ADHS Hauptvorlesung Psychiatrie SS16 J. M. Fegert, Ulm 12. Mai 2016 Gliederung ADHS in den Schlagzeilen ADHS Häufigkeit ADHS Symptome ADHS Pathophysiologie ADHS medikamentöse Therapie Emotionalisierung der Medikamentenverschreibungen Kraftklub – Ritalin/Medikinet Ich würd meine Lehrer gern mal wieder sehen Ich hab so viel zu erzählen, so viel ist geschehen, seit der 10. Ich bin nicht mehr in der Pubertät, eigentlich unfassbar War ja keine Phase, war ja mein Charakter Alle kommen zu dir um zu retten, was zu retten ist Du musst dich konzentrieren Also nimm die scheiß Tabletten jetzt Je mehr Ritalin, desto weniger Stress A zu dem D zu dem H zu dem S Nie, nie, nie, nie wieder Ritalin Nie, nie, nie, nie wieder Medikinet Nie wieder, nie wieder, nie wieder, nie wieder Ritalin Nie wieder, nie wieder, nie wieder, nie wieder Medikinet Kraftklub – Ritalin/Medikinet Raus mit dir, stundenlang auf dem Gang vor der Tür Bis er es irgendwann kapiert, danke dafür Hat nichts gebracht, aber der Wille war der 1,2 Pillen am Tag und der Kerl ist normal Vielleicht ein bisschen apathisch, gehört dazu Solange er dasitzt und niemanden stört, ist alles gut Wenn er sagt er hat Matsch im Kopf (Matschkopf) Dann erhöhen wir die Dosis weil der Junge quatscht ja immer noch Wir haben euch enttäuscht, Erwartungen nicht erfüllt Wir tragen keine Westen und wir tragen keinen Müll Wir wissen auch nicht was los ist, weil eigentlich haben wir auch immer noch keinen einzigen Klositz gereinigt Auf keiner Raststätte, wir haben nichts von alledem geschafft Waren nie in der Klapse, waren nie im Knast Wir nehmen nicht mal Drogen, jetzt nicht mehr Die letzten Tabletten sind sechs Jahre her http://www.youtube.com/watch?v=_Mv7sJxn0-A There is no such thing as a free lunch… Angell ADHS und ihre Behandlung in den Schlagzeilen Hyperaktive Kinder im Pillenrausch Der kleine Kreis. 34 Kilo. Die Menge, die 1993 in Deutschland verschrieben wurde. Ilustration F.A.S. Der große Kreis. 1,8 Tonnen. Die Menge an Wirkstoff, die 2010 in Deutschland verschrieben wurde. Sonntagszeitung vom 12. Februar 2012 DER SPIEGEL 31 / 2012 DER SPIEGEL 31 / 2012 ADHS DER SPIEGEL vom 15.7.2002 Der Struwwelpeter Aquarellierte Federzeichnung von Heinrich Hoffmann 1844. Dr. Heinrich-Hoffmann-Medaille Vorlesung Innere Medizin in Heidelberg nach dem Mittagessen Vorlesung des Internisten Friedrich August Puchelt an der Universität Heidelberg : „So nach Tisch ist niemand aufgelegt, zuzuhören … War es ein Wunder, wenn es in seinem Kolleg nach einer Viertelstunde … so aussah, wie ich es damals zu zeichnen pflegte.“ Federzeichnung von Heinrich Hoffmann (um 1830) Zusammenfassung Barmer GEK Report 2013 Gesamtanstieg der Diagnoseraten von hyperkinetischen Störungen in Deutschland nach ICD-10 (nur sichere Diagnosen) zwischen 2006 – 2012 um 49 %. 2006 wurden 2,9 % aller Jugendlichen im Alter von 0 – 19 Jahren mit einer hyperkinetischen Störung diagnostiziert 2011 waren es 4,14 % Am häufigsten ist die Diagnose bei 9 – 11-Jährigen, 8,1 % der Fälle. In der Altersgruppe der 10-Jährigen: - knapp 12 % der Jungen, - knapp 4,4 % der Mädchen Verordnungsraten Im Alter von 0 – 19 Jahren erhielten 2 % eine ADHS spezifische Arzneimittelverordnung Höchste Verordnungsrate für Methylphenidat im Alter von 10 – 14 Jahren (7 % der Jungen, 2 % der Mädchen) Erneute Anfrage bei Helsana nach schweizer Daten (diesmal keine Auskunft, da man in der Schweiz, zusammen mit anderen Krankenversicherungen etwas ähnliches wie den Barmer GEK Report plane) Well, I'm not going to give my baby any more dangerous drugs. From now on, it's nothing but fresh air, lots of hugs, and good old-fashioned Ritalin. Verunsicherungen in der Pharmakotherapie und Auswirkungen auf Praxis •Verschiedene „Skandale“ und Entwicklungen in den letzten Jahren zeigen (große) Wissenslücken über Pharmakotherapie bei Minderjährigen auf •► Verunsicherung der Eltern/Patienten •► „Lieber abwarten, bevor ein Medikament gegeben wird“ •► Trend zu „sicherer“ Naturheilkunde •► Angst vor klinischen Prüfungen, die aber notwendig sind, um die Arzneimittelsituation für Minderjährige zu verbesern Definition Kernsymptome Unaufmerksamkeit Motorische Hyperaktivität Mangelnde Impulskontrolle • • • • • Beginn in Kindheit Nicht Alter, Intelligenz entsprechend Dauer (mindestens 6 Monate) Beeinträchtigungen in mind. 2 Lebensbereichen Nicht durch eine andere psychische Störung erklärbar Klinische Relevanz ADHS ist eine häufige Störung: 3-6% ADHS ist eine chronische Störung – 30-60% Persistenz frühes Erwachsenenalter Assoziierte Störungen sind der Regelfall – Ca. 65-80 % mind. 1 assoziierte Störung – > 50 % mindestens 2 assoziierte Störungen ADHS führt oft zu psychosozialen Beeinträchtigungen – Z.B. schulische & berufliche Entwicklung, soziale Beziehungen, Unfallrisiko, Delinquenz Epidemiologische Prävalenz ADHS ist eine häufige Störung: 3-6% Polanczyk et al., 2007 Deutschland: Diagnoseprävalenz im internationalen Vergleich im Mittelfeld JAACAP, 2013 Was kennzeichnet ADHS / ADS oder HKS? Unaufmerksamkeit Hyperaktivität Impulsivität Symptome treten mindestens in zwei unterschiedlichen settings auf (meist Schule und zu Hause) Manifestation vor dem 7. Lebensjahr und Dauer von mindestens 6 Monaten Nach DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual, American Psychiatric Association, 1994) gibt es 3 Subtypen: Der unaufmerksame Typ (IN), der hyperaktive-impulsive Typ (HI), der kombinierte Typ (CB) CB entspricht am ehesten der hyperkinetischen Störung nach ICD 10 (F 90) In der ICD 10 kann die häufige Komorbidität mit Störung des Sozialverhalten extra diagnostiziert werden Symptomatik Die zehn wichtigsten Symptome bei ADHS: Unaufmerksamkeit und leichte Ablenkbarkeit Hyperaktiv und/oder verträumt Impulsivität Vergesslichkeit und schlechtes Kurzzeitgedächtnis das Kind wirkt zerstreut und chaotisch große Probleme beim Einhalten von Regeln Schul- und Lernprobleme, Vermeidungsverhalten beim Lernen Große Stimmungsschwankungen in kurzer Zeit Geringer Selbstwert Problematisches Sozialverhalten, gliedert sich nicht in Gruppen ein Häufigste Komorbiditäten und Differentialdiagnosen Teilleistungsstörungen* Lernbehinderung Störung des Sozialverhaltens oppositionelle Verhaltensstörung Angststörung Zwangstörung posttraumatische Belastungsstörung Depression bipolare Störung Tic-Störungen Anpassungsstörungen * - Rezeptive Sprachstörungen - Lese- und Rechtschreibstörung - Umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen Gen – Umwelt Interaktionen Wechselwirkungen zwischen Risikofakoren sind von entscheidender Bedeutung Theorien zur Entstehung von ADHS Genetik Umwelteinflüsse Veränderungen im neuronalen Netzwerk Pränatale Infektionen und Stress Epigenetische Veränderungen Veränderungen in Neurotransmittersystemen Toxische Schädigung Ernährung Pathophysiologie Krankheitsgene Umweltfaktoren Neurobiologische Abweichungen Endophänotypen Neuropsychologische Abweichungen Phänotyp Keine ADHS ADHS Unterschiedlicher Ausprägungsgrad Modifiziert nach Williams et al., Am J Psychiatry, 2012 ADHS: Genetik Zwillingsstudien zeigen eine hohe genetische Vulnerabilität (> 2000 Paare, monozygote 50-80% Konkordanz, Dizygote 35%) Adoptionsstudien zeigten einen stärkeren Genetischen Einfluss als gemeinsame Umwelt. Geschwister: Prävalenz 2-4x höher Eltern: Prävalenz 8 – 10x höher Kinder von Eltern mit ADHS: 60% Integrated Genome-Wide Association Study Findings: Identification of a Neurodevelopmental Network for ADHD Ergebnisse: 45 von 85 der „top-ranked“ ADHS Kandidatengene lassen sich in ein neuronales Entwicklungsnetzwerk einfügen, das direkt in Neuritenwachstum involviert ist. Poelmans et al., Am J Psychiatry, 2011 ADHS: Umweltfaktoren - Frühgeburtlichkeit (Hypoxie) - Nikotin und Alkohol, Drogen, Medikamente in utero - psychosozialer Stress in der Schwangerschaft - Blei (?) - Diät(?) Das Dopaminerge Belohnungssystem Bei ADHS Mechanismus des MPH Effekts H+ Cl- DA Ca++ DA Ca++ ATP MPH DA MPH Na+ Na+ Cl- DAT Na+ DA Na+ ClDA DA DA DA DIAGNOSTIK I Psychiatrische Anamnese des Kindes Psychopathologischer Befund Fremdanamnese der Bezugspersonen Familiengespräch Körperlich – neurologische Untersuchung EEG, EKG, MRT, Labor Anamnese (Eltern / Lehrer / Kind) – Aktuelle Anamnese – Aktuelle hyperkinetische Symptomatik des Kindes / Jugendlichen – Spezifische psychische Komorbidität / differentialdiagnostische Abklärung – Relative Stärken und Interessen des Kindes / Jugendlichen – Störungsspezifische Entwicklungsgeschichte / Biographische Anamnese – z. B.: pränatale Alkohol-, Nikotinexposition, Geburtskomplikationen, Meilensteine frühkindlicher Entwicklung, somatische Vorerkrankungen, schulische und psychosoziale Entwicklung – Familienanamnese – Rahmenbedingungen in Familie / Kindergarten / Schule und Gleichaltrigengruppe DIAGNOSTIK II Häufig eingesetzte Fragebögen - YSR / CBCL / TRF - ILK, BDI, (Beschwerdefragebogen, Depressionsfragebogen) - ADHS – Fragebogen (DYSIPS, Döpfner, Köln) - Kiddie-SADS (Standardisiertes Interview) DIAGNOSTIK III Testpsychologische Untersuchungen: – Leistungstests: Intelligenztests (K-ABC, WISC, WIE) – Aufmerksamkeitstests (d2, Ki-TAP) – Wisconsin Card Sorting Test für Evaluation der exekutiven Funktionen Verhaltenseinschätzung Verhaltensbeobachtung (direkt und/oder mit Videoaufnahme des Patienten) Verhaltensbeschreibungen – aus mehreren Quellen (Situationen des alltäglichen Lebens) – möglichst von mehreren Personen – Stärken/Kompetenzen – Schwächen, Defizite und Exzesse Beobachtung in verschiedenen Kontexten ist wesentlich Symptomatik mitunter nicht beobachtbar bei interessanten, belohnenden Aktivitäten oder in hochstrukturierten oder neuen Situationen Medizinische Untersuchungen Körperliche Untersuchungen – Kardiologischer (internistischer) Status – Puls, Blutdruck, Größe, Gewicht, somat. Stigmata (z.B. FAS) – Kinderneurologische Untersuchung – Grob- und Feinmotorik – Überprüfung von Hören und Sehen Bei Indikation (Differentialdiagnostik) – EEG, EKG – Laborparameter – Genetik Differentialdiagnosen Hohes, noch altersentsprechendes Aktivitätsniveau Umschriebene Entwicklungsstörung – Lese-, Schreib- und Rechenschwäche Andere psychische Störungen – – – – – – – – Störung des Sozialverhaltens Depressive Episode Angststörung Tic-Störung Zwangsstörung Bindungsstörung mit Enthemmung Psychosen (u. a. bipolare Störungen; Prodromi) Autismusspektrum (z. B. Asperger-Syndrom) Mentale Retardierung – Fragiles X-Syndrom Somatische Erkrankungen – – – – Anfallsleiden Hyperthyreose Schlafapnoesyndrom Restless-Legs-Syndrom Medikamentennebenwirkungen – z. B. Antikonvulsiva, Steroide, Antihistaminika, Sympathomimetika Neuropsychologie Störung exekutiver Funktionen • Hemmung (motorisch, kognitiv + emotional) • Planungsfähigkeit • Arbeitsgedächtnis • Aufmerksamkeit & Flexibilität Scientific American, 1998 1. Exekutive Dysfunktionen: nicht störungsspezifisch 2. Nur 50% der Betroffenen zeigen ausgeprägte exekutive Auffälligkeiten 3. Auch beeinträchtigte Motivations- & Lernprozesse, Regulation der Aktivierung Erhöhte Reaktionszeitvariabilität: stabilster Befund z. .B.: Nigg et al., 2005; Doyle et al., 2005 Behandlung Behandlungsbausteine Aufklärung & Beratung (obligat) Elterntraining Verhaltenstherapie, z.B. – Soziales Kompetenztraining – Übungsbehandlung Pharmakotherapie Psychosoziale Maßnahmen / Schulzentrierte Interventionen Therapiemöglichkeiten in der KJP ambulante, teilstationäre, stationäre Behandlung MULTIMODALES THERAPIEKONZEPT: - Psychotherapie, psychosoziale Interventionen, Medikation Psychotherapie: verbal nonverbal Psychoedukation Kunsttherapie VT/ CBT, analytisch Musiktherapie Familientherapie Ergotherapie tiergestützte Therapie Bewegungstherapie Multimodale Behandlung (Schulalter) Diagnose ADHS/HKS Starke Ausprägung mit krisenhafter Zuspitzung immer ja Aufklärung und Beratung, wiederholt auch im Verlauf Pharmakotherapie ja nein Probleme vorwiegend in der Schule zusätzlich ja nein Intervention in der Schule, evtl. Pharmakotherapie zusätzlich Probleme vorwiegend in der Familie ja Elterntraining, Intervention in der Familie Zusätzlich: Persistierende, assoziierte Störung ja Therapie der assoziierten Störung Noch ausgeprägte Symptomatik Psychosoziale Interventionen - Elterntraining - Schule - ambulante oder stationäre Jugendhilfemassnahmen (sozialpädagog. Familienhilfe, Erziehungsbeistand, Jugendhilfeeinrichtung) - Gruppentrainingprogramme - Konzentrationstraining Evidenzgrade I Harte Evidenz, systematisches Review, verschiedene randomisierte Studien mit gutem Design II Harte Evidenz, mindestens eine randomisierte Studie mit gutem Design III Evidenz beruhend auf nicht-randomisierten Studien mit gutem Design IV Evidenz beruhend auf nicht-experimentellen Studien mit gutem Design, mehr als 1 Zentrum oder Forschergruppe V Meinung respektierter Experten, deskriptive Studien, Berichte von Expertenkomitees Nichtmedikamentöse Therapie bei ADHS Multimodale Behandlung der hyperkinetischen Symptomatik Psychoedukation (Aufklärung und Beratung) (III) Elterntraining / Familieninterventionen (I) Schul-/Kindergarten-Interventionen (I) Selbstinstruktionstraining / Selbstmanagementtraining (II) Behandlung komorbider Störungen Soziales Kompetenztraining (opp./aggr. Verhalten) (II) Einzel- / Gruppentherapie (Selbstwertgefühl, Kontaktstörungen)(V) (tiefenpsychologisch / non-direktiv / verhaltenstherapeutisch) Übungsbehandlungen (Teilleistungsstörungen) (I-V) (Evidenzgrad) Psychopharmakologische Therapie: Ethische Bedenken „I´d rather be myself,” he said. “Myself and nasty. Not somebody else, however jolly.” [Aldous Huxley, 1932] ADHS: Medikation - Psychostimulanzien Methylphenidat (Ritalin®, Medikinet®,Equasym®, Methylphenidat Hexal®, Retardpräparate: Ritalin LA®, Concerta®, Medikinet ret®, Equasym ret®) Dexamfetaminhemisulfat (Attentin®) Lisdexamfetamin (Elvanse ®) - Selektive Noradrenalin Wiederaufnahmehemmer Atomoxetin (Strattera®) [Reboxetin (Edronax®)] - Adrenerge alpha2-Agonisten Clonidin (Catapresan®), Guanfacin (Intuniv®) (zentral u peripher, Aktivitätshemmung noradrenerger Neurone im LC) METHYLPHENIDAT, Dopamintransporterblocker Dosierung: kaum kontrollierte Studien für Kinder unter 6 Jahren - Alter über 6 Jahre: Beginn morgens 5mg, zweite mittägliche Dosis 5 mg allmähliche Dosissteigerung um 5-10 mg pro Woche, maximale Tagesdosis liegt bei 60 mg. übliche optimale Dosis: 0,5 – 1,0 mg/kg, verteilt auf 2-3 Tagesgaben Unerwünschte Wirkungen: Häufig: Schlafstörungen, Einschlafstörungen, verminderter Appetit, unspezifische gastrointestinale Beschwerden, Reizbarkeit, erhöhte Herzfrequenz Selten: Sozialer Rückzug, Depressive Verstimmung, Auslösung von Tics, erhöhter Blutdruck, Schwindel, Übelkeit, Obstipation, Kribbelparästhesien, eingeschränkte kognitive Leistungsfähigkeit bei sehr hohen Dosen (> 1mg/kg/d), z.B. Einengung der Aufmerksamkeit, verminderte Flexibilität im Denken, schlechtere Problemlösestrategien Medikamentöse Therapie Wirkmechanismen • Stimulanzien • Atomoxetin – Methylphenidat: – DL-Amphetaminsulfat, Lisdexamphetamin Dopamine/ Noradrenalin Transporter Postsynapse Rezeptoren nach Stahl 2003 DA (MPH, AMP) bzw. NA (ATX) Transporter-Blockade Erhöhte Freisetzung von Monoaminen in Synapse (AMP) Nebenwirkungserfassung nach Barkley Probleme beim Einschlafen und andere Schlafstörungen Alpträume Starrt ins Leere, Tagträume Spricht wenig mit anderen Interessiert sich wenig für andere Hat wenig Appetit Ist empfindlich und reizbar Hat Magenschmerzen Hat Kopfschmerzen Klagt über Schwindel Ist traurig; weint schnell Ist ängstlich Kaut exzessiv Fingernägel Ist über die Maßen fröhlich oder euphorisch Ist müde Hat nervöse Zuckungen, Tics Hat Haarausfall Nebenwirkungen im Langzeitverlauf In der MTA Studie führte die Exposition über 6 Jahre bis in die frühe Adoleszenz – nicht zu Effekten auf Puls und Blutdruck – Das Gewicht war im 3 Jahresverlauf geringer aber nicht mehr am Ende des 6 Jahres Zeitraums – zu einem Wachstumsverminderungseffekt (height z-scores both by medication quartile and by original group assignment, with maximum affect at 3 years) Kontraindikationen relative absolute Schwangerschaft/ Stillzeit Manifeste Psychosen Akute Angstzustände Arterieller Hochdruck Kardiale Arrhythmien Tic-Störung, Tourette Syndrom Anfallsleiden Medikamenten- und Drogenabusus Atomoxetin - Selektiver Noradrenalinwiederaufnahmehemmer Blockade des NERTs sofort, Wirkeintritt dauert bis zu 8 Wochen - unterscheidet sich in der chemischen Struktur kaum von Fluoxetin, war primär ebenfalls als Antidepressivum entwickelt - dann als Mittel für ADHS im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter getestet und zugelassen - Gravierendste NW ähnlich wie SSRIs: Suizidalität - Gute Alternative zu Methylphenidat bei komorbiden Ticstörungen und bei emotionalen Störungen des Kindesalters Lisdexamfetamin (Elvanse®) 20mg, 50mg, 70mg Hartkapseln Gewichtsabnahme In einer 4-wöchigen kontrollierten Studie mit Elvanse bei Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren betrug der mittlere Gewichtsverlust von der Ausgangssituation (Baseline) bis zum Endpunkt der Studie bei den Patienten, welche mit 30mg, 50 mg bzw. 70 mg Elvanse behandelt wurden, 0,4, 0,9 bzw. 1,1 kg. Demgegenüber zeigte sich eine Gewichtszunahme von 0,5 kg bei den Patienten der Placebo-Gruppe. Eine 4-wöchige Behandlung mit höheren Dosen waren mit einem größeren Gewichtsverlust verbunden. Sorgfältige Gewichtskontrollen bei Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren, die Elvanse über 12 Monate erhielten, lassen den Schluss zu, dass eine kontinuierliche Behandlung (d. h. eine Behandlung an 7 Tagen pro Woche während des gesamten Jahres) die anhand des Körpergewichts ermittelte Wachstumsrate verlangsamt. Dies wurde anhand einer altersund geschlechtsnormalisierten mittleren Änderung der Perzentile von – 13,4 nach einem Jahr im Vergleich zu Baseline belegt. Die durchschnittlichen Perzentile während der Ausgangssituation (Baseline) (n=271) und nach 12 Monaten (n=146) betrugen 60,9 bzw. 47,2. Guanfacin Guanfacin, Abkömmling vom Clonidin, α2a-Adreno-Rezeptoren-Agonisten Zentral wirksame Antihypertensiva Guanfacin stimuliert direkt die postsynaptischen α2a-Adreno-Rezeptoren – erhöht auf diese Weise die noradrenerge Neurotransmission. Stimulation der α2a-Adrenorezeptoren im präfrontalen Kortex führt zur Verbesserung kognitiver Funktionen. Verbesserung von Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnisleistung und Lernen konnte in Tierstudien dargestellt werden. Einfluss auf Impulsivität/Entscheidungen ist im Tierversuch (Ratte) assoziiert mit Modulation des noradrenergen Metabolismus im ventralen Hippocampus. Take Home Message 1. ADHS ist eine neuronale Entwicklungsstörung KEINE MODE-ERKRANKUNG! ADHS beruht nicht auf falscher Erziehung! ADHS = Hirnreifungsstörung Hirnmaturierung ist deutlich verzögert 2. ADHS ist sehr „heterogen“ möglicherweise ein „Sammelbecken“ unterschiedlichster Pathophysiologien TAKE HOME MESSAGE ADHS ist eine neuronale Entwicklungsstörung mit den Kardinalsymptomen Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsdefizit und Impulsivität. Bildgebungsstudien und genetische Untersuchungen geben mittlerweile sehr deutliche Hinweise, dass es sich um eine Hirnreifungsstörung handelt mit multigenetischem Hintergrund. Hauptrisikofaktoren neben genetischer Disposition sind Substanzkonsum und psychosozialer Stress in der Schwangerschaft sowie perinatale Hypoxien. Eine medikamentöse Behandlung (Psychostimulanzien, Atomoxetin, Alpha 2A Agonisten) gehört eingebettet in ein multimodales therapeutisches Gesamtkonzept mit psychosozialen, pädagogischen und psychotherapeutischen Interventionen. Take Home Message Wir behandeln nach dem multimodalen Therapiekonzept. Medikamentöse Unterstützung ist vom Evidenzgrad - kontrollierte klinische Studien und Langzeitstudien – die beste und effektivste Therapie. Trotzdem ist die Prognose für die Gesamtgruppe der AHDS Kinder deutlich schlechter als für gesunde Vergleichsgruppen. Und trotzdem ist es unbedingt zu akzeptieren, wenn Eltern für ihre Kinder keine psychopharmakologische Behandlung wünschen!!! Umso mehr muss versucht werden, das gesamte Umfeld der betroffenen Kinder und Jugendlichen in die Behandlung miteinzubeziehen. Zum Schluss noch eine kleine Bitte... • Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wird am Universitätsklinikum Ulm momentan der Online‐Kurs „Kinderschutz in Institutionen – ein Kerncurriculum für Leitungs‐ und Führungskräfte“ entwickelt • Dieser Online‐Kurs soll auch hinsichtlich seiner Wirksamkeit wissenschaftlich untersucht werden, u.a. In Bezug auf den Wissenszuwachs der Teilnehmenden • In diesem Kontext wird gerade ein Wissenstest entwickelt und in einer Pilotphase bzgl. seiner Qualität erprobt Wir suchen Probanden, die uns bei der Entwicklung dieses Wissenstests durch die Beantwortung der Fragen unterstützen! Verbundprojekt ECQAT: Leitungskurs KJPP Uniklinik Ulm 2015 72 Zum Schluss noch eine kleine Bitte... • Es handelt sich um 37 Multiple‐Choice‐Fragen; Bearbeitungszeit ca. 30 Minuten • In den nächsten Tagen erhalten Sie per Email einen Link zu der Befragung • Teilnehmende können eines von drei Bücherpaketen bestehend aus „Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen – ein Handbuch zur Prävention und Intervention für Fachkräfte im medizinischen, psychotherapeutischen und pädagogischen Bereich“ sowie „Kompendium `Sexueller Missbrauch in Institutionen´ – Entstehungsbedingungen, Prävention und Intervention“ gewinnen Vielen Dank! Verbundprojekt ECQAT: Leitungskurs KJPP Uniklinik Ulm 2015 73 XXXV. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie „Dazugehören“ Bessere Teilhabe für traumatisierte und psychisch belastete Kinder und Jugendliche 22. – 25. März 2017 Ulm Kongresszentrum CCU und Maritim Hotel Ulm Kongresspräsident: Prof. Dr. Jörg M. Fegert Wissenschaftlicher Kongresssekretär: PD Dr. Paul Plener Politische und organisatorische Kongresssekretärin: Dr. Daniela Harsch Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/ Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm Ärztlicher Direktor Prof. Dr. Jörg M. Fegert Steinhövelstr. 5 89075 Ulm www.uniklinik-ulm.de/kjpp www.deutsche-traumastiftung.de www.comcan.de