübung der politischen Geschäfte an Personen
ihres Vertrauens auf Zeit zu delegieren. Ein jederzeit aktiviertes Rückholrecht dieses Vertretungsauftrags durch ein ­selbsterklärtes »Volk«, das sich in
zufälliger Zusammensetzung versammelt, ist in der repräsentativen Demokratie nicht vorgesehen.
18
Einführung
Der Verfassungsrang von Parteienstaatlichkeit
Jede ganzheitliche »Anatomie« des Parteienstaates muss ferner in Rechnung stellen, dass Parteien nicht nur in der Gesellschaft tätig sind, sondern,
wie schon der Begriff Parteienstaat aussagt, zwingend auch in der Sphäre
des Staates operieren, heute mehr als jemals zuvor. Faktisch rücken Parteien damit in den Status von Institutionen auf, die dem Staat anverwandt
sind. In Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben nehmen Parteien quasistaatliche Eigenschaften an, ohne allerdings im Rechtssinne »staatlich«
zu werden. Der real existierende Parteienstaat eignet sich also nicht etwa
unzulässig Macht an, wenn er an den Schnittstellen von Gesellschaft und
Staat vermittelt. Er erfüllt damit vielmehr öffentliche Aufgaben, die ihm
im demokratischen Verfassungsverständnis zugewiesen worden sind. Der
Bezug des Parteiensystems auf die Handlungsebene des ­Nationalstaates hat
sich im Übrigen auch in den heutigen Zeiten der globalisierten Problemlagen und überstaatlichen Problemlösungen keineswegs überlebt, sodass der
nationalstaatlichen Politik und Verwaltung nach wie vor wichtige Aufgaben übertragen bleiben.
Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist der Parteienstaat
als ein Rechtsgut ausdrücklich verankert. In der Folge hat die Staatsrechtslehre die positiv-rechtliche Begründung der Parteienstaatlichkeit fortentwickelt. Politische Parteien sind nach herrschender Lehre ein unverzichtbares
»Begleitphänomen des demokratischen Verfassungsstaates«9. In Artikel 21,
dem sogenannten Parteienprivileg, schreibt das ­Grundgesetz den herausgehobenen Status der Parteien als eine Verfassungsnorm fest. Damit sind
in der Bundesrepublik Deutschland die Parteien »vom Rand der Illegalität oder Duldung in das Zentrum des Verfassungsrechts gerückt«10. In
einer frühen Entscheidung stellte das Bundesverfassungsgericht hierzu fest:
»Heute ist jede Demokratie zwangsläufig ein Parteienstaat.«11 In der Fachsprache werden denn auch die Bezeichnungen »Parteienstaat« und »Parteiendemokratie« häufig identisch verwandt.12
Parteienstaatlichkeit bildet im Übrigen ein universelles Strukturprinzip moderner repräsentativer Demokratien ab, das sich nach 1945 in weiten Teilen der Welt durchgesetzt hat. »Die europäische und die lateinamerikanische Verfassungstheorie zeigen sich durchaus des Umstandes
bewusst, dass der Staat des 20. Jahrhunderts ein Parteienstaat ist und dass
an die Stelle der Souveränität des Volkes praktisch die Souveränität der
Parteien getreten ist.«13 Die faktisch beherrschende, funktional unabweisbare und rechtlich beglaubigte Stellung des Parteienelements im heutigen Staat ist mithin kein Alleinstellungsmerkmal der deutschen Bundes19
Einführung
republik. Allenfalls seine besondere verfassungsrechtliche Absicherung im
Grundgesetz stellt eine nationale Besonderheit dar.
Antiparteienaffekte in deutscher Vergangenheit und ­Gegenwart
Des ungeachtet hat gerade in Deutschland der Parteienstaat seit jeher einen
»negativen Beigeschmack«14. Auch die nachholende verfassungsrechtliche
Adelung durch das sogenannte Parteienprivileg in Artikel 21 GG hat diesen kulturellen Vorbehalt nicht ausgeräumt. Im Gegenteil: In den letzten
Jahren hat sich der dem Parteienstaat zäh anhaftende Leumund eines selbstsüchtigen und machthungrigen Monopolisten in der öffentlichen Wahrnehmung eher wieder erhärtet. Jedoch ist der Antiparteienaffekt trotz aller
historischen Vorbelastungen keine deutsche Besonderheit. Die Politikwissenschaftler Oscar W. Gabriel und Katja Neller verweisen zu Recht auf den
Befund der international vergleichenden Einstellungsforschung, »dass parteienkritische Einstellungen zum Erscheinungsbild aller Demokratien des
20. und 21. Jahrhunderts gehören«15.
Fest steht allerdings: Das Parteiwesen fand in Deutschland historisch erst
relativ spät seine verfassungsrechtliche Anerkennung, nämlich im Gefolge
der zweiten Demokratiegründung nach 1945. Erst danach wurde dem Parteienstaat der Status als institutioneller Handlungsrahmen des Politischen
nicht mehr grundsätzlich bestritten. Älter als der anerkannte Parteienstaat
selbst ist hierzulande jedenfalls seine ständige Begleiterin, die Parteienschelte.
Die Gründe dafür liegen zum einen in der lange Zeit meinungsbildenden Kraft der klassischen deutschen Geisteskultur. Diese pf legte im
Schatten des Obrigkeitsstaates des 19. und noch des ersten Fünftels des
20. Jahrhunderts ihr Bekenntnis zum Unpolitischen und verweigerte sich
so entschieden der politischen Moderne. Aus dieser Sicht erschienen »Ge­­
sellschaft« und eben auch Parteien nicht als kulturwürdige Dinge, sondern
als Fehlschöpfungen einer als »undeutsch« abzulehnenden »Zivilisation«.16
Dem »artfremden Parteigeist« wurde die Denkfigur des vermeintlich
ganzheitlichen Volkes entgegengestellt. Das Modell pluralistischer Interessenvertretung hat darin keinen Platz. Neuerdings wird diese im Kern
antidemokratische Denkfigur in der rechten Randzone des öffentlichen
Diskurses von der völkischen »identitären« Bewegung wiederbelebt.
Zum anderen hat der deutsche Parteienstaat schon in seinem frühen
unfertigen Zustand jene Handlungsmuster hervorgebracht, die die zeitlosen Vorbehalte gegen ihn nähren. Ähnlich wie heute wurde auch schon in
der Vergangenheit die strukturbedingte Handlungslogik der Parteipolitik,
die sich beispielsweise in dem unter Wettbewerbsbedingungen ausgetrage20
Einführung
nen Ringen um Machterwerb und Machterhalt ausdrückt, als »schmutziges Geschäft« denunziert. Und natürlich gab es von Anfang an eine Endlosschleife sich wiederholender Fälle von Politikversagen, Parteienfilz und
persönlichem Fehlverhalten.
Unter den historischen Randbedingungen des deutschen Obrigkeitsstaa­
tes und einer verbreitet »unpolitischen« Geisteshaltung seines Bildungs­
bürgertums gediehen die Vorbehalte gegen Parteipolitik prächtig. Allenfalls
die Tonlage des Antiparteienaffekts variierte je nach Schichtzugehörigkeit.
In den Salons der Wilhelminischen und ebenso noch der Weimarer Eliten wurde die Missachtung kulturalistisch überhöht, im sozialen Untergeschoss des Kleinbürgertums nistete sich antiparteiliches Denken als robustes Ressentiment ein.
Tief sitzende Abneigung gegen Parteien ist folglich ein auch historisch
gewachsener Teil der Wirklichkeit des deutschen Parteienstaates. Weil die
objektiven Risiken des Politikversagens und die subjektive Versuchung
zum moralischen Fehlverhalten in den Parteienstaat mit eingebaut sind
und zudem in der Gegenwart über die modernen Medien ungleich schneller und detailgenauer vermittelt werden, überrascht es nicht wirklich, dass
Antiparteienaffekte in der öffentlichen Meinung bis heute lebendig geblieben sind. Wahr ist auch: Viele Repräsentanten des Parteienstaates weben
an dem Grauschleier des Vorurteils, der über ihnen liegt, eifrig mit. Fälle
von Selbstbedienung und Kumpanei, von Filz, Korruption und Machtverliebtheit treten im Umfeld der politischen Elite der Republik mit unschöner Regelmäßigkeit auf (allerdings nicht nur hierzulande, wie etwa die
im Mai 2009 im britischen Unterhaus massenhaft aufgedeckten Spesenskandale oder die Korruptionsaffären spanischer Provinzgranden zeigen).
Wenn Parteipolitiker beispielsweise mit wichtiger Miene von der Bedeutung »unserer Gremien« reden, bedienen sie jedes Mal das populäre Klischee des verknöcherten Parteifunktionärs. Auch melden Vertreter der
Parteien in staatlichen und staatsnahen Einrichtungen immer wieder einen
überzogenen parteipolitischen Machtanspruch an (Parteipatronage nennt
sich diese viel kritisierte Praxis).
Dass mutwillige Selbstbeschädigungen des Parteienstaates ­gemeinsam
mit Verfahrensweisen auftreten, die funktional begründet sind, aber gleichfalls kritisch bewertet werden, bleibt naturgemäß nicht ohne a­ bträgliche
psychologische Folgen. Wird in repräsentativen Umfragen nach dem Vertrauen in öffentliche Institutionen gefragt, bilden Parteien regelmäßig das
Schlusslicht. Im Korruptionsbarometer 2013 von Transparency International geben die Deutschen ihren Parteien die Note 3,8 (die 5 steht für
»äußerst korrupt«) und damit den schlechtesten Wert aller befragten Ins21
Einführung
titutionen.17 Dass Parteien nur auf die Stimmen der Wähler aus seien und
nach Beendigung des Wahlkampfes schnell den Kontakt zum Volk wieder verlören – diese für Parteien wenig schmeichelhafte Einschätzung teilt
spontan stets eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung.18
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hat die Parteienschelte in Deutschland
einen neuen Wellenkamm erreicht. Die parteienkritischen akademischen
Diskurse sind vielstimmiger geworden, und sie finden in wachsenden
Teilen der Eliten des Landes, die jahrzehntelang loyal zum Parteienstaat
gestanden haben, ein beifälliges Echo. Die Wahlbeteiligung ist im vergan­
genen Jahrzehnt auf allen drei Ebenen des deutschen Bundesstaates gesunken und erst ab 2013 wieder gestiegen. Im gleichen Zeitraum sind die
Mitgliederzahlen der Parteien, zumal der Volksparteien, geschrumpft.
Bevölkerungsumfragen registrieren eine schwindende Zuversicht in die
Problemlösungskompetenz, die Parteien zugetraut wird, und wachsende
Unzufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie. Das Vertrauen
in Parteien und in Parteipolitiker verharrte bis zum Ausbruch der globalen
Finanz- und Wirtschaftskrise im Herbst 2008 auf demoskopischen Tiefständen, erholte sich jedoch danach moderat.19
Aus intellektuellen Kreisen heraus wird der landläufigen Parteienverdrossenheit gelegentlich mit bemerkenswerter Schärfe sekundiert.20 Am
öffentlichen Abkanzeln des »ausufernden« Parteienstaates sind Wissenschaftler, auch Politikwissenschaftler, prominent beteiligt. Manche rhetorischen Ausfälle wecken ungute Erinnerungen an ein politisches Kampfvokabular, das sich zu Zeiten der Weimarer Republik für den demokratischen
Parlamentarismus zerstörerisch ausgewirkt hat.
Auch die Medien öffnen sich dieser verschärft parteienkritischen Grundstimmung. Hier fällt auf, dass grellen publizistischen Fanfarenstößen gegen
»Wucherungen« des Parteienstaates als Refrain häufig Sirenenklänge folgen, die das hohe Lied der direkten Demokratie intonieren. Hört man
genauer hin, so entpuppt sich das Werben für Plebiszite und das E
­ infordern
eines unmittelbaren Entscheidungsrechts für »das Volk« allerdings häufig
als ein nur anders verpacktes Misstrauensvotum gegen den ungeliebten
politischen Vorrang von Parteien.
Gefühltes Politikversagen und Vertrauensverlust in die ­Institution
der Parteien
Die gesteigerte Abneigung gegen Parteien lässt sich weder ausschließlich
mit Nachwirkungen einer parteienfernen deutschen Tradition noch allein
mit einer aktuell besonders dichten Häufung von Affären und Skanda22
Einführung
len hinreichend erklären. Zur Begründung des Antiparteienaffekts reicht
auch die Einschätzung nicht aus, dass parteipolitische Handlungsmuster
als ­solche immer schwer vermittelbar sind. Als eine weitere, international
­verbreitete Ursache kommt gegenwärtig die extern, durch den Kollaps der
­weltweiten Finanzmärkte und den Staatsbankrott einzelner EU-Mitgliedsländer bedingte Schwäche der Performanz, das heißt der Leistungsbilanzen
der politischen Systeme und der Regierungen hinzu. Waren schon vor den
Ende 2008 aufziehenden Turbulenzen auf den Finanzmärkten die nationalstaatlichen Handlungsspielräume im Zuge der wirtschaftlichen Globalisierung generell verengt worden, so sind seit der jüngsten Weltwirtschaftskrise
viele Staatshaushalte völlig aus den Fugen geraten. Mögen die astronomisch
hohen Quoten der Staatsverschuldung auch für die meisten Bürger ein abstraktes Zahlenwerk bleiben – das Empfinden, dass die Lasten der Bankensanierung sozial höchst ungleich verteilt wurden, ist allgemein verbreitet und
bleibt als ein gefühlter Beweis für Politikversagen im öffentlichen Gedächtnis haften.
Wenn Politik überwiegend mit Leistungsversagen und Gerechtigkeitslücken gleichgesetzt wird, rührt ein solches negatives Meinungsklima am
Nerv des Parteienstaates. In der oben eingeführten Begriff lichkeit ausgedrückt, heißt dies: Moralkrisen können sich zu Strukturkrisen der Parteiendemokratie ausweiten. Generalisiertes, also situations- und leistungsunabhängiges Vertrauen in Parteipolitik ist eine notwendige Bedingung für
eine stabile Demokratie. Wenn die Gesellschaft ihren Politikern das Vertrauen auf kündigt, wird ein Risikofaktor aktiviert, der in die Mechanismen des Parteienstaates immer schon mit eingebaut ist.
Unsere Annahme, dass sowohl Strukturmuster als auch Kulturmuster
tragende Teile des Parteienstaates darstellen, die sich gegenseitig in guten
Zeiten stützen und in Krisenzeiten destabilisieren können, lässt sich wie
folgt veranschaulichen: Fehlende Handlungsfähigkeit des Parteienregimes
führt zu sinkenden Vertrauenswerten. Geht in der Bevölkerung viel Vertrauen verloren, bauen sich umgekehrt höhere psychologische Hürden für
die parteipolitischen Akteure auf, mit der Folge, dass deren politische Wirkungsmacht noch mehr eingeschränkt wird. Steigt oder fällt das Maß an
Wertschätzung, das Parteien allgemein entgegengebracht wird, wächst
oder schwindet auch die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich an
Wahlen und zumal am Parteileben aktiv zu beteiligen. Um fortbestehen
zu können, müssen demokratische Parteien jedoch neue Mitglieder und
Anhänger rekrutieren. Ob die Chancen dafür kleiner oder größer werden,
hängt wesentlich von einer parteienfreundlichen Grundstimmung in der
Gesellschaft ab. Wie motiviert die bekennenden Anhänger welcher Partei
23
Einführung
sind und wie sich die Wählergunst am Wahltag verteilt, e­ ntscheidet kurzfristig über Machtanteile im Parteiensystem. Wenn gefühlsmäßige Parteibindungen generell schwinden und das Lager der Nichtwähler stetig Zu­­
lauf erhält, hat dies langfristig einschneidende Folgen für Konstanz und
Wandel des Parteiensystems.
An einem solchen kritischen Punkt seiner Entwicklung scheint der deutsche Parteienstaat vielen Beobachtern zufolge inzwischen angelangt. Die
Parteienforschung kommt nicht umhin, dem verbreiteten Stimmungsbild,
das landläufig mit »Parteienverdrossenheit« umschrieben wird, Beachtung
zu schenken. Sich mit diffusen antiparteilichen Stimmungsbildern wissenschaftlich auseinanderzusetzen, bedeutet aber gerade nicht, vorschnell eine
Krise des Parteienstaates auszurufen. Im System des Parteienstaates ist Verdruss über Parteien und Politiker zunächst nur ein Oberf lächensignal. Es
zeigt Reaktionen auf kritisierte politische Zustände und Vorgänge an, die
zum Teil auf ein tadelnswertes Verhalten von Politikern hindeuten, aber
ebenso in der Konstruktion und Funktionslogik des Parteienregimes als
solchem begründet liegen können.
Der historisch »verspätete« Parteienstaat als Teil des »deutschen
Sonderweges«
Der deutsche Parteienstaat hat, wie schon angedeutet, eine eigene
Geschichte, in deren Verlauf sich das für jedes Parteiensystem kennzeichnende Spannungsverhältnis zwischen Strukturmustern und Kulturmustern
in besonderer Weise ausgeformt und gewandelt hat. Der Entwicklungs­
pfad reicht hierzulande zurück bis zu den frühen Parteigründungen im
19. Jahrhundert. Der »verspätete« Parteienstaat war insofern Teil des historischen »deutschen Sonderweges«, als sich die demokratische Verfassungsordnung erst relativ spät durchgesetzt hat. Im Reichstag erhielten die Parteien zwar 1871 ihre parlamentarische Bühne. Sie übernahmen aber noch
keine unmittelbare Regierungsverantwortung. Auch deshalb verharrten
sie lange in einer Haltung doktrinärer Starre.
Dieser doppelte Demokratierückstand im deutschen Parteiensystem ist
erst nach 1945 aufgeholt worden. Erst ab 1949 wurde der Parteienstaat zu
einer Verfassungsnorm und zugleich ein mit großer Selbstverständlichkeit
praktiziertes Handlungsmuster der parlamentarischen Demokratie. Auch
in der Gegenwart wird die historisch geformte Sonderentwicklung des
deutschen Parteienstaates noch erkennbar, nun aber in einer bemerkenswert anderen Gestalt: Die Bundesrepublik ist einer der wenigen Mitgliedsstaaten der EU, in dem bis zu den Europawahlen von 2014 keine euro­
24
Einführung
skeptische Partei bei Wahlen nennenswerte Erfolge erzielt und in dem seit
1953 keine rechtsextreme oder rechtspopulistische Partei den Sprung in
das nationale Parlament geschafft hat. Dies verweist auf eine historische
Konstanz des Parteiensystems, die in mehr als sieben Jahrzehnten Nachkriegszeit erwachsen ist. Diese lange währende Beständigkeit des deutschen
Parteien­systems endete allerdings im Mai 2014, als die Af D mit 7,1 Prozent der Stimmen ins Europäische Parlament gewählt wurde. Und bei den
Bundestagswahlen 2017 dürfte mit der Af D erstmals eine rechtspopulistische Protestpartei in den Deutschen Bundestag einziehen.
Strukturen und Kulturmuster, Institutionen und Akteure,
­P fadabhängigkeit und »Kontingenzen«
Im Hinblick auf das Drehbuch, das für die nachfolgende Darstellung des
deutschen Parteienstaates zu schreiben war, sind somit zentrale t­ heore­tische
Annahmen eingeführt: Es gibt feste Strukturen im Parteiensystem, wie sie
etwa in der politischen Repräsentation bestimmter sozialer Gruppen der
Bevölkerung durch bestimmte Parteien ansichtig werden. Solche Strukturen sind nicht allein aus sich heraus wirksam, sondern sie werden getragen – oder infrage gestellt – durch auf sie bezogene Kulturmuster, die sich
insbesondere in generalisiertem Vertrauen ausdrücken und aus elementaren Moralregeln (»wichtig ist, dass es hierzulande gerecht zugeht«) speisen.
Zu dieser Systemdimension hinzu tritt, so haben wir gesagt, die Handlungsdimension. Diese erschließt sich aus dem Verhältnis von Institutionen
und Akteuren des Parteienstaates. So ist in Artikel 21 GG das sogenannte
Parteienprivileg zu einer Institution geworden, die den Politikern Handlungsspielräume rechtlich garantiert und diese zugleich begrenzt. Unter
bestimmten Bedingungen können die Vorzeichen vertauscht werden, was
dann eintritt, wenn Akteure die Institutionen umbilden. Dies ist etwa
dann der Fall, wenn das Parlament das Parteiengesetz novelliert oder mit
Zweidrittelmehrheit die Verfassung ändert.
Das Wechselspiel zwischen Strukturen und Kulturmustern des Parteien­
staates sowie die Interaktion von Akteuren und Institutionen vollzieht sich
auch in der Zeit. Über längere Zeiträume hinweg betrachtet, erscheint parteipolitisches Handeln hierzulande erkennbar »pfadabhängig«. Es bewegt
sich in weitgehend festen Bahnen und hat eigene Routinen entwickelt. Es
bedarf schon massiver äußerer Anstöße, etwa einer tief gehenden allgemeinen politischen Vertrauenskrise, um die Pfadabhängigkeit aufzubrechen. Die dem deutschen Parteienstaat innewohnende Handlungslogik,
die zunächst wie ein aus der Zeit fallender Mechanismus der Macht anmu25
Einführung
tet, muss folglich um seine Historik erweitert werden, das heißt um eine
Perspektive, die die geschichtlichen Verlaufslinien des Parteienstaates aufnimmt.
Dabei soll deutlich werden, dass die Entwicklung des Parteienstaates in
Deutschland seit dem historischen Gründungsakt von 1949 in ­besonderer
Weise pfadabhängig verläuft. Unbeschadet aller Zufälle, Unberechenbarkeiten und äußeren Einwirkungen (in der Wissenschaftssprache heißen
diese »Kontingenzen«), bewegt sich die parteienstaatliche Karawane auf
einem Entwicklungspfad voran, der mit der zweiten Demokratiegründung
nach 1945 seinen Ausgang nahm und im Zuge der deutschen Einigung im
Jahr 1990 nach Ostdeutschland hinein erweitert worden ist.
Eine solche Darstellung des Parteienstaates, die die System- und Handlungsdimension mit der entwicklungsgeschichtlichen ­
Dimension zu­­
sammenführt, ist nicht wenig anspruchsvoll. Das Vorhaben wird enorm
dadurch erleichtert, dass zu allen behandelten Teilaspekten eine Fülle von
Erkenntnissen und Befunden vorliegt, zu denen unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen beigetragen haben. Wichtige Einsichten in Strukturprobleme der Parteiendemokratie verdanken wir neben der politischen
Soziologie, zu der insbesondere die Wahl-, Parteien-, Einstellungs- und
Elitenforschung zählen, etwa auch dem modernen Staatsrecht. Die strenge
Formenlehre der Jurisprudenz eignet sich nämlich dazu, strukturbedingte
Fehlentwicklungen von Parteipolitik, die häufig als Fehlverhalten von
Personen gedeutet werden, tatsächlich aber in der Struktur des Parteienbetriebs begründet liegen, in entpersönlichter Form darzustellen. Diese
nüchtern-distanzierte, in der Sache gleichwohl kritische Sichtweise auf den
Parteienstaat nimmt beispielsweise der Parteienrechtler M
­ artin Morlok ein,
wenn er schreibt: »Wichtige Probleme werden über die Parteien nicht hinlänglich in den politischen Entscheidungsprozess eingespeist. Die Durchlässigkeit der Parteien für Interessen und Auffassungen ist begrenzt. Die
politische Diskussion wird von eher randständigen Themen beherrscht,
drängende Zukunftsprobleme wagt man im Hinblick auf die Wahlaussichten nicht anzusprechen.«21
Von Systemmängeln des Parteienstaates und der Verantwortung
der Politiker
Den Funktionsmängeln, die Morlok hier anspricht, ist gemein, dass sie
ursächlich nicht auf persönliches Versagen von Politikern zurückgehen.
Andererseits setzt die Vorzugsstellung, die den Parteien in Deutschland
institutionell eingeräumt wird, zweifellos eine Dynamik frei, die fortwäh26
Einführung
renden Grenzüberschreitungen vonseiten der parteipolitischen Akteure
Vorschub leistet. Exemplarisch deutlich wird dies an dem Dauerthema der
Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Anstalten sind nach
ihrer Rechtsnatur staatsfrei, dürfen aber nicht ausschließlicher Selbstkon­
trolle überlassen bleiben. Der ehemalige Verfassungsrichter Dieter Grimm
spitzt die Beschreibung des Problems folgendermaßen zu: »Der Ausweg ist
die Kontrolle durch die relevanten gesellschaftlichen Kräfte. Dazu gehören
die Parteien zweifellos. Im Unterschied zu den anderen gesellschaftlichen
Kräften ragen sie aber zugleich in den Staat hinein: Sie sitzen im Parlament
und in der Regierung. Aus dieser Doppelrolle resultiert das Problem.«22
Es ist, so ließen sich Grimms Ausführungen ergänzen, die doppelte
ex­­klusive Vertretungsmacht, nämlich zugleich Repräsentant gesellschaft­­
licher Kräfte und Mitglied staatlicher Organe zu sein, die es Parteipolitikern
erleichtert, in Rundfunkräten meritokratische Praktiken a­ nzuwenden, das
heißt leitende Positionen nach Maßgabe politischer Verdienste und Loyalitäten zu besetzen. Auf diesen Fluren findet so etwas wie eine ­strukturelle
Verführung der Parteipolitik statt: Machtmissbrauch wird gefördert durch
Fehlanreize, die im Gefüge des Parteienstaates selbst institutiona­l isiert sind.
Ein mögliches Missverständnis sei an dieser Stelle ausgeräumt: Wer
auf geöffnete strukturelle Gelegenheitsfenster und objektiv gegebene Be­­
schränkungen des Handelns verweist, die sich für politische Akteure ergeben, stellt den Parteipolitikern keinen Blankoscheck aus, für nichts selbst
verantwortlich zu sein. Die Institution Parteienstaat räumt den Akteuren
genügend Spielraum ein, subjektiv so zu handeln, wie es das allgemeine
Sittengesetz guter Politik verlangt. Trotz aller systemischen Zwänge gibt
es mithin eine Freiheit des Politikers, zwischen Alternativen wählen und
auf Kritik reagieren zu können. So ist, um für die Fähigkeit der Politik
zur Selbstkorrektur ein Beispiel zu nennen, der Staatsvertrag für das ZDF
Anfang 2016 dahingehend geändert worden, dass dem – ­verkleinerten –
Fernsehrat keine Vertreter politischer Parteien mehr angehören und
im – gleichfalls verkleinerten – Verwaltungsrat des Senders nur vier (statt
vormals fünf ) Vertreter der Länder sitzen. Mit der Novellierung des ZDF-­
Gesetzes zog die Politik die Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2014, das die übergroße Partei- und Staatsnähe der Gremien beanstandet hatte. Aus der persönlichen Verantwortung
für das eigene Tun wird den Parteipolitiker folglich auch der Parteienforscher, der objektiv gegebene Anpassungszwänge und Pfadabhängigkeiten
in Rechnung stellt, nicht gänzlich entlassen mögen und entlassen müssen.
Wo die Grenze zwischen sogenannten Sachzwängen, die im System an­­
gelegt sind, und persönlich zurechenbarem Fehlverhalten genau verläuft,
27
Einführung
ist im Einzelfall oftmals schwer zu markieren. Auch die ­w issenschaftliche
Literatur ist in gewisser Weise befangen, wenn sie solche politischen Vorgänge in ihre eigenen Sprachschöpfungen kleidet. Problematische Struktureffekte des Parteienregimes beschreibt sie nämlich vorzugsweise mit
wertbezogenen Begriffen. Mit der sprachlichen Formulierung wird dann
nahegelegt, dass der gemeinte Sachverhalt ursächlich auf angreif bare
Beweggründe handelnder Personen zurückgeführt werden kann. Zu dieser wertenden Terminologie gehören in der Parteienforschung etwa häufig gebrauchte Begriffe wie Patronage, Oligarchie, politische Klasse und
Parteienkartell oder Kartellpartei.
Die Krise der Parteiendemokratie – ein Dauermotiv der
Parteien­forschung
Für die Analyse des Parteienstaates sind die genannten Begriffe dennoch
unverzichtbar, weil sie typische strukturelle Fehlentwicklungen, die unbestreitbar demokratieschädliche Wirkungen zeitigen, in griffige sprachliche
Formeln kleiden. Die Gefahr, selber der Voreingenommenheit zu erliegen, ist bei ihrer Verwendung nicht gänzlich auszuschließen. Das Risiko
ist jedoch beherrschbar: Man muss sich darüber im Klaren sein, dass hinter den Wertungen, die in diesen Begriffen transportiert werden, immer
nur auf vorhandenes Wissen gegründete Annahmen über strukturbedingte
Schwächen und professionelle Deformationen des Parteienstaates stecken,
die es empirisch jedes Mal neu zu überprüfen gilt.
Die Erkenntnis, dass manche Auffälligkeiten und Anfälligkeiten von
Parteipolitik aus ihren Strukturen erklärbar sind, hat sich in der interna­
tionalen Parteienforschung längst durchgesetzt. In vergleichender Sicht
sind die Erscheinungsformen und Ursachen eines krisenhaften Wandels
von Parteiensystemen ein Dauerthema. Das Krisenmotiv der Party-ChangeLiteratur fand zyklisch auch in die deutsche Parteienforschung Eingang.23
In den 1970er-Jahren wähnte man das Land »auf dem Weg zum Einparteienstaat«. In den folgenden 1980er-Jahren lautete die Zeitdiagnose, allgemein seien die »Parteien in der Krise«. Es schloss sich danach die Frage an,
ob Volksparteien »ratlose Riesen« seien. Unter dem Titel »Krise oder Wandel der Parteiendemokratie?« ist wiederum 2010 ein Sammelband erschienen.24 Hier findet sich der Hinweis, dass der Parteienforscher Ulrich von
Alemann von 1949 bis zum Ende des Jahrtausends »allein 10 Parteikrisen
in Deutschland ausgemacht« habe.25 In einem weiteren, 2013 publizierten
Sammelband werden zahlreiche Faktoren zusammengetragen, die sich zu
dem Bild einer »Parteiendemokratie im Niedergang« fügen. Die Heraus28
Einführung
geber konstatieren ein »verfestigtes Störungsbild« im Verhältnis zwischen
Bevölkerung und Parteien und zitieren als Kronzeugen den Politikwissenschaftler Frank Decker, der von einer »Vertrauens-, Repräsentations- und
Legitimationskrise des Parteiensystems« spricht.26
Derzeit wird vermehrt darüber nachgedacht, ob Formen direkter oder
auch »deliberativer«, das heißt auf beratende Aussprache angelegter Demokratie Alternativen zum vorgeblich verschlissenen Parteienmodell sein
könnten. Parallel dazu überlegen die Parteien selbst ­intensiv, i­nwieweit
ihre inneren Organisationsstrukturen noch zeitgemäß und zukunftsfest
sind. Dass die Debatten um »neue, alltagstaugliche Mitmach-Formate«, um
verschiedene Mitgliedschaftsmodelle oder die Ablösung des Mitgliederprinzips durch das Delegiertenprinzip und ähnliche Reformschritte zum
Teil von Parteien, die nach wie vor konkurrieren, gemeinsam geführt werden, zeigt, wie hoch der Problemdruck geworden ist.27 Ausgemacht scheint
gegenwärtig jedenfalls, dass dem deutschen Parteienstaat die eigentlich
»schwierigen Jahre«, so die Formulierung des Parteienforschers Helmut
Wiesenthal, einmal mehr erst noch bevorstehen.
Auf dem Weg zu dauerhaften Umschichtungen der
Parteien­landschaft?
Als während der zweiten Hälfte des Jahres 2016 die Neuauf lage dieses
Buches entstand, schien diese Vorhersage Wirklichkeit geworden zu sein.
Die Parteienlandschaft der Bundesrepublik hat sich seit dem e­ rstmaligen
Erscheinen des Buches binnen fünf Jahren einschneidend verändert. Folgt
man der Sicht eines publizistischen Leitmediums, so »bahnt sich eine dauer­
hafte Neuordnung der deutschen Parteienlandschaft an«28.
Tatsächlich sind Wandlungen im Wählerverhalten erkennbar, deren
Ausschläge über die Schwankungen der Stimmenverteilung bei »Normalwahlen«, also solchen Wahlgängen, die von langfristig stabilen Parteibindungen geprägt werden, hinausweisen. Zwar sind im Ergebnis der letzten
Bundestagswahlen 2013 nur vier Fraktionen (mit insgesamt fünf Parteien)
im Bundestag vertreten. Aber die vergleichsweise geringe Fragmentierung
des nationalen Parlaments verdeckt lediglich, wie Helmuth Schulze-­Fielitz
anmerkt, eine breitere »Aufsplitterung des deutschen Parteiensystems«,
die zum Beispiel in der großen Zahl »verlorener« Stimmen sichtbar wird:
»Noch nie waren, wie nach den jüngsten Bundestagswahlen, so viele Teilnehmer an den Wahlen nicht im Bundestag durch die von ihnen gewählten Parteien vertreten, denn 15,8 % aller Wähler haben Parteien gewählt,
die an der 5-Prozent-Hürde gescheitert sind.«29
29
Einführung
Bei den darauffolgenden Wahlen trat die Auffächerung des Parteienspektrums in der Verteilung der Stimmen und Parlamentssitze deutlicher
zutage. Die bei den Wahlen zum Bundesparlament ein Jahr zuvor noch
knapp gescheiterte Alternative für Deutschland (Af D) zog bei den Europawahlen im Mai 2014 mit 7,1 Prozent in Fraktionsstärke in das Europä­
ische Parlament ein und blieb auch bei den folgenden Landtagswahlen von
März und September 2016 ausnahmslos erfolgreich. Sie erzielte durchwegs
zweistellige Prozentwerte und rückte in Sachsen-Anhalt mit 24,3 sowie
in Mecklenburg-Vorpommern mit 20,8 Prozent der Stimmen auf Anhieb
zur zweistärksten Fraktion auf. Infolge der veränderten parlamentarischen
Kräfteverhältnisse erlebten vormals unbekannte Koalitionsformate ihre
Premiere: Grün-Schwarz in Baden-Württemberg und »Kenia« (SchwarzRot-Grün) in Sachsen-Anhalt. Auch die schon verblasste »Ampel« (RotGelb-Grün) wurde (in Rheinland-Pfalz) neuerlich eingeschaltet.
Im Oktober 2016 kam die Af D in bundesweiten Umfragen auf 14 Prozent. Dabei erreicht sie in Ostdeutschland (Prozentwerte für September)
mit 21 Prozent deutlich mehr als im Westen (12 Prozent).30 In der Vorausschau ist zu erwarten, dass die Af D ebenso bei der kommenden Bundestagswahl im September 2017 die Fünf-Prozent-Sperrklausel überwindet.
Zwar ist keineswegs ausgemacht, dass sich die Af D nachhaltig als politische Kraft behaupten wird. Doch schon jetzt signalisieren ihr f lächendeckender und von breitem Wählerzuspruch getragener parlamentarischer
Aufstieg, dass das Protestparteienelement im deutschen Parteiensystem
eine bisher nicht gekannte wählerwirksame Größenordnung erreicht hat.
Dies hat zur Folge, dass alte Lagergrenzen (z. B. zwischen CDU und Grünen) durchlässig werden und die jahrzehntelang geltende Regel, dass politische Machtwechsel in Bund oder Ländern zwei große Volksparteien
unter sich ausmachen, hinfällig geworden ist.
Die Frage stellt sich, wie die Tragweite der jüngsten Veränderungen in
der deutschen Parteienlandschaft einzuschätzen ist. Bahnt sich hier möglicherweise ein Systemwandel an? Ist der Aufstieg von populistischen Protestparteien gar »ein entscheidendes Indiz für eine Krise der politischen
Repräsentation«?31 – Vor solchen Kassandrarufen ist zu warnen. Unübersehbar ist hingegen, dass die zentrifugalen Fliehkräfte im Parteiensystem
erstarkt sind – allerdings nicht gleichgewichtig rechts und links, sondern
mit einer deutlichen »Rechtsschiefe«. Ob das bereits auf einen Typenwandel von einem gemäßigt pluralistischen zu einem polarisierten Parteiensystem (im Sinne der Typologie Giovanni Sartoris) hinweist, ist einstweilen
noch offen. Denn mit Ausnahme der Rechtsextremen und Rechtspopulisten haben sich alle Parteien stärker zur Mitte hin bewegt, nimmt man die
30
Einführung
übliche Links-rechts-Skala als Anhaltspunkt. Außerdem sind Proteststimmungen bekanntlich ein f lüchtiges politisches Gut. Für die Kampagnen
der Af D liefert das Reizthema Asyl/Flüchtlinge/Zuwanderung gegenwärtig einen wichtigen Resonanzboden. Sollten die etablierten Parteien und
die von ihnen gestellten Regierungen in Bund und Ländern die Deutungshoheit über dieses Thema zurückgewinnen, dürfte auch die Anziehungskraft populistischer Parolen wieder nachlassen.
Ursachen für die gegenwärtige Konjunktur des Rechts­populismus
Der Rechtspopulismus profitiert jedoch nicht allein von der Sogwirkung
von Angst und Vorurteil, die in den Echoräumen emotional aufgeheizter
Debatten auf blühen. Vielmehr spiegeln die Verwirbelungen im deutschen
Parteiengefüge, wie wir sie gegenwärtig beobachten, einen fortgeschrittenen Stand diffuser politischer Unzufriedenheit und gesellschaftlicher Desintegration wider. Die heutige Konjunktur des Populismus ist folglich nicht
ausschließlich durch Aufgeregtheit, die durch das aktuelle Angstthema
Flüchtlinge angefacht wird, bedingt, sondern sie wird bef lügelt von Spaltungserscheinungen in der Gesellschaft und daraus entstandenen Legitimationseinbußen des politischen Systems.
Die Legitimationsdefizite lenken den Blick auf tiefer liegende Konf liktlinien, die in der politischen Kultur und der Sozialstruktur der deutschen
Gesellschaft in den letzten Jahren aufgebrochen sind. Die Chiffren hierfür lauten: Abstiegsängste, befürchteter Status- und Besitzstandsverlust,
Wahrnehmung ungleicher oder gar trostloser Lebenschancen, das Vermissen »guter Arbeit«, fehlende Verteilungsgerechtigkeit. Es sind ursächlich
solche subjektiv als prekär, das heißt als unsicher, riskant, ungerecht oder
zukunftslos empfundenen Lebenslagen, die sich auf der Ebene der politischen Einstellungen als tief greifende Entfremdung von der etablierten Politik und ihren Repräsentanten auswirken. Dies ist nicht nur die Wahrnehmung des sogenannten unteren Drittels der Gesellschaft. Vielmehr reicht
der Vertrauensverlust der Politik weit in die soziale Großformation der
berufsaktiven Altersgruppen zwischen etwa 25 und 60 Jahren hinein.
Ein Indikator für die veränderte politische Grundstimmung ist die langfristig gesunkene Wahlbeteiligung und ebenso ihr plötzlicher Wiederanstieg. Unter Nichtwählern sind, wie neue Studien belegen, die unteren
sozialen Schichten der Bevölkerung generell überproportional ­vertreten.
Bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt im März 2016 erhielt die
Af D – auch dank deutlich gestiegener Wahlbeteiligung – von Arbeitern
(35 Prozent) und Arbeitslosen (36) die meisten Stimmen. Dieselbe Partei
31
Einführung
wurde von annähernd zwei Dritteln ihrer Wähler (64 Prozent) »aus Enttäuschung« gewählt.32 Auch bei den zeitgleichen Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz war die Af D bei Arbeitern und Arbeitslosen überdurchschnittlich erfolgreich. Und auch hier war ein ausgeprägter
Antiparteienaffekt ein wesentliches Motiv der Wahlentscheidung: 100
Prozent (!) der rheinland-pfälzischen Af D-Wähler bejahten die Einschätzung, die etablierten Parteien nähmen die Sorgen der Bürger nicht ernst.33
Die Daten veranschaulichen beispielhaft den Zusammenhang, der zwischen einem Auseinanderdriften der Gesellschaft, sozialer Deprivation, sich
verhärtender Abwendung von »alter« Politik und unvermutet auftretenden
Radikalisierungsschüben des Wahlverhaltens besteht. Der Gleichklang
von sich auf lösendem gesellschaftlichem Zusammenhalt und schwindendem politischem Grundkonsens rührt an die Fundamente des demokratischen Parteienstaates.
Es trifft zu, dass der grassierende Verlust an Vertrauen in das Leistungsvermögen der etablierten politischen Ordnung und in die Glaubwürdigkeit der Regierenden kein speziell deutsches Problem ist, sondern ein
gesamteuropäisches und ebenso transatlantisches Phänomen beschreibt.34
Hiervon sind die sogenannten konsolidierten westlichen Demokratien
einschließlich der USA und die jungen Demokratien der postkommunistischen Transformationsländer Mittel- und Osteuropas gleichermaßen
betroffen. Die Erfolgsspur links- und vor allem rechtspopulistischer Parteien ist europaweit erkennbar.35 Sie pf lügt inzwischen breite Schneisen
durch die Gefilde der meisten nationalen Parteiensysteme.
Nicht nur treten vergleichbare Anzeichen eines abrupten Umbaus ge­­
wachsener demokratischer Parteiensysteme in ganz Europa auf. Auch die
ökonomischen, sozialen und psychologischen Bedingungen, die die krisen­
haften Umwälzungen in den Arenen der Parteipolitik ­kennzeichnen bzw.
verursachen, zeigen einen transnationalen Zuschnitt. Wie sich das dabei
erkennbare Wechselspiel zwischen strukturellen und kulturellen Faktoren hierzulande auswirkt, wurde oben schon angedeutet. Hinzu kommen
das Trägheitsmoment politischer Institutionen und für ­Außenstehende
undurchsichtige Eigenheiten der Abläufe politischer Steuerung und Koordinierung, die stärker als zuvor in der öffentlichen Wahrnehmung ein nachteiliges Bild von Politik, Politikern und Parteien vermitteln. Ohne einen
Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, sei in diesem Zusammenhang
auf vier ursächliche Faktoren verwiesen: (1) die gestiegene Komplexität
von Problemen; (2) die deshalb noch schwerer mögliche Durchschaubarkeit und Verstehbarkeit politischer Entscheidungsprozesse; (3) nachteilige
Folgen der Globalisierung, die als Aushöhlung nationaler Handlungsvoll32
Einführung
machten und als Steigerung persönlicher Lebensrisiken empfunden werden; schließlich (4) der damit einhergehende Machtverlust nationalstaat­
licher Parlamente.36
Komplizierte Problemlagen und undurchschaubare
Entscheidungsprozesse
Diese vier Punkte seien hier kurz erläutert: Politische Problemlagen erweisen sich mittlerweile als derart vielschichtig und miteinander verwoben,
dass steuernde Aktivitäten und Lösungsvorschläge der Politik sich nicht
mehr eindeutig parteipolitischen Alternativen zuordnen lassen.37 Die
Flüchtlingspolitik oder etwa auch zentrale Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik sind dafür Beispiele. Zwar mag der von Fall zu Fall in der
Sache gefundene Konsens der politischen Entscheider wohlbegründet sein.
Das Wahlvolk erlebt nichtsdestoweniger einen wie in Watte gepackten
Parteienwettbewerb. Das wirkt demobilisierend und nährt den Verdacht,
die »Altparteien« bildeten ein abgekapseltes Elitenkartell.
Die gesteigerte Komplexität der Problemlagen nehmen Bürger, zumal
politisch ungeübte, als Bestätigung für die Intransparenz des Politikbetriebs wahr. Was »hinter dem Vorhang« in oft komplizierten Verhandlungsrunden geschieht, bleibt den von Entscheidungen Betroffenen naturgemäß zumeist verborgen. Das lässt Misstrauen wachsen, und in der Folge
verbreitert sich der unsichtbare Graben zwischen Bevölkerung und Politik. Einer Umfrage von Mitte März 2016 zufolge stimmen 57 Prozent der
Bundesbürger der Aussage zu, dass »die da oben in der Politik« sowieso
machen, was sie wollen, »meine Meinung zählt da nicht«.38
Der oben erwähnte Wirkungszusammenhang zwischen schwacher Ausstattung mit sozialen Ressourcen (geringe Bildung, bescheidenes Einkommen, unterentwickeltes Selbstvertrauen) und politischer Entfremdung,
in der gleichwohl ein Protestpotenzial »schläft«, das durch populistische
Angebote aktiviert werden kann, tritt im Wahlverhalten gegenwärtig
zutage. Wie eine regionale Studie zu sozialen Hintergründen und Motivlagen des Nichtwählens exemplarisch aufzeigt, sind unter eingef leischten
Nichtwählern Arbeiter überrepräsentiert, und ebenso Menschen, die sich
»ungerecht behandelt« fühlen. Gering ausgeprägt ist dabei das Vertrauen
in Politiker sowie das Gefühl, selbst politisch etwas bewirken zu können.39
Dieselbe Gruppe Wahlberechtigter neigt dazu, bef lügelt durch populis­
tische Ansprache von der Nichtwahl zur Protestwahl zu wechseln: Bei der
Landtagswahl im März 2016 in Sachsen-Anhalt konnte die Af D die relativ
meisten Wähler aus dem Reservoir vormaliger ­Nichtwähler gewinnen.40
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Einführung
Neuer Nationalismus als parteipolitische Alternative?
Der 2007/08 eingetretene weltweite Kollaps der global agierenden Finanzmärkte und die als Folge davon in vielen Ländern ausgelöste Krise der
Realwirtschaft wird von Betroffenen weithin als ein Kontrollverlust nationaler Politik wahrgenommen, der individuelle Lebensrisiken steigert.
Gegenüber einer solchen externen Bedrohung suchen viele Menschen
Schutz in ökonomischer und kultureller Abschottung nach außen. Befürwortet wird ein die Krise vermeintlich heilender nationaler Zusammenschluss nach innen. Durch den zeitweise massenhaften und unkontrollierten Zustrom von Flüchtlingen und Asylbewerbern, wie er 2015 in einigen
(nicht allen) Staaten der EU registriert wurde, erhielt diese Wagenburgmentalität europaweit zusätzlich Auftrieb. Das mehrheitliche Votum der
Briten für den EU-Austritt am 23. Juni 2016 sowie hierzulande der rasante
Aufstieg der Af D seit der Jahreswende 2015/16 bestätigen es: Rechtspopulisten profitieren in Zeiten der Unsicherheit von der Angst vor Fremden
und können mit betont nationalen Losungen punkten.
Allerdings darf zumindest in Deutschland die auch hier ­weitverbreitete
Globalisierungskritik nicht unbesehen mit Europhobie gleichgesetzt werden. So hatte die Af D unter dem Vorsitz Bernd Luckes mit ihrer Anti-EuroKampagne trotz des Einzugs ins Europaparlament nur begrenzten Erfolg.
Zwar meinen auch die Deutschen mehrheitlich, die EU mische sich zu viel
in nationale Angelegenheiten ein. Doch sind rund drei Viertel der Bundesbürger überzeugt, die EU-Mitgliedschaft sorge dafür, »dass es uns wirtschaftlich gut geht« und dass wir in Europa »sicherer leben«.41
Die Europäisierung hat jedoch, darauf weist der Staatsrechtler H
­ elmuth
Schulze-Fielitz hin, eine Verlagerung der Entscheidungsmacht von den
gewählten Volksvertretungen zu Regierungen und Verwaltungen im Ge­­
folge. Ein solcher »Megatrend« lasse sich für alle westlichen Demokratien
feststellen.42 Die Anforderungen an das Krisenmanagement zur Steuerung
der Folgen der Finanzkrise (und, so ist hinzuzufügen, neuestens auch der
Flüchtlingskrise) lassen sich in der Tat nicht mehr in nationalen Alleingängen bewältigen, auch nicht seitens der Exekutiven in den Hauptstädten der
Mitgliedsstaaten. Es bedarf hierfür vielmehr des Eingreifens supranationaler Institutionen wie der EZB oder des IWF, deren Machtzuwachs offenkundig, wenngleich umstritten ist.
Unter den beschriebenen Umständen ist Krisenbewältigung vorrangig
die »Stunde der Exekutive«. Den nationalen Parlamenten bleibt nur übrig,
nachträglich zuzustimmen, was sie de facto »in eine Ratifikationslage
drängt«.43 Verlagerungen von Kompetenzen auf die europäische Ebene
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Einführung
sind daher, so Schulze-Fielitz, »weithin Synonym für den Verlust an politisch-parlamentarischer Kontrolle und politischer Verantwortung nationaler parteipolitisch geprägter Institutionen«.44 Wenn Parlamente nur noch
zu Notaren des Exekutivwillens werden, schwächt dies ihre Responsivität, das heißt die für eine Demokratie notwendige Verbindung zwischen
den Wählern und den Gewählten. Dass diese politisch letztverantwortlich sind, wird nur noch schwer oder gar nicht mehr erkennbar. Stattdessen verstärkt sich das Gefühl, dass Politik undurchsichtig, abgehoben und
noch weiter »nach oben« abgewandert ist. Solche Stimmungslagen sind
Wasser auf die Mühlen der Populisten. Auch das erklärt die in letzter Zeit
größer gewordenen Legitimationsprobleme des d­ emokratischen Parteienstaates.
Nachlassende Integrationskraft »alter« politischer Parteien und der
Aufstieg der AfD
Binnen vergleichsweise weniger Jahre haben sich mithin die Handlungsbedingungen für den Parteienstaat in Deutschland nachteilig verändert.
Das bedeutet nun nicht, dass die in diesem Buch gezogenen ­langfristigen
Entwicklungslinien abgebrochen wären und historisch g­ewachsenen
Erscheinungsbilder des deutschen Parteienstaates nicht mehr gültig. In
Gegenteil, sie behalten ihre Erklärungskraft und finden daher auch in
der Neuauf lage gebührend Platz. Aus der Perspektive einer gewandelten
Gegenwart stellt sich gleichwohl die Frage, »ob vor dem Hintergrund tief
gehender und vor allem gesellschaftlicher Veränderungen das herkömmliche Bild von der Integrationskraft politischer Parteien noch aufrecht zu
erhalten ist«.45
Um einführend einen Fingerzeig zu geben, wie der g­ esellschaftliche
Wandel sich auf den Parteienstaat auswirkt und wie er in demselben
politisch verarbeitet wird, ziehen wir nochmals das oben eingeführte
Begriffspaar Kulturmuster und Strukturmuster heran. Beide Muster folgen
eigenständigen Entwicklungslinien und stehen zugleich in einer engen
Wechselbeziehung. Beide schreiben stabile Pfadabhängigkeiten fort, ohne
jedoch darin zu erstarren. Beide sind keineswegs homogen; während sich
einesteils kulturell die Einstellungen von Eliten und Bevölkerung, aber
auch sozialer Gruppen unterscheiden, begegnen uns andererseits auch
»Strukturen« in verschiedener Gestalt, nämlich als Sozialstruktur oder
als staatliche Institutionen oder als Parteiorganisationen. Innerhalb dieser
»musterhaften« Anordnung von Kultur und Struktur entwickelt sich die
spezifische Dynamik des Parteiensystems. Auf einige Erscheinungsformen
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Einführung
dieser Dynamik, die im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts entweder
neu auftreten oder sich aktuell zugespitzt haben, sei hier zunächst stichwortartig verwiesen:
Die Erosion der Mitgliederparteien infolge anhaltender Mitgliederverluste schreitet weiter fort, trotz intensivierter Strategien der Parteiführungen, diesem Abwärtstrend entgegenzusteuern. Die personelle Auszehrung
vornehmlich der großen Mitgliederparteien geht einher mit der Abneigung eines anhaltend hohen Anteils der Bevölkerung, sich affektiv an eine
Partei zu binden. Seit der Jahrtausendwende geben in Westdeutschland
zwischen 30 und 40 Prozent sowie in Ostdeutschland zwischen 40 und
47 Prozent kontinuierlich an, keine Parteiidentifikation zu haben.46
Im politischen Diskurs ist eine wachsende Distanz zum Verfassungskern
der repräsentativen Demokratie zu beobachten. Diese Distanz äußert sich
nicht mehr nur in – zweifelsfrei demokratisch legitimierten – verbreiteten
Sympathien für die Aufwertung von Instrumenten der direkten Demokratie, sondern neuerdings auch im Wiederauf leben antidemokratischer
intellektueller Gegenentwürfe, die sich aus völkischer »identitärer« Ideologie speisen. Kennzeichnend für diesen Ansatz ist die gedankliche Kon­
struktion einer ihrer Natur nach gleichartigen Volksgemeinschaft, die gegen
die Vielfalt der Kulturen, der sozialen Gruppen und den Pluralismus der
Interessen und politischen Parteien ausgespielt wird.
Die Destabilisierung der klassischen Vorrangstellung der traditionellen
Volksparteien, insonderheit der SPD, schreitet im Ergebnis der Wahlen
beschleunigt fort. Der kumulierte Stimmenanteil für Unionsparteien und
SPD bei Wahlen unterschritt bei den Landtagswahlen von 2016 mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz die 60-Prozent-Linie. Die Kehrseite dieses
Abschmelzens von vormals größeren Wählerblöcken ist die Diffusion des
Parteiensystems auf nationaler und regionaler Ebene.
Hervorstechendes Merkmal dieser Diffusion ist der Aufstieg einer rechts­
populistischen Protestpartei in Gestalt der Af D. Das Mobilisierungs­ver­mögen
dieser Partei, ihre zum Teil spektakulären Wahlerfolge und ihre rasche
Ausbreitung über fast sämtliche Etagen des politischen Mehrebenen­
systems deuten auf ein dealignment im Parteiensystem hin, das heißt auf
eine Verschiebung der Kräfteverteilung, die aus massenhaft verbreiteter
Lockerung von Parteibindun­gen resultiert. Ob sich für die Af D in ihrem
Verhältnis zu Pegida das typische Erfolgsmodell einer neu gegründeten
Partei, deren Ausbreitung von einer sozialen Bewegung f lankiert wird,
wiederholt, bedarf indes genaueren Hin­sehens. Offen ist einstweilen nicht
zuletzt die Frage, ob es der Af D gelingt, ein sie dauerhaft tragendes »Cleavage« zu besetzen, also eine soziale Konf liktlage politisch zu vertreten, die
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Einführung
in der Interessenstruktur der Gesellschaft und von dieser präferierten Themen verankert ist.
Chancen für die Af D, ihre gesellschaftliche Verankerung zu festigen,
zeichnen sich in drei Richtungen ab. Zum einen hat die mit der programmatischen Modernisierung der CDU einhergegangene Preisgabe
klassischer konservativer Positionen in der Gesellschafts-, Bildungs- und
Verteidigungspolitik rechts der Mitte des politischen Spektrums ein Vertretungsvakuum geöffnet. »Die CDU, so scheint es, hat am konservativen
Rand eine Wählergruppe endgültig verloren und aufgegeben, die vor zehn
Jahren noch fest an sie gebunden war. Und anders als früher kann die CSU
dies nicht kompensieren.«47
Diese von Meinungsforschern bestätigte »Repräsentationslücke« wird
gegenwärtig von der Af D erfolgreich besetzt. Darüber hinaus findet die
Partei Zuspruch in jenen Teilen der Bevölkerung, die sich von der Politik innerlich schon abgewendet hatten, weil sie sich von dieser Seite für
ihre eigenen als unbefriedigend oder ausweglos empfundenen Lebenslagen
keine Lösung mehr erwarten. Diese Menschen sehen in der Af D nun eine
»Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen«.48 Zum dritten bedient die Af D
die Verlustängste jener, die befürchten, dass sie zugunsten von Flüchtlingen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt und bei Sozialleistungen
Nachteile zu gewärtigen haben.
Ob sich diese psychologische Gemengelage aus Existenzsorgen und
Unzufriedenheit mit der eigenen Lebenslage, aus Politikverdrossenheit
und Besitzstandsdenken zu einer »neuen sozialen Frage« verdichtet, die
der Af D eine stabile Wählerbasis verschafft, ist ungewiss. Es dürfte der
Partei schwerfallen, jene Klientel, die soziale Ungleichheit erfährt bzw.
beklagt, die sich von den herrschenden Umständen ungerecht behandelt
und von den »Altparteien« nicht mehr vertreten fühlt, mit politisch heimatlos gewordenen Nationalkonservativen und rechtslastigen Befürwortern einer die Demokratie transzendierenden Systemveränderung zu einer
homogenen sozialen Koalition zusammenzuführen. Dagegen sprechen
sowohl die soziale Streuung der mobilisierten Modernisierungsverlierer
als auch die Vielgestalt der Motive und Interessenlagen unter den Sympathisanten der Partei. Vorerst dient das Protestmotiv – wahlweise die Ablehnung des Euro, der Zuwanderung und des Islam sowie »Widerstand« gegen
»das System« – als vereinende Klammer.
Dennoch kommt es bei der eingetretenen Auffächerung des Parteiensystems auch wieder zu »Begradigungen«, wie der Niedergang der Piratenpartei veranschaulicht. Deren Parteimodell einer rationalen Protestpartei ist
nicht nur organisationspraktisch an den selbst gesetzten Ansprüchen einer
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Einführung
ungebremst basisdemokratischen »liquid democracy« gescheitert, sondern
auch daran, dass sich aus der Kombination von Netzpolitik, Technikaffi­
ni­
t ät, lose gekoppelter Organisation und auf »Transparenz« fokussiertem Verständnis von Bürgerrechten keine dauerhafte soziale Konf liktlinie herausbildete, die erfahrungsgemäß notwendig ist, um die Gründung
einer neuen Partei gesellschaftlich abzustützen. Stattdessen haben sich die
etablier­ten Parteien das Thema Netzpolitik zu eigen gemacht.
Der Parteienstaat – auch künftig kein politisches Auslauf­modell
Insgesamt betrachtet läuten die im deutschen Parteiensystem aufgetretenen Bewegungen nicht das Ende der Parteien ein. Zwar ist der Parteienforschung die Annahme eines für die Funktionsfähigkeit von Parteiensystemen vorteilhaften Gleichgewichtszustandes (»stable equilibrium point«) nicht
fremd.49 In der Realität stellt sich eine solche Balance jedoch bestenfalls
vorübergehend ein, nämlich so lange, wie auf dem Wählermarkt Angebot
(der Politik) und Nachfrage (der Wähler) hinreichend übereinstimmen.50
Obschon in der Bundesrepublik die etablierten Parteien in der Vergangenheit wiederholt eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit nachgewiesen
haben, überträgt sich gesellschaftlicher Wandel in gleitende oder eben auch
abrupte Veränderungen im Parteiensystem, die sich als Niedergang alter
und als Aufstieg neuer Parteien darstellen können. Wenn gesellschaft­l icher
Wandel eine neue Parteiengestalt annimmt, rückt er in seiner s­ozialen
Reichweite und politischen Signalwirkung automatisch stärker ins öffent­
liche Bewusstsein. Zugleich entsteht im ­Parteiensystem eine neue politische
Wettbewerbssituation, und mit dieser verändern sich die Handlungsbedingungen im Parteienstaat. Diesen Prozess in seinen Erscheinungsformen
und Folgen nachzuzeichnen, ist für die S­ elbstauf klärung eines demokratischen Gemeinwesens wichtig.
Die klassischen Funktionen politischer Parteien haben sich dabei jedoch
keineswegs erübrigt. Nach wie vor werden Parteien aus guten Gründen
gebraucht: um gesellschaftlichen Interessen Ausdruck zu geben, sie nach
Dringlichkeit zu ordnen und in die staatliche Willensbildung einzuleiten;
um das Personal für Parlament und Regierung zu rekrutieren; um egoistische Interessenlagen und »introvertierte« Loyalitäten, die sich in ­einzelnen
Politikfeldern eingerichtet haben, zu zügeln und in Lösungspaketen, die
gemeinwohlverträglich sind, zusammenzuführen; um politische Entscheidungen, die »oben« gefällt werden, den Bürgerinnen und Bürgern »unten«
zu vermitteln und damit der Politik die notwendige Legitimation zu verschaffen. Diese Liste mit unverzichtbaren öffentlichen Aufgaben der Par38
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teien ist nicht vollständig. Aber sie unterstreicht die eingangs zitierte Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass die moderne Demokratie
zwingend eine Parteiendemokratie ist.
Mithin ist der Parteienstaat kein Auslaufmodell. Für die praktische Um­­
setzung der Demokratie in den Flächenstaaten moderner Gesellschaften
gibt es zu ihm trotz aller selbsterzeugten Mängel und Schwächen keine
ernst zu nehmende Alternative. Diese Erkenntnis leitet auch die hier vorgelegte Studie. Es geht im Folgenden, wie bereits gesagt, nicht darum,
gut bekannte Strukturelemente des bundesdeutschen Parteiensystems und
Parteienstaates ein weiteres Mal neben- und nacheinander abzuhandeln.
Wenn Teilaspekte ohne Orientierung an theoriegeleiteten Blickachsen
lediglich »additiv« zusammengestellt werden, geht der Blick für das, was
die Welt der Parteipolitik im Innern eigentlich zusammenhält, zwangsläufig verloren.
Solche analytischen Streuverluste will die folgende Darstellung dadurch
auffangen, dass sie prozessbezogene und den Gegenstand der Betrachtung
systematisch erschließende Sichtweisen integriert. Es geht folglich um die
Strukturformationen und die kulturellen Deutungsmuster, die Handlungslogik und die historischen Vorprägungen des heutigen Parteienstaates in ihren Ausformungen, Abläufen und Ursachen. Im Kapitel »Erklärungen« werden Parteien als Ausdruck sozialen Wandels und als Agenten
gesellschaftlicher Konf likte vorgestellt. Das daran anschließende zweite
Kapitel »Entwicklungen« zeigt die Formveränderungen im Fortgang der
Zeiten auf. Das dritte Kapitel, betitelt »Erscheinungsbilder«, beschreibt die
Mühen der Tiefebene, wo praktische Parteiarbeit stattfindet. Hier findet
der Leser auch Argumente gegen den weitverbreiteten Generalverdacht,
Parteipolitik sei ihrer Natur nach eine pathologische Abweichung vom
Pfad politischer Tugend.51
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